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German Pages 309 Year 1997
ECKHARD HEIN
Geld, effektive Nachfrage und Kapitalakkumulation
Volkswirtschaftliche Schriften Begründet von Prof. Dr. Dr. h. c. J. Broermann t
Heft 470
Geld, effektive Nachfrage und Kapitalakkumulation Eine Betrachtung aus Marxscher, Keynesscher und post-keynesianischer Perspektive
Von
Eckhard Hein
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Hein, Eckhard:
Geld, effektive Nachfrage und Kapitalakkumulation : eine Betrachtung aus Marxscher, Keynesscher und post-keynesianischer Perspektive I von Eckhard Hein. Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Volkswirtschaftliche Schriften; H. 470) Zugl.: Berlin, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-08958-8 NE:GT
D 188 Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0505-9372 ISBN 3-428-08958-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
S
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung...................................................................................... 17 B. Die Grundlagen der monetären Analyse bei Marx und Keynes, die "abstrakteste Form der Krise" und das "Prinzip der effektiven Nachfrage" .................................................................................... 26 I. Geld und "abstrakteste Form der Krise": Die Grundlagen der monetären Analyse bei Marx ........................................................................ 26
1. Die Marxsche Werttheorie als monetäre Werttheorie ........................... 27 2. Die Entwicklung der Geldkategorie bei Marx ..................................... 32 3. Post-Marxsche Korrekturen der Marxschen Ableitung der Geldkategorie .. 34 4. Die Funktionen des Geldes bei Marx ............................................... 42 5. Geldmenge, Preisniveau, Transaktionsvolumen: Klassische Dichotomie bei Marx? .................................................................................. 46 6. Geld und die "abstrakteste Form der Krise": Die Marxsche Ablehnung des Sayschen Gesetzes .................................................................. 51 7. Kredit und Zins in der Marxschen Theorie ........................................ 59 a) Die Grundlagen der Kreditökonomie ........................................... 59 b) Zins und Profit ....................................................................... 63 8. Zusammenfassung: Die Grundlagen der Marxschen monetären Analyse .... 70 11. Die kapitalistische Ökonomie als Geldökonomie und das "Prinzip der effektiven Nachfrage" bei Keynes ................................................... 71
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Inhaltsverzeichnis 1. Der Gültigkeitsbereich des Sayschen Gesetzes in der neoklassischen Fassung und die Eigenschaften einer Geldökonomie nach Keynes ........... 73 2. Grundzüge des Keynesschen "Prinzips der effektiven Nachfrage" in der
General Theory ........................................................................... 79 a) Die Struktur des Keynesschen Modells in der General Theory ......•... 79 b) Die Bestimmung der Investitionsgüternachfrage: Zinssatz und Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals ........................................... 81 c) Geldwirtschaft und Zins: Die Keynessche(n) Zinstheorie(n) .............. 84 3. Geldmenge und Zinssatz: Post-keynesianische und monetär-keynesianische Entwicklungen ................................................................... 91 4. Zur Kritik an der Keynesschen Investitionstheorie .............................. 102 a) Die neo-ricardianische Kritik, oder: Existiert ein Vollbeschäftigungszinssatz? ...................................................................... 102 b) Zinssatz und Profitrate in der neo-ricardianischen monetären Theorie der Verteilung ............................................................ 109 c) Die Kritik Kaleckis und alternative Möglichkeiten der Gleichgewichtsbestimmung ...................................................... 111 5. Exkurs: Erwartungen, Gleichgewicht und Ungleichgewicht .................. 114 6. Zusammenfassung: Die Grundlagen der Keynesschen monetären Analyse .................................................................................... 121 IIl. Gemeinsamkeiten und Differenzen der Marxschen und Keynesschen Grundlagen einer monetären Analyse .............................................. 123 C. Effektive Nachfrage, Verteilung und Kapitalakkumulation .................... 128 I. Effektive Nachfrage, Verteilung und Kapitalakkumulation aus Marxscher Perspektive ......................................................................... 130 1. Die orthodoxe Interpretation der Marxschen Akkumulationstheorie ........ 131
Inhaltsverzeichnis
7
2. Effektive Nachfrage und Akkumulation in den Reproduktonsschemata: Die Grundlagen eines modifizierten Marxschen Ansatzes ...................... 136 a) Gleichgewichtsbedingungen bei einfacher Reproduktion .................. 138 b) Störungspotentiale der einfachen Reproduktion ............................. 144 c) Effektive Nachfrage und Akkumulation im Schema der erweiterten Reproduktion ........................................................................ 148 3. Effektive Nachfrage und Akkumulation in ein-sektoraler Betrachtung ...... 155 a) Ein einfaches Modell .............................................................. 155 b) Die orthodoxe Marx-Interpretation ............................................. 162 c) Ein modifIZierter Marxscher Ansatz ........................................... 166 11. Effektive Nachfrage, Verteilung und Akkumulation aus Keynesscher und post-keynesianischer Perspektive .............................................. 171 1. Effektive Nachfrage und Akkumulation bei Keynes ............................. 171
2. Effektive Nachfrage, Verteilung und Akkumulation in der post-keynesianischen Theorie ........................................................ 172 a) Harrods Formulierung einer dynamischen Theorie ........................ 172 b) Kaldors post-keynesianisches Vollbeschäftigungs-Modell ................ 178 c) Wachstum und Verteilung bei J. Robinson ................................... 184 d) Die Entwürfe Kaldors und J. Robinsons im Ein-Sektoren-Modell ...... 190 ID. Über Marx und Keynes hinaus: Syntheseversuche und die Einbeziehung kaleckianischer Überlegungen ....................................................... 194 1. Marglins Hybrid-Modell: Die Überwindung der Inflationsbarriere? ........ 194 2. Kaleckianische Entwürfe im Ein-Sektoren-Modell: Die Endogenisierung des Auslastungsgrades ................................................................. 200
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Inhaltsveneichnis a) Das Rowthom-Dutt-Amadeo-Modell: Die unterkonsumtionistische Variante .......•...................................................................... 202 b) Das BhadurilMarglin-Modell: Verschiedene Akkumulationsregimes .. 207 IV. Zusammenfassung: Effektive Nachfrage, Verteilung und Akkumulation aus Marxscher, post-keynesianischer und kaleckianischer Perspektive ..... 216
D. Kredit, Zins, Finanzierung und Akkumulation .................................... 220 I. Kredit und Akkumulation: Realer und monetärer Kreislauf und die Endogenität der Geldmenge aus Marxscher und Keynesscher Perspektive .... 221 1. Akkumulation und Finanzierung in den Marxschen Reproduktionsschemata ........................................................................................ 221 2. Akkumulation und Finanzierung aus Keynesscher Perspektive: Implikationen der Debatte um Finanzierungs-Motiv und "revolving fund" ....... 223
3. Das Modell eines "monetary-circuit" ............................................... 227 ll. Kredit, Zinssatz und Akkumulationsgleichgewicht im Ein-SektorenModell ..................................................................................... 237
m. Kredit, Zins und Krise ................................................................. 252 1. Kredit, Zins und Krise aus post-keynesianischer und monetär-keynesianischer Perspektive ..................................................................... 253 a) Minskys "financial instability"-Hypothese .................................... 253 b) Herrs "Vision einer Geldwirtschaft" ........................................... 260
2. Kredit, Zins und Krise bei Marx ..................................................... 267 3. Gemeinsamkeiten und Differenzen der post- und monetär-keynesianischen und der Marxschen Krisentheorien ......................................... 275
E. Schlußbemerkungen ....................................................................... 277
Inhaltsverzeichnis
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Literaturverzeichnis .............................................................................. 287 Sachregister ........................................................................................ 306
Abbildungsverzeichnis Abbildung B.1:
Investitionsvolumen und Grenzleistungsfahigkeit des Kapitals .. 83
Abbildung C.1:
Geld- und Warenströme im Marxschen Schema der einfachen Reproduktion .............................................................. 141
Abbildung C.2:
Profitrate und Auslastungsgrad bei konstantem Reallohn ....... 159
Abbildung C.3:
Profitrate und Reallohn bei konstantem Auslastungsgrad ....... 159
Abbildung C.4:
Profitrate, Reallohn und Auslastungsgrad .......................... 160
Abbildung C.5:
Sparrate und Profitrate .................................................. 161
Abbildung C.6:
Orthodoxes marxistisches Akkumulationsgleichgewicht ......... 163
Abbildung C.7:
Modifizierte Marxsche Akkumulationskonstellationen ........... 168
Abbildung C.8:
Investitionsquote, Sparquoten und Profitquote bei Kaldor ...... 180
Abbildung C.9:
Kaldors Technische Fortschrittsfunktion ................ : ........... 182
Abbildung C.1O: Gleichgewichtige Akkumulationsrate und Profitrate bei J. Robinson ................................................................ 187 Abbildung C.11: Post-keynesianisches Akkumulationsgleichgewicht ............... 191 Abbildung C.12: Inflationsbarriere im post-keynesianischen Modell ............... 192 Abbildung C.13: Akkumulationsgleichgewicht im Marglin-Modell ................. 197 Abbildung C.14: Anstieg der Akkumulationsneigung im Marglin-Modell ......... 197 Abbildung C .15: Anstieg des Reallohnsatzes im Marglin-Modell ................... 198
Abbildungsverzeichnis
11
Abbildung C.16: Kaleckianisches Akkumulationsgleichgewicht im RowthornDutt-Amadeo-Modell .................................................... 205 Abbildung C.17: Erhöhung des Reallohnsatzes im Rowthorn-Dutt-AmadeoModell ...................................................................... 206 Abbildung C .18: Stagnationsregime und Angebotsregime im Bhaduri/MarglinModell ...................................................................... 211 Abbildung C .19: Auslastungsgrad, gleichgewichtige Akkumulationsrate und Profitrate bei Variation der Profitquote im Bhaduri/MarglinModell ...................................................................... 215 Abbildung D.l:
Monetärer Kreislauf .................................. ; .................. 232
Abbildung D.2:
Profitquote, Auslastungsgrad, Akkumulationsrate und Profitrate bei Variation des Zinssatzes: Mögliche Akkumulationskonstellationen ............................................................ 250
Abbildung D.3:
Profitrate und Zinssatz im Konjunkturzyklus ...................... 269
Symbolverzeichnis I. Symbole, die sich auf Preise und Mengen beziehen A
Aktien- bzw. Wertpapiervolumen
a
Arbeitskoeffizient
A
Input-Output-Matrix
a
Vektor der Arbeitskoeffizienten
B
Kreditvolurnen
b
Vektor des produktionszweigtypischen Anteils von Fremdkapital pro Outputeinheit
c
Konsum
c
Konsurnquote
c ...
Konsum aus Profiten
c'll"
Konsumquote aus Profiten Konsum aus Löhnen
. cw
Konsumquote aus Löhnen Konsum aus Zinseinkommen
cz
Konsumquote aus Zinseinkommen
e
Kapitalintensität
f
Durchhaltekosten pro Vermögenseinheit
g
Akkumulationsrate, Wachstumsrate des Kapitalstocks
GLK
Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals natürliche Wachstumsrate Harrods befriedigende Wachstumsrate
h
Profitquote
Symbolverzeichnis hn
Anteil der Unternehmensgewinne am Volkseinkommen
hZ
Anteil der Zinseinkommen am Volkseinkommen Geldzinssatz Investitionen
k
Kapitalproduktivität
K
Matrix des fixen Kapitals
K
realer Kapitalstock
L
Anzahl der Arbeiter bzw. der Arbeitsstunden Liquiditätprämie pro Vermögenseinheit
M
Geldmenge
m
Mark-up, Profitmarge
mn
Teil des Mark-ups, der den Unternehmensgewinn deckt
mZ
Teil des Mark-ups, der die Zinseinkommen deckt
Mh
Geldmenge in der Horte
Ms
Geldmenge zu Spekulationszwecken
Mz
Geldmenge in der Zirkulation
p
Preis der Ware i
p
Vektor der Produktionspreise
q
Umlaufgeschwindigkeit des Geldes
R
Zahlungsverpflichtungen
r
Gesamtprofitrate
r
erwartete Profitrate
rn
industrielle Profitrate
S
Sparen
s
Sparquote
Sc
Quote der einbehaltenen Profite
S'II'
Sparen aus Profiten
s...
Sparquote aus Profiten
13
14
Symbolverzeichnis Sparen aus Löhnen Sparquote aus Löhnen Sparen aus Zinseinkommen
sz
Sparquote aus Zinseinkommen
u
Auslastungsgrad
v
Kapitalkoeffizient
W
Lohnsumme Nominallohnsatz konventioneller Lohnsatz Reallohnsatz
x
Ertrag pro Vermögenseinheit
y
Arbeitsproduktivivtät
y
nominales Sozialprodukt bzw. Volkseinkommen
yr
reales Sozialprodukt
yv
Produktionskapazität, Sozialprodukt bei Vollauslastung Profitmasse industrielle Profite, Untemehmensgewinne
Cf
Sparrate
a
Reaktionskoeffizient in der Akkumulationsfunktion
ß
ReaktionskoeffIzient in der Akkumulationsfunktion
e
ReaktionskoeffIzient in der Akkumulationsfunktion
T
ReaktionskoeffIZient in der Akkumulationsfunktion
11. Symbole, die sich auf Arbeitswerte bzw•. direkte Preise beziehen a
Akkumulationsquote
Af
Akkumulationsfonds
C
Gesamtkapitalvorschuß in Werten bzw. direkten Preisen
Symbolverzeichnis
c
Wert bzw. direkter Preis des vorgeschossenen konstanten Kapitals Wert bzw. direkter Preis der Abschreibungen auf fixes konstantes Kapital Wert bzw. direkter Preis des fIXen konstanten Kapitals Wert bzw. direkter Preis des zirkulierenden konstanten Kapitals
cm
Konsumquote aus Mehrwert Wert bzw. direkter Preis der hinzugefügten lebendigen Arbeit
m'
Mehrwertrate
m
Mehrwert
mr
Verausgabung des Mehrwertes als Revenue
r
Profitrate
v
Wert bzw. direkter Preis des vorgeschossenen variablen Kapitals Wert bzw. direkter Preis der Ware i
o
Organische Zusammensetzung des Kapitals
III. Sonstige Symbole di
Veränderung der Größe i Wachstumsrate der Größe i Angebot der Größe i Nachfrage nach der Größe i
I.*
Gleichgewichtswert der Größe i
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A. Einleitung Das theoretische und politische Scheitern von Marx und Keynes bzw. das Scheitern von marxistischen und keynesianischen Theorie- und Politikkonzepten zu postulieren, ist spätestens seit dem Zusammenbruch der staatssozialistischen Systeme des Ostens im Hinblick auf Marx und dem Scheitern der staatlichen Fiskalpolitik im Westen im Hinblick auf Keynes zu einer beliebten Übung der Vertreter des ökonomischen Mainstreams geworden. 1 Auf der anderen Seite wird jedoch auch in jüngerer Zeit von heterodoxen Vertretern des Faches zugestanden, daß sowohl Marx als auch Keynes zumindest die richtigen Fragen gestellt hätten und ihre Forschungsprogramme durchaus Anknüpfungspunkte für ein besseres Verständnis der Funktionsweise kapitalistischer Ökonomien liefern. 2 Auch ist seit Mitte der siebziger Jahre insbesondere im anglo-amerikanisehen Raum das Bemühen zu beobachten, auf den Fundamenten der Klassiker (Smith, Ricardo) und Marx einerseits, sowie auf Grundlage der "neueren " Beiträge von Keynes, Kalecki und Sraffa andererseits, ein alternatives Forschungsprogramm zur dominierenden Neoklassik zu formulieren. Dieses Forschungsprogramm, das je nach Schwerpunktsetzung als Post-Klassik, NeuKlassik oder Post-Keynesianismus bezeichnet wird, läßt sich nach Lavoie (1992, S. 5 ff.) anhand folgender Merkmale vom neoklassischen Mainstream unterscheiden. 3
1 Vgl. z.B. Helmstädter (1994), der einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Marxschen und der Keynesschen Theorie dadurch ausweicht, daß er Marx umstandslos für die verfehlte ökonomische Entwicklung in den staatsozialistischen Ländern und deren Zusammenbruch haftbar macht und Keynes die Verantwortung für die seit den siebziger Jahren explodierende Staatsverschuldung und die daraus resultierende Handlungsbeschränkung der öffentlichen Haushalte in den kapitalistischen Industrieländern zuschiebt. Zur Unhaltbarkeit einer solchen Position im Hinblick auf Marx vgl. z.B. Kisker (1990), im Hinblick auf Keynes vgl. z.B. Davidson (1991). 2 Vgl. hierzu z.B. Rothschild (1994), Riese (1994), Zinn (1994). 3 Einen Überblick über die verschiedenen Strömungen des Post-Keynesianismus geben Arestis (1992), DuttlAmadeo (1990), Eichner (1978), EichnerlKregel (1975), HamoudalHarcourt (1988), Harcourt (1987), Lavoie (1992a), Woeckener (1991). 2 Hein
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A. Einleitung
1. Das post-klassische Forschungsprogramrn ist im Gegensatz zum neoklassisehen Mainstream - mit dem Walrasianischen Gleichgewichtsmodell als hartem Kern - in epistemologischer Hinsicht dem Realismus statt dem neoklassischen Instrumentalismus verpflichtet. 4 Es geht in den post-klassischen Ansätzen um die Erfassung der stilisierten Fakten kapitalistischer Ökonomien im Rahmen eines deskriptiven Theorie und nicht um die Formulierung von unrealistischen Modellwelten, die den neoklassischen Gleichgewichts-, Optimalitäts- und Harmonievorstellungen gehorchen. 2. In ontologischer Hinsicht folgt die post-klassische Alternative dem Konzept des Organizismus und nicht dem neoklassischen Individualismus. Während die neoklassische Theorie das isolierte Individuum und seine Präferenzen zum Ausgangspunkt der ökonomischen Theorienbildung macht, stehen in den post-klassischen Ansätzen von vornherein gesellschaftliche Klassen, soziale Normen und Institutionen im Mittelpunkt der Analyse, die die Handlungsmöglichkeiten der Individuen prägen und beschränken. Hiermit einher geht in der post-klassischen Theorie die Unterscheidung von mikro- und makroökonomischer Logik. Im Gegensatz zum neoklassischen Widerpart wird nicht von der Identität beider Logiken ausgegangen, sondern vielmehr die Widersprüchlichkeit von individueller und gesellschaftlicher Logik als Wesensmerkmal kapitalistischer Ökonomien betont. 5 3. Das der Post-Klassik zugrunde liegende Rationalitätskonzept wird als prozedurale Rationalität bezeichnet, die im Gegensatz zur neoklassischen substantiven Rationalität steht. Die Handlungen der Individuen finden demnach in den Konzeptionen der post-klassischen Autoren nicht, wie in der neoklassischen Theorie, unter der Voraussetzung vollständiger Information statt, sondern erfolgen unter Unsicherheit, ohne dadurch jedoch irrational zu werden. Gesellschaftlichen Regeln, Institutionen und Erwartungen erhalten in diesem Verständnis deshalb eine prägende Rolle für das individuelle Handeln.
Zum Programm der Neuklassik, das eine Synthese von Sraffa und Keynes intendiert, vgl. KalmbachlKurz (1983, 1986), KurzlKalmbach (1981). Zur Formulierung eines breiteren post-klassischen Forschungsprogramms vgl. Henry (1993) und Lavoie (1992a). 4 Bei Marx und bei Keynes geht es damit um eine modellhafte Erfassung kapitalistischer Realität und nicht um die Konstruktion eines Idealmodells (vgl. Rothschild 1994, S. 30). 5 Das Keynessche Sparparadoxon ist genauso wie das Marxsche Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate ein Beispiel für den Widerspruch von individueller und gesellschaftlicher Logik.
A. Einleitung
19
4. Im Mittelpunkt der Analyse der post-klassischen Theorie steht die Produktion und nicht der Austausch, wie im neoklassischen Paradigma. Produktion, Verteilung und Akkumulation und nicht die optimale Allokation knapper Ressourcen sind daher zentraler Gegenstand des wissenschaftlichen Bemühens. 6 Die hier anzustellende Untersuchung sieht sich dem so skizzierten postklassischen Forschungsprogramm verpflichtet. Es soll an dieser Stelle insbesondere der notwendig monetäre Charakter dieses Forschungsprogramms herausgestellt werden, indem der Zusammenhang von Geld, effektiver Nachfrage und Kapitalakkumulation aus Marxscher, Keynesscher und post-keynesianischer Perspektive beleuchtet wird. Es wird dabei davon ausgegangen, daß es gerade die Bedeutung der monetären Sphäre und die hiermit verbundene Ablehnung des Sayschen Gesetzes sind, die einerseits eine Gemeinsamkeit von Marxscher und Keynesscher Theorie darstellen, und beide Theorien andererseits vom neoklassischen Paradigma unterscheiden. 7 Forschungsgegenstand neoklassischer Theorie ist eigentlich eine Naturaltauschwirtschaft. Geld wird erst nachträglich, wie ein Schleier, über die realwirtschaftlichen Prozesse gelegt, aber übt langfristig keinen eigenständigen Einfluß auf diese aus. Geld ist damit für die realwirtschaftlich bestimmte Gleichgewichtsposition des Systems unbedeutend und wirkt lediglich als Störfaktor, der kurzfristige Abweichungen vom Gleichgewicht verursacht. Marxsche, Keynessche und postkeynesianische Theorien fassen die kapitalistische Ökonomie hingegen von Anfang an als Geldökonomie auf. Marx und Keynes präsentieren damit die Grundlagen für eine monetäre Analyse, die so im Gegensatz zur neoklassisehen Realanalyse steht. Schumpeter unterscheidet z.B. reale und monetäre Analyse wie folgt. "Real Analysis proceeds from the principle that all the essential phenomena of economic life are capable of being described in terms of goods and services, of decisions about them, and of relations between them. Money enters the picture only in the modest role of a technical device that has been adopted in order to facilitate transactions. This device can no doubt get out of order, and if it does it will indeed produce phenomena that are specifically attributable to its modus operandi. But so
6 Auf Grund der Reproduzierbarkeit (fast) aller Güter, ist Zeit der einzig knappe Faktor im post-klassischen Forschungsprogramm (vgl. Henry 1993, S. 5 ff.). 7 Die Gemeinsamkeiten im Hinblick auf eine monetäre Analyse sowie in der Ablehnung des Sayschen Gesetzes in den Werken von Marx und Keynes sind in jüngerer Zeit insbesondere von Dillard (1984, 1986), Foley (1986), Kenway (1980), Moore (1991), Rotheim (1991), Sardoni (1986, 1987, 1991) herausgestellt worden. 2*
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A. Einleitung
long as it functions normally, it does not affect the economic process, wh ich behaves in the same way as it would in a barter economy: this is essentially what the concept of Neutral Money implies.( ... ) Monetary Analysis introduces the element of money on the very ground floor of our analytical structure and abandons the idea that all essential features of economic life can be represented by a bartereconomy model." (Schumpeter 1954, S. 277 f.)
Rogers (1989) hat nun verdeutlicht, daß es sich bei der Walrasianischen Theorie, dem Ansatz Wicksells und auch bei der monetaristischen Theorie um realwirtschaftliche Theorien im Sinne Schumpeters handelt, in denen Geld langfristig neutral ist. Auch die Neoklassische Synthese (Hicks, Patinkin) und die Neue Keynesianische Makroökonomik (Clower, Leijonhufvud) müssen als letztlich real wirtschaftliche Analysen klassifiziert werden, gleichwohl sie sich um die Ableitung keynesianischer Resultate bemühen. Sie können diese Resultate aber nur durch realwirtschaftliche Rigiditäten auf dem Güter- oder dem Arbeitsmarkt begründen. 8 Auf diese Ansätze soll in dieser Arbeit daher nicht explizit eingegangen werden. Die Hypothese zu belegen, daß sowohl Keynes als auch Marx, im Gegensatz zu den genannten Theorien, die Grundlagen für eine monetäre Analyse im Sinne Schumpeters liefern, ist erstes wesentliches Ziel dieser Arbeit. Ist diese Aussage im Hinblick auf das Keynessche Werk weitgehend akzeptiert, so sind die Einschätzungen im Hinblick auf die Marxsche Analyse durchaus widersprüchlich. 9 Es sollen in dieser Arbeit daher die in beiden Paradigmen präsentierten Grundlagen für eine monetäre Analyse systematisch rekonstruiert und verglichen sowie deren Weiterentwicklung in der marxistischen und post-keynesianischen Theorie verfolgt werden. Hierdurch wird ein begriffliches und theoretisches Fundament entwickelt, auf dem dann die Bestimmungsfaktoren von Kapitalakkumulation und Wachstum in kapitalistischen Geldwirtschaften analysiert werden können. Aus der auf Marxschen und Keynesschen Grundlagen aufgebauten monetären Analyse resultiert, daß die effektive Nachfrage zu einem wesentlichen Problem der kapitalistischen Ökonomie in der kurzen und in der langen Frist 8 Einen Überblick über diese und andere post-Keynessche Ansätze geben Hagemann/Steiger (1988). 9 Vgl. hierzu z.B. einerseits Herr (1988) und HeinelHerr (1992), die Marx eine reale Analyse unterstellen, und andererseits z.B. Dillard (1984), Foley (1986), Kenway (1980) und Rogers (1989), die die Ähnlichkeiten der Marxschen und Keynesschen Analyse betonen und Marx damit als monetären Theoretiker einordnen.
A. Einleitung
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wird. Kurzfristig stellt sich dieses Problem als Möglichkeit nicht hinreichender Auslastung bestehender Produktionskapazitäten, langfristig als Möglichkeit eines nicht hinreichenden Aufbaus von Produktionskapazitäten, gemessen an den Akkumulationsmöglichkeiten der Ökonomie. Sowohl die Marxsche als auch die Keynessche Theorie bieten einen geeigneten Rahmen zur Thematisierung dieser Problematik. Im Gegensatz zu reinen Unterkonsumtionstheorien (Malthus, Sismondi, Luxemburg) einerseits, die die Unmöglichkeit eines endogen generierten Wachstumsprozesses in der kapitalistischen Ökonomie postulieren, und in Abgrenzung zu neoklassischen Modellen andererseits, die die Stabilität eines Vollbeschäftigungswachstumpfades postulieren, läßt sich auf den Grundlagen von Marx und Keynes die Möglichkeit einer gleichgewichtigen Expansion nachweisen, ohne damit zu implizieren, daß ein solches Wachstumsgleichgewicht die Vollbeschäftigung aller Produktionsfaktoren umfaßt, noch daß es notwendig stabil ist. Diese Hypothese zu fundieren ist zweites wesentliches Anliegen dieser Arbeit. Es geht also darum, aus Marxscher und Keynesscher Perspektive die Bestimmungsfaktoren des langfristigen Akkumulationstrends kapitalistischer Ökonomien zu identifizieren und die Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie die Integrationsmöglichkeiten beider Ansätze zu untersuchen. Hierbei sind ebenfalls die auf den Arbeiten Kaleckis aufbauenden Modelle in die Diskussion einzubeziehen. Eine monetäre Analyse kapitalistischer Ökonomien erfordert ebenfalls, den Einfluß der monetären Variablen auf den langfristigen Akkumulationspfad sowie auf die krisenhaften Abweichungen von diesem Pfad explizit zu berücksichtigen. Es sind daher insbesondere die Bedeutung des Zinses und des Kredites für den Akkumulations- und Krisenprozeß aus Marxscher und Keynesscher Perspektive genauer zu untersuchen. Hierbei werden ebenfalls marxistische und post-keynesianische Ansätze berücksichtigt und Unterschiede, Gemeinsamkeiten und Integrationsmöglichkeiten aufgezeigt. Dieses kann als drittes Forschungsziel dieser Arbeit verstanden werden. Insgesamt geht es in dieser Arbeit also darum, die Grundlagen für eine auf Marxschen und Keynesschen Fundamenten aufgebaute Theorie der Kapitalakkumulation in der kapitalistischen Geidwirtschaft 10 zu formulieren.
10 Bei dem Begriff der "kapitalistischen Geldwirtschaft" handelt es sich zumindest aus Marxscher Perspektive eigentlich um einen Pleonasmus. Wie in Kapitel B.I. dieser Arbeit gezeigt wird, ist aus Marxscher Perspektive weder eine kapitalistische Ökonomie ohne Geld noch eine nicht-kapitalistische Geldwirtschaft denkbar. Wenn in den folgenden Ausführungen trotzdem von der "kapitalistischen Geldwirtschaft" die Rede ist, dann nur um zu unterstreichen, daß die Kategorien Geld und Kapital einander bedingen.
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A. Einleitung
Die Bearbeitung der skizzierten Forschungsfragen erfolgt unter der Annahme konstanter technischer Produktionsbedingungen. Es wird also auf eine Betrachtung der Rolle des technischen Fortschritts bzw. der Produktivkraftentwicklung aus Marxscher und Keynesscher Perspektive verzichtet. Hierdurch wird ein zentraler Baustein insbesondere der Marxschen Theorie der Kapitalakkumulation ausgeblendet. Auch genügen die unter dieser Voraussetzung erzielten Resultate noch nicht den Anforderungen an eine realistische, deskriptive Theorie der Kapitalakkumulation, die in der Lage ist, historische Akkumulationsphasen zu erklären, da diese insbesondere durch die Umwälzung der technischen Produktionsmethoden gekennzeichnet sind. Zudem wird in dieser Arbeit auch auf die Berücksichtigung der ökonomischen Aktivität des Staates und auf die Betrachtung von außenwirtschaftlichen Einflüssen verzichtet. Die hier dargestellten Ergebnisse bilden daher lediglich die Basis einer auf Marxschen und Keynesschen Grundlagen zu entwickelnden Theorie der Kapitalakkumulation. Die hier anzustellende Untersuchung sieht ebenfalls nicht vor, einen systematischen Vergleich des Marxschen und des Keynesschen ökonomischen Werks vorzunehmen. II Zum einen würde der Rahmen dieser Arbeit mit einer solchen Aufgabe gesprengt, zum anderen darf die Sinnhaftigkeit eines solchen Vorhabens im Hinblick auf einen Beitrag zu einer post-klassischen Synthese bezweifelt werden. Auch wenn davon ausgegangen wird, daß die Marxsche und Keynessche Theorie diverse Gemeinsamkeiten im Hinblick auf den hier behandelten Zusammenhang von Geld, effektiver Nachfrage und Kapitalakkumulation aufweisen, so sollte doch nicht übersehen werden, daß beide Ansätze sich in vielerlei Hinsicht unterscheiden. Diese Unterschiede liegen u.a. in der wissenschaftlichen Methode, in dem grundlegenden Erkenntnisinteresse, in der zugrunde liegenden Wert- und Verteilungstheorie, in der Einschätzung der Rolle des Staates und in der Vision über die Zukunft des Kapitalismus. Der hier angestellte Vergleich beschäftigt sich also nur mit einem Teilaspekt der ökonomischen Werke von Marx und Keynes und die hier präsentierten Elemente und Möglichkeiten einer Synthese sind Resultat
11 Ähnlichkeiten und KompatibiIitäten in Teilaspekten der Werke von Marx und Keynes wurden, neben von den bereits genannten Autoren, schon relativ früh von Fan-Hung (1939) und Alexander (1940) bemerkt und sind jüngst wieder von Pörksen (1981), Matyas (1983), Jensen (1989) und IrrganglMünster (1995) herausgestellt worden.
A. Einleitung
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einer eklektizistischen methodischen Vorgehensweise. 12 Es sollte daher in keiner Weise der Eindruck entstehen, hier würde die These vertreten, Marx sei ein früher Keynesianer gewesen oder Keynes könne als ein später, allerdings unbewußter Marxist verstanden werden. 13 Die in dieser Arbeit dargestellten Kompatibilitäten von auf Marxscher und auf Keynesscher Grundlage stehender Analyse sollten also nicht über die gravierenden Differenzen zwischen beiden Werken hinwegtäuschen. Entsprechend den drei oben formulierten Forschungszielen gliedert sich die Arbeit in drei Arbeitsschritte. Ausgehend von der These, Marx und Keynes präsentierten eine Theorie des Kapitalismus als Geldwirtschaft, wird im ersten Schritt, d.h. im Abschnitt B dieser Arbeit, die Konzeption der kapitalistischen Ökonomie als Geldökonomie und die darauf aufbauende Ablehnung des Saysehen Gesetzes aus der jeweiligen theoretischen Perspektive rekonstruiert. Entscheidend ist hier die Unterscheidung einer werttheoretisch fundierten Sichtweise der kapitalistischen Ökonomie als Geldökonomie aus Marxscher Perspektive von einer Keynessches Konzeption, die sich eher problemorientiert um den Nachweis der Möglichkeit dauerhafter, unfreiwilliger Arbeitslosigkeit bemüht. Aus beiden Perspektiven ergibt sich jedoch als Konsequenz, daß in der Geldwirtschaft systematisch zwischen Einkommen und Ausgaben unterschieden werden muß, woraus in der Marxschen Theorie die "abstrakteste Form der Krise" und in der Keynesschen Theorie das "Prinzip der effektiven Nachfrage" resultiert und an die Stelle des Sayschen Gesetzes tritt. Zugleich wird die Frage der Determination der einkommensunabhängigen Ausgaben aufgeworfen. Zur Beantwortung dieser Frage wird der kategoriale Zusammenhang von Geld, Kredit und Zins hergestellt sowie die Relation zwischen monetärem Zinssatz, realwirtschaftlicher Profitrate und Investitionsvolumen in der Marxschen und in der Keynesschen Theorie sowie in verschiedenen post-keynesianischen, monetär-keynesianischen und neoricardianischen Varianten untersucht. 12 Daß ein post-klassisches Forschungsprogramm notwendig eklektisch sein muß, betont auch Henry (1993). 13 Daß Keynes dem Marxschen Werk nicht allzu viel Bedeutung zumaß, soll hier nur am Rande erwähnt werden. So schreibt er über den Wissenschaftler Marx: "I believe that the future will leam more from the spirit of Gesell than from that of Marx." (CW VII, S. 355) und über dessen Hauptwerk, das Kapital: "Its dreary, out-of-date, academic controversialising seems so extraordinarily unsuitable as material for the purpose. (... ) But whatever the sociological value of the latter, 1 am sure that its contemporary economic value (... ) is nil." (CW XXIIX, S.38)
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A. Einleitung
Der zweite Arbeitschritt in Abschnitt C der Arbeit sieht dann den Übergang auf akkumulationstheoretisches Parkett vor, indem der Zusammenhang von effektiver Nachfrage, Einkommensverteilung und Kapitalakkumulation aus Marxscher und Keynesscher Perspektive hergestellt wird. Hier wird zum einen durch eine eingehende Betrachtung der Marxschen Reproduktionsschemata die herkömmliche Interpretation der Marxschen Akkumulationstheorie als realwirtschaftliche Theorie in Frage gestellt. Im Gegensatz zur orthodoxen Marx-Interpretation, die den langfristigen Akkumulationstrend ausschließlich durch die Entwicklung der technischen Produktionsbedingungen und der Einkommensverteilung bestimmt sieht, wird in dieser Arbeit eine Marx-Interpretation entwickelt, in der auch langfristig die effektive Nachfrage eine Rolle spielt, und die daher große Ähnlichkeiten mit postkeynesianischen Theorien aufweist. Um einen systematischen Vergleich von marxistischen und post-keynesianischen Ansätzen zu ermöglichen, wird in diesem Abschnitt ein einfaches Ein-Sektoren-Modell konstruiert, in dem sich die verschiedenen Ansätze darstellen und im Hinblick auf die Faktoren, die den gleichgewichtigen Wachstumspfad bestimmen, vergleichen lassen. Im Rahmen dieses Modells werden dann verschiedene Vorschläge zur Integration von Marxscher und post-keynesianischer Theorie analysiert sowie kaleckianisehe Beiträge daraufhin untersucht, inwiefern sie zu einer post-klassischen und damit zu einer Marx-Keynes-Synthese beitragen können. Auf der Grundlage der Resultate des zweiten Arbeitsschritts werden dann im dritten Schritt, in Abschnitt D der Arbeit, die Einflüsse des Kredites und des Zinses auf den Akkumulationsprozeß explizit betrachtet. Zuerst wird gezeigt, daß sowohl aus Marxscher als auch aus Keynesscher Perspektive eine realwirtschaftliche Expansion ohne gleichzeitige Expansion der Kreditgeldmenge eine theoretische Unmöglichkeit ist. In der Akkumulationstheorie kommt es daher zentral auf die Bestimmung der Investitionstätigkeit und deren Finanzierung an. Die Konsequenzen dieser Überlegung werden sodann durch die explizite Integration monetärer Variablen in das in Abschnitt C der Arbeit entwickelte Ein-Sektoren-Modell untersucht, wobei es insbesondere um die Einflüsse von Zinssatzvariationen auf den gleichgewichtigen Wachstumspfad einer Ökonomie geht. Da die Konstruktion von Gleichgewichtsmodellen jedoch nur als erster, wenngleich notwendiger, Schritt auf dem Wege zu einer realistischen Theorie der Kapitalakkumulation begriffen werden kann, und zudem sowohl Marx als auch Keynes den tatsächlichen kapitalistischen Akkumulationsprozeß als ungleichgewichtig und krisenhaft begreifen, wird in diesem Abschnitt ebenfalls die krisentheoretische Bedeutung monetärer Variablen thematisiert. Zu diesem Zweck wird die Rolle von Kredit und Zins in der Marxschen, der post-keynesianischen und der monetär-
A. Einleitung
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keynesianischen Krisentheorie exemplarisch betrachtet, und es werden Unterschiede und Synthesemöglichkeiten herausgearbeitet.
B. Die Grundlagen der monetären Analyse bei Marx und Keynes, die "abstrakteste Form der Krise" und das "Prinzip der effektiven Nachfrage" Die Grundlagen einer monetären Analyse werden von Marx und Keynes auf sehr unterschiedliche Weise gelegt. Lassen sich bei Marx die grundlegenden Kategorien einer kapitalistischen Geldökonomie unmittelbar aus der, von Marx selbst jedoch nicht konsequent, als "monetär" formulierten Werttheorie ableiten, so werden sie von Keynes in direkter Auseinandersetzung mit dem Stabilitätspostulat der neoklassischen Ökonomie und dem dort vertretenen Sayschen Gesetz entwickelt. Beide Wege sollen in diesem Abschnitt nachvollzogen werden. Es geht dabei sowohl darum, die Bedeutung der monetären Kategorien Geld, Kredit und Zins zu zeigen, als auch die Konsequenzen für Produktion und Beschäftigung zu analysieren und die Ablehnung des Sayschen Gesetzes aus Marxscher und Keynesscher Perspektive zu skizzieren. Die folgende Darstellung wird sich dabei nicht auf die Marxschen und Keynesschen Ausführungen zum Thema beschränken, sondern ebenfalls die in der post-Marxschen bzw. der post-Keynesschen Theoriebildung vorgenommenen Korrekturen und Erweiterungen einbeziehen, soweit diese einen Beitrag zu einer monetären Analyse liefern.
I. Geld und "abstrakteste Form der Krise": Die Grundlagen der monetären Analyse bei Marx Ausgehend von der Tatsache, daß die Kategorien Wert, Geld und Krise bei Marx in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, wird im folgenden Kapitel der Versuch unternommen, die Entwicklung dieser Kategorien bei Marx zu skizzieren, die Ambivalenzen herauszuarbeiten und so die Interpretationsspielräume und Entwicklungsmöglichkeiten des Marxschen Konzeptes aufzuzeigen. Es geht hierbei insbesondere um den Nachweis, daß es sich bei der Marxschen Theorie um eine monetäre Analyse im Sinne Schumpeters handelt, in der Geld von Anfang an eine Rolle spielt. Es wird nachgewiesen, daß die Marxsche Werttheorie als Theorie der Vergesellschaftung arbeitsteiliger Produktion eigentlich monetäre Werttheorie ist. Hierauf aufbauend wird die Entwicklung der Geldkategorie bei Marx skizziert, und es werden ausgehend von der Charakterisierung der Marxschen Werttheorie als
I. Marx: Geld und die "abstrakteste Form der Krise"
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monetäre Werttheorie einige strittige Fragen im Hinblick auf die begriffliche Entwicklung, die analytische Reichweite und die Ausfüllung der Geldkategorie diskutiert. Die dann folgende Skizze der Geldfunktionen bildet die Grundlage, um die Marxsche Ablehnung des Sayschen Gesetzes und die Formulierung der Bedingungen für die Möglichkeit der Krise, d.h. für die "abstrakteste Form der Krise", darstellen zu können. Die Darstellung der monetären Seite der Marxschen Theorie erfordert ebenfalls, die Kategorien Kredit und Zins einzuführen und die Grundlagen der Marxschen Zinstheorie sowie den Zusammenhang zwischen Zinssatz und Profitrate zu erörtern. Eine Zusammenfassung der Zwischenergebnisse soll abschließend den Vergleich mit der Keynesschen Theorie erleichtern.
1. Die Mansche Werttheorie als monetäre Werttheorie
Die Interpretation der Marxschen Werttheorie als monetäre Werttheorie kann an die Arbeiten von Rubin (1973), Backhaus (1974, 1975, 1978, 1986), Krause (1977, 1979, 1984), Reuten (1988, 1995) und Heinrich (1991) anknüpfen. Diese Arbeiten zeigen, daß die Kategorie des Wertes im Sinne Marxens zwingend notwendig die des Geldes einschließt, Werttheorie damit gleichzeitig Geldtheorie sein muß und die Marxsche Werttheorie in Abgrenzung zu reinen Arbeitsmengentheorien des Wertes damit sinnvollerweise als "monetäre Werttheorie" klassifiziert werden sollte. 1 Insbesondere in der Arbeit von Heinrich (1991) ist zudem gezeigt worden, daß Marx sich bei der Entwicklung der Geldkategorie in einige Widerspruche verwickelt und dem Anspruch, mit der eigenen Werttheorie über die Klassik hinauszugehen, nicht an jeder Stelle gerecht wird. Der Zusammenhang von Wert und Geld in der Marxschen Theorie ist damit nicht so eindeutig, wie herkömmlich angenommen wurde. Im folgenden wird eine Skizze der Marxschen Argumentation und der dort enthaltenen Widerspruche präsentiert. Es wird gezeigt, daß die Marxsche Werttheorie als Antwort auf die Frage nach der Vergesellschaftung von Arbeit in kapitalistischen Marktökonomien zwingend eine Geldtheorie einschließt und daß die Marxsche Geldtheorie daher nicht von der werttheoretischen Grundlage getrennt werden kann.
1 Eine solche KlassifIzierung schlägt schon Backbaus (1975) vor. Er unterscheidet dabei die Marxsche Wertheorie von marxistischen Werttheorien, wobei die verschiedenen Varianten der marxistischen Werttheorien einem prärnonetären Theorietypus zugeordnet werden.
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B. Die Grundlagen der monetären Analyse bei Marx und Keynes
Marx beginnt die Analyse der kapitalistischen Produktionsweise im Kapital bekanntlich mit der Untersuchung der Ware als Elementarform des Reichtums der bürgerlichen Gesellschaft (vgl. MEW 23, S. 49 ff.). Die Produkte individueller Arbeiten nehmen in arbeitsteiligen, kapitalistischen Marktökonomien die Warenform an. Individuelle Privatarbeiten stellen dabei ein nützliches materielles oder immaterielles Produkt her, das für anonyme Märkte produziert wird, das damit Gebrauchswert für andere ökonomische Agenten als den unmittelbaren Produzenten selbst haben muß. Der Gebrauchswert für andere ist also notwendige Voraussetzung dafür, daß die Resultate individueller Arbeiten die Warenform annehmen können. Damit ist aber noch nicht geklärt, wie der gesellschaftliche Zusammenhang in dezentralen Marktökonomien hergestellt wird. Dies wird von Marx durch die Analyse des Wertes intendiert. Bei der Untersuchung des Wertes geht es Marx in erster Linie um die Begründung, warum Arbeitsprodukte die Wertform annehmen und in zweiter Linie um die Analyse reproduktionsfähiger Austauschproportionen der verschiedenen Waren, die durch die Wertgröße der Waren bestimmt werden. Von Marx wird damit nicht primär nachgewiesen, daß Arbeit Wert bildet und die Austauschproportionen der Waren sich deshalb nach "vergegenständlichter", gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit richten, sondern es geht primär um die Untersuchung der sozialen Formen der Vergesellschaftung privater Arbeiten. 2 "Die Darstellung der spezifisch gesellschaftlichen Form der Arbeit, wie sie sich in den verschiedenen ökonomischen Gestalten von der Warenform des Arbeitsprodukts bis zu Profit und Zins niederschlägt, macht den eigentlichen Kern der Marxschen Arbeitswertlehre aus." (Heinrich 1991, S. 166)
Die Vergesellschaftung der Arbeitsprodukte und die Herstellung des gesellschaftlichen Zusammenhangs kann in einer dezentralen Marktökonomie aber nur in der einzig gesellschaftlichen Sphäre einer solchen Ökonomie stattfinden. Diese ist die Markt- bzw. Zirkulationssphäre. Hier treffen die verschiedenen Privatarbeiten in Gestalt der von ihnen produzierten Waren aufeinander. Die Vermittlung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung wird von Marx damit im Austauschprozeß, in der Zirkulationssphäre, lokalisiert. Hier haben die individuellen, privaten Arbeitsprodukte unter Beweis zu stellen, daß sie notwendiger Teil der gesellschaftlichen Gesamtarbeitsverausgabung waren, daß ihre Produktion gesellschaftlich notwendige Arbeit darstellt. Erst 2 Vgl. hierzu auch Rubin (1973, S. 36).
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im Verhältnis von Ware zu Ware kann die Wertgegenständlichkeit der Ware erscheinen, indem die Arbeitsverausgabung für eine Ware auf die Arbeitsverausgabung für alle anderen Waren bezogen wird. "Die Wertgröße der Ware drückt also ein notwendiges, ihrem Bildungsprozeß immanentes Verhältnis zur gesellschaftlichen Arbeitszeit aus." (MEW 23, S. 117)
Wird die Herstellung des gesellschaftlichen Zusammenhanges der individuellen Privatarbeiten in der Austauschsphäre lokalisiert, so stellt sich nun die Frage nach den Austauschproportionen, d.h. nach der Wertsubstanz und der Wertgröße. Betrachtet man mit Marx den Warentausch als Ausdruck einer spezifischen Form der gesellschaftlichen Arbeit, so können Wertsubstanz und Wertgröße nicht unabhängig von dieser Form durch physiologische, stoffliche Kategorien, also durch Verausgabung von konkreten physischen Arbeitsmengen bestimmt sein. "Erst innerhalb ihres Austauschs erhalten die Arbeitsprodukte eine von ihrer sinnlich verschiednen Gebrauchsgegenständlichkeit getrennte, gesellschaftlich gleiche Wertgegenständlichkeit. (... ) Die Menschen beziehen also ihre Arbeitsprodukte nicht aufeinander als Werte, weil diese Sachen ihnen als bloß sachliche Hüllen gleichartig menschlicher Arbeit gelten. Umgekehrt. Indem sie ihre verschiedenartigen Produkte einander im Austausch als Werte gleichsetzen, setzen sie ihre verschiednen Arbeiten einander als menschliche Arbeit gleich. Sie wissen das nicht, aber sie tun es." (MEW 23, S. 87 f.)
Versuche, die Marxsche Werttheorie als Weiterentwicklung der ricardianisehen Arbeitsmengentheorie zu interpretieren, greifen damit also zu kurz und werden dem spezifisch gesellschaftlichen Charakter des Wertes in der Marxsehen Werttheorie nicht gerecht. Als Wertsubstanz ergibt sich bei Marx nicht konkret verausgabte Arbeit, sondern vielmehr abstrakte Arbeit, die erst durch den Tausch konstituiert wird, also keine vorgesellschaftliche und damit präzirkuläre Existenzform besitzt. 3 Dies ist jedoch im ersten Band des Kapital nicht an jeder Stelle deutlich herausgestellt, scheint Marx doch hier gelegentlich einer physiologischen Definition der abstrakten Arbeit anzuhängen. So schreibt er z.B. auch:
3 Vgl. hierzu auch Reuten (1988, S. 127).
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B. Die Grundlagen der monetären Analyse bei Marx und Keynes
"Alle Arbeit ist einerseits Verausgabung menschlicher Arbeitskraft im physiologischen Sinn, und in dieser Eigenschaft gleicher menschlicher oder abstrakt menschlicher Arbeit bildet sie den Warenwert. " (MEW 23, S. 61)
Wie Heinrich (1991, S. 169 ff.) allerdings feststellt, verläßt Marx mit dieser physiologischen Auffassung von der wertbildenden Arbeit sein eigenes Forschungsprogramm. Denn faßt man abstrakte Arbeit als gesellschaftliche Kategorie, so bleibt sie auf die bürgerliche Gesellschaft beschränkt. Hängt man jedoch der physiologischen Interpretation an, so kann abstrakte Arbeit auf alle Produktionsweisen bezogen werden. Die spezifisch bürgerliche Form der Vergesellschaftung von Arbeit im Begriff der "abstrakten Arbeit" ginge verloren. Auch Rubin unterstützt diese Auffassung: "( ... ) da der Wertbegriff im Marxschen Werk einen historischen und gesellschaftlichen Charakter trägt (darin besteht gerade das Verdienst von Marx und das Spezifische seiner Theorie), müssen wir den Begriff der abstrakten Arbeit, die den Wert erzeugt, auf derselben Grundlage aufbauen." (Rubin 1973, S. 96)
Mit der Herausstellung der abstrakten Arbeit als gesellschaftlicher Kategorie, die allein die Wertsubstanz bilden kann, unterscheidet sich die hier präsentierte Interpretation von allen "Pfannkuchen-Theorien des Werts" (Krause 1977, S. 158), die in den zu Markte getragenen Waren schon bestimmte Mengen abstrakter Arbeit verkörpert sehen, die dann auf dem Markt - durch Herausbildung des Marktwertes oder des Produktionspreises nur noch verteilt werden müssen. Entgegen diesen, von einem technologischen Paradigma aus entwickelten Positionen, ist in der einem sozialen Paradigma zuzuordnenden Position4 die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit zur Herstellung einer Ware nicht mehr durch die durch technische Produktionsbedingungen bestimmte Verausgabung von Arbeitszeit quantifizierbar. 5 Es gilt vielmehr:
4 Zur Unterscheidung von technologischem und sozialem Paradigma vgl. De Vroey (1982, S. 39 f.). 5 Auch die neuerlich von Likitkijssomboon (1995) vorgetragene Position, die zwischen abstrakter Arbeit, die vor dem Austausch verausgabt wird und die Wertgröße der Ware bestimmt, und gesellschaftlich notwendiger Arbeit, deren Größe durch den Austausch am Markt bestimmt wird, unterscheidet, kann nicht überzeugen. Es bleibt unklar, wie abstrakte Arbeit als gesellschaftliche Kategorie bestimmt sein soll, bevor die Waren in die einzige Sphäre der Gesellschaftlichkeit in kapitalistischen Ökono-
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"Abstrakte Arbeit als gesellschaftliches Verhältnis kann überhaupt nicht 'verausgabt' werden." (Heinrich 1991, S. 174)
Betrachtet man die Wertsubstanz "abstrakte Arbeit" als gesellschaftliche Kategorie, so können sich folglich die Austauschproportionen der Waren nicht nach verausgabter Arbeitszeit richten. 6 Dies bedeutet zugleich, daß die Wertgröße und damit die Austauschproportionen der Waren nur in einer gesellschaftlichen Kategorie zum Ausdruck kommen können, in der dem Produkt der individuellen Arbeit - der Ware - ein bestimmter Anteil der gesellschaftlichen Arbeit zugewiesen wird. D.h. die Wertgröße muß zum Ausdruck bringen, daß für die getauschte Ware ein gesellschaftlich notwendiger Teil der Gesamtarbeit verausgabt wurde (vgl. Heinrich 1991, S. 174). Wertsubstanz und Wertgröße können deshalb nicht in dem isolierten Austausch zweier Waren bestimmt werden, sondern sie setzen immer schon einen kohärenten gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang voraus, in dem sich die auf eine Ware verausgabte Arbeit als entsprechender Teil der gesellschaftlichen Gesamtarbeit erweisen und so zu abstrakter Arbeit werden kann. Diese Voraussetzung ist bereits in der Marxschen Bestimmung der Wertgröße durch die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit enthalten . .Denn die den Wert einer Ware bestimmende gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit ergibt sich nicht nur durch die durchschnittlichen technischen Produktionsbedingungen zur Herstellung der jeweiligen Ware (vgl. MEW 23, S.53), sondern auch auch durch das Erfordernis, daß das Produkt der Arbeit ein gesellschaftliches Bedürfnis befriedigt, daß also eine gesellschaftliche Nachfrage nach der jeweils produzierten Ware existiert (vgl. MEW 23, S. 122). Diese gesellschaftliche Nachfrage muß sich aber auch in einer gesellschaftlichen Kategorie, einem allgemeinen Äquivalent, einem gesellschaftlich akzeptierten Repräsentanten für abstrakte Arbeit und damit für "Wert an sich", artikulieren können. Dies bedeutet nun, daß die Herstellung des gesellschaftlichen Zusammenhanges individueller Privatarbeiten in einer Marktökonomie stets die Herausmien eintreten. Die von Likitkijssomboon vorgenommene Unterscheidung von abstrakter Arbeit und gesellschaftlich notwendiger Arbeit bleibt so höchst mysteriös. 6 Es macht unter diesem Aspekt auch keinen Sinn, in verausgabten Arbeitsmengen gemessene Arbeitswerte zum' Ausgangspunkt für die Behandlung des sogenannten Transformationsproblems, das die Verwandlung der Arbeitswerte in Produktionspreise thematisiert, zu wählen. Zur Geschichte der Lösungen dieses quantitativen Transformationsproblems vgl. z.B. GlicklEhrbar (1987) und Quaas (1992).
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B. Die Grundlagen der monetären Analyse bei Marx und Keynes
bildung eines allgemeinen Äquivalentes als Repräsentant von gesellschaftlichem Wert erzwingt, auf das sich die individuellen Privatarbeiten beziehen müssen. Die Wertgröße einer Ware bestimmt sich daher im Austauschprozeß, in dem die Wertsubstanz, die abstrakte Arbeit, und die Austauschproportionen durch den Bezug auf das allgemeine Äquivalent erst hergestellt werden. Dieses allgemeine Äquivialent bzw. dieser gesellschaftlich akzeptierte Repräsentant für "Wert an sich" kann nun als Geld bezeichnet werden. "( ... ) money is the concrete expression of abstract labor - and, neglecting temporary surrogates, money is even the one and only expression of abstract labor." (Reuten 1995, S. 109)
Muß sich also der Wert einer Ware in bestimmten Einheiten des allgemeinen Äquivalentes als Maßeinheit für die abstrakte Arbeit ausdrucken, so bedeutet dies, daß der Wert nur in der Preisform, d.h. in einem Geldausdruck, erscheinen kann. Die Preisform erlaubt es, den Anteil der individuell verausgabten Arbeit an der gesellschaftlichen Gesamtarbeit zum Ausdruck zu bringen als Verhältnis des Preises Pi einer Ware Wi zur Gesamtsumme der Preise Pl ... Pn der Waren Wl ... Wn in einer bestimmten Periode. Die Größe des Wertes ist damit nicht prämonetär und unabhängig von seiner Erscheinung als Preis in der Zirkulationssphäre zu bestimmen. Die Marxsche Werttheorie ist so - konsequent entwickelt - monetäre Werttheorie und essentiell Geldtheorie.
2. Die Entwicklung der Geldkategorie bei Marx
Die Marxsche Entwicklung der Geldform im ersten Band des Kapital löst den Anspruch einer monetären Wertheorie jedoch nur mit Einschränkungen ein. Ausgehend von der Überlegung, daß die Wertgegenständlichkeit und damit der Tauschwert der Waren nur im Verhältnis von Ware zu Ware erscheinen kann, leitet Marx über die einfache oder zufaIlige Wertform, die entfaltete Wertform, die allgemeine Wertform letztlich die Geldform ab (vgl. MEW 23, S. 62 ff.). Geld - als gesellschaftliches Resultat dieses Prozesses ist dabei kein pfiffig ausgedachtes Mittel zur Erleichterung eines eigentlichen Naturaltausches, sondern ergibt sich zwingend aus den Kohärenz-Anforderungen der kapitalistischen Warenproduktion. Mit dem Nachweis der Genesis der Geldform aus dem Warenaustausch versucht Marx, diese These zu belegen. Der hier zu skizzierende Prozeß ist dabei nicht als historischer zu verstehen, sondern als begriffliche Entwicklung der Wertformen, bei der sich aus den Defiziten der betrachteten Form jeweils die nächst höhere Form ergibt.
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Ausganspunkt ist die n einfache, einzelne oder zufällige Wertform ": x Ware A = Y Ware B (vgl. MEW 23, S. 63 ff.) Der Wert erscheint hier als Tauschwert, d.h. im Austauschverhältnis zweier Waren. Ware A befindet sich in der relativen Wertform; Ware B in der Äquivalentform. Der Wert der Ware A drückt sich in einer bestimmten Menge Gebrauchswert der Ware Baus. Ware B verkörpert abstrakt menschliche Arbeit, d.h. konkrete Arbeit wird zum Ausdruck abstrakt menschlicher Arbeit. Die einfache Wertform erweist sich aus diesem Grund jedoch als unzulänglich und erfordert daher ihre Überwindung und Weiterentwicklung in der nächst höheren Wertform. "Der Ausdruck in irgendwelcher Ware B unterscheidet den Wert der Ware A nur von ihrem eignen Gebrauchswert und setzt sie daher auch nur. in ein Austauschverhältnis zu irgendeiner einzelnen von ihr selbst verschiednen Warenart, statt ihre qualitative Gleichheit und quantitative Proportionalität mit allen andren Waren darzustellen." (MEW 23, S. 76)
Spiegelt sich der Wert der Ware A nun nicht nur im Warenkörper der Ware B, sondern auch in dem der Ware C etc., so ist Marx begrifflich bei der nächst höheren Wertform, bei der "totalen oder entfalteten Wertform" , angelangt: z Ware A = u Ware B oder v Ware C etc. (vgl. MEW 23, S. 77 f.). Ware A besitzt nun unendliche viele Äquivalentformen, die allerdings keine einheitliche Erscheinungsform allgemeiner menschlicher Arbeit aufweisen und insofern unzulänglich bleiben. Auch diese Wertform muß auf Grund ihrer Unzulänglichkeit also begrifflich überwunden werden. Stellen alle Waren hingegen ihre Werte in einer besonderen Ware dar, so hat Marx die "allgemeine Wertform" begrifflich entwickelt. Hier gilt: u Ware B = z Ware A; v Ware C = z Ware A; y Ware D = z Ware A etc. (vgl. MEW 23, S. 79 ff.). Eine besondere Ware nimmt nun die allgemeine Äquivalentform an. "Die allgemeine Wertform, welche die Arbeitsprodukte als bloße Gallerten unterschiedsloser menschlicher Arbeit darstellt, zeigt durch ihr eignes Gerüste, daß sie der gesellschaftliche Ausdruck der Warenwelt ist. So offenbart sie, daß innerhalb dieser Welt der allgemein menschliche Charakter der Arbeit ihren spezifisch gesellschaftlichen Charakter bildet." (MEW 23, S. 81)
Wird die Rolle des allgemeinen Äquivalents von der Ware Gold übernommen, so spricht Marx von der Geldform. Die "Geldform" unterscheidet sich also nur insofern von der n allgemeinen Wertform", als daß alle Waren 3 Hein
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ihren Tauschwert nun in bestimmten Goldquanten ausdrücken: z Ware A = x Unzen Gold; u Ware B = x Unzen Gold; v Ware C = x Unzen Gold; etc. (vgl. MEW 23, S. 84 f.). Entscheidend bei dieser Herleitung der Geldkategorie ist für Marx die Aussonderung einer bestimmten Ware als Geldware. Auf Grund der physischen Eigenschaften und des historischen Tatbestandes geht er daher vom Gold als Geldware aus. "Gold tritt den andren Waren nur als Geld gegenüber, weil es ihnen bereits zuvor als Ware gegenüberstand." (MEW 23, S. 84)
Die Geldform ist für Marx also eindeutig an die Warenform geknüpft. Eine bestimmte Ware wird aus dem Kreis der Waren ausgeschlossen und damit zur Geldware. "Die gesellschaftliche Aktion aller andren Waren schließt daher eine bestimmte Ware aus, worin sie allseitig ihre Werte darstellen. Dadurch wird die Naturalform dieser Ware gesellschaftlich gültige Äquivalentform." (MEW 23, S. 101)
Geld wird damit zur selbständigen Form des Warenwertes. Der Gebrauchswert des Geldes besteht darin, stofflicher Träger von Tauschwert zu sein, Verkörperung von "Reichtum an sich". Der Tauschwert ergibt sich dabei wie bei jeder anderen Ware aus der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit zur Herstellung der Geldware. Die Marxsche Herleitung der Geldkategorie und das Konzept einer Geldware werden jedoch den Ansprüchen, die an eine monetäre Werttheorie zu stellen sind, nicht gerecht. Im folgenden ist deshalb auf die post-Marxschen Korrekturen der Marxschen Ableitung der Geldkategorie einzugehen. 3. Post-Marxsche Korrekturen der Marxschen Ableitung der Geldkategorie
Die skizzierte Herleitung der Geldkategorie bei Marx wirft angesichts der Erfordernisse einer monetären Werttheorie folgende Probleme auf. Erstens stellt sich die Frage nach der analytischen und historischen Reichweite des Marxschen Geldkonzeptes. Zweitens ist die Frage aufgeworfen, ob es bei einer Interpretation des Wertes und der seine Größe bestimmenden abstrakten Arbeit als gesellschaftliche Kategorien angemessen ist, die Herleitung des Geldes mit der einfachen oder zufälligen Wertform und damit mit dem einfachen Warentausch zu beginnen, wie Marx dieses tut. Drittens bleibt zu klä-
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ren, ob Geld, wie bei Marx, notwendig eine Ware sein muß.? Zu diesen Problemkomplexen sind in der post-Marxschen Theorie verschiedene Positionen und Standpunkte entwickelt worden, die im folgenden diskutiert werden. Die Debatte um die historische und analytische Reichweite des Marxschen Geldkonzeptes thematisiert die Frage, ob das Marxsche Konzept des Wertes und des Geldes nicht nur eine voll entfaltete Warenproduktion und -zirkulation, sondern auch kapitalistische Produktionsverhältnisse voraussetzt. Auf der einen Seite gehen z.B. De Brunhoff (1976, S. 19) aber auch Crotty (1985, 1987) davon aus, daß Marx eine allgemeine Theorie des Geldes verfaßt hat, die für jede Warenökonomie und nicht nur für die kapitalistische gilt. Auf der anderen Seite vertritt z.B. Weeks (1981, S. 29 ff.) die Position, daß die Kategorien Wert und Geld kapitalisitische Produktionsverhältnisse voraussetzen, es deshalb wenig Sinn mache, von vorkapitalistischer Warenproduktion oder nichtkapitalistischen Geldwirtschaften zu sprechen. Die von Weeks präsentierte Interpretation kommt dabei der oben gelieferten Darstellung der Marxschen Werttheorie als monetäre Werttheorie sehr nahe, in der Wert und Geld als spezifisch bürgerliche Vergesellschaftungsmodi identifiziert wurden. Der Zwang, sich dem Vergesellschaftungsprozeß der privaten Arbeiten und damit der Wertregulation vollständig zu unterwerfen, wird auf die individuellen Warenproduzenten nämlich erst dann im vollen Umfange ausgeübt, wenn sie alle Inputs auf Märkten, d.h. preisbewertet, kaufen müssen. Und nur unter kapitalistischen Produktionsverhältnissen nehmen alle Inputs inklusive der Arbeitskraft Warenform und damit Geldform an. Die Geldförmigkeit aller Inputs zwingt hierbei den Produzenten, seine Kosten als eine ihm aufgezwungene gesellschaftliche Norm zu betrachten, der er sich bei Strafe des Untergangs zu unterwerfen hat. "Failure to seil the commodity at a price covering wages advanced (plus the money advanced for the means of production, of course) would leave the capitalist unable 7 Die Frage, ob und inwieweit die Marxsche Ableitung der Geldkategorie sowie das Konzept der Geldware im Widerspruch zur Konzeption des Wertes und der abstrakten Arbeit als gesellschaftliche Kategorien stehen, werden in den "traditionellen" Darstellungen der Marxschen Geldtheorie (vgl. z.B. Fritsch 1968, S. 45 ff., De Brunhoff 1976, S. 19 ff.), aber auch der Marxschen Werttheorie (vgl. z.B. Sweezy 1974, S. 37 ff., Mandel 1978, S. 79 ff.), meist nicht gestellt. In den prämonetären marxistischen Werttheorien spielt die Entwicklung der Wertform meist keine Rolle. Wert wird dort in Arbeitsquanten gemessen. Geld ist lediglich ein Proportionalitätsfaktor, der den Werten nachträglich angehängt wird. Insofern ist die von Backbaus (1975, S. 122) vorgenommene Gleichsetzung von marxistischer und subjektiver - man muß hinzufügen: und (neo)ricardianischer - Werttheorie berechtigt. 3'
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to re-initiate production at the same level. Failure to realize unpaid labor as profit would mean that the capitalist would lack the money for accumulation." (Weeks 1981, S. 37)
Die Entwicklung der Kategorien Wert, abstrakte Arbeit und Geld kann sich somit nur auf die kapitalistische Produktionsweise beziehen, eine historische Interpretation der Marxschen Darstellung im Kapital erscheint damit aus geschlossen,s Die einfache Warenzirkulation W-G-W, in der vom Warenbesitzer Waren (W) gegen Geld (G) getauscht werden, um dieses Geld gegen andere Waren (W) wegen deren Gebrauchswerteigenschaft zu tauschen, kann damit nur als begriffliche Vorstufe der kapitalistischen Warenzirkulation G-W-G' , in der Geld vorgeschossen wird, um damit Waren zu kaufen, aus deren Verkauf mehr Geld (G') erzielt werden soll, erfaßt werden. 9 Marx bestätigt eine solche Sichtweise in den Grundrissen: "Es hat sich im Laufe unserer Darstellung gezeigt, wie Wert, der als eine Abstraktion erschien, nur als solche Abstraktion möglich ist, sobald das Geld gesetzt ist; diese Geldzirkulation anderseits führt zum Kapital, kann also nur vollständig entwickelt sein auf Grundlage des Kapitals, wie überhaupt nur auf seiner Grundlage die Zirkulation alle Momente der Produktion ergreifen kann." (GR, S. 662)
Das zweite und dritte Problem der Marxschen Geldableitung resultieren aus der Entwicklung der Geldkategorie ausgehend von der einfachen oder zufälligen Wertform und aus der Anbindung des Geldes an eine Geldware. Hier lassen sich in der post-Marxschen Debatte nun folgende Positionen unterscheiden. Cartelier (1991) und De Vroey (1981, 1982) stellen die Marxsche Ableitung des Geldes aus der einfachen Wertform, d.h. aus dem isolierten Waren8 Weeks (1981, S. 11 ff.) weist darauf hin, daß diese historische Interpretation im wesentlichen auf die von Engels eingenommene Position zum Thema zurückzuführen, nicht jedoch mit der Marxschen Methode zu vereinbaren ist. Engels vertritt eine Theorie des Wertes, die auf einer, oben bereits kritisierten, Konzeption der verkörperten Arbeit beruht und die ihn zu dem Ergebnis kommen läßt, daß das "Wertgesetz" für alle Phasen der Warenproduktion und damit schon seit 5-7 Tausend Jahren gilt (vgl. MEW 25, S. 909). 9 Die einfache Warenzirkulation kann auch als Moment der kapitalistischen Warenzirkulation begriffen werden, indem sie nur für die Arbeiterklasse gilt, die ihre Ware, die Arbeitskraft, gegen Geld tauscht, um das Geld dann in die zur Reproduktion notwendigen Konsumtionsmittel umzusetzen.
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tausch, grundsätzlich in Frage. Die Existenz des Geldes wird von ihnen der Entwicklung der Wertfonn quasi gedanklich vorgeordnet. Der gesellschaftliche Zusammenhang muß hier bereits vor dem Austauschprozeß der Waren durch die gesellschaftliche Existenz des Geldes, die durch den Staat oder die Zentralbank garantiert wird, gesetzt sein. Die Existenz eines allgemeinen Äquivalents gilt dann zusammen mit der gesellschaftlichen Arbeitsteilung als Grundlage für den Warentausch. Da Geld hier als gesellschaftlich gesetztes und garantiertes Zeichen von Wert interpretiert wird, kann es weder aus dem Warentausch abgeleitet werden, noch ist es selbst an eine Geldware gebunden. Auch Beckenbach (1987, S. 67 ff.) hält die Marxsche Geldableitung für unzureichend, verfällt aber nicht darauf, die Geldkategorie als institutionell gegeben vorauszusetzen. Von ihm wird vielmehr gefordert, die Wert- und die Geldkategorie gemeinsam zu entwickeln. Er hält dabei allerdings das Tauschverhältnis zweier Waren für einen unzulässigen Ausgangspunkt, weil dadurch die Wechselwirkung mit den Tauschverhältnissen anderer Waren ausgeblendet wird. Die einfache Wertfonn kann mithin keine Erscheinungsfonn abstrakt menschlicher Arbeit sein. Die von Marx mit der Entwicklung des Geldes aus der einfachen Wertfonn transportierte Vorstellung von der abstrakten Arbeit als "gemeinsames Drittes" im Austausch zweier Waren, wird zurückgewiesen (vgl. Beckenbach 1987, S. 71). Der Tauschwert drücke kein Güter-GüterVerhältnis, sondern ein Güter-Geld-Verhältnis aus. Tausch sei also nur möglich, wenn Geld existiert. Alternativ zu seiner Marx-Interpretation schlägt Beckenbach deshalb vor: "Es geht daher um die Darstellung der Grundelemente eines Vergesellschaftungsmodus, bei dem der Bezug auf Geld ebenso wie die Mengenproportionierung sich erst als Resultat ergeben." (Beckenbach 1987, S. 100)
Wert und Geld werden daher als simultane Produkte der Wertfonnentwicklung interpretiert (vgl. Beckenbach 1987, S. 114). Hierbei bleibt allerdings unklar, wie sich ein systematischer Zusammenhang beider Kategorien alternativ zu Marx herstellen läßt. Foley (1986a) hingegen folgt Marx bei der Entwicklung der Geldkategorie ausgehend von der einfachen oder zufälligen Werfonn und der Anbindung des Geldes an eine Ware, hält allerdings diese Anbindung für eine historische Beschränktheit bzw. für eine theorieimmanent nicht zwingende Notwendigkeit. Der so verstandene Marxsche Ansatz wird dabei gleichzeitig als Kritik eines "barter-Konzeptes" identifiziert. In solchen neoklassischen Konzepten
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würden vollentwickelte Modelle der Warenproduktion präsentiert, die eigentlich alle Gelddeterminanten enthalten, das Geld nur schlicht ignorieren. Marx hingegen zeige, ausgehend vom einfachen Warentausch, daß die Geldkategorie als notwendige Kategorie der kapitalistischen Warenökonomie entwickelt werden muß (vgl. Foley 1986a, S. 20). Die Marxsche Bindung des Geldes an eine Geldware wird lediglich als eine, den historischen Umständen geschuldete, Beschränktheit interpretiert, zieht aber keine grundsätzlichen Schwierigkeiten nach sich. Kreditgeld ersetzt demnach in entwickelten kapitalistischen Ökonomien die Geldware Gold als ultimatives Zahlungsmittel und muß dann durch den Staat garantiert werden (vgl. Foley 1983, S. 17 f.). Die Marxsche Ableitung der Geldkategorie wird auch von Weeks (1981, S. 108) als korrekt akzeptiert. Weeks geht im Unterschied zu Foley davon aus, daß das Geldsystem notwendig auf eine Geldware gegründet ist, gleichwohl das Geld sich in Prosperitätsperioden insbesondere in der Funktion des Zirkulationsmittels hiervon lösen kann. Insbesondere die Wertaufbewahrungsfunktion und die Zahlungsmittel funktion erforderten aber, daß das allgemeine Äquivalent selbst eine Ware bleibt. In Krisenzeiten würde das System daher immer wieder zur Geldware zurückkehren. Die bis hierher skizzierten Positionen lehnen also entweder die Marxsche Wertformentwicklung und die Anbindung des Geldes an eine Ware ab, oder aber sie akzeptieren die Marxsche Wertformentwicklung und die Anbindung des Geldes an eine Ware zumindest als theoretisch korrektes Verfahren, wenn auch das Konzept der Geldware häufig als historisch überholt gilt. Gemein ist diesen Positionen, daß sie nicht hinreichend zwischen der Wertformentwicklung und der Fassung bzw. Entstehung des Geldes unterscheiden. Eine solche deutliche Unterscheidung findet sich hingegen bei Reuten (1988, 1995), Williams (1992), Lipietz (1982) und Heinrich (1991). Reuten und Williams gehen z.B. davon aus, daß Marx im Rahmen der Wertformentwicklung zwar die Notwendigkeit eines allgemeinen Äquivalents nachgewiesen habe, es aber keine zwingende Begründung dafür gäbe, daß das allgemeine Äquivalent selbst eine Ware sein müsse. Es sei daher angemessen, von vornherein von Kreditgeld als adäquater Geldform auszugehen. "Because commodity money cannot be shown to be necessary, in these works (Reuten und Williams, E.H.) credit-money indeed appears on the very introduction of 'money'." (Reuten 1995, S. 109)
I. Marx: Geld und die "abstrakteste Form der Krise"
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Auch Lipietz (1982) zeigt, daß die Marxsche Wertfonnanalyse hinreichend Raum für reines Kreditgeld läßt und damit eine Anbindung des Geldes an eine Ware nicht zwangsläufig ist. Er folgt Marx zwar bei der Entwicklung des Geldes aus dem einfachen Warentausch, d.h. dem Ausschluß einer Ware als allgemeinem Äquivalent. Der Ausschluß dieser Ware werde aber von Anfang an gesellschaftlich, durch den Staat, garantiert. Wenn die staatliche Garantie des allgemeinen Äquivalents erforderlich ist, so ergibt sich folglich keine zwingende Notwendigkeit, daß diese Garantie sich auf eine Ware beziehen muß. Letzteres anzunehmen hieße, dem von Marx immer gegeißelten StoffFetischismus zu verfallen. Die historische Entwicklung der Geldfonnen zeige vielmehr, daß zunehmend als "wirkliches" Geld anerkannt und garantiert wird, was vorher nur als Geldzeichen galt. "The history of money can be understood as the progressive recognition of real money as that wh ich had previously represented real money in circulation, real money having been that which did not circulate, but which was held in reserves as the means ofpayment in the last resort." (Lipietz 1982, S. 54)
Heinrich (1991, S. 182 ff.) sieht das grundSätzliche Defizit der Marxschen Herleitung der Geldkategorie darin, daß der Übergang von der allgemeinen Wertfonn zur Geldfonn einen Bruch in der Marxschen Darstellung bedeute. "Während Marx die Übergänge zwischen den ersten drei Wertformen aus begrifflichen Mängeln der jeweils vorhergehenden Form entwickelt, gibt es zwischen der allgemeinen Wertform und der Geldform überhaupt keinen Unterschied in der Form." (Heinrich 1991, S. 182)
Mit dem Übergang von der allgemeinen Wertfonn zur Geldfonn wechsele Marx damit die theoretische Ebene, indem er nun, statt mit der begrifflichen Entwicklung der Fonnen zu argumentieren, auf gesellschaftliche Gewohnheiten zurückgreife, die durch Ausschluß einer bestimmten Ware, des Goldes, die Geldfonn begründen. "Nicht als Resultat der Wertformanalyse ergibt sich Geld, sondern erst als Resultat des Austauschprozesses, der zwar willentlichen aber durch die Gesetze der Ware bestimmten Handlungen der Warenbesitzer ." (Heinrich 1991, S. 185)
Das Geld wird damit von Marx nicht mehr auf der Ebene der Wertfonnanalyse entwickelt, sondern auf der Ebene der Handlungstheorie. Bezogen
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B. Die Grundlagen der monetären Analyse bei Marx und Keynes
sich die Formbestimmungen auf eine bloß "gedachte" Ware, also nicht auf einen wirklich vonstatten gehenden Austausch, so geht es auf der Ebene der Handlungstheorie um die "wirkliche" Beziehung der Waren. Geld entsteht also erst durch das Handeln der Warenbesitzer, allerdings nicht als bewußter Ausschluß einer Geldware, sondern durch Bezug der individuellen Waren auf ein allgemeines Äquivalent, wodurch dieses zum Geld wird, das wiederum Handlungsvoraussetzung für die individuellen Warenbesitzer ist. Wenn aber die Entwicklung des Geldes kein Bestandteil der Wertformentwicklung mehr ist, sondern nur handlungstheoretisch begründet werden kann, so stellt sich nach Heinrich die Frage, ob das allgemeine Äquivalent selbst eine Ware sein muß, wie von Marx behauptet. Da sich alle Waren auf das allgemeine Äquivalent beziehen, wird dieses zum Repräsentanten von "Wert an sich". Wenn aber Geld nur Repräsentant von Wert ist, so ist schwerlich einzusehen, daß dieser Repräsentant selbst Wert besitzen muß. "Genausowenig wie logisch deduziert werden kann, welche Ware die Warenbesitzer als Äquivalentware ausschließen, kann deduziert werden, ob sie überhaupt eine Ware ausschließen." (Heinrich 1991, S. 189)
Indem Marx also Geld als Warengeld auffaßt, sitzt er einer bestimmten historischen Entwicklungsphase des kapitalistischen Geldsystems auf und beschränkt damit die Aussagekraft seiner eigenen Geldtheorie, indem er nicht erkennt, daß jedes Geld, also auch die Geldware, nur Repräsentant von "Wert als solchem" und damit Wertzeichen ist (vgl. Heinrich 1991, S. 190). Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß der Vorwurf, Marx ziehe mit der Wertformentwicklung einen Geldschleier über den einfachen Warentauseh, nicht haltbar ist. Mit der Wertformanalyse zeigt Marx gerade, daß der Warentausch als kapitalistischer Vergesellschafrimgsprozeß individueller Privatarbeiten ohne allgemeines Äquivalent eine Unmöglichkeit ist. Interpretiert man die Marxsche Werttheorie als monetäre Werttheorie, so ist dieses Ergebnis zwangsläufig. Ein kohärenter Gesellschaftszusammenhang kann nur hergestellt werden, indem sich die individuellen Warenproduzenten auf ein allgemeines Äquivalent beziehen und so feststellen, ob ihre Privatarbeiten gesellschaftlich notwendig sind. Für die kapitalistische Warenproduktion ist ein allgemeines Äquivalent so immer schon mitgedacht, Marx präsentiert lediglich eine begriffliche Entwicklung dieses allgemeinen Äquivalents. Die Entwicklung eines allgemeinen Äquivalents und die Herausbildung der Warenproduk-
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tion sind so zwei Seiten desselben Prozesses, die sich wechselseitig bedingen. 10 Die Marxsche Vorgehensweise läßt sich so auch gegen zwei konkurrierende Theorien abgrenzen. In der neoklassischen Theorie wird von der Existenz von Barter-Märkten ohne Geld ausgegangen und das Geld nachträglich - wie ein Schleier - als nützliche Einrichtung zur Erleichterung von Transaktionen eingeführt. lI In einigen post-keynesianischen Ansätzen wird hingegen argumentiert, daß durch die Etablierung von Privateigentum Gläubiger-SchuldnerVerhältnisse - und damit Geld und Zins - entstehen und erst hierdurch die Herausbildung der Warenproduktion und der Märkte erzwungen wird. 12 Die Gleichgewichtsmodelle der neoklassischen Barter-Ökonomie enthalten dabei eigentlich alle Determinanten des Geldes, das Geld wird nur geflissentlich übersehen, um es nachträglich als Schleier einzuführen. Die post-keynesianische Gläubiger-Schuldner-Ökonomie muß implizit die Existenz von Warenproduktion und damit des Profits unterstellen, weil nur durch die Möglichkeit der Profiterzielung mittels Warenproduktion ein zinsbelasteter Kredit überhaupt nachgefragt wird, glaubt aber, die Warenproduktion aus der Existenz der Gläubiger-Schuldner-Verhältnisse selbst erklären zu können. Beide Positionen sind daher der Marxschen unterlegen, die genau die wechselseitige Bedingtheit der Warenproduktion und des allgemeinen Äquivalents "Geld" unterstreicht. Wenn die Waren sich in der kapitalistischen Warenproduktion auf ein allgemeines Äquivalent als gesellschaftlichen Ausdruck des Wertes beziehen müssen, so ist bei präziser Unterscheidung von Wertformentwicklung und Geldentstehung verdeutlicht worden, daß dieses allgemeine Äquivalent keinen Selbstwert besitzen muß, sondern immer nur Zeichen von Wert ist. Selbst wenn man es also mit einer Geldware zu tun hat, so ist diese Ware nicht deshalb Geld, weil sie vorher den anderen Waren als Ware gegenüberstand, sondern weil sie gesellschaftlich anerkanntes und garantiertes Zeichen von Wert ist.
10 Zu einer ähnlichen Schlußfolgerung kommt auch schon Pollock (1928, S. 199 f.) in einer Arbeit über die Marxsche Geldtheorie. Allerdings stellt er das Marxsche Konzept einer Geldware nicht in Frage. 11 Rogers (1989, S. 50 ff.) zeigt, daß es in der Neo-Walrasianischen Theorie eigentlich gar keine Notwendigkeit der Existenz von Geld mehr gibt. 12 Vgl. hierzu Wray (1990, S. 2 ff.) und Heinsohn/Steiger (1988).
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B. Die Grundlagen der monetären Analyse bei Marx und Keynes
Dieses Verständnis von Geld als gesellschaftlich anerkanntes und garantiertes Zeichen von Wert ist nun kompatibel mit einem Geldsystem als Hierarchie von Zahlungsversprechen mit von unten nach oben zunehmender gesellschaftlicher Validität und zunehmender Liquidität, in dem Zahlungen zwischen zwei Parteien durch die Übergabe von Zahlungsversprechen Dritter mit höherer gesellschaftlicher Akzeptanz erfolgen (vgl. Foley 1987a, S. 520). Ein solches Geldsystem zeichnet sich nach Graziani, einem Vertreter des "monetary-circuit"-Ansatzes, durch folgende Eigenschaften aus: 1. Geld ist immer ein Geldzeichen und keine Geldware, 2. Geld muß als finales Zahlungsmittel akzeptiert werden, 3. Zahlungen können nicht mit Zahlungsmitteln erfolgen, die vom Zahlenden selbst geschöpft werden. Aus diesen Voraussetzungen schlußfolgert Graziani: "Tbe only way to satisfy those three conditions is to have payments made by means of promises of a third agent, the typical third agent being nowadays a bank. (... ) Real money is therefore credit money." (Graziani 1989, S. 3)
Offensichtlich setzt dieses Konzept für den jeweiligen gesellschaftlichen Raum ein Zahlungsmittel von höchster gesellschaftlicher Validität und höchster Liquidität voraus. In der modemen kapitalistischen Ökonomie ist dies das durch die gesellschaftliche Institution "Zentralbank" oder den Staat garantierte Zentralbankgeld.
4. Die Funktionen des Geldes bei Marx
Nachdem die elementare Verknüfung von Wert- und Geldkategorie bei Marx dargestellt wurde, sollen die sich hieraus ergebenden Funktionen des Geldes genauer betrachtet werden. Marx untersucht die Funktionen des Geldes anhand der einfachen Warenzirkulation W-G-W und geht in seiner Darstellung von der oben kritisierten Vorstellung der Anbindung des Geldes an die Ware Gold aus (vgl. MEW 23, S. 109 ff.). Die Zurückweisung dieser Vorstellung beeinträchtigt die Unterscheidung der verschiedenen Geldfunktionen zwar nicht, die Bedeutung der einzelnen Funktionen im Hinblick auf das Verhältnis von realer und monetärer Sphäre muß jedoch korrigiert und präzisiert werden. Marx unterscheidet im ersten Band des Kapital nun drei bzw. fünf Funktionen des Geldes:
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1. Geld als Maß der Werte und Maßstab der Preise, 2. Geld als Zirkulationsmittel, 3. Geld als Geld a. Geld als Mittel zur Schatzbildung, b. Geld als Zahlungsmittel, c. Geld als Weltgeld. Diese Geldfunktionen definieren nicht, was Geld ist, sondern ergeben sich umgekehrt aus der oben skizzierten Bedeutung des Geldes für den Erklärungsanspruch der Marxschen monetären Werttheorie. 13 Die Werte der Waren stellen sich nach Marx in dem allgemeinen Äquivalent, dem Geld, dar. Die Preise der Waren werden daher in Einheiten der Geldes gemessen. Geld ist so Maß der Werte und Maßstab der Preise (vgl. MEW 23, S. 109 ff.). Die Preisform des Wertes wird so zur adäquaten Form, in der sich die krisenhafte ex-post Vergesellschaftung kapitalistischer Ökonomien vollziehen kann, in der sich die regulierenden Zentren (Wert, Produktionspreis, allgemeine Profitrate) erst als Durchschnitt vergangener Schwankungen durchsetzen. Der Preis der Ware ist damit der Indikator und Regulator der Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit (vgl. Rubin 1973, S.32). Dies schließt einerseits Vorstellungen einer prämonetären Werttheorie bei Marx grundSätzlich aus, da der Wert der Ware bloß im Austausch, im Bezug auf alle anderen Waren via Geld, d.h. in der Preisform, existiert. Vor dem Austausch kann damit noch gar nicht von einer bestimmten in der Ware inkorporierten, gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit gesprochen werden. Andererseits bedeutet jedoch die Marxsche Unterstellung einer Geldware, daß das Geld als Maßstab der Preise eine eigene, vor dem Eintritt in die Zirkulation bestimmte Größe - gemessen in gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit hat und die Preise aller Waren und das Preisniveau der Ökonomie durch
13 Vgl. hierzu auch Lapavitsas (1994). Es kann allerdings Lapavitsas nicht darin gefolgt werden, die jeweiligen Geldfunktionen einem unterschiedlichen Entwicklungsstand der Warenökonomie zuzuordenen. So sieht Lapavitsas Geld als Maß der Werte und Maßstab der Preise dem rudimentären Warentausch zugeordnet, Geld als Zirkulationsmittel der verallgemeinerten Warenproduktion und erst Geld als Geld der entwickelten kapitalistischen Warenproduktion. Es ist jedoch oben gezeigt worden, daß die Marxsche Geldkategorie sich auf die voll entfaltete kapitalistische Warenproduktion bezieht. Gleiches gilt mithin für die Geldfunktionen.
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B. Die Grundlagen der monetären Analyse bei Marx und Keynes
Bezug auf diese Größe festgelegt werden. 14 Eine solche Bestimmung der relativen Preise und des absoluten Preisniveaus setzt allerdings voraus, daß zum einen der Wert der Geldware präzirkulär durch verausgabte Arbeitszeit bestimmbar ist und zum anderen, daß die Waren in der Zirkulation tatsächlich einer Geldware gegenüberstehen. Beide Annahmen müssen im Rahmen der Interpretation der Marxschen Werttheorie als monetäre Werttheorie verworfen werden. Hierdurch ist das Preisniveau nicht mehr als Verhältnis der vermeintlich durch verausgabte Arbeitszeit determinierten Werte der Waren zum Wert der Geldware gegeben, sondern es bleibt indeterminiert. Foley (1983) hat hier als Alternative vorgeschlagen, das Preisniveau, d.h. den Wert des Geldes, durch die Preissetzungsentscheidungen der kapitalistischen Unternehmen zu erklären, die wiederum vom Akkumulationstrend und vom Verteilungskampf zwischen Kapital und Arbeit abhängen. 15 In der Funktion als Zirkulationsmittel vermittelt Geld laut Marx den hypothetischen - einfachen Tausch Ware gegen Ware (vgl. MEW 23, S. 118 ff.). Geld vereinfacht zwar so den Warenaustausch für den individuellen Warenproduzenten, es verdeutlicht ihm aber gleichzeitig seine Einbindung in die gesellschaftliche Arbeitsteilung. Denn der Tausch von Ware gegen Geld (W-G) gelingt nur, wenn tatsächlich gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit verausgabt wurde, d.h. wenn unter gesellschaftlich durchschnittlichen Bedingungen produziert wurde und ein zahlungsfahiges gesellschaftliches Bedürfnis befriedigt wird. Der Kreislauf jeder Ware verschlingt sich dadurch mit den Kreisläufen anderer Waren: Der Warenproduzent A kann nur verkaufen, wenn der Warenproduzent B vorher verkauft hat, und nun über das Geld verfügt, mit dem er das Produkt des Produzenten A nachfragen kann. Die Rolle des Geldes als Zirkulationsmittel bildet für Marx zugleich den Ansatzpunkt für die Kritik des Sayschen Gesetzes. Durch die Vermittlungsrolle des Geldes kann der Prozeß W-G-W nach Zeit und Ort in W-G und G-W auseinandergerissen werden. Nach erfolgreicher Realisation des Arbeitsproduktes als Ware kann Geld gehalten werden und muß nicht unmittelbar zur Nachfrage nach anderen Waren verwendet werden. "Keiner kann verkaufen, ohne daß ein andrer kauft. Aber keiner braucht unmittelbar zu kaufen, weil er selbst verkauft hat. Die Zirkulation sprengt die zeitlichen, örtlichen und individuellen Schranken des Produktenaustausches ebendadurch, daß sie die hier vorhandne unmittelbare Identität zwischen dem Austausch des eignen 14 Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung im Kapitel B.1.5. dieser Arbeit.
15 Hierauf wird in Abschnitt C und D dieser Arbeit zurückzukommen sein.
I. Marx: Geld und die "abstrakteste Form der Krise"
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und dem Eintausch des fremden Arbeitsprodukts in den Gegensatz von Verkauf und Kauf spaltet." (MEW 23, S. 127)
Damit ist durch die Rolle des Geldes als Zirkulationsmittel die Möglichkeit der Krise gegeben. 16 Die Rolle des Geldes als Geld bezieht sich erstens auf das Geld als Mittel zur Schatzbildung, zweitens auf Geld als Zahlungsmittel und drittens auf das Geld als Weltgeld. Mit der Trennung von Kauf und Verkauf durch die Dazwischenkunft des Geldes ergibt sich gleichzeitig die Möglichkeit der Schatzbildung (vgl. MEW 23, S. 144 ff.). Die Schatzbildung oder "Horte" bedeutet, daß stets ein Teil des in der Gesellschaft vorhandenen Geldes dem ökonomischen Kreislauf entzogen ist. Die Veränderung der Horte durch Zunahme der Geldhaltung kann in spezifischen Konstellationen ökonomisch rational sein und damit durch Entzug von Nachfrage nach Waren realwirtschaftliche Einflüsse ausüben. Geld fungiert als Zahlungsmittel, wenn der Verkauf der Ware und die Realisierung ihres Preises zeitlich getrennt werden (vgl. MEW 23, S. 148 ff.). Der Verkäufer wird zum Gläubiger, der Käufer zum Schuldner und Geld wird zum Inhalt des Gläubiger-Schuldner-Vertrages. Der Verkäufer erhält für die von ihm produzierte Ware ein Zahlungsversprechen des Abnehmers, das dieser zu einem späteren Zeitpunkt durch Geld, d.h. durch ein Zahlungsversprechen mit höherer gesellschaftlicher Validität und Liquidität, einlösen muß. Geld in der Funktion als Zahlungsmittel bildet sich damit zusammen mit dem Kreditwesen und der Kontraktökonomie heraus. Die Komplexität und Störanfälligkeit des Produktions- und Zirkulationsprozesses nimmt hier zu, da nicht nur der Wert der von dem Schuldner zu produzierenden Waren überhaupt realisiert werden muß, sondern zu einem bestimmten Zeitpunkt zu realisieren ist, damit der Schuldner in die Lage versetzt wird, seine Zahlungstermine einzuhalten. Für den Schuldner wird damit der Gelderwerb, d.h. das "Verkaufen-ohne-zu-kaufen", zum Selbstzweck. Als Weltgeld fungiert das Geld nach Marx nur in seiner Naturalform, d.h. als Gold (vgl. MEW 23, S. 156 ff.). Weltgeld ist international anerkanntes Zahlungsmittel und fungiert als universell anerkanntes Vermögen ("universal wealth"). Wie oben gezeigt wurde, sitzt Marx mit der Anbindung des Weltgeldes an das Gold bestenfalls einer historischen Beschränkung, schlimmsten 16 Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung in Kapitel B.I.6. dieser Arbeit.
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falls dem von ihm selbst verurteilten Stoff-Fetischismus auf. In der oben gelieferten Interpretation der Marxschen Werttheorie muß als Weltgeld daher das Geld gelten, das im internationalen Zahlungsverkehr allgemein anerkannter Repräsentant von "Wert an sich" ist. 17
5. Geldmenge, Preisniveau, Transaktionsvolumen: Klassische Dichotomie bei Marx?
Die nun vorzunehmende Betrachtung des Zusammenhangs von Transaktionsvolumen, Geldmenge und Preisniveau bei Marx geht zuerst wieder von dem Marxschen Konzept einer Geldware aus, um dann die Konsequenzen der Aufgabe dieses Konzeptes zu analysieren. In diesem Zusammenhang geht es auch darum zu klären, ob der von Heine/Herr (1992) erhobene Vorwurf, Marx reproduziere die klassische Dichotomie von realer und monetärer Sphäre, haltbar ist. Im Zusammenhang mit der Diskussion der Rolle des Geldes als Zirkulationsmittel weist Marx die Quantitätstheorie des Geldes zurück (vgl. MEW 23, S. 128 ff.) und hält ihr entgegen, daß nicht die Geldmenge das Preisniveau bestimme, sondern daß die durch die Wertsumme des realen Transaktionsvolumens bestimmte Preissume das zur Transaktion notwendige Geldvolumen vorgebe. Geht man von gegebenen Werten der Waren (Wi) und einem gegebenen Wert einer Einheit der Goldware (Wg) aus, so bestimmen sich die Preise der einzelnen Waren (Pi) demnach als (B.1)
Die Summe der Preise ergibt sich folglich als
(B.2) Unter Berücksichtigung der Umlaufgeschwindigkeit der Geldstücke (q) erhält man so die Masse des in der Zirkulation fungierenden Geldes (M z):
17 Dies kann Gold sein, hier kommen aber auch andere Kandidaten, wie das nationale Zentralbankgeld mit der im internationalen Raum höchsten gesellschaftlichen Validität und Liquidität oder ein durch internationale Autoritäten garantiertes allgemeines Äquivalent, in Frage (vgl. hierzu auch die. Ausführungen in Lipietz 1982).
I. Marx: Geld und die "abstrakteste Form der Krise"
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(B.3) Marx nimmt hier also an, daß die Werte der Waren zusammen mit dem Wert der Ware Gold das Preisniveau 18 und quasi umgekehrt quantitätstheoretisch - bei Konstanz der Umlaufgeschwindigkeit - die Geldmenge in der Zirkulation bestimmen. Einer dauerhaften Veränderung des Preisniveaus liegt damit immer eine Veränderung in den Werteverhältnissen, nicht eine Veränderung in der Geldmenge zugrunde. Letztere ergibt sich erst als Folge. "Der Preis der Waren wechselt erst umgekehrt wie der Wert des Geldes, und dann wechselt die Masse der Zirkulationsmittel direkt wie der Preis der Waren." (MEW23, S. 131)
Die Gültigkeit der Gleichung (B.3) beruht auf der Gültigkeit des Austausches der Waren zu ihren Werten und wird durch die Konkurrenz und den Extraprofitmechanismus durchgesetzt. Ist die Goldmenge in der Zirkulation nicht hinreichend für das reale Transaktionsvolumen, so erfolgt ein Preisverfall, d.h. es kommt zu einer temporären Wert-Preis-Abweichung, damit zur Steigerung der Kaufkraft einer Goldeinheit, zu Extraprofiten bei den Goldproduzenten und zum Anreiz zur Steigerung der Goldproduktion. Umgekehrt, ist die in der Zirkulation befindliche Goldmenge zu groß, so erfolgt ein Preisanstieg, d.h. eine Senkung der realen Kaufkraft einer Goldeinheit, damit erfolgen Verluste bei den Goldproduzenten und Einschränkung der Goldproduktion oder Abfluß des überschüssigen Goldes in alternative Verwendungsarten. Bei einer reinen Goldumlaufwährung gehen damit von der monetären Sphäre weder Einflüsse auf das Preisniveau noch auf das Transaktionsvolumen aus. Geldmenge und Preisniveau werden im Gleichgewicht komplett durch vermeintlich realwirtschaftliche Variablen (Transaktionsvolumen und Werterelationen) bestimmt. Die Geldmenge für Zirkulationszwecke ist durch die Möglichkeit der Produktion der Geldware endogenisiert. Hierdurch ist allerdings - selbst bei einer 18 Sieht man von der Problematik der Wert-Preis-Transformation, d.h. vom Übergang von Preisen, die proportIonal zu den Werten sind, zu Produktionspreisen, ab, so wird - bei gegebener Einkommensverteilung - das für die Zirkulation notwendige Goldvolumen und damit das Preisniveau durch das Verhältnis der Produktionskosten der Waren zu den Produktionskosten der Goldware bestimmt.
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Goldumlaufwährung - jedoch nicht die gesamte Geldmenge in der Ökonomie bestimmt, da zusätzlich die Geldmenge in der Schatzbildung/Horte (Mb) hinzukommt. Die Gesamtgeldmenge (M) setzt sich nach Marx damit zusammen aus dem Geldmenge in der Zirkulation (M z) und der Geldmenge in der Horte (Mb):
(B.4)
Die Horte bietet einerseits, neben der Produktion, das Reservoir, das die Anpassung der Geldmenge in der Zirkulation an das Transaktionsvolumen erlaubt, andererseits können von der Schatzbildung aber auch Störungen des Zirkulationsprozesses verursacht werden. Wird die Geldware in der Zirkulationssphäre durch Wertzeichen ersetzt, so stellt sich nach Marx zwischen der Wertsumme der Geldware (M z), die zur Zirkulation der Waren notwendig ist, und der Wertzeichenmasse eine eindeutige quantitätstheoretische Beziehung ein (vgl. MEW 23, S. 138 ff.). Das Wertzeichen repräsentiert die Geldware und erst dadurch Wert. Steigt nun das Volumen der Wertzeichen bei konstantem Niveau des Realproduktes und damit der Goldgeldmenge, die zur Zirkulation notwendig wäre, so steigt das allgemeine Preisniveau im selben Verhältnis, da nun eine größere Wertzeichenmenge die Goldgeldmenge, die zur Zirkulation benötigt werden würde, repräsentiert. Eine strikte quantitätstheoretische Beziehung gilt allerdings nur dann, wenn ausgeschlossen ist, daß die Wertzeichen die Zirkulation verlassen. Dies ist allerdings auch laut Marx nicht unbedingt der Fall, da auch die Wertzeichen in die Schatzbildung eingehen können. "Als Geld funktioniert es (das Geld, E.H.), einerseits wo es in seiner goldnen (resp. silbernen) Leiblichkeit erscheinen muß, daher als Geldware, also weder bloß ideell, wie im Wertmaß, noch repräsentationsfahig, wie im Zirkulationsmittel; andrerseits wo seine Funktion, ob es selbe nun in eigner Person oder durch Stellvertreter vollziehe, es als alleinige Wertgestalt oder allein adäquates Dasein des Tauschwerts allen andren Waren als bloßen Gebrauchswerten gegenüber fixiert." (MEW 23, S. 143 f.)
Die Rolle des Geldes als Geld, die die Funktion der Schatzbildung einschließt, kann also auch vom Stellvertreter der Geldware, d.h. vom Wertzeichen, ausgeübt werden. Hierdurch ist dann allerdings kein eindeutiges Ver-
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hältnis von herstellbar .1 9
Wertzeichenmenge/Geldmenge
und
Preisniveau
49 mehr
Durch die Möglichkeit der Schatzbildung wird von Marx damit der quantitätstheoretische Zusammenhang zwischen Wertzeichenmenge und Preisniveau zerrissen und so ein Einfluß der monetären Sphäre auf die reale Sphäre und damit die Nicht-Neutralität des Geldes begründet. "Verkaufen, ohne zu kaufen" , d.h. Horte, kann zu einem Mangel an aggregierter Nachfrage führen und begründet damit die "Möglichkeit der Krise". Dies allerdings nur, wenn die Veränderung der Horte (Schatzbildung) nicht als Nachfrage nach Produktion wirkt, d.h. wenn nicht von der Existenz einer beliebig produzierbaren Geldware ausgegangen wird. Hiermit ist innerhalb der Marxschen Ausführungen ein weiterer Grund für die Ablehnung des Geldwarenkonzeptes identifiziert. Wird also schon durch die Möglichkeit der Horte von Wertzeichen ein quantitätstheoretischer Zusammenhang zwischen Geldmenge und Preisniveau in Frage gestellt, so wird ein solcher Zusammenhang durch die Berücksichtigung von Kreditgeld gänzlich unmöglich. Die Entwicklung des Kreditgeldes wird von Marx ausgehend von der Rolle des Geldes als Zahlungsmittel vorgenommen. 20 Mit dem zeitlichen Auseinanderfallen von Verkauf und Bezahlung einer Ware entstehen Gläubiger-Schuldner-Verhältnisse und damit die Grundlagen für das Kreditgeld. Kreditgeld wird dabei als Zahlungsmittel gefaßt, das die Realisation von produzierten oder noch zu produzierenden Werten antizipiert. Kreditgeld entsteht durch die Monetarisierung finanzieller Forderungen, d.h. durch die Transformation der Forderung des Gläubigers an den Schuldner in ein allgemein anerkanntes Zahlungsmittel (vgl. Lipietz 1982, S. 53). Wird die Einlösbarkeit dieses Kreditgeldes in Zentralbankgeld durch die Zentralbank garantiert, so liegt eine voll entwickelte Kreditgeldökonomie vor, in der das Kreditgeld volle Wertaufbewahrungsfunktion erhält (vgl. Reuten 1988, S. 136). Marx unterstellt mit dem Kreditgeld nun die Endogenität der Geldmenge, die von der Kreditschöpfungsfähigkeit und
19 Vgl. hierzu auch Heinrich (1991, S. 198 f.) 20 Zur Entwicklung des Kredits bei Marx vgl. die Ausführungen in Kapitel B.I.7 .a) dieser Arbeit. Zum Kreditgeld vgl. auch die Darstellung in De Brunhoff (1976, S. 72 ff.). 4 Hein
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-bereitschaft des Bankensektors und von der Kreditnachfrage der industriellen Kapitalisten abhängt, und folgt in dieser Hinsicht der Banking-Theorie. 21 Faßt man die Grundlagen der Marxschen Geldtheorie zusammen, so läßt sich folgendes festhalten. Wird eine Goldumlaufwährung unterstellt, so wird das Preisniveau durch das Verhältnis der Werte bzw. der Produktionskosten der Waren zum Wert bzw. zu den Produktionskosten der Geldware bestimmt. Die Geldmenge zu Zirkulationszwecken ist durch den Extraprofitmechanismus in der Goldproduktion endogenisiert. Treten Wertzeichen, z.B. Staatspapiergeld, in der Zirkulation an die Stelle der Geldware, so scheint sich das Preisniveau bei Exogenität der Geldmenge auf den ersten Blick quanititätstheoretisch zu ergeben. Dies allerdings nur solange, wie die Wertzeichen die Zirkulation nicht verlassen. Hiervon geht Marx allerdings nicht aus, so daß auch hier ein quantitätstheoretischer Zusammenhang nicht konstruiert werden kann. Wird im nächsten Schritt Kreditgeld in die Analyse einbezogen, so wird die Geldmenge wiederum durch die Kreditschöpfungsfähigkeit des Bankensektors endogenisiert. Liegt dem Kreditgeld eine Goldkemwährung zugrunde, d.h. besteht ein festes Verhältnis zwischen den Goldreserven des Bankensektors und dem Kreditgeldvolumen, so wird das Preisniveau genauso wie bei der Goldumlaufwährung durch das Verhältnis der Produktionskosten der zu zirkulierenden Waren zu den Produktionskosten der Geldware bestimmt. Die Kreditschöpfung sorgt hier lediglich anstelle der Goldproduktion für eine flexible Anpassung der Geldmenge an das realwirtschaftlich bestimmte Transaktionsvolumen. Dieses ist die Konstruktion, die Marx in den drei Bänden des Kapital vor Augen hat. 22 Eine klassische Dichotomie, nach der die Höhe der Produktion durch realwirtschaftliche Faktoren und die Höhe des Preisniveaus durch eine exogen gegebene Geldmenge bestimmt ist, kann der Marxschen Theorie damit nicht vorgeworfen werden. Allerdings ist die Marxsche Unterstellung einer Geldware, wie oben gezeigt, nicht haltbar und muß daher aufgegeben werden. Hierdurch· bleibt
21 Die Vertreter der Banking-Theorie gingen im Rahmen der Banking-CurrencyKontroverse um den Peelschen Bankakt von 1844 davon aus, daß die Geldmenge durch Schöpfung von Kreditgeld und anderen Geldsubstituten endogenisiert sei, wohingegen die Anhänger des Currency-Prinzips die Möglichkeit der exogenen Steuerung der Geldmenge durch die Zentralbank vertraten (vgl. HeinelHerr 1992, S. 199 f.). Zu den Unterschieden der Marxschen Position vom Banking-Standpunkt vgl. Amon (1984), Candrian (1994, S. 217 ff.), Lapavitsas (1994) und Wray (1990, S. 114 ff.). 22 Vgl. hierzu auch HeinelHerr (1992).
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zwar die Endogenität der Geldmenge über die Expansion und Kontraktion des Kreditgeldes erhalten. Es stellt sich allerdings das Problem der Bestimmung des Preisniveaus, das nun nicht mehr über das Verhältnis der Produktionskosten aller Waren zu den Produktionskosten der Goldware abgeleitet werden kann. Das Preisniveau kann nun nur durch die Preissetzungsentscheidungen der kapitalistischen Unternehmen bestimmt werden, die wiederum von dem langfristigen Akkumulationstrend, von den Verteilungsverhältnissen und von den Einflüssen, die von der Kreditexpansion ausgehen, abhängen. 23 In der Marxschen Theorie können daher weder die Produktion und Realisation von Werten noch monetäre und reale Faktoren getrennt voneinander analysiert werden.
6. Geld und die "abstrakteste Form der Krise": Die Mansche Ablehnung des Sayschen Gesetzes
Die oben entwickelte Marxsche Wert- und Geldtheorie ist im folgenden zentral für die Marxsche Ablehnung des Sayschen Gesetzes in der ricardianischen Fassung und damit für die Thematisierung eines Problems der effektiven Nachfrage in kapitalistischen Ökonomien, das Marx als "abstrakteste Form der Krise" erlaßt. Ricardo hatte im Rahmen der "general-glut"-Kontroverse,24 in der die Möglichkeit einer allgemeinen Überproduktionskrise diskutiert wurde, zusammen mit Say25 und James Mill gegen Malthus und Sis23 Vgl. hierzu die Darstellung in Abschnitt C und D dieser Arbeit. 24 In der "general-glut"-Kontroverse geht es um die Möglichkeit einer allgemeinen
- im Gegensatz zu einer partiellen - Überproduktionskrise, nicht um die Möglichkeit einer permanenten - im Gegensatz zu einer temporären - Überproduktionskrise (vgl. Wolfstetter 1977, S. 93). Eine detaillierte Darstellung der "general-glut"-Kontroverse fmdet sich in Sowell (1972, S. 115 ff.). Einen Überblick präsentieren auch Kurz (1994) und Pasinetti (1974, S. 29 ff.). 25 Say formuliert seine Position in einen Brief an Malthus wie folgt: "Jeder, der seit Adam Smith sich mit der politischen Wirtschaftslehre beschäftigt hat, giebt zu, daß wir, genau genommen, unsere Bedürfnißmittel nicht mit dem Gelde, dem Umlaufwerkzeuge, wirklich kaufen, mit dem wir sie bezahlen. Wir müssen erst vorher dies Geld selbst durch den Verkauf unserer Erzeugnisse eingekauft haben. ( ... ) Weil Jeder von uns die Erzeugnisse der Anderen nur mit seinen eigenen kaufen kann, weil die Werthmenge, die wir einkaufen können, derjenigen gleich ist, die wir hervorzubringen vermögen, so werden auch die Menschen destomehr kaufen, jemehr sie hervorbringen werden. Daher die andere Folgerung, die Sie nicht zugeben wollen, daß die Ursache, warum gewisse Waaren nicht verkauft werden können, darin liegt, weil andere nicht hervorgebracht werden, und daß die Hervorbringung allein den Erzeugnissen Absatz eröffnet." (Say o.J., S. 53 f.) 4·
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mondi argumentiert, daß in der kapitalistischen Ökonomie die Nachfrage nur durch die Produktion begrenzt sei und deshalb eine allgemeine Überproduktionskrise unmöglich sei. Malthus und Sismondi hingegen betonten die Möglichkeit allgemeiner Absatzstockungen auf Grund eines Mangels am konsumtiver Nachfrage, und begründeten hiermit die soziale Berechtigung der unproduktiven Ausgaben der besitzenden Klassen (Malthus) bzw. die Forderung nach einer Korrektur der funktionalen Einkommensverteilung zu Gunsten der Lohnabhängigen (Sismondi) (vgl. SoweH 1972). Von Ricardo u.a. wird zwar die Möglichkeit einer partiellen Krise auf einzelnen Märkten zugestanden. Dies bedeutet, daß auf einzelnen Märkten die Nachfrage nicht ausreichen mag, um das gesamte Angebot zu herrschenden Preisen abzusetzen. Der Unternachfrage auf einem Markt stände aber stets eine entsprechende Übernachfrage auf einem anderen Markt gegenüber, so daß insgesamt kein Mangel an aggregierter Nachfrage postuliert werden könne, sondern lediglich eine disproportionale Verteilung, die durch den Wettbewerbsprozeß beseitigt werde. Abgesehen von kurzfristigen Anpassungsprozessen, die durch Disproportionen ausgelöst werden, gilt demnach, daß mit der Produktion von Waren und deren Verkauf ein entsprechendes Einkommen generiert wird, das entweder zum Zwecke der konsumtiven Nachfrage verwendet wird oder gespart und investiert wird (vgl. Sardoni 1987, S. 13). Garegnani (1989, S. 198 ff.) hat darauf hingewiesen, daß Ricardos Akzeptanz des Sayschen Gesetzes sich in zweifacher Hinsicht von der neoklassischen Position unterscheidet,26 mit der sich später Keynes auseinandersetzen sollte. Zum einen wird von Ricardo, wie in der gesamten "general-glut"Kontroverse, nicht zwischen Spar- und Investitionsentscheidungen differenziert. Es wird vielmehr davon ausgegangen, daß der nicht konsumtiv verwendete Teil des (Profit)Einkommens komplett akkumuliert wird. Die Akzeptanz des Sayschen Gesetzes bei Ricardo beruht daher nicht auf einer Analyse des Investition-Sparen-Prozesses, wie in der Neoklassik, wo dieses Gleichgewicht über den Zinssatz hergestellt wird, sondern auf dessen Nicht-Analyse (vgl. Garegnani 1989, S. 202). Zum anderen bedeute die Akzeptanz des Sayschen Gesetzes bei Ricardo nicht die Räumung des Arbeitsmarktes und damit nicht Vollbeschäftigung ,27
26 Vgl. hierzu auch KurzlKalmbach (1981, S. 294 ff.). 27 Unterbeschäftigung kann sich bei Ricardo erst durch weitere Akkumulation oder durch die Bevölkerungsentwicklung abbauen (vgl. Garegnani 1989, S.203), nicht
I. Marx: Geld und die "abstrakteste Form der Krise"
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"( ... ) es ließ ihn lediglich verneinen, daß die Nachfrage das System davon abhalten könnte, jenes Niveau der Beschäftigung zu erreichen, das mit der vergangenen Akkumulation kompatibel ist, unabhängig davon, ob dieses Niveau die Beschäftigung der gesamten Arbeitskraft oder nur von Teilen erlaubte." (Garegnani 1989, S.203)
Das Saysche Gesetz in der Fassung Ricardos postuliert damit, daß die geplante Ersparnis identisch ist mit den geplanten Investitionen und daß damit allgemeine Überproduktionskrisen auf Gütermärkten unmöglich sind. Hinter diesen Aussagen verbirgt sich die Annahme, daß Geld lediglich als Maßstab der Preise und als Zirkulationsmittel, nicht aber als Wertaufbewahrungsmittel fungiert. Es darf also keine Veranlassung zur Geldhaltung existieren, damit keine positive Überschußnachfrage nach Geld und folglich keine negative Überschußnachfrage nach Gütern (Walrassches Gesetz)28. Die Akzeptanz des Sayschen Gesetzes durch Ricardo impliziert damit weiter eine direkte Beziehung zwischen Geldmenge und Preisniveau, wie sie von der Quantitätstheorie des Geldes unterstellt wird (vgl. Sardoni 1987, S. 17 f.). In den Theorien über den Mehrwert setzt sich Marx nun mit dieser ricardianischen Variante des Sayschen Gesetzes auseinander und entwickelt als Kritik an Ricardo die "allgemeine, abstrakte ~öglichkeit der Krise", die "abstrakteste Form der Krise" (MEW 26.2, S. 510). Es handelt sich bei den hier zu skizzierenden Marxschen Ausführungen noch nicht um eine ausformulierte Krisentheorie, sondern um die Darstellung der Bedingungen, unter denen eine allgemeine Überproduktionskrise eintreten kann, noch nicht um die Begründung dafür, daß sie notwendig und periodisch eintreten muß. "Diese Bestimmungen, die die Möglichkeit der Krise erklären, erklären noch lange nicht ihre Wirklichkeit, noch nicht, warum die Phasen des Prozesses in solchen Konflikt treten, daß nur durch eine Krise, durch einen gewaltsamen Prozeß, ihre innre Einheit sich geltend machen kann." (MEW 26.2, S. 502)
durch Substitutionsprozesse, die durch Preisveränderungen auf dem Arbeitsmarkt ausgelöst werden. 28 Das Walrassehe Gesetz besagt, daß "( ... ) die Überschussnachfrage nach allen Waren, einschliesslich der 'allgemeinen Ware' (Marx), i.e., Geld, identisch gleich Null ist" (Wolfstetter 1977, S. 96).
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B. Die Grundlagen der monetären Analyse bei Marx und Keynes
Allgemein läßt sich die Marxsche Ricardo-Kritik so zusammenfassen, daß Ricardos Nachweis der Unmöglichkeit allgemeiner Überproduktionskrisen zentrale Eigenschaften kapitalistischer Ökonomien leugnen müsse. 29 Die Warenproduktion würde bei Ricardo zu bloßen Herstellung von Produkten, die Lohnarbeit würde lediglich als Dienst aufgefaßt, und Geld würde nur in der Funktion als Zirkulationsmittel begriffen. M.a.W. Ricardo würde die zentralen Kategorien zur Analyse der kapitalistischen Produktion nicht verstehen. "Um nachzuweisen, daß die kapitalistische Produktion nicht zu allgemeinen Krisen führen kann, werden alle Bedingungen und Formbestimmungen, alle Prinzipien und differentiae specificae, kurz, die kapitalistische Produktion selbst geleugnet, und wird in der Tat nachgewiesen, daß, wenn die kapitalistische Produktionsweise, statt eine spezifisch entwickelte, eigentümliche Form der gesellschaftlichen Produktion zu sein, eine hinter ihren rohsten Anfängen liegende Produktionsweise wäre, die ihr eigentümlichen Gegensätze, Widersprüche und daher auch deren Eklat in den Krisen nicht existieren würde." (MEW 26.2, S. 501)
Ricardos Argumente gegen die Möglichkeit einer allgemeinen Überproduktionskrise liefen daher darauf hinaus, die kapitalistische Ökonomie entweder als Naturaltauschwirtschaft oder als gesellschaftlich geplante Ökonomie zu verstehen (vgl. MEW 26.2, S. 529).30 "Hier werden also die Krisen dadurch wegräsoniert, daß die ersten Voraussetzungen der kapitalistischen Produktion, das Dasein des Produktes als Ware, die Verdopplung der Ware in Ware und Geld, die daraus hervorgehenden Momente der Trennung im Warentausch, endlich die Beziehung zwischen Geld oder Ware zur Lohnarbeit vergessen oder geleugnet werden." (MEW 26.2, S. 502)
Die "abstrakteste Form der Krise" als Widerlegung des Sayschen Gesetzes in der Variante Ricardos wird von Marx nun ausgehend von der Rolle des Geldes als Zirkulationsmittel und der als Zahlungsmittel entwickelt. 31 In der Rolle als Zirkulationsmittel ermögliche die Existenz des Geldes schon auf der
29 Vgl. hierzu auch Kenway (1980). 30 Diese Argumentation ähnelt der Keynesschen, in der zwischen der Naturaltauschökonomie, der Kooperativwirtschaft, der neutralen Wirtschaft und der Geldwirtschaft unterschieden wird (vgl. Kapitel B.II.l. dieser Arbeit). 31 Vgl. hierzu auch die Darstellung in Crotty (1985, 1987).
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Ebene der Zirkulationsform W-G-W das Auseinanderfallen von Kauf und Verkauf in zeitlicher und geographischer Hinsicht. Durch Geld als Vergesellschaftungsmedium warenproduzierender Ökonomien, dem die individuellen Warenproduzenten unterworfen sind und das erst die Kohärenz, d.h. den gesellschaftlichen Zusammenhalt, warenproduzierender Ökonomien herzustellen erlaubt, erhält das Marxsche Modell somit eine räumliche und vor allen Dingen zeitliche Dimension. Durch Geld kann "Wert an sich" über Raum und Zeit konserviert werden. Die Funktion des Geldes als Zirkulationsmittel schließt somit gleichzeitig die Funktion als Wertaufbewahrungsmittel mit ein, da niemand, der verkauft hat, gezwungen werden kann zu kaufen. Marx schlußfolgert hieraus, daß durch Geldhaltung die Möglichkeit einer allgemeinen Überproduktionskrise gegeben ist: "Die Zufuhr von allen Waren kann im gegebnen Augenblick größer sein als die Nachfrage von allen Waren, indem die Nachfrage nach der allgemeinen Ware, dem Geld, dem Tauschwert, größer ist als die Nachfrage nach allen besondren Waren oder indem das Moment, die Ware als Geld darzustellen, ihren Tauschwert zu realisieren, überwiegt über das Moment, die Ware in Gebrauchswert rückzuverwandeln." (MEW 26.2, S. 505)
Diese Marxsche Schlußfolgerung ist jedoch nur gültig, wenn davon ausgegangen wird, daß Geld selbst nicht als Ware produziert werden kann. Wird Gold oder irgendeine andere Ware als Geld unterstellt, so bedeutet die Zunahme der Geldhaltung bzw. der Nachfrage nach der "allgemeinen Ware", daß hier eine produzierte bzw. zu produzierende Ware zusätzlich nachgefragt wird. Kann diese Nachfrage zu gegebenen Preisen nicht befriedigt werden, so erfolgt eine Preissteigerung der Goldware und damit eine Senkung der Preise aller anderen Waren gemessen in Einheiten Gold und damit die Stimulierung der Goldproduktion. Die Übernachfrage nach dem allgemeinen Äquivalent würde bei einer Geldware also nur eine partielle Störung, die durch die Anpassung der Produktion beseitigt werden kann, nicht jedoch einen Mangel an aggregierter Nachfrage nach sich ziehen. Der Mangel an aggregierter Güternachfrage macht aber erst eine allgemeine Überproduktionskrise aus und setzt daher voraus, daß Geld nicht durch private Produktion vermehrt werden kann. Eine zweite Begründung der "abstraktesten Form der Krise" liegt nach Marx in der Funktion des Geldes als Zahlungsmittel vor. Hier wird nicht nur die Existenz von Warenproduktion, sondern von kapitalistischer Warenproduktion unterstellt, d.h. die Existenz des Geldes als Kapital (vgl. MEW 26.2,
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S.511).32 Wie oben bereits erwähnt, entsteht Geld als Zahlungsmittel zusammen mit dem Kontrakt- und Kreditsystem. Durch die Einführung von Zahlungsversprechen nimmt nun die Störanfälligkeit des System zu. Die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel bedeutet für die individuellen Kapitale nämlich nicht nur, daß der Wert bzw. der Produktionspreis der von ihnen produzierten Waren realisiert werden muß, sondern daß er zu einem bestimmten Zeitpunkt realisiert werden muß, um die bei Einleitung der Produktion eingegangen Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Kommt es in dem Zeitintervall zwischen dem Bezug einer Ware als Input und dem Zahlungstermin zu Wertveränderungen beim Output, können die mit bestimmten Vorleistungen produzierten Waren also nicht mehr zum geplanten Preis abgesetzt werden, so kann Zahlungsunfähigkeit bei einzelnen Kapitalen als Auslöser einer allgemeinen Krise eintreten (vgl. MEW 26.2, S. 514). Dadurch, daß das allgemeine Äquivalent, das Geld, in der kapitalistischen Warenproduktion als Zirkulations-, Wertaufbewahrungs- und Zahlungsmittel fungiert, ist für Marx die Möglichkeit der Krise, die "abstrakteste Form der Krise", in dieser Produktionsweise gegeben. Partielle Störungen auf einzelnen Märkten, z.B. die Überproduktion von für den Gesamtreproduktionsprozeß wesentlichen Produkten, können sich unter diesen Bedingungen zu allgemeinen Überproduktionskrisen ausdehnen. Die Marxschen mikrotheoretischen Grundlagen für den Übergang einer partiellen Störung zu einer allgemeinen Überproduktionskrise können wie folgt präzisiert werden. 33 Nimmt man an, daß die Einzelkapitale mit konstanten variablen Stückkosten bis zur Kapazitätsgrenze produzieren, so wird bei freier Konkurrenz der Absatz der Einzelkapitale nicht durch den Kostenverlauf, sondern durch die Nachfrage auf den Märkten bestimmt. Solange nun der erwartete Preis über den variablen Stückkosten liegt, wird die Profitrate kurzfristig maximiert - oder es werden die Verluste minimiert -, wenn die maximale Ausbringungsmenge produziert wird. Die Einzelkapitale versuchen also unter dieser Voraussetzung, kurzfristig, d.h. bei gegebenem physischen Kapitalstock und damit gegebenen Fixkosten, bis zur Kapazitätsgrenze zu produzieren. Liegt der erwartete Absatzpreis unterhalb der variablen Stückkosten, so wird das Produktionsvolumen maximal eingeschränkt. Langfristig stellt sich die Frage des Aufbaus des Kapitalstocks und der Erweiterung der 32 Auch hier soll wieder darauf aufmerksam gemacht werden, daß die Unterscheidung von einfacher Warenproduktion und kapitalistischer Warenproduktion lediglich eine begriffliche, jedoch keine historische ist. 33 Vgl. zum folgenden Sardoni (1987, S. 43 ff.).
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Produktionskapazität in Abhängigkeit von der erwarteten Profitrate. Ist diese größer als die als minimal erachtete Profitrate, so wird das Einzelkapital soviel wie möglich akkumulieren. Ist die erwartete Profitrate geringer als die als minimal erachtete Profitrate, so findet keine Akkumulation statt. Als minimale Profitrate fungiert bei Marx hier der Zins, der die Rolle einer unteren Schranke für die Profitrate spielt. Unternehmen investieren nur, wenn die erwartete Profitrate größer als der Geldzinssatz ist und damit ein positiver Unternehmerprofit verbleibt. 34 Erfolgt nun eine partielle Störung auf einem Markt oder auf einer Gruppe von Märkten, so fallen für die Anbieter auf diesen Märkten die erwarteten Preise und die erwarteten Profitraten. Fallen die erwarteten Preise und Profitraten unter die oben skizzierten kritischen Niveaus, so erfolgt eine maximale Einschränkung der Produktion und der Akkumulation. Die Nachfrage nach Produktionsmitteln und nach Arbeitskräften wird reduziert, wodurch die partielle Störung nun auf andere Märkte übergreift und hier zu einem entsprechenden Preisverfall führt. Die partielle Überproduktion wird zur allgemeinen Überproduktionkrise, wenn in einem Großteil der Produktionszweige die Preise und Profitraten unter ihre kritischen Niveaus gefallen sind, die zur Einstellung von Produktion und Akkumulation in den betroffenen Produktionszweigen führen. Die allgemeine Überproduktionskrise, die sich durch einen Mangel an effektiver Nachfrage auszeichnet, wird nach Marx also ausgelöst durch eine partielle Störung in einem für die Gesamtökonomie wesentlichen Produktionszweig. Der folgende Produktions- und Investitionsrückgang, sowie das "Reißen der Kreditketten" ziehen dann multiplikative Wirkungen nach sich, die für die Ausbreitung dieser Störung hin zur allgemeinen Überproduktionskrise sorgen. Diese zeichnet sich sodann durch Überkapazitäten auf der einen Seite und Massenarbeitslosigkeit auf der anderen Seite aus (vgl. MEW 26.2, S.524).
Wodurch kommt es nun aber zu partiellen Störungen auf Einzelmärkten, die sich zu allgemeinen Überproduktionskrisen ausdehnen? Auf der Analyseebene der "abstraktesten Form der Krise" ergeben sie sich nach Marx aus dem Wesen des Kapitals selbst, d.h. aus dem periodischen Zurückbleiben des Marktes hinter der Produktion, aus dem Widerspruch zwischen schrankenloser Produktion und begrenzten Absatzmöglichkeiten. 34 Zur Marxschen Zinstheorie vgl. das Kapitel B.1. 7. dieser Arbeit.
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"Die Überproduktion speziell hat das allgemeine Produktionsgesetz des Kapitals zur Bedingung, zu produzieren im Maß der Produktivkräfte (d.h. der Möglichkeit, mit gegebner Masse Kapital größtmögliche Masse Arbeit auszubeuten) ohne Rücksicht auf die vorhandnen Schranken des Markts oder der zahlungsfähigen Bedürfnisse, und dies durch beständige Erweiterung der Reproduktion und Akkumulation, daher beständige Rückverwandlung von Revenue in Kapital auszuführen, während andrerseits die Masse der Produzenten auf das average Maß von Bedürfnissen beschränkt bleibt und der Anlage der kapitalistischen Produktion nach beschränkt bleiben muß." (MEW 26.2, S. 535)
Allerdings ist eine allgemeine Überproduktionskrise der Marxschen Position zufolge nicht von Dauer. Sie kann deshalb nicht als ·Unterbeschäftigungsgleichgewicht" klassifiziert werden. Marx formuliert dieses prägnant wie folgt: "Permanente Krisen gibt es nicht." (MEW 26.2, S. 497)
Vielmehr werden in der Krise die Disproportionen, die die Krise auslösten, bereinigt und so die Bedingungen für eine erneute Expansion hergestellt. So sind z.B. durch den Preisverfall im Gefolge der Überproduktionskrise nicht nur Outputpreise, sondern gleichzeitig Inputpreise betroffen. Der Rückgang der Preise für Material, Fixkapital und Arbeit sorgt so neben der Entwertung von Fixkapitalbeständen für eine Senkung der Kosten der weiterhin aktiven Kapitale und stellt für diese die Bedingungen für Produktion und Akkumulation wieder her. Die zyklische Überproduktionskrise wird so zur Funktionsbedingung der kapitalistischen Ökonomie und ihrer Expansion. 35 Innerhalb des Marxschen Ansatzes existiert also keine Tendenz zu einem Unterbeschäftigungsgleichgewicht, da hier ein inverser Zusammenhang von Zinssatz und Kapitalbestand bzw. Investitionsvolumen, der ein Unterbeschäftigungsgleichgewicht generieren könnte, ausgeschlossen ist. 36 Die in einer Überproduktionskrise zum Ausdruck kommenden Probleme der effektiven Nachfrage sind vielmehr eingebettet in einen Krisenzyklus um einen endogen
35 Es kommt hier nicht darauf an, eine Marxsche Theorie zyklischer Krisen zu formulieren. Hierauf wird erst in Kapitel D.m. zurückzukommen sein. 36 Sardoni sieht in der Unfähigkeit des Marxschen Ansatzes, ein Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung zu deduzieren, unverständlicherweise eine zentrale Schwäche dieses Ansatzes (vgl. Sardoni 1987, S. 101 ff.).
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generierten Wachstumstrend, d.h. in eine explizit dynamische Analyse. Die für eine kapitalistische Geldökonomie typischen Probleme der Realisation des Gesamtproduktes treten daher nur in bestimmten Phasen des Zyklus, in der Krise und und im Abschwung, offen zutage, gleichwohl sie für Zyklus und Wachstumstrend latent prägend sind. J. Robinsons Kritik, Marx hätte die krisentheoretische Relevanz des Sayschen Gesetzes unterschätzt, und deshalb im dritten Band des Kapital mit dem Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate die Grundlagen einer Krisentheorie formuliert, die auch bei Gültigkeit des Sayschen Gesetzes aufrechtzuerhalten ist (vgl. Robinson 1987, S. 70), erscheint nach den bisherigen Ausführungen daher als unberechtigt. J. Robinson übersieht nämlich, daß sich im Marxschen Werk sehr unterschiedliche Modelle der Kapitalakkumulation finden. Shoul (1957) hat darauf verwiesen, daß diese Modelle unterschiedliche Krisenmomente kapitalistischer Ökonomien betonen und die post-Marxsche Theoriebildung hat darauf aufbauend sehr verschiedene Krisentheorien konstruiert (vgl. Priewe 1988, S. 19 ff.). Hierbei wurden allerdings - insbesondere in solchen Theorien, die aufbauend auf den tendenziellen Fall der Profitrate langfristige Akkumulationstendenzen analysieren (z.B. Krüger, St. 1986) - die Momente, die Marx zur Ablehnung des Sayschen Gesetzes motivierten, als eher kurzfristige Phänomene abgetan, die für den langfristigen Akkumulationstrend unbedeutend sind. Daß eine solche Weiterentwicklung der Marxschen Theorie sich zwar auf einige Ausführungen Marxens, insbesondere im dritten Band des Kapital, stützen kann, aber den auf Marxschen Grundlagen entwickelten Eigenschaften einer Geldökonomie und einer monetären Analyse dieser Ökonomie nicht gerecht wird, wird in Kapitel C.I. gezeigt. 7. Kredit und Zins in der Marxschen Theorie
a) Die Grundlagen der Kreditökonomie Die Grundlagen der Kreditökonomie entwickelt Marx bereits im ersten Band des Kapital ausgehend von der Rolle des Geldes als Zahlungsmittel. 37 In dem Zeitintervall zwischen Verkauf und Bezahlung einer Ware entsteht ein 37 Läßt sich die Marxsche Fassung des Kredits noch eindeutig aus der Rolle des Geldes als Zahlungsmittel ableiten, so wirft die Rekonstruktion der Marxschen Kredittheorie größere Schwierigkeiten auf. Engels betont im Vorwort zum dritten Band des Kapital, daß die Zusammenstellung des V. Abschnitts, der sich mit dem zinstragenden Kapital und dem Kredit beschäftigt, die größten Schwierigkeiten bereitete, da hier die Marxschen Manuskripte nur unvollständige Notizen und Fragmente enthalten (vgl. MEW 25, S. 12 f.). Heinrich (1991a) verweist darauf, daß die kategoriale Darstellung von Kredit und zinstragendem Kapital sich im wesentlichen in den
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Gläubiger-Schuldner-Kontrakt, d.h. es wird ein Kreditverhältnis etabliert. Im dritten Band des Kapital unterscheidet Marx dann grundsätzlich zwischen dem kommerziellen Kredit und dem Bankkredit (vgl. MEW 25, S. 413). Den kommerziellen Kredit gewähren sich die Unternehmen gegenseitig in der Zirkulation ihrer Waren, z.B. durch die Ausstellung von Wechseln. Der Bankkredit bezeichnet hingegen die Bereitstellung von Geld durch den Bankensektor. Unter der Rubrik des Bankkredits lassen sich wiederum zwei Kreditformen nach ihrem zeitlichen Horizont unterscheiden: der Handelskredit und der Kapitalkredit. Umfaßt der Handelskredit die Bereitstellung von Zahlungsmitteln und ist deshalb von kurzfristiger Natur, so ist der Kapital- oder Investitionskredit von längerer Laufzeit und bedeutet die Bereitstellung von Geldkapital zum Zweck der Akkumulation. Die Kreditvergabe durch den Bankensektor kann nach Marx entweder durch die Diskontierung von Handelswechseln geschehen, wodurch lediglich ein bereits bestehendes Kreditverhältnis übertragen wird, oder durch die unmittelbare Kreditgewährung, d.h. durch die Etablierung eines zusätzlichen Kreditverhältnisses (vgl. MEW 25, S. 416 ff.). Grundlage dieser Kreditgewährung ist das gehortete und bei den Banken deponierte Geld der Ökonomie, wobei Marx nicht davon ausgeht, daß die Kreditgewährung der Banken durch das Sparen der Haushalte beschränkt ist. Er unterstellt vielmehr die Endogenität der Kreditgeldmenge durch die Kreditschöpfung aus dem "Nichts" .38 "Der Kredit nun, den der Bankier gibt, kann in verschiednen Formen gegeben werden, z.B. in Wechseln auf andre Banken, Schecks auf solche, Krediteröffnungen derselben Art, endlich, bei Banken mit Notenausgabe, in den eignen Banknoten der Bank. Die Banknote ist nichts als ein Wechsel auf den Bankier, zahlbar jederzeit an den Inhaber, und vom Bankier den Privatwechseln substituiert. Die letztere Form des Kredits erscheint dem Laien besonders frappant und wichtig, erstens weil diese Art Kreditgeld aus der bloßen Handelszirkulation heraus in die allgemeine Zirkulation tritt und hier als Geld fungiert; auch weil in den meisten Ländern die Hauptbanken, welche Noten ausgeben, als sonderbarer Mischmasch zwischen Nationalbank und Privatbank in der Tat den Nationalkredit hinter sich haben und ihre Noten mehr oder minder gesetzliches Zahlungsmittel sind; weil es
Manuskriptteilen befinden, die von Engels als Kapitel 25, 27 und 29 im dritten Band des Kapital (MEW 25) veröffentlicht wurden. 38 Vgl. hierzu auch die Ausführungen in De Brunhoff (1976, S. 93 f.) und Reuten (1988).
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hier sichtbar wird, daß das, worin der Bankier handelt, der Kredit selbst ist, indem die Banknote nur ein zirkulierendes Kreditzeichen vorstellt." (MEW 25, S. 417)
Mit der Entwicklung der Kontrakt- und Kreditökonomie ist die Etablierung des zinstragenden Kapitals und des Zinses verbunden. Der Zins als Entschädigung für die temporäre Überlassung von Geldkapital stellt nach Marx einen Anspruch auf den durch die Arbeiter und Arbeiterinnen des produktiven Kapitals produzierten Mehrwert dar. Als Zins bzw. Zinssatz ist dabei im folgenden stets eine um die Preisniveauveränderung bereinigte Größe gemeint, d.h. es handelt sich in den folgenden Ausführungen immer um einen "realen monetären Zins" bzw. um einen "realen monetären Zinssatz" . 39 Nach Marx ist Geld als letztes begriffliches Produkt der einfachen Warenzirkulation gleichzeitig die erste Erscheinungsform des Kapitals. Die einfache Zirkulationsform W-G-W, d.h. die Produktion von Ware zum Zwecke ihres Verkaufes, um anschließend eine andere Ware wegen ihrer Gebrauchswerteigenschaft zu kaufen, schlägt um in die kapitalistische Zirkulationsform G-W ... P ... W'-G' mit G' >G (vgl. MEW 23, S. 161).40 Die kapitalistische Warenproduktion und -zirkulation umfaßt den Vorschuß von Geldkapital seitens des Kapitalisten zum Zwecke des Ankaufes von Produktionsmitteln und Arbeitskraft (G-W). Grundl~ge der Kapitalverwertung bildet sodann die Ausbeutung der Ware Arbeitskraft im Produktionsprozeß (P) und die Realisation des Gesamtproduktes (W'-G'). Marx weist dadurch nach, daß kein Widerspruch zwischen dem Äquivalententausch und der Ausbeutung einer Klasse doppelt freier Lohnarbeiter und -arbeiterinnen besteht und daß diese Ausbeutung Existenzvoraussetzung für das Kapital ist. 41
39 Wie weiter unten zu zeigen sein wird, unterscheidet sich ein "realer monetärer Zinssatz" fundamental vom Realzins neoklassischer Herkunft, der durch Produktivität und Sparsamkeit bestimmt wird. 40 Diese Abgrenzung sollte nicht als historische verstanden werden, da beide Zirkulationsformen Bestandteile der kapitalistischen Warenproduktion sind, wie in Kapitel B.I.2. dieser Arbeit verdeutlicht wurde. 41 Historische Bedingung hierfür ist die Scheidung der Gesellschaft in Klassen: auf der einen Seite die Kapitalistenklasse, die über den gesamten Reichtum der Gesellschaft verfügt, auf der anderen Seite die Klasse der "doppelt freien" Lohnarbeiter und -arbeiterinnen, die über nichts anderes verfügen als über ihre Arbeitskraft und daher zum Verkauf derselbigen gezwungen sind. Die historische Herausbildung dieser gesellschaftlichen Verhältnisse nennt Marx "ursprüngliche Akkumulation" (vgl. MEW 23, S. 741 ff.). Hat diese "ursprüngliche Akkumulation" die oben skizzierte
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Da der kapitalistische Verwertungsprozeß den Vorschuß von Geld voraussetzt, bekommt Geld hier die zusätzliche Eigenschaft, als Kapital zu fungieren. Jede Geldsumme ist deshalb potentielles Kapital (vgl. MEW 25, S. 351). Hiermit sind bereits die Grundlagen für das zinstragende Kapital gelegt: Zinstragendes Kapital ist Geld, das in seiner Eigenschaft, als Kapital fungieren zu können, "verkauft" wird, d.h. auf Zeit verliehen wird. Der Preis hierfür ist der Zins. "Der Geldbesitzer , der sein Geld als zinstragendes Kapital verwerten will, veräußert es an einen dritten, wirft es in die Zirkulation, macht es zur Ware als Kapital; nicht nur als Kapital für ihn selbst, sondern auch für andre; es ist nicht bloß Kapital für den, der es veräußert, sondern es wird dem dritten von vornherein als Kapital ausgehändigt, als Wert, der den Gebrauchswert besitzt, Mehrwert, Profit zu schaffen; als ein Wert, der sich in der Bewegung forterhält und zu seinem ursprünglichen Ausgeber , hier dem Geldbesitzer , nachdem er fungiert hat, zurückkehrt; also sich nur für eine Zeitlang von ihm entfernt, aus dem Besitz seines Eigentümers nur zeitweilig in den Besitz des fungierenden Kapitalisten tritt, also weder weggezahlt noch verkauft, sondern nur ausgeliehen wird; nur entäußert wird, unter der Bedingung, nach einer bestimmten Zeitfrist erstens zu seinem Ausgangspunkt zurückzukehren, zweitens aber als realisiertes Kapital zurückzukehren, so daß es seinen Gebrauchswert, Mehrwert zu produzieren, realisiert hat." (MEW 25, S. 355 f.)
Zinstragendes Kapital ist dabei nicht gleichzusetzen mit dem Bankkapital. Zinstragendes Kapital wird vielmehr u.a. über das Bankkapital vermittelt. Das Bankkapital selbst wird von Marx ausgehend vom Geldhandlungskapital entwickelt. Als Geldhandlungskapital übt das Bankkapital eine Rolle in der Gesamtzirkulation des Kapitals aus, indem es die Zirkulation von Waren und Eigentumstiteln durch die Bereitstellung von Transaktionsmitteln und die Abwicklung der Transaktionen bewerkstelligt bzw. beschleunigt. In dieser Hinsicht gleicht das Geldhandlungskapital dem Warenhandlungs- bzw. Kaufmannskapital .. Der Vorschuß des Bankiers für die im wesentlichen institutionell fixierte Geldreserve, die Produktionsmittel und die Arbeitskräfte verwertet sich dementsprechend mit der allgemeinen Profitrate, auch wenn die Profitaneignung über die Differenz zwischen Verleih- und Depositenzins erfolgt (vgl. MEW 25, S. 327 ff., Fine 1985/86, Panico 1980). Das zinstragende Kapital hingegen verwertet sich in Höhe des vorherrschenden Zinssatzes durch einen Vorschuß von Geldkapital an das industrielle Kapital, an
Klassenkonstellation einmal etabliert, so reproduziert die kapitalistische Produktion mit der materiellen Produktion auch gleichzeitig diese Klassenverhältnisse.
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das Warenhandlungskapital oder an das Bank- bzw. Geldhandlungskapital, von denen dieses Geldkapital sodann in Höhe der allgemeinen Profitrate verwertet wird. Zinstragendes Kapital ist also die Verwertung von Eigentumstiteln auf Geldkapital und existiert daher nur in der Zirkulation. 42 b) Zins und Profit
Mit der Ableitung der Kategorie des Zinses verdeutlicht Marx ein eindeutiges Voraussetzungsverhältnis: Nur weil Geld als Kapital fungieren kann, kann es vom Geldbesitzer dem Untemehmerkapitalisten gegen Zins überlassen werden. Dieser ist bereit, einen Zins für die Überlassung von Geldkapital zu zahlen, weil die geliehene Geldsumme sich für ihn potentiell als Kapital verwertet. Für den Geldkapitalbesitzer ergibt sich so die Zirkulationsform G-G' , d.h. für ihn hat scheinbar Geld als Geld die Eigenschaft, einen Zins abzuwerfen. Betrachtet man allerdings die vollständige gesamtwirtschaftliche Zirkulationsform des zinstragenden Kapitals, so entmystifiziert sich dieser Zusammenhang (vgl. MEW 25, S. 352 ff.): (B.5)
Ga-~-W ... P ... W'-~'-Ga' ,
mit
Ga
= ~, Ga' < ~'.
Der Geldkapitalist A verleiht hier das Geldkapital G an den industriellen Kapitalisten B, der dieses Geldkapital in Höhe der allgemeinen Profitrate verwertet und dadurch in die Lage versetzt wird, das ihm vorgeschossene Geldkapital inklusive eines Zinses an A zurückzuzahlen. Der Zins (Z) als Differenz zwischen Ga 'und Ga ist also nur eine abgeleitete Kategorie, ein Abzug vom produzierten Gesamtprofit (11') als Differenz zwischen ~' und ~. Der 42 Fine (1985/86) faßt die Diskontierung von Handelswechseln und die Bereitstellung von Zahlungs- und Zirkulations mitteln durch den Bankensektor unter das Geldhandlungskapital, das keinen Zins, sondern die allgemeine Profitrate abwirft, wohingegen der Kapitalkredit als zinstragendes Kapital erfaßt wird. Im ersten Fall fungiere Geld als Geld, im zweiten Fall als Kapital. Fine gesteht allerdings zu, daß die Banken bei der Kreditvergabe keinen Einfluß auf diese Unterscheidung haben und daß beide Formen auf die Bestimmung des Zinses wirken, so daß sich die Unterschiede auf die Laufzeit und die unterschiedliche Bedeutung beider Kreditformen in den verschiedenen Phasen des Konjunkturzyklus reduzieren. Letztlich gelingt es Fine nicht hinreichend, zwischen Bankkapital und zinstragendem Kapital zu unterscheiden. Handelt es sich beim Bankkapital um den Kapitalvorschuß für die Aktivitäten des Bankiers, so ist das zinstragende Kapital die Verwertung von Eigentumstiteln auf Geldkapital.
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B. Die Grundlagen der monetären Analyse bei Marx und Keynes
Gesamtprofit spaltet sich damit bei Einbeziehung des zinstragenden Kapitals auf in den Unternehmergewinn oder den industriellen Profit ('lrn) und in den Zins (Z): (B.6)
Die Klasse der Kapitalisten spaltet sich entsprechend der Funktion nach in Geldkapitalisten und industrielle Kapitalisten, wobei beide Funktionen durchaus in einer Person vereint sein können. "Der Anwender des Kapitals, auch wenn er mit eignern Kapital arbeitet, zerfallt in zwei Personen, den bloßen Eigentümer des Kapitals und den Anwender des Kapitals; sein Kapital selbst, mit Bezug auf die Kategorien von Profit, die es abwirft, zerfallt in Kapitaleigentum, Kapital außer dem Produktionsprozeß, das an sich Zins abwirft, und Kapital im Produktionsprozeß, das als prozessierend Untemehmergewinn abwirft." (MEW 25, S. 388)
Die jeweiligen, aus dem Mehrwert abgeleiteten, Einkommensarten, Zins und Unternehmergewinn, stehen somit in einem inversen Verhältnis zueinander. Für Marx ist damit die Herkunft des Zinses aus der unbezahlten Mehrarbeit, d.h. aus dem Mehrwert, aufgelöst (vgl. MEW 25, S. 390). Die Höhe des Zinssatzes hat daher keinen Einfluß auf den Wert oder den Produktionspreis der Ware, sondern bestimmt lediglich die Aufteilung des Mehrwerts bzw. des Bruttoprofits auf Geldkapitalisten und industrielle Kapitalisten (vgl. MEW 25, S. 358). Auf der analytischen Ebene des Tausches der Waren zu Werten ergibt sich so lediglich eine Modifikation dadurch, daß der produzierte Mehrwert (m) aufgeteilt werden muß auf den industriellen Profit (m1r) und den Zins (mZ). Der Wert einer beliebigen Ware i ließe sich also nun schreiben als Summe aus dem übertragenen Wert des konstanten Kapitals (c) und dem durch die lebendige Arbeit neu geschaffenen Wert (I), der sich wiederum aufteilt in den Vorschuß für variables Kapital (v) und den Mehrwert. Letzterer wird nun aufgeteilt in den Teil, der an den industriellen Kapitalisten fällt und den Teil, der an den Geldkapitalisten geht:
Geht man davon aus, daß die Waren sich im Gleichgewicht zu ihren Produktionspreisen tauschen, d.h. daß der Konkurrenzprozeß eine tendenziell einheitliche Gesamtprofitrate (r) zwischen den Produktionssphären etabliert,
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so läßt sich der inverse Zusammenhang zwischen industrieller Profitrate (rD) und Zinssatz (i) wie folgt verdeutlichen. In Matrixschreibweiseergibt sich für die Produktionspreise in einem Produktionssystem mit n Produkten, die in n Produktionszweigen in Einzelproduktion bei gegebener Technik und gegebenen Outputmengen produziert werden: (B.8)
p = wra
+ pA + rpK,
mit p für den Vektor der Produktionspreise, a für den Vektor der direkten ArbeitskoefflZienten, A für die Input-Output-Matrix, K für die Matrix des vorgeschossenen Kapitals in realen Größen, wr für den Reallohnsatz und r für die allgemeine Gesamtprofitrate. Der Gesamtprofit des Produktionszweiges i (1ru ergibt sich als Produkt aus allgemeiner Gesamtprofitrate und monetärem Gesamtkapitalvorschuß des Produktionszweiges i [I;(pjKj)J: (B.9)
Dieser Gesamtprofit wird nun aufgeteilt auf den industriellen Profit und den Zins. In Übereinstimmung mit Marx wird hier davon ausgegangen, daß diese Aufteilung unabhängig davon erfolgt, ob der Gesamtkapitalvorschuß mit Eigenkapital oder Fremdkapital fmanziert wurde, weil auch auf den Eigenkapitalvorschuß ein kalkulatorischer Zins berechnet werden kann. Für den Zins (Zu und den industriellen Profit (1I"Dj) im Produktionszweig i erhält man also: (B.1O)
(B.l1)
mit i als uniformen Zinssatz und rD als industrieller Profitrate. Die uniforme Gesamtprofitrate ergibt sich so als Summe aus der einheitlichen industriellen Profitrate und dem einheitlichen Zinssatz: (B.12) Das in den Gleichungen (B.8) - (B.12) dargestellte Produktionspreismodell zeichnet sich nun durch zwei Freiheitsgrade der Verteilung aus. Zum einen stehen Reallohn und Gesamtprofitrate in einem inversen Verhältnis, zum 5 Hein
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B. Die Grundlagen der monetären Analyse bei Marx und Keynes
anderen besteht eine inverse Relation zwischen Zinssatz und industrieller Profitrate. Folgt man Marx, so kann die Gesamtprofitrate bestimmt werden, indem der Reallohn durch die Reproduktionskosten der Ware Arbeitskraft vorgegeben wird. Die Vorgabe des monetären Zinses legt sodann die industrielle Profitrate fest. Der industrielle Profit wird bei Marx damit zur Residualgröße. 43 Eine Erhöhung des Zinssatzes führt bei gegebenem Reallohn zu einer entsprechenden Reduktion der industriellen Profitrate, ohne die Gesamtprofitrate oder den Produktionspreis zu beeinflussen. Die Existenz zweier Freiheitsgrade in dem oben skizzierten Modell reflektiert die Marxsche Sicht der beiden Konfliktlinien der Verteilung in kapitalistischen Ökonomien. Zum einen existiert ein Konflikt um die Verteilung des Nettoproduktes zwischen Arbeiter- und Kapitalistenklasse, zum anderen ein Konflikt um die Verteilung des Mehrproduktes zwischen industriellen Kapitalisten und Geldkapitalisten. 44 Die Bestimmung der Gesamtprofitrate durch die Vorgabe des Reallohnsatzes folgt der Marxschen Vorstellung von der Bestimmung des Wertes der Ware Arbeitskraft durch die gesellschaftlich notwendigen Reproduktionsmittel. Allerdings hat diese Vorstellung den Nachteil, daß sie den Anforderungen einer monetären Werttheorie nicht gerecht wird. Arbeiter und Arbeiterinnen werden nicht in Form eines Güterbündels entlohnt, sondern erhalten einen Geldlohn. Die Ware Arbeitskraft tauscht sich gegen das allgemeine Äquivalent "Geld" und nicht direkt gegen ein Warenbündel. Der Reallohn läßt sich so erst ermitteln, nachdem die Preisbildung auf den Gütermärkten erfolgt ist. Es ist daher nicht davon auszugehen, daß sich die Gesamtprofitrate 43 "Den Durchschnittsprofit als gegeben vorausgesetzt, ist die Rate des Unternehmergewinns nicht durch den Arbeitslohn bestimmt, sondern durch den Zinsfuß. Sie ist hoch oder niedrig im umgekehrten Verhältnis zu diesem.· (MEW 25, S. 392 f.) 44 Alternativ zu dem oben dargestellten Modell hat Panico (1980) ein Produktionspreis-Modell vorgeschlagen, in dem der Zinssatz - bei Schließung des Modells durch den Reallohnsatz - durch die Produktionsbedingungen des Bankensektors bestimmt ist, d.h. durch Setzung des Reallohnsatzes ist nicht nur die allgemeine Profitrate, sondern auch der (Verleih)Zinssatz determiniert. Allerdings ist dieses Resultat ernsthaften Einwänden ausgesetzt, da es davon ausgeht, daß der Depositenzinssatz bekannt und unabhängig vom Verleihzins ist. Letzter muß dann nur noch der Erfordernis gehorchen, dem Bankkapital eine durchschnittliche Profitrate zu garantieren. Panico nimmt damit lediglich die Bestimmung der für die Erzielung der Durchschnittsprofitrate im Bankensektor notwendigen Zinsspanne vor, bestimmt allerdings nicht gleichzeitig mit der Profitrate das Niveau des Zinssatzes bzw. das Verhältnis von Profitrate zu Zinssatz. Auf die Versuche, mit Hilfe des Zinssatzes ein Sraffa-Produktionspreismodell zu schließen, d.h. die Profitrate über den Zinssatz vorzugeben und den Reallohn als Residualgröße zu behandeln, wird in Kapitel B.n. dieser Arbeit eingegangen.
I. Marx: Geld und die "abstrakteste Form der Krise"
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über einen auf dem Arbeitsmarkt bestimmten Reallohn festlegen läßt. Sie ist vielmehr Resultat der Preisbildung auf Arbeits- und auf Gütermärkten, wobei die Preisbildung auf den Gütermärkten insbesondere von den dort vorherrschenden Konkurrenzverhältnissen und vom Akkumulationstrend abhängt. Hierauf wird in Abschnitt C dieser Arbeit zurückzukommen sein. Damit das Produktionsniveau in dem Marxschen Modell positiv bleibt, muß die Gesamtprofitrate den Zinssatz übersteigen, so daß sich eine positive industrielle Profitrate ergibt. Nur unter dieser Voraussetzung sind die Kapitalisten bereit, die unsichere Verwertung ihres Kapitals durch Realinvestitionen gegenüber einer sicheren Verwertung auf den Finanzmärkten als zinstragendes Kapital vorzuziehen. Eine positive industrielle Profitrate muß für die mit einem realen Kapitalvorschuß verbundenen Aufwendungen und Unsicherheiten entschädigen, wobei diese Entschädigung im Marxschen Modell, im Gegensatz zu den Vorstellungen bei Smith und Ricardo, keine unabhängige Größe ist, sondern sich vielmehr als Differenz aus Gesamtprofitrate und Zinssatz ergibt. 45 Für den individuellen Kapitalisten stellt sich so zwar immer die Entscheidungssituation, sein Geldkapital als zinstragendes Kapital zu verleihen oder es als produktives Kapital selbst zu verwerten. Er wird diese Entscheidung in Abhängigkeit von der jeweiligen Höhe des Zinssatzes und der Gesamtprofitrate treffen. Würde allerdings das gesellschaftliche Gesamtkapital nur noch als zinstragendes Kapital fungieren wollen, so hätte dieses nach Marx eine Senkung des Zinssatzes unter die Gesamtprofitrate zur Folge, wodurch die produktive Verwendung von Kapital wieder stimuliert werden würde. "Es steckt der noch größre Unsinn darin, daß auf Basis der kapitalistischen Produktionsweise das Kapital Zins abwerfen würde, ohne als produktives Kapital zu fungieren, d.h. ohne Mehrwert zu schaffen, wovon der Zins nur ein Teil; daß die kapitalistische Produktionsweise ihren Gang gehn würde ohne die kapitalistische Produktion. Wollte ein ungebührlich großer Teil der Kapitalisten sein Kapital 45 Pivetti (1987) macht auf die Unterschiede der Betrachtung von Zins und Unternehmergewinn in den Werken von Smith, Ricardo und Marx aufmerksam und sieht bei Smith und Ricardo die Grundlagen für eine Betrachtung von Unternehmergewinn und Zins als unabhängige Komponenten gelegt, deren Summe erst die Gesamtprofitrate herstellt. Hier existiert dann keine inverse Relation zwischen Zinssatz und industrieller Profitrate mehr. Auf den auf dieser Bestrachtung aufbauenden Versuch Pivettis, das Sraffa-Produktionspreismodell über den Zinssatz zu schließen, wird in Kapitel B.II.4.b) dieser Arbeit eingegangen. 5"
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B. Die Grundlagen der monetären Analyse bei Marx und Keynes
in Geldkapital verwandeln, so wäre die Folge ungeheure Entwertung des Geldkapitals und ungeheurer Fall des Zinsfußes; viele würden sofort in die Unmöglichkeit versetzt, von ihren Zinsen zu leben, also gezwungen, sich in industrielle Kapitalisten rückzuverwandeln. " (MEW 25, S. 391)
Bei einem dauerhaft über der Gesamtprofitrate liegendem Zinssatz würde also die realwirtschaftliche InvestitionszurückhalJung das Angebot an Geldkapital immens steigern, die Nachfrage nach Geldkapital würde zusammenbrechen und der Zinssatz müßte zwangsläufig sinken. Der sich über einen längeren Zeitraum herausbildende durchschnittliche Zinssatz muß daher unterhalb der in diesem Zeitraum gültigen allgemeinen Profitrate liegen (vgl. MEW 25, S. 372). Dies bedeutet jedoch nicht, daß der Zinssatz in allen Phasen des Konjunkturzyklus der Profitrate untergeordnet bleibt. Krisen des Akkumulationprozesses zeichnen sich vielmehr dadurch aus, daß die Gesamtprofitrate unter den Zinssatz bzw. in die unmittelbare Nähe des Zinssatzes fallt, so daß die auf dieser Grundlage erwartete industrielle Profitrate nicht mehr hinreicht, um realwirtschaftliche Investitionen zu veranlassen. 46 In Bezug auf die konkrete Höhe des sich langfristig durchsetzenden Zinssatzes macht Marx deutlich, daß diese auf dem Markt für Geldkapital durch Angebot von und Nachfrage nach leihbaren Mitteln bestimmt wird (vgl. MEW 25, S. 377). Für den Zinssatz exitiert allerdings keine "natürliche Rate", d.h. kein durch die dominanten Kräfte des Systems bestimmtes langfristiges Schwankungszentrum für kurzfristige Fluktuationen, wie dies beim Wert bzw. Produktionspreis als Gravitationszentrum für die Marktpreise oder bei der allgemeinen Profitrate als Gravitationszentrum der tatsächlichen Profitrate der Fall ist. "Die in einem Lande herrschende Durchschnittsrate des Zinses - im Unterschied von den beständig schwankenden Marktraten - ist durchaus durch kein Gesetz bestimmbar." (MEW 25, S. 374)
Als Maximalgrenze des Zinses ergibt sich die Gesamtprofitrate selbst, die Minimalgrenze ist nach Marx ganz und gar unbestimmbar (vgl. MEW 25, S. 370). Es wurde oben bereits verdeutlicht, daß der Zins nicht auf Dauer auf der Maximalgrenze liegen kann, da hierdurch die Produktion von Mehrwert aufhören würde und der Zins sich damit seiner eigenen Grundlage berauben würde. Andererseits ist ein Zinssatz von Null ebensowenig vorstellbar, da 46
Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung in Kapitel D.ill.2. dieser Arbeit.
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hierdurch sowohl das zinstragende Kapital selbst als auch das Bankkapital, das seine Profitrate durch die Differenz von Leih- und Depositenzins realisiert, verschwänden. Innerhalb dieser Minimal- und Maximalgrenzen erfolgt die Festlegung des langfristigen Zinssatzes durch einen Komplex von historischen, institutionellen und politischen Faktoren, die insbesondere die Verhandlungs stärke von Gläubigem und Schuldnern widerspiegeln. Der langfristig gültige Zinssatz ist also nicht in einer allgemeinen Theorie, sondern nur in einer konkreten Analyse, die die historischen, institutionellen, politischen Faktoren einbezieht, bestimmbar. "To sum up, in Marx's analysis of the factors determining the rate of interest, he rejected any attempt to explain the determination of the average rate of interest on the basis of 'laws of necessity'. He proposed instead, to investigate it by means of qualitative description, of those economic, conventional and institutional factors that, from time to time, affect this variable.· (panico 1980, S. 369)
Der Zins kann damit im Marxschen System als eine monetäre Kategorie bezeichnet werden (vgl. De Brunhoff, S. 88), deren Größe durch das Kräfteverhältnis zwischen industriellen Kapitalisten und Geldkapitalisten, d.h. durch die Verhältnisse auf dem Geldkapitalmarkt, bestimmt wird. 47 Unterstellt man, dieses Kräfteverhältnis sei gegeben, so wird der monetäre Zinssatz damit für den Produktions-, Einkommensbildungs- und Akkumulationsprozeß zu einer exogenen Größe. Der Zinssatz in der Marxschen Theorie sollte daher nicht mit dem Realzins neoklassischer Prägung verwechselt werden. Die Marxsche geldmarkttheoretische Erklärung des Zinses unterscheidet sich zusammen mit der Keynesschen Erklärung, auf die im folgenden Kapitel eingegangen wird, von der neoklassischen gütermarkttheoretischen im wesentlichen dadurch, daß eine durch Nicht-Konsum erhöhte Verfügungsgewalt über Geld nicht notwendig zu einem erhöhten Angebot an Leihkapital führt und ein erhöhtes Sparen damit nicht notwendig eine Senkung des Zinssatzes nach sich zieht (vgl. Feess-Dörr 1989, S. 131 f.).
47 Sowohl Panico (1980, 1988) als auch Rogers (1989) sehen in der Bestimmung des langfristigen Zinssatzes durch konventionelle Faktoren dann auch ein hohes Maß an Übereinstimmung zwischen Marx und Keynes. Im Gegensatz zu Rogers allerdings, der annimmt, daß in beiden Ansätzen die Profitrate langfristig vom Zinssatz bestimmt wird (vgl. Rogers 1989, S. 169), ist in der vorliegenden Arbeit gezeigt worden, daß die langfristige Gesamtprofitrate im Marxschen Modell unabhängig vom Zinssatz ist.
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B. Die Grundlagen der monetären Analyse bei Marx und Keynes 8. Zusammenfassung: Die Grundlagen der Manschen monetären Analyse
Die Rekonstruktion der Marxschen Werttheorie als monetäre Werttheorie hat verdeutlicht, daß die Reproduktion einer Warenökonomie zwingend ein allgemeines Äquivalent erfordert, über das der gesellschaftliche Zusammenhang einer solchen Ökonomie, die durch dezentrale und voneinander unabhängige Privatarbeiten gekennzeichnet ist, hergestellt wird. Geld kann insofern als "Lösungsmittel der Reproduktionsprobleme einer Warenökonomie" (Beckenbach 1987, S. 189) aufgefaßt werden. Es ist gleichzeitig gezeigt worden, daß es keine Garantie dafür gibt, daß die Herstellung dieses gesellschaftlichen Zusammenhangs gelingt bzw. für alle Teilnehmner zwingend gelingen muß. Geld ist damit gleichzeitig "Gefabrdungsmittel der Reproduktion einer Warenökonomie" (Beckenbach 1987, S. 189). Dies bedeutet, daß die Interpretation der Marxschen Werttheorie als monetäre Werttheorie die Entwicklung der Notwendigkeit eines allgemeinen Äquivalents, d.h. die Geldkategorie, und die "abstrakteste Form der Krise" zwingend mit einschließt. Die Marxsche Werttheorie ist insofern gleichzeitig Geld- und Krisentheorie. Es ist weiter gezeigt worden, daß das in der Marxschen Werttheorie integral enthaltene allgemeine Äquivalent nun selbst keine Ware sein muß, sondern gesellschaftlich garantiertes Zeichen von "Wert an sich" ist. Im Gegensatz zu dem von Marx auf der Geldware aufgebauten Geldsystem muß daher ein Kreditgeldsystem, in dem Zahlungen jeweils durch Zahlungsversprechen mit höherer gesellschaftlicher Validität erfolgen, als sehr viel mehr den Marxschen werttheoretischen Grundlagen entsprechend angesehen werden. Soweit Marx und die post-Marxsche Theorie an dem Konzept der Geldware festhalten, muß ihnen zum einen eine historische Befangenheit, zum anderen eine forschungsstrategische Inkonsequenz vorgeworfen werden. Erst für eine Ökonomie, in der Geld keine reproduzierbare Ware ist, ließ sich sodann die Marxsche Ablehnung des Sayschen Gesetzes schlüssig als ein Resuitat ableiten, das sich zwangsläufig auf der werttheoretischen Grundlage ergibt. Die "abstrakteste Form der Krise" ist der Marxsche Nachweis für ein permanent vorhandenes Realisationsproblem in der kapitalistischen Ökonomie. Die Verwertung des Kapitals, wobei es sich bei diesem um eine monetäre Kategorie handelt, setzt - neben der Ausbeutung der Lohnarbeit im Produktionsprozeß - eine hinreichend große zahlungsfähige Nachfrage voraus. Diese ist jedoch weder für das Einzelkapital - als Nachfrage nach dessen spezifischem Produkt zum geplanten Preis - noch für das Gesamtkapital - als aggregierte Nachfrage, die hinreichend ist, das aggregierte Angebot aufzunehmen, - ohne weiteres gegeben. Aus dem Realisationsproblem ergibt sich
n. Keynes: Geld und das "Prinzip der effektiven Nachfrage"
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bei Marx jedoch keine Tendenz zu einem Unterbeschäftigungsgleichgewicht bzw. zu einer permanenten Krise, sondern die mit der effektiven Nachfrage verbunden Probleme sind eingebunden in eine dynamische Theorie. Es geht daher im weiteren Verlauf dieser Arbeit u.a. darum, die Bedingungen zu formulieren, unter denen die Realisation eines wachsenden Gesamtproduktes gelingt. Wird die kapitalistische Geldökonomie als Kreditgeldökonomie begriffen, so bedarf es einer Theorie des Zinses. Es ist gezeigt worden, daß in der Marxschen Ökonomie der Zins als Teil des Mehrproduktes gefaßt wird, wobei die Gesamtprofitrate die obere Grenze für den Zinssatz setzt und industrielle Profitrate und Zinssatz in einem inversen Verhältnis stehen. Die konkrete Höhe des Zinssatzes wird durch konventionelle Faktoren erklärt, die außerhalb der unmittelbaren Modellbetrachtung im Rahmen der Preis- und Verteilungstheorie liegen. Im Hinblick auf die Investitions- und Akkumulationstheorie ergibt sich, daß der Zinssatz die Mindestrate der Verwertung vorgibt, damit überhaupt Produktion und Akkumulation stattfinden. Wird die Rate der Kapitalverwertung, die Profitrate, nun selbst von der Akkumulationsrate (mit)bestimmt und gehen vom Zins Einflüsse auf die Akkumulationsentscheidungen der Unternehmen aus, so hat die Höhe des Zinssatzes auf diesem Wege durchaus indirekte Wirkungen auf die Höhe der Profitrate. Hierauf wird bei der Betrachtung des Zusammenhangs von Kredit, Zins und Akkumulation zurückzukommen sein. Vorher wird jedoch der Zusammenhang von Geld, Zins und effektiver Nachfrage in der Keynesschen Ökonomik behandelt.
11. Die kapitalistische Ökonomie als Geldökonomie und das "Prinzip der effektiven Nachfrage" bei Keynes Die Entwicklung der Merkmale einer Geldökonomie in der Keynesschen Theorie ist das Ergebnis der Keynesschen Auseinandersetzung mit der neoklassischen Theorie der Beschäftigung und deren Unfcihigkeit, dauerhafte Unterbeschäftigung in kapitalistischen Ökonomien zu erklären. Keynes arbeitet die wesentlichen Merkmale einer Ökonomie der "Welt, in der wir leben" (vgl. CW VII, S. 3) heraus, die von ihm als Geldwirtschaft oder Unternehmerwirtschaft bezeichnet wird, und grenzt diese Ökonomie ab gegen eine Ökonomie, in der der Stabilitätsoptimismus der herrschenden Lehre gilt, der sich auf die neoklassische Version des Sayschen Gesetzes gründet.
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B. Die Grundlagen der monetären Analyse bei Marx und Keynes
Nachdem Keynes in seiner Treatise on Money den Einfluß monetärer Variablen auf die realen Größen des ökonomischen Systems nur für Ungleichgewichtssituationen zugestanden hatte (vgl. CW V, CW VI),48 für das Gleichgewicht also die Neutralität des Geldes unterstellte,49 versucht er in den Manuskripentwürfen zur General Theory und in der General Theory selbst, die Grundlagen einer monetären Theorie der Produktion zu legen, in der Geld auch langfristig im Gleichgewicht nicht neutral ist. Die Forderung nach einer realitätsnahen Theorie der kapitalistischen Geldökonomie war von Keynes auch in seinem 1933 veröffentlichten Beitrag zur Spiethoff-Festschrift erhoben worden. Der "klassischen" Theorie wirft er in diesem Beitrag grundsätzlich vor, zwar die Existenz des Geldes zu akzeptieren, es aber in seinen ökonomischen Auswirkungen als letztlich neutral zu behandeln. Dadurch werde der Zugang zu einer adäquaten Krisentheorie verbaut, da die Bedingungen für die Neutralität des Geldes identisch sind mit den Bedingungen für die Unmöglichkeit einer allgemeinen Krise, die auf Grund eines Mangels an aggregierter Nachfrage entsteht. Dem (neo)klassischen Verständnis stellt er die Ausrichtung einer monetären Theorie der Produktion gegenüber: "The theory which I desiderate would deal (... ) with an economy in which money plays apart of its own and affects motives and decisions and is, in short, one of the operative factors in the situation, so that the course of events cannot be predicted either in the long period or in the short, without a knowledge of the behaviour of money between the first state and the last." (CW xm, S. 408 f.)
Die folgende Darstellung der Grundlagen einer Geldökonomie in der Keynesschen Theorie wird sich also mit den Eigenschaften dieser Ökonomie zu beschäftigen haben, die Keynes letztlich veranlaßten, den im Sayschen Gesetz zum Ausdruck kommenden Stabilitätoptimismus der neoklassischen Theorie zu verwerfen. Zu diesem Zweck werden insbesondere die von Keynes im Anschluß an die Veröffentlichung der Treatise on Money verfaßten Manuskripte und die General Theory herangezogen. Die Ablehnung des Sayschen Gesetzes erfordert eine alternative Erklärung der Höhe von Produktion und Beschäftigung. Diese präsentiert Keynes mit 48 Geld wird dort lediglich als temporärer Störfaktor behandelt; eine Vorgehensweise, die der neoklassischen Theorie nicht fremd ist (vgl. Herr 1986) und die sich auch in den prä-Keynesschen monetären Konjunkturtheorien Hawtreys und Wicksells fmdet. 49 Er stellte allerdings fest, daß das Gleichgewicht bei Vollbeschäftigung instabil ist (vgl. Barens 1987, S. 61 ff.).
11. Keynes: Geld und das "Prinzip der effektiven Nachfrage"
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dem Prinzip der effektiven Nachfrage.· Mit der Formulierung dieses Prinzips sind allerdings insofern Probleme verbunden, als daß weder die Theorie der Investition und die hiermit verbundene Theorie des Zinses noch der methodische Stellenwert einer Unterbeschäftigungssituation hinreichend klar formuliert sind. Im folgenden wird daher zudem das auf der Keynesschen Vorstellung einer Geldökonomie beruhende Prinzip der effektiven Nachfrage skizziert, und es werden die oben erwähnten Problembereiche unter Hinzuziehung post-Keynesscher Weiterentwicklungen diskutiert. 1. Der Gültigkeitsbereich des Sayschen Gesetzes in der neoklassischen Fassung und die Eigenschaften einer Geldökonomie nach Keynes
Die neoklassische Version des Sayschen Gesetzes postuliert neben der Räumung aller Gütermärkte - im Gegensatz zur ricardianischen Klassik - auch die Räumung des Arbeitsmarktes im Gleichgewicht, schließt also unfreiwillige Arbeitslosigkeit aus. Wie Barens (1987, S. 37) betont, lehnt Keynes nicht den methodischen Aspekt der neoklassischen Selbstregulierungsvorstellung, d.h. die Bestimmung von Gleichgewichtszuständen, die durch die dominanten Kräfte des ökonomischen Systems determiniert sind, ab, sondern bestreitet den theoretischen Aspekt des neoklassischen Ansatzes, d.h. die SpezifIkation dieses Gleichgewichtes als Gleichgewicht bei Vollbeschäftigung. 50 Diese SpezifIkation beruhe auf der Akzeptanz des Sayschen Gesetzes und daher auf der Annahme, daß mit jeder Produktion durch die Produktionskosten Einkommen in gleicher Höhe entstehe, das den Absatz der Produktion garantiere. Dies würde bedeuten, daß die Faktorkosten stets eine effektive monetäre Gesamtnachfrage bilden, die gleich dem aggregierten Angebotspreis der Gesamtproduktion ist. Angebot und Nachfrage wären damit für alle Outputniveaus gleich, und dem Erreichen eines Vollbeschäftigungsoutputs durch die Konkurrenz der gewinnmaximierenden Unternehmen würde kein nachfrageseitiges Hindernis im Wege stehen. Auf dem Arbeitsmarkt würden alle Arbeitsanbieter zu dem sich einstellenden Reallohnsatz zum Zuge kommen. "Thus Say's law, that the aggregate demand price of output as a whole is equal to its aggregate supply price for all volumes of output, is equivalent to the proposition that there is no obstacle to full employment." (CW VII, S. 26)
50 Keynes' Theorie kann daher nicht als Ungleichgewichtstheorie klassifziert werden, sondern enthält sehr wohl (verschiedene) Vorstellungen eines Gleichgewichts, wie in Kapitel D.II.5. dieser Arbeit ausgefiihrt wird.
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B. Die Grundlagen der monetären Analyse bei Marx und Keynes
Hiermit wäre gleichzeitig die Gültigkeit der beiden "klassischen Postulate" (vgl. CW VII, S. 5) gesichert: 1. der Reallohnsatz ist im Gleichgewicht gleich dem Grenzprodukt der Arbeit, wodurch die Arbeitsnachfrage bestimmt ist, und 2. der durch den Reallohn hervorgerufene Grenznutzen ist gleich dem Grenzleid der mit diesem Reallohn korrespondierenden Arbeitsmenge, wodurch das Arbeitsangebots bestimmt ist. Funktioniert der Preismechanismus auf dem Arbeitsmarkt, d.h. fragen die Unternehmen mit steigendem Reallohn eine sinkende Arbeitsmenge nach und bieten die Haushalte mit steigendem Reallohn eine ansteigende Arbeitsmenge an, so kann die Neoklassik die Räumung des Arbeitsmarktes beim sich einstellenden Gleichgewichtsreallohnsatz postuliert werden. Der Arbeitsmarkt bestimmt im neoklassischen Modell so Lohnhöhe und Beschäftigung und über die Produktionsfunktion die Höhe des Outputs. Keynes akzeptiert nun das erste "klassische Postulat", verwirft aber das zweite, da es identisch mit der Annahme ist, daß zum herrschenden Reallohn jedes Arbeitsangebot auch seine Nachfrage findet, damit aber unfreiwillige Arbeitslosigkeit ausgeschlossen bleibt (vgl. CW VII, S. 16 f.). Würden die Gesamtausgaben der Ökonomie allerdings von den Gesamtproduktionskosten abweichen können, d.h. wären erstere nicht durch letztere bestimmt, dann würde nur ein Produktionsniveau existieren, bei dem sich Gesamtangebot und Gesamtnachfrage auf Gütermärkten decken. Das mit diesem Produktionsniveau verbundene Beschäftigungsvolumen müsse aber nicht notwendig die Räumung des Arbeitsmarktes und damit Vollbeschäftigung bedeuten. Damit würde die "effektive Nachfrage" auf Gütermärkten und nicht der Ausgleich von Reallohn und Grenzleid der Arbeit das Niveau der Beschäftigung bestimmen. 51 "Thus the volume of employment is given by the point of intersection between the aggregate demand function and the aggregate supply function; for it is at this point that the entrepreneurs' expectation of profits will be maximised. The value of D at the point of the aggregate demand function. where it is intersected by the aggregate supply function, will be called the effective demand." (CW VII, S. 25)52
Die neoklassische Theorie hätte damit lediglich die Begrenzung der Beschäftigung, d.h. die maximal mögliche Beschäftigungsmenge, festgestellt,
51 Vgl. hierzu auch Barens (1987, S. 99 ff.). 52 Zur aggregierten Angebots- und aggregierten Nachfragekurve vgl. auch
Asimakopulos (1982) und Davidson (1994, S. 19 ff.).
11. Keynes: Geld und das "Prinzip der effektiven Nachfrage"
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nicht jedoch die jeweils im Gleichgewicht vorherrschende Beschäftigungshöhe. Um die Irrelevanz des zweiten klassischen Postulats und damit des neoklassischen Vollbeschäftigungs-Vollauslastungs-Modells nachzuweisen, konstruiert Keynes in den Manuskriptentwürfen zur General Theory Modellökonomien, die die Bedingungen der Gültigkeit der "klassischen Postulate" spezifizieren, und vergleicht diese Bedingungen mit denen, die in der kapitalistischen Geldwirtschaft dominieren. Er sucht so nach Konstellationen, in denen die Gesamtausgaben unabhängig von den Gesamtproduktionskosten bestimmt sind und folglich von diesen abweichen können, in denen also ein Gleichgewicht generiert wird, das die Möglichkeit der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit zuläßt. Zu diesem Zweck werden von Keynes folgende Modellökonomien unterschieden: die Naturaltauschwirtschaft, die Reallohnbzw. Kooperativwirtschaft, die Neutrale Wirtschaft und die Geld- bzw. Untemehmerwirtschaft (vgl. CW XXIX, S. 76 ff.).S3 In einer Naturaltauschwirtschaft wird die Aufteilung des Produktionsergebnisses zwischen den Produktionsfaktoren vor Aufnahme der Produktion geregelt. Unterschiede zwischen aggregiertem Angebot und aggregierter Nachfrage sind so definitio~gemäß nicht möglich, da Abflüsse aus dem Einkommenskreislauf nicht stattfmden können. Gleiches gilt für die Reallohnbzw. Kooperativwirtschaft, die sich zur Erleichterung des Austausches zwar eines Tauschmittels "Geld" bedient, die Entlohnung der Produktionsfaktoren daher in Einheiten dieses Tauschmittels vornimmt, in der "Geld" aber lediglich als Zirkulationsmittel fungiert, d.h. in der Zirkulationssphäre verbleibt. Auch hier sind Abflüsse aus dem Einkommenskreislauf unmöglich, so daß die Summe der Produktionskosten, die sich bei den Haushalten als Summe der Einkommen niederschlägt, komplett zur Nachfrage der Produktion verwendet wird - entweder direkt als Konsum der Haushalte oder indirekt als das Sparen der Haushalte, das komplett der Investitionsnachfrage zugeführt wird. 54 In diesen beiden Modellökonomien sind die klassischen Postulate und damit das Saysche Gesetz gültig. In der Neutralen Wirtschaft hingegen wird zwar die Existenz monetärer Abflüsse zugelassen, diese werden aber durch einen endogenen Prozeß exakt durch Zuflüsse in gleicher Höhe kompensiert, so daß S3 Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Barens (1987, S. 123 ff.) und Rotheim (1981, 1991). 54 Dies ist die Position, die Garegnani (1989) bei Ricardo identifiziert: Es wird nicht zwischen Sparen und Investitionen differenziert (vgl. Kapitel B.I.6. dieser Arbeit).
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auch hier die klassischen Postulate gelten und die Produktionskosten die Ausgaben und damit die Nachfrage bestimmen. Keynes stellt diesen Ökonomien, in denen Geld entweder nicht existiert oder aber neutral ist, nun das Modell einer Geldökonomie bzw. Unternehmerwirtschaft, die sich durch die Möglichkeit nicht-kompensierter Abflüsse aus dem Einkommenskreislauf auszeichnet, gegenüber. Unter nichtkompensierten Abflüssen aus dem Einkommenskreislauf wird hier mit Barens (1987, S. 110 ff.) die Möglichkeit verstanden, daß durch Produktionskosten konstituiertes Einkommen nicht bzw. nicht vollständig nachfragewirksam auf Gütermärkten verausgabt wird, d.h. aus dem Gesamtkreislauf abfließen kann, ohne daß dieser Nachfrageausfall durch einen ökonomischen Automatismus kompensiert wird. Wie bekannt, wird dieser Kompensations-Automatismus in der neoklassischen Theorie durch den Zinssatz auf dem Kapitalmarkt gesichert, wodurch geplantes Sparen (Kapitalangebot) mit geplanten Investitionen (Kapitalnachfrage) in Übereinstimmung gebracht wird. Welches sind aber nun die zentralen Eigenschaften des Geldes in einer Geld- bzw. Untemehmerwirtschaft, die das Problem der effektiven Nachfrage im Sinne nicht automatisch kompensierter Abflüsse aus dem ökonomischen Kreislauf verursachen? Bei Keynes fmdet sich hier keine begriffliche Ableitung der Geldkategorie, die mit der Marxschen vergleichbar wäre. Geld wird vielmehr in der Form, die in der Wirklichkeit vorgefunden wird, d.h. als nicht-konvertible Papierwährung vorausgesetzt (vgl. Barens 1987, S. 103).55 Im nächsten Schritt spezifiziert Keynes dann aber die Eigenschaften des Geldes, die nicht-kompensierte Abflüsse aus dem Einkommenskreislauf zulassen und damit das Problem der effektiven Nachfrage konstituieren. Auf die Frage, was denn überhaupt als Geld zu bezeichnen sei, antwortet er: "Perhaps anything in terms of which the factors of production contract to be remunerated, which is not and cannot be apart of current output and is capable of being used otherwise than to purchase current output, is, in asense, money. If so, but not otherwise, the use of money is a necessary condition for fluctuations in effective demand." (CW XXIX, S. 86)
55 In der General Theory wird Geld dann entweder als nützliche gesellschaftliche Einrichtung, die Gegenwart und Zukunft verbindet, klassifIziert oder als Vermögensgegenstad gefaßt (vgl. CW Vll, S. 222 f., S. 294). Hierauf wird in Kapitel B.ll.2.c) dieser Arbeit zurückzukommen sein.
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Keynes charakterisiert Geld hier also entsprechend den Voraussetzungen, die notwendig sind, damit eine Abweichung der Ausgaben von den Produktionskosten möglich ist und die effektive Nachfrage die Produktion beschränken kann. Die erste zentrale Eigenschaft von Geld, aus der die Möglichkeit der insuffizienten effektiven Nachfrage resultiert, ist eine gegen null gehende Produktionselastizität. Dies bedeutet, daß eine Erhöhung der Geldnachfrage nicht durch eine Steigerung der Geldproduktion beantwortet werden kann. Die Geldnachfrage wirkt damit als Nicht-Nachfrage nach Produktion und kann so einen Mangel an aggregierter Nachfrage begründen. 56 Auch im Rahmen der Keynesschen Theorie ergibt sich mithin, daß Geldhaltung nur dann einen Mangel an effektiver Nachfrage begründet, wenn Geld selbst keine reproduzierbare Ware ist. 57 Neben der geringen, gegen Null gehenden Produktionselastizität muß Geld noch eine zweite Eigenschaft aufweisen, die zur Begründung von nicht-kompensierten Abflüssen aus dem Einkommenskreislauf notwendig ist. Im Gegensatz zu anderen Waren darf Geld nämlich keine oder nur geringe Lagerkosten (Durchhaltekosten) aufweisen. Hieraus ergibt sich sich, "( ... ) that the need of entrepreneurs to seil, if they are to avoid a runnig loss, is more pressing than the need of the recipients of income to spend." (CW XXIX,
S.86)
Die so spezifizierten Eigenschaften des Geldes begründen nach Keynes die Nicht-Neutralität des Geldes, da die Möglichkeit der nicht-kompensierten Abflüsse aus dem Einkommenskreislauf und damit die Möglichkeit der Unterbeschäftigung gegeben ist. In der Geldwirtschaft kann so eine Situation eintreten, in der die Unternehmen als Ganzes - auf Grund eines Mangels an aggregierter Nachfrage - nicht notwendig die mit den Geldvorschüssen für die
56 Vgl. hierzu auch Barens (1987, S. 106 f.). 57 Keynes betont dieses im Hinblick auf eine Goldwährung: "If, indeed, it were easily practicable to divert output towards gold on a sufficient scale for the value of the increased current output of gold to make good the deficiency in expenditure in other forms of current output, unemployment could not occur; except in the transitional period before the tum-over to increased gold-production could be completed." (CW XXIX, S. 85 f.) Auch der in der General Theory gemachte Vorschlag, Banknoten in Flaschen abzufüllen, in Bergwerken zu vergraben, diese mit Müll aufzufüllen und den Privatunternehmen gegen eine Pacht die "Schürfrechte" zu überlassen (vgl. CW VII, S. 129), weist in dieselbe Richtung, da auch hier, genauso wie bei der Goldproduktion, die Schaffung von Geld mit Produktion und Beschäftigung verbunden ist.
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B. Die Grundlagen der monetären Analyse bei Marx und Keynes
Produktion erwarteten Geldrückflüsse erzielen und das Saysche Gesetz mithin ungültig ist. 58 An seine Stelle tritt in einer Geldökonomie nun das Prinzip der effektiven Nachfrage. Diese Argumentation kann als Keynes' erste Begründung für die Nicht-Neutralität des Geldes bezeichnet werden. Der nächste Schritt besteht für Keynes nun darin, nachzuweisen, daß in der Geldwirtschaft die Kompensation der Abflüsse durch Zuflüsse in gleicher Höhe nicht garantiert ist, d.h. daß die effektive Nachfrage nicht hinreichen muß, um notwendig ein Outputniveau hervorzurufen, das Vollbeschäftigung garantiert. Bei dieser Argumentation spielt nun insbesondere eine Rolle, daß die einkommensunabhängigen Ausgaben, die Investitionen, an explizit monetären Kriterien orientiert sind. Auch in den Manuskriptentwürfen zur General Theory betont Keynes die Nichtneutralität des Geldes im Sinne der Beeinflussung von einkommensunabhängigen Ausgabenentscheidungen. Die sich hierauf beziehende Argumentation kann als Keynes' zweite Begründung für die Nicht-Neutralität des Geldes identifiziert werden. Im Gegensatz zu den Modellökonomien, in denen die "klassischen Postulate" und das Saysche Gesetz gelten, ist nämlich in der Geld- bzw. Unternehmerwirtschaft nicht das physische Produktionsergebnis für die Produktions- und Investitionsentscheidungen der Unternehmen von Interesse, sondern die Verwertung eines Geldvorschusses. Mit Bezug auf die Marxsche Zirkulationsform G-W-G' betont Keynes: "The distinction between a co-operative and an entrepreneur economy bears some relation to a pregnant observation made by Kar! Marx, - though the subsequent use to which he put this observation was highly illogical. He pointed out that the nature of production in the actual world is not, as economists seem often to suppose, a case C-M-C', Le. of exchanging commodity (or effort) for money in order to obtain another commodity (or effort). That may be the standpoint of the private consumer. But it is not the attitude of business, which is a case of M-C-M', i.e. of parting with money for commodity (or effort) in order ~o obtain more money. (... ) An entrepreneur is interested, not in the amount of product, but in the amount of money which will fall to his share." (CW XXIX, S. 81 f.)
Die Geldwirtschaft zeichnet sich nach Keynes also zusammenfassend dadurch aus, daß durch die Existenz von Geld Zum einen nicht-kompensierte Ablüsse aus dem Einkommenskreislauf möglich sind, wodurch das Saysche Gesetz außer Kraft gesetzt wird, und zum anderen die Verwertung von Geldvorschüssen selbst zum entscheidenden Bestimmungsgrund für die Höhe der 58 Vgl. auch Garegnani (1989a, S. 191).
11. Keynes: Geld und das "Prinzip der effektiven Nachfrage"
79
effektiven Nachfrage und damit von Produktion und Beschäftigung wird. Die Explikation des letzteren Zusammenhangs und seiner Folgen stehen sodann im Mittelpunkt der General Theory. 2. Grundzüge des Keynesschen "Prinzips der effektiven Nachfrage" in der General Theory
Da in kapitalistischen Geldwirtschaften die Bedingungen für die Gültigkeit des Sayschen Gesetzes nicht generell bzw. nicht notwendig erfüllt sind, schlußfolgert Keynes, daß nicht jede Produktion ihre eigene Nachfrage generiert, sondern daß nur ein Produktionsniveau existiert, bei dem das Angebot und die Nachfrage auf Gütermärkten einander entsprechen, das also als gleichgewichtig bezeichet werden kann. Es ist daher die effektive Nachfrage, die die Höhe von Produktion und Beschäftigung zu einem gegebenen Zeitpunkt und bei einem gegebenen Kapitalbestand determiniert. Der neoklassische Zusammenhang von Sparen und Investitionen, bzw. zwischen Einkommen und Ausgaben, muß daher umgekehrt werden. Es sind nach Keynes die Investitionen, die ein entsprechendes Sparen generieren, es sind die Ausgaben, die ein entsprechendes Einkommen schaffen. Im folgenden wird die Struktur des Keynesschen Modells in der General Theory skizziert und es wird insbesondere auf die Bestimmung der Investitionsnachfrage sowie auf die zinstheoretischen Ansätze eingegangen.
a) Die Struktur des Keynesschen Modells in der General Theory Im 18. Kapitel der General Theory faßt Keynes seine bis dahin präsentierten Ausführungen modellhaft zusammen und unterscheidet systematisch zwischen gegebenen Parametern, unabhängigen Variablen und abhängigen Variablen des Modells (vgl. CW VII, S. 245 ff.). Als gegebene Parameter bezeichnet er die zur Verfügung stehende Menge der Arbeit und deren Qualifikation, die existierende Quantität und Qualität der Kapitalgüter , die existierende Technik, die Intensität des Wettbewerbs, den Geschmack und die Gewohnheiten der Konsumenten, die Unannehmlichkeit, die mit den unterschiedlichen Typen der Arbeit verbunden ist, und die gesellschaftlichen Bedingungen und Kräfte, die die Verteilung des Einkommens bestimmen, d.h. insbesondere die institutionellen Strukturen. Als unabhängige Variablen gelten Keynes die Grenzneigung zum Konsum, die Tabelle der Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals und der Zinssatz. Dabei hängt die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals wiederum von gegebenen Parametern, den Produktionsbedingungen, und erwarteten Größen, den erwarteten Erträgen,
80
B. Die Grundlagen der monetären Analyse bei Marx und Keynes
ab. Der Zinssatz wird von der Liquiditätspräferenz und der effektiven Geldmenge bestimmt. Als "ultimative unabhängige Variablen" werden von Keynes daher auch bezeichnet: die drei fundamentalen psychologischen Faktoren, d.h. der Hang zum Konsum, die Liquiditätspräferenz und die erwarteten Erträge, sowie zusätzlich die Lohneinheit, die durch Lohnverhandlungen bestimmt wird, und die Geldmenge, die durch die Zentralbank determiniert wird. Durch die unabhängigen Variablen werden letztlich die abhängigen Variablen des Systems, d.h. die Investitionsnachfrage und die Größenordnung des Multiplikators sowie hierüber letztlich die Beschäftigungsmenge und die Höhe des Einkommens, bestimmt. Indem über die Konsumneigung sowie die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals und den Zinssatz in dem Keynesschen Modell die beiden Nachfrageaggregate Konsum und Investitionen determiniert sind, ist das Niveau der effektiven Nachfrage und zugleich das gleichgewichtige Produktionsniveau festgelegt. Das Modell kann daher in bekannter Manier beschrieben werden: (B.I3)
Y = C (Y)
+ I (i, GLK),
wobei Y für das Produktionsniveau, C für die Konsumnachfrage, I für die Investitionsnachfrage, i für den Zinssatz und GLK für die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals steht. Unterstellt man eine Konsumquote (c): (B.I4)
C = cY, mit c
oLs/og > o.
Übersteigt die Arbeitsnachfrage das Arbeitsangebot, so beginnt der Reallohnsatz zu steigen, unterschreitet das Arbeitsangebot die Arbeitsnachfrage, so hat der Reallohnsatz eine sinkende Tendenz. Eine Konstanz des Reallohnsatzes herrscht bei der Akkumulationsrate, für die Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage übereinstimmen. Der Reallohnsatz wird damit zu einer Funktion des Überschußangebotes auf dem Arbeitsmarkt (LS_Ld), das selbst von der Akkumulationsrate abhängt: (C.60)
Bei einem Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt ist durch den Reallohnsatz über Gleichung (C.46) die maximal mögliche Profitrate (rmaX) vorgegeben. Das Grundmodell ist nun allerdings überbestimmt. Ein Akkumulationsgleichgewicht, das mit dem gegebenen Kräfteverhältnis zwischen Kapital und
168
C. Effektive Nachfrage, Verteilung und Kapitalakkumulation
Arbeit, d.h. mit dem konventionellen Reallohnsatz und der dazugehörigen Profitrate, kompatibel ist, kommt nur zufallig zustande. Abbildung C.7 zeigt in (gmax, rmax, wk) die mit dem Kräfteverhältnis auf dem Arbeitsmarkt kompatible Konstellation von Reallohnsatz, Profitrate und Akkumulationsrate. Es lassen sich auf dieser Grundlage nun vier Akkumulationskonstellationen in Abhängigkeit von der Lage der Akkumulationsfunktion unterscheiden (vgl. Harris 1978, S. 271 ff.).
Q'=s"r
w'
Abbildung C. 7: ModifIzierte Marxsche Akkumulationskonstellationen Für die Akkumulationsfunktion gl existiert nur ein instabiles Gleichgewicht, d.h. es gilt (dg/dr) > (du/dr). Rechts von diesem Gleichgewicht induziert eine durch eine bestimmte Akkumulationsrate realisierte Profitrate stets eine Steigerung der Akkumulationsrate. Der Prozeß findet allerdings seine Grenze bei rmax , da eine höhere Profitrate nicht kompatibel ist mit dem konventionellen Reallohnsatz, also nicht gegen den Widerstand der Arbeiter und Arbeiterinnen durchgesetzt werden kann. Steigt nämlich die Akkumula-
I. Die Marxsche Perspektive
169
tionsrate über gmax, so kommt es auch auf dem Arbeitsmarkt zu einer Übernachfrage, die es den Arbeitern und Arbeiterinnen erlaubt, die Lohnsätze zu steigern. Da also die Kräfteverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt keine Senkung des Wertes der Ware Arbeitskraft zulassen, sondern vielmehr eine Steigerung des Reallohnsatzes implizieren, mündet eine solche Konstellation in eine Inflationsspirale, die entweder durch eine Erhöhung der Sparquote der Kapitalisten oder durch eine Senkung ihrer Akkumulationsneigung, d.h. durch eine Linksverschiebung der Akkumulationsfunktion, behoben werden kann. Alternativ hierzu kann auch eine Erhöhung des Arbeitsangebotes, die sich in einer Verschiebung der Arbeitsangebotsfunktion äußert und eine Senkung des konventionellen Reallohnsatzes hervorruft, das Inflationspotential reduzieren. In der durch die Akkumulationsfunktion g3 hervorgerufenen Konstellation existiert ein stabiles Akkumulationsgleichgewicht, allerdings ist die realisierte Profitrate geringer als die durch die Kräfteverhältnisse zwischen Kapital und Arbeit mögliche Profitrate. Die Kapitalisten konsumieren und akkumulieren zu wenig, um die mit dem Arbeitsmarkt kompatible Profitrate zu realisieren. Die Folge sind Deflation und/oder die Unterauslastung der Produktionskapazitäten. Erfolgte die Anpassung über eine Preisdeflation bei Konstanz der Nominallöhne, so würde über die Aufwertung der realen Arbeitseinkommen und dem folgenden Anstieg der Konsumnachfrage auch ein Vollauslastungsgleichgewicht zustande kommen, allerdings würde dies nicht zu einer Erhöhung der Profitrate führen. 31 Eine Erhöhung des Reallohnsatzes ist aber auf Grund der Arbeitsmarktkonstellation hier gar nicht möglich, da bei einer unter gmax liegenden Akkumulationsrate der Reallohnsatz auf Grund des Angebotüberhangs auf dem Arbeitsmarkt vielmehr eine fallende Tendenz hat. Hierdurch wird zwar die maximal mögliche Profitrate erhöht, die realisierte Profitrate bleibt jedoch unbeeinflußt. Der Grad der Kapazitätsauslastung nimmt jedoch ab, so daß diese Konstellation in einen kumulativen Abwärtsprozeß münden kann. Die realisierte Profitrate kann in dieser Konstellation nur auf das mit den Kräfteverhältnissen auf dem Arbeitsmarkt verträgliche Niveau gehoben werden, indem die Sparquote aus Profiten reduziert wird. Für die Akkumulationsfunktion g4 existiert kein Gleichgewicht. Die durch eine gegebene Profitrate veranlaßte Akkumulationsrate reicht an keiner Stelle aus, um diese Profitrate zu realisieren. Das System fällt auf einen stationären 31 An dieser Stelle wird deutlich, daß zwecks genauerer Analyse die Variabilität des Auslastungsgrades der Produktionskapazitäten explizit in die Analyse einbezogen und insbesondere der Einfluß des Auslastungsgrades auf die Akkumulationsentscheidungen berücksichtigt werden muß.
170
C. Effektive Nachfrage, Verteilung und Kapitalakkumulation
Zustand mit einer Akkumulationsrate von Null zurück. Begleitet wird diese Stagnation durch einen Fall der Reallöhne auf Grund des Überangebotes auf dem Arbeitsmarkt. Hierdurch erhöht sich zwar die maximal mögliche Profitrate, sie kann jedoch auf Grund der mangelnden Nachfrage der Kapitalisten nicht realisiert werden. Nur für die Akkumulationsfunktion g2 ist die durch die Akkumulationsrate im Gleichgewicht realisierte Profitrate gleich der durch die Arbeitsmarktverhältnisse maximal ennöglichten Profitrate. Hier ist weder eine Revision des Auslastungsgrades notwendig, noch erfolgt eine Veränderung des Reallohnsatzes durch akkumulationsbedingte Angebot-Nachfrage-Abweichungen auf dem Arbeitsmarkt. Die an Harris (1978) angelehnten Resultate zeigen, daß bei systematischer Unterscheidung von Sparen und Investitionen in einem Marxschen Modell, wie Marx selbst es durch die Ablehnung des Sayschen Gesetzes und durch die explizite Betrachtung der Realisationsbedingungen in den Reproduktionsschemata implizierte, auch hier die realisierte Profitrate durch die Sparquote und die Akkumulationsentscheidungen der Kapitalisten bestimmt wird und nicht einfach aus den Produktions- und Verteilungsbedingungen abgeleitet werden kann. Es gibt keine Garantie, daß "produzierte" Profite durch die Akkumulations- und Konsumtionsentscheidungen auch realisiert werden können. 32 Weichen die Akkumulations- und Konsumtionsausgaben von den für das Gleichgewicht erforderlichen Ausgaben ab, so mündet dies bei einer zu hohen Akkumulationsneigung in einen Inflationsprozeß, der durch die Arbeitsmarktkonstellation noch verschärft wird. Hier sind Eingriffe in den Akkumulationsprozeß erforderlich, die entweder die Akkumulations- und Konsumtionsneigung der Kapitalisten reduzieren oder das Arbeitsangebot erhöhen und damit das Inflationspotential abbauen. Fällt die Akkumulationsneigung der Kapitalisten zu gering aus, um die mit dem Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt kompatible Profitrate zu realisieren, so resultiert hieraus die Unterauslastung der Produktionskapazitäten, die zusätzlich durch einen Deflationsprozeß begleitet sein kann, der jedoch nicht zu einer Erhöhung des Reallohnsatzes führt. Die Arbeitsmarktkonstellation verschärft durch einen fallenden Reallohnsatz vielmehr das Auslastungsproblem. An dieser Stelle wäre es nun allerdings notwendig, den Grad der Kapazitätsauslastung explizit
32 Zu einem ähnlichen Resultat kommen auch BhaduriIRobinson (1980, S. 110) in ihrer Analyse des Zusammenhangs von Ausbeutung und Akkumulation in der Tradition von Marx, Sraffa und Kalecki.
ll. Die Keynessche und die post-keynesianische Perspektive
171
in die Betrachtung zu integrieren und insbesondere seine Auswirkungen auf die Akkumulationsentscheidungen zu untersuchen. Hierauf wird in Kapitel C.III. zurückzukommen sein. Vorher soll jedoch dieses modifizierte Marxsche Akkumulationsmodell mit post-keynesianischen Ansätzen verglichen werden.
11. Effektive Nachfrage, Verteilung und Akkumulation aus Keynesscher und post-keynesianischer Perspektive 1. Effektive Nachfrage und Akkumulation bei Keynes
Nach den Darlegungen in Kapitel B.II. dieser Arbeit besteht der Kern der Keynesschen Theorie der effektiven Nachfrage darin, daß· die Investitionsnachfrage unabhängig vom Sparen ist und sich jede Investition über den Multiplikator ein dazugehöriges Sparen verschafft. Im Rahmen der von Keynes präsentierten Theorie der effektiven Nachfrage war jedoch keine theoretisch einwandfreie Bestimmung eines eindeutigen und gleichgewichtigen Investitionsniveaus durch den Vergleich von Geldzinssatz und Grenzleistungsfahigkeit des Kapitals möglich. Zum Zwecke der kurzfristigen Betrachtung und zur Formulierung einer Theorie der effektiven Nachfrage blieb damit nur, die Investitionen als kurzfri~tig exogene Größe zu betrachten, d.h. der kurzfristigen Analyse von Produktion und Beschäftigung die nachgefragte Investitionsgütermenge vorzugeben. Diese Vorgehensweise, die aus der neo-ricardianischen Kritik an der Keynesschen Investitionstheorie resultiert, ist insofern unbefriedigend, als daß die Investitionshöhe theoretisch unerklärt bleibt. Nun sind Investitionen nicht nur das wichtigste Teilaggregat der Gesamtnachfrage, sondern führen auch zum Aufbau zusätzlicher Produktionskapazitäten. Aus Keynesscher Perspektive ist daher davon auszugehen, daß auch der Kapazitätsaufbau durch das Prinzip der effektiven Nachfrage bestimmt ist, daß also der Aufbau der Produktionskapazitäten sich den abzusetzenden Produktionsmengen anpaßt und nicht umgekehrt, wie die Vollauslastungs-Vollbeschäftigungs-Wachstumsmodelle der Neoklassik suggerieren. 33 Keynes intendierte in der General Theory eine Theorie, die in der Lage ist, auch ein langfristiges Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung zu demonstrieren. Dies kann nach Lage der Dinge nur in einem langfristigen, akkumulationstheoretischen Kontext erfolgen. Die Analyse in der General Theory ist
33 Zu dieser Unterscheidung vgl. Kurz (1995).
172
C. Effektive Nachfrage, Verteilung und Kapitalakkumulation
allerdings in dem Sinne kurzfristig, als daß die Existenz eines gegebenen Kapitalstocks als Parameter angenommen wird. Keynes bezieht so die Effekte des Kapazitätsaufbaus durch Investitionen nicht explizit in das Modell mit ein, gleichwohl er nicht davon ausgeht, daß seine als Parameter gewählten Größen konstant sein müssen. Wenn nun aus Keynesscher Perspektive davon auszugehen ist, daß auch der Kapazitätsaufbau durch das Prinzip der effektiven Nachfrage bestimmt ist, so bedeutet dies, daß auch in der langen Frist die Ausgaben der Unternehmen unabhängig vorn Sparen sind. 34 Die Investitionen verschaffen sich auch langfristig durch Mengen- und/oder Preis- und Verteilungseffekte die entsprechende Ersparnis. Ein Mangel an effektiver Nachfrage äußert sich unter diesen Voraussetzungen zum einen durch die Unterauslastung bestehender Produktionskapazitäten und zum anderen durch einen unzureichenden Aufbau zusätzlicher Produktionskapazitäten. Die von Harrod, Kaldor und J. Robinson vorgelegten Ansätze der Ausdehnung der Keynesschen Überlegungen in die lange Frist folgen diesen zentralen Keynesschen Prinzipien. Diese Ansätze sollen deshalb im folgenden skizziert und im Rahmen des oben entwickelten Grundmodells untersucht werden.
2. Effektive Nachfrage, Verteilung und Akkumulation in der post-keynesianischen Theorie
a) Harrods Formulierung einer dynamischen Theorie In den von Harrod (1939) präsentierten Überlegungen geht es um die explizite Berücksichtigung des Kapazitätseffektes von Investitionen. Harrods Interesse gilt dabei eigentlich dem Konjunkturphänomen und der Formulierung einer dynamischen Wirtschaftstheorie. 35 So leitet er seinen Essay in Dynamic Theory mit folgenden Worten ein:
34 Vgl. hierzu Kalmbach (1972, S. 154). 35 Auch Domar (1946), auf dessen Ansatz hier nicht eingegangen werden soll, versucht durch Berücksichtigung des Kapazitätseffektes von Investitionen eine gleichgewichtige Wachstumsrate des Einkommens zu ermitteln, die eine konstante Auslastung der Produktionskapazitäten garantiert. Sowohl in Domars als auch in Harrods Ansatz findet dabei keine explizite Bestimmung der Determinanten des Wachstums statt, die es erlauben würden, diese Theorien als Wachstumstheorien zu klassifIZieren (vgl. Kalmbach 1972, S. 12 ff.). Das heute durch die Lehrbücher geisternde, sogenannte
ll. Die Keynessche und die post-keynesianische Perspektive
173
"The folJowing pages constitute a tentative and preliminary attempt to give the outline of a 'dynamic' theory." (Harrod 1939, S. 14)
Harrod untersucht nun die Bedingungen, die für ein dynamisches Gütermarktgleichgewicht gelten müssen. Zu diesem Zweck wird eine proportionale Sparfunktion angenommen, in der das gesamtwirtschaftliche Sparen (S) von der durchschnittlichen Sparquote (s), die als konstant unterstellt wird, und von der Höhe des Einkommens (Y) abhängt. Es werden also weder Lohn- und Profiteinkommen noch einkommensspezifische Sparfunktionen unterschieden: (C.61)
S
= sY.
Dividiert man (C.61) durch den preisbewerteten Kapitalstock (pK), so erhält man für die gesamtwirtschaftliche Sparrate (u): (C.62)
u = S / (pK) = (S/Y) / (pKlY) = s/v.
Die gesamtwirtschaftliche Sparrate wird so durch die Höhe der als konstant unterstellten Sparquote (s) und durch den tatsächlichen Kapitalkoeffizienten (v), der ebenfalls als invariant angenommen wird, bestimmt. Harrod unterscheidet den tatsächlichen Kapitalkoeffizienten also nicht in eine technische und eine Auslastungskomponente, sondern unterstellt offensichtlich einen normalen Auslastungsgrad. 36 Die gesamtwirtschaftliche Sparrate wird so selbst zu einer invarianten Größe. Zwecks Herstellung eines dynamischen Gütermarktgleichgewichtes muß nun die Akkumulationsrate der gesamtwirtschaftlichen Sparrate entsprechen: (C.63)
gW
= (dpK) / (pK) = s/v.
"post-keynesianische Harrod-Domar-ModelJ" wird deshalb ihren Namensgebern nicht gerecht und solJte vielleicht besser als Solow-Modell mit limitationaler Produktionsfunktion bezeichnet werden. 36 Harrods Kapitalkoeffizient läßt sich wie folgt in eine technische und eine Auslastungskomponente zerlegen: (KIY)=(KIYV)/(Y/YV)=v/u. Nur für den FalJ, daß der Auslastungsgrad dem Normalauslastungsgrad entspricht und damit gleich eins wird, spiegelt Harrods Kapitalkoeffizient ausschließlich die technischen Produktionsbedingungen wider.
174
C. Effektive Nachfrage, Verteilung und Kapitalakkumulation
Die Akkumulationsrate, bei der auch in dynamischer Betrachtung eine Räumung des Gütermarktes bei normaler bzw. voller Auslastung der Produktionskapazitäten und konstanter Einkommensverteilung erfolgt, nennt Harrod die befriedigende Rate (gW). Sie wird durch die Größen Sparquote und Kapitalkoeffizient, die auf Grund der impliziten Annahmen einer Voll- bzw. Normalauslastung des Kapitalstocks und einer Konstanz der Einkommensverteilung exogen vorgegeben sind, eindeutig bestimmt. Da Harrod von einem konstanten Kapitalkoeffizienten ausgeht, ist zudem die befriedigende Wachstumsrate für das Sozialprodukt und für den Kapitalstock identisch. 37 Gleichung (C.63) gibt also auch die befriedigende Wachstumsrate des Sozialproduktes an. Nur wenn die von den Unternehmen tatsächlich gewählte Akkumulationsrate der befriedigenden Rate entspricht, gibt es keine Veranlassung, das Investitionsverhalten zu ändern, da der Gütermarkt bei Normalauslastung der Produktionskapazitäten geräumt wird. "The line of output traced by the warranted rate of growth is a moving equilibrium, in the sense that it represents the one level of output at wh ich producers will feel in the upshot that they have done the right thing, and which will induce them to continue in the same line of advance." (Harrod 1939, S. 22)
Nun ist aber keineswegs garantiert, daß die Unternehmen genau soviel investieren, daß die Bedingungen der befriedigenden Wachstumsrate erfüllt sind. Die tatsächliche Akkumulationsrate wird durch die vom Sparen unabhängige Investitionstätigkeit der Unternehmen bestimmt. Befriedigende und tatsächliche Wachstumsrate können so jederzeit voneinander abweichen. Hierdurch ergeben sich nach Harrod nun kumulative Instabilitäten. Die von Harrod formulierte Investitionsfunktion greift hierbei auf das AkzeleratorPrinzip zurück, d.h. die Investitionen (I) erfolgen als Reaktion auf eine Veränderung des tatsächlichen Einkommens (dY), wobei der als konstant unterstellte Kapitalkoeffizient (v) als Akzelerator interpretiert wird: (C.64)
I = v dY.
Durch Division mit pK erhält man für die tatsächliche Akkumulationsrate (g):
37 Für die Konstanz von v=KfY muß nämlich gelten: dKlK=dYIY.
11. Die Keynessche und die post-keynesianische Perspektive
(C.65)
175
g = 1/ (pK) =. v (dY) / (PK).
Übersteigt die tatsächliche Akkumulationsrate nun die befriedigende Akkumulationsrate, so ist die Wachstumsrate des Volkseinkommens ebenfalls größer als die befriedigende Wachstumsrate, wodurch über das AkzeleratorPrinzip in Gleichung (C.64) und Gleichung (C.65) die Akkumulationsrate weiter beschleunigt wird. Umgekehrt, liegt die tatsächliche Akkumulationsrate unter der befriedigenden, so gilt gleiches für die Wachstumsrate des Sozialproduktes, wodurch eine weitere Reduktion der Akkumulationsrate induziert wird. Wachsen also Investitionen und Volkseinkommen stärker als die Investoren angenommen haben, so entsteht Übernachfrage auf den Gütermärkten. Die Unternehmen beschleunigen den Kapazitätsautbau durch Investitionen weiter, wodurch Volkseinkommen und effektive Nachfrage schneller wachsen und so höhere Investitionen induzieren und die Übernachfrage verschärfen. Hierdurch wird ein sich verschärfender Inflationsdruck auf die Ökonomie ausgeübt. Umgekehrt, ist die Nachfrage auf den Gütermärkten geringer als erwartet, so schränken die Unternehmen die Investitionen weiter ein, wodurch sich die Nachfragelücke weiter verschärft und die Veranlassung zu Investitionen dämpft. Dadurch entsteht ein sich verstärkender Deflationsdruck. Als Ergebnis erhält Harrod deshalb einen Wachstumsprozeß "auf des Messers Schneide n, bei dem kleinste Abweichungen vom Gleichgewichtspfad für kumulative Instabilitäten sorgen. Zwischen Harrods befriedigender Wachstumsrate und der durch die Wachstumsrate der Arbeiterbevölkerung und des technischen Fortschritts bestimmten natürlichen Wachstumsrate38 existiert kein systematischer Zusammenhang. Die gleichgewichtige Wachstumsrate kann mithin jederzeit von der natürlichen Wachstumsrate abweichen, ohne daß endogen ein Anpassungsprozeß ausgelöst wird. 39 Liegt die befriedigende Wachstumsrate z.B. 38 "This is the maximum rate of growth allowed by the increase of population, accumulation of capital, technological improvement and the work leisure preference schedule, supposing that there is always full employment in some sense." (Harrod 1939, S. 30) 39 Hier setzt bekanntlich die neoklassische Wachstumstheorie an, die über die Variabilität des KapitalkoeffIZienten durch Unterstellung einer substitutionalen Produktionsfunktion und die Flexibilität der Faktorpreisrelationen eine Anpassung an die natürliche Wachstumsrate unterstellt (vgl. Solow 1956). Hiermit wird das HarrodProblem als gelöst betrachtet, wobei allerdings übersehen wird, daß sich Harrods Fragestellung primär auf den Zusammenhang zwischen tatsächlicher und befriedigen-
176
C. Effektive Nachfrage, Verteilung und Kapitalakkumulation
oberhalb der natürlichen, so kann sie nicht erreicht werden. Das System wird folglich durch eine chronische Depression gekennzeichnet sein. Liegt die befriedigende Wachstumsrate unter der natürlichen, so findet gleichgewichtiges Wachstum bei Unterbeschäftigung statt. Versucht man nun, das Harrod-Ergebnis vor dem Hintergrund des in Kapitel C.I. entwickelten Grundmodells zu interpretieren, das in den Gleichungen (C.46), (C.52) und (C.53) nochmals dargestellt ist,
(C.46)
r = (1 - wra) u/v,
(C.52)
r = g/s1l"
(C.53)
(1
= s'l[' (1 - wra) u/v,
so lassen sich folgende Ergebnisse festhalten. Harrods befriedigende Wachstumsrate in Gleichung (C.63) kann unter der Annahme, daß Auslastungsgrad und Einkommensverteilung unverändert bleiben, auf Gleichung (C.53) zurückgeführt werden. Unter der Voraussetzung, daß die Einkommensverteilung gegeben40 und der Auslastungsgrad dem Normalauslastungsgrad entspricht, reduziert sich nämlich auch (C.53) zu einem Quotienten aus gesamtwirtschaftlicher Sparquote und tatsächlichem Kapitalkoeffizienten. 41 Unter diesen Annahmen wird die gesamtwirtschaftliche Sparrate selbst zu einer invarianten Größe, die sich nicht endogen - über eine Variation des Auslastungsgrades oder des Reallohnsatzes - an die Akkumulationsrate anpassen kann. Außer für den Spezialfall, in dem die tatsächliche Akkumulationsrate zufällig der gleichgewichtigen Akkumulationsrate entspricht, kommt daher kein dynamisches Gütermarktgleichgewicht zustande, sondern es werden bei Abweichung der tatsächlichen von der gleichgewich-
der Wachstumsrate bezieht und nicht auf den zwischen befriedigender und natürlicher Wachstumsrate (vgl. Kalmbach 1972, S.21 ff.) 40 Es könnte auch unterstellt werden, daß die Sparquoten aus Profiten und aus Löhnen identisch sind. Dieses wurde allerdings in dieser Arbeit durch die Annahme einer klassischen Sparfunktion ausgeschlossen. 41 Dieses kann anband einer Umformung der Terme der Gleichung (C.53) wie folgt verdeutlicht werden: s1l'(l-wra)=(S~1I')(l-wIJ...N~=(S~1I')(1I'/Y~=SNr=s für Sw=O; u/v=(Yr/yv)/(KIyV)=lIv für u=l.
ll. Die Keynessche und die post-keynesianische Perspektive
177
tigen Akkumulationsrate die von Harrod skizzierten kumulativen Instabilitäten ausgelöst. Indem also in dem Harrod-Modell die Invarianz von Reallohn und gewünschtem Auslastungsgrad unterstellt und eine einfache Akkumulationsfunktion angenommen wird, in der die Akkumulationsrate unmittelbar auf eine Veränderung der tatsächlichen Wachstumsrate des Sozialproduktes reagiert, ist das zwei Freiheitsgrade aufweisende Modell in (C.46) und (C.52) nun plötzlich überbestimmt, so daß ein gleichgewichtiger Akkumulationspfad nur erreicht wird, wenn sich Akkumulationsrate, Auslastungsgrad und Reallohn zufällig in der durch (C.53) gegebenen Gleichgewichtskonstellation befmden, die Harrods befriedigender Wachstumsrate entspricht. Eine Anpassung der befriedigenden Akkumulationsrate an die tatsächliche Rate, und damit eine Anpassung des Sparens an die Investitionen, wäre nur möglich, wenn zumindest eine Annahme Harrods im Hinblick auf die Einkommensverteilung oder den Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten aufgegeben würde. 42 Eine Veränderung der Einkommensverteilung würde bei einer Differenzierung von einkommensspezifischen Sparquoten die gesamtwirtschaftliche Sparquote selbst zu einer Variablen machen. Die Variation des Auslastungsgrades würde unmittelbar den tatsächlichen Kapitalkoeffizienten beeinflussen. 43 Harrod diskutiert beide Möglichkeiten, hält sie allerdings in seinem Essay nicht für hinreichend, um die Instabilitätstendenzen aufzuheben (vgl. Harrod 1939, S. 25 f.). Allerdings gesteht er zu, daß die Instabilitätstendenzen durch mögliche Variationen der Einkommensverteilung und damit der Sparquote sowie des Auslastungsgrades und damit des Kapitalkoeffizienten begrenzbar sind. 44
42 Shaikh (1992) zeigt z.B. in einem dynamischen Modell, daß durch die Variabilität der Einkommensverteilung ein stabiler endogen generierter Akkumulationspfad möglich ist. 43 Die von Solow (1956) vorgeschlagene Variabilität des Kapitalkoefflzienten durch die Unterstellung einer substitutionalen Produktionsfunktion soll hier genausowenig diskutiert werden wie die Abhängigkeit des Kapitalkoefftzienten von der Einkommensverteilung in einem Mehr-Sektoren-Modell (vgl. Harris 1978, S. 181). 44 Vgl. hierzu auch Harrod (1959, S. 460 ff.). Das so angedeutete Konzept des sich verschiebenden Gleichgewichts weist starke Ähnlichkeiten mit dem oben aus den Keynesschen Ansichten deduzierten auf. Der langfristige Gleichgewichtspfad wird durch die kurzfristigen Abweichungen selbst hervorgebracht und ist diesen nicht systematisch vorgelagert. Wie Krüger, M. (1988, S. 124 f.) betont hat, gehen die Unklarheiten in Harrods Essay auf die Einflüsse von Keynes in der Entstehungsphase zurück. So ist es Keynes zufolge nicht sinnvoll, von einer eindeutig bestimmten befriedigenden Wachstumsrate auszugehen, da zu jedem Output- und Beschäftigungs12 Hein
178
C. Effektive Nachfrage, Verteilung und Kapitalakkumulation
b) Kaldors post-keynesianisches Vollbeschäftigungs-Modell Stand bei Harrod die Instabilitätstendenz kapitalistischer Dynamik im Mittelpunkt der Analyse, so geht Kaldor von einer Tendenz zum gleichgewichtigen Wachstum aus und stellt daher die Analyse von entsprechenden Stabilisierungsmechanismen ins Zentrum. 45 Kaldors Anspruch ist es, ein Modell zu präsentieren, das in der Lage ist, die stilisierten Fakten kapitalistischer Ökonomien zu erklären. Und eines dieser zu erklärenden charakteristischen Merkmale ist für ihn offenbar ein relativ stabiles Wachstum bei Vollbeschäftigung, zumindest für entwickelte kapitalistische Ökonomien. "Our model thus relates to a capitalist economy which is sufficiently highly developed for wages to be above subsistence level and sufficiently competitive at the same time to generate adequate demand to secure full employment." (Kaldor 1957, S. 609)
Darüber hinaus beschränkt sich laut Kaldor auch die theoretische Relevanz eines keynesianischen Unterbeschäftigungsgleichgewichts auf die kurze Periode und sei daher für die Wachstumstheorie unbrauchbar (vgl. Kaldor 1957, S. 594). Das keynesianische Element des Kaldor-Modells besteht also lediglich in der Sichtweise des Investition-Sparen-Zusammenhangs und nicht mehr in der Vorstellung von dauerhafter Unterbeschäftigung. Wie erfolgt aber die Anpassung des Sparens an die Investitionen bei Vollbeschäftigung?46 Kaldor differenziert zum Zweck der Erklärung dieses Anpassungsprozesses zwischen einer Sparquote aus Lohneinkommen (sw) und einer aus Profiteinkommen (S1/"), die jeweils als konstant unterstellt werden. 47
niveau eine andere befriedigende Wachstumsrate gehöre. Auch meldete Keynes Bedenken gegen die absolute Gültigkeit des Instabilitätsprinzips an, ohne Harrod hier ganz zu überzeugen. Diese auf den Zusammenhang von Zyklus und Trend hinauslaufendenden Überlegungen sollen hier jedoch nicht weiter verfolgt werden. 45 Einen Überblick über den Kaldor-Ansatz geben Kalmbach (1972) und Kromphardt (1977). 46 Vgl. zum folgenden auch Kaldor (1955/56) und Pasinetti (1974, S. 103 ff.). 47 Hierbei muß deutlich zwischen einem Sparen aus Lohneinkommen und einem Sparen der Arbeiterhaushalte unterschieden werden. Ist nämlich die Sparquote aus Lohneinkommen positiv, so bilden die Arbeiterhaushalte hierdurch Vermögen und beziehen einen Teil der Gewinneinkommen. Das Einkommen der Arbeiterhaushalte ist damit - bis auf den Grenzfall einer Sparquote aus Lohneinkommen gleich Null nicht mehr identisch mit den Lohneinkommen, die Sparquote der Arbeiterhaushalte
11. Die Keynessche und die post-keynesianische Perspektive
179
Das gesamtwirtschaftliche Sparen (S) und die gesamtwirtschaftliche Sparquote (s) ergeben sich folglich als:
(C.66) (C.67)
S = swW s
+ S'll'1I",
= S/Y = Sw (WIY) + S'll' (1I"/Y).
Die gesamtwirtschaftliche Sparquote hängt damit von den gegebenen funktionalen Sparquoten und der funktionalen Einkommensverteilung ab. Durch Veränderung der funktionalen Einkommensverteilung ist nun eine Anpassung des Sparens an die exogenen Investitionen möglich, wobei als Stabilitätsbedingung gelten muß Sw < S'll':
(C.68) (C.69)
I I/Y
= S = swW + S'll'1I",
= S/Y = Sw (W/Y) + S'll' (7rIY).
Mit ihren Ausgaben bestimmen die Unternehmen die funktionale Einkommensverteilung und damit die Höhe ihrer Profite, wie auch Abbildung C. 8 zeigt:
(C.70)
(1I"/Y) = [(I/Y) - Sw (W/Y)] / S'll"
Es gilt daher: Je höher die Investitionsquote, desto höher die gleichgewichtige Profitquote bei gegebenen Sparquoten. Je höher die Sparquote aus Profiten, desto geringer die notwendige Profitquote bei gegebener Investitionsquote. 48
nicht mehr identisch mit der Sparquote aus Lohneinkommen (vgl. Kalmbach 1972, S. 155 ff.). 48 Auf diesen Zusammenhang hatte bereits Keynes mit seiner Witwenkrug-Metapher in der Treatise hingewiesen (vgl. CW V, S. 125). 12"
180
C. Effektive Nachfrage, Verteilung und Kapitalakkumulation
s
s"
(TC / Y ) Abbildung C.8: Investitionsquote, Sparquoten und Profitquote bei Kaldor
Die Anpassung an die gleichgewichtige Profitquote bei exogen gegebener Investitionsquote erfolgt über eine flexible Variation des Preisniveaus auf den Gütennärkten bei gleichzeitiger Trägheit der Nominallohnsatz-Veränderung. Ist die tatsächliche Profitquote kleiner als die gleichgewichtige, so existiert ein Nachfrageüberhang auf den Gütennärkten. Ein Nachfrageüberhang führt bei ausgelasteten Kapazitäten zu steigenden Preisen. Bei konstanten Nominallöhnen kommt es zu einer sinkenden Lohnquote und einer steigenden Profitquote. Ist die tatsächliche Profitquote größer als die gleichgewichtige, so besteht eine Nachfragelücke auf den Gütennärkten. Preisverfall bei konstanten Nominallöhnen, Anstieg der Lohnquote und Fall der Profitquote auf ihr Gleichgewichtsniveau sind die Konsequenzen (vgl. Kaldor 1957, S.606). Es ist nun jedoch nicht jede Investitionsquote realisierbar. Fällt die Investitionsquote unter die Sparquote aus Lohneinkommen, so wird die Profitquote Null, steigt die Investitionsquote über die Sparquote aus Profiteinkommen, so wird die Lohnquote Null (vgl. Kalmbach 1972, S. 163). Der oben skizzierte Stabilisierungsmechanismus gilt also nur in den folgenden Grenzen: (C.71)
sw
< (I/Y)
> 0, O.
Die folgende Betrachtung soll auf die stabilen Gleichgewichte beschränkt werden. Auch in dem Bhaduri/Marglin-Modell gilt das Keynessche Sparparadoxon, d.h. eine Erhöhung der Sparneigung aus Profiten führt zu einem geringeren Auslastungsgrad, einer geringeren Akkumulationsrate und zu einer geringeren Profitrate im neuen Gleichgewicht, wenn Profitquote bzw. Reallohnsatz konstant gehalten werden. Das aus dem Rowthorn-Dutt-Amadeo-Modell bekannte Kostenparadoxon gilt allerdings nicht mehr allgemein, sondern nur noch unter bestimmten Parameter-Konstellationen. Die in Gleichung (C.92) dargestellten Gleichgewichte von Akkumulationsrate und Sparrate (g-u-Gleichgewichte) in Abhängigkeit von Profitquote und Auslastungsgrad weisen bei einem Fall der Profitquote, d.h. einem Anstieg des Reallohnsatzes, nur noch unter bestimmten Bedingungen einen Anstieg von Auslastungsgrad, Akkumulationsrate und Profitrate auf. Dies kann wie folgt gezeigt werden. Die Steigung der g-u-Kurve im h-u-Raum ist gegeben durch: 72 (C.94)
du/dh
= (T - S1ru/v) / (s ...h/v - ß).
Im Hinblick auf die Veränderung des Auslastungsgrades nach einer exogenen Variation des Reallohnsatzes bzw. der Profitquote können mit Bhaduri/Marglin nun grundsätzlich zwei Fälle unterschieden werden. Im ersten Fall, dem sogenannten Stagnationsregime, führt - analog zu den Resultaten des Rowthorn-Dutt-Amadeo-Modells - eine Erhöhung des Reallohnsatzes zu einem steigenden Auslastungsgrad im neuen Gleichgewicht, eine Senkung des Reallohnsatzes entsprechend zu einem sinkenden Auslastungsgrad. Im zweiten Fall, der von Bhaduri/Marglin als "exhilaration"Regime bezeichnet wird, zieht eine Steigerung des Reallohnsatzes und damit eine Senkung der Profitquote hingegen einen sinkenden Auslastungsgrad nach sich, eine Senkung des Reallohnsatzes entsprechend einen höheren Aus72 Für das g-u-Gleichgewicht gilt dg=O und du=O. Hieraus erhält man: dg=du, ßdu + Tdh = (sJI/v)du + (s1ru/v)dh, du/dh = (T-S1ru/v)/(s...h/v-ß).
211
ID. Über Marx und Keynes hinaus
lastungsgrad. Hier dominieren also die Angebotsbedingungen; die Konstellation soll deshalb im folgenden als Angebotsregime bezeichnet werden. Abbildung C.18 zeigt den Verlauf der Kurve der g-u-Gleichgewichte im h-u-Raum für die beiden Regimes.
h
Stagnationsregime
g-cr-Gleichgewichte
u
h Angebotsregime
g-cr-Gleichgewichte
u Abbildung C.18: Stagnationsregime und Angebotsregime im BhadurilMarglin-Modell
Wie Gleichung (C.94) zeigt, können Stagnations- und Angebotsregime anhand der Intensität der Reaktion der Akkumulationsentscheidungen und der Sparentscheidungen auf eine Veränderung der Profitquote voneinander abgegrenzt werden. Reagieren die Akkumulationsentscheidungen relativ schwach, 14'
212
C. Effektive Nachfrage, Verteilung und Kapitalakkumulation
d.h. ist die Elastizität der Investitionsentscheidungen bezüglich einer Profitquotenerhöhung (1') geringer als die der Sparentscheidungen (s1l'u/v), so wird der Zähler in (C.94) negativ. Da der Nenner in (C.94) auf Grund der Stabilitätsbedingung (s1l'h/v > ß) stets positiv ist, wird die Veränderung des Auslastungsgrades bezüglich einer Variation der Profitquote negativ. Es liegt unter diesen Bedingungen ein Stagnationsregime vor: (C.94a)
du/dh wenn l' - (S1l'u/v)
< 0,
< 0 und (s1l'h/v) - ß > O.
Im Stagnationsregime reichen die Wirkungen einer Reallohnsenkung, die die Akkumulation stimulierenden, nicht aus, um die Wirkungen des durch die Reallohnsenkung ausgelösten Konsumrückgangs im Hinblick auf die effektive Nachfrage und den Auslastungsgrad zu kompensieren. Eine Senkung des Reallohnsatzes hat auf Grund der Dominanz der nachfrageseitigen Faktoren so einen fallenden Auslastungsgrad zur Folge. Reagieren die Akkumulationsentscheidungen hingegen sehr elastisch auf eine Erhöhung der Profitquote, d.h. übersteigt die Elastizität der Akkumulationsentscheidungen im Hinblick auf eine Variation des Reallohnsatzes (1') die der Sparentscheidungen (S'l/'u/v), so wird der Zähler in (C.94) positiv. Bei einem durch die Stabilitätsbedingung positiven Nenner wird die Elastizität des Auslastungsgrades bezüglich einer Variation der Profitquote damit positiv. Bei Senkung des Reallohnsatzes steigt also der Auslastungsgrad und es liegt so ein Angebotsregime vor. Die Entwicklung der Produktionskosten dominiert das Akkumulationsverhalten und den Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten: (C.94b)
du/dh wenn l' - (S1l'u/v)
> 0,
> 0 und (s1l'h/v) - ß > O.
Ein Angebotsregime zeichnet sich also dadurch aus, daß die Investitionen sehr stark auf eine Lohnkostenreduktion reagieren und damit die negativen Effekte einer Lohnsenkung auf die Nachfrage und den Auslastungsgrad überkompensieren. Eine Steigerung des Reallohnsatzes hätte hier auf Grund der Dominanz der von der Kostenseite ausgehenden Einflüsse einen geringeren Auslastungsgrad zur Folge.
213
ill. Über Marx und Keynes hinaus
Als erstes Resultat des Bhaduri/Marglin-Modells erhält man also, daß je nach den Werten, die die Verhaltensparameter in der Spar- und Investitionsfunktion annehmen, eine Erhöhung des Auslastungsgrades auf verschiedenen Wegen möglich ist: im Stagnationsregime durch eine konsequente Erhöhung des Reallohnsatzes, unter den Bedingungen des Angebotsregimes durch eine konsequente Senkung des Reallohnsatzes. "( ... ) there are two routes to high capacity utilization: one follows the stagnationist logic of higher wage shares, while the other follows the exhilarationist of higher profit shares. ( ... ) Either a policy of a high wage share or one of a high profit share, pursued consistently and aggressively, will provide sufficient aggregate demand for high employment and high capacity utilization." (MarglinlBhaduri 1990, S. 169)
Eine allgemein gültige Aussage über die Wirkung einer Reallohnveränderung ist also in diesem Modell nicht möglich. In einer konkret historischen Analyse müßten damit zuerst die Verhaltensparameter von Akkumulationsund Sparfunktion geklärt werden, bevor die Auswirkungen einer Verteilungsänderung untersucht werden können.1 3 Bezieht man in einem nächsten Schritt die Auswirkungen einer Verteilungsänderung auf die gleichgewichtige Akkumulationsrate und die im Gleichgewicht realisierte Profitrate in die Analyse ein, so können die obigen Regimes weiter differenziert werden. Die Reaktion der Akkumulationsrate und der realisierten Profitrate auf eine Veränderung des Reallohnsatzes bzw. der Profitquote kann dabei wie folgt ermittelt werden: 74 (C.95) (C.96)
dg/dh = ß (du/dh) dr/dh = (dg/dh) /
S1l"
+ T,
= [ß (du/dh)
+ T]
/ s,...
73 MarglinlBhaduri (1990, S. 69 f.) halten es für plausibel, daß bei einem geringen Auslastungsgrad der Ökonomie eine Reallohnerhöhung den Auslastungsgrad erhöht, wohingegen bei einem bereits sehr hohen Auslastungsgrad die Kostenseite die Akkumulationsentscheidungen determiniert und eine Steigerung des Auslastungsgrades eine Senkung des Reallohnsatzes voraussetzt. 74 Da für die realisierte Profitrate im Gleichgewicht gilt r=g(u,h)/s,.., folgt daraus (dr/dh)s,..= (dg/dh).
214
C. Effektive Nachfrage, Verteilung und Kapitalakkumulation
Aus der Akkumulationsfunktion (C.91) sind ß und T stets positiv. Da im Angebotsregime auch (du/dh) positiv ist, folgt hieraus, daß eine Senkung des Reallohnsatzes in diesem Regime neben einer Steigerung des Auslastungsgrades auch immer eine höhere Akkumulationsrate und eine höhere Profitrate nach sich zieht. Eine höhere Akkumulationsrate des Systems und eine höhere Profitrate müssen in diesem Regime also gegen die Reallohninteressen der Arbeiter und Arbeiterinnen durchgesetzt werden. 75 Werden die Reallöhne hinreichend gesenkt, so ist ein Akkumulationsgleichgewicht bei Vollauslastung der Produktionskapazitäten erreichbar. Liegt ein Stagnationsregime vor, so ist (du/dh) in Gleichung (C.94) negativ, d.h. bei einer Reallohnsenkung sinkt der Auslastungsgrad. Die Wirkung einer Reallohnsenkung auf die Akkumulationsrate und auf die Profitrate hängt nun jedoch davon ab, welche Größen ß und T annehmen.
Ist bei einer Reallohnsenkung die hierdurch unmittelbar ausgelöste Akkumulationssteigerung größer als die mittelbar über den fallenden Auslastungsgrad verursachte Senkung der Akkumulationsbereitschaft, gilt also T> ß(du/dh), so erhält man trotz eines fallenden Auslastungsgrades eine höhere Akkumulationsrate und eine gestiegene Profitrate im neuen Gleichgewicht. Ein höherer Reallohnsatz sorgt umgekehrt zwar für einen höheren Auslastungsgrad, allerdings zu Lasten der Akkumulationsrate und der Profitrate. Auch in diesem Regime stehen eine Steigerung von Akkumulationrate und Profitrate im Widerspruch zu den Reallohninteressen der Arbeiter und Arbeiterinnen. Dieses Regime kann deshalb als antagonistisches Stagnationsregime oder als "profit-squeeze" -Regime bezeichnet werden. Ist bei einer Reallohnsenkung jedoch die hierdurch unmittelbar ausgelöste Akkumulationssteigerung geringer als die mittelbar über den fallenden Auslastungsgrad verursachte Senkung der Akkumulationsbereitschaft, gilt also T Wo, stellt sich nun die Frage, woher diese zusätzlichen Vorschüsse stammen können. Marx nennt hier drei Möglichkeiten: "Das zur Zirkulation dieser größern Warenmasse von größrem Wert erforderte zuschüssige Geld muß beschafft werden entweder durch erhöhte Ökonomisierung der zirkulierenden Geldmasse - sei es durch Ausgleichung der Zahlungen etc., sei es durch Mittel, welche den Umlauf derselben Geldstücke beschleunigen - oder durch Verwandlung von Geld aus der Schatzform in die zirkulierende Form. (... ) Soweit alle diese Mittel nicht hinreichen, muß zuschüssige Goldproduktion stattfinden, oder, was auf dasselbe herauskommt, ein Teil des zuschüssigen Produkts wird gegen Gold - das Produkt der Länder der Edelmetallproduktion - direkt oder indirekt ausgetauscht." (MEW 24, S. 346 f}
Das Geld, mit dem die zusätzlichen Vorschüsse der Kapitalisten finanziert werden, kann also entweder resultieren aus der Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit der bestehenden Geldmenge oder aus der Verwandlung von
1 Vgl.
auch MEW 24, S. 327.
222
D. Kredit, Zins, Finanzierung und Akkumulation
Horte in zirkulierendes Geld. Diese beiden Möglichkeiten sind zwar denkbar, können aber in einem ökonomischen Expansionsprozeß nur temporär begrenzt wirken, da weder eine unendliche Steigerung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes möglich ist noch die Existenz einer unbegrenzten Horte unterstellt werden kann. Es muß bei erweiterter Reproduktion also auch eine Erhöhung der Geldmenge stattfinden. Diese erfolgt laut Marx nun durch erhöhte Goldproduktion, da für ihn das Geld an die Ware Gold gebunden ist. 2 "Die zuschüssigen Waren, die sich in Geld zu verwandeln haben, finden die nötige Geldsumme vor, weil auf der andren Seite, nicht durch den Austausch, sondern durch die Produktion selbst zuschüssiges Gold (und Silber) in die Zirkulation geworfen wird, das sich in Waren zu verwandeln hat." (MEW 24, S. 345)
Kann also für den einzelnen Kapitalisten die zur Akkumulation notwendige Geldmenge aus aufgeschatztem Profit, der der Zirkulation der vergangenen Perioden entzogen wurde, stammen, so ist für die erweiterte Reproduktion der Gesamtökonomie Schöpfung von Geld notwendig, damit die Kapitalisten entsprechende Vorschüsse tätigen können und die wachsende Wert- und Mehrwertsumme realisiert werden kann (vgl. MEW 24, S. 487 ff.). "Das Geld auf der einen Seite ruft dann die erweiterte Reproduktion auf der andern ins Leben, weil deren Möglichkeit ohne das Geld da ist; denn Geld an sich selbst ist kein Element der wirklichen Reproduktion." (MEW 24, S. 486)
Die Marxsche Theorie der Akkumulation ist damit nicht unabhängig von einer Theorie der Finanzierung von Akkumulationsprozessen. Den Ausgaben der Kapitalisten, durch die erst der produzierte Mehrwert realisiert werden kann, müssen entsprechende Geldschöpfungsprozesse vorangehen. Eine realwirtschaftliche Expansion des Systems erfordert eine gleichzeitige monetäre Expansion und kann ohne diese nicht vonstatten gehen. Da in dieser Arbeit nicht davon ausgegangen wird, daß gegenwärtige Ökonomien die Geldschöpfung an die Goldproduktion binden, und, wie in Kapitel B.1. gezeigt, im Rahmen der Marxschen Theorie auch nicht davon ausgegangen werden muß, da eine Bindung des Geldes an eine Ware sich nicht zwingend aus der Marxschen Werttheorie ergibt, muß die Anpassung der Finanzie-
2 Vgl. hierzu auch Fritsch (1968, S. 96), De Brunhoff (1976, S. 60 ff.) und Foley (1986a, S. 86 ft).
I. Kredit und Akkumulation
223
rungsmittel an die Akkumulationserfordemisse durch die Expansion bzw. die Kontraktion des Kredites erfolgen. 3 Die Kreditexpansion wird so zur notwendigen Voraussetzung für Akkumulationsprozesse. Diese Position findet sich auch bei Foley in einer Neuformulierung des Marxschen Systems. "The sustainable rate of growth of the system obviously depends on the level of such new borrowing: the higher the total borrowing, the faster the rate of expanded reproduction that can be achieved by the system." (Foley 1986a, S. 89)
Der kapitalistische Akkumulationsprozeß wird damit von zwei Typen von Entscheidungen bestimmt: zum einen von den Investitionsentscheidungen der Kapitalisten, zum anderen von den Entscheidungen der Banken bzw. der Vermögensbesitzer, Geld vorzuschießen, bzw. Kredit zu schöpfen, um die Investitionen der Kapitalisten zu fmanzieren. 4 Die Endogenisierung der Kreditgeldmenge fmdet also in der Marxschen Ökonomie ihre Begründung in der Notwendigkeit, die erweiterte Reproduktion des Kapitals zu finanzieren. Es wird im folgenden Kapitel gezeigt, daß in dieser Schlußfolgerung ein hohes Maß an Übereinstimmung mit der Keynessehen Argumentation im Anschluß an die Veröffentlichung der General Theory zu fmden ist. 2. Akkumulation und Finanzierung aus Keynesscher Perspektive: Implikationen der Debatte um Finanzierungs-Motiv und "revolving fund"
Wie in Kapitel B.II. dieser Arbeit entwickelt wurde, ist die wesentliche Botschaft der Keynesschen General Theory für die kapitalistische Geldwirtschaft das "Prinzip der effektiven Nachfrage", d.h. das Postulat der Unabhängigkeit der Ausgaben, insbesondere der Investitionen, vom vorhergehenden Einkommen bzw. Sparen. Die auf der Keynesschen Konzeption der Geldökonomie gegründete Ablehnung des Sayschen Gesetzes impliziert diese Umkehrung der orthodoxen Kausalität. Hiermit einher geht bei Keynes notwendig die Zurückweisung der Quantitätstheorie des Geldes sowie die Ablehnung der neoklassischen Zinstheorie. An die Stelle der neoklassischen Realzinstheorie tritt in der General Theory die monetäre Liquiditätspräferenztheorie des Zinses, die von Keynes unter der Annahme entwickelt wird, die Geldmenge 3 Vgl. hierzu auch NeU (1986, S. 31 f.). 4 Vgl. hierzu auch Sardoni (1989, S. 216).
224
D. Kredit, Zins, Finanzierung und Akkumulation
könne von der Zentralbank gesteuert werden. Wie in Kapitel B.H. dieser Arbeit gezeigt wurde, ist die Liquiditätspräferenztheorie des Zinses jedoch ernsthaften Einwänden ausgesetzt, die in den post- und monetär-keynesianisehen Ansätzen dazu geführt haben, diese Theorie als (alleinige) Erklärung für den Zinssatz fallen zu lassen. An die Stelle der Liquiditätspräferenztheorie des Zinssatzes tritt hier entweder die Vorstellung, der Zinssatz werde exogen durch die Zentralbank gesteuert und die Geldmenge werde modellendogen durch die Kreditnachfrage bestimmt, oder die Überlegung, daß sowohl der Zinssatz als auch die Geldmenge modellendogen festgelegt werden. Wie die folgenden Ausführungen zur Debatte um das Finanzierungs-Motiv der Geldnachfrage zeigen, kam Keynes der Vorstellung einer modellendogenen Bestimmung der Geld- und Kreditmenge nach der Veröffentlichung der General Theory sehr nahe. Im Rahmen der Debatte mit Ohlin, Hawtrey und Robertson im Economic Journal in den Jahren 1937/38, also im Anschluß an die Veröffentlichung der General Theory, wird Keynes zuerst auf das Problem der Finanzierung der Investitionstätigkeit aufmerksam gemacht. 5 Keynes versucht in dieser Debatte die Implikationen des Konzeptes einer monetären Zinsbestimmung gegen die "loanable-funds"-Konzepte6 seiner o.g. Kontrahenten zu verteidigen. In seinen Beiträgen muß Keynes anerkennen, daß bei Unabhängigkeit der Investitionen von vorhergehenden Sparprozessen zumindest temporär ein Problem der Finanzierung auftritt. Investitionsplanungen bzw. Produktionsentscheidungen ziehen laut Keynes eine temporäre Nachfrageerhöhung nach Geld zu Finanzierungszwecken nach sich (vgl. CW XIV, S. 208 f.). In einern späteren Beitrag präzisiert Keynes diese Nachfrage und definiert sie als den Liquiditätsbedarf, der notwendig ist in dem Zeitintervall zwischen der Planung und der Ausführung einer Investition. "During the interregnum - and during that period only - between the date when the entrepreneur arranges his finance and the date when he actually makes his investment, there is an additional demand for liquidity without, as yet, any additional supply of it necessarily arising." (CW XIV, S. 218»
5 Vgl. hierzu CW XIV (S.201-223, 229-233), Hawtrey (1937), Ohlin (1937, 1937a) und Robertson (1937, 1938, 1938a). Eine Neuauflage erlebte die Debatte um das Finanzierungs-Motiv in den 80er Jahren (vgl. Asimakopulos 1983, 1985, 1986, 1986a, 1986/87, Davidson 1986/87, Graziani 1984, 1988, Kregel 1986/87, Richardson 1986, Snippe 1985, Terzi 1986, 1986/87, Wray 1988a). 6 Zur "Ioanable-funds"-Theorie vgl. z.B. Tsiang (1987).
I. Kredit und Akkumulation
225
Hinter dieser Definition des Finanzierungsbedarfs steht die Vorstellung, daß die Unternehmen in dem oben genannten Zeitintervalleinen Kassenbestand an Geld halten, der dann zu Investitionszwecken verausgabt wird. Wie Graziani (1984, S. 13 ff.) verdeutlicht, ist diese Vorstellung für eine Kreditgeldökonomie wenig überzeugend. Es wird deshalb im folgenden Kapitel auf die Frage des Zweckes und der Dauer des Finanzierungsbedarfes zurückzukommen sein. Zuerst soll jedoch den Keynesschen Darlegungen gefolgt werden. Der zur Einleitung von Produktion und Investition notwendige Finanzierungsbedarf kann Keynes zufolge nicht durch das Sparen befriedigt werden, weil entsprechende Einkommensbildungs- und Sparprozesse bei Planung und Durchführung von Produktion und Investition noch nicht stattgefunden haben. Die Finanzierung von Produktion und Investition hat also in der Keynesschen Argumentation nichts mit dem Sparen zu tun und kann daher auch nicht von diesem beschränkt sein. Einzig ein Mangel an Liquidität kann verhindern, daß Investitionsentscheidungen umgesetzt werden. "The investment market can become congested through shortage of cash. It can never become congested through shortage of saving. This is the most fundamental of my conclusions within this field." (CW XIV, S. 222)
Die Liquidität zu Finanzierungszwecken kann nun entweder durch Finanzintermediäre in Form der Bereitstellung bereits im System existierender Liquidität oder durch das Bankensystem durch Schöpfung von Kredit befriedigt werden (vgl. CW XIV, S. 208). Keynes nennt hier beide Möglichkeiten, ohne jedoch zu verdeutlichen, daß die bereits im System existierende Liquidität begrenzt ist und so keine allgemeine Grundlage für die Finanzierung von ökonomischen Expansionsprozessen bilden kann. An anderen Stellen betont er jedoch mehrmals die Bedeutung der Kreditschöpfungsfähigkeit der Banken, die überhaupt erst eine vom Sparen unabhängige Finanzierung von Investitionen ermöglicht. Auf Grund dieser Fähigkeit nehmen die Banken die Schlüsselrolle für das Gelingen eines ökonomischen Expansionsprozesses ein. "The control of finance is, indeed, a potent, though sometimes dangerous, method for regulating the rate of investment (though much more potent when used as a curb than as a stimulus). Yet this is only another way of expressing the power of the banks through their control over the supply of money - i.e. of liquidity." (CW XIV, S. 210 f.)
15 Hein
226
D. Kredit, Zins, Finanzierung und Akkumulation
Sind die Banken nicht bereit, den mit einer Investitionsentscheidung einhergehenden Bedarf an Liquidität zu befriedigen, so ist ein Anstieg des Zinssatzes durchaus möglich, wodurch ein Expansionsprozeß wiederum beschränkt würde. Es ist daher der Bankensektor, der den Schlüssel für eine Bewegung von einem geringen Niveau der ökonomischen Aktivität zu einem höheren Niveau in der Hand hält (vgl. CW XIV, S. 222). Die vom Bankensektor zu Finanzierungszwecken zur Verfügung gestellte Liquidität wird von Keynes nun als "revolving fund" bezeichnet, der dann im ökonomischen System zur kontinuierlichen Finanzierung eines gegebenen Produktions- und Investitionsniveaus hinreicht. Soll eine Erhöhung der Produktion bzw. der Investitionen erfolgen, muß demnach auch der "revolving fund" erhöht werden. "If investment is proceeding at a steady rate, the fmance (or the commitments to finance) required can be supplied from a revolving fund of a more or less constant amount, one entrepreneur having his finance replenished for the purpose of a projected investment as another exhausts his on paying for his completed investment. But if decisions to invest are (e.g.) increasing, the extra finance involved will constitute an additional demand for money." (CW XIV,S. 209)
Befriedigen die Banken nun den Liquiditätsbedarf zwecks Finanzierung von Investitionen zum herrschenden Zinssatz, so geht Keynes davon aus, daß diese Liquditität mit der Verausgabung des geliehenen Geldes durch die Investoren freigesetzt wird und für neue Investitionsvorhaben genutzt werden kann. Für die Gesellschaft als Ganzes könne daher ein gegebenes Produktions- und Investitionsniveau durch eine einfache "bookkeeping transaction" (CW XIV, S. 219) finanziert werden. Im Gleichgewicht würde dann genügend Sparen zur Verfügung stehen, um die zusätzlichen Investitionen endgültig zu fmanzieren und damit die Finanzierungskredite abzulösen. In diesem Zusammenhang bleibt zum einen unklar, wann und wodurch die Liquiditätsposition der Banken wiederhergestellt wird und welche Rolle das Sparen hierbei spielt. Insbesondere Robertson hat auf diese offenen Fragen aufmerksam gemacht, indem er darauf hinwies, daß die von den Banken zu Finanzierungzwecken geschöpfte Liquidität nicht durch ihre bloße Verausgabung zu den Banken zurückkehren würde, sondern vielmehr nach Verausgabung durch die Unternehmen zu Einkommenszwecken im ökonomischen System verbleiben würde. Ein Rückfluß der Liquidität zu den Banken sei mithin erst durch die Rückzahlung der Kredite seitens der Unternehmen möglich. Letztere wären nun aber nicht mehr in der Lage, das Niveau der
I. Kredit und Akkumulation
227
ökonomischen Aktivität aufrechtzuerhalten, sondern benötigten hierfür erneut Finanzierungskredite von den Banken (vgl. Robertson 1940, S. 26). Auch auf diese Frage muß im nächsten Kapitel erneut eingegangen werden. Faßt man zusammen, so ergeben sich als Konsequenzen aus den Keynesschen Überlegungen, daß die Unabhängigkeit der Investitionen von vorhergehenden Einkommensbildungsprozessen die Bereitstellung von einkommensunabhängigen Finanzierungsmitteln durch Kreditschöpfung seitens des Bankensektors voraussetzt. Hierdurch wird die Geldmenge von einer exogen gegebenen Größe in der General Theory zu einer endogenen Variablen.1 Allerdings bleiben einige Ungenauigkeiten und Unklarheiten in der Keynesschen Argumentation zu klären. Diese beziehen sich auf den Umfang der notwendigen Finanzierung, auf die Dauer des Finanzierungsbedarfes, auf die Wiederherstellung der Liquiditätsposition des Bankensektors und hier insbesondere auf den Zusammenhang zwischen Finanzierung und Sparen. Diese Unklarheiten sollen im folgenden Kapitel mit Hilfe eines einfachen "monetary-circuit"-Modells geklärt werden. 3. Das ModeU eines "monetary-circuit"
Sowohl aus Marxscher als auch aus Keynesscher Perspektive ergibt sich, daß der kapitalistische Expansionsprozeß die Expansion der Geldmenge durch die Ausdehnung des Kreditvolumens voraussetzt. Die Implikationen und Konsequenzen einer solchen Auffassung werden im folgenden anband eines einfachen Modell eines monetären Kreislaufes für eine reine Kreditgeld-Ökonomie präzisiert. Das Modell eines monetären Kreislaufes ist u.a. von Graziani (1984, 1988, 1989) vorgestellt worden.8 Das in diesem Kapitel entwickelte Modell unterscheidet sich von dem Grazianis zum einen dadurch, daß explizit zwischen den Ausgabenentscheidungen von Gewinnbeziehern und Lohnbeziehern unterschieden wird, und zum anderen dadurch, daß im Einklang mit der Argumentation im Abschnitt C dieser Arbeit davon ausgegangen wird, daß die Ökonomie auch langfristig durch die Unterauslastung des Kapital stocks gekennzeichnet sein kann, und die Einkommensverteilung damit durch Kaleckis Mark-up Preissetzung und nicht durch den kaldorianischen Verteilungsmechanismus festgelegt wird, wie Graziani meint.
7 Diese Einschätzung findet sich auch bei Graziani (1984, S. 11). 8 Graziani (1989, S. 2) sieht den "monetary-circuit"-Ansatz als Synthese aus Keynesschen, Kaleckischen und Marxschen Ideen. IS'
228
D. Kredit, Zins, Finanzierung und Akkumulation
Es wird wieder angenommen, daß eine geschlossene Ökonomie ohne staatliche Aktivität vorliegt, in der es drei Typen von ökonomischen Agenten gibt: Unternehmen, Banken und Haushalte, die wiederum in gewinnbeziehende Kapitalistenhaushalte und lohnbeziehende Arbeiterhaushalte unterschieden werden. Das Geldsystem wird in Übereinstimmung mit den Ergebnissen aus dem Abschnitt B dieser Arbeit als Hierarchie von Zahlungsversprechen mit von unten nach oben zunehmender Validität und Liquidität verstanden~ Es soll hier nun vereinfachend angenommen werden, daß diese Hierarchie nur aus zwei Ebenen bestehe, den Zahlungsversprechen des Unternehmenssektors und den Zahlungsversprechen des Bankensektors, wobei der Bankensektor in der Lage ist, ein Zahlungsversprechen mit höchster Liquidität und Validität zu schöpfen. Dieser Prozeß ist als Geldschöpfungsprozeß in einem zweistufigen Bankensystems vorstellbar, in dem die Zentralbank ein Zahlungsversprechen mit höchster gesellschaftlicher Liquidität und Validität bereitstellt und dieses über die Geschäftsbanken durch Kreditgewährung an Unternehmen und deren Refmanzierung bei der Zentralbank in den ökonomischen Prozeß gelangt. Der Bankensektor ist mithin in der Lage, dem Unternehmenssektor über den Kreditmarkt zu einem gegebenem Geldzinssatz unendlich Kredit zu gewähren und ihn damit mit Liquidität auszustatten. Für die Unternehmen besteht die Möglichkeit, kurzfristige Bankkredite auf dem Finanzmarkt durch den Verkauf von Wertpapieren an die Haushalte zu refinanzieren, wobei hier keine Unterscheidung in Eigentumstitel (Aktien) und langfristige Schuldverschreibungen vorgenommen werden soll, sondern lediglich unterstellt wird, daß die Unternehmen auf den Finanzmärkten kurzfristige Bankkredite durch längerfristige Verbindlichkeiten oder durch die Mobilisierung von Eigenkapital ersetzen können. Carvalho (1992, S. 151) bezeichnet diese Transformation kurzfristiger Kredite in langfristige Verbindlichkeiten als "funding" . Je höher nun die Präferenz der Haushalte für die Haltung von Liquidität, desto höher ist der Zinssatz, den die Unternehmen den Haushalten bieten müssen, damit diese bereit sind, die von den Unternehmen ausgegebenen langfristigen Schuldtitel zu halten. Auf dem Arbeitsmarkt wird der Geldlohnsatz bestimmt, auf dem Gütermarkt die Güterpreise, wobei hier wieder unterstellt wird, daß die Unternehmen einen Mark-up auf die Lohnsruckkosten schlagen. In bekannter Schreibweise erhält man also: (0.2)
p = (1+m) wa.
I. Kredit und Akkumulation
229
Hierdurch ist die Aufteilung des Nettoproduktes auf Lohneinkommen und Bruttogewinneinkommen in kaleckinanischer Manier gegeben als: (0.3)
h = 7r/Y = ml (1 +m).
Zuerst wird nun der monetäre Kreislauf unter Zugrundelegung eines gegebenen gleichgewichtigen Aktivitätsniveaus betrachtet. Die Höhe der sich auf Lohn- und Gewinneinkommen aufteilenden Nettoproduktion ist durch das Prinzip der effektiven Nachfrage bestimmt. Es wird wieder die klassische Sparhypothese unterstellt, d.h. Arbeiterhaushalte konsumieren das gesamte Lohneinkommen, und nur die Kapitalistenhaushalte sparen einen Teil des ihnen zufließenden Einkommens entsprechend ihrer durchschnittlichen Sparneigung. Die gesamten Gewinne werden von den Unternehmen an die Kapitalistenhaushalte ausgeschüttet, von der Berücksichtigung einbehaltener Gewinne wird also abgesehen. Die Investitionsnachfrage sei exogen durch langfristige Erwartungen oder den Akkumulationstrend gegeben: (0.4)
S = S1rhY,
(0.5)
I = I.
Das gleichgewichtige Aktivitätsniveau ist damit wie folgt gegeben: (0.6)
Y = [1 I (S1rh)] I.
Bei der Betrachtung der Finanzierungsseite eines solchen Gütermarktgleichgewichtes wird angenommen, daß die Unternehmen zu Beginn der betrachteten Periode nicht über eigene liquide Mittel verfügen, sondern sich diese komplett von den Banken leihen müssen. 9 Die Banken sind, wie oben bereits erwähnt, in der Lage, die Nachfrage nach kurzfristigen Krediten zum herrschenden Zinssatz durch Kreditschöpfung zu befriedigen.
9 Es kann genauso angenommen werden, daß die Unternehmen eine Erhöhung der Produktion intendieren, und über die entsprechenden zusätzlichen Vorschüsse nicht selbst verfügen, gleichwohl sie in der Lage sind, das laufende Niveau der Produktion durch eigene Vorschüsse zu alimentieren.
230
D. Kredit, Zins, Finanzierung und Akkumulation
Der Bedarf der Unternehmen an liquiden Mitteln besteht nun einerseits aus den Vorschüssen, die für die Produktion von Konsum- und Investitionsgütern notwendig sind. Hier soll vereinfachend unterstellt werden, daß zur Produktion von Konsum- und Investitionsgütern nur Arbeitskräfte erforderlich sind. Dieser Teil des Liquiditätsbedarfes der Unternehmen besteht mithin aus der Lohnsumme als Produkt aus Nominallohnsatz und Beschäftigungsmenge. Andererseits müssen auch die Gewinnausschüttungen an die Kapitalistenhaushalte in der laufenden Periode durch Liquiditätskredite der Banken vorfinanziert werden. 10 Diese Gewinnausschüttungen umfassen die gesamten von den Unternehmen in der Produktionsperiode zu produzierenden und zu realisierenden Profite, da oben angenommen wurde, daß keine Profite einbehalten werden. Diese Gewinnsumme ergibt sich entweder als Produkt aus Profitrate und Kapitalstock oder als Produkt aus Mark-up und Lohnsumme. Die Gewinnausschüttungen erfolgen je nach langfristiger Finanzierung des Kapitalstocks als Zinszahlungen entsprechend dem Zinssatz auf langfristige Schuldverschreibungen und/oder als Dividenden auf den Aktienbestand und/oder als Gewinnentnahmen der Eigentümerkapitalisten. Die Unternehmen verwenden nun den ihnen vom Bankensektor zur Verfügung gestellten Liquiditätskredit zur Einleitung der Produktion in dem gewünschten Umfang, indem sie zum einen die hierfür benötigten Arbeitskräfte von den Arbeiterhaushalten kaufen und zum anderen ihren finanziellen Verpflichtungen gegenüber den Kapitalistenhaushalten nachkommen. Graziani (1989, S. 7) bezeichnet diesen Liquiditätskredit der Banken zur Einleitung der Produktion als "initial finance", bezieht ihn in seinem Modell allerdings nur auf den Lohnkostenvorschuß. Es bleibt bei ihm daher unklar, wodurch die Gewinneinkommen vorfinanziert werden. Es wird nun weiter angenommen, daß die Löhne für die gesamte Produktions- und Zirkulationsperiode vorgeschossen werden und die ausgeschütteten Gewinne sich ebenfalls auf die gesamte Produktions- und Zirkulationsperiode beziehen. Der Liquiditätskredit (B) der Banken fließt so über die Unternehmen als Einkommen zu den Arbeiter- und Kapitalistenhaushalten: (D.7)
B
= wL +
rpK
= wL +
mwL
= W+1r = Y.
10 Die Unternehmen haben durch die Ausgabe von Aktien/Wertpapieren in den vergangenen Perioden Zahlungsverpflichtungen für die betrachtete Periode auf sich genommen.
I. Kredit und Akkumulation
231
Die Arbeitskräfte produzieren Investitions- und Konsumgüter in der durch das Gütermarktgleichgewicht gegebenen Höhe. Auf den Gütermärkten liegt damit auf Grund der oben angenommenen Mark-up Preissetzung ein preisbewertetes Güterangebot wie folgt vor: (0.8)
Y = I +C = (1 +m) W = wL + mwL.
Die produzierten Investitionsgüter werden innerhalb des Unternehmenssektors intrasektoral realisiert. Hierfür sind in dem unterstellten Modell keine zusätzlichen Liquiditätskredite des Bankensektors notwendig, da davon ausgegangen werden kann, daß ein Teil der urprünglich zur Einleitung der Gesamtproduktion notwendigen Liquiditätskredite der Banken zuerst an die Unternehmen, die die Ausdehnung ihres Kapitalstocks durch Investitionen planen, fließen. Diese Unternehmen geben diese Liquidität sodann an die Investitionsgüterproduzenten weiter und versetzen diese in die Lage, die Produktion aufzunehmen. Es ist also nur der Fluß des ursprünglich injizierten Liquiditätskredites zu verfolgen. Dieser befmdet sich zum Ende der Produktions-Periode in den Händen der Arbeiter- und Kapitalistenhaushalte. Die Arbeiterhaushalte verwenden ihr Einkommen annahmegemäß komplett zum Kauf von Konsumgütern. Dieser Teil des ursprünglichen Liquiditätskredites fließt so an die Unternehmen zurück. Für die Kapitalistenhaushalte existieren verschiedene Verwendungsmöglichkeiten. Ein Teil des Gewinneinkommens wird entsprechend der durchschnittlichen Konsumneigung zur Nachfrage nach Konsumgütern verwendet und gelangt so wieder in die Kassen der Unternehmen. Der gesparte Teil des Einkommens kann nun entweder auf den Finanzmärkten zum Kauf von Aktien oder Wertpapieren (A), die vom Unternehmenssektor angeboten werden, verwendet werden oder aber liquide gehalten werden. Der Kauf von Aktien oder Wertpapieren bedeutet für die Haushalte, daß sie einen Eigentumsanspruch auf die produzierten Investitionsgüter erwerben. Für die Unternehmen bedeutet der Verkauf von Aktien und Wertpapieren auf den Finanzmärkten, daß die kurzfristigen Bankkredite zur Produktion von Investitionsgütern durch längerfristige Verbindlichkeiten oder durch die Mobilisierung von Eigenkapital abgelöst werden können. Graziani (1989, S. 7) bezeichnet die gesamten an die Unternehmen durch Verkauf von Konsumgütern und von Wertpapieren zurückfließenden Mittel als "final finance". Erst durch "final finance" werden Investitionen fmanziert.
232
D. Kredit, Zins, Finanzierung und Akkumulation
Die ursprünglich durch Kredit geschöpfte Liquidität fließt also nur dann komplett an die Unternehmen zurück, wenn die Kapitalistenhaushalte das von ihnen gesparte Einkommen komplett zum Kauf von Wertpapieren auf den Finanzmärkten verwenden. Nur unter dieser Voraussetzung sind die Unternehmem in der Lage, nach Ablauf der Produktions- und Zirkulationsperiode die Liquiditätskredite an die Banken (R) zurückzuzahlen: (0.9)
(0.10)
S,.. = A,..,
(0.11)
Y = Cw+C,..+A'lr = R = B.
Die Liquidität wird durch die Zurückzahlung der Liquiditätkredite an die Banken vernichtet. Der monetäre Kreislauf ist geschlossen. Es ergibt sich das in Abbildung 0.1 gezeigte Bild der monetären Ströme.
r---B
r-R '---
~
Banken
~
W
U
7t
~
:
Cw
I HHw I
C" A"
I
HHlt
I
Abbildung D.l: Monetärer Kreislauf
Verwenden jedoch die Kapitalistenhaushalte einen Teil des von ihnen gesparten Einkommens nicht zum Kauf von Wertpapieren/Aktien, sondern halten ihn liquide, so sind die Unternehmen nicht in der Lage, den vollen
I. Kredit und Akkumulation
233
Umfang der ursprünglichen Liquiditätskredite an die Banken zurückzuzahlen. Die ursprünglich geschöpfte Liquidität wird nach Ablauf der Produktionsund Zirkulationsperiode nicht komplett vernichtet, sondern ein Teil verbleibt als Bestandsgröße im System, und zwar als Verbindlichkeiten der Unternehmen gegenüber dem Bankensektor, denen gleich hohe Forderungen der Kapitalistenhaushalte an den Bankensektor gegenüberstehen. Nun ist bisher davon ausgegangen worden, die Liquiditätskredite des Bankensektors seien für die Unternehmen kostenlos. Dies ist allerdings eine sehr unrealistische Annahme, da sowohl aus Marxscher als auch aus Keynesscher Perspektive mit der Kreditgewährung gleichzeitig der Anspruch auf einen Zins verbunden ist. Bezieht man diesen Aspekt in die Überlegungen ein, so ergibt sich, daß die Unternehmen einen Zins, bestimmt durch den gegebenen Geldzinssatz (i), auf die von den Banken erhaltenen Liquiditätskredite zahlen müssen. Hierdurch wird aus einem Kredit B zur Finanzierung der Produktion eine Rückzahlungsverpflichtung R: (0.12)
R
= O+i) B.
Die Unternehmen werden nun auch bei vollständiger Verausgabung des Kapitalistensparens für AktienIWertpapiere nur dann in der Lage sein, den Liquiditätkredit (B) einschließlich dessen Verzinsung (iB) an die Banken zu zahlen, wenn ihnen zusätzliche Mittel in Höhe von iB zufließen. Die Banken müssen also durch Auszahlung von Einkommen in der Höhe iB die Nachfrage nach Konsumgütern oder nach Wertpapieren entsprechend ansteigen lassen oder direkt Wertpapiere in Höhe von iB von den Unternehmen erwerben, damit die Unternehmen an die Mittel für die Zinszahlung gelangen (vgl. Graziani 1988, S. 285 f.). Hiermit ist allerdings eine Entwertung der durch Produktion entstandenen Lohn- und Gewinneinkommen impliziert. 11 Schießen nämlich die Banken den zusätzlichen Betrag iB in die Zirkulation, so kommt es zu einer Nachfrageerhöhung auf den Konsumgüter- bzw. auf den Finanzmärkten. Dieser Nachfrageerhöhung steht aber ein durch die Höhe des ursprünglichen Liquiditätskredites für Produktionszwecke begrenztes Angebot an Konsumgütern und von den Unternehmen ausgegebenen Wertpapieren gegenüber. Ob die Verausgabung dieser zusätzlichen Zinseinkommen nun zu Lasten der Reallöhne oder zu Lasten der Profite geht, hängt von der Art der Verausgabung und von den Preisreaktionen auf den Arbeits-, Güter- und
11 Dieser Aspekt wird bei Graziani (1984, 1988) übersehen.
234
D. Kredit, Zins, Finanzierung und Akkumulation
Finanzmärkten ab und kann daher nicht apriori beantwortet werden. 12 Geht man z.B. davon aus, daß der Betrag iB von den Banken lediglich zur Nachfrage nach AktienIWertpapieren auf den Finanzmärkten gebraucht wird, so wäre der Reallohn nicht affiziert. Auf den Finanzmärkten käme es jedoch bei begrenztem Angebot an von den Unternehmen ausgegebenen Titeln zu einer Kurssteigerung. Die Kapitalistenhaushalte müßten die Eigentumstitel an den produzierten Produktionsmitteln so mit den Banken teilen. Die Zinseinkünfte der Banken gehen in diesem Fall zu Lasten der anderen Gewinneinkommen. Für den Fall jedoch, daß die Banken einen Teil der Zinseinkommen als Löhne bzw. Gehälter an ihre Angestellten auszahlen und diese Gehälter ganz oder zum Teil zur Nachfrage nach Konsumgütern verwendet werden, kann es zu einer temporären Preissteigerung auf den Konsumgütermärkten und damit zu einer Reallohnsenkung für die Produktionsarbeiter und -arbeiterinnen kommen. 13 In diesem Fall müßten also die Produktionsarbeiter und -arbeiterinnen einen Teil ihres Anspruches auf die Nettoproduktion abtreten. Kann der monetäre Kreislauf geschlossen werden, d.h. werden die Unternehmen durch die Ausgaben der Haushalte in die Lage versetzt, die Liquiditätskredite nach Ablauf der Produktions- und Zirkulationsperiode an die Banken zurückzuzahlen, so ist zur Aufrechterhaltung des Niveaus der ökonomischen Aktivität in der folgenden Periode erneut eine Gewährung von Liquiditätskrediten durch den Bankensektor in gleicher Höhe erforderlich. Die Banken entscheiden damit von Periode zu Periode darüber, ob die Produktion auf gegebener Stufenleiter fortgeführt werden kann. "Tbe continuous existence of a revolving fund requires a discretionary decision to be taken by banks again and again. " (Graziani 1984, S. 17)
Sind die Unternehmen auf Grund von eventueller Liquiditätshaltung der Kapitalistenhaushalte nicht in der Lage, die volle Kreditsumme nach Ablauf der Produktions- und Zirkulationsperiode zurückzuzahlen, so liegt es an den Banken, ob sie bereit sind, dieses zu akzeptieren und in der nächsten Periode
12 Auf den Zusammenhang zwischen Geldzinssatz und Verteilung wird im folgenden Kapitel dieser Arbeit zurückzukommen sein. 13 Allerdings muß hier gleichzeitig berücksichtigt werden, daß von einer Situation der Unterauslastung des Kapitalstocks und der Unterbeschäftigung ausgegangen wurde, so daß eine Nachfrageerhöhung auf den Konsumgütermärkten in der Folgeperiode mit einer Mengenexpansion beantwortet werden kann, wenn die Banken die hierfür notwendigen Liquiditätskredite zur Verfügung stellen.
I. Kredit und Akkumulation
235
trotzdem wieder die erforderliche Kreditschöpfung zur Aufrechterhaltung der Produktion auf derselben Stufenleiter vorzunehmen. Hierdurch wird allerdings, wie oben bereits erwähnt, schon in einer stationären Ökonomie eine Verschuldung des Unternehmens sektors aufgebaut. 14 Faßt man die wesentlichen Ergebnisse der Betrachtung des monetären Kreislaufes - auch im Hinblick auf die Klärung der unklaren Aspekte der Keynesschen Konzeption eines "revolving fund" - zusammen, so lassen sich folgende Punkte festhalten. 1. Die Geldmenge im ökonomischen System wird durch die notwendige Kreditschöpfung am Beginn und durch die Kreditvernichtung am Ende der Produktions- und Zirkulationsperiode zu einer endogenen· Größe. Hierauf läuft genau die Keynessche Behandlung des Finanzierungs-Motivs hinaus. Auch bei Gelingen des monetären Kreislaufes entscheiden die Banken in jeder Periode über die zur Aufrechterhaltung eines gegebenen Produktionsniveaus notwendigen Liquiditätskredite und nehmen insofern die Schlüsselrolle ein. 2. Der Liquiditätsbedarf der Ökonomie besteht offensichtlich solange, bis durch den Verkauf von Waren bzw. durch den Verkauf von Wertpapieren der monetäre Vorschuß zu den Unternehmen zurückgeflossen ist und von diesen an die Banken zurückgezahlt werden kann. 3. Die Höhe des Sparens ist für das Gelingen des monetären Kreislaufes und für die Rückzahlung der Liquiditätskredite irrelevant. Eine Erhöhung der Spameigung hat damit keine Einflüsse auf den monetären Kreislauf. Es ist vielmehr die Verwendung des gesparten Gewinneinkommens, die darüber entscheidet, ob die Unternehmen in die Lage versetzt werden, ihre Verbindlichkeiten beim Bankensektor abzulösen. 1S Die Haltung von Liquidität durch die Kapitalistenhaushalte - als Forderungen gegenüber dem Bankensektor bedeutet nämlich für die Unternehmen einen Aufbau von Verbindlichkeiten gegenüber dem Bankensektor in derselben Höhe.
14 Ein Abbau dieser Verschuldung durch das Angebot zusätzlicher Wertpapiere ist modellimmanent nicht möglich, weil es für diese Wertpapiere keine Nachfrage auf dem Finanzmarkt gibt, da Haltung von Liquidität als Nicht-Nachfrage von Wertpapieren definiert ist. IS Zu diesem Ergebnis kommt auch Terzi (1986/87, S. 195).
236
D. Kredit, Zins, Finanzierung und Akkumulation
4. Die Einbehaltung von Gewinnen im Unternehmenssektor reduziert oder verhindert zwar die Gefahr des Versickerns von Liquidität aus dem monetären Kreislauf durch Liquiditätshaltung der Kapitalistenhaushalte, einbehaltene Gewinne können jedoch für die Ökonomie als Ganzes keinen Expansionsprozeß finanziell alimentieren. Dies schließt jedoch nicht aus, daß für das einzelne Unternehmen die Höhe der einbehaltenen Profite eine entscheidende Rolle bei der Zuteilung von Krediten seitens der Banken spielt. 16 5. Die Auslösung eines ökonomischen Expansionsprozesses durch die Erhöhung des hier noch als exogen unterstellten Investitionsniveaus setzt die Erhöhung des von dem Bankensektor geschöpften Liquiditätskredites voraus.l7 Diese zusätzliche Liquiditätsschöpfung muß nicht nur hinreichen, um die Produktion der zusätzlichen Investitionsgüter zu finanzieren, sondern muß ebenfalls genügen, um die durch die zusätzlichen Investitionen über den Multiplikatorprozeß ausgelöste Konsumgüterproduktion zu finanzieren. 18 Das durch die zusätzlichen Investitionen über Einkommens- oder Verteilungseffekte hervorgerufene Sparen bildet lediglich das Potential, um die durch kurzfristige Liquiditätskredite finanzierten Investitionsprojekte langfristig zu fmanzieren, es spielt aber wiederum keine Rolle für die ursprüngliche Finanzierung der Investitionen. 19 Dieses Potential steht allerdings nur dann vollständig zur Verfügung, wenn die Kapitalistenhaushalte auf die Haltung von Liquidität verzichten. Diese einfache Betrachtung des monetären Kreislaufes hat nochmals gezeigt, daß der kapitalistische Akkumulationsprozeß von zwei Typen von Entscheidungen abhängt: den Akkumulationsentscheidungen der industriellen Kapitalisten bzw. der Unternehmen und den Finanzierungsentscheidungen der Finanzkapitalisten bzw. der Banken. Die Akkumulationsentscheidungen der industriellen Kapitalisten werden dabei im wesentlichen durch den Vergleich der Höhe des Zinssatzes auf dem Kreditmarkt mit der erwarteten Profitrate bestimmt, wohingegen die FinanzierungsentscheidQngen der Banken neben den Profitaussichten der Unternehmen auch von deren Eigenkapitalausstattung abhängen dürfte. Auf beide Aspekte wird in den beiden folgenden Kapiteln eingegangen, wobei zuerst eine Betrachtung gleichgewichtiger Akkumula-
16 Hierauf wird im folgenden Kapitel zurückzukommen sein. 17 So auch Graziani (1988, S. 289). 18 Dieser Aspekt kann durch eine Periodenbetrachtung des Multiplikatorprozesses detailliert nachvollzogen werden (vgl. Hein 1994, S. 14 ff.). 19 Vgl. hierzu auch Wray (1988a).
11. Kredit, Zinssatz und Akkumulationsgleichgewicht
237
tionspfade erfolgt und dann krisentheoretische Überlegungen angestellt werden.
11. Kredit, Zinssatz und Akkumulationsgleichgewicht im Ein-Sektoren-Modell In der bisherigen Diskussion des langfristigen Akkumulationstrends aus Marxscher und Keynesscher Perspektive in Abschnitt C dieser Arbeit ist nicht explizit auf die Einflüsse monetärer Faktoren eingegangen worden. Es wurde jedoch implizit eine kapitalistische Kreditgeldökonomie angenommen, weil erst hierdurch die Investitionen als bestimmende Variable des Akkumulationsprozesses unterstellt werden konnten. Sowohl im modifizierten Marxschen Akkumulationsmodell, im post-keynesianischen Modell als auch in den kaleckianischen Modellvarianten mußte angenommen werden, daß die Unternehmen ihre Investitionen finanzieren können, bevor die mit der Investitionstätigkeit verbundenen Profite entstehen. Es wurde dabei implizit unterstellt, daß die erwartete Profitrate über dem langfristigen Geldzinssatz liegt, da andernfalls keine Akkumulation zustande käme. Es soll nun der systematische Einfluß der monetären Seite auf das in Abschnitt C zugrundegelegte Modell herausgearbeitet werden. Im Anschluß an die Ergebnisse der Betrachtung des monetären Kreislaufes kapitalistischer Ökonomien und in Übereinstimmung mit den bisherigen Ergebnissen zu Geld, Kredit und Zins aus Marxscher und Keynesscher Perspektive wird dabei unterstellt, daß der Zinssatz eine für den Akkumulationsprozeß exogene Variable ist, die von der Zentralbank kontrolliert wird. Die Akkumulationsgeschwindigkeit hat so keinen direkten Einfluß auf den Zinssatz. Die Unternehmen entscheiden über die Höhe der Investitionen und damit über die Geschwindigkeit des Akkumulationsprozesses. Investitionen müssen allerdings durch Kredite finanziert werden, da sie den Einkommensbildungsprozessen vorangehen. 20 Als Kreditgeber fungieren der Bankensektor und die über Geldvermögen verfügenden Haushalte, wobei nur der Bankensektor in der Lage ist, zu dem von der Zentralbank vorgegebenen Zinssatz jede Kreditnachfrage der Unternehmen zu befriedigen. Die resultierende Kreditmenge ist für den Akkumulationsprozeß damit endogen. Es wird in diesem Kapitel weiter davon ausgegangen, daß der monetäre Kreislauf in jeder Periode geschlos20 Kaldor (1939) nimmt zwar an, daß die Unternehmen langfristige Investitionen durch Ausgabe von Wertpapieren/Aktien fmanzieren. Die Nachfrage dieser Wertpapiere muß allerdings durch Bankkredite finanziert werden, da entsprechende Einkommensbildungsprozesse noch nicht stattgefunden haben.
238
D. Kredit, Zins, Finanzierung und Akkumulation
sen wird, daß also Störungen durch Liquiditätshaltung seitens der Haushalte nicht auftreten. Es kann hier damit auf die im vorherigen Kapitel gemachte Unterscheidung zwischen kurzfristiger Finanzierung von Produktion und langfristiger Finanzierung von Investitionen verzichtet werden, indem hier nur die langfristige Finanzierung von Investitionsprojekten behandelt wird. Unter dieser Bedingung erübrigt sich auch die Unterscheidung zwischen einem kurzfristigen Geldmarktzinssatz und einem langfristigen Finanzmarktzinssatz, womit ein einheitlicher Zinssatz unterstellt werden kann. Unter diesen Voraussetzungen sollen nun die Einflüsse eines durch die Zentralbank kontrollierten Zinssatzes auf die gleichgewichtige Akkumulationsrate, auf die Profitrate und auf den Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten im Akkumulationsgleichgewicht unter Zugrundelegung des in Abschnitt C dargestellten Bhaduri/Marglin-Modells analysiert werden. Es wird hierbei unterstellt, daß die Zentralbank den "realen" Geldzinssatz kontrolliert, der sich aus dem um die Preisniveauveränderung korrigierten nominalen Geldzinssatz ergibt. Vom Zinssatz gehen hierbei im wesentlichen zwei Wirkungen auf das langfristige Akkumulationsgleichgewicht aus. Zum einen geht der Zinssatz in die Akkumulationsentscheidungen der Unternehmen ein, zum anderen sind die Zinszahlungen der Unternehmen ein Einkommen für die Haushalte, dessen Verwendung einen Einfluß auf Kapazitätsauslastung und Kapitalakkumulation ausübt. Der Zinssatz beeinflußt damit sowohl die Akkumulation als auch das Sparen. 21 Es ergeben sich nun folgende Modifikationen des in Kapitel C.III.2. vorgestellten kaleckianischen Akkumulationsmodells in der Variante von
21 Die Integration des Zinssatzes in die Akkumulations- und in die Sparfunktion des Modells findet sich auch in Lavoies post-klassischem Ansatz (vgl. Lavoie 1992, S. 362 ff., 1995). Diesem Ansatz wird hier allerdings nur im Hinblick auf spezifische Integration des Zinssatzes in die Sparfunktion gefolgt. Die Integration des Zinssatzes in die Akkumulationsfunktion des post-klassischen Modells Lavoies wird hingegen nicht nachvollzogen. Lavoie (1995) macht die Akkumulationsentscheidungen lediglich von der Differenz zwischen Profirate und Zinssatz abhängig, wohingegen in Lavoie (1992, S. 362 ff.) zusätzlich der AuslastungsgradBerücksichtigung fmdet. Beide Varianten berücksichtigen nicht, daß es je nach Überwälzung von Zinssatzvariationen auf die Preise, die durchaus zugestanden werden, auch Wirkungen auf den Reallohnsatz gibt, die in der Akkumulationsfunktion berücksichtigt werden müssen. Der gleiche Einwand gilt für das Modell von DuttlAmadeo (1993), in dem die Akkumulationsentscheidungen ebenfalls nur vom Auslastungsgrad und vom Zinssatz bestimmt werden.
11. Kredit, Zinssatz und Akkumulationsgleichgewicht
239
Bhaduri/Marglin. Durch die Einbeziehung des Zinses spaltet sich der Bruttoprofit in den industriellen Profit (1I"n) und in den Zins (Z), wobei als Zins allgemein der an die Vermögensbesitzer und die Banken ausgeschüttete Teil des Bruttoprofits (11") verstanden werden soll. Dieser Teil umfaßt neben dem Zins für Kredite auch die Dividenden für Kapitaleigner und den kalkulatorischen Zins für den mit Eigenkapital operierenden Untemehmerkapitalisten. 22 Diese Ausschüttung der Zinseinkommen erfolgt entsprechend eines einheitlichen Zinssatzes auf den preisbewerteten Kapitalstock: (0.13)
Hieraus ergibt sich für den Zusammenhang zwischen Gesamtprofitrate (r), industrieller Profitrate (rn) und Zinssatz: (0.14)
Auch der Mark-up und die Profitquote sind nun aus zwei Komponenten zusammengesetzt, dem Anteil der industriellen Profite (mn, h n) und dem Anteil der Zinseinkommen (mZ , h Z): (0.15)
Für die aus Abschnitt C bekannte Mark-up Preisgleichung resultiert hieraus: (0.16)
Es gelten die aus Abschnitt C bekannten Zusammenhänge zwischen Mark-up, Profitquote und Reallohnsatz: (0.17)
22 Es wird also nicht zwischen der langfristigen Finanzierung des Kapitalstocks durch Fremd- oder Eigenkapital unterschieden.
240
D. Kredit, Zins, Finanzierung und Akkumulation
Wird nun eine Veränderung des exogenen Zinssatzes durch eine entsprechende Veränderung des Gesamt-Mark-ups (m) seitens der Unternehmen beantwortet, so ist hierdurch der Reallohnsatz unmittelbar affiziert. Steigt (fallt) der Zinssatz, so steigt (fallt) der Mark-up, die Preise steigen (fallen) und der Reallohnsatz sinkt (steigt). Eine Zinssatzänderung wirkt sich in diesem Fall nur auf die Verteilung des Gesamteinkommens auf Lohn- und Gewinneinkommen aus, wobei der industrielle Profit unverändert bleibt. Bei einer Zinssatzerhöhung steigt die Gesamtprofitquote (h) genauso wie die Zinseinkommensquote (hZ) an, der Anteil der industriellen Profite am Volkseinkommen (hn) bleibt jedoch konstant. Diese Vorstellung, die den Zins letztlich als Teil der den Unternehmen durch die Produktion entstehenden Kosten betrachtet, findet sich in den neueren neo-ricardianischen Arbeiten (vgl. Panico 1985, Pivetti 1985, 1988, 1991), auf die in Kapitel B.II.4.b) dieser Arbeit bereits eingegangen wurde. In diesen Arbeiten wird unterstellt, daß über die exogene Vorgabe des Zinssatzes die allgemeine Profitrate gegeben sei und so der Freiheitsgrad der Verteilung des Sraffa-Produktionspreismodells geschlossen werden könne. Die folgenden Ausführungen werden jedoch zeigen, daß selbst dann, wenn die Unternehmen Zinssatzveränderungen unmittelbar über eine Variation des Mark-ups über die Preise weitergeben, keine eindeutige Veränderung der gleichgewichtigen Profitrate a priori deduzierbar ist. Geben die Unternehmen hingegen Zinssatzveränderungen nicht über die Preise weiter, bleibt mithin der Mark-up konstant, so sind die Reallöhne nicht betroffen. Eine Zinssatzänderung hat so keinen Einfluß auf die Verteilung des Gesamteinkommens auf Arbeitseinkommen und Gewinneinkommen, sondern verändert nur die Verteilung des Gesamtprofits auf industriellen Profit und Zins. Steigt der Zinssatz, so steigt die Zinseinkommensquote (hZ) und der Anteil der Unternehmensgewinne am Volkseinkommen (hn) fallt. Die Gesamtprofitquote (h) bleibt bei Zinssatzvariationen konstant. Diese Position, die den Zins als Teil des durch die Arbeiter und Arbeiterinnen produzierten Gesamtprofits behandelt, findet sich, wie aus Kapitel B.1.7.b) dieser Arbeit bekannt, in den Marxschen Ausführungen zum Zusammenhang zwischen Zins und industriellem Profit. Sie liegt ebenfalls den kaleckianischen und postkeynesianischen Modellen der Aufschlagpreissetzung zugrunde. 23 Auch hier 23 Weder im Preismodell Kaleckis (1956) noch in dem Modell Eichners (1980) existiert ein direkter Zusammenhang zwischen Zinssatz und Aufschlagsatz. Bei Kalecki wird der Mark-up ausschließlich durch den Monopolgrad bestimmt, in dem Modell von Eichner durch die gewünschte Akkumulationsrate und die hierfiir erforderlichen internen Finanzierungsmineln. Es existiert also kein direkter Einfluß des Zinssatzes auf Mark-up bzw. Reallohnsatz und Profitrate. Diese Einflüsse wirken sich lediglich indirekt aus. Legt man, wie Lavoie (1995), eine Akkumulationsfunktion zugrunde, in
11. Kredit, Zinssatz und Akkumulationsgleichgewicht
241
werden jedoch die folgenden Ausführungen zeigen, daß bei einer Konstanz des Reallohnsatzes im Gefolge einer Zinssatzänderung die Entwicklung der gleichgewichtigen Profitrate keineswegs eindeutig ist. Soweit vorerst zur Modifikation der Preisgleichung bei Integration des Zinssatzes. Es werden weiter unten bei der Analyse der Einflüsse einer Zinssatzveränderung auf das Akkumulationsgleichgewicht also zwei Situationen zu unterscheiden sein: der neo-ricardianische Fall, d.h. die gleichgerichtete Veränderung des Mark-ups bei Zinssatzvariationen, und der Marx-Kalecki Fall, d.h. die Konstanz des Mark-ups bei Zinssatzveränderungen. Vorher soll jedoch die Integration des Zinssatzes in die Spar- und die Akkumulationsfunktion des Modells vorgenommen werden. Es wird auch hier wieder die klassische Sparfunktion unterstellt, d.h. Arbeiter und Arbeiterinnen sparen nicht. Die von den Unternehmen einbehaltenen Gewinne (1I"n) gelten als komplett gespart. Das von den Unternehmen an die Vermögensbesitzer ausgeschüttete Zinseinkommen wird entsprechend der Spameigung der Zinseinkommensbezieher (sz) für Konsum und Sparen (Sz) verwendet. Das gesamtwirtschaftliche Sparen setzt sich also aus den einbehaltenen Profiten und dem gesparten Teil des Zinseinkommens zusammen: 24 (D.18)
S = S... = 1I"-Z+Sz = 1I"-Z
+ szZ.
Die Quote der einbehaltenen Gewinne ("retention ratio") (sc) hängt von der Differenz zwischen Profitrate und Zinssatz ab: (D.19)
Sc
= (1I"-Z) /11" = (r-i) / r
Die Sparquote aus den Gesamtprofiten modifiziert sich nun durch Hinzuziehung von (D.18) und (D.19) zu der die Akkumulationsentscheidungen lediglich von der Differenz zwischen Profitrate und Zinssatz abhängen, so erhält man im Eichner-Modell, das wie die klassischen post-keynesianischen Modelle von der langfristigen Normalauslastung der Produktionskapazitäten ausgeht, eine Reduktion von Akkumulationsrate und Profitrate und einen Anstieg des Reallohnsatzes im Gefolge einer Zinssatzerhöhung, wohingegen im Kalecki-Modell Akkumulationsrate, Profitrate und Auslastungsgrad negativ auf eine Zinssatzerhöhung reagieren und der Reallohnsatz konstant bleibt. 24 Vgl. hierzu Lavoie (1995, 1992, S. 362 ff.). 16 Hein
242 (0.20)
D. Kredit, Zins, Finanzierung und Akkumulation
S1(" = S1(f7r = Sc (l-s z)
+ sz·
Die Sparquote aus den Gesamtprofiten wird nun - bei gegebener Sparquote aus den Zinseinkommen - von der Quote der einbehaltenen Gewinne und damit vom Zinssatz beeinflußt. Sie kann bei Variation des Zinssatzes damit nicht mehr als exogen gegebener Verhaltensparameter, wie noch in Abschnitt C dieser Arbeit, behandelt werden. Es gilt vielmehr: Je höher der Zinssatz, desto geringer die Quote der einbehaltenen Gewinne und desto geringer die Sparquote aus den Profiten. Auch für die gesamtwirtschaftliche Sparrate ergibt sich eine entsprechende ModifIkation: (0.21)
u = S1(" / (pK) = r-i
+ szi
= r - (l-sz) i = hu/v - (l-sz) i.
Je höher der Zinssatz bei gegebener Gesamtprofitrate, desto geringer die gesamtwirtschaftliche Sparrate, da Einkommen von den Unternehmen zu den Vermögenshaushalten umverteilt wird, die zumindest einen Teil des Einkommens konsumieren. Soweit zur Zinsabhängigkeit der Sparfunktion bei gegebener Spameigung der Zinseinkommensbezieher . Für die aus dem Bhaduri/Marglin-Modell bekannte Akkumulationsfunktion ergibt sich durch die Einbeziehung des Zinssatzes nun folgende Modifikation. Die Unternehmen müssen ihre Investitionen zum Teil durch langfristige Kredite finanzieren und es soll angenommen werden, daß die Kreditgewährung der Banken positiv mit den im Unternehmen zur Verfügung stehenden Eigenmitteln, d.h. mit der Quote der einbehaltenen Profite, korreliert. Je mehr Eigenmittel das Unternehmen aufbringt, desto größer das durch Fremdmittel (Kredite) finanzierbare Investitionsvolumen. Hinter dieser Überlegung verbirgt sich die Annahme, daß die Banken nur einen bestimmten maximalen Verschuldungsgrad der Unternehmen akzeptieren, um das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu minimieren. Dieser Zusammenhang wurde bereits von J. Robinson erwähnt. "Profit influences investment not only by providing the motive for it but also through providing the means. An important part of gross investment of firms is financed by gross retained profits. Moreover, the amount that a firm puts up of its own finance influences the amount that it can borrow from outside ... (Robinson 1962, S. 86)
11. Kredit, Zinssatz und Akkumulationsgleichgewicht
243
Auch von Kalecki (1971) wird der Zusammenhang zwischen der Ausstattung der Unternehmen mit Eigenmitteln und der Kreditgewährungsbereitschaft der Banken hergestellt. "The size of a firm thus appears to be circumscribed by the amount of its entrepreneurial capital both through its influence on the capacity to borrow capital and through its effect on the degree of risk. (... ) It follows from the above that the expansion of the firm depends on its accumulation of capital out of current profits." (Kalecki 1971, S. 106)
Je größer daher die Quote der einbehaltenen Gewinne, desto größer die Expansionsmöglichkeiten des Unternehmens. Da der Umfang der einbehaltenen Gewinne von der Differenz zwischen Profitrate und Zinssatz abhängt, wie Gleichung (0.19) zeigt, wird damit der Zinssatz neben der realisierten Profitrate zu einem Argument der Akkumulationsfunktion. Einersseits gilt: Je höher die Differenz zwischen realisierter Gesamtprofitrate und Zinssatz, desto größer sind die den Unternehmen zur Verfügung stehenden Eigenmittel und desto mehr Mittel sind die Banken zu einem gegebenen Zinssatz bereit, an die Unternehmen zu verleihen, ohne daß der als maximal erachtete Verschuldungsgrad überschritten wird. Andererseits, je größer die Differenz zwischen erwarteter Gesamtprofitrate und gegebenem Geldzinssatz, desto geringer schätzen Banken und Unternehmen das Risiko einer zukünftigen Zahlungsunfähigkeit ein, desto geringer also das Gläubiger- und Schuldnerrisiko und desto größer der von den Banken maximal akzeptierte Verschuldungsgrad. Es gilt daher: Je größer die Differenz zwischen Profitrate und Zinssatz, desto größer die Akkumulationsrate. Eine Erhöhung der realisierten Profitrate beeinflußt die Akkumulationsrate positiv, eine Erhöhung des Zinssatzes hat einen negativen Einfluß. Berücksichtigt man wieder, daß die Profitrate von der Profitquote und vom Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten abhängt, so läßt sich folgende Erweiterung der aus Kapitel C.III.2.b) bekannten linearisierten Akkumulationsfunktion formulieren:
(0.22)
g a, ß,
T,
= a + ßu + Th - Si,
e > 0 und g > 0 für r-i > o.
Der Parameter a steht wieder für den über die Konkurrenz ausgelösten Zwang zur Kapitalakkumulation, ß für die Intensität des Einflusses der effektiven Nachfrage auf die Akkumulationsentscheidungen, T für die Einflüsse des Klassenkampfes und e für die des monetären Zinssatzes. Voraussetzung für
244
D. Kredit, Zins, Finanzierung und Akkumulation
eine positive Akkumulationsrate ist, daß die Differenz zwischen Gesamtprofitrate und Zinssatz positiv ist, so daß ein positiver industrieller Profit gewährleistet bleibt. Das langfristige Akkumulationsgleichgewicht läßt sich wieder durch die Gleichheit von Akkumulations- und Sparentscheidungen ermitteln. Aus Gleichung (0.21) und Gleichung (0.22) erhält man: (0.23)
u = g,
hu/v - (l-sz) i =
+ ßu + rll- 9i.
OL
Diese g-u-Gleichgewichte sind unter der Voraussetzung stabil, daß die Sparentscheidungen stärker auf eine Variation der endogenen Variablen reagieren als die Investitionsentscheidungen. Da sowohl der Reallohnsatz als auch der Zinssatz als exogene Variablen behandelt werden, bleibt nur der Auslastungsgrad als endogene Variable. Für die Stabilität des g-u-Gleichgewichts muß also gelten: (0.24)
(öu/öu) - (ög/öu) (h/v) - ß
> 0,
> O.
Die Wirkung einer Zinssatzvariation der Zentralbank auf den gleichgewichtigen Auslastungsgrad kann nun wie folgt beschrieben werden: 25 (0.25)
du/di = [(7 - u/v) (dh/di)
+ (l-sz) - 9] / (h/v - ß).
Der Einfluß einer Zinssatzvariation auf den Auslastungsgrad im Gleichgewicht hängt also von den direkten Einflüssen dieser Variation auf Akkumulation (-9) und Sparen (l-sz) und von den sich indirekt über die Veränderung des Reallohnsatzes bzw. der Profitquote auswirkenden Einflüssen auf Akkumulation [T(dh/di)] und Sparen [-(u/v)(dh/di)] ab.
25 Da im g-u-Gleichgewicht gilt: dg=O und du=O, folgt für das Gleichgewicht hieraus: dg=du, ßdu + Tdh-8i= (h/v)du + (u/v)dh-(I-sz)di. Hieraus ergibt sich: du/di = [(T-u/v)(dh/di) + (1-sz)-8]/(h/v-ß).
11. Kredit, Zinssatz und Akkumulationsgleichgewicht
245
Die Wirkungen einer exogenen Zinssatzvariation auf die Akkumulationsrate setzt sich ebenfalls über die direkten Einflüsse (-9) auf die Akkumulationsentscheidungen und über die indirekten Einflüsse, die sich über die Veränderung des Reallohnsatzes [T(dh/di)] und des Auslastungsgrades [ß(du/di)] im Gefolge einer Zinssatzvariation Geltung verschaffen, durch: (0.26)
dg/di = ß(du/di)
+ T(dh/di) - 9.
Für die Veränderung der gleichgewichtigen Profitrate26 in Abhängigkeit einer Veränderung des Zinssatzes gilt schließlich: (0.27)
dr/di = (dg/di) dr/di = ß(du/di)
+ (l-sz),
+ T(dh/di) - 9 + (l-sz).
Die gleichgewichtige Profitrate ändert sich bei Variation des Zinssatzes also durch die direkten und indirekten Einflüsse der Zinssatzveränderung auf die Akkumulationsrate und die Sparrate. Für die weitere Analyse sollen nun die beiden oben angedeuteten Fälle der Preisveränderung bei Zinssatzvariation unterschieden werden. Im MarxKalecki Fall führt eine Zinssatzveränderung nicht zu einer Veränderung des Mark-ups, Reallohnsatz und Profitquote bleiben konstant, d.h. dh/di=O. Im neo-ricardianischen Fall hingegen wird eine Zinssatzänderung durch eine gleichgerichtete Veränderung des Mark-ups begleitet, d.h. dh/di > o. Zuerst wird der Marx-Kalecki Fall betrachtet. Oa sich im Marx-Kalecki Fall keine Veränderung der Verteilung des Einkommens auf Löhne und Gewinne ergibt, hängt hier die Wirkung einer Zinssatzveränderung auf den Auslastungsgrad nur noch von den direkten Einflüssen auf Akkumulationsrate und Sparrate ab. Gleichung (0.25) vereinfacht sich zu: (0.28)
du/di = [(l-sz) - 9] / (h/v - ß).
26 Für die Profitrate im g-u-Akkumulationsgleichgewicht gilt: r = g + (l-sz)i.
246
D. Kredit, Zins, Finanzierung und Akkumulation
Weil auf Grund der Stabilitätsbedingung (h/v-ß >0) der Nenner hier stets positiv ist, ist die Veränderung des Auslastungsgrades von der Intensität der unmittelbaren Reaktion von Akkumulation und Sparen auf eine Zinssatzänderung abhängig. Es gilt: (0.28a)
du/di
< 0, wenn (l-sz) - 8 < 0,
(0.28b)
du/di
> 0, wenn (l-sz) - 8 > 0.
Wird durch eine Zinssatzerhöhung die Konsumnachfrage der Zinseinkommensbezieher hinreichend erhöht, um die negativen Wirkungen der Zinssatzerhöhung auf die Kapitalakkumulation und damit auf die Investitionsnachfrage zu kompensieren, so kann ein Zinsanstieg durch einen Anstieg des Auslastungsgrades im neuen Akkumulationsgleichgewicht begleitet sein. Wie (0.28a) zeigt, ist eine solche Konstellation umso wahrscheinlicher, je geringer die Sparquote der Zinseinkommensbezieher und je geringer die (negative) Reaktion der Akkumulationsentscheidungen bei Zinssatzerhöhung. Umgekehrt gilt, daß je größer die Spameigung der Zinseinkommensbezieher und je größer der negative zinsspezifische Reaktionskoeffizient in der Akkumulationsfunktion, desto eher tritt die Situation ein, in der eine Zinssatzerhöhung zu einem reduzierten Auslastungsgrad im neuen Gleichgewicht führt. Hier reicht dann die mit der Zinssatzvariation einhergehende Veränderung der Aufteilung der Gewinneinkommen und die hierdurch ausgelöste Konsumsteigerung nicht mehr aus, um den Rückgang der Investitionsnachfrage im Hinblick auf den Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten zu kompensieren. Betrachtet man die Auswirkung einer Zinssatzänderung auf die Akkumulationsrate, so kann für den Marx-Kalecki Fall die Gleichung (0.26) wie folgt vereinfacht werden: (0.29)
dg/di = ß(du/di) - 8.
Die gleichgewichtige Akkumulationsrate nimmt im Gefolge einer Zinssatzerhöhung also dann einen höheren Wert an, wenn die direkten negativen Wirkungen der Zinssatzerhöhung (-8) durch die über den Auslastungsgrad vermittelten indirekten positiven Wirkungen [ß(du/di)] kompensiert werden. Fällt jedoch der Auslastungsgrad nach einer Zinssatzerhöhung, so geht auch die Akkumulationsrate zwingend zurück. Steigt hingegen der Auslastungsgrad nach einer Zinssatzerhöhung, so ist auch ein Anstieg der Akkumulationsrate
11. Kredit, Zinssatz und Akkumulationsgleichgewicht
247
möglich, wenn der auslastungsspezifische Reaktionskoeffizient in der Akkumulationsfunktion (ß) einen sehr großen Wert annimmt, und der Betrag des zinsspezifischen Koeffizienten (9) hinreichend klein ist, so daß gilt: ß(du/di)-
9>0. Bezieht man nun die Veränderung der gleichgewichtigen Profitrate in die Analyse ein, so lassen sich die möglichen Akkumulationskonstellationen weiter differenzieren. Für den Marx-Kalecki Fall kann zu diesem Zweck die Reaktion der Profitrate auf eine Zinssatzvariation aus Gleichung (0.27) vereinfacht werden zu: (0.30)
dr/di = (dg/di)
+ (l-sz),
dr/di = ß(du/di) - 9
+ (l-sz).
Die gleichgewichtige Profitrate steigt bei einer Zinssatzerhöhung immer dann an, wenn die Zinssatzerhöhung auch zu einer höheren Akkumulationsrate führt. Führt eine Zinssatzerhöhung jedoch zu einer Senkung der Akkumulationsrate, so sind verschiedene Reaktionen der Profitrate möglich. Ist die Senkung der Akkumulationrate begleitet von einer Senkung des Auslastungsgrades, so ergibt sich stets eine Senkung der Profitrate. 27 Fällt jedoch die Akkumulationsrate bei einer Steigerung des Zinssatzes bei gleichzeitiger Steigerung des Auslastungsgrades, so ist sowohl eine höhere als auch eine geringere Profitrate im neuen Gleichgewicht möglich. Das Resultat hängt hier von der relativen Stärke der gegenläufigen Einflüsse ab. Bei Konstanz des Reallohnsatzes nach einer Zinssatzveränderung sind also vier verschiedene Akkumulationsregimes möglich, die in der Abbildung 0.2 als die Regimes 1 bis 4 aufgeführt sind. Nur Regime 1 weist die üblicherweise in den post-keynesianischen Modellen28 mit einer Erhöhung des Zinssatzes assoziierten durchgehend negativen Reaktionen von Auslastungsgrad, Akkumulationsrate und Profitrate auf. Diesem Regime liegt eine hohe (negative) Sensibilität der Investitionen im Hinblick auf Zinssatzvariationen zugrunde, wodurch das Modellergebnis eindeutig dominiert wird. Reagieren
27 Da für du/di O.
Eine Zinssatzerhöhung führt also immer dann zu einer Steigerung des Auslastungsgrades, wenn die Summe der positiven Effekte, die sich aus einer direkten Erhöhung der Konsumnachfrage der Zinseinkommensbezieher (l-sz} und einer indirekten über die Senkung des Reallohns vermittelten Stimulierung der Investitionsnachfrage [T(dh/di)] zusammensetzen, die negativen Effekte, die aus einer direkten Senkung der Investitionsnachfrage (-9) und einer indirekten über die Senkung des Reallohnsatzes ausgelösten Reduktion der Konsumnachfrage der Lohneinkommensbezieher [-(u/v)(dh/di)] bestehen, übersteigen. Dominieren die negativen Effekte, so führt eine Zinssatzerhöhung zu einer Senkung des Auslastungsgrades. Auch bei Überwälzung der Zinssatzvariation auf die Preise ist somit keine eindeutige Reaktion des gleichgewichtigen Auslastungsgrades prognostizierbar . Auch die Veränderung der Akkumulationsrate nach einer Zinssatzänderung ist im neo-ricardianischen Fall ungewiß. Hier gilt aus Gleichung (D.26):
ll. Kredit, Zinssatz und Akkumulationsgleichgewicht
(0.32)
dg/di
249
> 0, wenn ß(du/di) + T(dh/di) - e > o.
Oie Akkumulationsrate reagiert also unter der Voraussetzung positiv auf eine Zinssatzerhöhung, daß die indirekten Wirkungen über die Veränderung der Profitquote und des Auslastungsgrades positiv sind und die negative direkte Wirkung überkompensieren. Hiervon kann aber nicht in jedem Fall ausgegangen werden, da lediglich die indirekte Wirkung über die Senkung des Reallohns zwingend positiv ist, die über den Auslastungsgrad auf Grund der Indeterminiertheit einer diesbezüglichen Wirkung der Zinssatzveränderung aber ungewiß ist. Selbst wenn beide indirekten Einflüsse des Zinssatzes positiv sind, ist zudem unklar, ob sie die direkte negative Wirkung einer Zinssatzerhöhung überkompensieren. Eine Steigerung des Auslastungsgrades nach einer Zinssatzsteigerung ist im neuen Gleichgewicht sowohl kompatibel mit einer gestiegenen als auch mit einer gefallenen Akkumulationsrate, genauso wie eine durch eine Zinssatzerhöhung ausgelöste Senkung des Auslastungsgrades kompatibel ist mit einem Anstieg oder einem Fall der Akkumulationsrate. Zuletzt können noch die Auswirkungen einer Zinssatzänderung auf die Profitrate im Akkumulationsgleichgewicht betrachtet werden. Aus Gleichung (0.27) folgt hier: (0.33)
dr/di
> 0, wenn (dg/di) + (1-sz) > O.
Reagiert nun die Akkumulationsrate positiv auf eine Zinssatzerhöhung, so gilt stets gleiches für die Profitrate im neuen Gleichgewicht. Erfolgt nach einer Zinssatzsteigerung jedoch eine Reduktion der Akkumulationsrate, so kann hiermit sowohl ein Anstieg als auch ein Fall der gleichgewichtigen Profitrate einhergehen, wie (0.33) zeigt. Wird von einer Erhöhung des Mark-ups bei Zinssatzerhöhungen ausgegangen, so können also sechs weitere Akkumulationskonstellationen unterschieden werden, die als Akkumulationsregimes 5-10 in Abbildung 0.2 aufgeführt sind.
250
D. Kredit, Zins, Finanzierung und Akkumulation
I 2
3 4 5 6
7 8 9
10
dh/di 0 0 0 0
+ + + + + +
duldi -
+ + + -
-
+ + +
dgldi -
dr/di
-
+
+ +
+
+ +
+
+ +
-
-
Abbildung D.2: Profitquote, Auslastungsgrad, Akkumulationsrate und Profitrate bei Variation des Zinssatzes: Mögliche Akkumulationskonstellationen
Nur in der Akkumulationskonstellation 5 kommt es auch bei Unterstellung einer neo-ricardianischen Preisreaktion nach einer Zinssatzerhöhung zu den eindeutig negativen Reaktionen von Auslastungsgrad, Akkumulationsrate und Profitrate, die in der post-keynesianischen Theorie herkömmlich erwartet werden. Auch hier ist diese Konstellation darauf zurückzuführen, daß die Investitionen besonders sensibel auf Zinssatzveränderungen reagieren. Verstärkt wird dieser Effekt hier noch durch die Umverteilung zuungunsten der Arbeiterklasse, wodurch auch ein konsumtiver Nachfrageausfall hinzukommt, der durch die Einkommenssteigerung bei den Zinseinkommensbeziehem auf Grund einer geringeren Konsumneigung aus Zinseinkommen nicht kompensiert werden kann. Wird jedoch die Spameigung der Zinseinkommensbezieher geringer und nimmt der zinsspezifische ReaktionkoeffIzient in der Akkumulationsfunktion ebenfalls geringere Werte an, so sind auch hier wieder Akkumulationskonstellationen bis hin zu einer durchgehend positiven Reaktion von Auslastungsgrad, Akkumulationsrate und Profitrate bei Erhöhung des Zinssatzes möglich, wie sie von Autoren der klassischen bzw. neo-ricardianischen Theorie abgeleitet werden. 29
29 Franke (1988) kommt bei der Einführung des Zinssatzes in ein klassisches Produktionspreismodell zu dem Ergebnis, daß eine Zinssatzsenkung stets zu einer Preisniveausenkung, einer Reallohnsatzerhöhung und einer Senkung der Profitrate und der Akkumulationsrate führen muß. Grundlage dieses Resultates bildet zum einen die Unterstellung einer neo-ricardianischen Preisreaktion bei Zinssatzvariationen, d.h. die
n. Kredit, Zinssatz und Akkumulationsgleichgewicht
251
Faßt man zusammen, so ist durch die Integration des Zinssatzes in das einfache Ein-Sektoren-Akkumulationsmodell gezeigt worden, daß das langfristige Akkumulationsgleichgewicht entscheidend von dieser exogenen monetären Variablen bestimmt wird. Allerdings sind die Wirkungen einer Zinssatzveränderung nicht eindeutig, sondern hängen von den Verhaltensparametern in Akkumulations- und Sparfunktion ab. Die Wirkungen einer Zinssatzänderung sind dabei außerordentlich komplex. Sie beeinflussen die Konsumnachfrage durch die Umverteilung des Einkommens zwischen Arbeiterklasse und Kapitalistenklasse einerseits und zwischen Unternehmen und Vermögensbesitzern andererseits. Zinssatzänderungen beeinflussen daneben die Akkumulationsentscheidungen direkt, aber auch indirekt durch die Einflüsse auf Auslastungsgrad und Einkommensverteilung. Hierdurch sind nun, wie oben gezeigt, verschiedene Reaktionen der gleichgewichtigen Akkumulationskonstellation auf Zinssatzvariationen möglich. Es lassen sich also wiederum keine allgemeinen apriori-Aussagen über die Auswirkungen einer Zinssatzveränderung auf den Auslastungsgrad, auf die Akkumulationsrate und auf die Profitrate im Gleichgewicht formulieren. Es ist allgemein kein eindeutig negativer Zusammenhang zwischen der Höhe des Zinssatzes und der Akkumulations- und der Profitrate, wie er in der postkeynesianischen Theorie üblicherweise unterstellt wird, ableitbar. Es besteht ebenfalls kein eindeutig positiver Zusammenhang zwischen der Höhe des Zinssatze und der Akkumulations- und Profitrate, wie in neo-ricardianischen Modellen unterstellt wird. Folgt man dem hier entwickelten Ansatz, so kommt es vielmehr darauf an, im Rahmen einer historisch konkreten Analyse die spezifischen Verhaltensparameter in Akkumulations- und Sparfunktion zu identifizieren, um die Wirkungen einer Zinssatzänderung abschätzen zu können. 30 Dieses soll in dieser Arbeit nicht geschehen. Im folgenden Kapitel wird vielmehr die Welt der
Betrachtung des Zinssatzes als Teil der Produktionskosten, und zum anderen die Annahme, daß die durch die Sparquote der Kapitalisten und die Profitrate gegebene Sparrate die gleichgewichtige Akkumulationsrate vorgibt. Pivetti (1985) kommt bei Berücksichtigung der Verteilungswirkung einer Zinssatzvariation in einer neo-ricardianischen Argumentation hingegen zu dem Schluß, daß die Auswirkungen auf das Niveau und die Zusammensetzung der effektiven Nachfrage und damit auf Output und Beschäftigung unbestimmt sind. 30 Hierbei müßte das Modell dann natürlich an die Bedingungen entwickelter kapitalistischer Ökonomien angepaßt werden und sowohl außenwirtschaftliche als auch staatliche Einflüsse integriert werden.
252
D. Kredit, Zins, Finanzierung und Akkumulation
Akkumulationsgleichgewichte verlassen und der Zusammenhang von Kredit, Zins und Krise aus Marxscher und Keynesscher bzw. post-keynesianischer Perspektive untersucht, wodurch dem bereits in Abschnitt B herausgearbeiteten Umstand Rechnung getragen wird, daß sowohl Marx als auch Keynes den tatsächlichen Akkumulationsprozeß in kapitalistischen Ökonomien als krisenhaft und ungleichgewichtig beschreiben.
III. Kredit, Zins und Krise Die in diesem Kapitel vorzunehmende Einbeziehung von Kredit und Zins in die Marxschen und post-keynesianischen krisentheoretischen Überlegungen knüpft an die aus beiden Perspektiven entwickelten Grundlagen der kapitalistischen Geldökonomie an und zieht zur Einschätzung der zu diskutierenden Ansätze die im vorhergehenden Kapitel entwickelten ·steady-state"-Eigenschaften einer solchen Ökonomie heran. Dies bedeutet insbesondere, daß auch hier nur Ansätze berücksichtigt werden, die die Endogenität der Kreditgeldmenge für den ökonomischen Prozeß und die Exogenität des durch die Zentralbank gesetzten Basiszinssatzes unterstellen. 31 Die Darstellung ist dabei auf die Untersuchung der monetären Einflüsse auf den Abbruch eines Akkumulationsbooms beschränkt und bleibt insofern krisentheoretisch. Es soll hier also nicht darum gehen, ein dynamisches Modell zu formulieren, das in der Lage ist, durch monetäre Variablen verursachte Schwankungen um einen endogenen Trend zu generieren. 32 Die post-Keynessche Sicht des Zusammenhangs zwischen Kredit, Zins und Krise wird im folgenden anhand der Ansätze von H.P. Minsky, als Vertreter des U.S.-amerikanischen Post-Keynesianismus, und von H. Herr, stellvertretend für die deutsche monetär-keynesianische Schule, dargestellt. Diesen post-Keynesschen Ansätzen wird sodann die Marxsche Sichtweise, die sich insbesondere im dritten Band des Kapital findet, gegenübergestellt.
31 Hieraus folgt, daß marxistische und post-keynesianische Ansätze, in denen, wie z.B. bei Foley (1987), die Geldmenge bzw. die Wachstumsrate der Geldmenge die exogene Variable darstellt, die den Akkumulationstrend vorgibt, und in denen die Wechselwirkungen von Zinssatz, Profitrate und Liquiditätsgrad lediglich für Fluktuationen um diesen Trend sorgen, hier keine Berücksichtigung finden. 32 Solche Modelle sind z.B. präsentiert worden von Dumenil/Levy (1994), Foley (1987), Jarsulic (1993), Keen (1995) und Shaikh (1989).
m. Kredit, Zins und Krise
253
1. Kredit, Zins und Krise aus post-keynesianischer und monetär-keynesianischer Perspektive
a) Minskys "financial instability n -Hypothese Ausgehend von Keynes' Theorie der kapitalistischen Geldökonomie hat Minsky (1975) den Versuch unternommen, eine explizite Theorie kapitalistischer Dynamik zu entwickeln, die in der Lage ist, die endogene Entwicklung ökonomischer Krisen zu erklären. Die Ursachen für krisenhafte Entwicklungen lokalisiert Minsky im finanziellen Sektor der Ökonomie. Er geht davon aus, daß die Instabilität der Investitionen im Zeitverlauf insbesondere durch fmanzielle Instabilitäten verursacht werden. Diese sind in der sich systematisch entwickelnden Störanfälligkeit von Gläubiger-Schuldner-Beziehungen zu suchen. Im Rahmen der Analyse der finanziellen Instabilität hebt Minsky insbesondere die Verschuldungsstruktur der Unternehmen und deren Einfluß auf die Investitions- und Finanzierungsentscheidungen hervor. Keynes folgend geht er davon aus, daß Investitionsentscheidungen in entwickelten kapitalistischen Geldökonomien zwei Typen von Risiken beinhalten: zum einen das Risiko des Schuldners bzw. des Investors, zum anderen das Risiko des Gläubigers. Das Schuldner-Risiko besteht darin, daß die mit einer Investition erwarteten Erträge unsicher sind. Dadurch ist nicht garantiert, daß die Erträge den Investor in die Lage versetzen, seine fixierten Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Das Gläubiger-Risiko besteht für den Kreditgeber in der Unsicherheit, ob der Schuldner den Zahlungsverpflichtungen auch tatsächlich nachkommen kann. Es steigt nach Minsky (1975, S. 106) ceteris paribus mit dem Anstieg der Fremdkapitalquote. In Abhängigkeit dieser beiden Risiken entscheiden nun die Unternehmen, welchen Anteil der vorzunehmenden Investitionen sie durch Kredite finanzieren, und die Banken, inwiefern sie dieser Kreditnachfrage zu einem gegebenen Zinssatz nachkommen. Hierdurch wird das Investitionsvolumen und damit die Größe eines Unternehmens bestimmt (vgl. Minsky 1975, S. 107). Es ist also Kaleckis "principle of increasing risk" (Kalecki 1937), das auch bei Minsky das Investitionsvolumen von der Finanzierungsseite her beschränkt, trotz der potentiellen Fähigkeit des Bankensektors, zu einem gegebenen Zinssatz unendlich Kredit zu schöpfen. 33
33 Die resultierende Kreditgeldmenge ist so auch bei Minsky durch die Profiterwartungen der Banken und der Unternehmen determiniert, die die Höhe des Investitionsvolumens und dessen Finanzierung festlegen, wodurch sich die von den Banken zu befriedigende Kreditnachfrage ergibt (vgl. z.B. Minsky 1986, S. 118).
254
D. Kredit, Zins, Finanzierung und Akkumulation
Die Investitionsentscheidungen im Zeitverlauf werden nun durch die Entwicklung der Preisniveaus auf Güter- und auf Finanzmärkten determiniert. Das Preisniveau auf Gütermärkten sieht Minsky, wieder in Anlehnung an Kalecki, durch die Mark-up Preissetzung der Unternehmen bestimmt. Der Mark-up wird hier als Differenz zwischen Outputpreis und technologisch bestimmten Durchschnittskosten defmiert (vgl. Minsky 1986, S. 154). Das Preisniveau auf den Finanzmärkten, auf denen die von den Unternehmen zwecks langfristiger Finanzierung von Investitionen ausgegebenen Wertpapiere gehandelt werden, hängt entscheidend von den erwarteten Erträgen der Unternehmen ab (vgl. Minsky 1986, S. 141 ff.). Die Preisniveaus auf Güterund auf Finanzmärkten unterliegen so unterschiedlichen Bestimmungsfaktoren, sind jedoch nicht unabhängig voneinander und verursachen durch ihre widersprüchliche Bewegung den Konjunkturzyklus, wie weiter unten zu zeigen sein wird. Damit nun ein Investitionsvorhaben durchgeführt wird, müssen nach Minsky zwei Bedingungen erfüllt sein. Der durch die kapitalisierten erwarteten Erträge bestimmte Nachfragepreis eines Investitionsprojektes muß den durch die Mark-up Preissetzung auf Gütermärkten bestimmten Angebotspreis überschreiten. Gleichzeitig müssen die erwarteten Erträge die durch die Kreditfinanzierung eingegangenen Zahlungsverpflichtungen übersteigen (vgl. Minsky 1975, S. 107 ff.). Sind diese Bedingungen erfüllt, so wird das Investitionsvolumen jedoch nicht unendlich groß, weil nach Minsky mit steigendem Investitionsvolumen das Schuldner-Risiko ansteigt und das GläubigerRisiko mit steigendem Verschuldungsgrad des Unternehmens ebenfalls zunimmt und so einen Anstieg des Zinssatzes erzwingt. Es bildet sich so mit dem Investitionsvolumen gleichzeitig eine von Banken und Unternehmen akzeptierte Verschuldungsstruktur heraus (vgl. Minsky 1986, S. 172). Da Minsky - analog zu Kalecki - davon ausgeht, daß die Bruttoprofite in jeder Periode durch die Investitionsausgaben bestimmt werden,34 sind es die durch die Unternehmen durchgeführten Investitionen, die darüber entscheiden, ob ihnen die Fonds zufließen, die sie benötigen, um den Zahlungsverpflichtungen, die in den vergangenen Perioden eingegangen wurden, nachzukommen. Die sich durch die Investitionen in der betrachteten Periode jeweils herausbildende Verschuldungsstruktur reflektiert also die Erwartungen
34 Minsky nimmt hier vereinfachend an, daß die Arbeiter nicht sparen und die Kapitalisten nicht konsumieren (vgl. Minsky 1977, S. 23). Es gilt daher Y =I+C und Y=W+7f. Da W=C, folgt '1/'=1.
m. Kredit, Zins und Krise
255
und Spekulationen im Hinblick auf die Entwicklung der Investitionen in zukünftigen Perioden. "Thus, in a capitalist economy investment takes place now because it is expected that investment will take place in the future.· (Minsky 1986, S. 146)
Soweit zur Grundstruktur des Minsky-Modells. Hierauf aufbauend kann nun ein Prozeß skizziert werden, der zur fmanziellen Instabilität und letztlich zur ökonomischen Krise führt. Werden die mit einer bestimmten Investitionshöhe oder einer bestimmten Wachstumsrate der Investitionen verbundenen Erwartungen bestätigt, d.h. wachsen die Investitionen in einem solchen Tempo, daß die Unternehmen durch die damit realisierten Profite in die Lage versetzt werden, die mit der Verschuldungsstruktur eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen, so verändern sich nach Minsky die Ansichten über die akzeptable Verschuldungsstruktur. Gläubiger- und Schuldner-Risiko werden bei prosperierender ökonomischer Entwicklung als zunehmend geringer eingeschätzt. Der akzeptable Verschuldungsgrad zur Finanzierung von ökonomischer Aktivität steigt. Ein so eingeleiteter Investitionsboom legt jedoch gleichzeitig die Grundlagen für finanzielle Instabilität und Krisen des Finanzsystems (vgl. Minsky 1977, S.24). Unternehmen finanzieren nun einen immer größeren Teil ihrer Investitionen durch Fremdkapital. Die Fremdkapitalquote steigt, weil über die Verwendung von Fremdkapital die Eigenkapitalrendite erhöht werden kann. Haushalte und Unternehmen reduzieren ihre Liquiditätshaltung relativ zu ihrer Verschuldung. Banken dehnen ihre Kredite relativ zu den von ihnen gehaltenen Sicherheiten aus (vgl. Minsky 1975, S. 123). Die Fragilität des Finanzsystems steigt an und wird im wesentlichen durch folgende Determinanten bestimmt: 3S 1. durch die relativen Anteile von "hedge finance", "speculative fmance" und "Ponzi fmance" , 2. durch den Grad der Liquidität im ökonomischen System und 3. durch den Anteil der Kredite an der Investitionsfinanzierung.
3S Vgl. hierzu auch Wolfson (1986, S. 21).
256
D. Kredit, Zins, Finanzierung und Akkumulation
Insbesondere die Anteile der verschiedenen Finanzierungsrisiken sind hier von Bedeutung (vgl. Minsky 1977, S.25). Als "hedge finance" gilt die Kredit-Finanzierung von Ausgaben dann, wenn die erwarteten Erträge der Ausgaben (Investition), die mit dem Kredit eingegangenen Zahlungsverpflichtungen übersteigen. Solange Güter- und Faktormärkte normal funktionieren gibt es hier keine Rückzahlungsstörungen. Dies ist anders bei der "speculative finance". Hier reichen die erwarteten Erträge nicht aus, um die eingegangenen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Diese müssen daher beständig refinanziert werden, indem neue Verbindlichkeiten eingegangen werden, um die alten abzulösen. Ein leichter Anstieg der Zinssätze kann hier zu großen Problemen führen. "Speculative finance" kann dadurch zur "Ponzi finance" werden, bei der den Zahlungsverpflichtungen nur durch eine ständige Erhöhung der Verschuldung nachgekommen werden kann. Im Verlaufe eines Investitions-Booms nehmen nun nach Minsky allgemein durch die Reduktion von Gläubiger- und Schuldnerrisiko die Determinanten, die die Fragilität des Finanzsystems bestimmen, kritische Werte an, wodurch es zu einer Neubewertung von Gläubiger- und Schuldner-Risiko kommt, und die akzeptable Verschuldungsstruktur kollabiert. Hierdurch wird dann eine Finanzkrise ausgelöst, die zum Kollaps der Investitionstätigkeit führt und einen deflationären Prozeß auslöst. Dieser Prozeß kann in etwa wie folgt skizziert werden (vgl. Minsky 1975, S. 123 ff.): In der Expansionsphase des Zyklus nimmt die Kreditfinanzierung von Investitionen zu. Hierdurch werden entsprechend hohe Profite realisiert, wodurch das Vertrauen in die zukünftige Entwicklung ansteigt. Der akzeptable Verschuldungsgrad steigt an. Gleichzeitig nimmt die Liquiditätshaltung angesichts positiver Zukunftserwartungen ab. Haushalte halten Wertpapiere an Stelle von Liquidität. Die Banken dehnen die Kreditvergabe angesichts eines geringen Gläubigerrisikos aus. Die Fremdkapitalquote der Unternehmen steigt ebenso kontinuierlich an wie der Anteil der Zahlungsverpflichtungen an den erwarteten Erträgen. Haben die Unternehmen nun auf Grund der geringeren Zinssätze langfristige Investitionen mit kurzfristigen Krediten finanziert, so müssen sie diese Kredite durch den Verkauf von Wertpapieren ständig refinanzieren. Der Anteil der "speculative finance" und der "Ponzi finance" nimmt zu. Die Störanfälligkeit des Finanzsystems steigt also kontinuierlich an. Diese Fragilität führt nach Minsky nun aus zwei Gründen in die Finanzkrise. Zum einen sind die Haushalte nicht unbegrenzt bereit, von den Unternehmen ausgegebene Eigentumstitel oder langfristige Schuldverschreibungen
m. Kredit, Zins und Krise
257
nachzufragen. Die spekulative Nachfrage nach Liquidität steigt bei einer als kritisch angesehenen Verschuldungsstruktur vielmehr wieder an (vgl. Minsky 1975, S. 124 f.). Der Preis der von den Unternehmen angebotenen Wertpapiere sinkt entsprechend. Zum anderen kann der Kreditbedarf der Unternehmen nur noch zu steigenden Zinssätzen befriedigt werden, weil nun eine weitgehend unbegrenzte Kreditnachfrage, begründet durch den Refinanzierungsbedarf bei "speculative fmance" und "Ponzi finance", auf ein Kreditangebot trifft, das entweder durch eine restriktive Politik der Zentralbank oder durch eine erhöhte Liquiditätspräferenz der Vermögensbesitzer und der Banken, die jeweils ein steigendes Gläubigerrisiko annehmen, beschränkt wird. Steigende Zinssätze und fallende Wertpapierkurse lösen damit die Finanzkrise aus. Die Unternehmen sind immer weniger in der Lage - auch bei konstanten Profiten -, die progressiv steigenden Zahlungsverpflichtungen zu bedienen. Gläubiger- und Schuldner-Risiko müssen neu bewertet werden. Die Investitionsnachfrage bricht zusammen, zum einen weil keine Kredite zur Finanzierung zur Verfügung stehen, zum anderen weil die zukünftigen Erträge als so gering erachtet werden, daß der Nachfragepreis für Kapitalgüter unter den Angebotspreis fällt. Ein Zusammenbruch der Investitionsnachfrage bedeutet aber gleichzeitig eine Reduktion der realisierten Profite. Zur Refinanzierung von Krediten sind die Unternehmen also zunehmend auf den Verkauf von Wertpapieren angewiesen. Dieses Angebot trifft aber auf Grund der Liquiditätpräferenz der Haushalte auf keine entsprechende Nachfrage, so daß sich der Kursverfall hier fortsetzt. Minsky erhält als Ergebnis einen kumulativen Deflations- und Einkommenskontraktionsprozeß, der durch die sich im Investitionsboom aufbauende fmanzielle Instabilität ausgelöst wurde. Diese Abwärtsbewegung findet ihre Grenzen durch stabilisierende Eingriffe der Zentralbank, durch defizitfinanzierte Ausgaben der öffentlichen Haushalte, sowie durch einkommensunelastische Konsumausgaben (vgl. Minsky 1975, S. 126). Im Verlauf dieser Abwärtsbewegung und der darauf folgenden Stagnation bilden sich durch Entwertungsprozesse von Forderungen wieder akzeptable Verschuldungsstrukturen mit geringeren Fremdkapitalquoten heraus. Es werden so die Grundlagen für eine erneute Expansionsphase gelegt. Minsky faßt die "financial instability"-Hypothese daher in zwei Postulaten wie folgt zusammen: "Over a timespan without a financial panie and a deep depression, the finaneial strueture ehanges so that finaneial layering inereases and the proportion of what I 17 Hein
258
D. Kredit, Zins, Finanzierung und Akkumulation
called speculative and Ponzi financial postures increase. The above can be called the first postulate of the Financial Instability hypothesis. The second postulate is that the increase in layering and the shift in the structure of payment commitments progressively increase the vulnerability of the fmancial system to a debt deflation process, which can usher in a deep depression business cycle." (Minsky 1995, S.92)
Die immanente Instabilität kapitalistischer Akkumulation wird von Minsky also einzig aus der systematischen Auseinanderentwicklung von Verschuldung und Rückzahlungsfähigkeit der Unternehmen bestimmt. Es ist jeweils die Überschätzung der noch akzeptablen Verschuldungsstruktur , die durch die zukünftigen Einkommens- und Profitentstehungsprozesse gegeben ist, die in die Krise führt. Eine solche Herleitung der Krise aus ungerechtfertigten Erwartungen ist jedoch in mehrfacher Hinsicht kritikwürdig. So vernachlässigt Minsky bei der Deduktion eines steigenden Verschuldungsgrades der Unternehmen in der aufsteigenen Phase des Zyklusses die von ihm zugrunde gelegten kreislauftheoretischen Zusammenhänge. 36 Wie in Kapitel 0.1.3. dieser Arbeit gezeigt wurde, sind für das Gesamtsystem durchaus Bedingungen möglich, unter denen ein komplett kreditfinanziertes Investitionsniveau nicht durch eine finanzierungsseitige Störung beeinträchtigt wird, da der Unternehmenssektor über die kreditfinanzierten Ausgaben entprechend hohe Einnahmen erzielt, die zur Rückzahlung der Kredite hinreichen. Es ist unter diesen Bedingungen fraglich, ob es bei der Ausdehnung der ökonomische Aktivität zu einer dauerhaften Erhöhung des Verschuldungsgrades des Unternehmenssektors überhaupt kommen kann. 37 Minskys Argumentation beruht daher soweit auf einer unzulässigen Übertragung mikrotheoretischer Überlegungen auf die Makroebene, d.h. auf gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge (vgl. Lavoie 1995a). Erst wenn die Haushalte nicht mehr bereit sind, das von ihnen gesparte Einkommen vollständig zum Kauf von Eigentumstiteln an den Unternehmen zu verwenden, erst wenn also steigende Liquiditätshaltung auftritt, steigt der 36 Eine ähnliche Kritik formuliert auch Herr (1988, S. 176 ff.). 37 Dutt (1995) zeigt anband einer Reformulierung des Steindl-Modells, daß auf kaleckianischen Grundlagen ein von den Unternehmen intendierter Anstieg des Verschuldungsgrades bei Ausdehnung der kreditfinanzierten Investitionen fiir die Gesamtökonomie gar nicht möglich ist, da mit Ausdehnung der Investitionen ebenfalls eine Erhöhung der Profite und damit der Eigenmittel der Unternehmen erfolgt. Der Abbruch eines Investitionsbooms kann auf diese Weise also nicht begründet werden.
m. Kredit, Zins und Krise
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Verschuldungsgrad der Unternehmen dauerhaft an. Eine zunehmende Liquiditätshaltung schließt Minsky für den Investitionsboom jedoch aus. Es ist daher nicht einsichtig, daß das System im Aufschwung zwingend einen kritischen Verschuldungsgrad erreicht und durch die dann eintretende Liquiditätshaltung und Neubewertung des Gläubigerrisikos eine Zinssatzsteigerung ausgelöst wird. Diese kann auf Minskys eigenen Grundlagen mithin nicht als eigentliche Ursache der Krise klassifIziert werden, sondern lediglich als gleichwohl den Krisenprozeß verschärfende - Folge eines Zusammenbruchs der erwarteten Erträge. Erst wenn die Erträge der Investitionen nicht mehr hinreichen, um die mit den Investitionsprojekten eingegangenen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, steigt das Gläubiger- und Schuldner-Risiko und nimmt die Liquiditätshaltung im System zu. Erst wenn also die ProfItrate unter den Zinssatz fällt, treten potentiell Zahlungsschwierigkeiten auf. Diese werden dann allerdings durch den Verschuldungsgrad, der zusätzlich Zinssatzsteigerungen auslöst, potenziert; sie werden aber nicht von diesem ausgelöst. Um eine adäquate Theorie kapitalistischer Instabilität zu liefern, müßte Minskys Theorie um eine Erklärung für eine im Boom fallende ProfItrate ergänzt werden. Diese ist in dem von ihm präsentierten Ansatz jedoch annahmegemäß ausgeschlossen. Indem er den Ausgaben-ProfIt-Mechanismus nach Kalecki unterstellt, impliziert Minsky, daß sich jedes Investitionsniveau bzw. jedes Akkumulationstempo die erwartete ProfItmasse schafft und keine Angebot-Nachfrage-Ungleichgewichte auftreten. Dies bedeutet, daß sich die Ökonomie stets im I=S-Gütermarktgleichgewicht befmdet. Durch die Unterstellung der kaleckianischen Mark-up Preissetzung ist zudem die funktionale Einkommensverteilung gegeben und bleibt im Aufschwung konstant. Die ProfItrate wird im Expansionsprozeß daher weder von der Nachfrage- bzw. Auslastungsseite noch von der Kosten- bzw. Verteilungsseite eingeschränkt, wenn die Unternehmen ihre Investitionspläne realisieren. Man erhält so einen gleichgewichtigen, krisenfreien Expansionsprozeß. 38 Dies bedeutet, daß sich durch die Annahmen Minskys im Investitionsboom keine Störungen aufbauen können, die die realisierte oder erwartete ProfItrate unter den Zinssatz senken können. Ein Einbruch der Investitionen kann daher im Minsky-Modell nicht durch eine vorhergehende Reduktion der ProfItabilität begründet werden, sondern zieht diese lediglich als Folge nach sich. Minsky bleibt daher keine andere Wahl, als die Ursachen für den Zusammenbruch der Investitionen im
38 Vgl. hierzu auch Crotty (1986). 17'
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fmanziellen Sektor der Ökonomie zu suchen. Hier kann er jedoch keine überzeugende Krisenerklärung ableiten. Minskys "fmancial instability"-Hypothese liefert damit keine eigentliche Theorie über die Ursachen der ökonomischen Krise, sondern lediglich einen bedeutsamen Beitrag zu einer Theorie der Verschärfung der ökonomischen Krise durch fmanzielle Faktoren. Dem Ansatz fehlt jedoch eine Erklärung für die Auslösung der ökonomischen Krise. Diese ist entweder in einer überzeugenden Argumentation für die Zwangsläufigkeit einer Zinssatzsteigerung in Folge eines Investitionsbooms oder in einer Erklärung für die Reduktion der Profitrate im ökonomischen Aufschwung zu suchen. Die Begründung für einen zwangsläufigen Anstieg des Zinssatzes steht im Mittelpunkt des monetär-keynesianischen Ansatzes von Herr, wohingegen in der Marxschen Theorie die Krise durch eine im Investitionsboom zwangsläufig fallende Profitrate erklärt wird.
b) He"s "Vision einer Geldwirtschaft" Herr (1988) stellt die im Rahmen der deutschen monetär-keynesianischen Schule vertretene monetäre Theorie der Produktion, auf die in Kapitel B.II. dieser Arbeit bereits eingegangen wurde, in einen dynamischen und insbesondere krisentheoretischen Kontext. Als Kern einer Geldökonomie gilt in diesem Ansatz die Gläubiger-Schuldner-Beziehung, d.h. Geld hat hier insbesondere die Funktion, Inhalt von Schuldverträgen zu sein. Auf Grund der systemspezifischen Unsicherheit hat Geldvermögen die Eigenschaft, eine Liquiditäts- und Risikoprämie abzuwerfen, die die Höhe des Zinssatzes begründet und das Geld- bzw. Kreditangebot seitens der Vermögensbesitzer reguliert. Herr unterstellt nun, daß der industrielle Kapitalist sich verschuldet, um Geld in Produktivkapital vorzuschießen, daß der Bankier sich verschuldet, um selbst Kredite vergeben zu können, und daß die Vermögenshaushalte über Geld und Forderungen verfügen und zwischen Vermögensertrag (Zins) durch Kreditvergabe und Vermögenssicherung (Liquiditätsprämie) durch Liquiditätshaltung wählen (vgl. Herr 1988, S. 28). Ein positiver Zinssatz erzwingt nun durch die Knapphaltung von Produktionsprozessen eine positive Profitrate. Die Profitrate wird daher genauso wie der Zins als Prämie für die Aufgabe von Liquidität gefaßt (vgl. Herr 1988, S. 40). Die Zentralbank wird durch ihre Zinspolitik zum Garanten des permanenten arbeitslosen Überschusses (Herr 1988, S. 128 ff.). Ihr werden folgende Aufgaben zugewiesen:
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die Erhaltung der Kaufkraft des Geldes und die Erhaltung des Außenwertes der Währung. Hieraus folgt die Notwendigkeit des Erhalts eines Sockels von Arbeitslosigkeit, um Preisniveaustabilität mittels stabiler Geldlöhne zu erzwingen (vgl. Herr 1988, S. 71). Arbeitslosigkeit gilt damit als Funktionsbedingung des Systems und wird durch die Zinspolitik der Zentralbank garantiert (vgl. Herr 1988, S. 123). Die Macht der Zentralbank ist jedoch eine asymmetrische. Die Zentralbank kann zwar durch Anhebung des Verleihzinses jede Geld- und Kreditmengenexpansion und damit jede Investitionsexpansion zum erliegen bringen und so Arbeitslosigkeit erzeugen. Sie kann aber nicht durch Senkung der Verleihzinsen eine Kreditexpansion erzwingen und so Arbeitslosigkeit abbauen, wenn die Banken eine hohe Risikoprämie kalkulieren und/oder die Kreditnachfrage des Unternehmenessektors auf Grund pessimistischer Erwartungen gering ist (vgl. Herr 1988, S. 81). Marktprozesse in Geldökonomien verlaufen unter diesen Voraussetzungen nun kumulativ und streben keiner Gleichgewichtsposition zu (vgl. Herr 1988, S. 148). Die Akkumulationsdynamik der Geldwirtschaft wird dabei durch die Relation zwischen Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals und Zinssatz bestimmt. Der Aufschwung zeichnet sich durch einen Anstieg der Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals auf Grund steigender Profiterwartungen und einen Fall des Zinssatzes wegen sinkender Liquiditäts- und Risikoprämien aus, wohingegen der Abschwung durch einen Fall der Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals auf Grund fallender Profiterwartungen und einen Anstieg des Zinssatzes wegen steigender Liquiditäts- und Risikoprämien gekennzeichnet ist. Kumulative Prozesse ergeben sich durch im Aufschwung positive und im Abschwung negative Investitions-Profitmechanismen (vgl. Herr 1988, S. 154 f.), wobei diese nicht wie bei Minsky auf Mengeneffekte reduziert sind, sondern sich auch über Preis- und Verteilungseffekte durchsetzen. Herr unterstellt damit nicht, daß durch eine Mark-up Preissetzung die funktionale Einkommensverteilung in der ökonomischen Expansionsphase gegeben und konstant ist. Im Gegenteil, Preisniveauvariationen und der Kampf um die Verteilung des Einkommens auf Löhne und Profite werden zu entscheidenden Faktoren beim Abbruch des Investitionsbooms. Kumulative Auf- und Abwärtsbewegungen können nun wie folgt skizziert werden. 39 Eine exogene Verbesserung des Zustandes des Vertrauens als Aus39 Vgl. zur folgenden Darstellung Herr (1988, S. 171 ff.).
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löser einer Expansionsphase drückt sich zum einen in einer Steigerung der Grenzleistungsfahigkeit des Kapitals, zum anderen, auf Grund sinkender Liquiditäts- und Risikoprämien, in einer Senkung des Zinssatzes aus. Die Investitionstätigkeit wird hierdurch belebt und zunehmend durch Kredite finanziert. Das Kreditvolumen und damit die Geldmenge expandieren. Bedingung für die Tolerierung niedriger Zinsen durch die Zentralbank ist die Existenz einer hinreichend großen industriellen Reservearmee und damit die· Stabilität der Geldlöhne. Die Investitionskonjunktur alimentiert sich finanziell über den Investitions-Profit-Mechanismus weitgehend selbst. Andererseits wird auf Grund des "leverage"-Effektes eine Ausdehnung der Fremdfinanzierung intendiert, wobei in der Argumentation Herrs jedoch unklar bleibt, ob es dem Untemehmenssektor als Ganzes tatsächlich gelingt, die Eigenkapitalquote zu senken. Die ökonomische Expansion fmdet ihr Ende, wenn der Zinssatz über die Grenzleistungsfahigkeit des Kapitals hinaus ansteigt. Im Gegensatz zu Minsky sieht Herr den Abbruch der Investitionskonjunktur durch Preissniveausteigerungen im Boom und die hierdurch ausgelösten Eingriffe der Zentralbank zwecks Erhaltung des Geldsystems begründet. Kommt es im Investitionsboom nämlich zum Abbau der Arbeitslosigkeit, so können die Gewerkschaften höhere Geldlöhne durchsetzen. Hierdurch wird eine Lohn-Preis-Spirale angestoßen, zumindest solange, wie die Investitionsnachfrage nicht zusammenbricht. Die Geschäftsbanken dehnen das Kreditangebot trotz Preissteigerung weiter aus, solange der Rückfluß gesichert ist. Die Vermögenshaushalte verschärfen die inflationäre Bewegung, indem sie zur Haltung von Sachvermögen übergehen. Banken und Vermögenshaushalte können daher die Inflation nicht stoppen. Die Inflation treibt nun den kumulativen Aufschwung an, die Mengenkonjunktur geht in eine Inflationskonjunktur über, die wechselseitig vom Arbeitsmarkt und vom Gütermarkt angestoßen wird. Die Zentralbank muß sich nun zwischen Vollbeschäftigung und Preisniveaustabilität entscheiden und wird in der Regel - auf Grund ihrer Systemerhaltungsfunktion - letztere Möglichkeit wählen. Ein drastischer Anstieg der Zinssätze ist die Folge. Hierdurch findet der kumulative Aufschwung seinen Abbruch und geht in die Krise über. "Damit beinhaltet eine Geldwirtschaft einen harten systemimmanenten Konflikt zwischen einer Akkumulationsrate, die Arbeitslosigkeit beseitigt und Vollbeschäftigung erhält, und Preisstabilität. Dieser Konflikt, der nach Marktgesetzen keine Harmonisierung zuläßt, kann als endogener Mechanismus des Umschlags einer Aufschwungphase angesehen werden." (Herr 1988, S. 176)
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Bei Ausbruch der Krise bricht die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals - als Reflex der restriktiven Zinspolitik der Zentralbank - plötzlich zusammen, d.h. die erwarteten Erträge der Investitionen werden nach unten korrigiert. Es wird so eine kumulative Abwärtsbewegung eingeleitet, in der sich Zinssatz und Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals immer weiter auseinander entwickeln. Das Kreditangebot sinkt auf Grund der zunehmenden Liquiditätspräferenz der Vermögensbesitzer, wodurch die Marktzinssätze weiter allSteigen. Die Kreditnachfrage ist auch bei hohem Zinssatz auf Grund des hohen Liquiditätsbedarfs sehr hoch. Die Geld- und Kreditkrise folgt damit dem Abbruch des Aufschwunges. Die Investitionsnachfrage nimmt ab, oie Gewinndeflation und eine Investitions-Verlust-Spirale sind die Folge. Die Kontraktion des Kreditvolumens und der Geldmenge geht hiermit einher. Die industrielle Reservearmee wird im Abschwung wieder aufgebayt, Geldlöhne hören auf zu steigen und der Inflationsprozeß wird so gestoppt. Unterausgelastete Kapazitäten gehen hiermit einher. Auf dem Kreditmari.t kommt es nach dem Abbau des Liquiditätsbedarfes, der sich auf Grund von Zalllungsverpflichtungen im unmittelbaren Anschluß an die Krise einstellte, zu einer Senkung des Zinssatzes, ohne daß hierdurch ein Impuls für die lnvestitionstätigkeit ausgehen muß. Die Zentralbank kann zwar durch eine Zinssatzerhöhung einen Aufschwung abwürgen, sie kann jedoch nicht durch eine Zinssenkung einen Aufschwung initiieren. Hierfür ist zusätzlich eine exog~ne Verbesserung des Zustandes des Vertrauens von Vermögensbesitzern, Banken und Unternehmen erforderlich. Erst unter dieser Bedingung kann laut Herr ein erneuter Expansionsprozeß eingeleitet werden. Solange dieses nicht d~T Fall ist, stabile Geldlöhne aber einen kumulativen Kontraktionsprozeß verhindern, verharrt die Ökonomie in einer stabilen Konstellation mit Massenar.;. beitslosigkeit, Preisniveaustabilität und befriedigenden laufenden Profiten und Zinsen. Von dieser relativ ruhigen Form der Kontraktion unterscheidet Herr die "große Depression". Diese zeichnet sich durch eine "beständige gegenseitige Verschärfung von Gewinn- und Einkommensdeflation" (Herr 1988, S. 187) aus. Im Gegensatz zur ruhigen Bewegungsform der Kontraktion, dem Abschwung, in dem stabile Geldlöhne einen permanenten Deflationsprozeß verhindern, bildet der Verfall der Geldlöhne die Grundlage für die "große Depression". In einer Phase der permanenten Deflation verschieben die ökonomischen Akteure ihre Investitions- und Konsumausgaben und flüchten ins Geld. In diesem Prozeß kommt der Verschuldungsstruktur große Bedeutung zu, da im Rahmen der Deflation die Real-Forderungen aufgewertet werden. Je größer die Fremdkapitalquote eines Unternehmens, desto größer die nun auf-
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tretende Liquiditätsklemme. Die Verschuldungsstruktur wirkt hier also krisenverschärfend, sie ist allerdings nicht, wie bei Minsky, krisenauslösend. Der Prozeß der Kreditdeflation generiert allerdings keinen endogenen Umkehrprozeß, da er realwirtschaftlich durch brachliegende Kapazitäten und eine anschwellende industrielle Reserveannee begleitet wird. Es ist bei Herr damit die Interaktion von Vennögensmarkt, Gütennarkt und Arbeitsmarkt, die die kumulativen Instabilitäten kapitalistischer Geldökonomien verursacht. "Die Instabilitäten von Geldwirtschaften liegen nicht primär im Finanzsektor begründet, wie Minsky meint, sondern finden ihren harten Kern in der Unsicherheit von Geldvorschüssen in langlebiges Produktivkapital. Die marktmäßige Vermittlung der Reproduktion der Gesellschaft im Rahmen einer unregulierten Geldwirtschaft ist somit Basis der Instabilität. Die Finanzierungsstruktur ist in bezug auf diese fundamentale Ebene abgeleitet. Sowohl der fungierende Kapitalist als auch der Bankier nehmen für ihre Schätzungen erwartete Entwicklungen des Produktivkapitals zur Grundlage. Kreditexpansionen und -kontraktionen sind dann der Reflex dieser Einschätzungen." (Herr 1988, S. 167)
Obwohl Herr damit im Unterschied zu Minsky versucht, die Wechselwirkungen von monetärer und realer Sphäre im Hinblick auf die Verursachung kumulativer Prozesse zu berücksichtigen, liefert er letztlich doch einen Ansatz, in dem der monetär bestimmte Zinssatz die dominierende Variable ist. Es ist ein durch die Systemerhaltungsfunktion der Zentralbank begründeter Anstieg des Zinssatzes, der dem Aufschwung ein Ende setzt. Die Entwicklung der Produktivkapitalrendite ist hier eine passive Variable, die als Grenzleistungsfahigkeit des Kapitals erst auf Zinssatzänderungen reagiert. Herr hat also einen über Minsky hinausgehenden Ansatz präsentiert,indem er insbesondere die Rolle der Preisniveauentwicklung und die sich dahinter verbergenden Auseinandersetzung um die funktionale Einkommensverteilung berücksichtigt. Hierdurch gelingt ihm eine durchaus überzeugende Begründung für den Abbruch einer kumulativen Aufwärtsbewegung. Allerdings müssen Zweifel angemeldet werden, ob die von Herr gelieferte Erklärung einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben kann. Diese Zweifel beziehen sich zum einen auf Zwangsläufigkeit der Lohn-Preis-Spirale in Folge eines Investitionsbooms und zum anderen auf die Eindeutigkeit der Wirkungen einer Zinssatzerhöhung .
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Die Lohn-Preis-Spirale stellt sich im Ansatz Herrs dann ein, wenn ein Beschäftigungsgrad erreicht ist, der es den Arbeitern und ihren Gewerkschaften ermöglicht, Nominallohnsatzerhöhungen durchzusetzen, die dann von den Unternehmen durch entsprechende Preiserhöhungen beantwortet werden, so daß man einen kumulativen Inflationsprozeß erhält, der abwechselnd vom Güter- und Arbeitsmarkt angestoßen wird. Diese Konstellation ist identisch mit der aus Kapitel C.l1. dieser Arbeit bekannten Inflationsbarriere im post-keynesianischen Modell, bei der Investitionsentscheidungen der Unternehmen und Reallohninteressen der Arbeiter und Arbeiterinnen nicht mehr in Übereinstimmung zu bringen sind, und die Reallobnresistenz der Arbeiter und Arbeiterinnen bei gegebener Akkumulationsneigung die LohnPreis-Spirale anstößt. Voraussetzung für einen kumulativen Inflationsprozeß ist die Vollauslastung der Produktionskapazitäten und die Übernachfrage auf den Gütermärkten, die es den Unternehmen ermöglicht, Nominallohnsatzerhöhungen unmittelbar über die Preise weiterzugeben. Wird eine solche Konstellation im Investitionsboom erreicht, so ist die von Herr postulierte Lohn-Preis-Spirale unausweichlich. Gelingt es den Arbeitern und Arbeiterinnen jedoch, vor Erreichen der Vollauslastungsgrenze Lohnsatzerhöhungen durchzusetzen, so ist deren Weitergabe über die Preise keineswegs gesichert, so daß durchaus eine Reduktion des Mark-ups und eine Erhöhung des Reallohnsatzes erfolgen kann. Aus dem Bhaduri/Marglin-Modell aus Kapitel C.III. dieser Arbeit ist bekannt, daß eine Reallohnsatzerhöhung je nach Höhe der Reaktionskoeffizienten in Akkumulations- und Sparfunktion zu einer Beschleunigung oder einer Reduktion der Investitionen führen kann. Erfolgt eine Erhöhung der Akkumulationsrate in Folge einer Reallohnsatzerhöhung, 40 so wird im Laufe des Investitionsbooms wiederum die Kapazitätsgrenze erreicht, und die Lohn-Preis-Spirale setzt ein. 41 Reduziert eine Reallohnsatzerhöhung jedoch die Akkumulationsrate,42 so bricht der Investitionsboom vor Erreichen der Kapazitätsgrenze ab, und die Profitrate fällt, ohne daß es zur Lohn-Preis-Spirale kommt und eine Zinssatzerhöhung seitens der Zentralbank erforderlich wird.
40 Dies wäre die Konstellation, die durch das Regime der kooperativen Stagnation aus dem BhadurilMarglin-Modell beschrieben werden kann. 41 Steigerung des Reallohnsatzes und Steigerung der Akkumulationsrate würden sich hier solange wechselseitig anstoßen, bis die Vollauslastung der Produktionskapazitäten erreicht wäre. 42 Diese Reaktion tritt im BhadurilMarglin-Modell im Angebotsregime und im antagonistischen Stagnationsregime auf.
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Die von Herr postulierte Zwangsläufigkeit einer kumulativen Inflation in Folge eines Investitionsbooms hat also nur unter der Voraussetzung Gültigkeit, daß entweder Lohnsatzsteigerungen erst bei Vollauslastung der Produktionskapazitäten erfolgen oder unterhalb der Vollauslastung zu einer Beschleunigung der Investitionen führen. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, so kann eine Lohnsatzerhöhung durch eine Verteilungsänderung zugunsten der Arbeiterklasse den ökonomischen Aufschwung beenden. 43 Erreicht die Ökonomie in Folge eines Investitionsbooms die Kapazitätsgrenze und setzt sodann die Inflationsbarriere ein, so zieht dies nach Herr zwingend eine Zinssatzerhöhung zwecks Stabilisierung des Geldsystems nach sich, indem durch Brechung des Investitionsbooms die für die Preisniveaustabilität erforderliche Arbeitslosigkeit wiederhergestellt wird. 44 Der Erfolg einer solchen Zinspolitik setzt allerdings eine für die Boomphase der ökonomischen Expansion nicht unplausible, jedoch nicht notwendig gegebene, hohe Zinsreagibilität der Investitionen bei gleichzeitig geringer Konsumneigung der Zinseinkommensbezieher voraus. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, so kann eine Zinssatzerhöhung, wie in Kapitel 0.11. gezeigt, durchaus zu einer Erhöhung der Investitionen führen, wodurch der Inflationsprozeß weiter beschleunigt würde. Herr präsentiert insgesamt also einen durchaus plausiblen Ansatz, der den Abbruch des ökonomischen Aufschwungs durch die Zinspolitik der Zentralbank zwecks Sicherung des Geldsystems begründet. Allerdings überschätzt er die Allgemeingültigkeit dieser Erklärung, indem er die impliziten Voraussetzungen seiner Argumentationskette nicht eingehend analysiert.
43 Darüber hinaus müssen weitere "realwirtschaftliche" Faktoren berücksichtigt werden, die zu einem Abbruch des Investitionsbooms vor Erreichen der Vollauslastung der Produktionskapazitäten verantwortlich gemacht werden können. Es soll an dieser Stelle nur an den in den Konjunkturmodellen Kaldors und Kaleckis modellierten negativen Einfluß des durch Investitionen aufgebauten Kapitalstocks auf die laufenden Investitionsentscheidungen erinnert werden. Vgl. hierzu Kaldor (1940) und zum Kaldor-Konjunkturmodell z.B. Skott (1989, S. 32 ff.), sowie Kalecki (1956) und z.B. Steindl (1981) zu den verschiedenen Konjunkturmodellen Kaleckis. 44 Auch J. Robinson sah in einer solchen Konstellation die Zinspolitik der Zentralbank gefordert (vgl. Robinson 1962, S. 44).
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2. Kredit, Zins und Krise bei Marx Die bisherige Diskussion der Marxschen Theorie in dieser Arbeit hat gezeigt, daß der Marxsche Ansatz sowohl im Hinblick auf die Werttheorie als auch bezüglich der Akkumulationstheorie ein integrierter Ansatz von Produktion und Realisation ist, in dem keine Dominanz der Produktionssphäre über die Zirlrulationssphäre unterstellt werden darf. 45 Es wäre im Rahmen dieser Interpretationsrichtung der Marxschen Theorie also verfehlt, von realwirtschaftlich .bestimmten Wertquanta bzw. realwirtschaftlich bestimmten Akkumulationstendenzen und Krisenursachen zu sprechen. Erst die Berücksichtigung von Produktion und Realisation erlaubt es, im Rahmen der Werttheorie die differencia specificae des kapitalistischen Vergesellschaftungsmodus individueller Privatarbeiten zu erfassen, indem die Notwendigkeit der Herausbildung eines allgemeinen Äquivalentes "Geld" nachgewiesen wird. Hiermit sind gleichzeitig die Voraussetzungen für die Entwicklung des Kreditsystems gelegt und die Bedingungen für die "abstrakteste Form der Krise" formuliert. Die reibUngslose erweiterte Reproduktion der kapitalistischen Ökonomie erfordert zusätzlich die nicht ohne weiteres gewährleistete Realisation einer stetig wachsenden Wert- und Mehrwertmasse und zu diesem Zweck eine entsprechende Expansion der Kreditgeldmenge. Die Formulierung einer Marxschen Theorie der Akkumulation und der Krise ist damit ohne die explizite Berücksichtigung des GeldC?s und des Kredits ein höchst unvollständiges, wenn nicht gar unmögliches Unterfangen. Vor diesem Hintergrund wird in diesem Kapitel eine explizite Betrachtung der krisentheoretischen Bedeutung von Zins und Kredit in der Marxschen Theorie vorgenommen. Obwohl die eingehende Analyse des Kredits außerhalb Marxens Plan im Kapital liegt (vgl. MEW 25, S. 413), so finden sich im dritten Band des Marxschen ökonomischen Hauptwerkes doch sehr ausführliche Bemerkungen über den Einfluß des Kreditwesens und des Zinses auf Akkumulation und Krise, auf die hier insbesondere Bezug genommen wird. Grundsätzlich geht Marx hier davon aus, daß das Kreditsystem einen widersprüchlichen Einfluß auf die Kapitalakkumulation ausübt. Einerseits erleichtert es den Ausgleich der Profitraten, reduziert die Zirkulationskosten, vereinfacht die Bildung von Aktiengesellschaften und beschleunigt so die Kapitalakkumulation. Andererseits erhöht das Kreditwesen die Labilität und die Störanfälligkeit des Akkumulationsprozesses .
45 So auch explizit Crotty (1985, S. 46 f.).
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"Das Kreditwesen beschleunigt daher die materielle Entwicklung der Produktivkräfte und die Herstellung des Weltmarkts, die als materielle Grundlagen der neuen Produktionsform bis auf einen gewissen Höhegrad herzustellen, die historische Aufgabe der kapitalistischen Produktionsweise ist. Gleichzeitig beschleunigt der Kredit die gewaltsamen Ausbrüche dieses Widerspruchs, die Krisen, und damit die Elemente der Auflösung der alten Produktionsweise." (MEW 25, S. 457)
Für die ungleichgewichtig verlaufenden Akkumulationsprozesse kapitalistischer Ökonomien bedeutet dies, daß durch den Kredit ökonomische Expansionsphasen beschleunigt werden, Kontraktionsphasen hingegen verschärft werden. Der Einfluß des Kreditwesens setzt sich insbesondere über die gegenläufige Entwicklung von Zinssatz und Profitrate im Rahmen der kumulativen Auf- bzw. Abwärtsbewegungen der Kapitalakkumulation durch. Marx verdeutlicht dies im Hinblick von Profitrate und Zinssatz im Krisenzyklus. "Wenn man die Umschlagszyklen betrachtet, worin sich die moderne Industrie bewegt - Zustand der Ruhe, wachsende Belebung, Prosperität, Überproduktion, Krach, Stagnation, Zustand der Ruhe etc., Zyklen, deren weitere Analyse außerhalb unserer Betrachtung fällt -, so wird man finden, daß meist niedriger Stand des Zinses den Perioden der Prosperität oder des Extraprofits entspricht, Steigen des Zinses der Scheide zwischen der Prosperität und ihrem Umschlag, Maximum des Zinses bis zur äußersten Wucherhöhe aber der Krisis. (... ) Der Zinsfuß erreicht seine äußerste Höhe während der Krisen, wo geborgt werden muß, um zu zahlen, was es auch koste." (MEW 25, S. 372 f.)
Und an anderer Stelle heißt es zum Zusammenhang von Kredit und Akkumulation: "Im ganzen also verläuft die Bewegung des Leihkapitals, wie sie sich im Zinsfuß ausdrückt, in umgekehrter Richtung zu der des industriellen Kapitals." (MEW 25, S.505)
Folgt man der Marxschen Einteilung des Zyklusses in die Phasen: 1. Ruhe, 2. Belebung, 3. Prosperität, 4. Überproduktion, 5. Krach und 6. Stagnation/Abschwung, so erhält man den in Abbildung D.3 dargestellten Verlauf von Profitrate und Zinssatz im Konjunkturzyklus.
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Abbildung D.3: Profitrate und Zinssatz im Konjunkturzyklus
Mit i* ist der zyklendurchschnittliche "reale" Geldzinssatz bezeichnet, mit r* die zyklendurchschnittliche Profitrate. Letztere kann als Ourchschnittsprofitrate im Sinne der "allgemeinen Profitrate" interpretiert werden, wohingegen im Hinblick auf den Zinssatz betont werden muß, daß es für ihn nach Marx keine "natürliche" Rate gibt. Er kann, wie in Kapitel B.I. dargestellt, zwischen Null und der allgemeinen Profitrate liegen. Die in Abbildung 0.3 dargestellte Bewegung der Profitrate wird im Krisenzyklus - bei Abstraktion von technischem Wandel- durch die Veränderung von Auslastungsgrad und Einkommensverteilung bestimmt. In der Phase der Belebung und der Prosperität steigt die Profitrate - nach ihrem absoluten Tief in der Phase der Ruhe - auf Grund der einsetzenden Investitionskonjunktur insbesondere auslastungsbedingt an. In der Phase der Überproduktion dominieren dann aber die Verteilungsbedingungen und ein Anstieg des Reallohnsatzes bremst hier den Anstieg der Profitrate. Oie Krise wird ausgelöst, wenn der Reallohnanstieg zu einer Reduktion der Akkumulationstätigkeit führt, wodurch die Profitrate zu fallen beginnt. 46 In dem folgenden Abschwung
46 Ob nun Marx im Hinblick auf die zyklische Krise davon ausging, daß ein auslastungsbedingter Rückgang der Investitionen den Fall der Profitrate zu verantworten hat, oder ob er meinte, daß der Investitionsrückgang durch einen Fall der Profitrate, ausgelöst durch eine Reallohnsatzsteigerung, verursacht wurde und diesen dann weiter verstärkt, soll hier nicht abschließend diskutiert werden. In der marxistischen Debatte sind hierzu unter den Bezeichnungen "Überproduktionstheorie ", "Unterkonsumtionstheorie " und "profit-squeeze-Theorie" bekanntlich verschiedene
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kollabiert die Profitrate insbesondere auslastungsbedingt auf Grund der Einschränkung der Investitionstätigkeit. Dieser auslastungsbedingte Fall der Profitrate im Abschwung wird durch die Entwertung und Vernichtung von Produktionskapazitäten einerseits und durch ein Mindestmaß an Konsumnachfrage andererseits gestoppt und führt zu einer stabilen Profitrate auf niedrigem Niveau in der Phase der Ruhe. 47 Die Zinssatzbewegung im Verlaufe des Krisenzyklus wird nach Marx insbesondere durch die Angebotsschwankungen auf dem Geld- und Kreditmarkt verursacht. In Auseinandersetzung mit der Position Fullartons schreibt er: "Es ist keineswegs, wie er sagt, die starke Nachfrage für Anleihen, was die Periode der Stockung von der Prosperität unterscheidet, sondern die Leichtigkeit, womit diese Nachfrage zur Prosperitätszeit und die Schwierigkeit, womit sie nach eingetretner Stockung befriedigt wird. Es ist ja gerade die ungeheure Entwicklung des Kreditsystems während der Prosperitätszeit, also auch die enorme Steigerung der Nachfrage nach Leihkapital und die Bereitwilligkeit, womit das Angebot sich ihr in solchen Perioden zur Verfügung stellt, welche die Kreditklemme während der Zeit der Stockung herbeiführt. Es ist also nicht der Unterschied in der Größe der Nachfrage für Anleihen, der beide Perioden charakterisiert." (MEW 25, S.466)
Die Zinssatzsteigerung in der Krise gründet sich also insbesondere auf eine Angebotsverknappung auf den Kreditmärkten, bei gleichzeitig hoher Nachfrage nach insbesondere Liquiditätskrediten. Die geringen Zinssätze in den Phasen Belebung, Prosperität und Überproduktion sind hingegen auf das reichliche Kreditangebot in diesen Phasen zurückzuführen. Im folgenden wird die Bewegung von Zins und Kredit in den verschiedenen Phasen des Zyklus genauer betrachtet. Der Beginn des zyklische Aufschwungs in der Phase der Ruhe zeichnet sich nach Marx durch eine Konstellation aus, in der bei geringer Profitrate und geringer Investitionstätigkeit der Zinssatz auf Grund des ansteigenden Kreditangebots bei geringer Kreditnachfrage kein Hindernis für einen realPositionen vertreten worden, die sich alle auf bestimmte Ausführungen im Marxschen Werk stützen können (vgl. hierzu Priewe 1988). 47 Hahnel/Sherman (1982) haben die hier für die verschiedenen Phasen skizzierten Determinanten der Profitratenentwicklung für die Konjunkturzyklen der U.S.-Ökonomie von 1949 bis 1980 empirisch bestätigt.
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wirtschaftlichen Belebungsprozeß bildet. Die in der Phase der Belebung ansteigende Investitionstätigkeit trifft so auf ausreichendes verleihbares Geldkapital; die Zinssätze befinden sich hier auf ihrem konjunkturellen Minimum. In der Phase der Prosperität liegt eine steigende Kapazitätsauslastung und eine hiermit einhergehende Erhöhung der Profitrate vor. In diesem Abschnitt des Konjunkturzyklus belebt sich die Wechselzirkulation, d.h. die Kapitale gewähren sich untereinander kommerziellen Kredit, wodurch die Kapitalakkumulation insbesondere durch die Beschleunigung des Kapitalumschlags forciert wird. Der Kapitalkredit expandiert ebenfalls, da Banken und Unternehmen positive Zukunftserwartungen hegen. Es kommt zwar zu einem leichten Anstieg der Zinssätze auf den Geldkapitalmärkten, die jedoch die Kapitalakkumulation nicht beeinträchtigen, da die Profitrate deutlich oberhalb des Zinssatzes liegt. Die Akkumulation wird also in dieser Phase durch den Kredit deutlich forciert. "Hat der Reproduktionsprozeß wieder den Stand der Blüte erreicht, der dem der Überspannung vorhergeht, so erreicht der kommerzielle Kredit eine sehr große Ausdehnung, die dann in der Tat wieder die 'gesunde' Basis leicht eingehender Rückflusse und ausgedehnter Produktion hat. In diesem Zustand ist der Zinsfuß immer noch niedrig, wenn er auch über sein Minimum steigt. (... ) Die Leichtigkeit und Regelmäßigkeit der Rückflüsse, verknüpft mit einem ausgedehnten kommerziellen Kredit, sichert das Angebot von Leihkapital trotz der gesteigerten Nachfrage und verhindert das Niveau des Zinsfußes zu steigen." (MEW 25, S. 505) Auf Grundlage dieser prosperierenden Konstellation wird die Kreditexpansion weiter ausgedehnt durch die Zunahme der spekulativen Kapitalanlage, die wegen der hohen Spanne zwischen Profitrate und Zinssatz zu einem großen Teil kreditfmanziert ist . •Andrerseits kommen jetzt erst in merklichem Grad die Ritter herein, die ohne Reservekapital oder überhaupt ohne Kapital arbeiten und daher ganz auf den Geldkredit hin operieren. Es kommt jetzt auch hinzu die große Ausdehnung des fixen Kapitals in allen Formen und die massenhafte Eröffnung neuer weitreichender Unternehmungen. Der Zins steigt jetzt auf seine Durchschnittshöhe .• (MEW 25, S.505) In der Phase der Überproduktion stockt bereits die Investitionstätigkeit insbesondere aus Gründen ansteigender Reallohnsätze, d.h. aus Verteilungsgründen, und es werden die Grundlagen für die dann folgende Krise gelegt, ohne daß diese für die ökonomisch Handelnden bereits sichtbar ist. Die Pro-
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fitrate verharrt auf hohem Niveau, steigt aber nicht mehr. In dieser Phase erreichen kommerzieller Kredit und Kapitalkredit ihre maximale Ausdehnung. "Das Maximum des Kredits ist hier gleich der vollsten Beschäftigung des industriellen Kapitals, d.h. der äußerten Anspannung seiner Reproduktionskraft ohne Rücksicht auf die Grenzen der Konsumtion. ( ... ) Solange der Reproduktionsprozeß flüssig und damit der Rückfluß gesichert bleibt, dauert dieser Kredit und dehnt sich aus, und seine Ausdehnung ist basiert auf die Ausdehnung des Reproduktionsprozesses selbst." (MEW 25, S. 499 f.)
In der Expansionsphase der Kapitalakkumulation hat sich so, insbesondere durch kreditfinanzierte spekulative Kapitalanlagen, eine "Überempfindlichkeit des ganzen Organismus" (MEW 25, S. 587) entwickelt, bei der nun kleinste Störungen ausreichen, um die Krise auszulösen. Marx geht nun davon aus, daß die eigentliche Auslösung der Krise durch einen Rückgang der Investitionstätigkeit und einen Fall der Profitrate erfolgt. Es sind also nicht die Höhe des Zinssatzes und/oder der Grad der Unternehmensverschuldung, die die Krise auslösen,48 sondern es ist eine auslastungs- und/oder verteilungsbedingte Reduktion der Profitrate, die zu einem Rückgang der Investitionen führt, und so die Krise einläutet. Eine nachlassende Investitionsgüternachfrage führt dann zum Autbau von Lägern, die zu kalkulierten Preisen nicht mehr absetzbar sind; Überkapazitäten werden deutlich. Der Mangel an Liquidität zwingt die Kapitale schließlich, Waren zu jedem Preis zu verkaufen. Ein allgemeiner Prozeß der Entwertung von Warenkapital setzt ein. Auf Grundlage dieses· Deflationsprozesses führen die im Aufschwung aufgebauten Kreditbeziehungen zu einer Verschärfung der Kontraktion: Kreditketten reißen, Unternehmen sind gezwungen, zu verkaufen, um Zahlungstermine einzuhalten (vgl. MEW 25, S. 497). Der kommerzielle Kredit kollabiert total. Die Nachfrage der Unternehmen nach Zahlungsmittelkrediten von den Banken steigt rapide an. "Tritt also Störung in dieser Expansion oder auch nur in der normalen Anspannung des Reproduktionsprozesses ein, so damit auch Kreditmangel; Waren sind schwerer auf Kredit zu erhalten. Besonders aber ist das Verlangen nach barer Zahlung
48 Eine Ausnahme bildet hier die Geld- oder Kreditkrise, die vom Finanzsystem selbst ausgeht (vgl. MEW 23, S. 152, FN 99). Dieser mißt Marx aber offensichtlich keine systematische Bedeutung zu, da sich hinter der Kreditkrise auch immer realwirtschaftliche Disproportionen verbergen (vgl. MEW 25, S. 507).
m. Kredit, Zins und Krise
273
und die Vorsicht im Kreditverkauf charakteristisch für die Phase des industriellen Zyklus, die auf den Krach folgt." (MEW 25, S. 5(0)
Die realwirtschaftliche Krise zieht damit die Geld- und Kreditkrise zwingend nach sich. Das Kreditsystem schlägt in das Monetarsystem um (vgl. MEW 25, S. 587).49 "In Zeiten der Klemme, wo der Kredit einschrumpft oder ganz aufhört, tritt plötzlich Geld als einziges Zahlungsmittel und wahres Dasein des Werts absolut den Waren gegenüber. Daher die allgemeine Entwertung der Waren, die Schwierigkeit, ja die Unmöglichkeit, sie in Geld zu verwandeln, d.h. in ihre eigne rein phantastische Form. Zweitens aber: das Kreditgeld selbst ist nur Geld, soweit es im Betrage seines Nominalwerts absolut das wirkliche Geld vertritt. Mit dem Goldabfluß wird seine Konvertibilität in Geld problematisch, d.h. seine Identität mit wirklichem Gold. Daher Zwangsmaßregeln, Heraufsetzung des Zinsfußes etc., um die Bedingungen dieser Konvertibilität zu sichern." (MEW 25, S. 532)
Der Umschlag des Kreditsystems in das Monetarsystem, der von Marx hier als Flucht in die Geldware beschrieben wird, der aber entsprechend der in Kapitel B.1. dieser Arbeit vertretenen Modiftkation der Marxschen Geldkonzeption vielmehr als Flucht in das Zahlungsversprechen mit höchster gesellschaftlicher Validität und Liquidität charakterisiert werden muß, ist durch folgende Konstellation auf dem Geld- und Kreditmarkt gekennzeichnet. Einerseits ist die Nachfrage nach Liquidität sehr hoch, weil die Unternehmen versuchen, ihre in vergangenen Perioden bei steigenden Preis- und Proftterwartungen eingegangenen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Andererseits ist jedoch das Kreditangebot sehr gering, weil die Liquiditätshaltung bei den von der Krise nicht existenzgefährdend getroffenen Unternehmen auf Grund der Erwartung sinkender PreiseSO und bei Banken auf Grund steigender Risikoprämien sehr hoch ist. Die Folge sind starke Zinssatzsteigerungen, wodurch die Unternehmensproftte zusätzlich belastet werden, die Investitionstätigkeit weiter zurückgeht und die Krise verschärft wird. Der Rückgang der Investitionen setzt sich in der Phase des Abschwungs fort. Warenkapital und produktives Kapital werden weiter entwertet und ver49 Den Umschlag des Kreditsystems ins Monetarsystem im Gefolge einer ökonomischen Krise beschreibt Marx bereits im ersten Band des Kapital im Zusammenhang mit der Rolle des Geldes als Zahlungsmittel (vgl. MEW 23, S. 152). 50 Vgl. hierzu auch Schwab (1978, S. 48). 18 Hein
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D. Kredit, Zins, Finanzierung und Akkumulation
nichtet. Die in der Aufschwungphase aufgebauten Widersprüche werden so gewaltsam gelöst. Ist ausreichend Kapital entwertet worden, ist also die Proportionalität zwischen Produktionsmöglichkeiten und effektiver Nachfrage wieder hergestellt, geht die ökonomische Entwicklung in eine Phase relativer Ruhe über. Im Abschwung geht die Nachfrage nach Kredit zurück, das Angebot an Kredit nimmt aber auf Grund der Investitionszurückhaltung wieder langsam zu. Zinssätze beginnen in dieser Phase langsam zu fallen und erreichen ein niedriges Niveau. "In solchen Momenten, wo der Produktionsprozeß eingeschränkt ist ( ... ), wo die Preise der Waren auf ihrem niedrigsten Punkt stehn, wo der Unternehmungsgeist gelähmt ist, herrscht niedriger Stand des Zinsfußes, der hier nichts anzeigt als Vermehrung des leihbaren Kapitals grade durch Kontraktion und Lähmung des industriellen Kapitals." (MEW 25, S. 502)
Ein Anstieg der Aktienkurse, d.h. eine Neubewertung der voraussichtlichen Erträge des fixen Kapitals, sowie geringe Zinssätze bilden von seiten der Geld- und Finanzmärkten die Voraussetzungen für eine neue Phase der ansteigenden Realinvestitionen. Diese wird durch die notwendigen Ersatzinvestitionen, die auf einem höheren technologischem Niveau stattfinden und über die Konkurrenz eine allgemeine Investitionstätigkeit erzwingen, ausgelöst. Die Zins- und Kreditbewegung in der konjunkturellen Entwicklung hat nach Marx somit folgende Ergebnisse: die Phase des Aufschwunges wird beschleunigt, die zyklische Kontraktion wird intensiviert. 51 Kredit- und Zinsbewegung verschärfen damit die Krise, lösen sie aber nicht isoliert aus. Krisen werden bei Marx durch Störungen im Gesamtreproduktionsprozeß verursacht. 52 Es ist ein Verfall der realisierten und erwarteten Profitabilität, verursacht durch Auslastungsprobleme, Verteilungskämpfe - oder langfristig durch die spezifisch kapitalistische Entwicklung der Produktivkräfte und einen hierdurch begründeten Fall der allgemeinen Profitrate -,. der die Investitionstätigkeit blockiert. Hierdurch wird dann die Fähigkeit der Einzelkapitale, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, eingeschränkt und damit neben der Akkumulationskrise die Geld- und Kreditkrise ausgelöst. 53 Ist die Krise ausgelöst, so spielt dann die durch den Aufbau der Kreditbeziehungen gegebene 51 Vgl. hierzu auch Candrian (1994, S. 209). 52 Vgl. hierzu auch De Brunhoff (1976, S. 117 f.). 53 Vgl. hierzu auch Wolfson (1986, S. 18 ff.).
m. Kredit, Zins und Krise
275
"Überempfindlichkeit des Organismus", d.h. die Fragilität des Finanzsystems, eine entscheidende Rolle für die Dauer und die Tiefe der Krise. Die Prozesse in der Kredit- und Finanzsphäre sind bei Marx so einerseits Reflex der "Realsphäre" , andererseits wirken sie verschärfend auf diese zurück. Die Marxsche Erklärung der ökonomischen Krise durch im Aufschwung auftretende Auslastungsprobleme und Verteilungskärnpfe und einer hierdurch ausgelösten Senkung der erwarteten Profitrate übersieht jedoch, daß es in einer Geldökonomie, die sich durch die Akkumulationsautonomie der Unternehmen und den Kampf um die Verteilung des Einkommens auszeichnet, im Investitions-Boom zu einer Inflations-Spirale kommen kann. Diese führt dann entweder zur Erosion des Geldsystems oder erzwingt einen Abbruch des Investitions-Booms durch einen Eingriff der monetären Autoritäten. In dieser spezifischen Situation wird die Krise dann durch eine Zinssatzerhöhung ausgelöst. Auch die Marxsche Theorie kann daher keinen Anspruch auf eine allgemeingültige Krisenerklärung erheben.
3. Gemeinsamkeiten und Differenzen der post- und monetär-keynesianischen und der Marxschen Krisentheorien
Vergleicht man nun die post- und monetär-keynesianischen Ansätze mit der Marxschen Position zum Zusammenhang von Kredit, Zins und Krise, so lassen sich folgende Resultate festhalten.
1. Minskys "financial instability"-Hypothese liefert keine eigentliche Theorie der Krisenverursachung, sondern eine durch den Verschuldungsgrad der Unternehmen begründete Theorie der Krisenverschärfung, ohne jedoch die Krise erklären zu können. Herrs "Vision einer Geldwirtschaft" führt die ökonomische Krise auf die aus Systemerhaltungsgründen vorgenommenen Zinssatzerhöhungen der Zentralbank bei Erreichen der Inflationsbarriere in Folge eines Investitionsbooms zurück. Es wird dabei jedoch übersehen, daß vor Erreichen der Inflationsbarriere bereits Verteilungskämpfe und Auslastungsprobleme auftreten können, die den Investitionsboom beenden. Herr überschätzt daher die Allgemeingültigkeit seiner Krisentheorie. 2. Die Bedeutung von Verteilungskärnpfen und des Aufbaus von Überkapazitäten als Krisenauslöser stehen hingegen in der Mar:xschen Theorie im Vordergrund und werden dort durch eine Theorie der durch finanzielle Faktoren bestimmten "Überempfindlichkeit des Organismus" ergänzt, die dann insbesondere die Schärfe und Dauer der Krise erklärt und große Ähnlichkeiten mit 18·
276
D. Kredit, Zins, Finanzierung und Akkumulation
Minskys "financial Instability"-Hypothese aufweist. Allerdings übersehen Marx und die marxistische Theorie, daß ein Investitionsboom unter bestimmten Voraussetzungen in einen kumulativen Inflationsprozeß münden kann, der dann durch einen Eingriff der monetären Autoritäten beendet werden muß, soll er nicht zur Erosion des Geldsystems führen. 3. Im Hinblick auf eine Theorie der Krisenursache sollten die Marxsche Position und der monetär-keynesianische Ansatz Herrs daher nicht als einander widersprechende, sondern vielmehr als komplementäre Theorien verstanden werden, indem sie verschiedene Möglichkeiten der Krisenauslösung in kapitalistischen Geldökonomien beschreiben. Weder Herr noch die Marxsche Theorie präsentieren eine allgemein gültige Erklärung für die Ursache und die Auslösung der ökonomischen Krise. Die Relevanz der jeweiligen Erklärungsvariante kann auch hier wieder nur in einer konkreten Analyse bestimmter historischer Krisenprozesse geklärt werden und ist keiner allgemein theoretischen Beurteilung zugänglich. 4. Im Hinblick auf eine Theorie der Krisenverschärfung weisen die Marxsche Position und der Ansatz Minskys weitgehende Ähnlichkeiten auf, indem sie die sich im Investitionsboom durch die Kreditverhältnisse aufbauende finanzielle Instabilität des kapitalistischen Akkumulationsprozesses betonen. Hierdurch ist zwar eine Beschleunigung des Investitionsbooms möglich, bricht dieser jedoch ab, so wird durch das "Reißen der Kreditketten" die Krise verallgemeinert und vertieft. Insgesamt können Marxsche und post- bzw. monetär-keynesianische Theorien über den Zusammenhang von Kredit, Zins und Krise also als nicht widersprüchlich, sondern als sich vielmehr ergänzend und wechselseitig befruchtend betrachtet werden. 54
54 In Bezug auf die Integrationsmöglichkeiten der Marxschen Theorie und des post-keynesianischen Ansatzes von Minsky wird von Arnon (1994), Crotty (1986) und Pollin (1994) eine ähnliche Position wie in dieser Arbeit eingenommen, indem sie Minsky eine finanzielle Krisentheorie und Marx eine reale Krisentheorie zuschreiben. Allerdings übersehen diese Autoren, daß Minsky keine eigentliche Theorie der Krisenursache präsentiert und die Theorie Marxens in dieser Hinsicht zumindest unvollständig ist, weil sie die Konstellation der Inflationsbarriere nicht berücksichtigt.
E. Schlußbemerkungen Die hier vorgelegte Arbeit setzte sich zum Ziel, die Grundlagen einer monetären Analyse aus Marxscher und Keynesscher Perspektive zu entwickeln und die sich hieraus ergebenden Konsequenzen für eine Theorie der Kapitalakkumulation aufzuzeigen. Hierdurch sollte zum einen ein Beitrag zur Entwicklung eines post-klassischen Forschungsprogramms geliefert werden und zum anderen auf die Synthesemöglichkeiten von Marxscher und Keynesscher Theorie auf monetären Grundlagen aufmerksam gemacht werden. Die wesentlichen Ergebnisse dieser Arbeit können an dieser Stelle wie folgt zusammengefaßt werden.
In Abschnitt B der Arbeit wurden die Gemeinsamkeiten und Differenzen der monetären Analyse bei Marx und Keynes sowie die hieraus folgende Zurückweisung des Sayschen Gesetzes aus beiden Perspektiven untersucht. Beide Argumentationslinien rechtfertigen es, von monetären Analysen im Sinne Schumpeters zu sprechen. In der Marxschen Theorie resultiert die Bedeutung des Geldes zwingend aus der werttheoretischen Grundlage. Die Marxsche Werttheorie ist notwendig eine "monetäre Werttheorie" und damit gleichzeitig Geldtheorie. Im Rahmen der Wertformentwicklung wird die notwendige Herausbildung eines allgemeinen Äquivalentes in dezentralen, warenproduzierenden Ökonomien nachgewiesen. Geld als allgemeines Äquivalent ist hier jedoch nicht, wie Marx glaubte, zwingend an eine Geldware gebunden, sondern impliziert vielmehr ein Kredit-Geldsystem als Hierarchie von Zahlungsversprechen mit von unten nach oben zunehmender gesellschaftlicher Validität und Liquidität. Keynes hingegen liefert keinen expliziten Bezug der Geldtheorie auf eine werttheoretische Grundlage. Geld wird erst bedeutsam, wenn es um die Infragestellung der aggregierten Relevanz der marginalistischen Wert- und Verteilungstheorie geht. Die Existenz von Geld als nicht produzierbares Wertzeichen erlaubt zum einen die Unterscheidung von Produktionskosten bzw. Einkommen einerseits und Ausgaben bzw. Nachfrage andererseits und ermöglicht damit die Abweichung beider Größen voneinander. Zum anderen wird Geld
278
E. Schlußbemerkungen
auf Grund der Systemeigenschaften der kapitalistischen Geldökonomie als ultimatives Zahlungsmittel zum Vermögensgegenstand, dessen Haltung einen Zins abwirft, der wiederum die einkommensunabhängige Nachfrage nach Produktion beschränkt. Geld ist damit in der kapitalistischen Geldwirtschaft in diesem doppelten Sinn nicht neutral. In der Marxschen und der Keynesschen monetären Theorie erfüllt Geld die Funktionen einer Recheneinheit (Maßstab der Preise), eines Zirkulationsmittels, eines Wertaufbewahrungsmittels, eines ultimativen Zahlungsmittels und ist Vermögensgegenstand (Keynes) bzw. potentielles Geldkapital (Marx). Die temporäre Aufgabe des ultimativen Zahlungsmittels "Geld" wirft daher einen Zins ab. Sowohl Marx als auch Keynes erfassen den Zins als monetäre Kategorie. Über den Zins setzen sich Einflüsse der monetären auf die reale Sphäre durch. Der Zins ist als Kategorie des Geldmarktes in beiden Ansätzen den realwirtschaftlichen Einkommensentstehungsprozessen vorgegeben. Er unterscheidet sich mithin fundamental vom realwirtschaftlichen Zins neoklassischer Prägung. Für Marx ist der Zins der Teil des von den Arbeitern und Arbeiterinnen unter der Aufsicht des industriellen Kapitalisten produzierten Mehrwertes, der dem Geldkapitalisten als Preis für die temporäre Überlassung von Geldkapital gezahlt werden muß. Keynes hingegen erfaßt Geld direkt als einen Vermögensgegenstand, der die Eigenschaft hat, einen Zins abzuwerfen. Die temporäre Aufgabe von Vermögen mit höchster Liquidität begründet hier den Anspruch auf einen Zins als Kompensation für die mit der Haltung von Geldvermögen verbundene Liquiditätsprämie. Die Voraussetzung hierfür, die Möglichkeit der Verwertung von Geldkapital im Rahmen des Gesamtreproduktionsprozesses des Kapitals, auf die Marx aufmerksam macht, bleibt allerdings unbelichtet. Die Höhe des Zinssatzes bestimmt sich nach Marx durch die institutionellen Strukturen der Ökonomie und die Verhandlungsstärke von Gläubigem und Schuldnern. Auch die Keynessche Argumentation läuft, wie in der post- und monetär-keynesianischen Theorie gezeigt wurde, darauf hinaus, den Zinssatz als einen durch Erwartungen und institutionelle Faktoren bestimmten Verteilungsparameter zu begreifen. Der langfristige Basiszinssatz wird demnach exogen durch die Zentralbank vorgegeben, und die Marktzinssätze werden durch die Liquiditäts- und Risikoerwägungen der Geld- und Vermögensbesitzer bestimmt. Ist der Zinssatz in beiden Ansätzen dem Einkommensentstehungsprozeß vorgegeben, so ergibt sich in beiden Theorien das Geld- und Kreditvolumen endogen im ökonomischen Prozeß.
E. Schlußbemerkungen
279
Grundlage hierfür ist zum einen, daß die Akzeptanz von Zahlungsversprechen als Zahlungsmittel in hohem Maße konventionell ist, und zum anderen die Kreditschöpfungsfähigkeit des Bankensektors und die zwecks Liquiditätsicherung erfolgende, akkommodierende Politik der Zentralbank. Die Möglichkeit eines durch den Zinssatz eindeutig bestimmten, monetären Preis-Mengen-Gleichgewichts bei Unterbeschäftigung wird in der Marxschen und der Keynesschen Theorie sehr verschieden beurteilt. Im Marxschen Modell kann durch den Zinssatz weder ein eindeutiges Investitions- bzw. Akkumulationsvolumen abgeleitet werden, noch gibt der Zinssatz im Gleichgewicht die Höhe der Profitrate vor. Preise und Mengen können im Marxsehen Modell nicht simultan, wie z.B. in der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie, bestimmt werden. Die Mengenstruktur und damit ebenfalls das Investitionsvolumen müssen dem Preissystem zusammen mit einem Verteilungsparameter vorgegeben werden. Der Zinssatz bestimmt hier nun nicht die Gesamtprofitrate, sondern es besteht bei gegebener Gesamtprofitrate eine inverse Relation zwischen Zinssatz und industrieller Profitrate. Die Gesamtprofitrate kann in einer monetären Werttheorie auch nicht durch Vorgabe des Reallohnsatzes, wie in den orthodoxen Interpretationen der Marxschen Wertund Akkumulationstheorie, ermittelt werden. Ihre Bestimmungsfaktoren müssen vielmehr im akkumulationstheoretischen Kontext genauer untersucht werden. Keynes sowie die post- und monetär-keynesianischen Theorien sehen über den monetären Zinssatz hingegen sowohl ein gleichgewichtiges Investitionsvolumen als auch die realwirtschaftliche Verwertungsrate, die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals, bestimmt. Hierdurch ist die Möglichkeit eines monetär determinierten Gleichgewichts bei Unterbeschäftigung gegeben. Die Herleitung eines solchen Gleichgewichts ist allerdings kapital theoretischen Einwänden ausgesetzt, die insbesondere die zugrunde liegende inverse Relation von Zinssatz und Investitionsvolumen in Frage stellen. In dem Keynesschen System gelingt folglich keine befriedigende simultane Bestimmung von Gleichgewichtspreisen und Gleichgewichtsmengen. Für die kurzfristige Gleichgewichtsbestimmung muß daher auch hier - neben dem monetären Zinssatz - das Investitionsvolumen exogen, als durch die "animal spirits" dominiert, vorgegeben werden. Die von neo-ricardianischen Autoren vorgenommenen Versuche, in einem Sraffa-Produktionspreismodells durch den monetären Zinssatz gleichzeitig die allgemeine Profitrate, d.h. die realwirtschaftliche Verwertungsrate, vorzugeben, können ebenfalls nicht überzeugen, da sie die Konstanz der industriellen Profitrate - deren Höhe nicht erklärt wird - und des Nominallohnsatzes bei Zinssatzvariationen unterstellen müssen.
280
E. Schlußbemerkungen
Man ist so auch aus post-Keynesscher Perspektive darauf verwiesen, die Determinanten der Profitrate, zusammen mit denen des Investitionsvolumens, in einem akkumulationstheoretischen Kontext zu untersuchen. Die Wesensmerkmale einer Geldökonomie begründen sowohl für Marx als auch für Keynes die Zurückweisung des Sayschen Gesetzes. An dessen Stelle tritt die "abstrakteste Form der Krise" aus Marxscher Perspektive und das "Prinzip der effektiven Nachfrage" aus Keynesscher Perpektive. In der kapitalistischen Geldökonomie sind Produktionskosten bzw. Einkommen und Ausgaben bzw. Nachfrage nicht identisch, sondern unterliegen unterschiedlichen Bestimmungsfaktoren, wodurch die Möglichkeit einer allgemeinen Überproduktionskrise bei Marx bzw. eines monetär bestimmten Gleichgewichts bei Unterbeschäftigung bei Keynes gegeben ist. Den Anhängern des Sayschen Gesetzes muß aus Marxscher und Keynesscher Perspektive vorgeworfen werden, daß sie eine unhaltbare Geldtheorie vertreten, wodurch die Gültigkeit ihrer Aussagen auf Naturaltauschwirtschaften und zentral geplante Ökonomien beschränkt bleibt und nicht auf die kapitalistische Geldwirtschaft übertragen werden kann. Aus der durch die Eigenarten einer Geldökonomie begründeten Zurückweisung des Sayschen Gesetzes folgt sowohl für die Marxsche als auch für die Keynessche Theorie, daß in Umkehrung der klassischen und neoklassischen Kausalität die Ausgabenentscheidungen, insbesondere die Investitions- und Akkumulationsentscheidungen der Unternehmen, in den Mittelpunkt der Analyse rücken. Im Abschnitt C der Arbeit wurde daher der Zusammenhang zwischen effektiver Nachfrage, Einkommensverteilung und Kapitalakkumulation aus Marxscher, Keynesscher und post-keynesianischer Perspektive untersucht. Die Analyse wurde hierbei auf die Betrachtung von gleichgewichtigen Akkumulationspfaden ("steady states") beschränkt, um so die jeweiligen Modell-Logiken im Rahmen eines Ein-Sektoren-Modells prononciert gegenüberstellen zu können. Eine eingehende Betrachtung der Marxschen Reproduktionsschemata aus dem zweiten Band des Kapital ergab, daß auch aus Marxscher, genauso wie aus Keynesscher und post-keynesianischer Perspektive, von der langfristigen Unabhängigkeit der Investitions- bzw. der Akkumulationsausgaben von vorhergehenden Sparprozessen auszugehen ist. Die Ausgaben der Kapitalisten bestimmen die Profite und das Sparen und nicht umgekehrt. Die gesparten Profite können folglich nicht als Voraussetzung der Kapitalakkumulation betrachtet werden und können diese nicht restringieren. Aus der Entwicklung der technischen Produktionsbedingungen und der Verteilungsverhältnisse, die
E. Schluß bemerkungen
281
zusammen die Höhe der produzierten Profite bestimmen, können somit auch in der Marxschen Theorie keine ehernen Akkumulationsgesetze abgleitet werden, auch wenn die orthodoxe Interpretation der Marxschen Akkumulationstheorie und auch Marx im dritten Band des Kapital dieser Auffassung sind. Es tritt in einem modifizierten Marxschen Modell vielmehr die Analyse der Faktoren, die die Akkumulationsentscheidungen der Kapitalisten bestimmen, in den Mittelpunkt. Das modifizierte Marxsche Akkumulationsmodell hat mit den postkeynesianischen Modellen von Kaldor und J. Robinson neben einer vom Sparen unabhängigen Akkumulationsfunktion gemein, daß das langfristige Akkumulationsgleichgewicht als ein Gleichgewicht bei Vollauslastung des Kapitalstocks angesehen wird. Unter dieser Voraussetzung wird der Reallohn im langfristigen Akkumulationsgleichgewicht zur Residualgröße, da die Einkommensverteilung durch die Akkumulationsrate bestimmt wird. Eine solche Auffassung steht jedoch im Konflikt mit der Marxschen Annahme der Bestimmung des Wertes der Ware Arbeitskraft durch die gesellschaftlich notwendigen Subsistenzmittel, d.h. mit der Vorstellung eines durch den Klassenkampf bestimmten konventionellen Reallohnsatzes. Der durch den Klassenkampf bestimmte konventionelle Reallohnsatz und der durch die unabhängige Akkumulationsrate durchgesetzte Reallohnsatz stimmen in dem modifizierten Marxschen Modell und in den post-keynesianischen Modellen nur zufällig überein. Liegt der durch die Akkumulationsrate bestimmte Reallohnsatz unterhalb des konventionellen Lohnsatzes, so deduzieren beide Modelle einen kumulativen Inflationsprozeß als Folge dieser Konstellation. Liegt der durch die Akkumulationsrate bestimmte Reallohnsatz oberhalb des konventionellen Lohnsatzes, so generiert das post-keynesianische Modell ein Gleichgewicht, in dem die Arbeiter und Arbeiterinnen einen Reallohnsatz beziehen, der den konventionellen übersteigt. Im Marxschen Modell hingegen ergibt sich ein durch die Arbeitsmarktkonstellation generierter Deflationsprozeß mit fallenden Reallöhnen und einer Unterauslastung des Kapitalstocks. Auf der Grundlage eines Modells, das die langfristige Vollauslastung des Kapitalstocks unterstellt, ist damit bei integrierter Behandlung des Prinzips der effektiven Nachfrage und des Prinzips des Klassenkampfes nicht notwendig ein gleichgewichtiger Akkumulationspfad ableitbar. Allerdings ist fraglich, ob die Vollauslastung des Kapitalstocks im langfristigen Akkumulationsgleichgewicht - als Schwankungszentrum des tatsächlichen Akkumulationsprozesses - als stilisiertes Faktum kapitalistischer Ökonomien angesehen werden kann und insbesondere aus Marxscher Perspektive angesehen werden muß.
282
E. Schlußbemerkungen
Kaleckianisch inspirierte Akkumulationsmodelle hingegen lassen auch bei Integration des Prinzips der effektiven Nachfrage und des Prinzips des Klassenkampfes die Herausbildung eines "steady state" zu, indem der Auslastungsgrad des langfristigen Akkumulationsgleichgewichts endogenisiert wird und so in der Regel unterhalb der Vollauslastungsgrenze liegt. Diese Modelle bieten daher eine geeignete Grundlage für eine Marx-Keynes-Synthese. In den kaleckianischen Akkumulationsmodellen werden der Reallohnsatz und die Einkommensverteilung über den von den Unternehmen durchgesetzten Mark-up auf die Lohnstückkosten bestimmt. Die Höhe des Mark-ups wird durch die Konkurrenz der Unternehmen und durch das Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit beeinflußt. Ist der Mark-up gegeben, so wird über den Nominallohnsatz das Preisniveau festgelegt. Die Akkumulationsentscheidungen der Unternehmen determinieren dann den gleichgewichtigen Auslastungsgrad, die gleichgewichtige Akkumulationsrate und die gleichgewichtige Profitrate. Es ist in diesen Modellen nicht ausgeschlossen, daß Vollauslastungsgleichgewichte mit den Eigenschaften des modifizierten Marxsehen Akkumulationsmodells bzw. des post-keynesianischen Modells entstehen. Die Vollauslastung des Kapitalstocks im langfristigen Gleichgewicht stellt jedoch lediglich einen Grenzfall dar und ist keineswegs allgemeingültig. Auf der Grundlage der ausführlich dargestellten und analysierten Bhaduri/Marglin-Variante des kaleckianischen Akkumulationsmodells, in der Verteilungsänderungen die Akkumulationsentscheidungen ·sowohl von der Kosten- als auch von der Nachfrageseite beeinflussen, wurde gezeigt, daß sich verschiedene Akkumulationsszenarien generieren lassen, ohne das Prinzip des Klassenkampfes oder das Prinzip der effektiven Nachfrage verwerfen zu müssen. Eine Veränderung der Einkommensverteilung hat hier keine eindeutig prognostizierbare Wirkung auf den Akkumulationspfad. Die möglichen Akkumulationsregimes hängen vielmehr von den Werten ab, die die Verhaltensparameter in der Akkumulations- und Sparfunktion annehmen, und können als Angebotsregime, antagonistisches Stagnationsregime und als kooperatives Stagnationsregime klassifiziert werden. Eine Reallohnsatzerhöhung hat nach diesem Modell also weder eindeutig negative Auswirkungen auf Profitrate und Akkumulationsrate, wie in der orthodoxen Interpretation der Marxschen Akkumulationstheorie, noch eindeutig positive Wirkungen, wie in der unterkonsumtionistischen Variante des kaleckianischen Akkumulationsmodells. Da die nur einer konkreten historischen Analyse zugänglichen Verhaltensparameter in Akkumulations- und Sparfunktion den Regimetyp bestimmen, ist auf Grundlage des Bhaduri/Marglin-Modells keine allgemeine Theorie der Kapitalakkumulation für die kapitalistische Geldwirtschaft formulierbar. Dieses Modell bietet jedoch eine geeignete Grundlage, um konkrete historische Akkumulationsphasen kapitalistischer Ökonomien zu analy-
E. Schlußbemerkungen
283
sieren. Gleichzeitig bleiben in diesem Modell die Wesensmerkmale einer kapitalistischen Geldökonomie erhalten: zum einen der Klassenkonflikt zwischen Kapital und Arbeit und zum anderen die langfristige Akkumulationsautonomie der Unternehmen. Im Abschnitt D der Arbeit wurde dann der Einfluß der monetären Variablen Kredit und Zins auf die Kapitalakkumulation explizit analysiert. Im Rahmen der Betrachtung eines monetären Kreislaufes wurde gezeigt, daß der kapitalistische Akkumulationsprozeß eine Expansion des Geld- und Kreditvolumens voraussetzt. Produktions- und Akkumulationsprozesse müssen finanziert werden, bevor die entsprechenden Einkommen und Profite im ökonomischen System entstehen. Der kapitalistische Akkumulationsprozeß hängt damit von zwei Typen von Entscheidungen ab: den Akkumulationsentscheidungen der industriellen Kapitalisten bzw. der Unternehmen und den Finanzierungsentscheidungen der Finanzkapitalisten bzw. der Banken. Sowohl aus Marxscher als auch aus Keynesscher und post-keynesianischer Perspektive wird davon ausgegangen, daß sich monetäre Einflüsse auf den Akkumulationsprozeß über Variationen des Zinssatzes und nicht über Variationen der Kreditvolumina durchsetzen. Der monetäre Zinssatz ist die für den Akkumulationsprozeß exogene Variable, das Kreditvolumen ist die endogene Variable. Es wurden deshalb die Auswirkungen von Zinssatzvariationen auf den gleichgewichtigen Akkumulationspfad auf der Grundlage des Bhaduri/Marglin-Modell untersucht. Eine Zinssatzvariation beeinflußt zum einen die Konsumnachfrage durch die Umverteilung des Einkommens zwischen Arbeiterklasse und Kapitalistenklasse einerseits und zwischen Unternehmen und Vermögensbesitzern andererseits. Zum anderen üben Zinssatzänderungen einen direkten Einfluß und indirekt - über die Veränderung der Einkommensverteilung und des Auslastungsgrades - wirkende Einflüsse auf die Akkumulationsentscheidungen aus. Der monetäre Zinssatz wird so zu einer entscheidenden Bestimmungsgröße des gleichgewichtigen Akkumulationspfades. Allerdings sind die Wirkungen einer Zinssatzveränderung nicht eindeutig. Sie hängen wieder von den Werten ab, die die Verhaltensparameter in Akkumulations- und Sparfunktion annehmen. Es können auch hier wieder verschiedene Akkumulationsregimes voneinander abgegrenzt werden. Allgemeine apriori-Aussagen über die Auswirkungen einer Zinssatzvariation auf den langfristigen Trend der Kapitalakkumulation sind jedoch nicht formulierbar . Geht man davon aus, daß mit dem Bhaduri/Marglin-Modell und dessen Weiterentwicklung in der vorliegenden Arbeit die Wesensmerkmale der kapi-
284
E. Schlußbemerkungen
talistischen Geldwirtschaft, so wie sie sich auf Marxschen und Keynesschen Grundlagen darstellen, erfaßt sind, so ergibt sich, daß die Kapitalakkumulation in dieser Ökonomie keinen ehernen Gesetzmäßigkeiten unterliegt. Dieses Ergebnis steht im Gegensatz zu den Schlußfolgerungen der orthodoxen Interpretation der Marxschen Akkumulationstheorie und auch zu den Marxschen Überlegungen im dritten Band des Kapital, in denen für die lange Frist - ausgehend vom tendenziellen Fall der Profitratel - die Zwangsläufigkeit einer Überakkumulationskrise des Kapitals abgeleitet wird. 2 Der kapitalistische Akkumulationsprozeß vollzieht sich nach der in dieser Arbeit entwickelten Position vielmehr in konkret historisch und institutionell geprägten Akkumulationsphasen, die hier als mögliche Akkumulationsregimes unterschieden wurden. Entscheidenden Einfluß auf diese Phasen haben zum einen die Entwicklung des Kräfteverhältnisses zwischen Kapital und Arbeit, wodurch die Entwicklung der Einkommensverteilung entscheidend bestimmt wird, und zum anderen die Politik der Zentralbank, die die Höhe des monetären Zinssatzes entscheidend beeinflußt. Durch heide Faktoren wird zum einen die Konsumnachfrage in der Ökonomie bestimmt, und es werden zum anderen die Akkumulationsentscheidungen der Kapitalisten direkt und indirekt beeinflußt. Ein weiterer entscheidender Einfluß dürfte vom technischen Wandel und dessen Auswirkungen auf die Einkommensverteilung, insbesondere auf die Entwicklung der Profitrate, und auf die Akkumulationsentscheidungen ausgehen. Auf diesen Aspekt ist jedoch in dieser Arbeit nicht eingegangen worden. Es konnten in dieser Arbeit nur die prinzipiellen Einflußfaktoren auf den langfristigen Akkumulationstrend in einer kapitalistischen Geldwirtschaft und die möglichen Auswirkungen der Variation dieser Faktoren analysiert werden. In einer Annäherung an die Realität kapitalistischer Ökonomien müßte diese Analyse nun verbunden werden mit einer konkreten Untersuchung historischer und institutioneller Strukturen der Ökonomie, um so verschiedene Akkumulationsregimes und die dazugehörigen Akkumulationsphasen auch historisch abgrenzen zu können. Hier wäre dann auch die Einbeziehung der ökonomischen Aktivität des Staates und der außenwirtschaftlichen Einflüsse erforderlich. Auch wäre zu
1 Auf die theoretische und empirische Validität des Gesetzes des tendenziellen Falls der Profitrate (vgl. MEW 25, S. 221 ff.) kann in dieser Arbeit nicht eingegangen werden, da auf die Behandlung des technischen Wandels verzichtet wurde. Einen Überblick über die Kontroverse zu diesem Gesetz gibt z.B. Catephores (1989, S. 166 ff.). 2 Vgl. hierzu MEW 25 (S. 251 ff.), Krüger, St. (1986, S. 548 ff.).
E. Schlußbemerkungen
285
überprüfen, inwiefern die hier präsentierten Überlegungen mit neueren Arbeiten zur Bedeutung der institutionellen und sozialen Struktur für die Kapitalakkumulation, die im Rahmen der Regulationstheorie und des "social structure of accumulation"-Ansatzes angestellt werden, kompatibel sind. 3 Da sowohl Marx als auch Keynes die Realität der kapitalistischen Ökonomie als ungleichgewichtig und krisenhaft sehen, wurde in der vorliegenden Arbeit in einer abschließenden Annäherung an diese Realität die krisentheoretische Relevanz der monetären Variablen Kredit und Zins untersucht. Zu diesem Zweck wurden der post-keynesianische Ansatz Minskys, der monetärkeynesianische Ansatz Herrs und die Marxschen Bemerkungen zum Thema verglichen. Minsky präsentiert mit der "financial instability"-Hypothese keine eigentliche Theorie der Krisenverursachung, sondern eine durch den Verschuldungsgrad der Unternehmen begründete Theorie der Krisenverschärfung. Herr übersieht in seiner Begründung für die Krisenauslösung durch eine Zinssatzerhöhung der Zentralbank bei Erreichen der Inflationsbarriere in Folge eines Investitionsbooms, daß vor Erreichen der Inflationsbarriere bereits Verteilungskämpfe und Auslastungsprobleme auftreten können, die einen Investitionsboom beenden. :pie Allgemeingültigkeit der so formulierten Krisentheorie wird also überschätzt. Die Bedeutung von Verteilungskämpfen und des Aufbaus von Überkapazitäten als Krisenauslöser stehen hingegen in der Marxschen Theorie im Vordergrund. Finanzielle Faktoren bewirken hier eine "Überempfmdlichkeit des Organismus", die große Ähnlichkeiten mit den von Minsky formulierten Erscheinungen aufweist, bei Marx allerdings nicht Ursache der Krise ist, sondern vielmehr die Schärfe und Dauer der Krise erklärt. Allerdings übersehen Marx und die marxistische Krisentheorie, daß ein Investitionsboom in eine Lohn-Preis-Spirale münden kann, die wiederum den Eingriff der Zentralbank erzwingt. Im Hinblick auf eine Theorie der Krisenursache sollten die Marxsche Position und der monetär-keynesianische Ansatz Herrs daher nicht als einander widersprechende, sondern vielmehr komplementäre Theorien verstanden werden. Sie stellen verschiedene Möglichkeiten der Krisenauslösung in kapitalistischen Geldökonomien in den Mittelpunkt, deren Relevanz nur in einer konkreten Analyse bestimmter historischer Krisenprozesse geklärt werden
3 Vgl. hierzu z.B. Bowles/Boyer (1990), GordonlWeisskopf/Bowles (1987), Hübner (1990) und die Aufsätze in KotzlMcDonoughlReich (1994).
286
E. Schlußbemerkungen
kann. Im Hinblick auf eine Theorie der Krisenverschärfung weisen die Marxsche Position und der Ansatz Minskys weitgehende Ähnlichkeiten auf, indem beide die sich Boom aufbauende finanzielle Instabilität betonen. Marxsche und post- bzw. monetär-keynesianische Krisentheorien ergänzen sich daher in einem hohen Maße.
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20 Hein
Sachregister Abschwung 59, 261 ff. abstrakte Arbeit 29 ff. abstrakteste Form der Krise 23, 26, 51 ff., 123, 127, 130,267, 280 Akkumulations-Autonomie 194, 218 ff., 275, 283 Akkumulationsfonds 132 ff., 154 Akkumulationskonstellation 168, 193, 200,207,247 Akkumulationsregime 207, 247 ff., 282 ff. Akzelerator 174 f. allgemeine Profitrate 43, 133, 162, 240,279 allgemeine Überproduktionskrise 52 ff., 144 allgemeines Äquivalent 40 f., 70, 144 Angebotsregime 211 ff., 282 animal spirits 127, 185,209,279 Aufschwung 259 ff. bastard golden age 189 befriedigende Wachstumsrate 174 ff. Belebung 268 ff. Deflation 89 f., 169 f., 175, 218, 257, 263, 272, 281 Depositenzins 62, 69 Diskontfenster 94, 98 Disproportionalität 152, 154 Durchschnittsprofitrate 269 einfache Reproduktion 139 ff., 147 Endogenität der Geldemenge 49, 51, 92,94, 101,221
Erwartungen 18, 82 ff., 91, 99, 114 ff., 126, 185 ff., 203, 229, 254 ff. erweiterte Reproduktion 132, 137, 149 ff., 222 f., 267 Exogenität der Geldemenge 50 final fmance 231 fmancial instability 253, 257, 260, 275 f., 285 fmanzielle Instabilität 253 ff., 276, 286 Finanzierungsminel 113, 128, 185 f., 227 Finanzintermediäre 225 Finanzkapitalist 236, 283 Forschungsprogramm 17 ff., 30,277 Geldangebot 85 ff., 100, 122, 125 Geldangebotsfunktion 93 Geidkapital60 ff., 125,271,278 Geldkapitalist 63 ff., 125, 278 Geldlohn 66, 118, 135,261 ff. Geldlohnsatz 109 f., 200, 228 Geldmarkt.81, 85 f., 125,278 Geldnachfrage 77, 85, 93 ff., 224 Geldpolitik 193 Geldsystem 38 ff., 70, 92 ff., 122 ff., 228,262,266,275ff. Geldvermögen 90, 98, 115, 122 ff., 237,260,278 Geldware 34 ff., 55, 70, 124, 142, 273,277 Gesamtprofitrate 64 ff., 109 ff., 126, 239, 242 ff., 279
Sachregister Gesamtreproduktionsprozeß 56, 145, 274 Gläubigerrisiko 113, 256 ff. Gleichgewichtstheorie 126, 279 golden age 188 ff. Goldkemwährung 50 Goldumlaufwährung 47 ff. Gravitationszentrum 68, 120 f., 128, 138,155,165,195,200 Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals 79 ff., 171,261 ff., 279 Grenzproduktivität des Kapitals 82, 106 Handelskredit 60 historische Modelle 116 ff., 129 Horte 45 ff., 60, 222 industrielle Profitrate 65 ff. industrielle Reservearmee 165, 263 f. industrieller Profit 240 Inflation 100, 170, 189, 192 ff., 262 ff. Inflationsbarriere 189 ff., 217, 265 f., 275,285 Inflationsspirale 169, 189,275 initial finance 230 Investitions-Profit-Mechanismus 262 Investitionsnachfrage 75, 79 ff., 89, 102 ff., 171, 229, 246 ff., 257, 262 ff. Investitionstheorie 111, 118, 171 Kapital-Kontroverse 104, 111, 123 Kapitalkredit 60, 271 f. Klassenauseinandersetzung 193 Klassenkampf 209, 216 ff., 243, 281 f. klassische Dichotomie 46, 50 . klassische Postulate 74 ff., 105 klassische Sparfunktion 160, 241
307
Konjunkturzyklus 68, 147, 254, 268, 271 Konsumnachfrage 80, 89, 153, 169, 246 ff., 270, 283 f. Konsumquote 80, 209 konventioneller Lohnsatz 164, 195 ff., 281 Kooperativwirtschaft 75 Kostenparadoxon 205 f., 210 Krach 268 Kreditangebot 95 ff., 257, 260 ff., 270,273 Kreditgeldökonomie 49, 71, 94, 225, 237 Kreditkrise 263, 273 f. Kreditnachfrage 50, 92 ff., 113, 224, 237,253 ff. Krisentheorie 25,53,59,70,72, 131, 148,275,285 f. Krisenzyklus 58, 268 ff. Leitzinssatz 93 ff. Liquidität 42, 85 ff., 94 ff., 122 ff., 225 ff., 255 ff. Liquiditätskredit 230 ff., 270 Liquiditätsposition 97 ff., 226 f. Liquiditätspräferenz 80, 85 ff., 115 ff., 223 f, 257, 263 Liquiditätsprämie 86 ff., 122 ff., 260, 278 loanable-funds 224 logische Modelle 115 ff. Lohn-Preis-Spirale 262 ff., 285 Mark-up Preissetzung 201, 227, 231, 254,259,261 Mehrwert 61 ff., 132 ff., 221 f. monetäre Werttheorie 26 ff., 70, 124, 134, 138,277 monetäre Analyse 19 ff., 127 monetäres Gleichgewicht 90, 114
308
Sachregister
Multiplikator 80, 96, 116 ff., 127, 171,236
Transaktionskasse 89 Transaktionsmotiv 85
Naturaltauschwirtschaft 19, 54, 75, 127,280 natürliche Wachstumsrate 183, 190 Neutrale Wirtschaft 75 Neutralität des Geldes 72, 130 Nicht-Neutralität des Geldes 49, 77 f.
Überakkumulation 284 Überproduktion 56 ff., 147 f., 269 ff. Ungleichgewichtstheorie 115 Unsicherheit 86 ff., 98 ff., 114 ff., 122 f., 253, 260 Unterbeschäftigungsgleichgewicht 58, 71,87, 102, 178 Unterkonsumtion 21, 202, 206, 216, 282 Untemehmerprofitrate 109 ff.
Organische Zusammensetzung Kapitals 133 f., 148, 151
des
Paradigma 19,30,90 Post-Klassik 17 ff., 277 Preisniveau 43 ff., 89, 93, 100, 180, 186, 191 ff., 218, 238, 254 ff. principle of increasing risk 113, 253 Prinzip der effektiven Nachfrage 23, 26, 71 ff., 103, 111, 122 ff., 171 f., 215 ff., 280 ff. Produktionspreis 30, 43, 56, 64 ff., 10Sf., 127, 138,240 produktives Kapital 67, 273 Profitmasse 359 Prosperität 38, 268 ff. Quantitätstheorie 46, 53, 103, 223 revolving fund 223,226,235 Risikoprämie 260 ff. Saysches Gesetz 53, 75, 78, 103 Schatzbildung 43 ff. Schuldnerrisiko 97, 113,243,256 Sparparadoxon 187, 191, 193, 204, 210 Spekulation 85, 255 Stagnation 170,257 Stagnationsregime 210 ff., 282 steady state 129 f. 203, 280
Verleihzins 99, 261 Vermögensbesitzer 87, 96 ff., 115 ff., 186, 189,223,239 ff., 260 ff. Verschuldungsgrad 242 f., 254 ff., 275,285 Warenkapital272 f. Weltgeld 43 ff. Wertautbewahrungsmittel 53 ff., 125, 278 Zahlungsmittel 38, 42 ff., 95 ff., 122 ff., 273, 278 f. Zentralbank 37, 49, 80, 85, 91 ff., 122 ff., 224 ff., 237 ff., 260 ff. Zentralbankgeld 42, 49, 94 ff., 122 ff. Zinseinkommen 233 ff. Zinstheorie 27,86, 103,223 zinstragendes Kapital 62 ff. Zirkulationsmittel 38, 43 ff., 53 ff., 96,125,278 Zirkulationssphäre 28 ff., 48, 75, 138,267 Zustand des Vertrauens 117