Der Jugendarrest: Eine Betrachtung aus rechtshistorischer, rechtsdogmatischer und rechtstatsächlicher Perspektive [1 ed.] 9783428581115, 9783428181117

Der Jugendarrest ist eine jugendstrafrechtliche Sanktion aus der Kategorie der »Zuchtmittel«. In der Arbeit werden zunäc

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German Pages 286 [287] Year 2020

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Der Jugendarrest: Eine Betrachtung aus rechtshistorischer, rechtsdogmatischer und rechtstatsächlicher Perspektive [1 ed.]
 9783428581115, 9783428181117

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Kriminologische und sanktionenrechtliche Forschungen Band 23

Der Jugendarrest Eine Betrachtung aus rechtshistorischer, rechtsdogmatischer und rechtstatsächlicher Perspektive

Von

Stephanie Ernst

Duncker & Humblot · Berlin

STEPHANIE ERNST

Der Jugendarrest

Kriminologische und sanktionenrechtliche Forschungen Begründet als „Kriminologische Forschungen“ von Prof. Dr. Hellmuth Mayer Herausgegeben von Prof. Dr. Kirstin Drenkhahn

Band 23

Der Jugendarrest Eine Betrachtung aus rechtshistorischer, rechtsdogmatischer und rechtstatsächlicher Perspektive

Von

Stephanie Ernst

Duncker & Humblot · Berlin

Dissertation an der Universität Kassel, Fachbereich Humanwissenschaften, Stephanie Ernst, Datum der Disputation: 12. Mai 2020

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0933-078X ISBN 978-3-428-18111-7 (Print) ISBN 978-3-428-58111-5 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Katharina

Danksagung Die vorliegende Arbeit wurde am 20. April 2020 vom Fachbereich Humanwissenschaften der Universität Kassel als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung wurde die Arbeit geringfügig überarbeitet, insbesondere erfolgte eine Anpassung an das in der Zwischenzeit in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren. Mein besonderer Dank gebührt meiner Doktormutter, Frau Professorin Theresia Höynck, für ihre Betreuung meiner Promotion. Danke für alle kritischen Anmerkungen und Diskussionen und für aufmunternde Worte und Freiräume, von den Anfängen bis zum Abschluss. Den Erziehungsgedanken analog aus Transsilvanien werde ich sicher nie vergessen. Mein Dank gilt auch Herrn Professor Peter Wetzels für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und die wertvollen Hinweise für die Publikation meiner Arbeit. Der Kriminologische Dienst Hessen hat mir mit der schnellen Genehmigung des Zugangs zu den Akten bei der Erhebung der Daten geholfen. Mit Rat und Tat unterstützten mich während der Aktenerhebung auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendarresteinrichtung Gelnhausen. Dafür danke ich allen Beteiligten herzlich. Mein ganz besonderer Dank, den ich nur schwer in Worte fassen kann, gilt Katharina Brandes. Sie stand mit während der gesamten Zeit unterstützend zur Seite. Mit ihr konnte ich nicht nur wunderbar diskutieren, sie begegnete mir auch stets mit sehr, sehr viel Geduld und Verständnis. Um es mit den Worten von Janosch zu sagen: „Wenn man einen Freund hat, braucht man sich vor nichts zu fürchten.“ Mein herzlicher Dank gebührt auch Mila Lievenbruck und Anja Stiller für ihre Hinweise und Anmerkungen. Auch danke ich all den wunderbaren Menschen, die vielleicht nicht direkt, aber indirekt durch ihre Freundschaft zum Gelingen meiner Arbeit beigetragen haben. Hannover, Oktober 2020

Stephanie Ernst

Inhaltsverzeichnis 1. Teil Einleitung 23 2. Teil

Historische Entwicklung des Jugendarrests 25

A. Das Jugendgerichtsgesetz von 1923 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I.

Diskussion um die Einführung eines eigenständigen Jugendstrafrechts . . . . . . 25

II.

Die Einführung eines eigenständigen Jugendstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

III. Kritik am Jugendgerichtsgesetz von 1923 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 IV. Der Jugendarrest im Rahmen einer möglichen Jugendstrafrechtsreform . . . . . 30 B. Die Einführung des Jugendarrests und dessen Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . 34 I.

Jugendarrest als jugendstrafrechtliche Sanktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

II.

Diskussion um die Anwendung und Zielsetzung des Jugendarrests . . . . . . . . . 36

C. Das Reichsjugendgerichtsgesetz von 1944 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 I.

Verankerung von Jugendarrest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

II.

Konkretisierungen durch Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

III. Jugendarrest bei schuldhafter Nichterfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 D. Das Jugendgerichtsgesetz von 1953 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I.

Der Jugendarrest im Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

II.

Änderungen zum Jugendarrest durch das Jugendgerichtsgesetz 1953 . . . . . . . . 44

III. Diskussion um den Jugendarrest als Erziehungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 E. Weitere Entwicklungen zum Jugendarrest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 I.

Die Jugendarrestvollzugsordnungen von 1966 und 1976 . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

II.

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten von 1968 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

III. Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch von 1974 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 F. Jugendarrest in der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 I.

Diskussion um die Rückfallquote und die Arresteignung . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

II.

Diskussion um die Abschaffung des Jugendarrests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

10

Inhaltsverzeichnis

G. Das Erste Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes von 1990 . . . . . . . . . . . 60 I.

Das Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

II.

Kritik am Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

H. Weitere Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 I.

Neufassung der Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz von 1994 . . . . . . . . . . . 67

II.

Das Zweite Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes von 2007 . . . . . 68

III. Gesetzgebungsverfahren zu den Jugendarrestvollzugsgesetzen der Länder . . . 69 IV. Jugendarrest neben zur Bewährung ausgesetzter Jugendstrafe . . . . . . . . . . . . . 71 I. Zwischenfazit 2. Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

3. Teil

Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest 77

A. Der Jugendarrest im Sanktionssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 B. Jugendarrest nach § 16 JGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 I.

Anwendungsbereich des § 16 JGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 1. Täterbezogene Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2. Tatbezogene Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3. Ausschlussgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

II.

Art und Bemessung der Dauer des Jugendarrests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

III. Vollstreckung von Arrest nach § 16 JGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 C. Jugendarrest nach § 16a JGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 I.

Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

II.

Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

III. Vollstreckung von Arrest nach § 16a JGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 D. Jugendarrest wegen Nichterfüllung von Weisungen oder Auflagen . . . . . . . . . . . . . . 87 I.

Rechtsnatur des Nichtbefolgungsarrests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 1. Jugendarrest nach § 11 III JGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2. Jugendarrest nach § 15 III JGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3. Jugendarrest bei Nichterfüllung von Bewährungsweisungen und -auflagen 92

II.

Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 1. Belehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

Inhaltsverzeichnis

11

2. Schuldhafte Nichterfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 3. Gelegenheit zur mündlichen Äußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 4. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 III. Dauer des Nichtbefolgungsarrests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 IV. Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 V.

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

E. Jugendarrest nach § 98 OWiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 I.

Anwendungsbereich des OWiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 1. Vorwerfbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 2. Heranwachsende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

II.

Bußgeldverfahren nach §§ 35 ff. OWiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Behördliches Bußgeldverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 a) Geldbuße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 b) Zumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2. Einspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Gerichtliches Bußgeldverfahren / Hauptverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

III. Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 1. Allgemeines Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Beitreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Erzwingungshaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Besonderes Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Altersbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Anordnungen nach § 98 I OWiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 c) Jugendarrest nach § 98 II OWiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 d) Rechtsnatur des Jugendarrests nach § 98 II OWiG . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 3. Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 IV. Exkurs: Die Verletzung der Schulpflicht als Ordnungswidrigkeit . . . . . . . . . . . 115 1. Entwicklung der rechtlichen Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2. Verfahren gegen Schulpflichtige am Beispiel des Landes Hessen . . . . . . . . 118 a) Einleitung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 b) Geldbuße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 c) Zeitraum zwischen Schulabsentismus und Arrestvollstreckung . . . . . . . 120 V.

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

F. Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 G. Arrestvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 I.

Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

12

Inhaltsverzeichnis II.

Jugendarrestvollzugseinrichtungen und Freizeitarresträume . . . . . . . . . . . . . . . 125

III. Ladung und Zuführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 IV. Ausgewählte Aspekte des Hessischen Jugendarrestvollzugsgesetzes . . . . . . . . 127 H. Einträge in das Zentral- und das Erziehungsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 I. Zwischenfazit 3. Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 4. Teil

Amtliche Daten und Forschungsstand 133

A. Amtliche Daten zum Jugendarrest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 I.

Entwicklung der Verurteilungen zu Jugendarrest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

II.

Aktuelle Daten zur Strafverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

III. Aktuelle Daten zum Vollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 B. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 I.

Soziodemografische Merkmale der Vollzugspopulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

II.

Soziale Belastungen der Arrestanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

III. Strafrechtliche Vorbelastung der Arrestanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 IV. Rechtsgrundlage und Anlassdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 V.

Verhängter Arrest und Verfahrensdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

VI. Arrestverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 C. Zwischenfazit 4. Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 5. Teil

Forschungsinteresse und Grundkonzeption der Untersuchung 149

A. Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 B. Forschungsmethodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 I. II.

Methodische Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Aktenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 1. Arrestvollzugsakten als Datenquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 a) Inhalt und Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Aussagekraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 2. Konzeption der Aktenanalysebögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3. Durchführung der Erhebung und Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

III. Erhebungen über das vollzugsinterne Dokumentationssystem . . . . . . . . . . . . . 157 C. Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

Inhaltsverzeichnis

13

6. Teil

Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse 159

A. Beschreibung der Stichprobe zum Zeitpunkt des Arrestantritts . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 I.

Soziodemographische Daten bei Arrestantritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

II.

Weitere Angaben auf den Aufnahmebögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

B. Auswertungen zu den Urteilsarresten nach §§ 16, 16a JGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 I.

Soziodemographische Daten laut Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 1. Familienstand und Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 2. Wohnsituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 3. Tätigkeitsstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

II.

Vorsanktionierungen laut Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 1. Umfang der Vorsanktionierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2. Zuvor begangene Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3. Vorherige Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

III. Hinweise auf Problembelastungen und Maßnahmen des Jugendamts . . . . . . . . 173 IV. Anlassdelikte und Indikatoren zur Schwere der Taten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 V.

Alter zum Zeitpunkt der letzten Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179

VI. Verhängte Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 1. Verurteilungen zu Jugendarrest nach § 16 JGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 a) Art und Dauer des verhängten Jugendarrests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 b) Zusätzlich verhängte Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Verurteilungen zu Jugendarrest nach § 16a JGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 a) Jugendstrafe zur Bewährung und weitere Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . 183 b) Art und Dauer des Jugendarrests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 3. Verhängte Arreste nach Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 VII. Urteilsbegründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 VIII. Zeiträume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Zeitraum zwischen letzter Tat und Rechtskraft des Urteils . . . . . . . . . . . . . 189 2. Zeitraum zwischen Rechtskraft des Urteils und Arrestantritt . . . . . . . . . . . 190 C. Nichtbefolgungsarrest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 I. II.

Im Beschluss genannte ursprüngliche Straftat(en) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Ursprüngliche Sanktion(en) laut Arrestbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Weisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 2. Auflagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 3. Anzahl der Arbeitsstunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

14

Inhaltsverzeichnis III. Verhängung von Jugendarrest nach Arrestbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 1. Prüfung der Schuldhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 2. Anhörung vor Arrestverhängung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 3. Art und Dauer des Jugendarrests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 4. Verhängte Arreste nach Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 5. Begründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 IV. Zeiträume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 1. Zeitraum zwischen Urteil und Arrestbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 2. Zeitraum zwischen Arrestbeschluss und Arrestantritt . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 3. Zeitraum insgesamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

D. Arrest nach § 98 II OWiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 I.

Ordnungswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

II.

Geldbuße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Höhe der Geldbuße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Darstellung der Fehltage bei Verstößen gegen die Schulpflicht . . . . . . . . . . 203

III. Ersatzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 IV. Arrestanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 1. Prüfung der Schuldhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 2. Anhörung vor Arrestverhängung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3. Dauer des Jugendarrests und Begründung der Verhängung . . . . . . . . . . . . . 207 4. Erkennendes Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 V.

Zeiträume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 1. Zeitraum zwischen Bußgeldbescheid und Umwandlungsbeschluss . . . . . . . 210 2. Zeitraum zwischen Umwandlungsbeschluss und Arrestbeschluss . . . . . . . . 210 3. Zeitraum zwischen Arrestbeschluss und Arrestantritt . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 4. Zeitraum insgesamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

E. Arrestverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 I.

Arrestantritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

II.

Polizeiliche Zuführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

III. Unterbrechungen der Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 IV. Pflichtverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 V.

Vorzeitige Entlassung nach § 87 III Satz 1 JGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

F. Auswertung weiterer Dokumente / Hinweise auf Belastungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . 218 G. Nach Ladung erledigte Vollstreckungsersuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 I.

Quantitative Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

Inhaltsverzeichnis II.

15

Erledigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1. Urteilsarreste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 2. Nichtbefolgungsarreste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 3. Arrest nach § 98 II OWiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224

H. Zusammenfassung und Beantwortung der Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 I.

Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

II.

Soziodemographische Daten und Problembelastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226

III. Strafrechtliche Vorbelastung und andere Belastungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . 227 IV. Der verhängte Jugendarrest und dessen Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 1. Urteilsarreste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 2. Nichtbefolgungsarreste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 3. Arreste nach § 98 II OWiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 4. Begründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 V.

Verfahrensdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230

VI. Arrestverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 I. Zwischenfazit 6. Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 7. Teil

Kriminalpolitische Forderungen und Diskussion 233

A. Vorschläge de lege ferenda – zu einzelnen Arrestarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 I. II.

Abschaffung von § 16a JGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Begrenzung des Anwendungsbereiches des Nichtbefolgungsarrests . . . . . . . . . 237 1. Begrenzung der Anzahl der Arbeitsstunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 2. Mündliche Anhörung zur Prüfung der Schuldhaftigkeit der Nichterfüllung 239 3. Begrenzung der Dauer des Nichtbefolgungsarrests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 4. Ausgestaltung des Nichtbefolgungsarrests als Ersatzmaßnahme . . . . . . . . . 241

III. Reformansätze zu § 98 OWiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 B. Vorschläge de lege ferenda – allgemeine Reformansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 I.

Beibehaltung von Kurz- und Freizeitarrest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244

II.

Ausschluss der Verhängung sogenannter Sanktionscocktails . . . . . . . . . . . . . . 246

III. Reformansätze zur Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 1. Verkürzung der Frist des § 87 IV JGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 2. Polizeiliche Zuführung normieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 3. Anschlussvollstreckungen eingrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 IV. Ausgestaltung des Jugendarrestvollzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

16

Inhaltsverzeichnis

C. Ansätze de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 I.

Umsetzung des Begründungserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250

II.

Umsetzung der Prüfungspflicht des § 87 III Satz 1 JGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252

D. Zwischenfazit 7. Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 I.

Vorab: Erziehung als Legitimationsgrundlage für Reformen? . . . . . . . . . . . . . . 253

II.

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

8. Teil

Resümee und Ausblick 257

A. Sachliche Rechtsmittelbeschränkung, § 55 I JGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 B. Freiheitsentzug als Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 C. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Normen zum Jugendarrest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Abbildung 2: Monat des Arrestantritts nach Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Abbildung 3: Neben dem Arrest verhängte Sanktionen (Mehrfachnennungen möglich) 181 Abbildung 4: Ursprünglich verhängte Sanktionen (Mehrfachnennungen möglich) . . . . 193 Abbildung 5: Ursprünglich verhängte Weisungen (Mehrfachnennungen möglich) . . . . 194 Abbildung 6: Umrechnungsmaßstab Euro pro Arbeitsstunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Arrestantritte 2. Halbjahr 2016 nach Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Tabelle 2: Geschlecht nach Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Tabelle 3: Altersstufe bei Arrestantritt nach Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Tabelle 4: Staatsangehörigkeit nach Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Tabelle 5: Vorherige Verbüßung eines Jugendarrests nach Rechtsgrundlage . . . . . . . . 163 Tabelle 6: Tätigkeitsstatus bei Arrestantritt nach Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Tabelle 7: Wohnsituation nach Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Tabelle 8: Tätigkeitsstatus nach Rechtsgrundlage (Mehrfachnennungen möglich) . . . . 168 Tabelle 9: Art des Schulabschlusses nach Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 Tabelle 10: Vorsanktionierung nach Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Tabelle 11: Anzahl an Registereinträgen nach Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Tabelle 12: Zuvor erfasste Delikte nach Rechtsgrundlage (Mehrfachnennungen möglich) 171 Tabelle 13: Vorsanktionierungen nach Rechtsgrundlage (Mehrfachnennungen möglich) 172 Tabelle 14: Thematisierte Probleme nach Rechtsgrundlage (Mehrfachnennungen möglich) 174 Tabelle 15: Eingriffsintensivste Maßnahme durch das Jugendamt nach Rechtsgrundlage 175 Tabelle 16: Anlassdelikte nach Rechtsgrundlage (Mehrfachnennungen möglich) . . . . . 176 Tabelle 17: Körperverletzung nach Rechtsgrundlage (Mehrfachnennungen möglich) . . 177 Tabelle 18: Höchster Einzelschaden bei Eigentums-/Vermögensdelikten . . . . . . . . . . . . 178 Tabelle 19: Höchster Einzelschaden bei Personendelikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Tabelle 20: Alter zum Zeitpunkt der letzten Tat nach Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . 179 Tabelle 21: Art des verhängten Arrests nach § 16 JGG nach Geschlecht . . . . . . . . . . . . 180 Tabelle 22: Anzahl an verhängten Arbeitsstunden neben Jugendarrest . . . . . . . . . . . . . . 182 Tabelle 23: Begründung für die Verhängung der Jugendstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Tabelle 24: Verhängte Arreste nach Amtsgerichtsbezirk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Tabelle 25: Aspekte zu Gunsten der Person (Mehrfachnennungen möglich) . . . . . . . . . 187 Tabelle 26: Aspekte zu Lasten der Person (Mehrfachnennungen möglich) . . . . . . . . . . 188 Tabelle 27: Begründungen für die Verhängung (Mehrfachnennungen möglich) . . . . . . . 189 Tabelle 28: Zeitraum zwischen letzter Tat und Rechtskraft des Urteils . . . . . . . . . . . . . 190 Tabelle 29: Zeitraum zwischen Rechtskraft des Urteils und Arrestantritt . . . . . . . . . . . . 191 Tabelle 30: Anlassdelikte Nichtbefolgungsarrest (Mehrfachnennungen möglich) . . . . . 192 Tabelle 31: Anzahl der verhängten Arbeitsstunden bei Nichtbefolgungsarresten . . . . . . 195 Tabelle 32: Erfüllung der Arbeitsstunden bei Nichtbefolgungsarresten . . . . . . . . . . . . . 195 Tabelle 33: Dauer des Dauerarrests bei Nichtbefolgungsarresten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

Tabellenverzeichnis

19

Tabelle 34: Verhängte Nichtbefolgungsarreste nach Amtsgerichtsbezirk . . . . . . . . . . . . 198 Tabelle 35: Zeitraum zwischen Rechtskraft des Urteils und Rechtskraft des Arrest­ beschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Tabelle 36: Zeitraum zwischen Rechtskraft des Arrestbeschlusses und Arrestantritt . . . 200 Tabelle 37: Zeitraum zwischen ursprünglichem Urteil und Arrestantritt . . . . . . . . . . . . 201 Tabelle 38: Begangene Ordnungswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 Tabelle 39: Höhe der Geldbuße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Tabelle 40: Berechnete Anzahl an Fehltagen auf Grundlage der Geldbuße . . . . . . . . . . 204 Tabelle 41: Anzahl der verhängten Arbeitsstunden nach § 98 I OWiG . . . . . . . . . . . . . . 205 Tabelle 42: Erfüllung der Arbeitsstunden nach § 98 I OWiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Tabelle 43: Dauer des Arrests nach § 98 II OWiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Tabelle 44: Verhängte Arreste nach § 98 II OWiG nach Amtsgerichtsbezirk . . . . . . . . . 209 Tabelle 45: Zeitraum zwischen Erlass des Bußgeldbescheids und Umwandlungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 Tabelle 46: Zeitraum zwischen Umwandlungsbeschluss und Rechtskraft des Arrestbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Tabelle 47: Zeitraum zwischen Arrestbeschluss nach § 98 II OWiG und Arrestantritt . . 211 Tabelle 48: Zeitraum Verfahren OWiG insgesamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Tabelle 49: Verspäteter Arrestantritt (ohne Anschlussvollstreckungen) . . . . . . . . . . . . . 213 Tabelle 50: Zuführungen nach Rechtsgrundlage (ohne Anschlussvollstreckungen) . . . . 214 Tabelle 51: Pflichtverstöße nach Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Tabelle 52: Pflichtverstöße nach Geschlecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Tabelle 53: Art der Pflichtverstöße nach Rechtsgrundlage (Mehrfachnennungen möglich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Tabelle 54: Ergriffene Maßnahmen (Mehrfachnennungen möglich) . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Tabelle 55: Vorzeitige Entlassung nach Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Tabelle 56: Hinweise auf Belastungen nach Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Tabelle 57: Konkrete aufgeführte Problembelastungen (Mehrfachnennungen möglich) 220 Tabelle 58: Weitere Ladungen im Untersuchungszeitraum nach Rechtsgrundlage . . . . 221 Tabelle 59: Ladungen im Untersuchungszeitraum insgesamt nach Rechtsgrundlage . . . 221 Tabelle 60: Art der Erledigung bei Urteilsarresten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Tabelle 61: Art der Erledigung bei Nichtbefolgungsarresten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Tabelle 62: Art der Erledigung bei Arresten nach § 98 II OWiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Ansicht / andere Auffassung a. a. O. am angegebenen Ort alte Fassung a. F. ABl. Amtsblatt Abs. Absatz AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AG Amtsgericht ÄndG Änderungsgesetz Art. Artikel Aufl. Auflage BeckOK Beck’scher Online-Kommentar beck-online Rechtsprechung BeckRS Bürgerliches Gesetzbuch BGB BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BR-Drucks. Bundesratsdrucksache BT-Drucks. Bundestagsdrucksache BtMG Betäubungsmittelgesetz BVerfG Bundesverfassungsgericht BZRG Bundeszentralregistergesetz DDR Deutsche Demokratische Republik DJ Deutsche Justiz Drucks. Drucksache Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e. V. DVJJ Ed. Edition Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EGMR EuGH Europäischer Gerichtshof f. folgende ff. fortfolgende Fn. Fußnote FPR Familie Partnerschaft Recht FS Forum Strafvollzug GG Grundgesetz Gesetz- und Verordnungsblatt GVBl. herrschende / r Meinung h. M. Hessisches Jugendarrestvollzugsgesetz HessJAVollzG Hrsg. Herausgeber HzE Hilfen zur Erziehung in der Fassung des Entwurfs i. d. F. d. E. i. d. R. in der Regel in Verbindung mit i. V. m.

Abkürzungsverzeichnis

21

JA Jugendarrest JAE Jugendarresteinrichtung JAVollzG Jugendarrestvollzugsgesetz JAVollzO Jugendarrestvollzugsordnung JGG Jugendgerichtsgesetz JuS Juristische Schulung JVA Justizvollzugsanstalt JZ Juristenzeitung Kritische Justiz KJ Karlsruher Kommentar KK Kriminologisches Journal KrimJ LG Landgericht mit weiteren Nachweisen m. w. N. Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform MschrKrim Monatsschrift für Kriminalbiologie und Strafrechtsreform MschrKrimbio neue Fassung n. F. NB-Arrest Nichtbefolgungsarrest Neue Juristische Wochenschrift NJW Neue Kriminalpolitik NK Nr. Nummer Infomagazin der Neuen Richtervereinigung NRV-Info NRW Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Strafrecht NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht – Rechtsprechungs-Report NStZ-RR Gesetz über Ordnungswidrigkeiten OWiG PflVG Pflichtversicherungsgesetz Runderlass Reichsjustizministerium RdErl. RMdJ. Recht der Jugend und des Bildungswesens RdJB RefE Referentenentwurf RGBl. Reichsgesetzblatt RJGG Reichsjugendgerichtsgesetz Rn. Randnummer Recht und Wirtschaft der Schule RWS S. Seite Sozialdemokratische Partei Deutschland SPD StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozessordnung StVG Straßenverkehrsgesetz StVollstrO Strafvollstreckungsordnung TOA Täter-Opfer-Ausgleich Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt / Zentralblatt für JuZfJ gendrecht Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe ZfStrVo Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik ZIS Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe ZJJ Zeitschrift für Rechtspolitik ZRP Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft ZStW

1. Teil

Einleitung Der Jugendarrest ist eine jugendstrafrechtliche Sanktion aus der Kategorie der Zuchtmittel und gehört schon lange „zu den umstrittensten Themen der Jugendstrafrechtspflege“.1 Dementsprechend existiert eine nahezu unüberschaubare Anzahl an Veröffentlichungen, die den Jugendarrest (zumindest auch) behandeln und in denen umfassende Reformvorschläge unterbreitet werden. Dazu erklärten Breymann und Sonnen schon vor fast 15 Jahren: „Man finde erst einmal jemanden, der einen wissenschaftlichen Beitrag zu einem Arrestthema schreiben will. Es gibt aus fachlicher Sicht nichts Neues, worüber sich noch schreiben ließe“.2 Dies ist insofern nicht richtig, als dass geänderte Rechtsgrundlagen eine erneute Betrachtung erforderlich machen; z. B. wurde erst 7 Jahre nach Erscheinen des genannten Zitats eine weitere Form des Jugendarrests, nämlich § 16a JGG, eingeführt. Darüber hinaus verändern sich auch Rahmenbedingungen: Aktuell scheint in der Gesellschaft ein erhöhtes Strafbedürfnis zu bestehen, zu dem der Jugendarrest als freiheitsentziehende Sanktion für Jugendliche3 gut passt. Hinzu kommt, dass zum Jugendarrest keine umfassenden, aktuellen empirischen Erkenntnisse vorliegen,4 auf deren Grundlage diese Sanktion diskutiert werden kann und muss.5 Aktuelle Untersuchungen beziehen sich oft nur auf eine Arrestform;6 andere Untersuchungen beziehen zwar verschiedene Arrestformen ein,7 sind allerdings veraltet und eignen sich schon aufgrund geänderter Normen nicht mehr als Diskussionsgrundlage.

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BT-Drucks. 11/5829, 27.11.1989, S. 18. Breymann / Sonnen, NStZ 2005, 669 (669). 3 Zur Erleichterung der Lesbarkeit wird in dieser Arbeit in der Regel nur die männliche Form verwendet. Sie erfasst alle Personen, unabhängig vom Geschlecht, sofern nicht abweichend darauf hingewiesen wird. Die Begriffe „Arrestanten“ und „Arrestierte“ sind synonym verwendet. 4 Ebenso erklärte Franzen, dass über „die Anlässe der Verhängung und der Vollstreckung von Arresten erschreckend wenig [bekannt ist und die] empirischen Erkenntnisse […] in jeder Hinsicht dürftig“ [Franzen, ZJJ 2014, 114 (115)] sind. 5 In diesem Sinne führte auch Ostendorf aus, dass die „Rechtswirklichkeit […] Grundlage für kriminalpolitische Diskussionen […] sein“ [Ostendorf, MschrKrim 1995, 352 (353)] muss. 6 Siehe z. B. Klatt / Ernst / Höynck / Baier / Treskow / Bliesener / Pfeiffer, Evaluation des neu eingeführten Jugendarrestes, 2016; Kratochvil-Hörr, Der Beschlussarrest, 2016. 7 Siehe z. B. Keiner, Jugendarrest, 1989; Pfeiffer, MschrKrim 1981, 28 (28 ff.). Ausführlich dazu im 2. Teil, Kapitel F. und 4. Teil, Kapitel B. 2

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1. Teil: Einleitung

Die vorliegende Arbeit schließt diese Lücke durch eine Gesamtbetrachtung des Jugendarrests in allen seinen Varianten – d. h. die Betrachtung des Arrests nach § 16 JGG und nach § 16a JGG, des Nichtbefolgungsarrests8 sowie des Arrests nach § 98 II OWiG. Neben der Darstellung der rechtshistorischen Entwicklung (2. Teil) und der rechtsdogmatischen Ausgestaltung (3. Teil) wird eben jene empirische Grundlage geschaffen: Dazu werden aktuelle amtliche Daten zusammengefasst und der vorliegende Forschungsstand wird referiert (4. Teil), um darauf aufbauend das Forschungsinteresse und die Grundkonzeption der Untersuchung (5. Teil) zu erläutern. Anschließend werden die Ergebnisse der Aktenanalyse vorgestellt (6. Teil). Der dann folgende Teil der Arbeit widmet sich der aktuellen Reformdiskussion, indem auf Grundlage der in dieser Arbeit gewonnen Erkenntnisse dazu Stellung genommen wird (7. Teil). Abschließend werden die zentralen Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst und der Blick wird auf mögliche Entwicklungen gerichtet (8. Teil).9

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In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff „Nichtbefolgungsarrest“ für den Arrest nach §§ 11 III, 15 III JGG und für den Arrest wegen Nichterfüllung von Bewährungsweisungen und -auflagen nach §§ 23 I Satz 4, 29 Satz 2 bzw. § 88 VI JGG verwendet. Der Begriff erscheint gegenüber den anderen verwendeten Begriffen (siehe 3. Teil, Kapitel D.) am wenigsten wertend und ist daher zu bevorzugen. Auch der Jugendarrest nach § 98 II OWiG erfolgt nach schuldhafter Nichterfüllung einer Anordnung und wird daher teilweise als Nichtbefolgungsarrest bezeichnet. Da für die in dieser Arbeit betrachteten Fragestellungen eine Differenzierung zwischen beiden Arrestformen erforderlich ist, wird der Arrest nach § 98 II OWiG nicht unter den Begriff gefasst und gesondert dargestellt. 9 Auszüge und Grundgedanken einzelner Abschnitte dieser Arbeit sind in bereits veröffentlichte Beiträge der Autorin eingeflossen, insbesondere wenn diese aufgrund ihrer Aktualität Aspekte zur Debatte beitragen konnten; z. B. zu § 16a JGG (Klatt / Ernst / Höynck / Baier / Treskow / Bliesener / Pfeiffer, Evaluation des neu eingeführten Jugendarrestes, 2016) und zum 7. BZRGÄndG von 2017 [Ernst, ZJJ 2017, 365 (365 ff.)].

2. Teil

Historische Entwicklung des Jugendarrests In diesem Teil der Arbeit werden die rechtliche Entwicklung des Jugendarrests und Vorstellungen von seiner Zielsetzung dargestellt. Dies ist erforderlich, um die aktuelle rechtliche Situation und Diskussionen zum Jugendarrest nachvollziehen zu können.1 Dazu wird in Kapitel A. zunächst auf die Diskussion um die Einführung des Jugendarrests und seine Rolle im Rahmen des Jugendgerichtsgesetzes 1923 eingegangen. Anschließend werden die Einführung des Jugendarrests sowie die Änderungen im Rahmen des Reichsjugendgerichtsgesetzes 1944 in Kapitel B. und C. behandelt. Weitere Änderungen hinsichtlich des Jugendarrests traten 1953 mit dem neuen Jugendgerichtsgesetz in Kraft, welche in Kapitel D. erläutert werden. Kapitel E. widmet sich den Entwicklungen nach 1953, Kapitel F. den – auch damit verbundenen – Reformierungsbestrebungen zum Jugendarrest. Kapitel G. befasst sich mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes von 1990 und Kapitel H. mit weiteren Entwicklungen. Im abschließenden Kapitel I. wird ein Zwischenfazit zur Entwicklung des Jugendarrests gezogen.

A. Das Jugendgerichtsgesetz von 1923 Im Folgenden wird die Diskussion um die Einführung des Jugendarrests während der Einführung eines eigenständigen Jugendstrafrechts zusammengefasst. Eingegangen wird auch auf die Rolle des Jugendarrests im Gesetzgebungsverfahren zum Jugendgerichtsgesetz 1923.

I. Diskussion um die Einführung eines eigenständigen Jugendstrafrechts Besondere strafrechtliche Normen für – nach heutigem Begriffsverständnis – „Jugendliche“ sind nicht neu; ein eigenständiges Jugendstrafrecht gab es allerdings nicht immer. Das 1871 verabschiedete Reichsstrafgesetzbuch (RStGB) normierte 1

Die Relevanz dieser Perspektive betont auch Wulf (in: Meier / Rössner / Trüg / Wulf, JGG, 2. Aufl. 2014, § 16, Rn. 5): „Um den Jugendarrest beurteilen zu können, bedarf es rechtshistorischer Kenntnisse.“

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2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests

in den §§ 55 und 56 eine Strafbarkeitsgrenze von 12 Jahren und die Prüfung der strafrechtlichen Verantwortung bei Personen, die zur Zeit der Tat das 12., aber nicht das 18. Lebensjahr vollendet hatten. Außerdem waren in § 57 RStGB 1871 Strafmilderungen2 für diese Altersgruppe vorgesehen; einen gesonderten Strafvollzug für Jugendliche gab es allerdings nicht.3 Im Zuge der sogenannten Jugendgerichtsbewegung4 wurden um die Jahrhundertwende die Einführung eines eigenständigen Jugendstrafrechts und dessen Inhalte diskutiert.5 Foerster kritisierte in einem Vortrag auf dem Dritten Deutschen Jugendgerichtstag 1912 das Fehlen eines eigenständigen Jugendstrafrechts als „größten Übelstand in der gegenwärtigen Situation“.6 Er forderte die Einführung eines Jugendstrafrechts, das neben pädagogischen Aspekten auch das Strafprinzip7 bzw. das Sühneprinzip8 berücksichtige. In seinen Ausführungen betonte er insbesondere die Notwendigkeit einer „[p]ädagogisch organisierte[n] Jugendstrafe“,9 die in besonderen Gefängnissen für Jugendliche zu vollziehen sei. In diesem Zusammenhang brachte Foerster den bereits von ihm als solchen bezeichneten Jugendarrest in die Diskussion ein. Jugendarrest verstand er als „Gefängnisse für Jugendliche […] mit ernsthafter Arbeitstherapie, der in den Personalakten noch nicht als ‚Vorstrafe‘ gerechnet wird, der aber in seinem Wesen weder bloße Verwahrung, noch bloße Zwangserziehung, sondern durchaus eine ernsthafte Strafe ist“.10 Den Jugendarrest beschrieb Foerster weiter als sinnvoll „gerade für das erste Delikt, das durchaus im Interesse der Jugend durch einen tiefgreifenden und imponierenden Eindruck von dem Ernst der sittlichen Ordnung beantwortet werden muß“.11 Als Beispiel für einen solchen speziellen Strafvollzug nannte er den Schularrest bis zu 24 Stunden oder 8 Tagen in der Schweiz.12

2 Zum jugendlichen Alter als Strafmilderungsgrund siehe Ebermayer / Eichelbaum / ​L obe / ​ Rosenberg, RStGB, 1920, § 57, Rn. 1. 3 Ostendorf, in: Schumann / Wapler, 2017, 49 (52). 4 Dazu vertiefend Laubenthal / Baier / Nestler, Jugendstrafrecht, 2015, S. 12 ff.; Streng, ZJJ 2017, 208 (208). 5 Die folgenden Ausführungen beziehen sich insbesondere auf den Teil der Diskussion zum Jugendarrest. Zur Entwicklung des Jugendstrafrechts generell siehe weiterführend Götte, Jugendstrafvollzug im „Dritten Reich“, 2003, S. 43 ff.; Stolp, Die geschichtliche Entwicklung des Jugendstrafrechts, 2015, S. 25 ff. 6 Foerster, in: Deutsche Zentrale für Jugendfürsorge, 1913, 9 (11). 7 Foerster, in: Deutsche Zentrale für Jugendfürsorge, 1913, 9 (11). 8 Foerster, Schuld und Sühne, 1912, S. 18: „Unersetzlichkeit des Sühneprinzips“. 9 Foerster, in: Deutsche Zentrale für Jugendfürsorge, 1913, 9 (11). 10 Foerster, Schuld und Sühne, 1912, S. 25. Diese Vorstellungen unterstreichen auch seine Ausführungen zu „Fasttagen“ im Jugendarrest (a. a. O., S. 109). 11 Foerster, Schuld und Sühne, 1912, S. 25. 12 Foerster, in: Deutsche Zentrale für Jugendfürsorge, 1913, 9 (16). Die „Arreststrafe“ in der Schweiz wurde bereits auf dem Zweiten Deutschen Jugendgerichtstag diskutiert, siehe Deutsche Zentrale für Jugendfürsorge, 1911, S. 18 f. Dazu auch Fränkel, in: Deutsche Zentrale für Jugendfürsorge, 1918, 190 (190 f.).

A. Das Jugendgerichtsgesetz von 1923

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Insgesamt beziehen sich Foersters Ausführungen zum Jugendarrest auf eine spezielle Form von Strafvollzug für Jugendliche, den es zu dieser Zeit noch nicht gab.13 Ihm ging es dabei zum einen um die strikte Trennung von Jugendlichen und Erwachsenen im Strafvollzug;14 zum anderen sprach er sich gegen ein reines Erziehungsstrafrecht aus und postulierte die Strafe als „Vorbedingung der Erziehung“.15 Es ist nicht ersichtlich, dass Foerster den Jugendarrest als neue und eigenständige Sanktion vorschlug,16 zumal damals noch kein eigenständiges Jugendstrafrecht existierte. Hertz forderte kurze Zeit später in seinen Vorschlägen für ein künftiges Jugendstrafrecht von 1918 ein „gründlich umgestaltetes und wirklich ‚neu orientiertes‘ Jugendstrafrecht“17 und bezog sich dabei unter anderem auf den Jugendarrest. Er kritisierte die Verhängung der Freiheitsstrafe gegen Jugendliche,18 hielt aber eine Art der „Sühneleistungen“19 in Form einer „Ordnungsstrafe“20 oder eines „Denkzettels“21 für erforderlich. Neben der Geldstrafe / Geldbuße führte Hertz als mögliche Sanktion den kurzzeitigen Jugendarrest an, wobei er von einer erzieherischen Wirkung ausging.22 Als Anwendungsbereich nannte er „Vergehen des unüberlegten Übermuts, die über den Umfang von dummen Streichen weit hinausgehen, die womöglich Körperschäden anderer verursacht haben“.23 Den Jugendarrest charakterisierte Hertz als „kurze Besinnungshaft“ und führte aus, dass teilweise auch eine „sechsstündige Einsperrung an Sonntag-Nachmittagen“24 ausreichen würde. Noppel griff die Idee von Hertz in seinen Ausführungen zu einem Entwurf zum Jugendgerichtsgesetz 1921 wieder auf und schlug die Einordnung des Jugend­arrests in die Gruppe der im Entwurf vorgesehenen Erziehungsmaßnahmen vor.25 Er betonte die Nachteile des Jugendarrests, sofern dieser an Arbeitstagen vollzogen würde, und schlug den Vollzug an freien oder Ferientagen vor, weshalb der Arrest auch in der Schule verbüßt werden könne und die Schaffung besonderer Arrest-

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Zu diesem Ergebnis kommen auch Eisenhardt (Gutachten über die Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit des Jugendarrests, 1974, S. 10 ff.) und Meyer-Höger, Der Jugendarrest, 1998, S. 23 f. 14 Foerster, Schuld und Sühne, 1912, S. 108. 15 Foerster, Schuld und Sühne, 1912, S. 28. 16 Sieverts [in: Schaffstein / Miehe, 1968, 255 (262)] bezeichnet Foerster als „Vater der Idee des JA“. 17 Hertz, Schriften des Ausschusses für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen 1918, 24 (38). 18 Hertz, Schriften des Ausschusses für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen 1918, 24 (26). 19 Hertz, Schriften des Ausschusses für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen 1918, 24 (29). 20 Hertz, Schriften des Ausschusses für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen 1918, 24 (29). 21 Hertz, Schriften des Ausschusses für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen 1918, 24 (29). 22 Hertz, Schriften des Ausschusses für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen 1918, 24 (30). 23 Hertz, Schriften des Ausschusses für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen 1918, 24 (30). 24 Hertz, Schriften des Ausschusses für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen 1918, 24 (30). Von dieser Ansicht distanzierte er sich aber später (siehe Kapitel A. III.). 25 Noppel, Jugendzeit, 1921, S. 46, 51. Noppel verwies dabei ausdrücklich auf die „beachtenswerten Vorschläge“ von Hertz, Schriften des Ausschusses für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen 1918.

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2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests

anstalten nicht notwendig sei.26 Noppel betonte weiterhin, dass der Jugendarrest auf Einzelfälle beschränkt bleiben solle.27 Auch wenn der Jugendarrest damit schon vor Inkrafttreten eines eigenständigen Jugendgerichtsgesetzes diskutiert wurde, spielte er im Gesetzgebungsverfahren keine Rolle.28

II. Die Einführung eines eigenständigen Jugendstrafrechts Mit dem Jugendgerichtsgesetz vom 16. Februar 192329 trat das erste „Sonderstrafrecht[s] für jugendliche Täter“30 in Kraft. § 1 JGG 1923 normierte, dass Jugendlicher im Sinne dieses Gesetzes ist, wer über 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist. Nach § 3 JGG 1923 war nicht strafbar, wer zur Zeit der Tat nach seiner geistigen oder sittlichen Entwicklung unfähig war, das Ungesetzliche der Tat einzusehen oder seinen Willen dieser Einsicht gemäß zu bestimmen; die Strafbarkeitsgrenze wurde folglich von 12 Jahren auf 14 Jahre erhöht. Als Rechtsfolgen kamen gemäß §§ 5 ff. JGG 1923 Erziehungsmaßregeln und subsidiär die Sanktionen des allgemeinen Strafrechts (Geld- und die damals normierten Formen der „Freiheitsstrafe“) in Betracht, wobei § 9 JGG 1923 für die Strafbemessung eine Milderung des allgemeinen Strafrechts vorsah.31 Zur Mindestdauer der Freiheitsstrafe verwies § 9 JGG 1923 auf die des allgemeinen Strafrechts, welche für Gefängnisstrafe, Festungshaft und Haft gemäß §§ 16 I, 17 I, 18 I RStGB einen Tag betrug.32 Die eingeführten Erziehungsmaßregeln konnten neben der Strafe (§ 5 JGG) oder – wenn Erziehungsmaßregeln ausreichten – anstelle der Strafe (§ 6 JGG) verhängt werden. Als Erziehungsmaßregeln normierte § 7 I JGG 1923 die Verwarnung (Nr. 1), die Überweisung in die Zucht der Erziehungsberechtigten oder der Schule (Nr. 2), die Auferlegung besonderer Pflichten (Nr. 3), die Unterbringung (Nr. 4), die Schutzaufsicht (Nr. 5) und die Fürsorgeerziehung (Nr. 6).33 Außerdem wurde mit § 10 JGG 1923 die Aussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe eingeführt.

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Noppel, Jugendzeit, 1921, S. 51. Noppel, Jugendzeit, 1921, S. 51. 28 Entwürfe abgedruckt in: Deutsche Zentrale für Jugendfürsorge, 1922, S. 76 ff. 29 RGBl. 1923, Teil I, S. 135. An dieser Stelle einen herzlichen Dank an die Österreichische Nationalbibliothek, über deren Internetseite (http://alex.onb.ac.at/tab_dra.htm) ein Zugang zum Reichsgesetzblatt ermöglicht wurde. 30 Laubenthal / Baier / Nestler, Jugendstrafrecht, 2015, S. 15. 31 Dazu auch Peters, JGG 1923, 1942, § 9, Bemerkung 3. 32 Siehe dazu weiterführend Ebermayer / Eichelbaum / Lobe / Rosenberg, RStGB, 1920, §§ 16 ff. 33 Nach § 7 II JGG 1923 konnte die Reichsregierung mit Zustimmung des Reichsrats auch andere Erziehungsmaßregeln für zulässig erklären. Ausführlich dazu Stolp, Die geschichtliche Entwicklung des Jugendstrafrechts, 2015, S. 37 ff. 27

A. Das Jugendgerichtsgesetz von 1923

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III. Kritik am Jugendgerichtsgesetz von 1923 Zwar wurde das Jugendgerichtsgesetz insgesamt als bedeutender Fortschritt wahrgenommen, es wurde aber insbesondere dahingehend kritisiert, dass der Jugendarrest nicht (in den Katalog der Erziehungsmaßregeln) aufgenommen worden war. In seinen Ausführungen setze sich z. B. van Dühren mit den Erziehungsmaßregeln des neu eingeführten Jugendgerichtsgesetzes auseinander und diskutierte die Möglichkeit der Einführung des Jugendarrests als Erziehungsmaßregel. Dabei kritisierte er, dass die eingeführten Erziehungsmaßregeln keine erzieherische Wirkung in Form einer Denkzettelwirkung entfalten und daher auch nicht als Übel empfunden würden und dass eine Freiheitsstrafe in der Regel zur Bewährung ausgesetzt werde.34 Van Dühren betonte, dass ein zeitnah vollzogener Jugendarrest „dem Jugendlichen Gelegenheit zur Selbstbesinnung geben und […] von ihm als lästige (auch etwas ehrenrührige) Beschränkung seiner persönlichen Freiheit empfunden“35 würde. Ähnlich wie schon vor Inkrafttreten des Jugendgerichtsgesetzes von Noppel und Hertz vorgeschlagen, solle der Arrest an Sonntagen vollzogen werden. Allerdings betonte van Dühren auch, dass der Jugendarrest das bestehende System nur ergänzen und nicht als „Allheilmittel“ eingesetzt werden könne.36 Auch Müller sprach sich für den Jugendarrest als Erziehungsmaßregel aus und bezeichnete den Arrest als „Besinnungsarrest“,37 der in „der richtigen Umgebung vollzogen“38 werden müsse. Dabei ließ Müller allerdings offen, ob es sich dabei um einen Hausarrest oder einen Arrest, der durch das Jugendamt auszuführen sei, handeln solle. Bondy machte in seinem Aufsatz zum Strafvollzug an jungen Gefangenen einige Vorschläge, z. B. zur Haftform, und sprach sich insgesamt für einen „wirklichen Erziehungsstrafvollzug“39 aus. Dabei kritisierte er unter anderem die kurzen Freiheitsstrafen, kam aber zu dem Ergebnis, dass es an einer „wirklich brauchbare[n] Ersatzmaßnahme“40 fehle. Im Folgenden warf Bondy die Frage auf, ob der Jugendarrest gegebenenfalls eine entsprechende Ersatzmaßnahme sein könne. Diese Frage beantwortete er allerdings nicht, sondern verwies darauf, dass „sich keine Instanz gefunden hat, die gewillt ist, die Durchführung zu übernehmen“.41 Hertz, der sich vor Inkrafttreten des Jugendgerichtsgesetzes 1923 für den Vollzug eines kurzzeitigen Arrests z. B. an Sonntagen ausgesprochen hatte (siehe Kapitel A. I.), lehnte die Einführung dieser Sanktion nun ab, da ein – auch schon zuvor 34

van Dühren, ZfJ 1925, 77 (82). van Dühren, ZfJ 1925, 77 (82). 36 van Dühren, ZfJ 1925, 77 (82). 37 Müller, in: Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen, 1925, 3 (11). 38 Müller, in: Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen, 1925, 3 (11). 39 Bondy, in: Frede / Grünhut, 1927, 229 (229). 40 Bondy, in: Frede / Grünhut, 1927, 229 (234). 41 Bondy, in: Frede / Grünhut, 1927, 229 (234). 35

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2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests

von ihm geforderter – Besinnungseffekt nicht durch „das unbeschäftigte Sitzen im abgeschlossenen Einzelraum“42 eintrete. Dafür bedürfe es vielmehr der Beschäftigung unter „Anleitung und Aufsicht“.43

IV. Der Jugendarrest im Rahmen einer möglichen Jugendstrafrechtsreform Wie bereits dargestellt wurde das Jugendgerichtsgesetz von 1923 in den Jahren nach der Einführung diskutiert und kritisiert. Unter den geänderten politischen Verhältnissen kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs entfachte eine umfassende Diskussion um das Verhältnis von Erziehung und Strafe im Jugendstrafrecht. Als Folge wurde 1934 an der neu gegründeten Akademie für Deutsches Recht ein Jugendrechtsausschuss eingerichtet,44 der „die Voraussetzungen für die Neugliederung und Neuformulierung der verschiedenen Abteilungen des deutschen Jugendrechts schaffen sollte“.45 Den Jugendarrest und die Diskussion um Erziehung und Strafe griff Schaffstein 1936 in einem Aufsatz auf und forderte wegen der geänderten politischen Verhältnisse die Neuordnung von Strafe und Erziehung in Form einer „radikalen Trennung“46 dieser beiden Aspekte in einem künftigen Jugendstrafrecht. Er erläuterte, dass Strafen mit einer Strafdauer von mindestens einem Jahr auf schwerste Verbrechen und besondere Täter beschränkt werden und ansonsten Erziehungsmaßregeln Anwendung finden sollten; so könne auch das Problem der kurzzeitigen Freiheitsstrafen bei Jugendlichen gelöst werden.47 Er führte aus, dass die normierten Erziehungsmaßregeln nicht ausreichend seien, insbesondere um die kurzen Freiheitsstrafen zu ersetzen, weshalb der Jugendarrest mit einer maximalen Dauer von 3 Monaten als Erziehungsmaßregel einzuführen sei.48 Schaffstein verstand den Jugendarrest dabei als „kurze harte Freiheitsentziehung […] in strenger Einzelhaft und abgesondert von erwachsenen Gefangenen“.49 42

Hertz, ZStW 1931, 877 (890). Hertz, ZStW 1931, 877 (890). 44 Schumann, in: DVJJ, 2019, 39 (39 ff.). In diesem Ausschuss waren einige der Personen, die sich zum Jugendarrest geäußert haben, siehe Buddrus, Totale Erziehung für den totalen Krieg, 2003, S. 474 ff. Dazu ausführlich Schumann, in: Schumann / Wapler, 2017, 73 (73 ff.). Auch Meyer-Höger geht von einem „maßgeblichen Einfluß [des Ausschusses] auf die weitere Rechtsentwicklung aus (Der Jugendarrest, S. 101). 45 Buddrus, Totale Erziehung für den totalen Krieg, 2003, S. 474. 46 Schaffstein, DR 1936, 64 (64 ff.). Schaffstein erläuterte, dass „die Grundgedanken der nationalsozialistischen Strafrechtserneuerung“ auch im Jugendstrafrecht zu beachten seien und dieses als „Jugendehrrecht“ auszugestalten sei (a. a. o., S. 65). 47 Schaffstein, DR 1936, 64 (66). 48 Schaffstein, DR 1936, 64 (66). 49 Schaffstein, DR 1936, 64 (66). Schaffstein sprach weiter von einer „Erziehungsstrafe“ (a. a. O., 66), wobei unklar bleibt, wie sich diese Beschreibung mit seiner Forderung nach Trennung der beiden Zielsetzungen vereinbaren lässt. 43

A. Das Jugendgerichtsgesetz von 1923

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Insgesamt kritisch zu den Ausführungen Schaffsteins im Hinblick auf die Trennung von Erziehung und Strafe sowie zur Idee des Jugendarrests im Speziellen äußerte sich Francke. Er führte aus, dass der Anwendungsbereich kurzer Freiheitsentziehungen bei – vor allem jüngeren – Jugendlichen „von vorneherein als stark begrenzt anzusehen“50 ist und auch bei älteren Jugendlichen „die Aussonderung der geeigneten Fälle hohe Anforderungen an die Lebenserfahrung und Einfühlungsfähigkeit des Richter“51 stellt. Auch Gallas griff die Überlegungen Schaffsteins zum Verhältnis von Erziehung und Strafe auf und sprach sich ebenfalls für die Einführung des Jugendarrests aus. Allerdings gab er zu bedenken, dass die immer wieder geforderte Aufnahme des Jugendarrests in den Katalog der Erziehungsmaßregeln „die Frage auf[wirft], ob der Charakter des Arrests als eines bestimmungsmäßigen Übels nicht den Rahmen dieser Maßregeln sprengt und weiterhin, wodurch er sich noch von der Strafe unterscheidet, wenn dieser die Ehrminderung nicht wesentlich ist“52. Gallas erwog, „dem Jugendarrest eine Mittelstellung“53 zwischen der Gefängnisstrafe und den Erziehungsmaßregeln einzuräumen. Ebenfalls im Rahmen von Überlegungen zum Verhältnis von Erziehung und Strafe im Jugendstrafrecht thematisierte Kohlrausch den Jugendarrest und betonte, dass in Bezug auf diese Sanktion noch viele offene Fragen bestehen, z. B. zur Dauer und zum Vollzug.54 Weiterhin führte er aus, dass die grundsätzlichen Bedenken gegen kurze Freiheitsstrafen sich nicht dadurch lösten, dass man den Arrest als Erziehungsmaßregel einstufe.55 Allerdings kam er zu dem Schluss, dass der Jugendarrest mit einer Dauer von maximal 2 Wochen und bei strengem Vollzug eine „zweckmäßige Erziehungsmaßregel“56 sein könne. Hüring bewertete die kurzzeitige Gefängnisstrafe mit einer Dauer von unter 3 Monaten ebenfalls als Problem des Jugendstrafrechts von besonderer Bedeutung, insbesondere sei weder das Ziel der Besserung noch der Erziehung zu erreichen, es seien wirtschaftliche Schädigungen durch die Herausnahme aus dem Beruf zu erwarten und der Jugendliche sei vorbestraft.57 Hüring führte weiter aus, dass auch die bedingte Strafaussetzung Gefahren mit sich bringe; es fehle durch die Strafaussetzung vor allem an der Abschreckung und es entfalle zudem nicht der Eintrag 50

Francke, MschrKrimbio 1937, 140 (146). Francke, MschrKrimbio 1937, 140 (146). 52 Gallas, ZStW 1937, 635 (641). 53 Gallas, ZStW 1937, 635 (640). 54 Kohlrausch, ZStW 1937, 459 (474 f.). Sieverts führte später aus, dass Kohlrausch „die Anhänger des JA [durch seine Fragen] in der furchtbarsten Weise genötigt [hat], die gesetzgeberische Forderung über das Schlagwort hinaus nach allen Richtungen zu durchdenken und zu vertiefen und damit erst reif zur Umsetzung in die Praxis zu machen.“ [Sieverts, in: Probleme der Strafrechtserneuerung, Festschrift Kohlrausch, 1944, 75 (75)]. 55 Kohlrausch, ZStW 1937, 459 (475). 56 Kohlrausch, ZStW 1937, 459 (475). 57 Hüring, Das Junge Deutschland 1939, 106 (106 f.). 51

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2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests

im Strafregister.58 Er legte dar, dass der Jugendarrest als „Warnungsstrafe“59 die Lösung dieser Probleme sein könne, da dieser erzieherische und abschreckende Wirkung vereine, wobei sich der Arrest sowohl in der Dauer – maximal 3 Wochen – als auch in Bezug auf den Vollzug wesentlich von der Strafe unterscheiden müsse. Auch Hüring schlug vor, den Jugendarrest als Erziehungsmaßregel zu bewerten,60 allerdings solle im Vollzug des Jugendarrests „auf eine erziehliche Beeinflussung […] verzichtet werden“.61 Als Vorteil wertete Hüring weiterhin, dass ein Jugendarrest nicht im Strafregister eingetragen werden sollte, sondern in einem speziellen Register, welches nur durch Gerichte eingesehen werden könne.62 Anders als Hüring forderte wiederum Graehl sehr deutlich, den Jugendarrest schon aufgrund der Freiheitsentziehung als Strafe einzustufen und auch zu behandeln; die Kategorisierung als Erziehungsmaßnahme sei hingegen „als Heuchelei abzulehnen“.63 Graehl betonte die Möglichkeit, durch einen Jugendarrest von maximal 3 Monaten die in der Praxis auch immer wieder kritisierte Lücke zwischen den Erziehungsmaßnahmen und der Freiheitsstrafe zu schließen, auch wenn dies nicht die ursprüngliche Idee des Jugendarrests war.64 Er forderte zusätzlich die Art des Vollzugs und vor allem die vorgesehene Einzelhaft zu überdenken.65 Auch Schmidhäuser forderte, kurze Freiheitsstrafen durch den Jugendarrest zu ersetzen, ließ aber offen, ob Jugendarrest als Strafe oder als Erziehungsmaßregel zu kategorisieren sei.66 In der Durchführung allerdings müsse der Jugendarrest eine Strafe darstellen, bei welcher aber der Erziehungsgedanke zu berücksichtigen sei.67 Etwas später konkretisierte Schmidhäuser seinen Vorschlag zum Jugendarrest in einem ergänzenden Aufsatz unter anderem dahingehend, dass das von ihm vorgeschlagene Höchstmaß von 4 Wochen nur in Ausnahmefällen zur besonderen Abschreckung und bei Jugendlichen, bei denen diese Dauer von einem Arzt nicht ausgeschlossen wurde, in Betracht kommen solle; in der Regel solle der Jugendarrest aber nicht länger als eine Woche dauern.68 Boldt fasste die Diskussion um den Jugendarrest zusammen und arbeitete die verschiedenen Positionen zum Jugendarrest als Strafe und als Erziehungsmaßnahme heraus. Er selbst differenzierte in seinen Ausführungen hinsichtlich Dauer,

58

Hüring, Das Junge Deutschland 1939, 106 (110 f.). Hüring, Das Junge Deutschland 1939, 106 (115). 60 Hüring, Das Junge Deutschland 1939, 106 (117). 61 Hüring, Das Junge Deutschland 1939, 106 (115). 62 Hüring, Das Junge Deutschland 1939, 106 (115 f.). 63 Graehl, DJ 1939, 784 (787). 64 Graehl, DJ 1939, 784 (786 f.). 65 Graehl, DJ 1939, 784 (787). Insgesamt sprach sich Graehl gegen die Trennung von Erziehung und Strafe aus (784 ff.). 66 Schmidhäuser, MschrKrimbio 1939, 257 (279). 67 Schmidhäuser, MschrKrimbio 1939, 257 (279). 68 Schmidhäuser, MschrKrimbio 1939, 488 (488). 59

A. Das Jugendgerichtsgesetz von 1923

33

Vollzug und Vollstreckung zwischen dem „Karzer“69 als Wochenendarrest und dem Dauerarrest von maximal 3 Wochen.70 Er führte aus, dass der Jugendarrest weder Erziehungsmaßregel noch Strafe sei, sondern „eine Maßnahme eigener Art von mehr disziplinärem Charakter“71 bzw. ein „eigentümliches neues Zuchtmittel“;72 jedenfalls müsse das Verhältnis von Strafe und Erziehung neu bestimmt werden.73 Boldt betonte weiter, dass der Jugendarrest kein „Lückenbüßer“ für kurze Strafe sein dürfe, sondern ihm eine eigenständige Aufgabe als „hartes VorAugen-führen [sic] des Unrechts mit leicht ehrenrührigem Einschlag“ und als Ordnungsruf zukomme.74 Im oben bereits erwähnten Jugendrechtsausschuss der Akademie für Deutsches Recht wurden 1938 Unterausschüsse gebildet, von denen sich ein Ausschuss, unter der Leitung von Schaffstein, mit dem Jugendstrafrecht befasste.75 Diesem Ausschuss gehörten auch Hüring, Gallas und Boldt an, die sich schon zuvor intensiv an der dargestellten Diskussion um den Jugendarrest beteiligt und teilweise sehr konkrete Vorschläge unterbreitet hatten.76 In diesem Ausschuss wurden kurz vor Kriegsbeginn Leitsätze formuliert,77 die nach Kümmerlein „wertvolle Grundlagen für die sachlich-rechtlichen Gesetzgebungsarbeiten der Kriegszeit“78 darstellten. Die Arbeit des Jugendrechtsausschusses prägte den Weg zu einem neuen Jugendgerichtsgesetz maßgeblich, insbesondere zur Einführung des Jugendarrests.79

69 Als Karzer, lateinisch für Kerker, wurde ein „Raum zur Verbüßung von Disziplinarstrafen in Univ. [Universitäten, Anm. d. Verf.] und höheren Schulen“ (Brockhaus Enzyklopädie, Band 7, 1998, S. 252) bezeichnet. 70 Boldt, ZStW 1940, 336 (337, 355 f.). 71 Boldt, ZStW 1940, 336 (351). 72 Boldt, ZStW 1940, 336 (337). 73 Boldt, ZStW 1940, 336 (337). 74 Boldt, ZStW 1940, 336 (349). 75 Buddrus, Totale Erziehung für den totalen Krieg, 2003, S. 474; Kümmerlein, RJGG, 1944, Einleitung, S. 5. 76 Buddrus, Totale Erziehung für den totalen Krieg, 2003, S. 475; Schumann, in: DVJJ, 2019, 39 (53 ff.). 77 Kümmerlein, RJGG, 1944, Einleitung, S. 5. 78 Kümmerlein, RJGG, 1944, Einleitung, S. 5. 79 Siehe dazu m. w. N. Schumann, in: DVJJ, 2019, 39 (48).

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2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests

B. Die Einführung des Jugendarrests und dessen Anwendungsbereich Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde eine Reihe von Verordnungen zum Jugendstrafrecht erlassen.80 Der Jugendarrest81 wurde durch § 1 der Verordnung zur Ergänzung des Jugendstrafrechts vom 4. Oktober 194082 (kurz: „Jugendarrestverordnung“) eingeführt.83

I. Jugendarrest als jugendstrafrechtliche Sanktion Nach § 1 I der Jugendarrestverordnung konnte der Richter anstelle von Gefängnis oder Haft auf Jugendarrest erkennen, wobei der Jugendarrest weder als Erziehungsmaßregel noch als Strafe charakterisiert wurde. Das Mindestmaß des Jugendarrests betrug eine Woche und das Höchstmaß einen Monat; der Wochenendkarzer84 konnte von einem bis zu vier Wochenenden dauern, § 1 II der VO.85 Außerdem war gemäß § 2 I der VO das beschleunigte Verfahren zulässig, wenn zu erwarten war, dass auf Jugendarrest erkannt wird. § 2 II der VO normierte, dass die sofortige Vollstreckung für zulässig erklärt werden konnte.86 Daneben wurde die Möglichkeit eingeführt, Jugendarrest im Strafbefehlsverfahren sowie in einer

80 Überblick bei Kümmerlein, RJGG, 1944, Einleitung, S. 5 ff., wonach durch diese Verordnungen „Stück für Stück wichtige Bausteine für ein neues Jugendstrafrecht zusammengetragen“ wurden (a. a. O., S. 6). Löffelsender [ZJJ 2017, 215 (215)] spricht diesbezüglich von einem „jugendstrafrechtliche[n] Aktivismus“. 81 Der Jugendarrest war zwar „eine Neuschöpfung des deutschen Jugendstrafrechts“ (Potry­ kus, JGG, 3. Aufl. 1954, § 16, Bemerkung 14). „Arreststrafen“ waren nach Schmidhäuser [MschrKrimbio 1939, 257 (282)] aber bereits bekannt aus der Wehrmacht sowie aus dem Reichsarbeitsdienst. Eisenberg (JGG, 20. Aufl. 2018, § 13, Rn. 3) bezeichnet den Jugenddienstarrest als „Vorläufer“, wobei dieser auch erst im September 1940 eingeführt wurde. 82 RGBl. 1940, Teil I, S. 1336. 83 Details dazu bei Eisenhardt, Gutachten über die Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit des Jugendarrests, 1974, S. 23 ff. sowie bei Löffelsender, ZJJ 2017, 215 (215 ff.). Die Einführung des von Schaffstein wieder aufgegriffenen Jugendarrests könnte nach Kümmerlein (RJGG, 1944, Einleitung, S. 5) auch damit in Verbindung stehen, dass Schaffstein den Vorsitz der Arbeitsgemeinschaft für Jugendstrafrecht hatte und so wesentlich die Erneuerung des Jugendstrafrechts mitgestaltete. 84 Der „Wochenendkarzer“ entsprach dem späteren Freizeitarrest (siehe Kapitel C. I.). Diese Differenzierung erinnert stark an die Vorschläge von Boldt [ZStW 1940, 336 (336 ff.)] (siehe Kapitel A. IV.). 85 Dazu vertiefend Pieplow, ZJJ 2014, 108 (110 ff.). 86 Schmidhäuser [MschrKrimbio 1939, 257 (286)] betonte, dass „so schnell wie möglich die Aburteilung erfolgen“ und der „Vollzug des […] Jugendarrests seiner Verhängung auf dem Fuße nachfolgen“ muss. Zum dahinterstehenden Beschleunigungsgebot siehe auch Scheffler, RdJB 1981, 451 (457 ff.).

B. Die Einführung des Jugendarrests und dessen Anwendungsbereich 

35

polizeilichen Strafverfügung87 zu verhängen, § 3 der VO, wobei beide Verfahren der Entlastung der Jugendgerichte dienen sollten.88 Neben weiteren Verordnungen89 ist in Bezug auf den Jugendarrest vor allem die Verordnung zur Durchführung der Verordnung zur Ergänzung des Jugendstrafrechts vom 28. November 1940 zu nennen.90 Gemäß § 1 I der VO war der Jugendarrest ein Zuchtmittel,91 wobei dieser Begriff nicht weiter definiert oder erläutert wurde. In § 1 II der VO wurde ausgeführt, dass auf Jugendarrest erkannt wird, wenn der Richter eine Strafe nicht für angezeigt hält, dem Jugendlichen jedoch das Gemeinschaftswidrige seines Verhaltens eindringlich zum Bewusstsein gebracht werden muss.92 Zudem wurde in § 2 der VO klargestellt, dass Jugendarrest keine Strafe ist, insbesondere nicht im Sinne der Vorschriften über den Rückfall und das Strafregister sowie anderer Vorschriften, die Rechtsnachteile an eine strafgerichtliche Verurteilung knüpfen.93 Weiterhin konnte gemäß § 3 I der VO zur Durchführung der VO zur Ergänzung des Jugendstrafrechts an die Stelle einer Geldstrafe oder einer als Ersatzfreiheitsstrafe zu verhängenden Gefängnis- oder Haftstrafe auf Jugendarrest erkannt werden. In § 5 der VO wurde geregelt, dass ein Wochenendkarzer dann nicht am 87 Das „Verfahren nach vorangehender polizeilicher Strafverfügung“ ist vergleichbar mit dem heutigen Ordnungswidrigkeitenrecht (BeckOK OWiG / Gerhold, 19. Ed. 15.06.2018, Einleitung zum OWiG, Rn. 15). Dazu vertiefend RdErl. d. RMdI vom 28.11.1940, Jugendstrafrecht und polizeiliches Verfügungsverfahren (abgedruckt bei Peters, JGG 1923, 1942, S. 151 ff.) und RdErl. d. RMdI vom 30.03.1944, Übertretungen Jugendlicher (abgedruckt bei Kümmerlein, RJGG, 1944, S. 291 ff.). Zur Bemessung war im RdErl. d. RMdI vom 28.11.1940, Punkt 8 normiert: „Bei der Bemessung des Jugendarrestes ist zu berücksichtigen, daß das Höchstmaß von einem Monat bei gerichtlicher Bestrafung auch noch für Straftaten, die mit Gefängnis bedroht sind, als ausreichende Sühne anzusehen ist. In sinnvoller Abstufung wird daher die Pol[izei] bei geringeren Verstößen Jugendlicher entsprechend kürzere Zeiträume bestimmen und es regelmäßig bei der Anwendung des Wochenendkarzers (Freizeitarrest) für ein oder mehrere Wochenenden bewenden lassen können.“ Siehe dazu auch Werner, Reichsverwaltungsblatt 1941, 37 (37 ff.) und Götte, Jugendstrafvollzug im „Dritten Reich“, 2003, S. 95 ff. Götte verweist darauf, dass es durch die damalige Verhängung von Jugendarrest für Schulversäumnisse durch Berufsschule und Polizei zu einem „Missbrauch des Zuchtmittels Jugendarrest kam“ (a. a. O., S. 95). 88 Das Strafbefehlsverfahren eigne sich laut Peters für die Fälle, in denen es „einer persönlichen Kenntnis des Jugendlichen nicht bedarf oder der Jugendliche dem Jugendrichter bereits bekannt ist“ (Peters, JGG 1923, 1942, § 39, Bemerkung 1). Außerdem sollten Jugendgerichte „im Interesse der Autorität nicht mit allen Kleinigkeiten befaßt werden“ (Peters, JGG 1923, 1942, § 40, Bemerkung 1). 89 Überblick bei Meyer-Höger, Der Jugendarrest, 1998, S. 68 ff. 90 RGBl. 1940, Teil I, S. 1541. 91 Mit der Charakterisierung wurde der oben genannten Einstufung von Boldt [ZStW 1940, 336 (336 ff.)] gefolgt. Zum Jugendarrest als Zuchtmittel ausführlich Peters, ZStW 1941, 551 (552 ff.). 92 Diese Ausführungen zur Anwendung von Jugendarrest entsprechen fast dem Wortlaut des heutigen § 13 I JGG. 93 Dies entsprach den oben genannten Forderungen, die Nachteile der kurzzeitigen Freiheitsstrafen bei einer Verurteilung zu Jugendarrest zu vermeiden.

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2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests

Wochenende vollstreckt wird, wenn die Freizeit des Jugendlichen nicht in das Wochenende fällt.94 Außerdem wurde auch bei mehreren Straftaten einheitlich auf Jugendarrest von maximal einem Monat erkannt, wenn dies nach der Persönlichkeit des Täters und der Art und den Umständen der Taten angezeigt erschien, § 6 I Satz 1 der VO. Jugendarrest und Freiheitsstrafe durften nach § 6 I Satz 2 der VO nicht nebeneinander verhängt werden. Ebenfalls in Bezug auf den Jugendarrest von besonderer Relevanz war die Jugendarrestvollzugsordnung vom 20. Dezember 1943:95 Nr. 1 JAVollzO 1943 normierte, dass der Vollzug von Freizeitarresten und Kurzarresten von bis zu 3 ­Tagen in Freizeitarresträumen und der Vollzug von Dauerarresten und Kurzarresten von mehr als 3 Tagen in Jugendarrestvollzugsanstalten, welche gemäß Nr. 1 der Jugendarrestgeschäftsordnung einzurichten waren, vollzogen werden sollte.96 Als Aufgabe des Vollzugs normierte Nr. 3 der JAVollzO 1943, dass das Erlebnis der Freiheitsentziehung und die Erkenntnis ihres Sinns dazu führen sollen, das Recht fortan zu achten. Gemäß Nr. 3 II der JAVollzO sollte dies durch gerechte Strenge und erziehliche Gestaltung erreicht werden. In Nr. 3 III der JAVollzO 1943 wurde festgelegt, dass der Vollzug der Eigenart des Jugendarrests entsprechen müsse, wozu weiter ausgeführt wurde, dass Versuche, ihn in der Richtung anderer Vollzugsarten auszuweiten oder einzelnen Erziehungsmitteln die Bedeutung zu geben, die ihnen in anderen Vollzugsarten zukommt, seine Möglichkeiten verkennen, seine Eigenart verfälschen und seinen Erfolg gefährden.97

II. Diskussion um die Anwendung und Zielsetzung des Jugendarrests Die Einführung des Jugendarrests wurde unterschiedlich bewertet, wobei die Diskussion an die zuvor geführte Diskussion zum Verhältnis von Erziehung und Strafe anknüpfte, insbesondere da die Schaffung einer neuen Kategorie der Zuchtmittel diese Frage nicht entschieden hatte. Dazu erklärte Lange, dass durch die Einführung des Jugendarrests die Frage nach dem Verhältnis von Erziehung und Strafe gerade „nicht gelöst, sondern nur bewußter und zugleich unausweichlicher geworden“98 ist. Er betonte, dass Jugend-

94

Dies entspricht der heutigen Regelung zum Kurzarrest. Abdruck bei Potrykus, JGG, 3. Aufl. 1954, S. 727 ff. 96 Eisenhardt (Der Jugendarrest, 2010, S. 12) weist darauf hin, dass der Jugendarrest provisorisch in „ehemaligen kleinen Gerichtsgefängnissen“ vollzogen wurde. 97 Vorgesehen waren z. B. „strenge Tage“ (Nr. 8 der VO), wobei dies gemäß Nr. 19 in der Regel Wasser und Brot als vereinfachte Kost sowie hartes Lager „auf einer Holzpritsche mit erhöhtem Kopfteil und dazu je nach Witterung eine oder zwei überzogene Schlafdecken“ bedeutete. 98 Lange, in: Probleme der Strafrechtserneuerung, Festschrift Kohlrausch, 1944, 44 (44). 95

B. Die Einführung des Jugendarrests und dessen Anwendungsbereich 

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arrest vom Inhalt her weder Strafe noch Erziehung, von seiner Zielsetzung allerdings Strafe und Erziehung sei.99 Axmann bewertete die Einführung des Jugendarrests als Zuchtmittel zwischen Erziehungsmaßregeln und Freiheitsstrafen positiv; die bisherigen Mittel des Jugendstrafrechts seien unzureichend gewesen, um die „Jugenddisziplin aufrechtzuerhalten“.100 Wichtig sei, dass durch den Jugendarrest die Nachteile von kurzen Freiheitsstrafen und Bewährung vermieden würden.101 Jugendarrest sei eine Art letzte Warnung und stille außerdem das „Sühnebedürfnis der Volksgemeinschaft“.102 Auch Peters bewertete den Jugendarrest als „erfreuliche Bereicherung in der Skala der dem Jugendrichter zur Verfügung stehenden Maßnahmen“103 und betonte, dass der Zweck des Jugendarrests darin bestünde, die kurzen Freiheitsstrafen zu ersetzen.104 Die erzieherische Beeinflussung durch den Jugendarrest sah Peters allerdings allein im Freiheitsentzug, nicht in darüber hinausgehenden Maßnahmen im Vollzug, welche in der kurzen Zeit auch gar nicht zu leisten seien.105 In einem weiteren Aufsatz betonte er, dass „[e]ine zu starke Überweisung erzieherischer Funktionen […] den Jugendarrest mit Aufgaben [belastet], die er nicht leisten kann“.106 Weiterhin machte Peters konkrete Vorschläge zur Zielgruppe und führte aus, dass nicht klar sei, für welche Täter und für welche Taten Jugendarrest als Sanktion in Betracht kommen solle, und dem Richter so ein Ermessensspielraum eröffnet sei.107 Seiner Ansicht nach kam Jugendarrest für „Fahrlässigkeitsdelikte“ und „Taten, die im Zusammenhang mit typisch jugendlichen Neigungen stehen“,108 in Betracht. Für schwere und in der Regel auch für mittlere Kriminalität sei Jugendarrest ausgeschlossen.109

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Lange, in: Probleme der Strafrechtserneuerung, Festschrift Kohlrausch, 1944, 44 (46). Axmann, DJ 1940, 1257 (1258). 101 Axmann, DJ 1940, 1257 (1257 f.); so auch Dra, MschrKrimbio 1940, 63 (63). 102 Axmann, DJ 1940, 1257 (1258). Er formulierte, der Jugendarrest sei „der letzte Zuruf an den Jugendlichen: Bis hierher und nicht weiter!“. 103 Peters, MschrKrimbio 1942, 173 (181). 104 Peters, ZStW 1941, 551 (557). So auch schon Peters, JGG 1923, 1942, § 9, Bemerkung 2. 105 Peters, ZStW 1941, 551 (561). Dabei schließt Peters einen „Erziehungsplan“ (a. a. O., S. 561) explizit aus. 106 Peters, MschrKrimbio 1942, 173 (174). 107 Peters, ZStW 1941, 551 (559). 108 Peters, ZStW 1941, 551 (559). Siehe auch Peters, JGG 1923, 1942, § 6, Bemerkung 2. 109 Peters, ZStW 1941, 551 (560). Ebenso betonte Peters [MschrKrimbio 1942, 173 (175)], dass sich Jugendarrest nur „für bestimmte jugendliche Tätergruppen“ eigne. 100

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2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests

C. Das Reichsjugendgerichtsgesetz von 1944 Schon kurze Zeit nach Einführung des Jugendarrests trat durch die Verordnung über die Vereinfachung und Vereinheitlichung des Jugendstrafrechts vom 6. November 1943 (kurz: Jugendstrafrechtsverordnung) die Neufassung des Reichsjugendgerichtsgesetzes (RJGG) zum 1. Januar 1944 in Kraft und setzte alle entgegenstehenden oder durch das Gesetz gegenstandslosen Vorschriften außer Kraft,110 §§ 1, 2 Jugendstrafrechtsverordnung. Kümmerlein wertete das RJGG im Vergleich zum JGG 1923 als „ein völlig neues Gesetz“,111 wobei die wesentlichen Änderungen allerdings bereits durch die dargestellten Verordnungen eingeführt worden waren.

I. Verankerung von Jugendarrest Als Folgen einer Jugendstraftat wurden in § 2 I RJGG die Strafe, die nach § 4 I RJGG Jugendgefängnis bedeutete,112 und Zuchtmittel genannt. In § 2 II RJGG wurde weiterhin festgelegt, dass aus Anlass der Straftat Erziehungsmaßregeln113 angeordnet werden können. Neben dem bereits zuvor als Zuchtmittel definierten Jugendarrest wurden in § 7 II RJGG darüber hinaus die Auferlegung besonderer Pflichten und die Verwarnung als Zuchtmittel eingestuft; in § 7 JGG 1923 waren die Verwarnung (Nr. 2) sowie die Auferlegung besonderer Verpflichtungen (Nr. 3) noch Erziehungsmaßregeln. Gemäß § 7 I RJGG wurde die Straftat mit Zuchtmitteln geahndet, wenn Jugendgefängnis nicht geboten ist, dem Jugendlichen aber eindringlich zum Bewusstsein gebracht werden muss, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. Normiert wurde zudem, dass Zuchtmittel nicht die Rechtswirkungen einer Strafe haben, § 7 III RJGG. Der Jugendarrest wurde in § 8 RJGG geregelt, wobei zwischen Dauer-, Freizeitund Kurzarrest unterschieden wurde. Der Dauerarrest entsprach dem Arrest in der Verordnung vom 4. Oktober 1940, wobei die Höchstdauer des Dauerarrests von einem Monat, § 1 II der VO, auf 4 Wochen geändert wurde, § 8 II Satz 1 RJGG,

110 RGBl. 1943, Teil I, S. 635. Gemäß § 1 II RJGG war der Anwendungsbereich des Gesetzes auf Deutsche beschränkt, siehe dazu auch die Richtlinien zu § 1 II, beides abgedruckt bei Kümmerlein, RJGG, 1944, § 1, Anmerkung 1 ff. 111 Kümmerlein, RJGG, 1944, Einleitung, S. 8. 112 Gemäß § 5 I RJGG betrug das Mindestmaß der Jugendgefängnisstrafe 3 Monate, das Höchstmaß 10 Jahre. Normiert wurde zudem, dass die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts nicht gelten. Siehe dazu auch Potrykus, JGG, 1952, § 5, Bemerkung 1 f. 113 Dazu Kümmerlein, RJGG, 1944, § 2, Anmerkung 4: „Die Erziehungsmaßregeln sind nicht tatgebunden. Für sie ist die Straftat nur Symptom der Erziehungsbedürftigkeit des Jugend­ lichen.“

C. Das Reichsjugendgerichtsgesetz von 1944

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wohl um die unterschiedliche Länge der Monate auszugleichen.114 Der Freizeitarrest ersetzte den in der VO eingeführten Wochenendkarzer, um „Verwechselungen mit dem Schul- und Universitätskarzer“115 zu vermeiden. Gemäß § 8 III RJGG wurde der Freizeitarrest für die allwöchentliche Freizeit des Jugendlichen verhängt und auf mindestens eine Freizeit und höchstens 4 Freizeiten bemessen. Neu eingeführt wurde der Kurzarrest, welcher nach § 8 IV RJGG aus besonderen Gründen, namentlich wenn die sofortige Vollstreckung notwendig ist, statt des Freizeitarrests verhängt wurde; er betrug mindestens einen Tag und höchstens 6 Tage. Nach § 8 V RJGG konnten einmaliger Kurzarrest bis zu 3 Tagen und Freizeitarrest nebeneinander verhängt werden. Hinsichtlich der Vollstreckung normierte § 61 I RJGG, dass Freizeitarrest in Kurz- oder Dauerarrest umgewandelt werden konnte, wenn dies zur Sicherung der sofortigen Vollstreckung erforderlich war. Außerdem konnte Jugendarrest nach § 61 II, III RJGG verlängert werden, wenn der Jugendliche der Ladung ohne Entschuldigung nicht gefolgt ist oder er im Anschluss an den Jugendarrest schuldhaft die Arbeit versäumt hatte. Außerdem konnte gemäß § 62 II RJGG teilweise von der Vollstreckung des Jugendarrests abgesehen werden, wenn dies aus Gründen der Erziehung geboten ist. Die Vollstreckung des Jugendarrests war unzulässig, wenn seit Eintritt der Rechtskraft ein Jahr verstrichen ist, § 62 V RJGG. Der Vollzug des Jugendarrests war in § 66 RJGG normiert, wobei sich dieser deutlich an der Jugendarrestvollzugsordnung vom 20. Dezember 1943 orientierte (siehe Kapitel B. I.).

II. Konkretisierungen durch Richtlinien 1944 wurden dann vom Reichsjustizministerium Richtlinien zum RJGG erlassen, welche „bedeutsame Hinweise für die Jugendstrafrechtspflege geben und Zweifelsfragen des Gesetzes mit bindender Wirkung klären“116 sollten. In Nr. 1 der Richtlinie zu § 8 RJGG wurde definiert, dass Jugendarrest ein geeignetes Zuchtmittel bei kleinen und mittleren Verfehlungen gutgearteter oder undurchschaubarer Jugendlicher ist, die durch eine kurze, harte, in Einzelhaft durchgeführte Freiheitsentziehung, den damit verbundenen Zwang zur Selbstbesinnung und die Betreuung durch den Jugendrichter noch erziehlich beeinflusst werden können. Jugendarrest sollte hingegen nach Nr. 2 der Richtlinie ausgeschlossen sein bei schwer gefährdeten oder verwahrlosten Jugendlichen, auch wenn sie bisher noch nicht vor dem Jugendrichter gestanden haben. Es sei „daher falsch, es grundsätzlich zuerst einmal mit dem Jugendarrest zu versuchen“. Nr. 3 der Richtlinie zu § 8 RJGG normierte weiter, dass die Frage nach der wiederholten Verhängung von Jugendarrest 114

Potrykus, JGG, 3. Aufl. 1954, § 16, Bemerkung 8. Potrykus, JGG, 3. Aufl. 1954, § 16, Bemerkung 6. 116 Kümmerlein, RJGG, 1944, Einleitung, S. 8 mit Abdruck der gesamten Richtlinien bei den entsprechenden Paragraphen. Potrykus (JGG, 1952, S. 13) bewertete die Verbindlichkeit der Richtlinien wegen ihrer Rechtsnatur als zweifelhaft. 115

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2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests

einer besonders sorgfältigen Prüfung bedürfe. Gemäß Nr. 4 der Richtlinie durften ganz geringfügige Verfehlungen, namentlich bloße Ordnungswidrigkeiten, nicht mit Jugendarrest geahndet werden, um eine Verwässerung und Fehlbewertung dieses Zuchtmittels zu verhüten. In der Richtlinie wurde für diese Fälle auf die Verwarnung oder die Ermahnung sowie die Erteilung von Arbeitsauflagen verwiesen.117 Nr. 7 der Richtlinie besagte, dass Kurzarrest nur als Ersatzform für den Freizeitarrest eingesetzt werden sollte, wenn z. B. Belegungsschwierigkeiten dem Freizeitarrest entgegenstehen.

III. Jugendarrest bei schuldhafter Nichterfüllung Des Weiteren wurde die Verhängung von Jugendarrest bei schuldhafter Nichterfüllung von Pflichten und Weisungen eingeführt, § 19 RJGG. Als Argument für die Einführung wurde vorgebracht, dass ein „Autoritätsverlust“118 des Staates sowie ein Schaden für das Ansehen des Gerichts drohe,119 wenn keine Möglichkeit bestehe, bei Nichterfüllung von Pflichten und Weisungen gegen den Jugendlichen vorzugehen; zuvor war argumentiert worden, dass es gerade auf die freiwillige und nicht auf die erzwungene Erfüllung der Pflichten ankomme.120 In der Richtlinie zu § 19 RJGG wurde einschränkend darauf hingewiesen, dass es sich bei der Verhängung von Jugendarrest um das schärfste Mittel handle und bei leichten Zuwiderhandlungen insbesondere eine formlose Ermahnung des Jugendlichen ausreichen kann. Die Entscheidung, ob wegen der Nichterfüllung Jugendarrest verhängt wird, stand im Ermessen des Jugendgerichts, § 54 I Satz 1 RJGG. Nach § 54 II RJGG erfolgte die Verhängung eines Jugendarrests nach Anhören des Jugendlichen durch unanfechtbaren Beschluss. Kümmerlein verwies hinsichtlich der Zielsetzung auf Erläuterungen aus dem Reichministerium: Die „Klärung der Frage, ob es sich hier um eine Ahndung der früheren Straftat oder um einen neuen Straftatbestand handelt, mag der Wissenschaft überlassen bleiben“.121 117 In Punkt 3 der Richtlinie zu § 7 RJGG wurde zudem darauf hingewiesen, dass in „einer Reihe von Fällen […] Jugendliche, gegen die Jugendarrest verhängt worden ist, aus ihrem Lehr- oder Anlernverhältnis fristlos entlassen worden [sind]. Solche Maßnahmen […] gefährden in starkem Maße den Erziehungserfolg, der mit dem Jugendarrest erreicht werden soll, und müssen daher tunlichst vermieden werden.“ 118 Kümmerlein, RJGG, 1944, Einleitung, S. 22. Mit dem Argument der „Staatsautorität“ wurden auch andere Änderungen begründet, wie z. B. die Einschränkung der Rechtsmittel (Kümmerlein, RJGG, 1944, Einleitung, S. 21). Insgesamt finden sich allerdings wenige Informationen zur Einführung dieser Arrestart, z. B. enthält auch die Kommentierung von Kümmerlein zum RJGG nur 3 kurze Anmerkungen, welche sich alle auf das Verfahren beziehen. 119 Eisenberg, ZfJ 1989, 16 (16). 120 Potrykus, JGG, 3. Aufl. 1954, § 11, Bemerkung 3. Dünkel (Freiheitsentzug für junge Rechtsbrecher, 1990, S. 357) erläutert dazu, dass die Praxis bis zur Einführung auch gut ohne diese Maßnahme zurechtkam. 121 Kümmerlein, DJ 1943, 529 (536).

D. Das Jugendgerichtsgesetz von 1953

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In § 52 I RJGG übernommen wurde auch die Möglichkeit, Jugendarrest bei Übertretungen122 Jugendlicher in einer polizeilichen Strafverfügung zu verhängen. Der Jugendliche musste vor der Verhängung von Jugendarrest gehört werden, § 52 II RJGG. Ebenfalls übernommen wurde, dass bei schuldhafter Nichtzahlung einer Geldbuße Jugendarrest verhängt werden konnte, § 52 III RJGG.123

D. Das Jugendgerichtsgesetz von 1953 Insbesondere aufgrund der geänderten politischen Verhältnisse der Nachkriegszeit wurde eine „vorläufige Neuregelung“124 des Jugendstrafrechts vorgeschlagen. Im Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Reichsjugendgerichtsgesetzes von 1952 wurde zum einen hervorgehoben, dass das Reichsjugendgerichtsgesetz von 1944 die „bisher fortschrittlichste Kodifikation des Jugendstrafrechts in Deutschland“125 enthalte. Es wurde aber anderseits auch betont, dass das Jugendstrafrecht von nationalsozialistischen Gedanken befreit und den gegenwärtigen Verhältnissen angepasst werden müsse; außerdem seien Reformbedürfnisse der Praxis aufzugreifen.126 Der Entwurf sah als zentrale Änderungen die Einbeziehung von Heranwachsenden in das Jugendstrafrecht, die Einführung der Aussetzung der Jugendstrafe und der Verhängung der Jugendstrafe zur Bewährung sowie die Einbindung der Richtlinien, deren Rechtsnatur umstritten war (siehe Kapitel C. II.), in den Gesetzestext des Jugendgerichtsgesetzes vor. Für den Jugendarrest, der nach dem Inkrafttreten des Reichsjugendgerichtsgesetzes 1944 schnell eine „beherrschende Stellung“127 unter den Verurteilungen einnahm, wurden im Gesetzgebungsverfahren ebenfalls Änderungen diskutiert, die teilweise umgesetzt worden sind und im Folgenden vorgestellt werden.

I. Der Jugendarrest im Gesetzgebungsverfahren Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung sah – neben der Streichung der sofortigen Vollstreckung als besonderen Grund nach § 8 IV RJGG, die mit der vorgesehenen Erweiterung der Rechtsmittel zusammenhing (siehe Kapitel D. II.) – keine 122

Im RdErl. d. RMdI vom 30.03.1944, Übertretungen Jugendlicher (abgedruckt bei Kümmerlein, RJGG, 1944, S. 291 ff.) wurden als Beispiel für solche Übertretungen Berufsschulversäumnisse genannt. 123 Diese Norm erinnert stark an den heutigen § 98 II OWiG (siehe 3. Teil, Kapitel E.). 124 BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, S. 35. 125 BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, S. 35. 126 BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, S. 35. 127 Potrykus, JGG, 1952, § 8, Bemerkung 4. Kümmerlein (RJGG, 1944, Einleitung, S. 14) bezeichnete den Jugendarrest sogar als typische Sanktion im neuen Jugendstrafrecht.

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2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests

Änderung des § 8 RJGG 1944 vor. Jedoch wurden in der Entwurfsbegründung ausdrücklich Zweifel am erzieherischen Wert des Jugendarrests geäußert, da dieser in der Praxis oft kurze Freiheitsstrafen ersetze.128 Explizit abgelehnt wurde die Verlängerung der Höchstdauer von Jugendarrest auf 10 Wochen oder 3 Monate, da dies der für Jugendliche schädlichen kurzfristigen Freiheitsstrafe entspreche.129 Weiter wurde ausgeführt, dass es sich bei den Änderungen zum Jugendarrest durch dieses Gesetz lediglich um eine „vorläufige Neuordnung“ handle und die offenen Fragen „im Rahmen der großen Reform des Jugendstrafrechts eingehend zu erwägen“ sind.130 Aktuell sei „die Zeit noch nicht reif, um grundlegende Änderungen vorzunehmen, zumal völlig ungeklärt ist, welches geeignete Erziehungsmittel an seine Stelle treten könnte“.131 Zu diesen zukünftigen Änderungen wurde im Regierungsentwurf generell ausgeführt, dass geplant sei, „in absehbarer Zeit nach Erlaß des vorgeschlagenen Gesetzes die Arbeiten in einem großen Rahmen fortzusetzen und das ganze Gebiet des Jugendstrafrechts nach gründlicher Vorbereitung neu zu ordnen“.132 Der Entwurf sah ferner vor, die zuvor in den Richtlinien normierte Belehrungspflicht vor Verhängung eines Arrests wegen Nichterfüllung von Weisungen und Pflichten aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit in § 19 RJGG aufzunehmen.133 Betont wurde auch die Relevanz des Verschuldens der Nichterfüllung, welches allerdings schwierig nachzuweisen sei.134 Als Lösung war vorgesehen, in diesem Falle andere Weisungen oder andere Pflichten zu erteilen.135 Darüber hinaus erfolgte im Gesetzgebungsverfahren keine weitere Auseinandersetzung mit dieser Form des Arrests. Aus rechtsstaatlichen Gründen war im Entwurf der Bundesregierung zudem die Ausweitung der Anfechtbarkeit von Urteilen und damit eine Rückkehr zu den Regelungen des JGG 1923 vorgesehen, § 40 JGG-E.136 Aus diesem Grund sollte die sofortige Vollstreckung nach § 8 IV RJGG zu einem Ausnahmefall werden.137 Ausgeschlossen bleiben sollte allerdings weiterhin die Anfechtbarkeit wegen der Auswahl, des Umfangs oder der Dauer einer Maßnahme, um eine „unnötige Verzögerung des Verfahrens“138 zu vermeiden, § 40 I JGG-E. Allerdings war im Regierungsentwurf vorgesehen, in § 54 II JGG-E die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss bei Verhängung von Jugendarrest wegen der Nichterfüllung von 128

BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, S. 40. BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, S. 40 130 BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, S. 40. 131 BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, S. 40. 132 BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, S. 35. 133 BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, S. 43. 134 BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, S. 43 f. 135 BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, S. 44. 136 BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, S. 46. 137 BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, S. 40. 138 BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, S. 46. 129

D. Das Jugendgerichtsgesetz von 1953

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Weisungen oder Pflichten zuzulassen und deren aufschiebende Wirkung zu normieren. Begründet wurde dies damit, dass die Unanfechtbarkeit von Entscheidungen, durch die Jugendarrest verhängt wird, mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar sei.139 Zum Vollzug sah der Entwurf vor, in § 66 V JGG-E zu normieren, dass der Vollzugsleiter von der Verschärfung durch vereinfachte Kost und hartes Lager absehen kann, um „eine Gefährdung der Erziehung oder der Gesundheit zu vermeiden“.140 Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wurden einige Punkte diskutiert. Besonders umstritten war der Umfang der Anfechtbarkeit von Entscheidungen nach § 40 JGG-E: In den Änderungsvorschlägen des Bundesrates zum Regierungsentwurf war vorgesehen, die Anfechtung beim Dauerarrest uneingeschränkt zuzulassen. Dazu wurde ausgeführt, dass „es sich hier um eine sehr einschneidende Maßnahme handelt, deren richtige Auswahl der Nachprüfung im Instanzenzuge unterliegen sollte“.141 Diesen Änderungsvorschlag lehnte die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme mit dem Argument ab, dass diese „maßvolle Beschränkung“ der Rechtsmittel notwendig sei, um eine Verzögerung des Verfahrens zu verhindern.142 Vom Bundesrat wurde zudem ohne weitere Begründung vorgeschlagen, in § 13m JGG-E zu normieren, dass der Jugendarrest zur Bewährung ausgesetzt werden könne; die Bewährungszeit sollte mindestens ein Jahr betragen.143 Dazu äußerte die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme, dass die Aussetzung des Jugendarrests zur Bewährung systemwidrig sei, da „der Jugendarrest den Verurteilten durch einen kurzen und harten Freiheitsentzug in Verbindung mit der unmittelbaren Einflußnahme des Richters zur Besinnung bringen“144 soll und sich dadurch von der kurzen Freiheitsstrafe unterscheide. Der Ausschuss für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuss) kam in seinem anschließenden Bericht über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Reichsjugendgerichtsgesetzes zu dem Ergebnis, dass es einer neuen Systematik und Umstrukturierung der Paragraphen bedürfe.145 Außerdem sah der Ausschuss, anders als der Regierungsentwurf, die Normierung der nachträglichen Änderung von Weisungen in § 11 JGG-E durch den Jugendrichter statt wie zuvor durch den Vormundschaftsrichter vor, § 63 RJGG.146 139

BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, S. 47. BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, S. 48. 141 BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, Anlage 2, Änderungsvorschläge des Bundesrates, S. 57. 142 BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, Anlage 3, Stellungnahme der Bundesregierung, S. 65. 143 BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, Anlage 2, Änderungsvorschläge des Bundesrates, S. 55. 144 BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, Anlage 3, Stellungnahme der Bundesregierung, S. 64. 145 BT-Drucks. 1/4437, 05.06.1953, S. 1. Auch in Bezug auf die Normen zum Jugendarrest wurden eine neue Nummerierung sowie eine Umstrukturierung vorgeschlagen (a. a. O., S. 15). 146 BT-Drucks. 1/4437, 05.06.1953, S. 4. 140

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2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests

Zum Jugendarrest generell, der in § 16 JGG geregelt werden sollte, schlug der Ausschuss vor, die „besonderen Gründe“ in § 8 IV RJGG dahingehend zu konkretisieren, dass Kurzarrest statt Freizeitarrest verhängt werden kann, wenn „der zusammenhängende Vollzug aus Gründen der Erziehung zweckmäßig erscheint und weder die Ausbildung noch die Arbeit des Jugendlichen beeinträchtigt werden“.147 Als Umrechnungsschlüssel sollten 2 Tage Kurzarrest einer Freizeit gleichstehen.148 Bei den Rechtsmittelbeschränkungen schloss sich der Ausschuss der Bundes­ regierung an und lehnte die uneingeschränkte Anfechtbarkeit von Dauerarrest ab.149 Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass die erzieherische Wirkung von Dauerarresten gerade durch die Beschleunigung im Jugendstrafverfahren erreicht würde.150 Im Bericht wurde ausgeführt, dass die generell vorgebrachten Bedenken gegen den Jugendarrest im Ausschuss diskutiert worden seien, allerdings davon auszugehen sei, dass sich die Bedenken nicht gegen die Sanktion als solche richteten, sondern gegen die Anwendung in ungeeigneten Fällen sowie gegen den Vollzug, der sich teilweise nicht von einer kurzfristigen Freiheitsstrafe unterscheide.151 Bei richtiger Anwendung sei der Jugendarrest nach Ansicht des Ausschusses ein „brauchbares Erziehungsmittel“.152

II. Änderungen zum Jugendarrest durch das Jugendgerichtsgesetz 1953 Das Jugendgerichtsgesetz vom 4. August 1953153 trat am 1. Oktober 1953 in Kraft und enthielt im Wesentlichen die letzten vom Ausschuss für Rechtswesen und Verfassungsrecht vorgeschlagenen Änderungen, inklusive der Neusortierung der Paragraphen: Die Zuchtmittel wurden in den §§ 13 ff. JGG normiert, wobei sich § 13 JGG inhaltlich nicht von § 7 RJGG unterschied; geändert wurde nur die Reihenfolge der aufgelisteten Zuchtmittel. Beim Jugendarrest wurde die Aufzählung der Arrestformen sowie die Reihenfolge der Absätze des § 8 RJGG 1944 in § 16 JGG 1953 verschoben; der Freizeit 147

BT-Drucks. 1/4437, 05.06.1953, S. 4. BT-Drucks. 1/4437, 05.06.1953, S. 5. 149 BT-Drucks. 1/4437, 05.06.1953, S. 9. Dazu wurde erläutert, dass die „Frage der Beschränkung von Rechtsmitteln im Jugendstrafverfahren […] den Ausschuß sehr eingehend beschäftigt“ hat. 150 BT-Drucks. 1/4437, 05.06.1953, S. 9. 151 BT-Drucks. 1/4437, 05.06.1953, S. 4. 152 BT-Drucks. 1/4437, 05.06.1953, S. 4. 153 BGBl. 1953, Teil I, S. 751. Zur Rechtslage in der DDR siehe Kühndahl-Hensel, Der individualpräventive Schock im Jugendkriminalrecht, 2014, S. 35 f.; Meyer-Höger, Der Jugendarrest, 1998, S. 122 ff.; Vietze, Der Einstiegsarrest, 2004, S. 21. 148

D. Das Jugendgerichtsgesetz von 1953

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arrest wurde nun zuerst und der Dauerarrest zuletzt genannt. Außerdem wurde § 8 V RJGG 1944, der die gleichzeitige Verhängung von Kurz- und Freizeitarrest ermöglichte, gestrichen und die Gründe für die Verhängung eines Kurz- statt eines Freizeitarrests wurden in § 16 III JGG geändert und konkretisiert: War zuvor nach § 8 IV RJGG 1944 die Verhängung von Kurz- statt Freizeitarrest möglich, wenn besondere Gründe vorlagen, bezog sich § 16 III JGG nun auf Gründe der Erziehung (siehe Kapitel D. I.). Neu war zudem, dass das Jugendstrafrecht gemäß § 105 JGG nun auch auf Heranwachsende (zwischen 18 und unter 21 Jahren, § 1 II JGG) Anwendung finden konnte,154 weshalb auch gegen diese Altersgruppe Jugendarrest verhängt werden konnte. Wie bereits erwähnt wurden die Richtlinien von 1944, die beibehalten werden sollten, überwiegend in das JGG integriert, da Richtlinien „keine allgemein-verbindlichen Rechtssätze“, sondern „bloße Verwaltungsvorschriften“155 darstellen. Die übrigen Richtlinien von 1944 wurden überarbeitet und traten 1955 in Kraft.156 In den Richtlinien zu § 16 JGG, welche sich von den Richtlinien zu § 8 RJGG 1944 leicht unterschieden,157 wurde aufgenommen, dass der Jugendarrest ein geeignetes Zuchtmittel bei nicht allzu schweren Verfehlungen gutgearteter Jugendlicher sei, die durch eine kurze, strenge Freiheitsentziehung, den damit verbundenen Zwang zur Selbstbesinnung und die Betreuung während des Arrests noch erzieherisch beeinflusst werden können (Nr. 1). In der Richtlinie wurde im Vergleich zur Richtlinie zu § 8 RJGG 1944 insbesondere von „nicht allzu schweren“ statt „kleineren oder mittleren Verfehlungen“ ausgegangen; auf die Normierung der „Einzelhaft“ wurde verzichtet. Außerdem wurde nicht mehr die „Betreuung durch den Jugendrichter“, sondern allgemein die Betreuung während des Arrests normiert. Der Jugendarrest war gemäß Nr. 2 der Richtlinien nicht geeignet für Jugendliche, die verwahrlost oder geistig so zurückgeblieben sind, dass sie den Sinn des Zuchtmittels nicht begreifen. In Nr. 4 der Richtlinien wurde darauf hingewiesen, dass die mehrfache Verhängung von Jugendarrest nicht ausgeschlossen sei, aber der besonders sorgfältigen Prüfung bedürfe und die Verhängung von Jugendarrest nach Verbüßung eines Dauerarrests in der Regel nutzlos sei. Weiterhin sollte im Urteil deutlich werden, dass Jugendarrest keine Strafe ist (Nr. 7) und der Richter und der Vertreter der Jugendgerichtshilfe den Lehrherrn oder Arbeitgeber kontaktieren sollten, um Nachteile für den Verurteilten zu vermeiden (Nr. 8).

154

Zur Begründung BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, S. 36 f. Dazu auch Potrykus, JGG, 3. Aufl. 1954, Vorbemerkung 1 bis 3 zu § 105, S. 606 f. 155 BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, S. 39. 156 Siehe Hinweis bei Potrykus, JGG, 3. Aufl. 1954, Vorwort, S. 5. Ostendorf [DVJJ-Journal 1994, 191 (191)] wies später explizit darauf hin, dass es sich bei Richtlinien lediglich um „eine Gesetzesinterpretation“ handle, welche die „exekutiv-administrative Sichtweise“ wiedergebe. 157 Abgedruckt in: Jugendgerichtsgesetz vom 4.8.1953, BGBl. I S. 751, und Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz (RiJGG) vom 15.2.1955, 1955.

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2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests

Der Jugendarrest wegen Nichtbefolgung von Weisungen oder Auflagen bzw. Pflichten blieb nahezu unverändert.158 Allerdings wurde die Möglichkeit der Verhängung dahingehend eingeschränkt, dass eine Belehrung über die Folgen schuldhafter Zuwiderhandlung erfolgt sein musste, §§ 11 II, 15 III JGG. Aus der Entwurfsbegründung geht hervor, dass so die Belehrung über die Bedeutung von Weisungen und Pflichten gestärkt werden sollte.159 Außerdem wurde die Möglichkeit der nachträglichen Änderung von Weisungen in § 11 I JGG aufgenommen160 und die sofortige Beschwerde gegen die Verhängung von Jugendarrest in § 54 II JGG zugelassen (siehe Kapitel D. I.). Auch die Anfechtbarkeit von Entscheidungen wurde gegenüber dem RJGG 1944 aus rechtsstaatlichen Gründen ausgeweitet. Es erfolgte zwar nicht die noch im Entwurf vorgesehene Rückkehr zu den Regelungen des JGG 1923, allerdings wurden die Rechtsmittelbeschränkungen dahingehend gelockert, dass die Anfechtung wegen des Umfangs der angeordneten Maßnahmen möglich war.161 Das bedeutete auch, dass Entscheidungen zum Jugendarrest nur sehr eingeschränkt angefochten werden konnten.162 Die im Regierungsentwurf vorgesehene Möglichkeit der sofortigen Beschwerde gegen die Verhängung von Jugendarrest wegen Nichterfüllung von Pflichten und Weisungen wurde übernommen. Auch die bestehenden Regelungen des § 66 RJGG 1944 zum Vollzug wurden weitestgehend in § 90 JGG übernommen; lediglich die Regelung zu den strengen Tagen mit vereinfachter Kost und hartem Lager wurde als Ermessensnorm ausgestaltet. Die Regelung zur Verhängung von Jugendarrest im polizeilichen Strafverfügungsverfahren nach § 52 RJGG 1944 wurde nicht in das JGG übernommen. § 75 I Satz 1 JGG regelte stattdessen, dass der Jugendrichter bei einer Übertretung163 eine Arbeits- oder Geldauflage anordnen oder die Einziehung oder eine Verwarnung aussprechen kann. Gemäß § 75 I Satz 2 JGG konnte der Jugendliche bei einer Verletzung von Verkehrsvorschriften auch zur Teilnahme an einem Verkehrsunterricht verpflichtet werden. Sofern der Jugendliche der Auflage schuldhaft nicht nachkam, 158

Zur Rechtsnatur dieser Arrestform führte Potrykus aus: Die Regelung „schafft, wie seine Stellung im Gefüge der jugendstrafrechtlichen Bestimmungen zeigt, keinen neuen spezifisch jugendstrafrechtlichen Tatbestand, […] [sondern] ergänzt lediglich das Urteil, durch das Weisungen erteilt worden sind, und gewährleistet dessen Durchführung, ahndet also letztlich die ursprüngliche Straftat“ (Potrykus, JGG, 3. Aufl. 1954, § 11, Bemerkung 4). 159 BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, S. 45. 160 Im Gesetzesentwurf war noch vorgesehen, dass die Weisungen nachträglich geändert werden konnten, wenn den Jugendlichen kein Verschulden trifft, § 19 Satz 2 JGG-E. 161 BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, S. 46. 162 Siehe dazu auch Potrykus, JGG, 3. Aufl. 1954, § 55, Bemerkung 1 ff. 163 Eine Übertretung konnte mit Freiheitsstrafe bis zu 6 Wochen oder Geldstrafe bis zu 500 DM geahndet werden. Die Übertretungstatbestände wurden mit dem Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB) 1974 abgeschafft und entweder in Vergehen oder in Ordnungswidrigkeiten umgewandelt.

D. Das Jugendgerichtsgesetz von 1953

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konnte Jugendarrest bis zu 14 Tagen verhängt werden, wenn der Jugendliche über die Folgen belehrt worden war, § 75 III JGG.164

III. Diskussion um den Jugendarrest als Erziehungsmittel Schon im Regierungsentwurf wurde ausgeführt, dass Zweifel am erzieherischen Wert des Jugendarrests bestehen, da eine „umfassende erzieherische Einwirkung während des Vollzugs schon wegen der Kürze der Zeit“165 nicht möglich sei. Ziel müsse vielmehr sein, den Jugendlichen „durch kurzes und energisches Zugreifen wieder auf den rechten Weg“166 zu führen; dennoch wurde der Jugendarrest im Gesetzentwurf als „Erziehungsmittel besonderer Art“167 bezeichnet. Diese Frage nach dem Verhältnis von Erziehung und Strafe wurde in den folgenden Jahren von der Wissenschaft erneut aufgegriffen. Potrykus führte aus, dass die „dogmatische Natur des Jugendarrestes […] bestritten“168 ist, kommt aber zu dem Ergebnis, dass es sich beim Jugendarrest um ein „Strafsurrogat“169 handle. Hinsichtlich des Vollzugs betonte Potrykus die Schockwirkung, die von einem Jugendarrest ausgehe, und sah im Arrest einen Ordnungsruf und einen empfindlichen Denkzettel.170 Der Vollzug sei daher so auszugestalten, dass der Jugendliche „die Freiheitsentziehung auch ernst nimmt“.171 Patzschke erläuterte, dass der Jugendarrest zwar keine Strafe im juristischen Sinne sei, davon abgesehen allerdings „natürlich eine Strafe, sogar eine recht empfindliche, jedoch in seiner Tendenz eher eine Erziehungsstrafe“.172 Er betonte die Disziplinierung,173 die vom Jugendarrest ausgehe, führte allerdings aus, dass der Vollzug vielmehr der pädagogischen Ausgestaltung bedürfe.174 Wehner diskutierte, inwieweit im Vollzug des Jugendarrests ein pädagogischer Auftrag bestehe und ob überhaupt pädagogische Einwirkungsmöglichkeiten bestünden.175 Er kam zu dem Ergebnis, dass es „den Sinn des Arrestes völlig verfehlen und ihn verpuffen lassen“176 würde, den Jugendarrest „nur als Schockmittel zu betrachten, ohne ihn erzieherisch auszuwerten“.177 Nach Hellmer können die Zuchtmittel generell keine 164

Diese Systematik entspricht dem heutigen § 98 OWiG. BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, S. 40. 166 BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, S. 40. 167 BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, S. 40. 168 Potrykus, JGG, 3. Aufl. 1954, § 16, Bemerkung 1. 169 Potrykus, JGG, 3. Aufl. 1954, § 5, Bemerkung 3a. 170 Potrykus, JGG, 3. Aufl. 1954, § 90, Bemerkung 2. 171 Potrykus, JGG, 3. Aufl. 1954, § 90, Bemerkung 4. 172 Patzschke, Die Sammlung: Zeitschrift für Kultur und Erziehung 1956, 85 [85]. 173 Patzschke, Die Sammlung: Zeitschrift für Kultur und Erziehung 1956, 85 [86]. 174 Patzschke, Die Sammlung: Zeitschrift für Kultur und Erziehung 1956, 85 [96]. 175 Wehner, ZfJ 1966, 180 (180). 176 Wehner, ZfJ 1966, 180 (180). 177 Wehner, ZfJ 1966, 180 (180). 165

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2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests

erhebliche erzieherische Wirkung entfalten; diese Möglichkeit bestehe nur, sofern daneben Erziehungsmaßregeln verhängt würden.178 Einige Jahre später führte der BGH im Zusammenhang mit der Frage nach der Zulässigkeit von Jugendarrest neben gleichzeitiger Aussetzung einer Jugendstrafe zum Jugendarrest in Bezug auf die Einordnung des Jugendarrests aus, dass dieser „seinem Wesen nach als ein Ahndungsmittel eigener Art ausgestaltet“ ist und „sowohl Elemente der Strafe als auch der Erziehungsmaßregel“ enthält.179 Weiter betonte der BGH, dass sich der Jugendarrest von der Jugendstrafe unterscheide, da er schon aufgrund der Kürze „nicht auf die Durchführung eines umfassenden Erziehungsprozesses zugeschnitten“ sei.180 Der BGH zählte beispielhaft auf, für welche Fälle Jugendarrest in Abgrenzung zur Jugendstrafe in Betracht komme, nämlich für „Verfehlungen aus Unachtsamkeit, jugendlichem Kraftgefühl oder Übermut, aus typisch jugendlichen Neigungen und jugendlichem Vorwärtsstreben, jugendlicher Trotzhaltung, jugendlicher Abenteurerlust, mangelnder Selbständigkeit sowie bei Gelegenheits- und Augenblicksverfehlungen, die sich aus einer plötzlich auftretenden Situation ergeben, ohne daß der Täter sonst zu kriminellem Verhalten neigt“.181 Auf dem 13. Jugendgerichtstag befasste sich Peters mit dem Verhältnis von Erziehung und Strafe und betonte, dass Erziehung im Jugendstrafrecht „ein strafrechtlich verstandenes und begriffenes Erziehungssystem“182 sei. Übertragen auf den Jugendarrest bedeute dies, dass dieser mit seinem „warnenden und mahnenden Charakter […] einen in sich intakten und wirksamen außergerichtlichen Erziehungsvorgang“183 unterstützen kann. Erziehung sei eine „langwierige, mühevolle, zeitgebundene und personalgebundene Arbeit“,184 die der Arrest schon wegen seiner kurzen Dauer nicht leisten könne. Andere sahen im Jugendarrest zwar keinen „langanhaltenden Erziehungsprozeß“,185 aber in dem von Peters beschriebenen Charakter des Jugendarrests einen „Erziehungsfaktor“.186

178

Hellmer, Erziehung und Strafe, 1957, S. 243 f. BGH, Beschluss vom 09.01.1963 – 4 StR 443/62 = NJW 1963, 770 [771]. 180 BGH, Beschluss vom 09.01.1963 – 4 StR 443/62 = NJW 1963, 770 [771]. 181 BGH, Beschluss vom 09.01.1963 – 4 StR 443/62 = NJW 1963, 770 [771]. Diese Aufzählung entspricht den Ausführungen von Peters, ZStW 1941, 551 (559 f.). 182 Peters, in: DVJJ, 1966, 13 (20). 183 Peters, in: DVJJ, 1966, 13 (26). 184 Peters, in: DVJJ, 1966, 13 (26). 185 DVJJ (Hrsg.), Erstkriminalität und Frühkriminalität, Beratungen des Arbeitskreises V, 1966, S. 133. 186 DVJJ (Hrsg.), Erstkriminalität und Frühkriminalität, Beratungen des Arbeitskreises V, 1966, S. 134. 179

E. Weitere Entwicklungen zum Jugendarrest

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E. Weitere Entwicklungen zum Jugendarrest In den folgenden Jahren wurde die Jugendarrestvollzugsordnung neu gefasst und das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten sowie das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch wurden verabschiedet. Schwerpunkte der gesetzlichen Änderungen waren die Ausgestaltung des Vollzugs, die Einführung des Jugendarrests im Vollstreckungsverfahren des Ordnungswidrigkeitenrechts sowie umfassende Änderungen zum Nichtbefolgungsarrest.

I. Die Jugendarrestvollzugsordnungen von 1966 und 1976 Die („lange hinausgezögerte […]“187) Verordnung über den Vollzug des Jugendarrests (Jugendarrestvollzugsordnung – JAVollzO) vom 12. August 1966,188 welche auf Grundlage des § 115 JGG 1953 erlassen wurde, brachte verglichen mit der oben genannten JAVollzO von 1943 nur wenig inhaltliche Änderungen, z. B. wurde in § 10 I JAVollzO normiert, dass der Vollzug so gestaltet werden soll, dass die körperliche und sittliche Entwicklung des Jugendlichen gefördert wird. Als Erziehungsarbeit wurde vor allem die Aussprache des Vollzugsleiters mit dem Jugendlichen genannt, § 10 II JAVollzO,189 die schon in Nr. 5 der JAVollzO 1943 normiert war. In § 3 III JAVollzO wurde normiert, dass nach Bedarf Sozialpädagogen, Sozialarbeiter und Lehrer als Mitarbeiter bestellt werden. Die JAVollzO 1966 wurde durch die Neufassung der Verordnung über den Vollzug des Jugendarrests vom 30. November 1976190 ersetzt. Zentrale Änderung war sicherlich die Streichung der sogenannten „strengen Tage“,191 welche in § 14 JAVollzO 1966 normiert waren. Zudem wurden neben der Aussprache mit dem Vollzugsleiter nun auch soziale Einzelhilfe, Gruppenarbeit und Unterricht als sogenannte Erziehungsarbeit benannt, § 10 II Satz 1 JAVollzO 1977. Als mögliche Mitarbeiter wurden in § 3 III JAVollzO 1977 Psychologen und „andere Fachkräfte“ aufgenommen. Auch die Art der Unterbringung änderte sich: Während § 6 I JAVollzO 1966 noch die Einzelunterbringung über Tag und Nacht als Regelfall vorsah, wurde nun die gemeinschaftliche Unterbringung über Tag als Regelfall normiert, § 6 II JAVollzO 1977. Mit diesen und anderen Änderungen wurden die erzieherischen Inhalte der Jugendarrestvollzugsordnung verstärkt und insgesamt repressive Elemente zurückgedrängt. Auch Jaath merkte an, dass die Neufassung 187

Schaffstein, ZStW 1970, 853 (853). BGBl. 1966, Teil I, S. 505; dazu auch Ullrich, Unsere Jugend 1967, 30 (30 ff.). 189 Zur praktischen Ausgestaltung und zu Problemen siehe Wehner, ZfJ 1966, 180 (181). Wehner betonte insbesondere, dass neben dem Vollzugsleiter weitere pädagogische Bezugspersonen gebraucht werden (182). 190 BGBl. 1976, Teil I, S. 2349. Wortlaut der Jugendarrestvollzugsordnung in der Fassung vom 1. Januar 1977 abgedruckt in BGBl. 1976, Teil I, S. 3270. 191 Siehe dazu auch unter Kapitel E. III. 188

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2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests

erzieherische Aufgaben in den Mittelpunkt stellte und „Abschließung und Strenge“192 aufgegeben worden sind. Er kritisierte allerdings, dass die Nachsorge durch die Neufassung der Verordnung nicht weiterentwickelt worden ist, und merkte an, dass sich neben der Änderung der gesetzlichen Bestimmungen vor allem die Vollzugspraxis ändern müsse.193 Möller bewertete die Änderungen als nicht grundlegend und kritisierte insbesondere, dass ein Widerspruch zwischen der unverändert gebliebenen Zielbestimmung der JAVollzO und einer sozialpädagogischen Ausgestaltung des Vollzugs bestehe.194 Auch Eisenhardt erklärte, dass sich die JAVollzO „noch nicht weit von der früheren Grundkonzeption des JA [Jugendarrests, Anm. d. Verf.] entfernt“195 hat.

II. Gesetz über Ordnungswidrigkeiten von 1968 Mit dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) vom 24. Mai 1968196 wurde ein besonderes Vollstreckungsverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende in das Ordnungswidrigkeitenrecht aufgenommen, an dessen Ende die Verhängung von Jugendarrest stand. Im Vergleich zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 25. März 1952197 blieb unverändert, dass für Jugendliche zunächst gemäß § 7 I OWiG die Voraussetzungen des § 3 Satz 1 JGG geprüft werden mussten und als Rechtsfolge – unabhängig vom Alter – einheitlich die Festsetzung einer Geldbuße vorgesehen war.198 Zwar wurde im Gesetzgebungsverfahren darauf hingewiesen, dass die Zahlung eines Geldbetrags als Auflage wegen oft fehlendem Einkommen sowie der Gefahr der Verstärkung finanzieller Probleme im JGG eingeschränkt ist, § 9 Satz 2 RJGG 1944 und § 15 II JGG 1955, allerdings sei regelmäßig davon auszugehen, dass Jugendliche und Heranwachsende die Geldbuße aus eigenen Mitteln wie dem „Verdienst oder Taschengeld oder durch gelegentliche, geringfügige Hilfeleistungen“199 aufbringen können. In dem in § 98 OWiG200 normierten besonderen Vollstreckungsverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende konnte vom Gericht eine erzieherische Maßnahme anstelle der Geldbuße angeordnet werden. In der Entwurfsbegründung 192

Jaath, JZ 1977, 46 (46). So auch Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucks. 16/746, 29.08.2012, S. 1. 193 Jaath, JZ 1977, 46 (46, 49). 194 Möller, in: DVJJ, 1981, 311 (319). 195 Eisenhardt, Gutachten über den Jugendarrest, 1989, S. 133. 196 BGBl. 1968, Teil I, S. 481. 197 BGBl. 1952, Teil I, S. 177. 198 BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 39. 199 BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 39. 200 Im Regierungsentwurf mit der Begründung war die Regelung noch in § 86 OWiG normiert, siehe BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 19.

E. Weitere Entwicklungen zum Jugendarrest

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wurde dazu erläutert, dass die Geldbuße als primäre Sanktion bestehen bleiben sollte und nur im Vollstreckungsverfahren und im gerichtlichen Bußgeldverfahren die Anordnung erzieherischer Maßnahmen erfolgen könne, da diese Befugnis „den Verwaltungsbehörden nicht übertragen werden [kann], da ihnen diese Aufgabe wesensfremd ist“.201 Andererseits sei es auch nicht angemessen, dass für Ordnungswidrigkeitenverfahren grundsätzlich der Jugendrichter zuständig sei, da in der Regel eine Geldbuße ausreiche und erzieherische Maßnahmen nur in Ausnahmefällen geboten sein werden.202 Diskutiert wurde die Regelung der Zuständigkeit des Jugendrichters in Ausnahmefällen, nämlich wenn Erziehungsmängel erkennbar sind oder die Geldbuße nicht aus eigenen Mitteln gezahlt werden kann. Dies wurde allerdings verworfen, da insbesondere verfahrensrechtliche Schwierigkeiten sowie eine uneinheitliche Rechtsanwendung befürchtet wurden.203 Als erzieherische Maßnahmen war in § 98 I OWiG vorgesehen, einer Arbeitsauflage nachzukommen (Nr. 1), den Schaden wiedergutzumachen (Nr. 2), bei einer Verletzung von Verkehrsvorschriften an einem Verkehrsunterricht teilzunehmen (Nr. 3) sowie sonst eine bestimmte Leistung zu erbringen (Nr. 4). Wenn der Jugendliche weder die Geldbuße zahlte noch die erzieherische Maßnahme erfüllte, so könne „aus seinem Verhalten entnommen werden, daß er nicht bereit ist, staatliche Anordnungen zu beachten“.204 In diesem Fall könne zu „seiner Erziehung […] die Anordnung eines Zuchtmittels angebracht sein“,205 weshalb in § 98 II OWiG aufgenommen wurde, dass Jugendarrest angeordnet werden konnte.206 Zur Dauer wurde in der Entwurfsbegründung auf § 16 JGG verwiesen und eine Höchstdauer von 4 Wochen genannt, welche aber nicht explizit normiert wurde.207 Rechtsdogmatisch wurde diese Form des Jugendarrests in der Entwurfsbegründung als „eine selbständige Unrechtsfolge dafür, daß der Jugendliche richterliche Anordnungen mißachtet“208 eingestuft, was zur Folge hatte, dass trotz der Vollstreckung des Jugendarrests die Geldbuße oder die Ersatzleistungen unberührt bleiben. Ausweislich der Entwurfsbegründung sollte der Jugendarrest den Jugendlichen nachhaltig beeinflussen, damit dieser den behördlichen Anordnungen künftig folge.209 Insgesamt eröffne der § 98 OWiG die Möglichkeit, „die Sache vollstreckungsrechtlich in jugendgemäßer Weise zu erledigen“.210 201

BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 39. BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 39. 203 BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 39. 204 BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 40. 205 BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 40. 206 Gemäß Nr. 4 der Richtlinie zu § 8 RJGG 1944 durften ganz geringfügige Verfehlungen, namentlich bloße Ordnungswidrigkeiten ausdrücklich nicht mit Jugendarrest geahndet werden, „um eine Verwässerung und Fehlbewertung dieses Zuchtmittels zu verhüten“. 207 BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 121. 208 BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 121. 209 BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 121. 210 BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 120. Dagegen Bohnert, Ordnungswidrigkeiten und Jugendrecht, 1989, S. 10 f. 202

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2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests

III. Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch von 1974 Das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB) vom 2. März 1974211 enthielt vor allem Änderungen zum Jugendarrest wegen Nichterfüllung von Weisungen und besonderen Pflichten. Zunächst wurde in § 11 I JGG die Laufzeit von Weisungen, nämlich maximal 2 Jahre, normiert. Der bisherige Absatz I wurde Absatz II; neu aufgenommen wurde die Verlängerung der Laufzeit von Weisungen aus erzieherischen Gründen. Der bisherige Absatz II wurde zum Absatz III mit der Ergänzung, dass hiernach verhängter Jugendarrest bei einer Verurteilung die Dauer von 4 Wochen nicht überschreiten darf, § 11 II Satz 2 JGG n. F. In der Entwurfsbegründung wurde dazu ausgeführt, dass es bisher möglich war, auf jede Wiederholung eines Verstoßes mit einem Jugendarrest von bis zu 4 Wochen zu reagieren, was aber dem Wesen des Jugendarrests widerspreche.212 Jugendarrest von mehr als 4 Wochen sei „ein ungeeignetes Mittel […], um Gehorsam zu erzwingen“.213 Im Entwurf wurde zudem explizit die Möglichkeit genannt, Weisungen zunächst zu ändern, bevor Jugendarrest verhängt wird.214 Weiterhin wurde in § 11 II Satz 3 JGG n. F. ergänzt, dass der Richter von der Vollstreckung des Jugendarrests absehen kann,215 wenn der Jugendliche nach Verhängung des Arrests der Weisung nachkommt. Auch § 15 III JGG, Jugendarrest wegen schuldhafter Nichterfüllung von Auflagen (zuvor noch „besondere Pflichten“, § 15 JGG a. F.), wurde neugefasst. In § 15 III Satz 1 JGG wurde normiert, dass der Richter den Jugendlichen nachträglich von der Erfüllung von Auflagen ganz oder zum Teil befreien kann, wenn dies aus Gründen der Erziehung geboten ist. Damit sollte der Richter „auftretenden erzieherischen Notwendigkeiten gerecht werden und für den Verurteilten klare Verhältnisse schaffen“.216 Außerdem konnte der Richter nach § 15 III Satz 3 JGG die Auflagen ganz oder zum Teil für erledigt erklären, wenn Jugendarrest vollstreckt worden ist. In der Entwurfsbegründung der Bundesregierung wurde dazu allerdings auch erläutert, dass es sich bei diesem Jugendarrest nicht um eine „Ersatzhaft“, sondern vielmehr um eine „Reaktion auf den Ungehorsam“ handle.217 Dass dennoch von den Auflagen abgesehen werden konnte, wurde mit dem Ahndungscharakter der Auflagen begründet, welchen Weisungen gerade nicht hätten.218 Über den Verweis auf § 11 III JGG wurde das Höchstmaß von insgesamt 4 Wochen auch für den Arrest nach § 15 III JGG festgelegt. 211

BGBl. 1974, Teil I, S. 469. BT-Drucks. 7/550, 11.05.1973, S. 328. 213 BT-Drucks. 7/550, 11.05.1973, S. 328. 214 BT-Drucks. 7/550, 11.05.1973, S. 332. 215 Mittlerweile steht diese Entscheidung nicht mehr im Ermessen des Jugendrichters. 216 BT-Drucks. 7/550, 11.05.1973, S. 328. 217 BT-Drucks. 7/550, 11.05.1973, S. 328. 218 BT-Drucks. 7/550, 11.05.1973, S. 328. Vermutlich ist damit gemeint, dass der Jugendarrest diesen Zweck auch verfolgt, darauf wird aber nicht weiter eingegangen. 212

E. Weitere Entwicklungen zum Jugendarrest

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Der Nichtbefolgungsarrest wurde in § 23 I Satz 4 JGG aufgenommen und damit über die Verweisung auf § 23 JGG auch in § 29 Satz 2, § 88 V Satz 2 JGG und den damals geltenden § 89 III JGG (Aussetzung des Restes einer Jugendstrafe von unbestimmter Dauer). Daher konnte Arrest nun auch bei der Nichterfüllung von Bewährungsauflagen und -weisungen verhängt werden, was allerdings ausweislich der Entwurfsbegründung nur der Klarstellung dienen sollte.219 Begründung dafür war, dass die Aussetzung der Jugendstrafe zuvor widerrufen werden konnte, wenn der Jugendliche Bewährungsauflagen schuldhaft nicht nachkam, § 26 II Nr. 3 JGG 1953. Diesbezüglich war allerdings anerkannt, dass der Widerruf nur in Betracht kam, wenn kein milderes Mittel ausreichend war. Grundsätzlich könnte die Verhängung eines Jugendarrests gegenüber dem Widerruf ein milderes Mittel darstellen,220 dies war aber nicht normiert und wurde daher teilweise abgelehnt.221 Durch die Änderungen wurde der schuldhafte Verstoß aus dem Katalog der Widerrufsgründe der Jugendstrafe zur Bewährung gestrichen und für diesen Fall in § 23 JGG die Verhängung von Jugendarrest vorgesehen; der Widerruf kam nun bei gröblichen oder beharrlichen Verstößen gegen Auflagen oder Weisungen in Betracht, § 26 I Nr. 2 JGG. Neben den Änderungen zum Nichtbefolgungsarrest wurde in § 98 II Satz 1 OWiG der Verweis auf § 11 III Satz 2, 3 JGG aufgenommen, wodurch sichergestellt werden sollte, dass das Höchstmaß des Jugendarrests bei der Vollstreckung eines Bußgeldbescheides bei 4 Wochen liegt und von der Vollstreckung des Arrests abgesehen werden darf, wenn der Jugendliche die Ersatzmaßnahme erfüllt.222 Weitere Änderungen betrafen den Arrestvollzug, insbesondere die Abschaffung der „vereinfachten Kost“ sowie des „harten Lagers“ durch die Streichung des § 90 III JGG223 und des § 90 IV JGG.224 Dazu wurde erläutert, dass „im Vollzug des Jugendarrestes dem Jugendlichen nur diejenigen Beschränkungen auferlegt werden sollen, die sich aus den Aufgaben der Strafrechtspflege rechtfertigen lassen“.225 Die mittlerweile erzieherische Gestaltung des Arrestvollzugs solle nicht weiter durch die zuvor möglichen Verschärfungen eingeschränkt werden.226 219

BT-Drucks. 7/550, 11.05.1973, S. 329. Potrykus, JGG, 3. Aufl. 1954, § 26, Bemerkung 3. 221 Potrykus lehnte damals die Verhängung von Jugendarrest als milderes Mittel ab, da ein Verweis auf die §§ 11, 15 JGG fehle, welcher aber „der Gesetzestechnik entsprochen und nahe gelegen“ (Potrykus, JGG, 3. Aufl. 1954, § 26, Bemerkung 2) hätte. Allerdings führt er weiter aus, dass zu Jugendstrafe Verurteile auch nicht in den Jugendarrest passen würden und dieser daher bei Zuwiderhandlungen gegen Bewährungsauflagen ausscheide. 222 BT-Drucks. 7/550, 11.05.1973, S. 350. 223 § 90 III JGG 1953: „Im Freizeitarrest und im Kurzarrest bis zu 2 Tagen kann der Jugendliche vereinfachte Kost und hartes Lager erhalten.“ 224 § 90 IV JGG 1953: „Der Kurzarrest von mehr als 2 Tagen und der Dauerarrest können durch strenge Tage verschärft werden, an denen der Jugendliche vereinfachte Kost und hartes Lager erhält.“ 225 BT-Drucks. 7/550, 11.05.1973, S. 332. 226 BT-Drucks. 7/550, 11.05.1973, S. 332. 220

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2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests

Es wurde darauf verwiesen, dass im Zuge des Gesetzesentwurfes zum einen die Zeit für weitere Änderungen im Bereich des Jugendarrests fehle und zum anderen die in Auftrag gegebene empirisch-wissenschaftliche Untersuchung227 zur Ausgestaltung des Jugendarrests abgewartet werden solle; erst im Anschluss könne z. B. die Verlängerung der Höchstdauer des Arrests diskutiert werden.228 Generell wurde für weitergehende Änderungen des Jugendgerichtsgesetzes auf eine weitere Reform verwiesen.229

F. Jugendarrest in der Diskussion Parallel zur dargestellten Entwicklung nach Inkrafttreten des JGG 1953 führten insbesondere die dargestellten rechtlichen Änderungen und Untersuchungen zur Rückfallquote dazu, dass der Jugendarrest in den Fokus der kriminalpolitischen Diskussion geriet und Reformen sowie auch dessen Abschaffung diskutiert wurden.

I. Diskussion um die Rückfallquote und die Arresteignung Zunächst entfachte eine Diskussion um die Wirksamkeit des Jugendarrests auf Basis der durchgeführten Untersuchungen zur Rückfallquote nach Verbüßung von Jugendarrest:230 Diese lag je nach Untersuchung zwischen 60–70 %231 bzw. zwischen rund 40–65 %.232 Für die Untersuchungen wurden die Arrestanten in 2 Gruppen eingeteilt, nämlich in „Arrestgeeignete“233 und „Arrestungeeignete“234, wobei sich die Arresteignung an den Richtlinien zu § 16 JGG orientierte. Im Ergebnis wies die Gruppe der „arrestungeeigneten“ Personen eine höhere Rückfallquote auf.235 Der Grund hierfür wurde teilweise gerade in der Verhängung von Jugendarrest gegen Personen, die für den Arrest nicht geeignet waren, 227

Dieses Gutachten wurde angefertigt von Eisenhardt (Gutachten über die Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit des Jugendarrests, 1974). 228 BT-Drucks. 7/550, 11.05.1973, S. 332. 229 BT-Drucks. 7/550, 11.05.1973, S. 327. Außerdem wurde die Dreiteilung in Verbrechen, Vergehen und Übertretungen aufgegeben und die Übertretungstatbestände wurden durch Vergehenstatbestände ersetzt oder in Ordnungswidrigkeiten umgewandelt (a. a. O., S. 194). 230 Kritisch zum Rückfall als Kriterium m. w. N. Eisenhardt, Der Jugendarrest, 2010, S. 30 f. 231 Nolte, Die Rückfälligkeit Jugendlicher und Heranwachsender, 1978, S. 183; Trips, MschrKrim 1963, 228 (231). 232 Kaiser [MschrKrim 1969, 16 (23)] geht nach den von ihm zitierten Untersuchungen von einer geringeren Rückfallrate (36–65 %) aus. Ebenso kam Hartenstein [MschrKrim 1966, 314 (317)] zu einer Rückfallquote von knapp über 40 %, allerdings in einem kürzeren Beobachtungszeitraum. Miehe [RdJB 1969, 81 (85)] geht davon aus, dass Hartenstein bei einem längeren Beobachtungszeitraum auf eine ähnliche Quote wie Trips gekommen wäre. 233 Teilweise auch bezeichnet als „Arrestwürdige“ oder „Arresttaugliche“. 234 Teilweise auch bezeichnet als „Arrestunwürdige“ oder „Arrestuntaugliche“. 235 Übersicht bei Hartenstein, MschrKrim 1966, 314 (317).

F. Jugendarrest in der Diskussion

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gesehen.236 Aus diesem Grund verlagerte sich die Diskussion von der Rückfallquote auf die Frage der Arresteignung,237 wobei letztere auch zuvor schon diskutiert wurde.238 In diesem Zusammenhang kritisierte Miehe die Verhängung von Jugendarrest gegen Jugendliche, für die der Jugendarrest konzeptionell nicht gedacht sei, und führte dazu aus, dass so die Wirksamkeit des Jugendarrests überdehnt werde.239 Auch Schaffstein sah den Grund für die hohe Rückfallquote „in der undifferenzierten und exzessiven Anwendung des Jugendarrests“240 bei ungeeigneten Jugendlichen. Süssenguth kam zu dem Ergebnis, dass die Wirksamkeit des Jugendarrests grundsätzlich eingeschränkt sei und die Verhängung gegenüber ungeeigneten Jugendlichen verfehlt sei.241 Diese Diskussion blieb auch in der Politik nicht unbeachtet: So veranlasste die Justizministerkonferenz 1970 ein Gutachten zu Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit des Jugendarrests, welches zu dem Ergebnis kam, dass sich „[s]ituationsgebundene pragmatische Erfordernisse der Kriegszeit […] mit rechtspolitischen und veralteten pädagogischen Gesichtspunkten zu einem Knäuel von Interdependenzen verwirrt“242 haben. Die Schlüsse, die aus der Diskussion um die Rückfallquote und die Arrestgeeignetheit gezogen wurden, waren sehr unterschiedlich: Schaffstein sah das Problem der hohen Rückfallquote insbesondere in den mangelnden Kriterien für die Verhängung von Jugendarrest und forderte den Gesetzgeber auf, verbindliche Kriterien 236

Nolte, Die Rückfälligkeit Jugendlicher und Heranwachsender, 1978, S. 199; Süssenguth, Jugendarrest in Bayern, 1973, S. 149; Trips, MschrKrim 1963, 228 (231). Kritisch dazu merkte Miehe an, dass die zu Grunde gelegten Kriterien für die Arrestungeeignetheit gleichzeitig Kriterien sind, die „für einen späteren Rückfall in hohem Maße indiziell sind“ [Miehe, RdJB 1969, 81 (85)]. Zudem führte er aus, dass es grundsätzlich schwierig sei, von der Rückfallquote Rückschlüsse auf die Wirksamkeit zu ziehen (85). 237 So auch Miehe, RdJB 1969, 81 (85). 238 So warnte Schaffstein schon 1959 davor, dass „Jugendarrest auch auf solche Täter angewendet wird, für die er nicht geschaffen ist“ und bei denen vielmehr eine „längere erzieherische Einwirkung“ (Schaffstein, Jugendstrafrecht, 1959, S. 93) Erfolg versprechen würde. 239 Miehe, RdJB 1969, 81 (85). 240 Schaffstein, ZStW 1970, 853 (879). Schaffstein hatte schon zuvor eine „sinngemäße Begrenzung seiner Anwendungsfälle“ (Schaffstein, Jugendstrafrecht, 1959, S. 94) gefordert und auf „Mängel und Ungleichmäßigkeiten“ (Schaffstein, Jugendstrafrecht, 1959, S. 93) im Arrestvollzug hingewiesen. 241 Süssenguth, Jugendarrest in Bayern, 1973, S. 149. Später untersuchte auch Pfeiffer die Arrestgeeignetheit und kam zu dem Ergebnis, dass Jugendarrest gerade nicht – wie ursprünglich vorgesehen – hauptsächlich gegen „gutgeartete“ Jugendliche verhängt wird und es dadurch zu einer „Auseinanderentwicklung von Theorie und Praxis“, also von ursprünglicher Zielbestimmung einerseits und tatsächlicher Vollzugspopulation andererseits, kommt [Pfeiffer, MschrKrim 1981, 28 (48)]. Schaffstein äußerte Skepsis an der Bewertung der Arrestungeeignetheit durch Pfeiffer, da die Grenze zwischen den Gruppen nur schwer bestimmbar sei [Schaffstein, in: Hirsch, 1986, 393 (400)]. Zuvor hatte er allerdings auch Ausführungen zur Arrest-(un-)geeignetheit gemacht (Schaffstein, Jugendstrafrecht, 1959, S. 93). 242 Eisenhardt, Gutachten über die Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit des Jugendarrests, 1974, S. 159.

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2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests

festzulegen.243 Ebenso schlug Jung die Normierung von Voraussetzungen für die Verhängung von Jugendarrest vor, wobei sowohl die Tat als auch die Geeignetheit der Sanktion für den Jugendlichen eine Rolle spielen sollten244. Ähnlich forderte Kaiser, dass Jugendarrest nur gegen geeignete Jugendliche verhängt werden dürfe,245 Süssenguth ergänzte, dass zur Feststellung der Eignung eine umfassende Erforschung der Persönlichkeit der Jugendlichen erforderlich sei.246 Auch Möller kritisierte, dass „die unklare und für die Feststellung von Voraussetzungen für die Anordnung von Jugendarrest wenig hilfreiche gesetzliche Zielbestimmung des Jugendarrestes nicht wirklicher Orientierungspunkt bei der Auswahl gerade dieser Maßnahme durch die Jugendrichter ist“.247 Andere sahen den Arrestvollzug als Grund für die hohe Rückfallquote. Nolte z. B. kritisierte die Vollzugspraxis und die Qualifikation des Vollzugspersonals sowie die Nachbetreuung.248 In eine ähnliche Richtung weisen auch die Ergebnisse von Eisenhardt: Er betonte, dass weder der Arrestvollzug für die Jugendlichen noch die Jugendlichen für den Arrestvollzug tauglich seien249 und es einer „Neuorientierung der Sanktionsmaßnahme […] [durch] eine neue Grundkonzeption“250 bedürfe. Ähnlich forderte Jung eine „kriminalpädagogische Kurskorrektur“251 im Sinne eines „behandlungsorientierten Arrestvollzugs“.252 Bietz schlug ebenfalls vor, die erzieherische Ausgestaltung des Jugendarrestvollzugs gesetzlich zu verankern.253 Auf dem 16. Jugendgerichtstag wurde dagegen argumentiert, dass der Jugendarrest für die „Intakten (ohne psychische Schäden, einmalige Tat) und Geschädigten (anlaufende Delinquenz, soziale und psychische Schäden)“254 geeignet sei. Lediglich die Zielvorstellungen des Jugendarrests würden sich bei beiden Gruppen 243 Schaffstein, ZStW 1970, 853 (878 f.). Schaffstein schlug den Ausschluss von ehemaligen Fürsorgezöglingen, von „Verwahrlosten“ und von Jugendlichen vor, die bereits einen Dauerarrest verbüßt haben (880 f.). Interessanterweise sahen schon die Richtlinien zu § 16 JGG 1953 (und auch die älteren Richtlinien) den Ausschluss von „Verwahrlosten“ (Nr. 2) und Jugendlichen, die bereits einen Dauerarrest verbüßt hatten (Nr. 4), vor. 244 Jung, JZ 1978, 621 (625). 245 Kaiser, MschrKrim 1969, 16 (25). 246 Süssenguth, Jugendarrest in Bayern, 1973, S. 149. Darüber hinaus forderte er die Neugestaltung des Arrestvollzugs sowie alternative Sanktionen für die Gruppe der sogenannten „Arrestunwürdigen“ (Süssenguth, Jugendarrest in Bayern, 1973, S. 145 ff.). Ähnlich merkte auch Hartenstein an, dass es „eine gewisse Lücke in den Reaktionsmöglichkeiten des JGG“ [Hartenstein, MschrKrim 1966, 314 (318)] gebe. 247 Möller, in: DVJJ, 1981, 311 (314). 248 Nolte, Die Rückfälligkeit Jugendlicher und Heranwachsender, 1978, S. 186, 192, 195, 196. Dazu auch Wehner, ZfJ 1966, 180 (180 ff.). 249 Eisenhardt, Die Wirkungen der kurzen Haft auf Jugendliche, 1977, S. 491. 250 Eisenhardt, Die Wirkungen der kurzen Haft auf Jugendliche, 1977, S. 495. 251 Jung, JZ 1978, 621 (625). 252 Jung, JZ 1978, 621 (625). 253 Bietz, ZRP 1981, 212 (217). 254 DVJJ (Hrsg.), Jugendgerichtsbarkeit und Sozialarbeit, Thesen und Resolutionen, 1975, S. 206.

F. Jugendarrest in der Diskussion

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unterscheiden: „Kurzzeitige Abschreckung (Repression, short sharp shock,255 Generalprävention) […] [und] Behandlung (Sozialisationshilfe, Erziehung, Konfliktfähigkeit)“.256 Für die erste Gruppe komme auch die einmalige Verhängung von Kurz- und Freizeitarrest als Abschreckung in Betracht.257

II. Diskussion um die Abschaffung des Jugendarrests In den folgenden Jahren wurde vermehrt die Abschaffung einzelner Arrestformen oder der gesamten Sanktion gefordert. Diesbezüglich ist zu ergänzen, dass teilweise parallel zu dieser Diskussion 1982, 1983, 1987 und 1989 die Entwürfe zum 1. JGGÄndG entstanden (siehe Kapitel G. I.). In Bezug auf die Abschaffung einzelner Arrestformen wurden insbesondere die erzieherische Eignung und die Wirkung des Kurz- und / oder des Freizeitarrests infrage gestellt: Auf dem 18. Jugendgerichtstag 1980 wurde ausdrücklich gefordert, den Freizeitarrest wegen fehlender erzieherischer Einwirkung, fehlender Schockwirkung sowie Stigmatisierung abzuschaffen.258 Vorgeschlagen wurde, den Freizeitarrest durch ambulante Maßnahmen zu ersetzen, sofern sinnvolle Alternativen bestehen;259 genannt wurde hier z. B. die Ersetzung des Jugendarrests durch die Betreuungsweisung.260 Dünkel forderte neben der Abschaffung des Freizeitarrests auch die Abschaffung des Kurzarrests.261 Er sprach sich aber ausdrücklich für die 255 Dahinter steht die Vorstellung, „einen Menschen mittels einer kurzen und spürbaren Intervention positiv beeinflussen zu können“ (Kühndahl-Hensel, Der individualpräventive Schock im Jugendkriminalrecht, 2014, S. 1). 256 DVJJ (Hrsg.), Jugendgerichtsbarkeit und Sozialarbeit, Thesen und Resolutionen, 1975, S. 206. 257 DVJJ (Hrsg.), Jugendgerichtsbarkeit und Sozialarbeit, Thesen und Resolutionen, 1975, S. 206. 258 DVJJ (Hrsg.), Die jugendrichterlichen Entscheidungen  – Anspruch und Wirklichkeit, 1981, S. 323, These 3. Uneinigkeit herrschte bezüglich des Kurzarrests. Hier lautete die These „Der Kurzarrest ist beizubehalten.“, allerdings bei 14-Ja- sowie 14-Gegenstimmen (a. a. O., S. 323, These 4). Wegen der im Arbeitskreis aufgekommenen Unstimmigkeiten (a. a. O., S. 547 ff.) wurde das Votum des Plenums eingeholt. Hier wurde mehrheitlich für die Beibehaltung des Kurzarrests gestimmt (a. a. O., S. 550). Im Einzelnen: Für die Abschaffung der Freizeitarrests: 178 Stimmen; dagegen: 101 Stimmen; Enthaltungen: 39. Für die Beibehaltung des Kurzarrests: 178 Stimmen; dagegen: 115 Stimmen; Enthaltungen: 36. Schon 1971 hatte Roestel unter Hinweis auf die Praxis in Hamburg vorgeschlagen, Freizeitarrest nicht mehr zu verhängen [Roestel, ZfJ 1971, 235 (237)]. 259 Berckhauer, ZRP 1982, 145 (146). So im Ergebnis auch Bietz, ZRP 1981, 212 (217). 260 Schumann / Döpke, in: Schumann, 1985, 98 (139): Betreuungsweisungen „können und sollten den Jugendarrest ersetzen“. 261 Dünkel, Freiheitsentzug für junge Rechtsbrecher, 1990, S. 353. Eisenhardt führte aus, dass „Freizeit- und Kurzarrest […] bestenfalls noch symbolhaften Charakter“ (Eisenhardt, Die Wirkungen der kurzen Haft auf Jugendliche, 1977, S. 490) haben. Die grundsätzlich mögliche erzieherische Wirkung des Freizeitarrests bejahend DVJJ (Hrsg.), Erstkriminalität und Frühkriminalität, Beratungen des Arbeitskreises V, 1966, S. 135 f.

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2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests

vorübergehende Beibehaltung des Dauerarrests als Form der kurzen Freiheitsstrafe aus, um einen Missbrauch von Untersuchungshaft und die Verhängung von Jugendstrafen zu vermeiden; langfristig sei der Jugendarrest aber insgesamt abzuschaffen.262 Auch Pfeiffer forderte die Abschaffung des Kurz- und Freizeitarrests sowie eine pädagogische Ausgestaltung des Dauerarrests;263 gleichzeitig warnte er aber auch vor zu hohen Erwartungen an diese Sanktion.264 Gerken und Schumann forderten, den Jugendarrest abzuschaffen; zunächst müsse allerdings – anders als andere Forderungen – der Dauerarrest als eingriffsintensivste Form abgeschafft werden.265 Sehr deutlich formulierte Papendorf, dass der Jugendarrest insgesamt abzuschaffen sei und begründete dies unter anderem mit der fehlenden Wirkung im Sinne einer Auseinandersetzung mit der Tat sowie der Ausgestaltung als kurze Freiheitsstrafe.266 Sehr deutlich bewertete auch Sommer den Jugendarrest „als Beleg für das Scheitern der Idee einer möglichen Verknüpfung von Erziehung und Strafe im Jugendgerichtsgesetz“.267 Plewig und Hinrichs formulierten, dass „der JA [Jugendarrest, Anm. d. Verf.] dringender Reformen bedarf, die u. U. selbst vor seiner Aufhebung nicht halt [sic] machen dürfen“,268 wobei sie insbesondere die rückblickende Perspektive auf die Tat kritisieren.269 Schaffstein äußerte dazu, dass die Abschaffung des Jugendarrests aktuell „weder erwünscht noch ohne Schaffung einer kaum zu schließenden Lücke in unserem jugendkriminalrechtlichen Rechtsfolgensystem möglich“270 sei, da es an ausreichenden ambulanten Maßnahmen fehle.271 Wenn möglich, sollten allerdings der Freizeit- sowie der Kurzarrest dann durch diese ambulanten Maßnahmen ersetzt werden.272 Feltes kam – ähnlich wie Schaffstein – zu dem Ergebnis, dass eine „Abschaffung des Jugendarrestes […] unter den gegenwärtigen Bedingungen weder ratsam und sinnvoll noch möglich“273 sei, auch da in der Praxis Bedarf für diese

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Dünkel, Freiheitsentzug für junge Rechtsbrecher, 1990, S. 354, 460. Später schlug Dünkel vor, den „Dauerarrest erzieherisch i. S. e. Angebotslösung auszugestalten“ [Dünkel, ZfJ 1990, 425 (436)]. Pfeiffer und Strobl bezeichneten die geforderte Beibehaltung des Dauerarrests als „inkonsequent“ [Pfeiffer / Strobl, DVJJ-Journal 1991, 35 (45)]. 263 Ähnlich hatte auch Wulf 1989 vorgeschlagen, den Jugendarrest als „Trainingszentrum für soziales Verhalten“ auszugestalten, und erläuterte, dass dies der erzieherischen Ausgestaltung entsprechen würde [Wulf, ZfStrVo 1989, 93 (94 f.)] 264 Pfeiffer, MschrKrim 1981, 28 (50 f.). 265 Gerken / Schumann, in: Gerken / Schumann, 1988b, 137 (139, 142). 266 Papendorf, KrimJ 1982, 137 (150 f.). 267 Sommer, KrimJ 1990, 225 (225). 268 Plewig / Hinrichs, in: DVJJ, 1978, 387 (395). 269 Plewig / Hinrichs, in: DVJJ, 1978, 387 (441). 270 Schaffstein, in: Hirsch, 1986, 393 (393 f.). Ähnlich führt auch Jung aus, dass auf den Jugendarrest nicht verzichtet werden könne und Jugendarrest „integrierender Bestandteil eines Systems ist“ [Jung, JZ 1978, 621 (624, 625)]. 271 Schaffstein, in: Hirsch, 1986, 393 (401). 272 Schaffstein, in: Hirsch, 1986, 393 (407). 273 Feltes, ZStW 1988, 158 (180).

F. Jugendarrest in der Diskussion

59

Sanktion bestehe.274 Feltes forderte, den Jugendarrest als kurze Freiheitsstrafe anzuerkennen und eine eindeutige Zielbestimmung im Gesetz zu verankern, die von der Short-sharp-shock-Ideologie wegführe.275 Ebenso betonte Eisenhardt, dass der Jugendarrest aktuell eine kurze Freiheitsstrafe ohne Eintrag in das Strafregister darstelle.276 Erst relativ spät wurde auch der Nichtbefolgungsarrest thematisiert: Werlich kritisierte 1985, dass diese Art des Jugendarrests trotz der häufigen Anwendung nicht ausreichend diskutiert würde.277 Sie argumentierte, dass der Arrest die ursprüngliche Sanktion ersetze und daher auch nicht mehrfach angeordnet werden könne.278 Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch Dünkel, der diese Arrestform im Ergebnis aber als „insgesamt entbehrlich“279 bewertete.280 Auch Frehsee sprach sich für die Abschaffung dieses Nichtbefolgungsarrests aus und wies darauf hin, dass aber mindestens eine „Präzisierung und Beschränkung der Anwendungsvoraussetzungen“281 erforderlich sei. Dazu forderte er unter anderem eine obligatorische mündliche Anhörung, den Ausschluss der mehrfachen Anordnung, ein Vollstreckungsverbot nach Erfüllung der Auflage oder Weisung und einen Ausbau der Unterstützung durch die Jugendgerichtshilfe.282 Hinrichs forderte ebenfalls die Abschaffung dieser Arrestform und begründete dies vor allem damit, dass die „Verärgerung des Gerichts […] keine Rechtfertigung für den unsystematischen Beugearrest“283 darstelle. Ähnlich ergänzte Frehsee zum Argument der Staatsautorität, dass es „ein merkwürdiger Staat sein [müsste], dessen Autorität von ein paar ungefügigen Halbwüchsigen ins Wanken gebracht werden kann.“284 Weber sprach sich hingegen gegen die Abschaffung aus, da die Justiz dann „eine Chance zur erzieherischen Einwirkung auf den Jugendlichen“285 verpassen würde. Vielmehr sei im Einzelfall zu prüfen, ob eine Änderung von Weisungen oder auch das Absehen von der Vollstreckung sinnvoll sei.286

274 Dazu Pfeiffer und Strobl: Es ist fragwürdig, dass „wir unsere kriminalpolitischen Vorstellungen primär daran orientieren, ob sie in die gewohnten Handlungs- und Denkmuster der Praxis passen“ [Pfeiffer / Strobl, DVJJ-Journal 1991, 35 (35)]. 275 Feltes, ZStW 1988, 158 (181). Schaffstein hatte zuvor die Frage danach, ob „der Dauerarrest nicht in Wahrheit eine kurzzeitige Freiheitsstrafe sei, soweit es sich um die arresttauglichen Täter handelt“ [Schaffstein, ZStW 1970, 853 (870)] explizit verneint. 276 Eisenhardt, Gutachten über den Jugendarrest, 1989, S. 135. 277 Werlich, in: Schumann, 1985, 140 (140). 278 Werlich, in: Schumann, 1985, 140 (152 f.). 279 Dünkel, Freiheitsentzug für junge Rechtsbrecher, 1990, S. 461. 280 Auch Gerken und Schumann forderten die Abschaffung [Gerken / Schumann, in: Gerken / Schumann, 1988b, 137 (141)]. 281 Frehsee, in: DVJJ, 1990, 314 (324). 282 Frehsee, in: DVJJ, 1990, 314 (324 ff.). 283 Hinrichs, in: DVJJ, 1990, 330 (341). 284 Frehsee, in: DVJJ, 1990, 314 (327). 285 Weber, in: DVJJ, 1990, 344 (345). 286 Weber, in: DVJJ, 1990, 344 (346).

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2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests

Neben diesen dargestellten Entwicklungen, die in eine Richtung der Einschränkung des Anwendungsbereichs deuten, begann in den 80er Jahren aber auch die Diskussion um die Einführung des sogenannten Einstiegs- oder Warnschussarrests und damit die Ausweitung des Anwendungsbereichs von Jugendarrest.287 Insgesamt war diese Diskussion um den Jugendarrest, wie von Möller völlig zutreffend bezeichnet, ein „Zeichen für die zunehmende Infragestellung von Sinn und Wirkungsweise dieses kriminalpädagogischen Instruments sowie die Dringlichkeit von zumindest bessernden, wenn nicht grundlegenden Änderungen“,288 mit welchen im Rahmen des 1. JGGÄndG, für das zu dieser Zeit die Entwürfe vorlagen, gerechnet wurde.

G. Das Erste Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes von 1990 Im Folgenden werden das Gesetzgebungsverfahren zum 1. JGGÄndG sowie die daran geübte Kritik vorgestellt.

I. Das Gesetzgebungsverfahren Entsprechend der dargestellten Diskussion um den Jugendarrest und den Forderungen (siehe Kapitel F.) wurde eine Reform des Jugendarrestsystems durch das 1. JGGÄndG erwartet, für das 1982 ein erster Arbeitsentwurf vorgelegt wurde; 1983 und 1987 folgten Referentenentwürfe. Die Entwürfe griffen dabei teilweise die zuvor oder parallel diskutierten Änderungsvorschläge zum Jugendarrest auf: Sowohl der Arbeitsentwurf von 1982 als auch der Referentenentwurf von 1983 sahen die Einführung des Jugendarrests neben der zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe und die Normierung der erzieherischen Ausgestaltung des Jugendarrestvollzugs vor.289 Davon abweichend war im Referentenentwurf von 1987 vorgesehen, den Kurzarrest abzuschaffen und den Freizeitarrest auf 2 Freizeiten zu beschränken; die Einführung des Jugendarrests neben zur Bewährung ausgesetzter Jugendstrafe war nicht mehr vorgesehen.290 1989 folgte der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes (1. JGGÄndG) vom 8. September 1989,291 der dem 1987 vorgelegten Entwurf in weiten Teilen entsprach. In diesem Entwurf wurden die

287

Überblick bei Höynck / Ernst, KJ 2014, 249 (249 ff.). Möller, in: DVJJ, 1981, 311 (311). 289 Dünkel, Freiheitsentzug für junge Rechtsbrecher, 1990, S. 444 f. 290 Dünkel, Freiheitsentzug für junge Rechtsbrecher, 1990, S. 446 f. 291 BR-Drucks. 464/89, 08.09.1989. 288

G. Das Erste Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes von 1990 

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am Jugendarrest geäußerte Kritik und die grundlegende Kritik an freiheitsentziehenden Sanktionen aufgegriffen. Dazu wurde ausgeführt, „daß die in der Praxis vielfältig erprobten neuen ambulanten Maßnahmen (Betreuungsweisung, sozialer Trainingskurs, Täter-Opfer-Ausgleich) die traditionellen Sanktionen (Geldbuße, Jugendarrest, Jugendstrafe) weitgehend ersetzen können, ohne daß sich damit die Rückfallgefahr erhöht“.292 Betont wurde daher die Intention, „freiheitsentziehende Sanktionen nach Möglichkeit zu vermeiden und durch ambulante Maßnahmen zu ersetzen“.293 In diesem Sinne sollten z. B. auch in § 10 I JGG die Unterstellung der Betreuung und Aufsicht eines Betreuungshelfers (Nr. 5), die Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs (Nr. 6) und der Täter-Opfer-Ausgleich (Nr. 7) als Weisungen aufgenommen werden. Außerdem sollte der Katalog der Auflagen um die Arbeitsleistung erweitert und in § 15 III Satz 1 JGG normiert werden, dass der Richter nicht nur von der Erfüllung von Auflagen befreien kann, sondern diese auch nachträglich ändern kann. Zum Jugendarrest gab es im Entwurf der Bundesregierung vor allem 4 Vorschläge für Änderungen: 1. Zunächst sollte der Freizeitarrest auf 2 statt der bisher 4 Freizeiten (und damit der Kurzarrest auf 4 Tage) beschränkt werden, auch um der Forderung nach Abschaffung der Sanktion entgegenzukommen. Dazu wurde ausgeführt, dass der Jugendarrest noch nicht komplett ersetzt werden könne, aber die Kritik berechtigt sei.294 Durch die kurze Zeit sei eine „wirksame erzieherische Einwirkung […] nur bedingt möglich“.295 Freizeitarrest sei „daher vorrangig dort berechtigt […], wo über eine Denkzettelwirkung auf eine Änderung des Verhaltens nicht belasteter Jugendlicher hingewirkt werden soll“.296 Nicht geeignet sei der Freizeitarrest hingegen bei „erhebliche[n] Erziehungs- und Entwicklungsdefizite[n]“.297 Durch die Reduzierung der Dauer sollte der „Erkenntnis entsprochen [werden], daß mehr als zwei in wöchentlichem Abstand folgende Freizeitverluste zur Ahndung einer Straftat ohne erzieherischen Sinn sind und eher Schaden als Nutzen bewirken“.298 Außerdem könne so verhindert werden, dass ein sich negativ auswirkender Gewöhnungseffekt eintrete.299

292

BR-Drucks. 464/89, 08.09.1989, S. 1. BR-Drucks. 464/89, 08.09.1989, S. 25. 294 BR-Drucks. 464/89, 08.09.1989, S. 50. 295 BR-Drucks. 464/89, 08.09.1989, S. 50. 296 BR-Drucks. 464/89, 08.09.1989, S. 50. 297 BR-Drucks. 464/89, 08.09.1989, S. 50. 298 BR-Drucks. 464/89, 08.09.1989, S. 30. 299 BR-Drucks. 464/89, 08.09.1989, S. 50. Der Referentenentwurf von 1987 sah noch vor, den Kurzarrest zu streichen (Dünkel, Freiheitsentzug für junge Rechtsbrecher, 1990, S. 446), was aber im Regierungsentwurf nicht weiter thematisiert wurde. 293

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2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests

2. Weiterhin sollte in § 90 I JGG normiert werden, dass der Vollzug des Jugendarrests erzieherisch ausgestaltet werden soll300 und dem Jugendlichen bei der Bewältigung von Schwierigkeiten, die zur Begehung der Straftat beigetragen haben, helfen soll.301 Damit sollte dem Erziehungsgedanken im Jugendarrest mehr Gewicht verliehen werden.302 Konkret wurde eine erzieherische Betreuung der Personen angestrebt, die sich z. B. auf Schuldenregulierung, Freizeitgestaltung und Arbeits- oder Ausbildungssuche erstreckt.303 Außerdem wurde im Entwurf auch darauf hingewiesen, dass eine neben dem Arrest verhängte Betreuungsweisung dazu beitragen kann, die Bemühungen auch nach der Arrestverbüßung fortzusetzen.304 3. Drittens enthielt der Entwurf in § 65 I JGG die Änderung, dass dem Jugendlichen vor der Verhängung von Nichtbefolgungsarrest Gelegenheit zur mündlichen Äußerung vor dem Richter gegeben werden soll. Diese Anhörung diene dem Zweck festzustellen, „ob auf die besonderen Probleme des Jugendlichen nicht besser mit einer anderen jugendrichterlichen Maßnahme unter Änderung der ursprünglichen Anordnung reagiert werden sollte“.305 Die zuvor mögliche schriftliche Äußerung sei nicht ausreichend, um Gründe der Nichterfüllung zu erfahren und Probleme der Person einzuschätzen.306 4. Außerdem sollte in Bezug auf die Vollstreckung die Möglichkeit der Reaktion auf veränderte Umstände in der Lebenssituation des Jugendlichen erweitert werden. Bisher musste mit der Vollstreckung nach § 87 III Satz 1 JGG zumindest begonnen werden. Aus dem Erziehungsgedanken resultiere allerdings die Notwendigkeit der möglichen Aufhebung, „wenn sich nach dem Urteil herausstellt, daß die Arrestverbüßung dem Jugendlichen eher schaden würde“.307 Daher war im Entwurf vorgesehen, in § 87 III Satz 1 JGG die Befugnis des Vollstreckungsleiters zu normieren, ganz oder teilweise von der Vollstreckung des Jugendarrests abzusehen. Ausweislich der Entwurfsbegründung sollte dies z. B. dann der Fall sein, wenn der Jugendliche vor Arrestantritt „nach langer Arbeitslosigkeit eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle gefunden oder seine abgebrochene Schulausbildung fortgesetzt“308 hat. Weiterhin sollte eine flexible Entscheidung möglich sein, wenn 6 Monate seit Rechtskraft des Urteils vergangen sind und es geboten ist, von einer Vollstreckung des Jugendarrests abzusehen, § 87 III Satz 2 JGG. 300

Dies normierte allerdings auch schon die JAVollzO (siehe Kapitel E. I.). Gerken und Schumann bezeichneten die pädagogische Gestaltung des Jugendarrests als „Augenwischerei“ [Gerken / Schumann, in: Gerken / Schumann, 1988b, 137 (141)]. 301 BR-Drucks. 464/89, 08.09.1989, S. 50. 302 BR-Drucks. 464/89, 08.09.1989, S. 30. 303 BR-Drucks. 464/89, 08.09.1989, S. 110. 304 BR-Drucks. 464/89, 08.09.1989, S. 110. 305 BR-Drucks. 464/89, 08.09.1989, S. 110. 306 BR-Drucks. 464/89, 08.09.1989, S. 79. 307 BR-Drucks. 464/89, 08.09.1989, S. 102. 308 BR-Drucks. 464/89, 08.09.1989, S. 102.

G. Das Erste Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes von 1990 

63

Darüber hinaus wurde in der Entwurfsbegründung auf die Forderungen verwiesen, den Jugendarrest umzugestalten und ihn an die Erziehungsbedürfnisse der Arrestanten anzupassen.309 Zwar wurde die „strukturelle Ausgestaltung des Jugendarrestes“310 als Problembereich bezeichnet, für den (wie auch für andere Bereiche) allerdings noch keine „Lösungsvorschläge […] erarbeitet oder noch nicht ausreichend diskutiert worden sind“.311 Auf diesen Entwurf folgte eine Stellungnahme des Bundesrates.312 Darin wurde abweichend vom Entwurf der Bundesregierung ganz generell gefordert, im „weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die im geltenden Recht enthaltene Unterscheidung zwischen Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln bereits im Rahmen dieses Gesetzesvorhabens aufzugeben“313 sind, und einheitlich den Begriff „Erzieherische Maßnahme“314 zu verwenden. Begründet wurde dies unter anderem mit dem „unlösbaren Widerspruch“315 zwischen zum einen der Arbeitsleistung als Auflage, zum anderen der Weisung und dem Subsidiaritätsprinzip des § 5 II JGG. Denn wenn gemäß § 5 II JGG Zuchtmittel nur in Betracht kommen, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen, ist fraglich, warum in beiden Kategorien die Erbringung von Arbeitsleistungen möglich ist. In Bezug auf dieses Problem sei der Entwurf „ausweichend und halbherzig“.316 Zum Arrest wurde in der Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzesentwurf gefordert, den Kurzarrest abzuschaffen, da wegen der kurzen Dauer keine erzieherische Einflussnahme und keine „sinnvolle Aufarbeitung bestehender Probleme“317 möglich sei. Weiterhin wurde angemahnt, dass „die Gesamtproblematik des Systems des Jugendarrestes und seiner Struktur einer baldigen Lösung bedarf“.318 Die Bundesregierung verwies in der Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates darauf, dass die Differenzierung zwischen Erziehungsmaßregeln und 309

BR-Drucks. 464/89, 08.09.1989, S. 8. BR-Drucks. 464/89, 08.09.1989, S. 36. 311 BR-Drucks. 464/89, 08.09.1989, S. 36. Die dargestellte Diskussion zeigt hingegen, dass schon viel über den Jugendarrest diskutiert wurde und auch konkrete Vorschläge für Änderungen gemacht worden sind. Diese hätten sicherlich thematisiert werden können. 312 BT-Drucks. 11/5829, 27.11.1989, Anlage 2, Stellungnahme des Bundesrates, S. 40 ff. 313 BT-Drucks. 11/5829, 27.11.1989, Anlage 2, Stellungnahme des Bundesrates, S. 41. 314 BT-Drucks. 11/5829, 27.11.1989, Anlage 2, Stellungnahme des Bundesrates, S. 41. Die SPD-Fraktion hatte zuvor in ihrem Antrag zur Reform des Jugendgerichtsverfahrens bereits gefordert, den Jugendarrest „als stationäre erzieherische Maßnahme zu gestalten, in der mit den Jugendlichen Ansätze zur Lösung ihrer Probleme erarbeitet werden und praktische Hilfe dazu geleistet wird“ (BT-Drucks. 11/4892, 28.06.1989, S. 1). Außerdem sei eine Nachbetreuung einzurichten und der Freizeit- und Kurzarrest abzuschaffen. 315 BT-Drucks. 11/5829, 27.11.1989, Anlage 2, Stellungnahme des Bundesrates, S. 41. 316 BT-Drucks. 11/5829, 27.11.1989, Anlage 2, Stellungnahme des Bundesrates, S. 41. 317 BT-Drucks. 11/5829, 27.11.1989, Anlage 2, Stellungnahme des Bundesrates, S. 41. Warum nicht auch mit der gleichen Begründung die Streichung des Freizeitarrests gefordert wurde, ist nicht ersichtlich. 318 BT-Drucks. 11/5829, 27.11.1989, Anlage 2, Stellungnahme des Bundesrates, S. 42. 310

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2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests

Zuchtmitteln in einem späteren Gesetzentwurf erfolgen soll319 und ging nicht weiter auf die Streichung des Kurzarrests ein.320 Der Rechtsausschuss kam in seiner Beschlussempfehlung vom 19. Juni 1990 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zu dem Ergebnis, den Entwurf mit Änderungen anzunehmen.321 Die vom Rechtsausschuss empfohlenen Änderungen im Bereich des Jugendarrests bezogen sich auf den Arrest nach § 11 III JGG sowie den Arrest nach § 98 OWiG.322 Zunächst sollte gemäß § 11 III Satz 3 JGG-E auch nach Erfüllung einer Weisung von der Vollstreckung des Arrests abgesehen werden (zuvor war dies eine Ermessensentscheidung des Richters), um so den Arrest auf „das unerläßliche Maß“323 zu reduzieren. Begründet wurde dies ganz allgemein mit „erzieherischen, vor allem jedoch […] rechtsstaatlichen Gründen“.324 Außerdem empfahl der Ausschuss, dass die Gelegenheit zur mündlichen Äußerung vor dem Gericht für den Jugendlichen bestehen muss, und nicht, wie im Entwurf vorgesehen, nur soll, § 65 I JGG-E.325 Hinsichtlich § 98 OWiG sah der Rechtsausschuss umfassende Änderungen vor: Zum einen sollte der Verweis auf § 11 III JGG in § 98 II Satz 1 OWiG-E gestrichen und eingefügt werden, dass hiernach verhängter Jugendarrest bei einer Bußgeldentscheidung eine Woche nicht übersteigen darf. Außerdem sollte ergänzt werden, dass dem Jugendlichen vor Verhängung von Jugendarrest – wie auch in § 65 I JGG-E – Gelegenheit zur mündlichen Äußerung vor dem Richter zu geben ist. Vorgeschlagen wurde außerdem, dass Jugendarrest wegen desselben Betrags nicht wiederholt angeordnet werden darf und der Richter von der Vollstreckung des Jugendarrests absieht, wenn der Jugendliche nach Verhängung der Weisung nachkommt oder die Geldbuße zahlt. Ferner sprach sich der Ausschuss für die Beibehaltung von Kurz- und Freizeit­ arrest aus, da die Abschaffung dieser Arrestformen zu dem Ergebnis führen könnte, dass stattdessen eingriffsintensivere Dauerarreste verhängt würden, obwohl auch ein Kurz- oder Freizeitarrest ausreiche; dies widerspreche dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.326 Außerdem wurde die Vorlage eines Entwurfs für ein Zweites Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes bis zum 1. Oktober 1992

319

BT-Drucks. 11/5829, 27.11.1989, Anlage 3, Gegenäußerung der Bundesregierung, S. 47. BT-Drucks. 11/5829, 27.11.1989, Anlage 3, Gegenäußerung der Bundesregierung, S. 47. 321 BT-Drucks. 11/7421, 19.06.1990, S. 3. Gleichzeitig sollte der o. g. Antrag der SPD-Fraktion (BT-Drucks. 11/4892) damit für erledigt erklärt werden. 322 Die auch vorgeschlagene Abschaffung des Kurz- und Freizeitarrests sowie die Ausgestaltung des Nichtbefolgungsarrests als Freizeitarrest konnte sich im Rechtsausschuss nicht durchsetzen (BT-Drucks. 11/7421, 19.06.1990, S. 21 f.). 323 BT-Drucks. 11/7421, 19.06.1990, S. 21. 324 BT-Drucks. 11/7421, 19.06.1990, S. 21. 325 BT-Drucks. 11/7421, 19.06.1990, S. 10. 326 BT-Drucks. 11/7421, 19.06.1990, S. 22. 320

G. Das Erste Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes von 1990 

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gefordert, welches unter anderem Lösungsvorschläge für das Verhältnis zwischen Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln enthalten sollte.327 In Bezug auf den Jugendarrest wurden im 1. JGGÄndG vom 30. August 1990328 die im Regierungsentwurf von 1989 vorgeschlagenen Regelungen mit den vorgestellten Ergänzungen des Rechtsausschusses eingeführt.329 Als Begründung für diese im Ergebnis nur kleinen Änderungen führte die Bundesregierung aus: „Der Entwurf sieht jedoch von einer grundsätzlichen Umgestaltung des derzeitigen Jugendarrestsystems ab, um zunächst die Entwicklung im Bereich der als Alternativen in Betracht kommenden Maßnahmen – also vor allem von Betreuungsweisung, sozialem Trainingskurs, Täter-Opfer-Ausgleich, Arbeitsweisung und Arbeitsauflage – abzuwarten und festzustellen, in welchem Umfang sie den Jugendarrest zu ersetzen vermögen“330.

II. Kritik am Gesetzgebungsverfahren Insgesamt erfuhr das 1. JGGÄndG viel Kritik. Die während des Gesetzgebungsverfahrens mehrfach getätigten Äußerungen, wie z. B. dass der „Arrest und seine Anordnungspraxis […] zu den umstrittensten Themen der Jugendstrafrechts­ pflege“331 gehören, hatten zuvor die Erwartung auf eine „erhebliche Beschränkung im Bereich des Jugendarrestes“332 geweckt, welche allerdings ausblieb;333 auch wenn der Gesetzgeber von einer „Verschärfung der Voraussetzungen für die Anordnung von Ungehorsamsarrest […] [und] von Arrest nach § 98 OWiG“334 ausging. Die Kritik betraf vor allem „die Zaghaftigkeit des Schrittes, der nach jahrzehntelangen Mühen endlich getan wurde“.335 Ähnlich bewertete auch Jung das Gesetz 327

BT-Drucks. 11/7421, 19.06.1990, S. 2. BGBl. 1990, Teil I, S. 1853. 329 Dazu weitergehend Böhm, NJW 1991, 534 (534 ff.); Böttcher, NStZ 1991, 7 (7 ff.). 330 BT-Drucks. 11/5829, 27.11.1989, S. 12. Offensichtlich hoffte man auch, dass sich die Probleme rund um den Jugendarrest „durch die angestrebte verstärkte Nutzung der neuen ambulanten Maßnahmen“ (BT-Drucks. 11/5829, 27.11.1989, S. 19) von selbst lösen werden und nannte explizit die Betreuungsweisung und den sozialen Trainingskurs „als ambulante[…] Alternativen zum Jugendarrest“ (BT-Drucks. 11/5829, 27.11.1989, S. 38). 331 BT-Drucks. 11/5829, 27.11.1989, S. 18. 332 Heinz, ZRP 1991, 183 (185). Wulf [ZfStrVo 1989, 93 (94)] rechnete 1989 mit der Abschaffung des Kurzarrests. 333 Dünkel (Freiheitsentzug für junge Rechtsbrecher, 1990, S. 450) bezeichnete den Regierungsentwurf als „Kompromiss“, da die in den Referentenentwürfen vorgesehenen weitreichen­ deren Änderungen im Bereich des Jugendarrests am Widerstand einiger Länder scheiterten. 334 So aber BT-Drucks. 11/7421, 19.06.1990, S. 2. 335 Schüler-Springorum, DVJJ-Journal 1992, 4 (4). Walter spricht von einer „eher zaghaften Einengung des Freizeit- und Kurzarrestes durch das 1. JGGÄndG“ [Walter, NStZ 1992, 470 (471)]. Böttcher geht davon aus, dass die Änderungen „auf den ersten Blick nur punktuell erscheinen, in ihrer Summe sich aber doch spürbar auf den Jugendarrest auswirken werden“ [Böttcher, NStZ 1991, 7 (7)]. 328

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2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests

als „halbherzigen Reformschritt[…]“,336 betrachtet man z. B. die Forderung der Vereinheitlichung von Jugendstrafrecht und Jugendhilferecht.337 Speziell zum Jugendarrest fügte Jung aber hinzu, dass eine Tendenz der Zurückdrängung von Jugendarrest erkennbar sei.338 Auch Walter kritisierte die wenigen Änderungen zum Jugendarrest und fragte nach „einem vernünftigen Grund, einen jungen Menschen für so kurze Zeit zu inhaftieren“.339 Pfeiffer und Strobl bezeichneten die Frage nach der Abschaffung des Jugendarrests als eine der „zentralen Streitfragen“.340 In der Diskussion wurde aber auch darauf hingewiesen, dass zunächst geklärt werden müsse, was den Jugendarrest ersetzen könne, da es unmöglich sei, „die einzelnen Rechtsfolgen des Jugendstrafrechts als gesonderte Organe auf den Operationstisch zu legen, sie zu entfernen, zu ersetzen, zu korrigieren oder unangetastet zu lassen, ohne zu berücksichtigen, welches die Konsequenzen für die anderen Organe und den Gesamtorganismus sind“.341 Ähnlich führte auch SchülerSpringorum aus, dass es einer „grundlegende[n], am Verfahren ebenso wie an den materiellrechtlichen Regelungen ansetzende[n] Neukonzeption des gesamten Reaktionssystems“342 bedarf. Da eine grundsätzliche Änderung des JGGs allerdings nicht zu erwarten war, plädierte Ostendorf für eine Änderung innerhalb des bestehenden gesetzlichen Rahmens und nannte als Ziel, den Jugendarrest als „soziales Training im Sinne einer positiven Individualprävention [auszugestalten], um den jungen Menschen von einer Strafwiederholung abzuhalten“343 und so eine Wirkung über den Arrestvollzug hinaus zu erreichen; z. B. solle einem Jugendlichen im Freizeitarrest nicht nur die Freizeit genommen werden, sondern er vielmehr die Möglichkeit bekommen, eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung zu erlernen.344 Auch die Zweite Jugendstrafrechtsreform-Kommission der DVJJ knüpfte mit ihren Vorschlägen für eine Reform des Jugendstrafrechts an die kriminalpolitische

336

Jung, JuS 1992, 186 (192). Heinz, ZRP 1991, 183 (183 ff.); Jung, JuS 1992, 186 (186 ff.). So auch schon Peters [in: DVJJ, 1966, 13 (13 f.)] in Bezug auf das Jugendwohlfahrtsgesetz und das Jugendgerichtsgesetz 1922/1923. Dazu auch AWO (Hrsg.), Vorschläge für ein erweitertes Jugendhilferecht, 1967, S. 1 ff. Speziell in Bezug auf den Jugendarrest wurde vorgeschlagen, diesen durch „Kurzmaßnahmen von einem Wochenende“ (statt Freizeitarrest) oder „Kurzmaßnahmen von drei Wochen“ (a. a. O., S. 57) zu ersetzen. 338 Jung, JuS 1992, 186 (190). 339 Walter, NStZ 1992, 470 (471). 340 Pfeiffer / Strobl, DVJJ-Journal 1991, 35 (35). 341 Herrlinger, DVJJ-Journal 1991, 156 (157). Vorgeschlagen wurde, den Jugendarrest und die Jugendstrafe einheitlich als Jugendstrafe zusammenzufassen und die Untergrenze der Jugendstrafe zu senken [DVJJ-Kommission, DVJJ-Journal 1992, 9 (33 ff.)]. 342 Schüler-Springorum, DVJJ-Journal 1992, 4 (5). 343 Ostendorf, MschrKrim 1995, 352 (353). 344 Ostendorf, MschrKrim 1995, 352 (353). So auch Heinz [ZRP 1991, 183 (188)], der darüber hinaus die Abschaffung von Freizeit- und Kurzarrest forderte. 337

H. Weitere Änderungen

67

Zielsetzung des 1. JGGÄndG an und sprach sich 2002 erneut für eine Reform des Sanktionensystems aus. Dabei wurde zwar mit knapper Mehrheit für die Beibehaltung des Jugendarrests gestimmt,345 allerdings wurden gesetzliche Änderungen gefordert: Der Begriff der Zuchtmittel sollte entfallen, Kurz- und Freizeitarrest abgeschafft werden, der Arrest eine Dauer von ein bis 2 Wochen346 haben, Ausgang und Freigang im Jugendarrest ermöglicht werden, die Verhängung von Jugendarrest (wie alle freiheitsentziehenden Maßnahmen) nicht gegen 14- und 15-Jährige möglich sein und vor der Verhängung sollten ambulante Maßnahmen ausgeschöpft werden.347 Außerdem wurde ausgeführt, dass die Kommission dem Jugendarrest „keine positive pädagogische Wirkung“348 zusprach und gegenwärtig „weder eine sinnvolle Zielsetzung noch eine definierbare Zielgruppe für diese Sanktion zu erkennen“349 sei. Die Entscheidung für die Beibehaltung des Arrests begründete die Kommission „mit dem Mangel an Alternativen und einem diffusen Strafbedürfnis sowohl der Verfahrensbeteiligten als auch der Öffentlichkeit“.350

H. Weitere Änderungen Nach dem Ersten Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes folgten weitere Änderungen: Neben der Neufassung der Richtlinien 1994 trat 2007 das Zweite Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes in Kraft. Außerdem folgten Gesetzgebungsverfahren zu den Landesjugendarrestvollzugsgesetzen und die Einführung des Jugendarrests neben zur Bewährung ausgesetzter Jugendstrafe.

I. Neufassung der Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz von 1994 Die Richtlinien zum JGG von 1955 wurden zwischenzeitlich angepasst,351 entsprachen aber nicht mehr der geltenden Rechtslage.352 Die Richtlinien wurden deshalb neu gefasst und traten zum 1. August 1994 in Kraft. Die Richtlinien von 1955 enthielten zu § 16 JGG insgesamt 8 Punkte (siehe Kapitel D. II.) und insbesondere 345

DVJJ, Zweite Jugendstrafrechtsreform-Kommission, DVJJ-Journal Extra 2002, S. 67 ff.,

81.

346

Die Kommission verwies allerdings auch darauf, dass diese Höchstdauer von den Arrestleitern als zu kurz kritisiert wurde, um mit den Jugendlichen zu arbeiten (DVJJ, Zweite Jugendstrafrechtsreform-Kommission, DVJJ-Journal Extra 2002, S. 83, Fn. 190). Die Mindestdauer der Jugendstrafe sollte bestehen bleiben. 347 DVJJ, Zweite Jugendstrafrechtsreform-Kommission, DVJJ-Journal Extra 2002, S. 84 f. 348 DVJJ, Zweite Jugendstrafrechtsreform-Kommission, DVJJ-Journal Extra 2002, S. 81. 349 DVJJ, Zweite Jugendstrafrechtsreform-Kommission, DVJJ-Journal Extra 2002, S. 82. 350 DVJJ, Zweite Jugendstrafrechtsreform-Kommission, DVJJ-Journal Extra 2002, S. 82. 351 Die Richtlinien wurden seit 1955 mehrfach durch „gleichlautende Entschließungen der Landesjustizverwaltungen geändert“ (Meyer-Höger, Der Jugendarrest, 1998, S. 142). 352 Ostendorf, DVJJ-Journal 1994, 191 (191).

68

2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests

Hinweise dazu, für welche Verfehlungen (Nr. 1) und welche Jugendlichen (Nr. 1, 2 und 3) Jugendarrest geeignet sein sollte. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass die Frage, ob mehrfach Jugendarrest verhängt werden kann, einer besonders sorgfältigen Prüfung bedürfe und die Verhängung von Jugendarrest nach Verbüßung eines Dauerarrests in der Regel nutzlos sei (Nr. 4). Die Richtlinien in der Fassung von 1994 enthielten nur 2 Punkte, und zwar die unveränderte Definition der wöchentlichen Freizeit sowie einen Verweis auf § 52 JGG für die Berücksichtigung von Untersuchungshaft. Entfallen ist damit die Auflistung der Delikte und der Zielgruppe. Diese Änderung ist insofern nachvollziehbar, da die Richtlinien teilweise noch die Formulierungen aus der Zeit der Einführung enthielten.353 Warum allerdings der Inhalt nicht angepasst wurde, ist – soweit ersichtlich – nicht begründet worden.354

II. Das Zweite Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes von 2007 Wie bereits angedeutet wurde durch die Ausführungen im Gesetzgebungsverfahren zum 1. JGGÄndG zum Reformbedarf der Eindruck erweckt, dass sich zeitnah etwas am Jugendarrestsystem ändern würde und es nur noch – wie in der Drucksache ausgeführt – der Prüfung bedürfe, inwieweit die ambulanten Sanktionen als Alternativen genutzt werden können.355 Diese Untersuchung wurde – soweit ersichtlich – nicht durchgeführt. Zudem wurden in den Jahren nach Inkrafttreten des 1. JGGÄndG vermehrt Forderungen nach Verschärfungen des Jugendstrafrechts laut. Grund dafür waren wohl unter anderem die in diesen Jahren steigenden Zahlen registrierter Jugendkriminalität sowie einzelne schwere Straftaten Jugendlicher und Heranwachsender.356 Anlass für das Zweite Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes und anderer Gesetze (2. JGGÄndG) vom 13. Dezember 2007357 waren nicht die zu-

353

So auch Vietze, Der Einstiegsarrest, 2004, S. 21. So schlägt auch Vietze mit Verweis auf Pfeiffer vor, zwischen Arrestgeeigneten und Arrestungeeigneten zu unterscheiden (Vietze, Der Einstiegsarrest, 2004, S. 21). Ob er dies als Terminologie für die Richtlinien vorschlägt, ist unklar. 355 In einer Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage aus dem Jahr 2009 (BTDrucks. 16/13142, 26.05.2009, S. 42) wurde z. B. ausgeführt, dass der Bundesregierung keine „belastbaren empirischen Erkenntnisse“ dazu vorliegen, ob die Verhängung von Jugendarrest durch die Einführung des sozialen Trainingskurses zurückgegangen ist. Außerdem betonte die Bundesregierung, dass sie „für den Jugendarrest einen eigenständigen Anwendungsbereich [sieht] und […] bisher keinen Bedarf für eine vollständige Ersetzung des Jugendarrests durch ambulante Maßnahmen“ (a. a. O., S. 59) erkennt. 356 Siehe dazu Gebauer, in: Dölling / Götting / Meier / Verrel, 2010, 185 (196 ff.) und Höynck  / ​ Ernst, KJ 2014, 249 (249 ff.). 357 BGBl. 2007, Teil I, S. 2894. 354

H. Weitere Änderungen

69

vor genannten Reformbestrebungen des Gesetzgebers,358 die Notwendigkeit der Umsetzung ergab sich aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Jugendstrafvollzug vom 31. Mai 2006.359 Das Gericht hatte festgestellt, dass die damals bestehenden gesetzlichen Grundlagen für den Jugendstrafvollzug nicht ausreichend sind, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an einen solchen Grundrechtseingriff zu stellen sind, gerecht zu werden, und hatte eine Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2008 gesetzt.360 Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts galten nach Ansicht der Bundesregierung auch für den Vollzug des Jugendarrests.361 Der Gesetzgeber hat dementsprechend reagiert und die §§ 91 und 92 JGG zum Jugendstrafvollzug aufgehoben; § 92 JGG regelt seitdem die Rechtsbehelfe im Vollzug. Da durch die Föderalismusreform die Gesetzgebungszuständigkeit im Bereich des Strafvollzugs auf die Länder übergegangen ist,362 mussten diese Jugendstraf- und Jugendarrestvollzugsgesetze verabschieden. Als wichtige Änderung im Rahmen des 2. JGGÄndG ist sicherlich die Verankerung des Erziehungsgedankens als Zielbestimmung in § 2 I JGG zu nennen. Dies sollte ausweislich der Entwurfsbegründung eine Orientierungshilfe sowohl „für die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe […] [als] auch zur inhaltlichen Bestimmung der Eigenart der jugendstrafrechtlichen Sanktionen“363 darstellen. Damit unterblieb die im Rahmen des 1. JGGÄndG angekündigte „grundsätzliche […] Umgestaltung des […] Jugendarrestsystems“364. Durch die Jugendarrestvollzugsgesetze gab es zwar weitreichende Änderungen im Bereich des Vollzugs, die materiell-rechtlichen Voraussetzungen blieben allerdings unverändert und wurden auch im Gesetzgebungsverfahren nicht aufgegriffen.

III. Gesetzgebungsverfahren zu den Jugendarrestvollzugsgesetzen der Länder Wie bereits erläutert mussten die Länder eine gesetzliche Grundlage für den Jugendarrestvollzug schaffen (siehe Kapitel H. II.). Bis zur Verabschiedung der Landesarrestvollzugsgesetze galt weiterhin die Jugendarrestvollzugsordnung in der Fassung von 1976.

358

BT-Drucks. 11/5829, 27.11.1989, S. 14 f. BVerfG, Urteil vom 31.05.2006 – 2 BvR 1673/04, 2 BvR 2402/04 = NJW 2006, 2093 ff. 360 BVerfG, Urteil vom 31.05.2006 – 2 BvR 1673/04, 2 BvR 2402/04 = NJW 2006, 2093 ff. 361 BT-Drucks. 16/13142, 26.05.2009, S. 59, Frage 102. 362 Überwiegend wurde der Jugendarrestvollzug als Strafvollzug im Sinne des früheren Art. 74 I Nr. 1 GG bewertet. Der Strafvollzug wurde aus dem Katalog der Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 74 I Nr. 1 GG a. F.) gestrichen, wodurch die Gesetzgebungskompetenz auf die Länder übergegangen ist (Art. 70 GG), dazu Wulf, in: DVJJ BadenWürttemberg, 2011, 29 (32 f.). 363 BT-Drucks. 16/6293, 04.09.2007, S. 8. 364 BT-Drucks. 11/5829, 27.11.1989, S. 12. 359

70

2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests

Vor und parallel zu den Gesetzgebungsverfahren wurden Vorschläge zur Ausgestaltung des Jugendarrestvollzuges unterbreitet. Die Fachkommission Jugendarrest / Stationäres soziales Training verfasste Mindeststandards zum Jugend­ arrestvollzug, die sich auf die Bezeichnung („stationäres soziales Training“ statt Arrest), die Verhängung (Subsidiaritätsprinzip), die Vollstreckung (Absehen von der Vollstreckung; zeitnahe Vollstreckung) sowie den Vollzug (z. B. Gestaltung des Vollzugs, Unterbringung, Personal) bezogen.365 Auch Wulf verfasste einen Diskussionsentwurf für ein Gesetz über stationäres soziales Training,366 welcher den Forderungen der Fachkommission entsprach. Walkenhorst erläuterte die pädagogischen Perspektiven des Jugendarrests und hob ebenfalls das Soziale Training hervor.367 Zwar wurde in keinem Bundesland der Jugendarrest komplett als sozialer Trainingskurs ausgestaltet, allerdings wurde z. B. im Gesetz über die Gestaltung und Durchführung des Jugendarrests in Baden-Württemberg (Jugendarrestgesetz – JArrG) sowie im Jugendarrestvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen (JAVollzG NRW) das soziale Training als tragendes Element der pädagogischen bzw. erzieherischen Gestaltung benannt, § 5 I Satz 1 JArrGBaWü, § 3 I Nr. 1 ­JAVollzG NRW. In der JAVollzO von 1976 (siehe Kapitel E. I.) wurde die erzieherische Gestaltung zwar auch betont, sollte nun aber in einigen Bundesländern deutlicher gefasst werden. Im Gesetzentwurf der Landesregierung Nordrhein-Westfalen vom 29. August 2012 wurde z. B. ausgeführt: „Mit dem vorliegenden Entwurf greift NordrheinWestfalen die weitreichende Kritik am Jugendarrest auf und schafft als erstes Bundesland eine moderne, verfassungsrechtlich gebotene gesetzliche Grundlage für den Vollzug von Jugendarrest. Der Entwurf wendet sich dabei kompromisslos vom reinen Sanktionscharakter des Arrestes („short sharp shock“) ab und gibt eine konsequent erzieherische Gestaltung des Arrestvollzuges vor.“368 In SchleswigHolstein wurde der Jugendarrest als „kurzzeitige stationäre Erziehungssanktion“369 bezeichnet. Andererseits wurde im Gesetzesentwurf der Landesregierung Rheinland-Pfalz zum Landesjugendarrestvollzugsgesetz vom 14. Juli 2015 ausgeführt, dass die Möglichkeiten einer erzieherischen Einwirkung im Jugendarrest wegen der kurzen Dauer begrenzt sind. Es wurde daher im Sinne des § 13 I JGG als Ziel normiert, die Verdeutlichung des begangenen Unrechts, dessen Folgen und ihre Verantwortung bewusst zu machen.370

365

Ostendorf, ZRP 2010, 20 (20 ff.). Auf dieser Grundlage unterbreitete auch Jäger (Zur Notwendigkeit und Ausgestaltung eines Jugendarrestvollzugsgesetzes, 2010, S. 232 ff.) einen Gesetzesentwurf. 366 Abdruck bei Wulf, in: DVJJ Baden-Württemberg, 2011, 29 (41 ff.). Siehe dazu auch Wulf, ZJJ 2010, 191 (191 ff.) und Wulf, FS 2011, 104 (106 f.); so auch schon Wulf, ZfStrVo 1989, 93 (93 ff.). 367 Walkenhorst, FS 2011, 95 (95 ff.). 368 Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucks. 16/746, 29.08.2012, S. 20. 369 Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drucks. 18/891, 04.06.2013, S. 2. 370 Landtag Rheinland-Pfalz, Drucks. 16/5281, 14.07.2015, S. 22.

H. Weitere Änderungen

71

Mittlerweile sind in fast allen Bundesländern Jugendarrestvollzugsgesetze in Kraft getreten.371 Die Gesetze orientieren sich an der bisher geltenden Jugend­ arrestvollzugsordnung, sind aber in ihren Aktzentsetzungen durchaus unterschiedlich. Insgesamt enthalten die Gesetze gegenüber der Jugendarrestvollzugsordnung mehr pädagogische Elemente wie soziale Trainingskurse, Anti-Gewalt-Trainings sowie Bildungs- und Beratungsangebote, was auf eine „Pädagogisierung des Jugendarrests“372 hindeutet. Außerdem wurde in einigen Gesetzen der „Vollzug in freien Formen“ aufgenommen (z. B. § 61 IV ­JAVollzG Schleswig-Holstein; § 26 Absatz 4 ­JAVollzG NRW).373

IV. Jugendarrest neben zur Bewährung ausgesetzter Jugendstrafe Die Einführung des sogenannten Einstiegs- oder Warnschussarrests,374 also des Jugendarrests neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe, war bereits seit Anfang der 1980er Jahre Gegenstand einiger Gesetzgebungsinitiativen,375 wurde allerdings stets stark kritisiert.376 Trotz dieser umfassenden Kritik wurde diese Form des Jugendarrests durch das Gesetz zur Erweiterung der jugendgerichtlichen Handlungsmöglichkeiten vom 4. September 2012377 als Teil eines Pakets an Strafverschärfungen378 eingeführt. § 16a JGG ist zum 7. März 2013 in Kraft getreten und ermöglicht die Verhängung von Jugendarrest in Kombination mit verschiedenen Varianten der Bewährungs 371 Lediglich in Berlin und Sachsen-Anhalt liegen noch keine Landesarrestvollzugsgesetze vor. In Sachsen-Anhalt hat die Landesregierung Anfang 2019 einen Entwurf vorgelegt (Landtag von Sachsen-Anhalt, Drucksache 7/3859, 21.01.2019). Bremen hat kein Jugendarrestvollzugsgesetz, da der Arrest in Niedersachsen vollstreckt wird, siehe Kapitel G. II. 372 Bihs, ZJJ 2014, 120 (120). 373 Im 3. Teil, Kapitel G. IV. wird das Hessische Jugendarrestvollzugsgesetz (Hess­JAVollzG) vom 27. Mai 2015 (GVBl. Nr. 13 vom 05.06.2015, S. 223) ausführlich vorgestellt. 374 Bekannt geworden ist der Arrest nach § 16a JGG vor allem als „Warnschussarrest“. Auch der Gesetzestext vermeidet allerdings zu Recht diesen Begriff, der problematisch ist: Er suggeriert, dass diese Form des Arrests geeignet sei, junge Menschen von weiteren Straftaten abzuhalten und ist dabei zugleich martialisch (Schuss) und verharmlosend (ein kleiner Warnschuss, bei dem nichts passiert – tatsächlich geht es um Freiheitsentzug von bis zu 4 Wochen). Daher wird die Bezeichnung „§ 16a-Arrest“ verwendet. 375 Überblick bei Höynck / Ernst, KJ 2014, 249 (251 ff.). Kreuzer bezeichnete diese Arrestform als „Ladenhüter unter den kriminalpolitischen Verschärfungsvorschlägen“ [Kreuzer, ZRP 2012, 101 (101)]. 376 Siehe z. B. Breymann / Sonnen, NStZ 2005, 669 (669 ff.); Kühn, ZIS 2010, 257 (257 ff.); Verrel / Käufl, NStZ 2008, 177 (181). Ausführliche Darstellung der Ausgangsdebatte bei Klatt / Ernst / Höynck / Baier / Treskow / Bliesener / Pfeiffer, Evaluation des neu eingeführten Jugendarrestes, 2016, S. 12 ff. sowie bei Höynck / Ernst, in: Redmann / Hußmann, 2015, 123 (126 ff.). 377 BGBl. 2012, Teil I, S. 1854. Der Titel des Gesetzes erweckt den Eindruck, es gehe darum, den Akteuren eine zusätzliche Handlungsmöglichkeit bereit zu stellen. 378 Zu den anderen Änderungen dieses Gesetzes Höynck / Ernst, Die Polizei 2015, 234 (236 f.).

72

2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests

strafe. Möglich ist die Verhängung eines Arrests nach § 16a JGG neben einer Jugendstrafe, deren Vollstreckung nach § 21 JGG zur Bewährung ausgesetzt wird, wenn die Entscheidung über die Verhängung der Jugendstrafe nach § 27 JGG zur Bewährung ausgesetzt wird oder wenn sich das Gericht nach dem neu eingeführten § 61 I JGG die Entscheidung über die Aussetzung der Jugendstrafe vorbehält. Die in der Debatte vorgebrachten Argumente spiegeln sich dabei teilweise in den verschiedenen Varianten des § 16a I JGG wider und führen zu einer gesetzlichen Einschränkung des Anwendungsbereichs. Danach kann der Jugendarrest angeordnet werden, wenn dies unter Berücksichtigung der Belehrung über die Bedeutung der Aussetzung zur Bewährung und unter Berücksichtigung der Möglichkeit von Weisungen und Auflagen geboten ist, um dem Jugendlichen seine Verantwortlichkeit für das begangene Unrecht und die Folgen weiterer Straftaten zu verdeutlichen (Nr. 1), dies geboten ist, um den Jugendlichen zunächst für eine begrenzte Zeit aus einem Lebensumfeld mit schädlichen Einflüssen herauszunehmen und durch die Behandlung im Vollzug des Jugendarrests auf die Bewährungszeit vorzubereiten (Nr. 2), oder dies geboten ist, um im Vollzug des Jugendarrests eine nachdrücklichere erzieherische Einwirkung auf den Jugendlichen zu erreichen oder um dadurch bessere Erfolgsaussichten für eine erzieherische Einwirkung in der Bewährungszeit zu schaffen (Nr. 3). Diese konkreten Voraussetzungen wurden ausweislich der Entwurfsbegründung aus „Gründen der verfassungsrechtlich gebotenen Bestimmtheit und Berechenbarkeit der Sanktion“379 normiert.

I. Zwischenfazit 2. Teil Bei der Betrachtung der historischen Entwicklung des Jugendarrests zeigte sich vor allem, dass die Frage nach dem Verhältnis zwischen Erziehung und Strafe in Bezug auf diese Sanktion in den letzten rund 100 Jahren immer wieder (neu) und im Zusammenhang mit den gerade herrschenden kriminalpolitischen Rahmenbedingungen diskutiert wurde. Die Frage zum Verhältnis zwischen Erziehung und Strafe durchzieht zwar das gesamte Jugendstrafrecht,380 zeigt sich aber beim Jugendarrest bis heute in besonderem Maße. Schon vor Inkrafttreten eines eigenständigen Jugendstrafrechts herrschte weitgehend Einigkeit darüber, dass kurze Freiheitsstrafen für Jugendliche wegen ihrer schädlichen Folgen abgeschafft werden müssten. Dies sollte durch die Einführung des Jugendarrests erreicht werden, wobei verschiedene Vorschläge zur konkreten Ausgestaltung, z. B. der Dauer, diskutiert wurden. Nachdem das JGG 1923 – ohne die Normierung von Jugendarrest – in Kraft getreten war, wurde in der Diskussion 379

BT-Drucks. 17/9389, 24.04.2012, S. 12. Schrapper bezeichnete das Verhältnis von Erziehung und Strafe im Jugendstrafrecht zutreffend als „Paradox, das nicht gelöst, aber praktisch gestaltet werden muss“ [Schrapper, in: Redmann / Hußmann, 2015, 15 (18)]. 380

I. Zwischenfazit 2. Teil

73

um die Einführung dieser Sanktion auch das Verhältnis von Erziehung und Strafe thematisiert. Vermehrt wurden dem damaligen Verständnis entsprechende erzieherische Aspekte des Jugendarrests betont und darüber diskutiert, den Jugendarrest in die Kategorie der Erziehungsmaßregeln aufzunehmen. Der Jugendarrest wurde dann in der Verordnung zur Durchführung der Verordnung zur Ergänzung des Jugendstrafrechts vom 28. November 1940 als Zuchtmittel charakterisiert und stand damit zwischen den Erziehungsmaßregeln und der Strafe. Diese Kategorisierung wurde in das RJGG 1944 übernommen und hat bis heute Bestand. Weiterhin erfolgte mit dem RJGG 1944 eine wesentliche Ausweitung des Anwendungsbereichs durch die Einführung der Verhängung von Jugendarrest bei schuldhafter Nichterfüllung von Pflichten (heute Auflagen) und Weisungen durch § 19 RJGG 1944. Da der Jugendarrest 1940 eingeführt wurde, wird teilweise kritisiert, dass der Jugendarrest eine „nationalsozialistische Erfindung“ sei381 und schon deshalb abgeschafft werden müsse. Diese Kritik am Jugendarrest ist insofern berechtigt, da der Jugendarrest in seiner damaligen Form von den Vorstellungen des Nationalsozialismus geprägt war382 und gut „zum Zeitgeist der den Strafcharakter betonenden Erziehungs- und Disziplinierungsbestrebungen“383 passte.384 Bei dieser Diskussion ist aber auch zu beachten, dass die Einführung dieser Sanktion, wie dargelegt, bereits vor der Zeit des Nationalsozialismus mit dem Ziel der Zurückdrängung kurzer Freiheitsstrafen und damit einer anderen Zielsetzung diskutiert wurde.385 Insofern

381

M. w. N. Eisenhardt, Gutachten über den Jugendarrest, 1989, S. 47 ff. sowie Scheffler, RdJB 1981, 451 (456 ff.). Mit dieser Begründung wurde der Arrest auch 1952 in der DDR abgeschafft, dazu ausführlich Vietze, Der Einstiegsarrest, 2004, S. 21. 382 So auch Bihs, Grundlegung, Bestandsaufnahme und pädagogische Weiterentwicklung des Jugendarrests, 2013, S. 208. Eisenhardt führt aus: Der Jugendarrest hat „in der nationalsozialistischen Zeit sein Gesicht erhalten“ (Gutachten über die Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit des Jugendarrests, 1974, S. 14) und die „Konzeption des Jugendarrests [spiegelt] eindeutig den Geist der nationalsozialistischen Zeit wieder“ (Gutachten über den Jugendarrest, 1989, S. 49). So auch Breymann / Sonnen: „Jugendarrest entspricht dem damals herrschenden Erziehungsverständnis und einer damals verbreiteten Meinung, dass es als Erziehungsreaktion nützlich sei, Kinder und Jugendliche u. a. auch einzusperren“ [Breymann / Sonnen, NStZ 2005, 669 (670)]. 383 Dünkel, ZfJ 1990, 425 (426). 384 Vermutlich auch gerade deshalb etablierte sich der Jugendarrest schnell im Sanktionsgefüge, Löffelsender, ZJJ 2017, 215 (217); Meyer-Höger, Der Jugendarrest, 1998, S. 89 f. Ebenso betonte Kümmerlein, dass die „Ausrichtung des neuen Jugendstrafrechts auf die Grundsätze nationalsozialistischer Jugenderziehung […] für die grundsätzliche Gestaltung, die Handhabung und den Erfolg des gesamten Jugendstrafrechts entscheidende Bedeutung“ (Kümmerlein, RJGG, 1944, Einleitung, S. 12) hat. 385 So auch Feltes, NStZ 1993, 105 (106). Daraus schließt Wulf, dass es sich nicht um eine nationalsozialistische Schöpfung handelt (Wulf, in: Meier / Rössner / Trüg / Wulf, JGG, 2.  Aufl. 2014, § 16, Rn. 6); so auch Riechert-Rother, Jugendarrest und ambulante Maßnahmen, 2008, S. 10.

74

2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests

handelt es sich nicht um eine Erfindung dieser Zeit, sondern der Jugendarrest ließ sich vielmehr „für die Bedürfnisse des Nationalsozialismus funktionalisier[en]“.386 In dem folgenden Gesetzgebungsverfahren zum Jugendstrafrecht wurden stets Änderungen des Jugendarrestsystems thematisiert: Im Gesetzgebungsverfahrens zum JGG 1953 wurden weitreichende gesetzliche Änderungen zum Jugendarrest, vor allem die uneingeschränkte Anfechtung von Dauerarresten sowie die Möglichkeit der Aussetzung des Jugendarrests zur Bewährung, diskutiert. Letztlich kam es aber nur zu verhältnismäßig geringen Änderungen. Zudem wurden, vor allem mit Inkrafttreten der JAVollzO 1966, verstärkt erzieherische Elemente im Vollzug387 betont, eine deutliche Änderung der ursprünglichen Konzeption des Arrests war damit allerdings nicht verbunden. Bereits kurze Zeit später wurde die Möglichkeit der Verhängung von Jugendarrest durch die Normierung eines besonderen Vollstreckungsverfahrens in § 98 OWiG 1968 erneut erweitert; so konnte Jugendarrest auch gegen Personen verhängt werden, die keine Straftat, sondern eine Ordnungswidrigkeit begangen hatten. Parallel zu den rechtlichen Entwicklungen wurde der Jugendarrest in den folgenden Jahren vermehrt grundsätzlich kritisiert und gefordert, den Anwendungsbereich des Jugendarrests einzuschränken oder den Jugendarrest sogar abzuschaffen und durch ambulante Sanktionen zu ersetzen. Wesentliche Argumente in dieser Debatte waren die hohe Rückfallquote nach Verbüßung von Jugendarrest und Erkenntnisse aus der Kriminologie. Diese Kritik wurde auch vom Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren zum 1. JGGÄndG aufgegriffen, führte aber im Ergebnis nur zu kleineren Änderungen, wie z. B. der Beschränkung des Freizeitarrests auf 2 statt 4 Freizeiten, statt der vielfach geforderten Abschaffung des Freizeitarrests.388 Die vorgeschlagenen, weitreichenden Änderungen des Jugendarrestsystems (z. B. die uneingeschränkte Anfechtbarkeit von Dauerarresten, die Aussetzung des Jugendarrests zur Bewährung, die Reduzierung der Höchstdauer auf 2 Wochen), die wohl zu einer Reduzierung der Verhängungen und Vollstreckungen geführt hätten, wurden lediglich angesprochen, deren Umsetzung wurde aber erst für einen späteren Zeitpunkt angekündigt. Obwohl die kritischen Punkte des Jugendarrestsystems dem Gesetzgeber folglich bekannt waren, wurde der An-

386

Feltes, NStZ 1993, 105 (106). Hinsichtlich des Arrestvollzuges wurde insgesamt deutlich, dass „Erziehungselemente“ eine immer größere Rolle spielten: Insbesondere wurden die „strengen Tage“ und das „harte Lager“ gestrichen und zudem normiert, dass der Vollzug des Jugendarrests erzieherisch gestaltet werden muss und dem Jugendlichen helfen soll, die Schwierigkeiten zu bewältigen, die zur Begehung der Straftat beigetragen haben, § 90 I Satz 2, 3 JGG. 388 Allerdings wurden die Normen im JGG sowie in den Landesarrestvollzugsgesetzen um „Erziehungs-Elemente“ erweitert, z. B. § 16 III JGG. Dazu führte Feltes aus: „Es ist erstaunlich, wie unbeeinflußt der Jugendarrest im Umfang seiner Verhängung und in seiner Ausgestaltung von den jugendstrafrechtlichen Entwicklungen der letzten 30 Jahre geblieben ist“ [Feltes, ZStW 1988, 158 (173)]. 387

I. Zwischenfazit 2. Teil

75

wendungsbereich durch die Einführung des Jugendarrests neben zur Bewährung ausgesetzter Jugendstrafe zuletzt erweitert. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der aktuelle § 16 JGG weitgehend dem § 8 RJGG 1944 entspricht (Abbildung 1) und der Anwendungsbereich des Jugendarrests mehrfach – mit verschiedenen Begründungen und Vorstellungen – durch Einführung von Jugendarrest nach schuldhafter Nichterfüllung von Weisungen und Auflagen, durch § 98 II OWiG sowie durch den Jugendarrest neben zur Bewährung ausgesetzter Jugendstrafe erweitert wurde. Diese Erweiterung des Anwendungsbereichs war mit verschiedenen Zielsetzungen verbunden. In diesem Sinne bezeichnete auch Sommer den Jugendarrest zutreffend als Instrument, das sich „hervorragend eignet, die verschiedenen Straf-, Sühne-, Präventions- und Erziehungsvorstellungen zu transportieren“.389 Es dürfte außer Frage stehen, dass es höchst problematisch ist, den Anwendungsbereich einer (zumindest in Bezug auf die Vollstreckung und den Vollzug immer ähnlich ausgestalteten) Sanktion mit unterschiedlichen Begründungen und für andere Zwecke auszuweiten. Auch Frehsee wies schon 1990 beim Jugendarrest auf ein „rechtsstaatliches Unbehagen [hin], wenn vom Gesetzgeber mit einer bestimmten Gestalt ausgestattete Institute je nach Zeitgeschmack mit einer ganz anderen Zielrichtung gewendet werden“.390

389 Sommer, KrimJ 1990, 225 (226). Ähnlich erläuterte Eisenhardt in seinem frühen Gutachten, dass „die gesamte Konzeption des Jugendarrests voller Widersprüche steckt, die nicht mehr eindeutig analysierbar sind“ (Gutachten über die Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit des Jugendarrests, 1974, S. 159). 390 Frehsee, in: DVJJ, 1990, 314 (322). So auch Dölling, in: Dölling, 2001, 181 (190); Schaffstein, in: Hirsch, 1986, 393 (393). Eisenberg führte dazu aus, dass diese Erweiterung des Anwendungsbereichs in der „ursprünglichen Konzeption“ (JGG, 20. Aufl. 2018, § 16, Rn. 23) von Jugendarrest nicht vorgesehen war.

76

2. Teil: Historische Entwicklung des Jugendarrests Reichsjugendgerichtsgesetz 1944

Jugendgerichtsgesetz 2017

§ 7 Arten und Anwendung

§ 13 Arten und Anwendung

(1) Der Richter ahndet die Straftat mit Zuchtmitteln, wenn Jugendgefängnis nicht geboten ist, dem Jugendlichen aber eindringlich zum Bewußtsein gebracht werden muß, daß er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. (2) Zuchtmittel sind: 1. der Jugendarrest, 2. die Auferlegung besonderer Pflichten, 3. die Verwarnung. (3) Zuchtmittel haben nicht die Rechtswirkungen einer Strafe; sie werden nicht in das Strafregister eingetragen und begründen nicht die Anwendung von strafrechtlichen Rückfallvorschriften.

(1) Der Richter ahndet die Straftat mit Zuchtmitteln, wenn Jugendstrafe nicht geboten ist, dem Jugendlichen aber eindringlich zum Bewußtsein gebracht werden muß, daß er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. (2) Zuchtmittel sind 1. die Verwarnung, 2. die Erteilung von Auflagen, 3. der Jugendarrest. (3) Zuchtmittel haben nicht die Rechtswirkungen einer Strafe.

§ 8 Jugendarrest*

§ 16 Jugendarrest

(1) Der Jugendarrest ist Dauerarrest, Freizeitarrest oder Kurzarrest.

(1) Der Jugendarrest ist Freizeitarrest, Kurzarrest oder Dauerarrest.

(3) Der Freizeitarrest wird für die allwöchentliche Freizeit des Jugendlichen verhängt und auf mindestens eine Freizeit und höchstens vier Freizeiten bemessen.

(2) Der Freizeitarrest wird für die wöchentliche Freizeit des Jugendlichen verhängt und auf eine oder zwei Freizeiten bemessen.

(4) Der Kurzarrest wird aus besonderen Gründen, namentlich wenn die sofortige Vollstreckung notwendig ist, statt des Freizeitarrestes verhängt; er beträgt mindestens einen Tag und höchstens sechs Tage und wird nach vollen Tagen bemessen.

(3) Der Kurzarrest wird statt des Freizeitarrestes verhängt, wenn der zusammenhängende Vollzug aus Gründen der Erziehung zweckmäßig erscheint und weder die Ausbildung noch die Arbeit des Jugendlichen beeinträchtigt werden. Dabei stehen zwei Tage Kurzarrest einer Freizeit gleich.

(2) Der Dauerarrest beträgt mindestens eine Woche und höchstens vier Wochen. Er wird nach vollen Tagen oder Wochen bemessen.

(4) Der Dauerarrest beträgt mindestens eine Woche und höchstens vier Wochen. Er wird nach vollen Tagen oder Wochen bemessen.

(5) Einmaliger Kurzarrest bis zu drei Tagen und Freizeitarrest können nebeneinander verhängt werden. * Die Reihenfolge der Absätze wurde in der Darstellung zur besseren Vergleichbarkeit teilweise geändert.

Abbildung 1: Normen zum Jugendarrest

3. Teil

Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest Im Folgenden wird über die aktuellen rechtlichen Grundlagen und die dazu geführten Diskussionen referiert. Kapitel A. gibt einen Überblick über das Sanktionensystem des JGG. Kapitel B. widmet sich dem Jugendarrest nach § 16 JGG und Kapitel C. dem Jugendarrest nach § 16a JGG. In Kapitel D. wird der Nichtbefolgungsarrest und in Kapitel E. der Arrest nach § 98 OWiG vorgestellt. Kapitel F. befasst sich mit möglichen Rechtsmitteln gegen Entscheidungen zum Jugendarrest. In Kapitel G. werden die rechtlichen Grundlagen zum Arrestvollzug behandelt; Kapitel H. widmet sich den Registereinträgen. Das abschließende Kapitel I. fasst die Ergebnisse in einem Zwischenfazit zusammen. Da der Fokus der Arbeit auf einfachgesetzlichen, nationalen Normen und deren Anwendung liegt, werden bei der folgenden Darstellung verfassungsrechtliche und internationale Grundlagen,1 die teilweise einen Bezug zum Jugendstrafrecht und zum Jugendarrest aufweisen, ausgeklammert.

A. Der Jugendarrest im Sanktionssystem Das Jugendgerichtsgesetz findet gemäß § 1 I JGG Anwendung bei Jugendlichen und Heranwachsenden. Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat 14, aber noch nicht 18, Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat 18, aber noch nicht 21 Jahre alt ist, § 1 II JGG. Das JGG enthält Sonderregelungen für das Strafverfahren sowie spezielle Rechtsfolgen. Normiert sind 3 Sanktionsformen für Jugendliche und – unter den Voraussetzungen des § 105 I JGG auch für – Heranwachsende:2 Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel und Jugendstrafe, wobei in § 5 JGG eine Art „Sanktionsskala“

1

Einzelne aktuell besonders relevante Aspekte werden an entsprechenden Stellen in dieser Arbeit angerissen; zu europarechtlichen Vorgaben siehe insbesondere 3. Teil, Kapitel F. und 8. Teil. Zum Bestimmtheitsgebot siehe Zwischenfazit 3. Teil, Kapitel I. Zu den Europäischen Grundsätze für die von Sanktionen und Maßnahmen betroffenen jugendlichen Straftäterinnern und Straftäter (ERJOSSM) (Rec(2008)11) siehe weiterführend Dünkel, RdJB 2014, 294 (294 ff.); Kühl, Die gesetzliche Reform des Jugendstrafvollzugs, 2012, S. 28 ff.; dazu auch Knauer, in: DVJJ, 2019, 201 (208). 2 Die gesamten Ausführungen gelten – soweit nicht anders gekennzeichnet – auch für Heranwachsende, sofern Jugendstrafrecht angewendet wird. Außerdem ist zu beachten, dass die Personen bei Verurteilung auch schon Erwachsene sein können, da es für die Anwendung von Jugendstrafrecht gemäß § 1 II JGG auf das Alter zum Zeitpunkt der Tat ankommt.

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3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

definiert ist, die als Orientierung dienen kann.3 Danach werden aus Anlass der Straftat eines Jugendlichen Erziehungsmaßregeln angeordnet, § 5 I JGG. Wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen, werden nach § 5 II JGG Zuchtmittel oder Jugendstrafe verhängt.4 § 13 I JGG normiert, dass Zuchtmittel dann verhängt werden, wenn Jugendstrafe nicht geboten ist, dem Jugendlichen aber eindringlich zum Bewusstsein gebracht werden muss, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat, § 13 I JGG.5 Der Jugendarrest ist gemäß § 13 II JGG neben der Verwarnung (Nr. 1) und der Erteilung von Auflagen (Nr. 2) ein Zuchtmittel,6 wobei Jugendarrest nach § 16 JGG als eigenständige Sanktion, ggf. in Verbindung mit Maßnahmen nach § 8 I JGG, oder neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe nach § 16a JGG im Urteil verhängt werden kann. Darüber hinaus kann ein Jugendarrest bei schuldhafter Nichterfüllung von Weisungen oder Auflagen, §§ 11 III Satz 1, 15 III Satz 2 JGG und bei Nichterfüllung von Bewährungsweisungen oder -auflagen, §§ 23 I 4, 29 2, 88 VI Satz 1 JGG, verhängt werden. Zudem kann ein Jugendarrest auch nach § 98 II OWiG im Vollstreckungsverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende (§ 98 IV OWiG) angeordnet werden. Nachfolgend werden die Arrestformen und deren gesetzlichen Grundlagen genauer dargestellt.

B. Jugendarrest nach § 16 JGG Zunächst wird der Anwendungsbereich des § 16 JGG erläutert. Anschließend wird auf Art und Bemessung der Dauer des Jugendarrests sowie die Vollstreckung eingegangen. Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung.

3

Dazu führte Schwegler völlig zutreffend aus, dass für „die Abgrenzung der Sanktionen Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel und Jugendstrafe […] keine feste Regel [existiert]; die Formulierungen des § 5 JGG beinhalten lediglich eine gewisse Orientierung“ (Schwegler, Dauerarrest als Erziehungsmittel, 1999, S. 61 f.). Hellmer ging der Frage der „Auswahl und der Zumessung der Rechtsfolgen“ (Hellmer, Erziehung und Strafe, 1957, S. 167) im Jugendstrafrecht nach und kam zu dem Ergebnis, dass Erziehungsmaßregeln Reaktionsmittel „auf die Kriminalität von leichtester und leichterer Art“ (a. a. O., S. 235) und Zuchtmittel auf „mittelschwere Kriminalität“ (a. a. O., S. 236) seien. Was mittelschwere Kriminalität ist, orientiere sich „an der sozialethischen Bewertung der Handlungen, die das allgemeine Strafrecht vorgenommen hat und die in den dort festgelegten gesetzlichen Strafrahmen zum Ausdruck kommt“ (a. a. O., S. 237). Diese Ausführungen scheinen allerdings wenig konkreter als die Normen des JGG. 4 Wie sich dieser Ausschluss von Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln mit der Möglichkeit der Verbindung dieser beiden Sanktionsformen nach § 8 I Satz 1 JGG vereinbaren lässt, ist zu diskutieren, kann im Rahmen dieser Arbeit aber nicht weiter betrachtet werden. 5 Ähnlich normiert § 90 I JGG, dass der Vollzug des Jugendarrests das Ehrgefühl des Jugendlichen wecken und ihm eindringlich zu Bewusstsein bringen soll, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. 6 Zur dogmatischen Einordnung des Jugendarrests als Zuchtmittel siehe Schwegler, Dauerarrest als Erziehungsmittel, 1999, S. 41 ff.

B. Jugendarrest nach § 16 JGG

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I. Anwendungsbereich des § 16 JGG Der Jugendarrest ist wie dargelegt eine Sanktion aus der Kategorie der Zuchtmittel. Über den oben genannten allgemeinen Anwendungsbereich von Zuchtmitteln nach § 13 JGG hinaus definiert das JGG keine Voraussetzungen für die Verhängung eines Jugendarrests. Im Folgenden wird der Anwendungsbereich nach verschiedenen in Literatur und Rechtsprechung7 genannten Kriterien erläutert. 1. Täterbezogene Kriterien Ursprünglich war der Jugendarrest nach den Richtlinien zum RJGG 1944 (wie im 2. Teil, Kapitel C. II. dargelegt) als Sanktion für nicht gefährdete, „gutgeartete“ Jugendliche vorgesehen. Zudem sollte Jugendarrest geeignet sein bei „nicht allzu schwere[n] Verfehlungen gutgearteter Jugendlicher, die […] während des Arrestes noch erzieherisch beeinflußt werden können“ (Nr. 1) und die in der Lage sind, den Sinn des Jugendarrests zu begreifen (Nr. 2). Diese Beschreibung wurde in der Neufassung der Richtlinien gestrichen. Dennoch wird teilweise noch mit dem klar auf die Richtlinien bezogenen Merkmal der „Arrestgeeignetheit“8 argumentiert, wenn z. B. ausgeführt wird, dass Jugendarrest bei „Arrestuntauglichen […], insbes. bei schon kriminell verhärteten Tätern […], bei bereits verwahrlosten und geistig erheblich zurückgebliebenen“9 Jugendlichen, sinnlos sei. Diesbezüglich wird kritisiert, dass es zur Bestimmung dieser sogenannten Geeignetheit „an methodisch verlässlichen Möglichkeiten der Definition, Abgrenzung und Erhebung“10 fehlt.11

7

Hierzu ist anzumerken, dass die Verhängung von Jugendarrest, insbesondere wegen der Rechtsmittelbeschränkung des § 55 JGG, nur selten Gegenstand von Rechtsmittelentscheidungen ist, siehe 3. Teil, Kapitel F. 8 Siehe Schwegler, Dauerarrest als Erziehungsmittel, 1999, S. 76 ff. m. w. N. Streng definiert „Arrestungeeignete“ als „Jugendliche mit erheblichen Sozialisationsdefiziten bzw. nach bereits erlebtem strafrechtlichen Freiheitsentzug“ (Streng, Jugendstrafrecht, 2016, S. 199). Der Begriff der Arrestgeeignetheit wurde in den Richtlinien nicht verwendet, sondern lediglich umschrieben. Kritisch dazu Hoffmann-Holland, in: Stein / Greco / Jäger / Wolter, 2018, 85 (90). 9 Brunner / Dölling, JGG, 13. Aufl. 2018, § 16, Rn. 16. 10 Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 16, Rn. 21. 11 Dennoch wurden die Probanden in verschiedenen Untersuchungen (siehe z. B. Schwegler, Dauerarrest als Erziehungsmittel, 1999, S. 250 ff.) anhand von Kriterien wie „kriminelle Vorbelastung“ oder „persönliche und soziale Merkmale“ in „Arrestgeeignete“ und „Arrestungeeignete“ unterteilt.

80

3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

2. Tatbezogene Kriterien In der Literatur finden sich teilweise auch Beschreibungen tatbezogener Kriterien, wobei sich diese überwiegend allgemein auf die Tatschwere beziehen. Dies ist insofern interessant, als Tatschwere im JGG eigentlich allenfalls im Sinne der Verhältnismäßigkeit ein eingriffsbeschränkendes Kriterium sein darf.12 Ostendorf formuliert, dass Jugendarrest als Freiheitsentzug „mit Rücksicht auf das Verhältnismäßigkeitsgebot zunächst bei leichter Kriminalität“13 ausscheidet. Brunner und Dölling postulieren, dass die Verhängung von Jugendarrest „für leichte Verfehlungen nicht erforderlich, für schwere zumeist nicht ausreichend“14 ist. Ähnlich führt Meyer-Höger aus, dass Jugendarrest „weder bei leichten Delikten – mit Ausnahme hartnäckiger Wiederholungsdelikte – noch bei gravierenden, eine Jugendstrafe erfordernden Delikten in Betracht“15 kommt und auch Hellmer geht allgemein von Zuchtmitteln als Reaktion auf „mittelschwere Kriminalität“16 aus. Anders hatte noch Peters kurz nach Einführung des Jugendarrests formuliert, dass dieser ein „Kampfmittel gegen die leichtere und mittlere Kriminalität der Jugendlichen darstellt“.17 Jung bezog sich nicht auf die Schwere der Tat, sondern stellte eine Verbindung zwischen Tat und Täter her: „Einerseits sollte die Tat auf die Notwendigkeit schließen lassen, dem Entstehen einer Entwicklungsschädigung entgegenwirken zu müssen. Andererseits sollte der Arrest geeignet, aber auch ausreichend sein, um auf den Jugendlichen im Sinne einer Veränderung seines Verhaltens einzuwirken“.18 Diese sogenannte „Jung’sche Formel“ bezeichnet Radtke zutreffend als „hilfreich […], aber dennoch vage“.19

12

Deutlicher formuliert Ostendorf: „Weder die Erziehungsmaßregeln noch die Zuchtmittel lassen im Hinblick auf die gesetzliche Zieldefinition noch inhaltlich das Nebenziel eines Schuldausgleichs zu“ (Ostendorf, Jugendstrafrecht, 2015, S. 58). 13 Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 16, Rn. 5. Ähnlich schon Schaffstein (Jugendstrafrecht, 1959, S. 95): „Jugendarrest ist nicht erforderlich bei ganz leichten Verfehlungen“. 14 Brunner / Dölling, JGG, 13. Aufl. 2018, § 16, Rn. 14. 15 Meyer-Höger, in: Redmann / Hußmann, 2015, 83 (83). 16 Hellmer, Erziehung und Strafe, 1957, S. 236. 17 Peters, ZStW 1941, 551 (552). 18 Jung, JZ 1978, 621 (625). 19 Radtke, in: Meier, 2010, 223 (229). Die Bezeichnung „Jung’sche Formel“ wird soweit ersichtlich zuerst von Brunner und Dölling (JGG, 11. Aufl. 2002, § 16, Rn. 10) verwendet; durch das angegebene Schrifttum konnte nachvollzogen werden, dass sich Brunner / Dölling auf einen Aufsatz von Jung [JZ 1978, 621 (621 ff.)] beziehen, in welchem er entsprechende Ausführungen macht (a. a. O., S. 625).

B. Jugendarrest nach § 16 JGG

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3. Ausschlussgründe Teilweise wird darauf verwiesen, dass die Voraussetzungen für die Verhängung eines Jugendarrests nur negativ formuliert werden können,20 weshalb manche Auto­ ren Ausschlussgründe für die Verhängung eines Jugendarrests benennen. Von Jugendarrest sei demnach z. B. Abstand zu nehmen bei „Einzelgängern, sensiblen und leicht verletzbaren Jugendlichen, bei geistig Zurückgebliebenen“21 sowie bei drogenabhängigen Jugendlichen.22 Dies gelte auch für Jugendliche, die bereits eine Hilfe zur Erziehung nach § 12 Nr. 2 JGG in Anspruch genommen haben oder die im Jugend- oder Erwachsenenstrafvollzug waren.23 Jugendarrest soll außerdem ausgeschlossen sein, wenn die „Straftaten ihre Ursachen in erheblichen persönlichen, familiären oder sozialen Desintegrationslagen finden und deshalb einer intensiveren erzieherischen Einwirkung bedürfen“.24 Zudem wird zum Teil angenommen, dass die wiederholte Verhängung von Jugendarrest problematisch ist.25 Die genannten Ausschlussgründe entsprechen teilweise den o. g. alten Richtlinien zu § 16 JGG: Danach war Jugendarrest z. B. nicht geeignet für verwahrloste oder geistig zurückgebliebene Jugendliche (Nr. 2), die wiederholte Verhängung von Jugendarrest musste sorgfältig geprüft werden (Nr. 4).

II. Art und Bemessung der Dauer des Jugendarrests Der Jugendarrest kann nach § 16 I JGG als Freizeit-, Kurz- oder Dauerarrest verhängt werden. Der Dauerarrest beträgt mindestens eine Woche und höchstens 4 Wochen und wird nach vollen Tagen oder Wochen bemessen, § 16 IV JGG. Der Freizeitarrest wird für die wöchentliche Freizeit des Jugendlichen verhängt26 und auf eine oder 2 Freizeiten bemessen, § 16 II JGG. Gemäß § 16 III JGG wird statt des Freizeitarrests Kurzarrest verhängt, wenn der zusammenhängende Vollzug aus Gründen der Erziehung zweckmäßig erscheint und weder die Ausbildung noch 20

Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 16, Rn. 5; Radtke, ZStW 2009, 416 (433). Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 16, Rn. 8. 22 Brunner / Dölling, JGG, 13. Aufl. 2018, § 16, Rn. 29. 23 Brunner / Dölling, JGG, 13. Aufl. 2018, § 16, Rn. 16; Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 16, Rn. 14; Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 16, Rn. 6. 24 Radtke, in: Meier, 2010, 223 (228). 25 So (teilweise nur in Bezug auf den Dauerarrest) z. B. Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 16, Rn. 3; Streng, Jugendstrafrecht, 2016, S. 199. Ähnlich auch Schaffstein (Jugendstrafrecht, 1959, S. 96): „nur in Ausnahmefällen“. 26 Siehe dazu Nr. 1, Sätze 1–3 der aktuellen Richtlinie zu § 16 JGG: Wöchentliche Freizeit ist die Zeit von der Beendigung der Arbeit am Ende der Woche bis zum Beginn der Arbeit in der nächsten Woche. Bei Jugendlichen, die an Sonntagen beschäftigt werden, tritt an die Stelle dieser Freizeit die entsprechende Freizeit während der Woche. Der Freizeitarrest kann auch an einem Feiertag vollstreckt werden, jedoch nicht über die regelmäßige Dauer der wöchentlichen Freizeit hinaus. 21

82

3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

die Arbeit des Jugendlichen beeinträchtigt werden, wobei 2 Tage Kurzarrest einer Freizeit gleichstehen. Das Jugendgerichtsgesetz enthält keine Vorgaben zur Auswahl einer Arrestform und auch nicht zur Bemessung der konkreten Dauer im Einzelfall; nur die Abgrenzung zwischen Kurz- und Freizeitarrest ist in § 16 III Satz 1 JGG normiert. Soweit in der Literatur überhaupt Erwägungen zur Bemessung angestellt werden, beziehen sich diese regelmäßig auf die bereits erläuterten täter- und / oder tatbezogenen Kriterien (siehe Kapitel B. I. 1. und I. 2.), die im Sinne der Ahndungsfunktion nach § 13 JGG die Tatproportionalität in den Vordergrund stellen. Darüber hinaus differenziert Dölling bei den Arrestformen und formuliert, dass Dauerarrest bei „kriminell erheblich gefährdete[n] Täter[n]“ und „entsprechender Deliktschwere“ angezeigt ist, „da die Zeit im Freizeit- oder Kurzarrest für eine erfolgversprechende sozialpädagogische Einwirkung auf den Täter nicht ausreichen wird“.27 Eisenberg führt aus, dass „Freizeit- und Kurzarrest […] am ehesten bei fahrlässigen Vergehen und geringfügigeren vorsätzlichen Vergehen mit vergleichsweise geringer Schuld angezeigt sein [werden], während Dauerarrest eher für mittelschwere Straftaten zur Anwendung kommen wird“.28 Außerdem sollte nur in Ausnahmefällen das Höchstmaß verhängt werden.29 Sonnen erläutert, dass sich die Dauer „nach spezialpräventiven Aspekten“ richtet, wofür zum einen die „Problemsituation des Verurteilten“ und zum anderen „die konkreten Möglichkeiten in der jeweiligen Arrestanstalt zu berücksichtigen“30 sind.

III. Vollstreckung von Arrest nach § 16 JGG Die Vollstreckung des Jugendarrests ist normiert in §§ 86, 87 JGG: Zunächst kann Freizeitarrest nach § 86 JGG vom Vollstreckungsleiter in Kurzarrest umgewandelt werden, wenn die Voraussetzungen des § 16 III JGG nachträglich eingetreten sind, also der zusammenhängende Vollzug aus Gründen der Erziehung zweckmäßig erscheint und weder die Ausbildung noch die Arbeit des Jugendlichen beeinträchtigt werden. § 87 I JGG normiert, dass die Vollstreckung des Jugendarrests nicht zur Bewährung ausgesetzt wird, und § 87 II JGG regelt die Anrechnung von Untersuchungshaft auf Jugendarrest. Möglich ist nach § 87 III JGG außerdem das Absehen oder teilweise Absehen von der Vollstreckung des Jugendarrests aus verschiedenen erzieherischen Gründen. Gemäß § 87 III Satz 1 JGG sieht der Vollstreckungsleiter von der Vollstreckung des Jugendarrests ganz oder, wenn der Jugendarrest bereits teilweise verbüßt ist, von der Vollstreckung des Rests ab, wenn seit Erlass des Urteils Umstände her 27

Dölling, ZJJ 2014, 92 (93). Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 16, Rn. 30. 29 Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 16, Rn. 33. 30 Sonnen, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 16, Rn. 23. 28

B. Jugendarrest nach § 16 JGG

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vorgetreten sind, die allein oder in Verbindung mit den bereits bekannten Umständen ein Absehen von der Vollstreckung aus Gründen der Erziehung rechtfertigen. Der Vollstreckungsleiter sieht nach Satz 2 von der Vollstreckung ganz ab, wenn seit Eintritt der Rechtskraft 6 Monate verstrichen sind und wenn dies aus Gründen der Erziehung geboten ist. Weiter kann von der Vollstreckung des Jugendarrests ganz abgesehen werden, wenn zu erwarten ist, dass der Jugendarrest neben einer Strafe, die gegen den Verurteilten wegen einer anderen Tat verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, seinen erzieherischen Zweck nicht mehr erfüllen wird, § 87 III Satz 3 JGG. Außerdem ist die Vollstreckung des Jugendarrests nach § 16 JGG unzulässig, wenn seit Eintritt der Rechtskraft ein Jahr vergangen ist, § 87 IV Satz 1 JGG, was bedeutet, dass der gesamte Arrest innerhalb dieser Frist vollstreckt sein muss. Ferner kann der Richter im Urteil aussprechen, dass Jugendarrest (teilweise) nicht vollstreckt wird, wenn dessen Zweck durch Untersuchungshaft oder eine andere wegen der Tat erlittene Freiheitsentziehung ganz oder teilweise erreicht ist, § 52 JGG.

IV. Zusammenfassung Es wurde deutlich, dass das JGG den Anwendungsbereich des Jugendarrests nicht näher bestimmt und die §§ 5, 13 JGG die Abgrenzung zu Erziehungsmaßregeln, anderen Zuchtmitteln oder Jugendstrafe nur vage beschreiben.31 Dies ist bei jugendstrafrechtlichen Sanktionen zwar regelmäßig der Fall, allerdings werden in Bezug auf andere freiheitsentziehende Sanktionen oder Maßregeln zumindest Voraussetzungen, wie z. B. die „Schwere der Schuld“ oder „schädliche Neigungen“ bei der Jugendstrafe oder die in § 7 II JGG genannten Voraussetzungen für die Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung, genannt. Daher wird kritisiert, dass sich die „Anwendungs- und Bemessungsvoraussetzungen […] mangels gesetzlicher Vorgaben kaum weiter präzisieren“32 lassen und es „schwierig bis unmöglich“ ist, den „positiven Anwendungsbereich des Jugendarrestes abstrakt nach bestimmten Kriterien festzulegen“.33 Diese Unbestimmtheit herrscht durch-

31 Ähnlich verweist auch Möller darauf, dass die Jugendrichter „von den gesetzlichen Voraussetzungen her […] ziemlich im Stich gelassen“ [Möller, in: DVJJ, 1981, 311 (312)] werden. Denn: „Unter welchen Voraussetzungen […] im konkreten Fall statt der anderen möglichen Zuchtmittel oder der ferner möglichen sonstigen Erziehungsmaßnahmen gerade Jugendarrest auszuwählen ist, sagt das Gesetz nicht“ [Möller, in: DVJJ, 1981, 311 (312)]. Brodkorb spricht sich explizit gegen die schematische Verhängung von Jugendarrest aus und bezeichnet die Frage der Anwendbarkeit als „Frage des Einzelfalls“ (Brodkorb, Verfassungsrechtliche Grenzen, Teil 2, 1998, S. 827, 831). 32 Petersen, Sanktionsmaßstäbe im Jugendstrafrecht, 2008, S. 171. So auch Roos: „Der Jugendarrest ist im JGG ausgesprochen rudimentär kodifiziert“ [Roos, FS 2011, 100 (100)]. Zu diesem Ergebnis kommt auch Wolf, Strafe und Erziehung, 1984, S. 231 f. 33 Wulf, in: Meier / Rössner / Trüg / Wulf, JGG, 2. Aufl. 2014, § 16, Rn. 14.

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3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

aus im gesamten Jugendstrafrecht, ist allerdings beim Jugendarrest besonders präsent, da er als Freiheitsentzug „ein[en] schwerwiegende[n] Grundrechtseingriff“34 darstellt. In der Literatur wird versucht, den Anwendungsbereich dieser Sanktion näher zu beschreiben, wobei die Parallelen zu den dargestellten Richtlinien deutlich wurden. Hinsichtlich der Vollstreckung bestehen mehrere Möglichkeiten, die insgesamt eine hohe Flexibilität im Verfahren ermöglichen und damit dem Erziehungsgedanken insofern Rechnung tragen, als immer wieder geprüft werden kann, ob die Vollstreckung des Jugendarrests erforderlich ist.35

C. Jugendarrest nach § 16a JGG Durch das Gesetz zur Erweiterung jugendgerichtlicher Handlungsmöglichkeiten vom 4. September 201236 ist § 16a JGG zum 7. März 2013 in Kraft getreten (siehe 2. Teil, Kapitel H. IV.). Möglich ist seitdem die Verbindung von Jugendarrest mit einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe – das sogenannte Kopplungsverbot des § 8 II Satz 1 JGG a. F.37 wurde aufgehoben.38 In den folgenden Unterkapiteln werden der Anwendungsbereich des § 16a JGG sowie die Voraussetzungen genauer betrachtet.

I. Anwendungsbereich § 16a JGG gehört ebenfalls zur Kategorie der Zuchtmittel und ermöglicht die Verhängung von Jugendarrest in Kombination mit verschiedenen Varianten der Bewährungsstrafe. Möglich ist die Verhängung des Arrests neben einer nach § 21 JGG zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe. Gemäß § 16a I Satz 3 JGG setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe von nicht mehr als einem Jahr auch dann zur Bewährung aus, wenn die günstige Prognose erst dadurch begründet wird, dass neben der Jugendstrafe ein Arrest nach § 16a JGG verhängt wird. Außerdem kann ein § 16a-Arrest auch verhängt werden, wenn gemäß § 27 JGG nach Erschöpfung der Ermittlungsmöglichkeiten das Vorliegen „schädlicher Neigungen“ in Betracht 34

Niehaus, NRV-Info 2012, 23 (23). Siehe dazu auch BT-Drucks. 11/5829, 27.11.1989, S. 35. 36 BGBl. 2012, Teil I, S. 1854; BT-Drucks. 17/9389, 24.04.2012. 37 § 8 II Satz 1 JGG a. F. enthielt das Verbot, neben einer Jugendstrafe einen Jugendarrest zu verhängen. Dies wurde vom Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 09.01.1963 – 4 StR 443/62 = NJW 1963, 770) und vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss vom 09.12.2004 – 2 BvR 930/04 = NJW 2005, 2140) bestätigt. 38 Außerdem wurde durch das Gesetz die Höchststrafe für Mord bei besonderer Schwere der Schuld für Heranwachsende von 10 auf 15 Jahre erhöht und eine gesetzliche Grundlage für die sogenannte Vorbewährung in den §§ 61 bis 61b JGG geschaffen. 35

C. Jugendarrest nach § 16a JGG

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kommt, der Umfang und damit die Erforderlichkeit einer Jugendstrafe aber noch unklar ist. Außerdem kann sich das Gericht im Rahmen der neu eingeführten sogenannten Vorbewährung die Entscheidung über die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung ausdrücklich vorbehalten und nachträglich entscheiden, § 61 I, III JGG. Dies betrifft den Fall, dass zum Urteilszeitpunkt zwar umfassende Ermittlungen erfolgt sind, diese aber noch zu keiner günstigen Legalprognose im Sinne von § 21 JGG geführt haben. Nach § 61 I Nr. 2 JGG muss aber die Aussicht bestehen, dass eine günstige Legalprognose zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen kann. § 61 II JGG regelt die Fälle, in denen die Ermittlungsmöglichkeiten noch nicht erschöpft sind. Wird der Vorbehalt ausgesprochen, kann gemäß § 61 III Satz 1 JGG daneben ein Arrest nach § 16a JGG verhängt werden. Die Arrestformen richten sich – auch wenn dies nicht ausdrücklich normiert ist – nach § 16 JGG, sodass der Jugendarrest als Kurz-, Freizeit- oder Dauerarrest verhängt werden kann. Auch bei Dauer und Bemessung des Jugendarrests kann auf die Ausführungen zu § 16 JGG (Kapitel B. II.) verwiesen werden.

II. Voraussetzungen Im § 16a JGG wurden aus „Gründen der verfassungsrechtlich gebotenen Bestimmtheit und Berechenbarkeit der Sanktion […] die konkreten Voraussetzungen eines Jugendarrestes neben Jugendstrafe festgelegt“.39 Daher sind in § 16a I JGG über § 16 JGG hinausgehende spezifische Voraussetzungen für den Jugendarrest neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe normiert. Ein Jugendarrest nach § 16a JGG kann demnach nur verhängt werden, wenn 1. dies unter Berücksichtigung der Belehrung über die Bedeutung der Aussetzung zur Bewährung und unter Berücksichtigung der Möglichkeit von Weisungen und Auflagen geboten ist, um dem Jugendlichen seine Verantwortlichkeit für das begangene Unrecht und die Folgen weiterer Straftaten zu verdeutlichen (Nr. 1), 2. dies geboten ist, um den Jugendlichen zunächst für eine begrenzte Zeit aus einem Lebensumfeld mit schädlichen Einflüssen herauszunehmen und durch die Behandlung im Vollzug des Jugendarrests auf die Bewährungszeit vorzubereiten (Nr. 2) oder 3. dies geboten ist, um im Vollzug des Jugendarrests eine nachdrücklichere erzieherische Einwirkung auf den Jugendlichen zu erreichen oder um dadurch bessere Erfolgsaussichten für eine erzieherische Einwirkung in der Bewährungszeit zu schaffen (Nr. 3). Nach § 16a II JGG ist Jugendarrest nach Absatz 1 Nr. 1 JGG darüber hinaus in der Regel nicht geboten, wenn der Jugendliche bereits früher Jugendarrest als Dau 39

BT-Drucks. 17/9389, 24.04.2012, S. 12.

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3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

erarrest verbüßt oder sich nicht nur kurzfristig im Vollzug von Untersuchungshaft befunden hat. Insgesamt sollte durch die Benennung dieser Kriterien vermieden werden, „dass der Jugendarrest in entsprechenden Fällen z. B. ohne weitergehende Zweckverfolgung nur als Übelszufügung verhängt wird“.40 Zudem wurde betont, dass aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch stets die Erforderlichkeit der Sanktion zu prüfen sei.41

III. Vollstreckung von Arrest nach § 16a JGG In Bezug auf § 16a JGG ist neben den Ausführungen zur Vollstreckung zu § 16 JGG (siehe Kapitel B. III.), die auch für den Arrest nach § 16a JGG gelten,42 § 87 IV Satz 2 JGG zu beachten. Danach darf nach Ablauf von 3 Monaten seit Eintritt der Rechtskraft der Vollzug43 nicht mehr begonnen werden. Diese Regelung unterscheidet sich insofern von § 87 IV Satz 1 JGG, als innerhalb dieser Frist nicht der gesamte Arrest vollstreckt worden sein und die Person ansonsten aus dem Arrest entlassen werden muss, sondern der Arrest nur „anvollstreckt“ werden muss. Das bedeutet, dass der Vollzug innerhalb der 3 Monate nach Rechtskraft der Entscheidung begonnen sein muss, dann aber ggf. unterbrochen werden kann. Die gegenüber der Vollstreckung bei § 16 JGG wesentlich kürzere Frist wurde mit der besonderen Bedeutung der urteilsnahen Vollstreckung begründet, um ggf. bereits begonnene Maßnahmen der Bewährungshilfe nicht zu unterbrechen.44 Außerdem wird ein Arrest nach § 16a JGG, der noch nicht verbüßt ist, nach § 87 IV Satz 3 JGG nicht mehr vollstreckt, wenn das Gericht die Aussetzung der Jugendstrafe nach § 26 I JGG widerruft (Nr. 1), gemäß § 30 I Satz 1 JGG auf eine Jugendstrafe erkennt, deren Verhängung zur Bewährung ausgesetzt worden war (Nr. 2) oder nach § 61a I JGG die Aussetzung der Jugendstrafe in einem nachträglichen Beschluss ablehnt (Nr. 3).

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BT-Drucks. 17/9389, 24.04.2012, S. 9. BT-Drucks. 17/9389, 24.04.2012, S. 12. 42 In der Entwurfsbegründung wird in Bezug auf die Vollstreckung des Arrests nach § 16a JGG explizit auf die Möglichkeit des Absehens nach § 87 III Satz 1 JGG hingewiesen (BTDrucks. 17/9389, 24.04.2012, S. 19). Bezüglich der Anwendung von § 87 III JGG bei Arresten nach § 16a JGG allerdings ohne weitere Erläuterung einschränkend Brunner / Dölling, JGG, 13. Aufl. 2018, § 16a, Rn. 1: „Ein Absehen von der Vollstreckung nach § 87 III ist nicht möglich.“ 43 BT-Drucks. 17/9389, 24.04.2012, S. 19 f., wobei hier noch vorgesehen war, dass die Vollstreckung nicht mehr begonnen werden durfte. 44 BT-Drucks. 17/9389, 24.04.2012, S. 19. 41

D. Jugendarrest wegen Nichterfüllung von Weisungen oder Auflagen 

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IV. Zusammenfassung Es wird deutlich, dass die Voraussetzungen der Verhängung eines Arrests nach § 16a JGG – im Gegensatz zum Arrest nach § 16 JGG – im Gesetz normiert sind. Diese Voraussetzungen orientieren sich deutlich an der vorausgegangenen Debatte um die Einführung dieser Sanktion.45 Zur Vollstreckung des Arrests ist zu beachten, dass im Falle des § 16a JGG der Vollzug nicht mehr begonnen werden darf, wenn seit Eintritt der Rechtskraft 3 Monate vergangen sind, womit die Frist deutlich kürzer ist als beim Arrest nach § 16 JGG, und zudem auf den Vollzug abgestellt wird. Außerdem muss der Vollzug eines Arrests nach § 16a JGG nur begonnen werden, ein Arrest nach § 16 JGG muss dagegen in der genannten Frist komplett vollstreckt sein.

D. Jugendarrest wegen Nichterfüllung von Weisungen oder Auflagen Der Arrest wegen Nichterfüllung einer Auflage oder Weisung wurde erstmals in § 19 Reichsjugendgerichtsgesetz, welches 1944 in Kraft trat, normiert (siehe 2. Teil, Kapitel C. III.). Auflagen oder Weisungen können zum einen im Urteil als Sanktion nach § 10 bzw. § 15 JGG verhängt worden sein.46 Zum anderen besteht die Möglichkeit, dass die Weisungen oder Auflagen bei Bewährungsstrafen nach § 21 oder § 27 JGG oder bei Aussetzung des Rests der Jugendstrafe nach § 88 JGG im Bewährungsbeschluss angeordnet wurden, §§ 23 I Satz 4, 29 Satz 2, 88 VI JGG.47 Hier gelten die §§ 11, 15 bzw. 23 JGG durch Verweis. Diese Arrestform wird als „Ungehorsamsarrest“,48 „Beugearrest“,49 „Beschluss­ arrest“,50 „Zwangsarrest“51 oder „Nichtbefolgungsarrest“52 bezeichnet. Die Be 45

Dazu auch Höynck / Ernst, in: Redmann / Hußmann, 2015, 123 (131 ff.). Nach § 53 JGG können Erziehungsmaßregeln auch vom Familiengericht angeordnet werden. Auch in diesen Fällen bleibt der Jugendrichter nach § 65 I JGG für die Verhängung von Nichtbefolgungsarrest zuständig, da das Familiengericht dazu nicht befugt ist (Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 53, Rn. 14; Schady, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 53, Rn. 10). 47 Allerdings nicht in Verbindung mit dem Vorbehalt der nachträglichen Entscheidung über die Aussetzung gemäß § 61 JGG. 48 So z. B. Diemer, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 11, Rn. 10 ff.; Seidl / Holthusen / Hoops, ZJJ 2013, 292 (295). 49 So z. B. Wohlfahrt, ZJJ 2012, 392 (395). Dazu führt Wohlfahrt weiter aus: „Den Charakter eines Zuchtmittels hat der Beugearrest aber eindeutig nicht“, da der Arrest nicht an die Straftat selbst, sondern nur an die ursprüngliche Sanktion und deren Nichtbefolgung anknüpft (a. a. O., S. 395). 50 So z. B. Kratochvil-Hörr, Der Beschlussarrest, 2016. Diese Bezeichnung ergibt sich dadurch, dass diese Entscheidungen in Abgrenzung zum Arrest nach § 16 JGG und § 16a JGG nicht durch Urteil („Urteilsarrest“), sondern durch Beschluss getroffen werden, § 65 I 1 JGG. 51 So Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 11, Rn. 16. 52 So auch einige der Landesjugendarrestvollzugsgesetze, z. B. § 41 Hess­JAVollzG. 46

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3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

zeichnung der Arrestform ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil damit die Frage nach der Rechtsnatur, welche stets umstritten war, verbunden wird (siehe Kapitel D. I.). Im JGG findet sich keine dieser Bezeichnungen, vielmehr heißt es lediglich „Folgen der Zuwiderhandlung“.53 In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff „Nichtbefolgungsarrest“ verwendet, da er durch die Anlehnung an den Wortlaut („Nichtbefolgung“) am wenigsten wertend und daher zu bevorzugen ist. Im Folgenden wird zunächst der Frage der Rechtsnatur dieser Arrestform nachgegangen (Kapitel D. I.). Daran anschließend wird auf die Voraussetzungen (Kapitel D. II.), die Dauer (Kapitel D. III.) sowie die Vollstreckung eingegangen (Kapitel D. IV.). Abschließend erfolgt in Kapitel D. IV. eine Zusammenfassung.

I. Rechtsnatur des Nichtbefolgungsarrests Die Rechtsnatur des Nichtbefolgungsarrests ist umstritten, wobei zu den verschiedenen Formen unterschiedliche Diskussionen geführt werden. 1. Jugendarrest nach § 11 III JGG Zur Frage der Rechtsnatur des Arrests nach § 11 III JGG bestehen aktuell – soweit ersichtlich – 4 Meinungen:54 Zum einen wird vertreten, dass diese Form des Jugendarrests eine spezifisch für das Jugendstrafverfahren geltende Beugemaßnahme55 sei. Eine andere Ansicht geht davon aus, dass es sich um eine „in das JGG eingeschobene besondere jugendstrafrechtliche Reaktionsmöglichkeit […] mit dem Zweck, auf die Befolgung hinzuwirken“56, handele. Nach einer 3. Ansicht stellt die Nichterfüllung von Weisungen und Auflagen den „spezifisch jstrafrechtl. [jugendstrafrechtlichen, Anm. d. Verf.] Tatbestand des Ungehorsams“57 dar, wo 53

Durch das 7. BZRGÄndG vom 18.07.2017 (BGBl. 2017, Teil I, S. 2732) hat der Bundesgesetzgeber sich erstmals für die Bezeichnung „Ungehorsamsarrest“ in § 60 I Nr. 2 BZRG entschieden; weiterführend Ernst, ZJJ 2017, 365 (365 ff.) (siehe dazu auch Kapitel H.). 54 Ausführliche Darstellung bei Ostendorf, ZfJ 1983, 563 (563 ff.) sowie bei KratochvilHörr, Der Beschlussarrest, 2016, S. 31 ff. 55 Diemer, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 11, Rn. 11; BeckOK JGG / Kreiner / Gertler, 9. Ed. 01.05.2018, § 11, Rn. 18; Streng, Jugendstrafrecht, 2016, S. 184; Wohlfahrt, ZJJ 2012, 392 (397); Wulf, FS 2011, 104 (106). Im Ergebnis auch Laubenthal / Baier / Nestler (Jugendstrafrecht, 2015, S. 15), aber als „Zwangsmaßnahme“ bezeichnend. Auch die Begründung nach der Einführung, in der vorwiegend auf die Staatsautorität und das Ansehen des Gerichts Bezug genommen wurde (Kümmerlein, RJGG, 1944, Einleitung, S. 22), lässt deutlich den Bezug zur Annahme einer (auch in diesem Wortlaut) Beugemaßnahme herstellen. Diese Argumentation auf Grundlage der Staatsautorität wird allerdings – soweit ersichtlich – heute nicht mehr vertreten. 56 Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 11, Rn. 12a. 57 Brunner / Dölling, JGG, 13. Aufl. 2018, § 11, Rn. 5; Dölling, ZJJ 2014, 92 (93); so auch Schaffstein, Jugendstrafrecht, 1959, S. 73 f. Allerdings scheint diese Ansicht schon länger nicht

D. Jugendarrest wegen Nichterfüllung von Weisungen oder Auflagen 

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mit der Arrest der Sanktionierung dieses Ungehorsams und nicht der ursprünglichen Delikte bzw. des ursprünglichen Deliktes diene. Außerdem wird vertreten, dass der Arrest als „Ersatzmaßnahme […], mit der die ursprüngliche Reaktion ersatzweise korrigiert wird“58, einzustufen sei, was gleichzeitig bedeute, dass die ursprüngliche Weisung nach Verbüßung des Arrests für erledigt zu erklären oder davon zu befreien ist.59 Eng verbunden mit der Rechtsnatur ist insbesondere die Frage nach dem Bestand der ursprünglich verhängten Weisung. Geht man vom Arrest als Ersatzmaßnahme für die Weisung aus, so ist nach Arrestvollstreckung stets von der Weisung zu befreien;60 sanktioniert man allerdings den „Ungehorsam“ oder bewertet den Arrest als Beugemaßnahme61 oder besondere Reaktionsmöglichkeit, so ist die Weisung nach Vollstreckung des Arrests noch zu erbringen, sofern der Richter nicht nach § 11 II JGG von der Erfüllung befreit.62 Die Annahme eines speziellen Ungehorsamstatbestands ist nicht nachvollziehbar. Diese Ansicht ist schon deshalb abzulehnen, weil ein solcher „Tatbestand“ dann dogmatisch im Jugendgerichtsgesetz (Erstes Hauptstück: Verfehlungen Jugendlicher und ihre Folgen) zu finden wäre, obwohl das JGG sonst keine Tatbestände, sondern nur Rechtsfolgen und besondere Verfahrensnormen enthält.63 Würde es sich um einen eigenen Tatbestand handeln, bestünde zudem kein Bezug zwischen ursprünglicher Straftat oder ursprünglichem Schuldspruch und Jugendarrest, was der Systematik von § 11 III JGG widerspräche.64 Außerdem würde damit, und das ist grundlegend, ein neuer Tatbestand geschaffen und „Ungehorsam“ als Straftat eingeordnet.65 mehr die von Streng (Jugendstrafrecht, 2016, S. 184) angenommene herrschende Meinung zu sein. 58 Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 11, Rn. 11. So auch schon Ostendorf, ZfJ 1983, 563 (576); Werlich, in: Schumann, 1985, 140 (148, 152). Möller argumentierte auf dem 18. Jugendgerichtstag in die gleiche Richtung: Er sprach sich dafür aus, den Jugendarrest als stationäre Erziehungsmaßnahme zu gestalten und den Arrest „als eine nach dem Verhalten des Jugendlichen notwendig gewordene Änderung der ursprünglich ambulanten in eine stationäre Erziehungsmaßnahme“ [Möller, in: DVJJ, 1981, 311 (320 f.)] zu begreifen. Dies hätte dann konsequenterweise zur Folge, dass durch die Verbüßung des Arrests die ursprüngliche Sanktion erledigt ist (321 f.). 59 Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 11, Rn. 12; Werlich, in: Schumann, 1985, 140 (153). 60 So Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 11, Rn. 12. 61 Zu der Problematik, die mit diesem Begriff verbunden ist, siehe Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 11, Rn. 12a. 62 So z. B. Buhr, in: Meier / Rössner / Trüg / Wulf, JGG, 2.  Aufl. 2014, § 11, Rn.  24; Wohlfahrt, ZJJ 2012, 392 (397). 63 So auch Werlich, in: Schumann, 1985, 140 (148). 64 Buhr, in: Meier / Rössner / Trüg / Wulf, JGG, 2. Aufl. 2014, § 11, Rn. 19. Mit weiteren Ausführungen Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 11, Rn. 8. 65 A. A. LG Kaiserslautern, Beschluss vom 28.03.2007 – 8 Qs 5/07 = ZJJ 04/2010, 430: Bei einem Jugendarrest handele „es sich nicht um einen Beugearrest, sondern um einen Ungehorsamsarrest wegen schuldhafter Nichterfüllung von Weisungen oder Auflagen“.

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3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

Schwieriger zu beantworten ist die Frage, ob es sich beim Nichtbefolgungsarrest nach § 11 III JGG um eine „Beugemaßnahme“ oder eine Ersatzmaßnahme handelt. Dabei geht es nicht um die schlichte Benennung der Arrestform, sondern um die „grundrechtliche[…] Legitimation für den Eingriff in die persönliche Freiheit“66, also um die Zielsetzung. Wäre ein Nichtbefolgungsarrest eine Beugemaßnahme, so wäre das Ziel die spätere Erfüllung der Weisung; geht man hingegen von einer Ersatzmaßnahme aus, so ersetzt und „korrigiert“ der Arrest die ursprünglich verhängte Weisung, die dann nicht mehr erfüllt werden muss. Betrachtet man die aktuelle Systematik der Normen, so sprechen diese für die Einordnung als Beugemaßnahme: Nach § 15 III Satz 3 JGG kann eine Auflage nach Verbüßung für erledigt erklärt werden. Diese Entscheidung liegt also im Ermessen des Gerichts. Da § 11 III JGG eine solche Erledigterklärung nicht vorsieht, wird im Umkehrschluss davon ausgegangen, dass die Weisungen unabhängig von der Arrestvollstreckung fortbestehen,67 wenn nicht (unabhängig vom Arrest) gemäß § 11 II JGG von ihnen befreit wurde. Außerdem kann Jugendarrest nach § 11 III JGG mehrfach verhängt werden,68 er darf nur die Dauer von insgesamt 4 Wochen nicht übersteigen. Würde es sich um eine Ersatzmaßnahme handeln, könnte Jugendarrest, durch welchen nämlich die Weisung ersetzt würde, nur einmal verhängt werden. Weiterhin spreche gegen die Annahme einer Ersatzmaßnahme, dass der Betroffene dann ein „Wahlrecht“ zwischen der ursprünglichen Sanktion und dem Jugendarrest hätte. Er könnte dann im Einzelfall entscheiden, ob er der Weisung nachkommt oder lieber (für bis zu 4 Wochen) Jugendarrest verbüßt.69 Das wohl am häufigsten vorgebrachte Argument für die Bewertung als (korrigierende) Ersatzmaßnahme ist, dass nur „in Verbindung mit der Grundmaßnahme […] die Legitimation“ gefunden werden kann.70 Das Verfahren werde bei der Verhängung eines Arrests nach § 11 III JGG rechtsstaatlichen Grundsätzen, wie Anklageerhebung, Verteidigungsmöglichkeiten und Einlegen der üblichen Rechtsmittel, nicht gerecht.71 Außerdem angeführt wird das Verbot der Doppelbestrafung aus Art. 103 III GG, das dann verletzt wird, wenn man im Arrest nach § 11 III JGG eine zusätzliche Sanktion sieht.72 Hinzu kommt, dass die Vollstreckung des Arrests vom Fortbestand der Weisung abhängig ist: Nach § 11 III Satz 3 JGG sieht der Richter von der Vollstreckung des Jugendarrests ab, wenn der Jugendliche nach Verhängung des Arrests der Weisung nachkommt. Das bedeutet, dass der Arrest 66

Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 11, Rn. 12a. So z. B. Wohlfahrt, ZJJ 2012, 392 (395): „Ein Verzicht auf die Erfüllung der Weisung nach Arrestvollstreckung ist im Gesetz ausdrücklich nicht […] enthalten.“ 68 A. A. Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 11, Rn. 15. 69 Gegen das Vorliegen eines „Wahlrechts“ des Verurteilten Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 11, Rn. 24. 70 Ostendorf, ZfJ 1983, 563 (575). 71 Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 11, Rn. 8. So auch schon Ostendorf, ZfJ 1983, 563 (568); Werlich, in: Schumann, 1985, 140 (148 ff.). 72 Werlich, in: Schumann, 1985, 140 (152). 67

D. Jugendarrest wegen Nichterfüllung von Weisungen oder Auflagen 

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nicht angetreten werden muss, wenn der Betroffene der Weisung nach Arrestverhängung noch nachkommt. Ebenso muss der Jugendliche aus dem Jugendarrest vorzeitig entlassen werden, wenn er während der Arrestverbüßung die Weisung (z. B. Arbeitsstunden) vollständig erbracht hat. Dementsprechend kann argumentiert werden, dass dieser Zusammenhang zwischen Weisung und Jugendarrest auch in die andere Richtung bestehen muss, also nach Verbüßung des Jugendarrests auch die Weisung erledigt ist. Dieses Argument lässt sich allerdings auch für die Begründung des Nichtbefolgungsarrests als Beugemaßnahme heranziehen: Von der Vollstreckung des Arrests kann abgesehen werden oder die Person kann vorzeitig entlassen werden, da es dieser Beugemaßnahme für die Erfüllung der Weisung nicht mehr bedarf, sobald sie erfüllt ist. Diese Argumentation führt also nicht zur Einstufung als Ersatzmaßnahme, sondern lässt diese Frage offen.73 Betrachtet man die aktuellen gesetzlichen Regelungen, so ist der Nichtbefolgungs­ arrest nach § 11 III JGG wegen der genannten Aspekte, die sich größtenteils unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, wohl aktuell als Beugemaßnahme ausgestaltet. 2. Jugendarrest nach § 15 III JGG Die Diskussion um die Rechtsnatur wird konsequenterweise auch für § 15 III JGG geführt. Allerdings ist in § 15 III Satz 3 JGG normiert, dass der Richter die Auflagen ganz oder zum Teil für erledigt erklären kann, wenn Jugendarrest vollstreckt wurde. Dies legt eindeutig fest, dass die Auflage auch nach Vollstreckung des Jugendarrests weiter besteht und der Arrest diese nicht automatisch ersetzt; allerdings kann der Richter die Auflage für erledigt erklären. Die Diskussion hat sich daher auf die Frage verschoben, wie mit dem in der Norm eingeräumten Ermessen umzugehen ist. Ostendorf geht hier im Sinne der „korrigierende[n] Ersatzmaßnahme“74 davon aus, dass sich die Ermessensentscheidung zur Erledigterklärung der Auflagen zu einer „generellen Verpflichtung“75 verdichtet. Eisenberg geht zwar nicht von einer generellen Ermessensreduzierung aus, nimmt aber auch an, dass die Erledigterklärung zumindest dann erfolgen soll, „wenn die mit der Auflage angestrebte Bewusstmachungs- und Ahndungsfunktion durch die Vollstr [Vollstreckung, Anm. d. Verf.] des JA als erreicht anzusehen ist“.76 Ähnlich argumentiert Putzke, dass die Erledigterklärung zwingend ist, „wenn mit

73 Im Ergebnis auch Wohlfahrt, ZJJ 2012, 392 (395): „Das Abhängigkeitsverhältnis […] gilt umgekehrt nicht.“ 74 Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 15, Rn. 20. 75 Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 15, Rn. 20. Diese Ansicht lässt sich allerdings nicht mit § 15 III Satz 3 JGG vereinbaren. 76 Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 15, Rn. 34.

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3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

der Verbüßung das Tatunrecht abgegolten ist und weder erzieherische Gründe noch Verhältnismäßigkeitserwägungen einer Erledigungserklärung entgegenstehen“.77 Etwas zurückhaltender, aber das Ermessen dennoch bejahend („kommt in Betracht“), geht Diemer davon aus, dass eine Erledigterklärung voraussetzt, dass „der Unrechts- und Schuldgehalt der Tat mit der Verbüßung des Arrestes abgegolten ist und daneben die Aufrechterhaltung der Auflage allein aus erzieherischen Gründen unverhältnismäßig wäre“.78 3. Jugendarrest bei Nichterfüllung von Bewährungsweisungen und -auflagen Zur Rechtsnatur des Jugendarrests bei Nichterfüllung von Bewährungsweisungen und -auflagen nach § 23 JGG führt Sonnen aus, dass dies eine „spezifische Maßnahme der Bewährungsaufsicht“79 sei; Ostendorf geht auch hier konsequenterweise ebenfalls von einer Ersatzmaßnahme aus80. Meier stuft den Arrest als eine von 3 möglichen Reaktionsformen (Änderung von Weisungen, Jugendarrest und Widerruf der Aussetzung) ein, „unter denen mit Blick auf das Erziehungsziel sowie nach Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen auszuwählen ist“.81 Nehring betont, dass es sich auch bei dieser Form des Arrests nicht um eine Ersatzmaßnahme handle, sondern „um eine spezifische Maßnahme zur Durchsetzung einer richterlichen Weisung oder Auflage“.82 Im Ergebnis kann für den Arrest hier nichts anderes gelten als für den Arrest nach §§ 11 III, 15 III JGG, weshalb auf die o. g. Argumentation zu verweisen ist. Da § 23 I Satz 4 JGG auf § 11 III JGG und auf § 15 I, II, III Satz 2 JGG – und damit nicht auf § 15 III Satz 3 JGG – verweist, ist davon auszugehen, dass die Auflagen/ Weisungen nach Verbüßung von Jugendarrest nach aktueller Rechtslage noch zu erfüllen sind. Zur Verhängung von Nichtbefolgungsarrest bei Bewährungsweisungen und -auflagen gilt es zudem zu beachten, dass dem Gericht noch weitere Möglichkeiten zur Verfügung stehen: der Widerruf der Aussetzung zur Bewährung (§§ 26, 88 JGG) und die Verhängung der Jugendstrafe (§ 30 JGG). Anders als beim Arrest nach §§ 11 III, 15 III JGG ist die Verhängung eines Arrests in dieser Konstellation das mildere Mittel gegenüber dem Bewährungswiderruf.83

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BeckOK JGG / Putzke, 9. Ed. 01.05.2018, § 15, Rn. 97. Diemer, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 15, Rn. 28. Zustimmend Linke, in: Meier / Rössner / Trüg / Wulf, JGG, 2. Aufl. 2014, § 15, Rn. 25. 79 Sonnen, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 23, Rn. 11. 80 Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 23, Rn. 12. 81 Meier, in: Meier / Rössner / Trüg / Wulf, JGG, 2. Aufl. 2014, § 23, Rn. 7. 82 BeckOK JGG / Nehring, 9. Ed. 01.05.2018, § 23, Rn. 16. 83 Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 23, Rn. 11; Werlich, in: Schumann, 1985, 140 (154 f.). 78

D. Jugendarrest wegen Nichterfüllung von Weisungen oder Auflagen 

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II. Voraussetzungen Die Verhängung eines Nichtbefolgungsarrests (in allen Varianten) setzt voraus, dass zunächst erteilte Weisungen oder Auflagen sowie Anordnungen schuldhaft nicht erfüllt wurden und eine Belehrung über die Folgen dieser Zuwiderhandlung erfolgt ist, §§ 11 III Satz 1, 15 III Satz 2 JGG. Darüber hinaus ist dem Jugendlichen nach § 65 I Satz 3 JGG Gelegenheit zur mündlichen Äußerung vor dem Richter zu geben. 1. Belehrung Nichtbefolgungsarrest darf nur verhängt werden, wenn eine Belehrung über die Folgen schuldhafter Zuwiderhandlung erfolgt ist, § 11 III Satz 1 JGG. Gemäß der Richtlinie Nr. 8 zu § 10 JGG wirkt die Staatsanwaltschaft darauf hin, dass das Gericht den Jugendlichen über die Bedeutung der Weisungen und Folgen schuldhafter Zuwiderhandlung nach § 11 III Satz 1 JGG belehrt und diese Belehrung in der Niederschrift über die Hauptverhandlung vermerkt oder sonst aktenkundig gemacht wird. Diemer erachtet es als zweckmäßig, wenn die Belehrung „im unmittelbaren Anschluss an die Verkündung des Urteils“84 erteilt wird. Allerdings wird auch die Zulässigkeit einer nachträglichen Belehrung bejaht, wobei nach der Belehrung noch die Möglichkeit bestehen muss, die Weisungen oder Auflagen zu erfüllen.85 Für diesbezügliche Belehrungen wurde mit dem Gesetz zur Erweiterung der jugendgerichtlichen Handlungsmöglichkeiten (siehe 2. Teil, Kapitel H. IV.) § 70a JGG eingeführt. Nach § 70a I Satz 1 JGG müssen vorgeschriebene Belehrungen des Jugendlichen in einer Weise erfolgen, die seinem Entwicklungs- und Bildungsstand entspricht. Das bedeutet, dass Belehrungen, wie etwa über die Folgen schuldhafter Zuwiderhandlung, in Form „jugendgemäßer Kommunikation“86 zu erfolgen haben, die dem Empfängerhorizont angemessen ist, was – so auch die Gesetzesbegründung – eigentlich selbstverständlich ist.

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Diemer, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 11, Rn. 16. BeckOK JGG / Kreiner / Gertler, 9. Ed. 01.05.2018, § 11, Rn. 19; Buhr, in: Meier / Rössner / Trüg / Wulf, JGG, 2. Aufl. 2014, § 11 Rn. 28; Diemer, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 11, Rn. 16. 86 BT-Drucks. 17/9389, 24.04.2012, S. 13, 18 f. 85

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3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

2. Schuldhafte Nichterfüllung Außerdem muss der Betroffene die Auflagen oder Weisungen schuldhaft nicht erfüllt haben, wobei nicht weiter definiert ist, was darunter zu verstehen ist.87 Zunächst wird allgemein angenommen, dass überhaupt nur eine schuldhafte Nichterfüllung vorliegen kann, wenn die Weisung oder Auflage rechtmäßig ist, konkret genug gefasst88 und auch verstanden wurde, da ansonsten kein schuldhafter Verstoß vorliegen kann.89 Wann genau unter diesen Voraussetzungen ein Verstoß schuldhaft ist, wird unterschiedlich diskutiert: Teilweise wird die Schuldhaftigkeit mit vorsätzlicher oder fahrlässiger Begehung gleichgesetzt.90 Eisenberg führt aus, dass die Prüfung „dem Vorgehen bei der Subsumtion unter Straftatbestände“91 entspricht, und prüft die objektiven und subjektiven Voraussetzungen eines Verstoßes. Ostendorf erläutert hingegen, dass eine fahrlässige Nichterfüllung schwer vorstellbar ist und formuliert negativ, dass ein schuldhafter Verstoß bei „einer Pflichtenkollision und Unzumutbarkeit“92 ausscheidet. Die Prüfung von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Rahmen der Schuldhaftigkeit erinnert stark an das Verschulden im Sinne des § 276 I Satz 1 BGB; im Strafrecht wird Vorsatz und Fahrlässigkeit allerdings im Rahmen des subjektiven Tatbestands geprüft. Die Erklärung der Prüfung in Form der Subsumtion unter Straftatbestände scheint auch nur dann konsequent, wenn man den Nichtbefolgungsarrest als eigenen Tatbestand begreift: In diesem Fall würde die Nichterfüllung den Tatbestand darstellen und die Schuldhaftigkeit wäre im Rahmen der Schuld zu prüfen. Vertritt man – wie hier – die Ansicht, dass es sich bei dem Arrest um eine „Beugemaßnahme“ handelt, so scheidet die Prüfung eines eigenen Tatbestands 87 Ein Ansatzpunkt ist, dass die Schwelle für die Annahme der Schuldhaftigkeit unterhalb der gröblichen oder beharrlichen Verstöße gegen Auflagen oder Weisungen liegt, da in diesem Fall bei einer Jugendstrafe zur Bewährung die Bewährung widerrufen werden kann, § 26 I Satz 1, Nr. 2, 3 JGG. Interessanterweise wurde die Aussetzung der Jugendstrafe gemäß § 26 II Nr. 3 JGG 1953 widerrufen, wenn der Jugendliche Bewährungsauflagen schuldhaft nicht nachkam (und andere Maßnahmen nicht ausreichten), was dem Wortlaut der heutigen §§ 11, 15 JGG entspricht. Mit dem Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB) vom 2. März 1974 wurde normiert, dass der Widerruf der Bewährung nur bei gröblichen oder beharrlichen Verstößen in Betracht kommt und in § 23 JGG wurde normiert, dass bei einem schuldhaften Verstoß Jugendarrest verhängt werden kamm. 88 Zu § 29 JGG siehe AG München, Beschluss vom 30.06.2015, 10 VRJs 53/2015 jug = ZJJ 01/2016, 83. 89 LG Kaiserslautern, Beschluss vom 30.07.2014 – 8 Qs 13/14 = BeckRS 2015, 16464; H ­ ellmer, Erziehung und Strafe, 1957, S. 225; Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 11, Rn. 17. 90 BeckOK JGG / Kreiner / Gertler, 9. Ed. 01.05.2018, § 11, Rn. 21; Diemer, in: Diemer / ​ Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 11, Rn. 15. Kritisch zur Prüfung von Vorsatz und Fahrlässigkeit Hellmer, Erziehung und Strafe, 1957, S. 228. 91 Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 11, Rn. 16; so auch Schaffstein, Jugendstrafrecht, 1959, S. 74. 92 Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 11, Rn. 17.

D. Jugendarrest wegen Nichterfüllung von Weisungen oder Auflagen 

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allerdings aus. Dementsprechend ist Ostendorf im Sinne einer strafrechtlichen Prüfung zuzustimmen, der zusammenfassend immer dann die Schuldhaftigkeit ablehnen will, wenn dafür Gründe im Sinne von Entschuldigungsgründen vorliegen.93 Als Entschuldigungsgründe für die Nichterfüllung kommen z. B. entgegenstehende Verpflichtungen wie Schule, Ausbildung oder Arbeit bei der Ableistung von Arbeitsstunden in Betracht oder aber auch die Unzumutbarkeit94 sowie das Fehlen einer Einsatzstelle oder die Verweigerung der ausgewählten Einsatzstelle95 bei der Ableistung von Arbeitsstunden. Außerdem könnte die Weisung oder die Auflage objektiv ungeeignet gewesen sein.96 Nicht definiert ist auch, was unter „Nichterfüllung“ zu subsumieren ist. Nichterfüllung heißt zunächst, dass nicht die komplette Weisung / Auflage erfüllt ist, was auch bei der fast vollständigen Erfüllung der Fall sein kann. Diesbezüglich wird argumentiert, dass im Falle der fast vollständigen Erfüllung der Weisungen oder Auflagen kein Arrest verhängt werden, sondern das Gericht den Jugendlichen dann vom Rest der Auflage / Weisung befreien sollte.97 Etwas direkter formuliert Ostendorf, dass Jugendarrest nur bei „absoluter Nichtbefolgung von Weisungen mit erheblichen Interesseneinbußen“98 in Betracht komme. 3. Gelegenheit zur mündlichen Äußerung Nach § 65 I Satz 1 JGG werden nachträgliche Entscheidungen, die sich auf Weisungen oder Auflagen beziehen, nach Anhören des Staatsanwalts und des Jugendlichen durch Beschluss getroffen. Dabei gelten allerdings keine besonderen Formerfordernisse, sodass die Anhörung mündlich oder schriftlich erfolgen kann; wobei 93

Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 11, Rn. 17. Mit Bezug zur Schuld dann wohl auch Kreiner / Gertler, die sich zuvor noch auf Vorsatz und Fahrlässigkeit beziehen (­­BeckOK JGG  / Kreiner / Gertler, 9. Ed. 01.05.2018, § 11, Rn. 22). 94 Diese Gründe werden vielfach genannt, z. B. Diemer, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 11, Rn. 15; Hellmer, Erziehung und Strafe, 1957, S. 229 ff.; Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 11, Rn. 17. Das LG Kaiserslautern führt hingegen aus: „Der Gefahr des Verlustes eines etwaigen Ausbildungsplatzes durch den Vollzug des Arrestes kann gegebenenfalls durch Maßnahmen des Vollstreckungsleiters nach § 87 Abs. 3 JGG oder durch den Zeitpunkt des Arrestantritts begegnet werden“ (LG Kaiserslautern, Beschluss vom 28.03.2007 – 8 Qs 5/07 = ZJJ 04/2010, 430). 95 Wenn die ausgewählte Stelle zur Ableistung der Arbeitsstunden die Weiterbeschäftigung des Betroffenen ablehnt, so kann nicht verlangt werden, dass sich der Betroffene selbst eine andere Arbeitsstelle sucht. Dies gelte zumindest dann, wenn im Beschluss explizit ausgeführt war, dass die Konkretisierung durch Weisung des zuständigen Jugendamts erfolgt. Grund dafür sei, dass der Nichtbefolgungsarrest „nicht der Sanktionierung von jedwedem Fehlverhalten“ diene, sondern vielmehr der Hinwirkung auf die Befolgung der ursprünglichen Sanktion (LG Kaiserslautern, Beschluss vom 23.09.2010 – 8 Qs 14/10 = ZJJ 04/2010, 430). 96 Schumann, in: Schumann, 1985, 1 (10). 97 Diemer, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 11, Rn. 20; Weber, in: DVJJ, 1990, 344 (348). So auch schon Potrykus, JGG, 3. Aufl. 1954, § 11, Bemerkung 7. 98 Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 11, Rn. 18.

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3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

in der Regel eine mündliche Anhörung geboten sein soll.99 Kommt allerdings die Verhängung von Jugendarrest in Betracht, so ist dem Jugendlichen Gelegenheit zur mündlichen Äußerung vor dem Richter zu geben, § 65 I Satz 3 JGG; diese entfällt auch nicht bei wiederholter Anordnung von Nichtbefolgungsarrest.100 Eine solche Anhörung ist nicht obligatorisch,101 allerdings wird die Anhörung eines Verurteilten vor Verhängung eines Jugendarrests als wichtig eingeschätzt, insbesondere zur Klärung der Frage nach der Schuldhaftigkeit.102 Aus diesem Grund muss der Jugendrichter mit allen zulässigen und geeigneten Mitteln versuchen, den Kontakt zum Jugendlichen herzustellen.103 4. Verhältnismäßigkeit Weiterhin wird darauf hingewiesen, dass die Verhängung eines Arrests verhältnismäßig sein muss, und diesbezüglich auf die Möglichkeit der nachträglichen Änderung von Weisungen nach § 11 II JGG bzw. von Auflagen nach § 15 III JGG verwiesen.104 Dazu normiert auch die Richtlinie Nr. 2 Satz 1 zu § 11 JGG, dass die Staatsanwaltschaft darauf hinwirken soll, bei Zuwiderhandlungen gegen Weisungen nur dann Jugendarrest zu verhängen, wenn mildere Maßnahmen, z. B. eine formlose Ermahnung, nicht ausreichen. Nach allgemeiner Ansicht ist die Verhängung von Jugendarrest nur bei erheblichen Verstößen verhältnismäßig.105

III. Dauer des Nichtbefolgungsarrests Der Arrest nach §§ 11 III Satz 2, 15 III JGG darf wegen einer Verurteilung insgesamt die Dauer von 4 Wochen nicht überschreiten, § 11 III Satz 2 JGG. Dies bedeutet zum einen, dass für eine Verurteilung, unabhängig von der Anzahl an 99

­BeckOK JGG  /  Kilian, 9. Ed. 01.05.2018, § 65, Rn. 13; Brunner / Dölling, JGG, 13. Aufl. 2018, § 65, Rn. 5; Meier, in: Meier / Rössner / Trüg / Wulf, JGG, 2. Aufl. 2014, § 65, Rn. 8; Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 65, Rn. 5. 100 LG Arnsberg, Beschluss vom 31.01.2006 – 2 Qs 5/06 jug = NStZ 2006, 525 (525). 101 Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 65, Rn. 5; Schatz, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 65, Rn. 15. 102 LG Arnsberg, Beschluss vom 31.01.2006 – 2 Qs 5/06 jug = NStZ 2006, 525 (526). Das Landgericht Arnsberg hat ausgeführt, dass bei der Anhörung ggf. hätte geklärt werden können, ob die Verurteilte ihre Arbeitsstunden wegen der Aufnahme einer Berufstätigkeit nicht abgeleitet hat. Auch Brunner / Dölling (JGG, 13. Aufl. 2018, § 65, Rn. 6) betonen die Relevanz der Anhörung für die Klärung der Frage nach der Schuldhaftigkeit. 103 ­BeckOK JGG  / Kilian, 9. Ed. 01.05.2018, § 65, Rn. 14; Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 65, Rn. 10a. 104 Ebenfalls mit Hinweis auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip bei der Annahme einer Ersatzmaßnahme Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 11, Rn. 18. 105 Siehe z. B. Diemer, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 11, Rn. 20; Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 11, Rn. 18.

D. Jugendarrest wegen Nichterfüllung von Weisungen oder Auflagen 

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Weisungen und Verstößen, nur ein Arrest von insgesamt 4 Wochen verhängt werden kann. Weiterhin bedeutet dies, dass mehrfach Arrest verhängt werden kann, solange insgesamt die 4 Wochen nicht überschritten werden.106 Dabei kommt es allein auf die Verhängung und nicht auf die tatsächliche Vollstreckung an. Die Richtlinie Nr. 2 Satz 2 zu § 11 JGG normiert dementsprechend, dass die Staatsanwaltschaft anregt, ein solches Maß festzusetzen, das im Wiederholungsfall gesteigert werden kann, falls sich dies aus erzieherischen Gründen als notwendig erweist. Demnach dürfte auch das Höchstmaß von 4 Wochen nur in Ausnahmefällen verhängt werden. Der Nichtbefolgungsarrest richtet sich ansonsten, auch ohne ausdrücklichen Verweis, nach § 16 JGG und kann daher als Freizeit-, Kurz- oder Dauerarrest verhängt werden.107 Umstritten ist allerdings, ob die Höchstgrenze von 4 Wochen auch einen ggf. im ursprünglichen Urteil verhängten Urteilsarrest mit einschließt. Nach einer Ansicht darf auch bei der Verhängung von Urteils- und Nichtbefolgungsarrest die Dauer insgesamt 4 Wochen nicht überschreiten.108 Wenn also im ursprünglichen Urteil schon 2 Wochen Arrest verhängt wurden, so kann der Nichtbefolgungsarrest nur noch maximal 2 Wochen betragen. Nach anderer Ansicht gelten die Höchstgrenzen von 4 Wochen „unabhängig voneinander, so dass eine maximale Arrestdauer von 8 Wochen bei der Kombination von Urteils- und Beschlussarrest gesetzlich zulässig ist“.109

IV. Vollstreckung Zusätzlich zu den Möglichkeiten des Absehens von der Vollstreckung nach § 87 III JGG (siehe Kapitel B. III.), sieht110 der Richter gemäß §§ 11 III Satz 3, 15 III Satz 2 JGG von der Vollstreckung des Jugendarrests ab, wenn der Jugendliche nach Verhängung des Arrests der Weisung oder Auflage nachkommt. Das bedeutet, dass 106

Dazu führt Diemer aus, dass bei verhängtem Jugendarrest von 4 Wochen nicht noch einmal Jugendarrest verhängt werden könne, auch wenn in Bezug auf die erste Anordnung von der Vollstreckung abgesehen wurde (Diemer, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 11, Rn. 17). Potrykus ergänzte, dass nach der Höchstdauer kein weiterer Jugendarrest verhängt werden kann und in diesem Fall der „unternommene Erziehungsversuch mißglückt“ ist (Potrykus, JGG, 3. Aufl. 1954, § 11, Bemerkung 8). 107 So auch B ­ eckOK JGG / Kreiner / Gertler, 9. Ed. 01.05.2018, § 11, Rn. 24; Diemer, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 11, Rn. 10. 108 M. w. N. Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 11, Rn. 21. Eisenberg begründet dies mit „gesetzessystematischer Auslegung“. Ostendorf bewertet den Wortlaut der Norm als „nicht eindeutig“ (Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 11, Rn. 13), kommt aber im Ergebnis aufgrund systematischer Erwägungen zu dem gleichen Ergebnis. 109 Wohlfahrt, ZJJ 2012, 392 (397). So auch Diemer, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 11, Rn. 18. 110 Durch das 1. JGGÄndG lag diese Entscheidung nicht mehr im Ermessen des Gerichts (siehe Kapitel G. I.).

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3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

der Jugendliche auch nach Verhängung des Arrests noch die Möglichkeit hat, die Auflagen oder Weisungen zu erfüllen und so die Vollstreckung des Jugend­a rrests zu verhindern.111 Die Entscheidung trifft das Gericht des ersten Rechtszuges durch Beschluss, § 65 I Satz 1 JGG. § 15 III Satz 3 JGG sieht darüber hinaus vor, dass der Richter die Auflagen ganz oder zum Teil für erledigt erklären kann, wenn der Jugendarrest vollstreckt wurde; eine entsprechende Regelung ist in § 11 III JGG nicht vorgesehen. Außerdem ist die Frist des § 87 IV Satz 1 JGG auch für den Nichtbefolgungsarrest zu beachten, weshalb die Vollstreckung des Jugendarrests unzulässig ist, wenn seit Eintritt der Rechtskraft ein Jahr verstrichen ist.112

V. Zusammenfassung Die Rechtsnatur des Nichtbefolgungsarrests war schon bei der Einführung umstritten und ist immer noch nicht abschließend durch den Gesetzgeber normiert. Dies führt, insbesondere beim Arrest nach § 11 III JGG, zu Folgeproblemen. Es spricht vieles dafür, dass der Nichtbefolgungsarrest aktuell nach § 11 III JGG als „Beugemaßnahme“ ausgestaltet ist, also die Weisungen auch nach Arrestverbüßung noch geleistet werden müssen, sofern nicht von ihnen nach § 11 II JGG befreit wird. Anders ist die gesetzgeberische Wertung in Bezug auf § 15 III JGG, bei dem § 15 III Satz 3 JGG die Möglichkeit der Erledigterklärung nach Arrestvollstreckung explizit vorsieht. Voraussetzung für die Verhängung eines Nichtbefolgungsarrests ist die schuldhafte Nichterfüllung, wobei beide Merkmale im Gesetz nicht definiert sind und dazu in der Literatur verschiedene Ansichten vertreten werden. Normiert sind zudem verfahrensrechtliche Voraussetzungen, namentlich die Belehrung und die Möglichkeit zur mündlichen Anhörung. Das Vollstreckungsverfahren von Nichtbefolgungsarresten ist insgesamt sehr flexibel gestaltet, da über die Möglichkeiten des § 87 III JGG hinaus normiert ist, dass Weisungen und Auflagen nachträglich geändert und von ihnen befreit werden kann, §§ 11 II, 15 III JGG.

111 Diemer sieht dies als Bestätigung der Einstufung des Nichtbefolgungsarrests als Beugemaßnahme (Diemer, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 11, Rn. 22). Genauso kann man allerdings auch argumentieren, dass sich daraus die Natur der Ersatzmaßnahme ableiten lässt: Wenn nämlich die ursprüngliche Sanktion erfüllt ist, bedarf es keines Ersatzes mehr (siehe Kapitel D. I.). 112 Diemer, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 87, Rn. 10; Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 87, Rn. 10a.

E. Jugendarrest nach § 98 OWiG 

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E. Jugendarrest nach § 98 OWiG Ein Jugendarrest kann auch nach § 98 II Satz 1 OWiG im Vollstreckungs­ verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende verhängt werden. In diesem Kapitel werden diejenigen Aspekte des Ordnungswidrigkeitenrechts erläutert, die für Jugendliche und Heranwachsende, insbesondere zum Jugendarrest, relevant sind. Dies betrifft neben der Darstellung des Anwendungsbereichs des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) in Kapitel E. I. das Bußgeldverfahren in Kapitel E. II. sowie die Vollstreckung in Kapitel E. III. Außerdem wird der Schulabsentismus als besonders praxisrelevante Ordnungswidrigkeit in Kapitel E. IV. näher erläutert. Am Ende dieses Abschnitts erfolgt in Kapitel E. V. eine Zusammenfassung.

I. Anwendungsbereich des OWiG Das OWiG gilt gemäß § 2 OWiG für Ordnungswidrigkeiten nach Bundesrecht und nach Landesrecht. Eine Ordnungswidrigkeit ist eine rechtswidrige und vorwerf­bare Handlung, die den Tatbestand eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt, § 1 I OWiG. In Abgrenzung zu Straftaten sind dies „Delikte, deren Sanktion der Gesetzgeber zuerst der Verwaltung aufträgt“.113 Wie in § 1 I OWiG beschrieben sieht das Gesetz einheitlich die Ahndung mit einer Geldbuße vor.114 Nach § 46 I OWiG gelten für das Bußgeldverfahren, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sinngemäß die Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich der Strafprozessordnung, des Gerichtsverfassungs­ gesetzes und des Jugendgerichtsgesetzes. Für die Altersstufen heißt dies, dass über § 46 I OWiG die Altersgrenzen des § 1 II JGG entsprechend gelten, da das OWiG keine eigenen Altersgrenzen festlegt.115 1. Vorwerfbarkeit Die Vorwerfbarkeit ist in § 12 I Satz 2 OWiG i. V. m. § 3 Satz 1 JGG definiert. Nach § 12 I Satz 1 OWiG handelt nicht vorwerfbar, wer bei Begehung einer Handlung noch nicht 14 Jahre alt ist. Jugendliche, also Personen ab 14 und unter 18 Jahren, sind gemäß § 12 I Satz 2 OWiG für ihr Handeln verantwortlich, sofern 113

Krenberger / Krumm, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 1, Rn. 1. Die Nebenfolgen des Ordnungswidrigkeitenrechts werden in dieser Arbeit nicht weiter behandelt, da sie für die Fragestellung keine Relevanz haben, siehe dazu Huhle, Die Sanktionierung von jungen Menschen, 2017, S. 52 ff. 115 Von der Normierung der Altersgrenzen wurde explizit abgesehen, da „diese Begriffe in den Kerngesetzen des Strafrechts, so im Jugendgerichtsgesetz […] und im künftigen Strafgesetzbuch […], bestimmt werden“ (BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 47). 114

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3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

die Voraussetzungen des § 3 Satz 1 JGG erfüllt sind. Da die Rechtsfolgen (Geldbuße)  folglich nur unter diesen Voraussetzungen eintreten, muss auch die erste Stelle, also die Stelle, die den Bußgeldbescheid erlässt, diese prüfen. Allerdings wird dies „durch den jeweiligen Behördenvertreter […] nur weniger vertieft sein können, als es im JStrafverfahren [Jugendstrafverfahren, Anm. d. Verf.] angestrebt wird“.116 Teilweise wird sogar davon ausgegangen, dass die Prüfung des § 3 Satz 1 JGG von den Behörden übergangen wird.117 Eine interessante Überlegung zur Prüfung der Verantwortlichkeit ist, dass sich Ordnungswidrigkeiten – anders als Straftaten – oft gegen Rechtsgüter der Allgemeinheit richten und daher keine (natürliche) Person einen Schaden erleidet; dies führe dazu, dass „der Handlungsunwert oft schwer fassbar ist“118 und es schwieriger sei, „das Unerlaubte der Handlung einzusehen“.119 2. Heranwachsende Heranwachsende sind Personen ab 18 und unter 21 Jahren, § 1 II JGG. Zur Vereinfachung wurde im OWiG allerdings keine dem § 105 JGG entsprechende Prüfung der Reife vorgesehen.120 Das Gericht könne so die Entwicklung des Heranwachsenden bei verschiedenen Entscheidungen (z. B. bei der Frage der Stundung) berücksichtigen, „ohne in seiner Entschließung durch starre Regelungen eingeengt zu sein“.121 Außerdem sei eine dem § 105 JGG entsprechende Prüfung entbehrlich, da die Folgen im OWiG nicht so weitreichend seien wie im JGG.122 Nach Fromm hat der Gesetzgeber mit dieser Entscheidung bewusst darauf verzichtet, bei der Verantwortlichkeit zwischen Heranwachsenden und Erwachsenen zu differenzieren.123 Allerdings weckt die Aussage, dass Heranwachsende „sanktionsrechtlich wie Erwachsene behandelt“124 werden, einen falschen Eindruck, da das OWiG – wie bereits erläutert  – nur eine Rechtsfolge kennt und damit sogar Jugendliche materiell-rechtlich wie Erwachsene behandelt werden. Das bedeutet weiter, dass die Prüfung nach § 105 JGG im Ordnungswidrigkeitenrecht keine Bedeutung für die Auswahl der Sanktion hätte; anders als die Prüfung von § 3 JGG, bei der es grundlegender um die Verantwortlichkeit geht und bei Nichtvorliegen der Ver 116

Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 2, Rn. 24. Fromm, NZV 2016, 57 (58), wobei Fromm hier auf KK-OWiG / Rengier, 4. Aufl. 2014, § 12, Rn. 9 verweist, der allerdings nur ausführt, dass die Verantwortlichkeit im Jugendstrafrecht regelmäßig bejaht wird und dieser Praxis im OWiG zu widersprechen ist. 118 KK-OWiG / Rengier, 5. Aufl. 2018, § 12, Rn. 9. 119 KK-OWiG / Rengier, 5. Aufl. 2018, § 12, Rn. 6. So im Ergebnis auch B ­ eckOK OWiG / Coen, 19. Ed. 15.06.2018, § 12, Rn. 14 f. 120 BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 122. 121 BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 122. 122 BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 122. 123 Fromm, NZV 2016, 57 (58). 124 KK-OWiG / Rengier, 5. Aufl. 2018, § 12, Rn. 15. 117

E. Jugendarrest nach § 98 OWiG 

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antwortlichkeit keine Ahndung erfolgt. Relevant könnte das Grundprinzip des § 105 JGG allerdings bei der Bemessung der Höhe der Geldbuße werden;125 außerdem werden Heranwachsende im Vollstreckungsverfahren nach § 98 IV OWiG Jugendlichen gleichgestellt.

II. Bußgeldverfahren nach §§ 35 ff. OWiG Wie bereits gesagt kennt das OWiG als Mittel zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nur die Geldbuße. Im Folgenden werden die für diese Arbeit relevanten Abschnitte des Bußgeldverfahrens vorgestellt, §§ 35–110e OWiG. Dabei wird jeweils auf die Besonderheiten im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende eingegangen.126 1. Behördliches Bußgeldverfahren Nach § 35 I OWiG ist für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten primär die Verwaltungsbehörde zuständig, soweit nicht hierzu nach diesem Gesetz die Staatsanwaltschaft oder an ihrer Stelle für einzelne Verfolgungshandlungen der Richter berufen ist. Die „Verwaltungsbehörde“ ist im OWiG nicht weiter definiert. In Abgrenzung zur Justiz umfasst sie alle Körperschaften des öffentlichen Rechts, denen per Gesetz die Aufgabe der Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeit zugewiesen ist.127 Das (behördliche) Verfahren endet entweder mit einer Einstellung nach § 170 II StPO i. V. m. § 46 I, II OWiG oder nach § 47 I OWiG, einer Verwarnung bei geringfügigen128 Ordnungswidrigkeiten nach § 56 I Satz 1 OWiG oder einem Bußgeldbescheid. Die weitere Darstellung beschränkt sich auf den für diese Arbeit relevanten Bußgeldbescheid. a) Geldbuße Bei allen nicht geringfügigen Ordnungswidrigkeiten, in denen nach § 56 I OWiG eine Verwarnung (ggf. mit Verwarngeld)  erteilt werden kann, sieht das OWiG einheitlich die Geldbuße als Ahndungsmittel vor, weshalb eine „individulalisierte [sic] und differenzierte Ahndung der Ordnungwidrigkeit [sic] nur über die Höhe 125

So auch KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 17, Rn. 64. Das Vollstreckungsverfahren (§§ 89–104 OWiG), welches auch noch Teil des Bußgeldverfahrens ist, wird wegen der wesentlichen Besonderheiten im eigenständigen Kapitel E. III. behandelt. 127 KK-OWiG / L ampe, 5. Aufl. 2018, § 35, Rn. 6. 128 Zur Geringfügigkeit siehe z. B. KK-OWiG / Lutz, 5. Aufl. 2018, § 56, Rn. 4 f. 126

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3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

der Geldbuße möglich“129 ist. Damit ist die „Rechtsfolgenseite der Ordnungswidrigkeit […] viel einfacher und enger normiert als das ausdifferenzierte und breit gefächerte Sanktionensystem des Strafrechts“.130 Das OWiG kennt folglich auch – anders als das Strafrecht – keine speziellen Sanktionen131 für Jugendliche und Heranwachsende. Die Höhe der Geldbuße beträgt gemäß § 17 I OWiG mindestens 5 Euro und, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, höchstens 1.000 Euro. Wenn das Gesetz für vorsätzliches und fahrlässiges Handeln eine Geldbuße androht, ohne im Höchstmaß zu unterscheiden, so kann fahrlässiges Handeln im Höchstmaß nur mit der Hälfte des angedrohten Höchstbetrages der Geldbuße geahndet werden, § 17 II OWiG. Außerdem sind dem Betroffenen Zahlungserleichterungen durch Stundung (Zahlungsfrist) oder Ratenzahlung (Geldbuße in bestimmten Teilbeträgen) zu gewähren, wenn ihm nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist, die Geldbuße sofort zu zahlen, § 18 Satz 1 OWiG. Da es weder gesetzlich vorgeschriebene Fristen für die Stundung noch Grenzen für die Teilbeträge gibt, stehen diese Entscheidungen im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde.132 Vor Erlass des Bußgeldbescheides muss dem Betroffenen die Möglichkeit gegeben werden, sich zu äußern, § 55 OWiG. b) Zumessung Grundlage für die Bemessung der Geldbuße sind die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft, § 17 III Satz 1 OWiG. Außerdem können die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters betrachtet werden; bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten bleiben sie jedoch in der Regel unberücksichtigt, § 17 III Satz 2 OWiG. Gemäß § 17 IV Satz 1 OWiG soll die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen. Reicht das gesetzliche Höchstmaß hierzu nicht aus, so kann es überschritten werden, § 17 IV Satz 2 OWiG. Das OWiG benennt keine besonderen Bemessungskriterien für Jugendliche und Heranwachsende, sodass grundsätzlich die Kriterien des § 17 III OWiG zu berücksichtigen sind. Allerdings geht Mitsch davon aus, dass das Alter der Betroffenen und auch andere spezifische Eigenschaften dieser Altersgruppe bei der Bemessung 129

Mitsch, Recht der Ordnungswidrigkeiten, 2005, § 15, Rn. 1. Mitsch, Recht der Ordnungswidrigkeiten, 2005, § 14, Rn. 1. 131 Mitsch bezeichnet die Geldbuße als „staatliche Sanktion ‚sui generis‘“ (KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 17, Rn. 4). 132 Krenberger / Krumm, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 18, Rn. 6. 130

E. Jugendarrest nach § 98 OWiG 

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zu berücksichtigen sind und generalpräventive Aspekte nur eine marginale Rolle spielen können.133 Erzieherische Gesichtspunkte seien aber erst im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen.134 Argumentiert wird außerdem, dass die in § 17 III Satz 2 OWiG genannten wirtschaftlichen Verhältnisse, die bei Jugendlichen und Heranwachsenden in der Regel eher schlecht sind, nicht dazu führen, dass die Verhängung einer Geldbuße generell nicht in Betracht komme, da der Mittellosigkeit im Vollstreckungsverfahren Rechnung getragen werden könne.135 Dagegen wendet Eisenberg zu Recht ein, dass dies eine „nicht auf Besonderheiten Jugendlicher eingehende […] Auslegung“136 des § 17 III Satz 2 OWiG darstelle. Mitsch geht davon aus, dass die Geldbuße jedenfalls so zu bemessen ist, dass Jugendliche diese selbst zahlen können.137 Da die Vorgaben zur Bemessung der Geldbuße im Gesetz vage sind und oft vergleichbare Ordnungswidrigkeiten begangen werden, liegen den Verwaltungsbehörden i. d. R. auch Konkretisierungen in Form von Bußgeldkatalogen vor.138 2. Einspruch Gegen einen Bußgeldbescheid kann der Betroffene innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung schriftlich oder zur Niederschrift bei der Verwaltungsbehörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hat, Einspruch einlegen, § 67 OWiG. Wird der Einspruch nicht rechtzeitig, nicht in der vorgeschriebenen Form oder sonst nicht, z. B. nicht vom Einspruchsberechtigten, wirksam eingelegt, so verwirft ihn die Verwaltungsbehörde als unzulässig, § 69 I Satz 1 OWiG. Ist der Einspruch zulässig, so prüft die Verwaltungsbehörde, ob sie den Bußgeldbescheid aufrechterhält oder zurücknimmt, § 69 II Satz 1 OWiG. Gemäß § 69 III Satz 1 OWiG übersendet die Verwaltungsbehörde die Akten über die Staatsanwaltschaft an das Amtsgericht, wenn sie den Bußgeldbescheid nicht zurücknimmt. Die Staatsanwaltschaft legt die Akten einem Richter beim Amtsgericht vor, wenn sie weder das Verfahren einstellt noch weitere Ermittlungen durchführt, § 69 IV Satz 2 OWiG. Nach § 68 I Satz 1 OWiG ist für den Einspruch das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Verwaltungsbehörde ihren Sitz hat. Im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende ist der Jugendrichter zuständig, § 68 II OWiG.

133

KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 17, Rn. 43; 64. Des Weiteren könnten diese Grundgedanken auch auf Heranwachsende Anwendung finden (Rn. 64). 134 KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 17, Rn. 13. 135 KK-OWiG / Rengier, 5. Aufl. 2018, § 12, Rn. 13. 136 Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 2, Rn. 26. 137 KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 17, Rn. 64. 138 So auch KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 17, Rn. 93.

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3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

3. Gerichtliches Bußgeldverfahren / Hauptverfahren Das Hauptverfahren, also das Verfahren nach zulässigem Einspruch, richtet sich nach den §§ 71 ff. OWiG. Gemäß § 71 I OWiG richtet sich das Verfahren, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach den Vorschriften der StPO, die nach einem zulässigen Einspruch gegen einen Strafbefehl gelten. Hält das Gericht eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich, so kann es durch Beschluss entscheiden, wenn der Betroffene und die Staatsanwaltschaft diesem Verfahren nicht widersprechen, § 72 I Satz 1 OWiG. Anderenfalls entscheidet das Gericht darüber, ob der Betroffene freigesprochen, gegen ihn eine Geldbuße festgesetzt, eine Nebenfolge angeordnet oder das Verfahren eingestellt wird, wobei das Gericht von der im Bußgeldbescheid getroffenen Entscheidung nicht zum Nachteil des Betroffenen abweichen darf, § 72 III OWiG. Unter den Voraussetzungen des § 79 I OWiG ist gegen das Urteil und den Beschluss nach § 72 OWiG Rechtsbeschwerde zulässig. Für das Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende gelten verfahrensrechtliche Besonderheiten: Zunächst ist im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende der Jugendrichter zuständig, § 68 I, II OWiG. Das Verfahren ist außerdem – wie auch im JGG – nicht öffentlich, § 46 I OWiG, § 48 I JGG. Auch ist die Heranziehung der Jugendgerichtshilfe / Jugendhilfe im Strafverfahren vorgesehen, allerdings kann davon abgesehen werden, wenn ihre Mitwirkung für die sachgemäße Durchführung des Verfahrens entbehrlich ist, § 46 VI OWiG.139 Kritisiert wird die Nicht-Einschaltung der Jugendgerichtshilfe / Jugendhilfe im Strafverfahren vor allem in Verfahren wegen Schulabsentismus, da durch die Jugendgerichtshilfe erzieherische Gespräche und die individuelle Ausgestaltung der Ersatzmaßnahmen nach § 98 I OWiG, dann allerdings im Vollstreckungsverfahren (siehe Kapitel E. III. 2.), möglich sei.140 Außerdem sei die Jugendgerichtshilfe / Jugendhilfe im Strafverfahren insbesondere immer zu beteiligen, wenn Zweifel an der Verantwortlichkeit nach § 12 I Satz 2 OWiG bestehen.141 Krumm geht hingegen davon aus, dass das Gericht die Jugendgerichtshilfe in der Regel zu Recht nicht beteiligt, da die Terminierungspflicht nach § 50 III JGG keine Anwendung findet.142

139 Warum dies so ist, lässt sich der Entwurfsbegründung nicht entnehmen. Es erfolgt lediglich ein Verweis auf die entsprechende Regelung für das Verfahren bei Übertretungen, BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 79. In der Praxis wird die Jugendgerichtshilfe nur selten einbezogen, KK-OWiG / L ampe, 5. Aufl. 2018, § 46, Rn. 48. 140 KK-OWiG / L ampe, 5. Aufl. 2018, § 46, Rn. 48. 141 Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 38, Rn. 5; Gassner, in: Blum / Gassner / Seith, OWiG, 2016, § 46, Rn. 37; KK-OWiG / L ampe, 5. Aufl. 2018, § 46, Rn. 48. 142 Krumm, in: Blum / Gassner / Seith, OWiG, 2016, § 71, Rn. 11.

E. Jugendarrest nach § 98 OWiG 

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III. Vollstreckung Die Vollstreckung von Bußgeldentscheidungen – sowohl von Bußgeldbescheiden der Verwaltungsbehörde als auch gerichtlichen Bußgeldentscheidungen – richtet sich nach §§ 89–104 OWiG. Bußgeldentscheidungen sind gemäß § 89 OWiG vollstreckbar, wenn sie rechtskräftig geworden sind. Die Vollstreckung richtet sich gemäß § 90 I Satz 1 OWiG nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG). Zuständig für die Vollstreckung behördlicher Bußgeldentscheidungen ist die Verwaltungsbehörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hat, § 92 OWiG. Für die Vollstreckung gerichtlicher Bußgeldentscheidungen ist in der Regel die Staats­ anwaltschaft zuständig, §§ 91 OWiG, 451 I StPO; im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende gelten die §§ 82 I (Jugendrichter als Vollstreckungsleiter) und 83 II (Zuständigkeit der Jugendkammer) sowie die §§ 84 (Örtliche Zuständigkeit) und 85 V (Abgabe der Vollstreckung) des JGG gemäß § 91 OWiG sinngemäß. Im Folgenden werden das allgemeine Vollstreckungsverfahren, das ebenfalls bei Jugendlichen und Heranwachsenden Anwendung finden kann, und das besondere Vollstreckungsverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende nach § 98 OWiG vorgestellt. Abschließend wird auf das Verhältnis der beiden Möglichkeiten eingegangen. 1. Allgemeines Vollstreckungsverfahren Gemäß § 93 I OWiG kann die Vollstreckungsbehörde auch nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung Zahlungserleichterungen nach § 18 OWiG, also in Form der Stundung sowie der Zahlung in Teilbeträgen, gewähren. Wird die Geldbuße nach Eintritt der Fälligkeit nicht gezahlt, so kann diese beigetrieben (§ 95 OWiG) oder Erzwingungshaft angeordnet (§ 96 OWiG) werden. Dabei stellen die Beitreibung und die Erzwingungshaft Alternativen dar, bei denen zu prüfen ist, ob die Durchsetzung „einfacher und rascher im Wege der zwangsweisen Beitreibung oder der Anordnung des Beugemittels erreicht werden kann“.143 a) Beitreibung Wenn die im behördlichen oder im gerichtlichen Verfahren verhängte Geldbuße oder der Teilbetrag nach Ablauf einer Frist von 2 Wochen nach Eintritt der Fälligkeit nicht gezahlt ist, so kann diese nur beigetrieben werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen erkennbar ist, dass sich der Betroffene der Zahlung entziehen will, § 95 I OWiG. Eine Beitreibung ist „die zwangsweise Vollstreckung des staat­

143

BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 117.

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3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

lichen Anspruchs auf die Geldbuße oder auf die zu einer Geldzahlung verpflichtende Nebenfolge durch Ergreifung von Vollstreckungsmaßnahmen“.144 Außerdem kann die Vollstreckungsbehörde anordnen, dass die Vollstreckung unterbleibt, wenn sich ergibt, dass dem Betroffenen nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen die Zahlung in absehbarer Zeit nicht möglich ist, § 95 II OWiG. b) Erzwingungshaft Das Gericht kann auch gemäß § 96 I OWiG nach Ablauf der in § 95 I OWiG bestimmten Frist Erzwingungshaft anordnen, wenn die Geldbuße oder der bestimmte Teilbetrag einer Geldbuße nicht gezahlt ist (Nr. 1), der Betroffene seine Zahlungsunfähigkeit nicht dargetan hat (Nr. 2), er nach § 66 II Nr. 3 belehrt wurde (Nr. 3) und keine Umstände bekannt sind, welche seine Zahlungsunfähigkeit ergeben (Nr. 4). Ausweislich der Entwurfsbegründung stellt die „Erzwingungshaft kein ersatzweises Übel dar […], sondern ein Beugemittel […] zur Durchsetzung der den Betroffenen obliegenden Pflichten“.145 Damit wird das Ziel verfolgt, dass entweder die Geldbuße bezahlt oder der Vollstreckungsbehörde die Zahlungsunfähigkeit dargelegt wird.146 Damit dient die Erzwingungshaft der Vollstreckung, also der „Durchsetzung gesetzlich begründeter Pflichten“147, und ist ein Beugemittel; sie hat keinen „Sanktionscharakter“148 oder „Strafcharakter“.149 Gleichzeitig bedeutet die Einstufung als Beugemittel, dass die Geldbuße auch nach Verbüßung einer Erzwingungshaft150 zu zahlen ist, aber auch, dass der Betroffene die Vollstreckung der Erzwingungshaft jederzeit dadurch abwenden kann, dass er den zu zahlenden Betrag der Geldbuße entrichtet, § 97 II OWiG. Die Erzwingungshaft darf wegen einer Geldbuße 6 Wochen, wegen mehrerer in einer Bußgeldentscheidung festgesetzter Geldbußen 3 Monate nicht übersteigen151 und wird nach Tagen bemessen, § 96 III Satz 1, 2 OWiG. Zur Bemessung wird

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KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 95, Rn. 5. BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 117. 146 KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 95, Rn. 1. 147 KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 96, Rn. 1. 148 Mitsch, Recht der Ordnungswidrigkeiten, 2005, § 14, Rn. 1. Ähnlich auch Gassner / Nenn: „kein repressives Sanktionsmittel“ (Gassner / Nenn, in: Blum / Gassner / Seith, OWiG, 2016, § 96, Rn. 2). 149 KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 96, Rn. 1. 150 Die Erzwingungshaft sollte ausweislich der Entwurfsbegründung „kein Übel für die begangene Ordnungswidrigkeit“ sein, sondern mit ihr sollte vielmehr „nur die (rechtskräftig angeordnete) Pflicht zur Zahlung der Geldbuße erzwungen werden können“ (BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 39). 151 Das bedeutet im Umkehrschluss, dass diese Höchstdauer nicht gilt, wenn gegen eine Person mehrere Entscheidungen ergehen. Hier soll die Höchstdauer von 3 Monaten allerdings als „Leitlinie“ (KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 96, Rn. 31) gelten. 145

E. Jugendarrest nach § 98 OWiG 

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gemäß § 96 III Satz 2 OWiG auch die Höhe der Geldbuße berücksichtigt. Nach § 96 III Satz 3 OWiG darf Erzwingungshaft wegen desselben Betrages nicht wiederholt werden. Die Erzwingungshaft bedarf als Freiheitsentziehung der gericht­ lichen Entscheidung, Art. 104 II 1 GG, und wird nicht in das Bundeszentral­register eingetragen.152 2. Besonderes Vollstreckungsverfahren § 98 OWiG sieht ein besonderes Vollstreckungsverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende vor. Am Ende dieses Verfahrens steht gemäß § 98 II Satz 1 OWiG die Verhängung von Jugendarrest.153 Wie bereits angedeutet normiert § 98 OWiG eine „jugendgemäße Ausgestaltung der Vollstreckung“,154 die sich an § 11 III JGG orientiert.155 a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Altersbestimmung Das besondere Vollstreckungsverfahren kann angewendet werden bei Jugend­ lichen und Heranwachsenden, also Personen von 14 bis unter 21 Jahren. Umstritten ist, welcher Zeitpunkt für die Bestimmung des Alters relevant ist. Als mögliche Zeitpunkte werden – soweit ersichtlich – das Alter bei Begehung der Ordnungswidrigkeit sowie das Alter bei Festsetzung der Geldbuße diskutiert. Krenberger und Krumm gehen davon aus, dass das Alter zum Zeitpunkt der Begehung der Ordnungswidrigkeit relevant sei,156 allerdings wird dies nicht weiter begründet. Die h. M. stellt allerdings beim Alter auf den Zeitpunkt der Festsetzung der Geldbuße ab.157 Begründet wird dies damit, dass es sich bei § 98 OWiG um eine Vollstreckungsanordnung handle und diese gegenüber § 1 II JGG („zur Zeit der Tat“ bzw. entsprechend der Ordnungswidrigkeit) als Sonderregelung vorrangig sei.158 Außerdem wird argumentiert, dass ein Betroffener, der bei Begehung der

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Bohnert, Ordnungswidrigkeiten und Jugendrecht, 1989, S. 70; KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 96, Rn. 40. 153 Die Entwicklung der Norm lässt sich über das polizeiliche Strafverfügungsverfahren in § 52 RJGG und über die jugendrichterliche Verfügung nach § 75 JGG 1953 nachvollziehen (siehe 2. Teil, Kapitel D.). 154 ­BeckOK OWiG  / Nestler, 19. Ed. 15.06.2018, § 98, Rn. 8.1 (Detail). 155 KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 27. 156 Krenberger / Krumm, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 6. 157 ­BeckOK OWiG  / Nestler, 19. Ed. 15.06.2018, § 98, Rn. 8; Brunner / Dölling, JGG, 13. Aufl. 2018, § 82, Rn. 13; Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 82, Rn. 33; Gassner / Nenn, in: Blum / Gassner / ​Seith, OWiG, 2016, § 98, Rn. 3, KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 5; Rose, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 82, Rn. 12. 158 ­BeckOK OWiG  / Nestler, 19. Ed. 15.06.2018, § 98, Rn. 8.1 (Detail).

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3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

Ordnungswidrigkeit noch Jugendlicher / Heranwachsender war, aber bei Festsetzung der Geldbuße bereits über 20 Jahre alt ist, der erzieherischen Maßnahmen des § 98 I OWiG nicht mehr bedarf.159 Dagegen lässt sich anführen, dass diese Ansicht dann zu Nachteilen für den Betroffenen führt, wenn er einen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegt, im Anschluss eine Festsetzung durch das Gericht erfolgt und er zu diesem Zeitpunkt bereits erwachsen ist. Um diesem Vorwurf der Nachteilsentstehung bei einem Einspruch zu begegnen, wird weiter ausgeführt, dass in diesen Fällen weiter das Alter zum Zeitpunkt des Erlasses des Bußgeldbescheids durch die Behörde entscheidend ist.160 Insgesamt erschließt sich nicht, warum der Zeitpunkt der Festsetzung der Geldbuße maßgeblich sein soll. Das Argument, dass ein mittlerweile Erwachsener die erzieherischen Maßnahmen des § 98 I OWiG nicht mehr braucht, widerspricht auch dem Gedanken des JGG, nach welchem eben auch Erwachsene nach JGG sanktioniert werden können. Genau wie § 1 II JGG stellt auch § 12 OWiG auf den Zeitpunkt der Begehung der Handlung, also der Ordnungswidrigkeit, ab. Damit ist im Ergebnis der Ansicht zu folgen, dass es bei der Altersbestimmung auf den Zeitpunkt der Begehung der Ordnungswidrigkeit ankommt. Dies ist darüber hinaus der frühestmögliche Zeitpunkt und damit im Sinne der Betroffenen zu bevorzugen, da so auch bei den Personen, die bei Festsetzung der Geldbuße bereits erwachsen sind, im Einzelfall entschieden werden kann, ob das besondere Vollstreckungsverfahren angewendet wird oder nicht. Außerdem ist das Abstellen auf den Zeitpunkt der Festsetzung der Geldbuße aus rechtsstaatlichen Gründen problematisch, da so der maßgebliche Zeitpunkt vom Tätigwerden der Behörde abhinge. b) Anordnungen nach § 98 I OWiG Nach § 98 OWiG kann der Jugendrichter auf Antrag der Vollstreckungsbehörde oder, wenn ihm selbst die Vollstreckung obliegt, von Amts wegen dem Jugendlichen auferlegen, anstelle der Geldbuße eine Leistung zu erbringen, wenn die festgesetzte Geldbuße auch nach Ablauf der Frist nicht gezahlt ist, § 98 I 1 OWiG. Die Anordnung einer Ersatzmaßnahme161 setzt voraus, dass die Bewilligung einer Zahlungserleichterung, die Beitreibung der Geldbuße oder die Anordnung der Erzwingungshaft nicht möglich oder angebracht erscheint, § 98 I Satz 1 OWiG.

159 ­BeckOK OWiG  / Nestler, 19. Ed. 15.06.2018, § 98, Rn. 8.1 (Detail); KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 5. 160 ­BeckOK OWiG  / Nestler, 19. Ed. 15.06.2018, § 98, Rn. 9; KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 5. 161 Das OWiG bezeichnet diese als Anordnungen. In der Literatur werden verschiedene Begriffe verwendet, wie z. B. „Ersatzrechtsfolgen“ (Krenberger / Krumm, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 10) oder „erzieherische Maßnahmen“ (KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 4; BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 39).

E. Jugendarrest nach § 98 OWiG 

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In Betracht kommen: die Erbringung von Arbeitsleistungen (Nr. 1), die Schadenswiedergutmachung (Nr. 2),162 bei einer Verletzung von Verkehrsvorschriften die Teilnahme an einem Verkehrsunterricht (Nr. 3) und die Erbringung einer sonstigen Leistung (Nr. 4). In der Entwurfsbegründung wurden diese Maßnahmen als „Auflagen“163 bezeichnet. Außerdem wurde zu den sonstigen Leistungen auf den Weisungskatalog des § 10 JGG verwiesen und unter anderem wurden das Schreiben eines Aufsatzes und die Entschuldigung beim Verletzten genannt.164 Daher ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber darunter nicht nur die Auflagen im Sinne von § 15 JGG, sondern auch die Weisungen fassen wollte.165 Vorgaben für die Auswahl der Ersatzmaßnahme bestehen nicht. Angenommen wird allerdings, dass stets ein „innerer Zusammenhang“166 zwischen der begangenen Ordnungswidrigkeit und der Ersatzleistung bestehen sollte; für den Verkehrsunterricht ist ein solcher Zusammenhang im OWiG schon normiert („bei einer Verletzung von Verkehrsvorschriften“). Liegt dieser Zusammenhang nicht vor, so „kann es im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung an der Eignung der Maßnahme fehlen, den Zweck der Geldbuße, an deren Stelle sie tritt, zu erfüllen“.167 Außerdem muss die Ersatzmaßnahme bestimmt genug sein,168 weshalb das Gericht sowohl den Umfang als auch die Frist festlegen muss. Umstritten ist, inwieweit der Richter die Konkretisierung einer Arbeitsstelle zur Erfüllung der Anordnung nach § 98 I Satz 1 Nr. 1 OWiG der Jugendgerichtshilfe überlassen kann.169

162

Diese Anordnung wurde bereits in der Entwurfsbegründung dahingehend eingeschränkt, dass wegen eines fehlenden Verletzten i. d. R. nur eine finanzielle Wiedergutmachung in Betracht kommt, sodass dies als Ersatz der Geldbuße nur in wenigen Fällen angebracht sein sollte, BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 121. 163 BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 121. Im JGG existiert der Verkehrsunterricht nur als Weisung nach § 11 I Satz 3 Nr. 9 JGG und die Arbeitsleistungen wurden damals im Katalog der Auflagen noch nicht aufgezählt. 164 BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 121. 165 So auch KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 4, der von Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln ausgeht. 166 ­BeckOK OWiG  / Nestler, 19. Ed. 15.06.2018, § 98, Rn. 29. 167 ­BeckOK OWiG  / Nestler, 19. Ed. 15.06.2018, § 98, Rn. 29. 168 LG Kaiserslautern, Beschluss vom 20.10.2010 – 8 Qs 17/10 = ZJJ 04/2010, 431. 169 Das LG Kaiserslautern (Beschluss vom 20.10.2010 – 8 Qs 17/10 = ZJJ 04/2010, 431) hat diesbezüglich betont, dass das Gericht wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes den Umfang von Arbeitsstunden sowie die Frist festlegen muss, den Ort und die Institution allerdings nur „nach Möglichkeit“. Nicht ausreichend sei allerdings dem Betroffenen aufzuerlegen, sich selbst um eine Stelle zur Ableistung der Stunden zu bemühen. Für die Auswahl der Arbeitsstelle in Bezug auf eine Weisung nach § 10 Satz 3 Nr. 4 JGG durch die Jugendgerichtshilfe / Jugendhilfe im Strafverfahren siehe OLG Braunschweig, Beschluss vom 13.06.2012 – Ss 19/12 = NStZ 2012, 575. In Bezug auf die Konkretisierung einer Arbeitsauflage im Rahmen der Bewährung hat das OLG Hamm (Beschluss vom 06.01.2004 – 3 Ss 512/03; 3 Ws 373/03 = NStZ-RR 2004, 138) ausgeführt, dass das Bestimmtheitsgebot erfordere, dass das Gericht den Umfang, die Institution sowie Zeit und Ort festlegen muss und nicht an den Bewährungshelfer delegieren kann.

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3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

Gemäß § 98 I Satz 2 OWiG kann der Jugendrichter die Anordnungen nebeneinander treffen. Den Ersatzmaßnahmen wird „Sanktionswirkung“170 zugesprochen; durch ihre Erfüllung ist die Geldbuße erledigt.171 Auch andersherum wird die Maßnahme gegenstandslos, wenn der Betroffene die zuvor festgelegte Geldbuße noch zahlt.172 Weiterhin kann der Jugendrichter gemäß § 78 IV OWiG nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid im Hauptverfahren zusammen mit der Festsetzung der Geldbuße direkt eine Vollstreckungsanordnung nach § 98 I OWiG treffen. Dies ermöglicht dem Betroffenen sofort – und nicht erst im Vollstreckungsverfahren – die Wahl zwischen der Zahlung der Geldbuße und der Erbringung der Ersatzmaßnahme.173 Wird allerdings kein Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt, kommt es gemäß § 104 II OWiG nicht zu einer mündlichen Verhandlung und der Jugendrichter ordnet auf Antrag der Vollstreckungsbehörde oder, wenn ihm selbst die Vollstreckung obliegt, von Amts wegen anstelle der Geldbuße eine Maßnahme nach § 98 I Satz 1 OWiG an, ohne die Person gesehen und gesprochen zu haben.174 Dennoch soll die Anordnung sowohl der Persönlichkeit als auch dem Entwicklungsstand des Betroffenen entsprechen175 und ihn nicht überfordern.176 Es wird davon ausgegangen, dass der Richter zumindest in Zweifelsfällen die Jugendgerichtshilfe heranziehen kann.177 Eisenberg fordert, dass die Jugendgerichtshilfe stets vor Anordnung einer Auflage zu hören ist.178 Nach § 98 I Satz 2 OWiG kann der Jugendrichter die Anordnungen von Amts wegen oder auf Antrag des Betroffenen nachträglich ändern. So sollte der Jugendrichter ausweislich der Entwurfsbegründung „aus Gründen der Erziehung veränderte Umstände berücksichtigen und aus einer besseren Erkenntnis der Umstände des Einzelfalls entsprechende Folgerungen ziehen können“.179 Diese Möglichkeit der Änderung sollte auch dem Erziehungsgedanken Rechnung tragen und z. B. in Betracht kommen, wenn sich herausstellt, dass die Maßnahme mit einer unverhältnismäßigen Belastung für den Jugendlichen verbunden ist.180 Ausdrücklich nicht 170

Mitsch, Recht der Ordnungswidrigkeiten, 2005, § 33, Rn. 6. Mitsch, Recht der Ordnungswidrigkeiten, 2005, § 33, Rn. 6. 172 Hierfür bedarf es auch keines Aufhebungsbeschlusses, Gassner / Nenn, in: Blum / Gassner /​ Seith, OWiG, 2016, § 98, Rn. 11. 173 So auch KK-OWiG / Senge, 5. Aufl. 2018, § 78, Rn. 16. 174 Bohnert führt dazu aus, dass der Jugendrichter in diesen Fällen „nach Aktenlage und im übrigen vermutungshalber“ entscheidet (Bohnert, Ordnungswidrigkeiten und Jugendrecht, 1989, S. 18). 175 ­BeckOK OWiG  / Nestler, 19. Ed. 15.06.2018, § 98, Rn. 29; KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 20. 176 Gassner / Nenn, in: Blum / Gassner / Seith, OWiG, 2016, § 98, Rn. 4. 177 ­BeckOK OWiG  / Nestler, 19. Ed. 15.06.2018, § 98, Rn. 29; KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 20. 178 Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 82, Rn. 29. 179 BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 121. 180 BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 121. 171

E. Jugendarrest nach § 98 OWiG 

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vorgesehen ist die nachträgliche Befreiung von einer Anordnung, wie in § 11 II JGG und § 15 III JGG normiert.181 Auch können die Anordnungen nicht zwangsweise durchgesetzt, sondern lediglich überwacht werden.182 Rechtsmittel gegen die Anordnung der Maßnahme sind wegen der abschließenden Auflistung in § 104 III Satz 1 OWiG nicht möglich, § 104 III Satz 2 OWiG.183 Erfolgt allerdings keine Anordnung einer Ersatzmaßnahme, so kann der Betroffene Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung nach § 103 I Nr. 1 OWiG erheben.184 Diese stellen einen „besonderen Rechtsbehelf für das Vollstreckungsverfahren nach dem OWiG“185 dar. Zuständig für die Überwachung der Erfüllung ist gemäß §§ 92, 91 OWiG i. V. m. § 82 I Satz 1 JGG der Jugendrichter, der die Überwachung aber an die Vollstreckungsbehörde oder die Gerichtshilfe abgeben kann.186 c) Jugendarrest nach § 98 II OWiG Wenn der Jugendliche der Anordnung schuldhaft nicht nachkommt und auch die Geldbuße nicht zahlt, kann gemäß § 98 II OWiG Jugendarrest verhängt werden, wenn er entsprechend belehrt worden ist.187 Damit wird deutlich, dass die Verhängung eines Jugendarrests im Ermessen des Gerichts steht. Dazu wird ausgeführt, dass der Jugendarrest nur bei erheblichen, nicht aber bei leichten Zuwiderhandlungen in Betracht komme.188 Nach § 98 II Satz 3 OWiG189 ist dem Jugendlichen vor der Verhängung von Jugendarrest  – wie auch bei Verhängung von Nichtbefolgungsarrest  – Gelegenheit zur mündlichen Äußerung vor dem Richter zu geben. Das bedeutet aber

181

Begründet wurde dies damit, dass dem Jugendlichen durch die Befreiung die Möglichkeit genommen würde, die Anordnung anstelle der Zahlung der Geldbuße zu befolgen (BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 121). 182 ­BeckOK OWiG  / Nestler, 19. Ed. 15.06.2018, § 98, Rn. 35. 183 Gassner / Nenn, in: Blum / Gassner / Seith, OWiG, 2016, § 98, Rn. 18; Krenberger / Krumm, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 24. 184 ­BeckOK OWiG  / Nestler, 19. Ed. 15.06.2018, § 98, Rn. 31; Krenberger / Krumm, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 25. 185 KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 103, Rn. 1. 186 ­BeckOK OWiG  / Nestler, 19. Ed. 15.06.2018, § 98, Rn. 35.1 (Detail); Gassner / Nenn, in: Blum / Gassner / Seith, OWiG, 2016, § 98, Rn.  12; KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 26. 187 Argumentiert wird, dass in diesem Fall entweder Jugendarrest verhängt oder die Geldbuße beigetrieben werden kann, da die Anordnungen nicht zwangsweise durchgesetzt werden können (­BeckOK OWiG / Nestler, 19. Ed. 15.06.2018, § 98, Rn. 35; KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 26). Nestler geht darüber hinaus auch von der Möglichkeit aus, Erzwingungshaft verhängen zu können (Rn. 32). 188 KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 33. 189 § 98 II Satz 3 OWiG wurde erst später eingefügt und war in der ursprünglichen Fassung nicht vorgesehen.

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3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

auch, dass eine Anhörung nicht zwingend ist. Wenn der Jugendliche die Möglichkeit zur mündlichen Äußerung vor dem Richter nicht wahrnimmt, kann es (wenn es keinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nach §§ 73 I, 74 OWiG gab) – anders als beim Nichtbefolgungsarrest  – dazu kommen, dass der Jugendrichter den Jugendlichen nicht persönlich gesehen hat,190 denn gemäß § 104 II Satz 1 OWiG ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Dies wird, wie bereits im 3. Teil, Kapitel D. II. 3. thematisiert, kritisiert. Erhält der Jugendliche keine Möglichkeit zur mündlichen Äußerung, so kann sofortige Beschwerde eingelegt werden, da das Recht auf rechtliches Gehör verwehrt wurde.191 In § 98 II Satz 1 OWiG wird explizit auf § 16 JGG verwiesen, allerdings darf die Dauer bei einer Bußgeldentscheidung eine Woche nicht übersteigen, § 98 II 2 OWiG.192 Dabei seien bei der Bemessung insbesondere das Verschulden bei der Nichterfüllung der Ersatzmaßnahme und die Höhe der Geldbuße zu beachten.193 Auch darf Jugendarrest wegen desselben Betrags nicht wiederholt angeordnet werden, § 98 III Satz 1 OWiG. Gemäß § 98 III Satz 2 OWiG sieht das Gericht von der Vollstreckung des Jugendarrests ab, wenn der Jugendliche nach Verhängung der Weisung nachkommt oder die Geldbuße zahlt. Wurde Jugendarrest vollstreckt, so kann der Jugendrichter die Vollstreckung der Geldbuße (und damit auch der Anordnung) ganz oder zum Teil für erledigt erklären, § 98 III Satz 3 OWiG.194 Welche Kriterien bei einer solchen Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sind, „teilt das Gesetz so wenig mit wie die entsprechende Formulierung in § 15 Abs. III S. 3 JGG“.195 Weitere Regelungen zur Vollstreckung des Jugendarrests finden sich im OWiG nicht. Wie bereits erwähnt gelten gemäß § 46 I OWiG allerdings die Vorschriften des JGG im Bußgeldverfahren entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. So wird auch ganz allgemein angenommen, dass die Vorschriften des

190

Dazu ebenfalls kritisch Bohnert, Ordnungswidrigkeiten und Jugendrecht, 1989, S. 17; Breymann, ZJJ 2013, 74 (74). Eisenberg fordert (wie schon in Bezug auf die Anordnung einer Auflage), dass stets die Jugendgerichtshilfe vor Verhängung eines Arrests zu hören ist; gleiches gelte auch für die Anordnung von Erzwingungshaft (Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 82, Rn. 29). 191 KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 30. 192 Die Normierung der Dauer wurde im Zuge des 1. JGGÄndG eingefügt. In § 98 OWiG a. F. war die Dauer noch nicht explizit normiert. In der Entwurfsbegründung wird aber ausgeführt, dass sich der Jugendarrest nach § 16 JGG richtet und damit eine Höchstdauer von 4 Wochen haben kann; im jugendrichterlichen Verfügungsverfahren wegen Übertretung betrage die Höchstdauer allerdings 14 Tage, BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 121. 193 KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 32. 194 Nach Sonnen muss die Geldbuße nach „berichtigender Auslegung“ (Sonnen, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 82, Rn. 17) nach Vollstreckung des Jugendarrests für erledigt erklärt werden. 195 Bohnert, Ordnungswidrigkeiten und Jugendrecht, 1989, S. 15.

E. Jugendarrest nach § 98 OWiG 

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JGG zur Vollstreckung des Jugendarrests gelten.196 Einschränkend wird diesbezüglich argumentiert, dass die Anwendung der Vorschriften des JGG dann ausgeschlossen sein soll, wenn sie eine (allein) erzieherische Funktion haben, da dies nicht dem Zweck des § 98 II OWiG entspreche.197 Laut Mitsch fallen unter die Normen mit erzieherischer Funktion auch § 87 III und IV JGG, die daher beim Arrest nach § 98 OWiG keine Anwendung finden sollen.198 Zwar ist zumindest § 87 III JGG die erzieherische Funktion („aus Gründen der Erziehung“, § 87 III Satz 1 JGG) nicht abzusprechen, dennoch ist nicht ersichtlich, warum § 87 IV JGG nicht anwendbar sein sollte.199 Auch beim Arrest nach § 98 II OWiG können sich nach Anordnung von Jugendarrest noch Umstände ergeben, die dazu geführt hätten, dass z. B. Jugendarrest gar nicht verhängt worden wäre. Außerdem ist wohl kaum abzustreiten, dass „Erziehung“ auch in Bezug auf § 98 OWiG eine Rolle spielt, was schon aus der Umwandlung der Geldbuße in „erzieherische Maßnahmen“ hervorgeht. Daher müssen auch § 87 III, IV JGG hier Anwendung finden (siehe Kapitel B. III.). d) Rechtsnatur des Jugendarrests nach § 98 II OWiG Anders als bei der Einführung des Nichtbefolgungsarrests hat sich der Gesetzgeber zur Frage der Rechtsnatur des Arrests nach § 98 II OWiG geäußert. Ausweislich der Entwurfsbegründung sollte der Jugendarrest „eine selbstständige Unrechtsfolge dafür [sein], daß der Jugendliche richterliche Anordnungen mißachtet“.200 Daher war auch vorgesehen, dass nach Verbüßung des Jugendarrests die Geldbuße noch gezahlt oder die Ersatzleistung noch erbracht werden muss.201 Allerdings kann 196

­BeckOK JGG  / Sengbusch, 9. Ed. 01.05.2018, § 82, Rn. 27; Gassner / Nenn, in: Blum / Gassner / Seith, OWiG, 2016, § 98, Rn. 17; KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 34; Krenberger / ​Krumm, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 96, Rn. 22. 197 ­BeckOK OWiG  / Nestler, 19. Ed. 15.06.2018, § 98, Rn. 46; KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 27, 34. Mitsch geht davon aus, dass es sich lediglich um einen „willkommene[n] erzieherische[n] Nebeneffekt“ handelt, wenn „dem Jugendlichen (Heranwachsenden) durch die Verhängung des Jugendarrests eindringlich zum Bewusstsein gebracht wird, dass er künftig rechtmäßige behördliche Anordnungen zu befolgen hat“ (KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 27). 198 KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 27. Unklar insoweit Nestler, der zwar auch von der Nicht-Anwendbarkeit aller „Vorschriften, die allein erzieherischen Belangen dienen“, ausgeht, allerdings keine konkreten Normen nennt (­BeckOK OWiG / Nestler, 19. Ed. 15.06.2018, § 98, Rn. 46). 199 Auch Krenberger / Krumm (OWiG, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 22) sowie Gassner / Nenn (in: Blum / Gassner / Seith, OWiG, 2016, § 98, Rn. 17) gehen von der uneingeschränkten Anwendung der §§ 85 ff. JGG analog aus. 200 BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 121. So auch ohne weitere Erklärung Gassner / Nenn, in: Blum / Gassner / Seith, OWiG, 2016, § 98, Rn. 1. 201 BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 121. Kritisch dazu Bohnert, Ordnungswidrigkeiten und Jugendrecht, 1989, S. 15 f.

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3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

der Jugendrichter, wie bereits erläutert, gemäß § 98 III Satz 3 JGG nach der Vollstreckung des Jugendarrests die Vollstreckung der Geldbuße ganz oder zum Teil für erledigt erklären,202 was dem § 15 III Satz 3 JGG zu Auflagen entspricht. Gegen die Einstufung als selbstständige Unrechtsfolge sprechen sich heute richtigerweise Teile der Literatur aus. Als Argument wird angeführt, dass Ungehorsam keinen Tatbestand darstelle und eine solche Bewertung dem strafrechtlichen Selbstbegünstigungsprinzip widerspreche.203 Der Arrest könne daher nur eine „willensbeugende Maßnahme“204 darstellen, um den Jugendlichen dazu zu bewegen, entweder die Geldbuße zu zahlen oder die Ersatzmaßnahme zu erfüllen.205 3. Diskussion Das besondere Vollstreckungsverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende nach § 98 II OWiG ist allerdings nicht zwingend, vielmehr kann die Vollstre­ckung auch im allgemeinen Verfahren (Beitreibung und Erzwingungshaft) erfolgen. Die Anordnung von Erzwingungshaft gegen Jugendliche und Heranwachsende ist damit zwar zulässig, soll aber nach heute h. M. nur in Ausnahmefällen verhängt werden.206 Eisenberg begründet den regelmäßigen Ausschluss der Erzwingungshaft gegenüber Jugendlichen und Heranwachsenden ganz allgemein mit „erzieherischen Gründen“;207 Krenberger und Krumm gehen davon aus, dass Erzwingungshaft „unter dem Vorbehalt des Erziehungsgedankens“208 steht. Nestler spricht die „negativen Auswirkungen“209 an, weshalb die Anordnung von Erzwingungshaft nicht verhältnismäßig sei und das besondere Vollstreckungsverfahren Anwendung finden solle. Jugendarrest ist zwar auch wie die Erzwingungshaft Freiheitsentzug, allerdings zeigen sich Unterschiede bei der Dauer und beim Vollzug. Während die Dauer des Jugendarrests nach § 98 II Satz 2 OWiG bei einer Bußgeldentscheidung 202

Nicht normiert war damals, dass der Richter von der Vollstreckung des Jugendarrests absieht, wenn der Jugendliche nach Verhängung der Weisung nachkommt oder die Geldbuße zahlt, § 98 III Satz 2 OWiG. Dies wurde eingeführt durch das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch von 1974 (siehe 2. Teil, Kapitel E. III.). 203 KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 27. 204 KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 27. 205 ­BeckOK OWiG  / Nestler, 19. Ed. 15.06.2018, § 98, Rn. 36. 206 ­BeckOK OWiG  / Nestler, 19. Ed. 15.06.2018, § 96, Rn. 6; KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 96, Rn. 38; Krenberger / Krumm, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 96, Rn. 26 (bei Jugendlichen nicht, bei Heranwachsenden ausnahmsweise). Gassner / Nenn gehen davon aus, dass die Anordnung von Erzwingungshaft nur in Betracht kommt, „wenn nicht nach § 98 zu verfahren ist“ (Gassner / ​Nenn, in: Blum / Gassner / Seith, OWiG, 2016, § 96, Rn. 3), wobei sie dies nicht weiter ausführen. 207 Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 82, Rn. 32. 208 Krenberger / Krumm, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 96, Rn. 1. 209 ­BeckOK OWiG  / Nestler, 19. Ed. 15.06.2018, § 96, Rn. 6.

E. Jugendarrest nach § 98 OWiG 

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eine Woche nicht übersteigen darf, darf die Dauer der Erzwingungshaft gemäß § 96 III Satz 1 OWiG wegen einer Geldbuße 6 Wochen, wegen mehrerer in einer Bußgeldentscheidung festgesetzter Geldbußen 3 Monate nicht übersteigen und ist damit wesentlich länger. Auch der Vollzug unterscheidet sich: Während sich der Jugendarrest nach § 98 II OWiG nach den Vorschriften des JGG und der Landesjugendarrestvollzugsgesetze richtet, ist der Vollzug der Erzwingungshaft in den jeweiligen Vollstreckungsplänen der Bundesländer unterschiedlich geregelt, z. B. wird die Erzwingungshaft an Jugendlichen und Heranwachsenden in den für den Vollzug der Jugendstrafe zuständigen Justizvollzugsanstalten210 oder in den zum Vollzug der Untersuchungshaft bestimmten Justizvollzugsanstalten211 vollzogen. In Niedersachsen kann die Erzwingungshaft an Jugendlichen und Heranwachsenden auf Beschluss des Richters allerdings auch in einer Jugendarrestanstalt vollstreckt werden.212 Findet das Vollstreckungsverfahren nach § 97 OWiG Anwendung, so gelten gemäß § 97 I OWiG im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende auch § 82 I, § 83 II sowie die §§ 84 und 85 IV JGG sinngemäß. Danach wird insbesondere die Erzwingungshaft vom Jugendrichter angeordnet.213

IV. Exkurs: Die Verletzung der Schulpflicht als Ordnungswidrigkeit Von besonderer Relevanz214 bei Ordnungswidrigkeiten von Jugendlichen und Heranwachsenden ist die Verletzung der Schulpflicht (auch bezeichnet als „Schulschwänzen“, „Schulphobie“, „Schulabsentismus“ oder „Schulverweigerung“215). Über die Verletzung der Schulpflicht wird zwar oft im pädagogisch-psychologi 210 Vollstreckungsplan für das Land Hessen, Stand: 01.11.2017, Abschnitt 2, 5., Nr. (4) c); Vollstreckungsplan für das Saarland, Stand: 18.08.2016, Nummer 2.7 i. V. m. Nr. 2.4. 211 Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz über den Vollstreckungsplan für den Freistaat Sachsen (VwV-Vollstreckungsplan), Stand: 18.05.2015, Ziffer VII, Nummer 3 i. V. m. Ziffer II, Nummer 1; Vollstreckungsplan für den Freistaat Bayern (BayVollstrPl), Stand: 10.02.2017, Siebter Abschnitt, Nummer 22; Vollstreckungsplan für das Land Baden-Württemberg, Stand: 01.06.2017, Nummer 9. 212 Vollstreckungs- und Einweisungsplan für das Land Niedersachsen, Stand: 01.07.2018, Teil 1, Nummer 4.6, S. 7. Dies fordern auch Brunner / Dölling (JGG, 13. Aufl. 2018, § 82, Rn. 10) für Jugendliche und Krenberger / Krumm (OWiG, 5. Aufl. 2018, § 96, Rn. 26) wohl generell. Keine Diskussion findet diesbezüglich statt zu der Höchstdauer der Erzwingungshaft, welche diejenige des Jugendarrests übersteigt. 213 Zur örtlichen Zuständigkeit des Jugendrichters für die Vollstreckung der Erzwingungshaft im Bußgeldverfahren siehe OLG Hamm, Beschluss vom 16.06.1998 – 3 (s) Sbd.1 – 5/98; zur Zuständigkeit für die Vollstreckung von Erzwingungshaft gegen Heranwachsende siehe BGH, Beschluss vom 24.07.2002 – 2 ARs 178/02 = BeckRS 2002, 30274325 (beck-online). 214 Zu aktuellen Zahlen Ernst / Höynck, ZJJ 2018, 312 (315 ff.). 215 Ricking, Schulabsentismus als Forschungsgegenstand, 2003, S. 61. Zum Begriff z. B. auch Lenzen / Brunner / Resch, Z Kinder Jug-Psych 2016, 101 (102) und Wagner, RdJB 2012, 35 (37 f.).

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3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

schen, medizinischen und soziologischen Bereich diskutiert,216 sie findet aller­ dings wenig Aufmerksamkeit in der juristischen Debatte, obwohl das Thema verschiedene Rechtsgebiete wie das Schulrecht, das Ordnungswidrigkeitenrecht, das Jugendstrafrecht sowie das Jugendhilferecht umfasst;217 außerdem existieren Schnittstellen zum Familienrecht.218 Im Folgenden werden die ursprüngliche juristische Wertung der Verletzung der Schulpflicht sowie die aktuelle rechtliche Ausgestaltung in den Landesschulgesetzen, am Beispiel von Hessen, beleuchtet. 1. Entwicklung der rechtlichen Einordnung Nach § 14 I des Gesetzes über die Schulpflicht im Deutschen Reich (Reichsschulpflichtgesetz) vom 6. Juli 1938,219 geändert durch das Gesetz zur Änderung des Reichsschulpflichtgesetzes vom 16. Mai 1941,220 wurde mit Geldstrafe bis zu 150 Reichsmark oder mit Haft bestraft, wer den Bestimmungen über die Schulpflicht vorsätzlich oder fahrlässig zuwiderhandelt, sofern nicht nach anderen Gesetzen eine höhere Strafe verwirkt ist. Mit Einführung des Grundgesetzes ging die Gesetzgebungskompetenz auf die Länder über. Dies führte dazu, dass die Landesgesetzgeber die Verletzung der Schulpflicht unterschiedlich als Ordnungswidrigkeit, als Straftat (teilweise in Form einer sogenannten Übertretung221 und später als Vergehen) oder – abhängig von Hartnäckigkeit und Häufigkeit – als Ordnungswidrigkeit oder Straftat einstuften.222 In den Ländern, in denen ein Verstoß gegen die Schulpflicht mit Strafe bedroht war, musste der Schulleiter oder die Aufsichtsbehörde einen Strafantrag stellen.223 Als Rechtsfolgen kamen diejenigen des damals geltenden JGG in Betracht, sofern der Tatbestand, die Rechtswidrigkeit und die Schuld festgestellt wurden.224 Die Einstufung als Ordnungswidrigkeit hingegen diente nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum Hessischen Schulpflichtgesetz von 1961 der Entlastung der Gerichte sowie der Beschleunigung und sollte „den Erfordernissen der Schul­

216

Ricking, Schulabsentismus als Forschungsgegenstand, 2003, S. 19. Weiterführend dazu Fischer / Meysen, FPR 2007, 473 (473 ff.). 218 Raack, FPR 2007, 478 (478 ff.). 219 RGBl. 1938, Teil I, S. 799. 220 RGBl. 1941, Teil I, S. 282. 221 Durch das Zweite Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 04.07.1969 (BGBl. 1969, Teil I, S. 17) wurde die bisherige Dreiteilung der Straftaten im Allgemeinen Teil des StGB zugunsten der Zweiteilung in Verbrechen und Vergehen aufgegeben und die Deliktsform der Übertretungen beseitigt. 222 Potrykus, RdJ 1962, 375 (375 f.); Schnitzerling, RWS 1960, 79 (79); Winter, RdJB 1978, 408 (408 f.). 223 Schnitzerling, RWS 1960, 79 (80). 224 Schnitzerling, RWS 1960, 79 (80). 217

E. Jugendarrest nach § 98 OWiG 

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wirklichkeit Rechnung“225 tragen. Dazu wurde ausgeführt, dass der früher als „Strafdelikt ausgezeichnete Verstoß […] im Rahmen der sog. Entkrimina­lisierung Verwaltungsrecht geworden“226 ist. In diesen Fällen fand das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 25. März 1952227 Anwendung. Die unterschiedlichen Einstufungen der Landesschulgesetze deuteten laut Winter darauf hin, dass „die Landesgesetzgeber unsicher in der Bewertung dieser Verstöße sind und offenbar auch nur unzureichende sanktionstheoretische Überlegungen darauf verwandt haben“.228 Potrykus verwies darauf, dass es keinen Grund für die unterschiedliche Einstufung durch die Landesgesetzgeber gebe und eine einheitliche Regelung sinnvoll sei.229 Sowohl Schnitzerling als auch Potrykus sahen in der Verletzung der Schulpflicht eine Straftat, gegen welche die Geldbuße keine angemessene Reaktionsform darstelle.230 Zudem nehme das OWiG, in dem es zu diesem Zeitpunkt noch kein besonderes Vollstreckungsverfahren für Jugendliche und Heranwachsende gab, „auf die Besonderheiten des Jugendalters in keiner Weise Rücksicht […] und [ist] hierauf bewußt auch gar nicht zugeschnitten“.231 Der Verwaltung würden völlig sachfremde Aufgaben zugemutet, wenn z. B. eine Prüfung der Voraussetzungen des § 3 I JGG erfolgen müsse.232 Durch das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten 1968 wurde das besondere Vollstreckungsverfahren für Jugendliche und Heranwachsende in § 98 OWiG normiert (siehe Kapitel E. III. 2.). Winter verwies allerdings auch nach Einführung dieses Vollstreckungsverfahrens auf die Probleme, die mit der Bewertung einer Schulpflichtverletzung als Ordnungswidrigkeit entstehen, und erläuterte z. B., dass das Verfahren sowie die Geldbuße nicht „auf den jugendlichen Täter zugeschnitten“233 seien. Daher befürwortete Winter auch nach der Einführung des § 98 OWiG unter 225

Aus der Begründung des Regierungsentwurfs zum Hessischen Schulpflichtgesetz von 1961 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen, GVBl. Nr. 13 vom 19.05.1961), zitiert nach Winter, RdJB 1978, 408 (410). 226 Schnitzerling, RWS 1960, 79 (80). 227 BGBl. 1952, Teil I, S. 177. Zur Geschichte des Ordnungswidrigkeitenrechts siehe auch Mitsch, Recht der Ordnungswidrigkeiten, 2005, § 4, Rn. 1 ff. 228 Winter, RdJB 1978, 408 (409). 229 Potrykus, RdJ 1962, 375 (375). 230 Potrykus, RdJ 1962, 375 (376 f.); Schnitzerling, RWS 1960, 79 (81). Potrykus sah in der hartnäckigen Verletzung der Schulpflicht ein „Alarmzeichen einer beginnenden kriminellen Entwicklung“. Er schlug zwar vor, „innerhalb des Ordnungswidrigkeitengesetzes einen besonderen Abschnitt über die Behandlung der Ordnungswidrigkeiten Jugendlicher und Heranwachsender einzubauen“ und die Maßnahmen nach dem OWiG zu erweitern; allerdings verwarf er diesen Gedanken mit dem Argument, dass „dann gegen die minderjährigen Ordnungswidrigkeitentäter einschneidendere Maßnahmen als gegen die Erwachsenen verhängt werden können“ [Potrykus, RdJ 1962, 375 (377)]. 231 Potrykus, RdJ 1962, 375 (376). Eine spezielle Regelung zur Vollstreckung gegen Jugendliche und Heranwachsende wurde erstmals in § 98 OWiG 1968 aufgenommen (siehe 2. Teil, Kapitel E. II.). 232 Potrykus, RdJ 1962, 375 (376 f.). So auch Schnitzerling, RWS 1960, 79 (81). 233 Winter, RdJB 1978, 408 (416 f.).

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3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

anderem wegen der flexibleren Reaktionsmöglichkeiten die Lösung über das Jugendstrafrecht.234 Mittlerweile ist bis auf das Schulgesetz für das Land Berlin, welches keine Sanktionierung für die Schulpflichtigen vorsieht, in allen Schulgesetzen die Verletzung der Schulpflicht für den Schulpflichtigen selbst als Ordnungswidrigkeit eingestuft.235 Darüber hinaus sind in den Landesschulgesetzen auch Ordnungswidrigkeiten für Dritte, wie z. B. für Erziehungsberechtigte, normiert. Einige Landesschulgesetze sehen neben Ordnungswidrigkeiten auch Straftatbestände mit der Verhängung von Geld- oder Freiheitsstrafe gegen Dritte vor. Im Hessischen Schulgesetz wird z. B. mit Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bestraft, wer einen anderen der Schulpflicht dauernd oder hartnäckig wiederholt entzieht, § 182 I HSchG (Hessisches Schulgesetzes).236 2. Verfahren gegen Schulpflichtige am Beispiel des Landes Hessen Nachfolgend wird das Verfahren gegen die Schulpflichtigen am Beispiel von Hessen erläutert.237 Nach § 181 I Nr. 1 HSchG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig als Schulpflichtiger nach Vollendung des 14. Lebensjahres die Pflichten nach §§ 60, 61 I HSchG (Erfüllung der Vollzeitschulpflicht) oder nach §§ 63 I, II, III, 64 I HSchG (Erfüllung der Berufsschulpflicht) verletzt. a) Einleitung des Verfahrens Ob die Schulleitung einen Antrag auf Einleitung des Bußgeldverfahrens – ggf. nach der Durchführung pädagogischer Maßnahmen sowie dem Versand von Mahnschreiben an Erziehungsberechtigte238 – bei der zuständigen Behörde stellt, steht in ihrem Ermessen.239 Die nach §§ 35 I, 36 I Nr. 1 OWiG sachlich zuständige Verwaltungsbehörde ist teilweise in den Landesschulgesetzen bestimmt; ansonsten richtet sich die Zuständigkeit nach § 36 I Nr. 2 OWiG. In Hessen ist z. B. gemäß § 181 IV

234

Winter, RdJB 1978, 408 (417). Übersicht bei Ernst / Höynck, ZJJ 2018, 312 (313, Fn. 9). 236 Zur Verurteilung einer Mutter zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten wegen Entziehens ihres Sohns von der Schulpflicht siehe OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 18.03.2011 – 2 Ss 413/10 = NStZ-RR 2011, 287 f. und zur Verhängung einer Geldstrafe siehe BVerfG, Beschluss vom 15.10.2014 – 2 BvR 920/14 = NJW 2015, 44 ff. 237 Hessen wurde als Beispiel ausgewählt, da die Erhebung in Hessen durchgeführt wurde und sich die Auswertungen dementsprechend auch auf Hessen beziehen. 238 Dazu Hessisches Kultusministerium, Schulvermeidung, 2017, S. 34. 239 Ernst / Höynck, ZJJ 2018, 312 (313). Laut Fischer / K ick, die sich allerdings nur auf Bayern beziehen, entscheidet die Schulleitung „unter Ausübung ihres pädagogischen Ermessens“ [Fischer / Kick, Sozialmagazin 2010, 24 (32)]. 235

E. Jugendarrest nach § 98 OWiG 

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Satz 2 HSchulG die untere Schulaufsichtsbehörde Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 I Nr. 1 OWiG, also die 15 Staatlichen Schulämter.240 b) Geldbuße Die Geldbuße wird nach Anhörung (§ 55 OWiG) durch Bescheid der zuständigen Behörde – in Hessen vom zuständigen Staatlichen Schulamt – festgesetzt. In einigen Landesschulgesetzen ist die Höhe der Geldbußen festgelegt: Gemäß § 42 II des Gesetzes über die Schulen im Land Brandenburg (Brandenburgisches Schulgesetz – BbgSchulG) kann eine Ordnungswidrigkeit (sowohl für Dritte als auch für Schüler) mit einer Geldbuße bis zu 2.500 Euro geahndet werden.241 In § 65 I Bremisches Schulgesetz (BremSchulG) wird zwischen den Ordnungswidrigkeiten unterschieden: Gegen Schulpflichtige kann eine Geldbuße bis zu 500 Euro verhängt werden, gegen Erziehungsberechtigte für die Verletzung der Schulpflicht eine Geldbuße bis zu 1.000 Euro. Wenn die Höhe der Geldbuße, wie im Hessischen Schulgesetz, nicht festgelegt ist, richtet sich die Höhe grundsätzlich nach den allgemeinen Regelungen im OWiG (siehe Kapitel E. II.). Allerdings ist im Erlass des Hessischen Kultusministeriums zur Vereinheitlichung des Verfahrens zur Bearbeitung von Ordnungswidrigkeiten nach § 181 Hessisches Schulgesetz242 ein „landeseinheitlich geltende[r] Bußgeldkatalog“243 enthalten. Danach beträgt das Bußgeld für Schüler von Allgemeinbildenden Schulen pro unentschuldigtem oder nicht ausreichend entschuldigtem Fehltag 5 Euro und im Wiederholungsfall 7,50 Euro; 5 Fehlstunden werden dabei zu einem Tag addiert. Der Höchstsatz für Schüler beträgt 250 Euro bzw. 300 Euro im Wiederholungsfall. Berufsschüler zahlen 7,50 Euro bzw. 10 Euro pro Fehltag und der Höchstsatz liegt bei 300 Euro bzw. 400 Euro. Allerdings ist § 31 II Nr. 4 OWiG zu beachten: Die Verfolgung von Schulpflichtverletzungen verjährt nach 6 Monaten, weshalb die Fehlstunden bzw. -tage bei Antragstellung nicht mehr als 6 Monate zurückliegen dürfen.244

240 Schulämter mit Sitz in Bebra, Darmstadt, Frankfurt am Main, Friedberg, Fritzlar, Fulda, Gießen, Hanau, Heppenheim, Kassel, Marburg, Offenbach am Main, Rüsselsheim am Main, Weilburg und Wiesbaden. 241 So auch in Mecklenburg-Vorpommern, § 139 II SchG M–V. In Rheinland-Pfalz und Thüringen beträgt die Geldbuße bis zu 1.500 Euro (§ 99 II SchG Rheinland-Pfalz; § 59 II SchG Thüringen) und in Sachsen bis zu 1.250 Euro (§ 61 II SchG Sachsen). 242 Hessisches Kultusministerium, Erlass zur Vereinheitlichung des Verfahrens zur Bearbeitung von Ordnungswidrigkeiten nach § 181 Hessisches Schulgesetz, ABl. 2013 S. 423 vom 15.08.2013. 243 Hessisches Kultusministerium, Schulvermeidung, 2017, S. 35. 244 Hessisches Kultusministerium, Schulvermeidung, 2017, S. 35.

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3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

c) Zeitraum zwischen Schulabsentismus und Arrestvollstreckung Kritisiert wird, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen (dem Beginn) der Verlet­ zung der Schulpflicht und der Arrestvollstreckung liegt; die Rede ist von ein bis 3 Jahren.245 Dies liegt natürlich auch an den vielen Zwischenschritten (ggf. Zahlungserleichterung, Anordnung einer Maßnahme mit Frist zur Erfüllung, ggf. Änderung der Anordnung nach § 98 I Satz 2 OWiG), allerdings kann es so passieren, dass die Betroffenen zum Zeitpunkt der Verbüßung wieder die Schule besuchen oder aber gar nicht mehr schulpflichtig246 sind. Diesem Umstand wurde in einigen Schulgesetzen mittlerweile entgegengewirkt: So normiert § 126 II Satz II Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (SchulG NRW), dass die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit bei Verletzung der Schulpflicht nach Entlassung des Schulpflichtigen aus der Schule unzulässig ist. Demnach kann der Arrest nach Ende der Schulpflicht nicht mehr vollstreckt werden.247

V. Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das OWiG ein besonderes Vollstreckungsverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende vorsieht, wobei die Vollstreckung unter den genannten Besonderheiten auch im allgemeinen Verfahren erfolgen kann. Das besondere Vollstreckungsverfahren zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass die ursprünglich verhängte Geldbuße durch Maßnahmen aus dem Jugendstrafrecht ersetzt werden kann. Außerdem kann Jugendarrest angeordnet werden, wenn der Betroffene weder die Geldbuße bezahlt noch die Ersatzmaßnahme erbringt. Zuständig für die Anordnung der Ersatzmaßnahme und die Verhängung von Jugendarrest ist der zuständige Jugendrichter.

F. Rechtsmittel In Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende finden grundsätzlich die rechtsmittelrechtlichen Vorschriften der §§ 296–358 StPO, unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Jugendstrafverfahrens, Anwendung, soweit das JGG nichts anderes bestimmt, § 2 II JGG. Abweichend davon normiert § 55 I JGG eine sachliche und § 55 II JGG eine instanzielle Rechtsmittelbeschränkung.

245

Ernst / Höynck, ZJJ 2018, 312 (319); so auch schon Höynck / Klausmann, ZJJ 2012, 403 (409). 246 Wer schulpflichtig ist, ist in den Bundesländern ebenfalls unterschiedlich. In Hessen dauert die Vollzeitschulpflicht in der Regel 9 Jahre, § 59 I Satz 1 HSchG. Dies schließt auch ein, dass volljährige Personen schulpflichtig sein können. 247 Dazu auch Breymann, ZJJ 2013, 74 (74); Höynck / Klausmann, ZJJ 2012, 403 (409).

F. Rechtsmittel

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Bei der Verhängung von Jugendarrest nach § 16 JGG ist die inhaltliche Rechtsmittelbeschränkung gemäß § 55 I Satz 1 JGG von besonderer Bedeutung. Danach kann eine Entscheidung, in der lediglich Erziehungsmaßregeln (außer der Anordnung, Hilfe zur Erziehung in Anspruch zu nehmen) oder Zuchtmittel angeordnet oder die Auswahl und Anordnung von Erziehungsmaßregeln dem Familiengericht überlassen sind, nicht wegen des Umfangs oder der Art der Maßnahmen angefochten werden. Bei einer Entscheidung, in der auf die genannten Rechtsfolgen erkannt wurde, ist eine Anfechtung folglich nur mit der Begründung möglich, dass die Schuldfrage falsch beurteilt wurde oder die verhängte Rechtsfolge rechtswidrig ist. Allerdings kann bei dieser Prüfung – unabhängig von der Beantwortung der Schuldfrage – auch neu über die Sanktion entschieden werden, das Rechtsmittelgericht ist also nicht an die erstinstanzliche Entscheidung gebunden.248 Um zu verhindern, dass durch die Prüfung der Schuldfrage indirekt auch die Rechtsfolgenentscheidung angefochten wird, wird von der Rechtsprechung mittlerweile gefordert, das zulässige Ziel des eingelegten Rechtsmittels klar zu benennen.249 Eine Besonderheit gilt für den Arrest nach § 16a JGG: Gemäß § 59 I Satz 1 JGG ist gegen eine Entscheidung, durch welche die Aussetzung der Jugendstrafe angeordnet oder abgelehnt wird, wenn sie für sich allein oder nur gemeinsam mit der Entscheidung über die Anordnung eines Jugendarrests nach § 16a angefochten wird, die sofortige Beschwerde zulässig. Der Jugendarrest neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe kann wegen des inneren Zusammenhangs mit der Jugendstrafe nicht selbständig angefochten werden, sondern nur in Verbindung mit der Anordnung der Aussetzung.250 Richtet sich das Rechtmittel nicht nur gegen die Aussetzungsentscheidung, ggf. zusammen mit dem Jugendarrest nach § 16a JGG, sind Berufung und Revision statthaft, wobei im Rechtsmittelverfahren dann auch über die Bewährungsfrage entschieden wird.251 Die sachliche Rechtsmittelbeschränkung des § 55 I JGG wird schon lange diskutiert und kritisiert.252 Zum Teil wird die Abschaffung der Rechtsmittelbeschränkung gefordert;253 zum Teil wird gefordert, besonders einschneidende Sanktionen

248

BGH, Urteil vom 10.07.2013, 1 StR 278/13 = NStZ 2013, 659 (659). Siehe auch Brunner  / ​ Dölling, JGG, 13. Aufl. 2018, § 55, Rn. 23; MüKoStPO / Kaspar, StPO, 2018, § 55 JGG, Rn. 62 f.; Schady, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 55, Rn. 24. 249 So z. B. BVerfG, Beschluss vom 06.07.2007, 2 BvR 1824/06; BGH, Urteil vom 10.07.2013, 1 StR 278/13 = NStZ 2013, 659 (660); BGH, Beschluss vom 07.09.2017, 5 StR 407/17; OLG Hamm, Beschluss vom 07.02.2017, 5 RVs 6/17. Siehe dazu auch Bartsch, ZJJ 2016, 112 (114); Penkuhn, ZJJ 2014, 371 (374 f.). 250 BT-Drucks. 17/9389, 24.04.2012, S. 15. 251 Siehe dazu Meier, in: Meier / Rössner / Trüg / Wulf, JGG, 2. Aufl. 2014, § 59, Rn. 2 ff. 252 Dazu z. B. schon Potrykus, JGG, 1952, § 40, Bemerkung 1.  253 Dünkel, RdJB 2014, 294 (296); Penkuhn, ZJJ 2014, 371 (376). Etwas zurückhaltender wird vorgeschlagen, über eine Änderung oder Abschaffung des § 55 JGG nachzudenken, Bartsch, ZJJ 2016, 112 (118); ähnlich formulierte auch Kaspar „berechtigte Kritik“ (MüKoStPO / Kaspar, StPO, 2018, § 55 JGG, Rn. 8a).

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3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

aus der inhaltlichen Rechtsmittelbeschränkung herauszunehmen, explizit genannt wird hier der Jugendarrest, zumindest der Dauerarrest.254 Auch in unterschiedlichen Gesetzgebungsverfahren wurde bereits Reformbedarf hinsichtlich der Rechtsmittelbeschränkung identifiziert, z. B. im Gesetzgebungsverfahren zum 1. JGGÄndG.255 Aufgrund fehlender Lösungsvorschläge wurde § 55 JGG allerdings nicht geändert, woraufhin der Rechtsausschuss die Bundesregierung in seinem Bericht zum Gesetzentwurf zum 1. JGGÄndG explizit aufforderte, das Thema im zweiten JGGÄndG aufzugreifen,256 was allerdings nicht geschah. Für eine Lockerung bzw. Streichung der Rechtsmittelbeschränkung wird insbesondere vorgebracht, dass diese sich nicht mit internationalen Übereinkommen in Einklang bringen lässt; verwiesen wird oft exemplarisch auf Art. 40 II, Buchstabe b, Ziffer V der UN-Kinderrechtskonvention.257 Danach hat ein Kind, wenn es einer Verletzung der Strafgesetze überführt ist, das Recht, die Entscheidung und alle als Folge davon verhängten Maßnahmen durch eine zuständige übergeordnete Behörde oder ein zuständiges höheres Gericht, die unabhängig und unparteiisch sind, entsprechend dem Gesetz nachprüfen zu lassen.258 Gegen die Rechtsmittelbeschränkung werden außerdem grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht, die sich vor allem auf den Grundsatz der Nichtschlechterstellung Jugendlicher aus Art. 3 I GG stützen.259 Dem wird entgegengehalten, dass das Gleichbehandlungsgebot hier nicht verletzt sei, da die Rechtsmittelbeschränkung nicht nur für den Jugendlichen, sondern auch für die Staatsanwaltschaft gilt.260 Die Sonderregelung des JGG sei außerdem mit der beabsichtigten erzieherischen Wirkung zu rechtfertigen.261

254

Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 55, Rn. 33 („trotz Bedenken […] um extremen Praktiken […] zu begegnen“); Laue, NStZ 2016, 107 (108 f.); Schady, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, Grundlagen zu den § 55 und 56, Rn. 6. 255 So wurde das Rechtsmittelverfahren als Problembereich beschrieben, BT-Drucks. 11/5829, 27.11.1989, S. 14; siehe dazu auch 2. Teil, Kapitel G. I. 256 BT-Drucks. 11/7421, 19.06.1990, S. 3. 257 Bartsch, ZJJ 2016, 112 (115); Dünkel, RdJB 2014, 294 (296); Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 55, Rn. 33; Ostendorf, ZJJ 2016, 120 (124); Penkuhn, ZJJ 2014, 371 (376); Schatz, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 55, Rn. 8. 258 Dieses Recht auf eine „zweite Instanz“ findet sich auch in Art. 7.1 der Mindestgrundsätze für die Jugendgerichtsbarkeit der Vereinten Nationen von 1985 („Beijing-Grundsätze“) und in Art. 14 Abs. 5 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR). 259 Bartsch, ZJJ 2016, 112 (115); Dünkel, RdJB 2014, 294 (296); Penkuhn, ZJJ 2014, 371 (376). 260 Laue, in: Meier / Rössner / Trüg / Wulf, JGG, 2. Aufl. 2014, § 55, Rn. 5. 261 BVerfG, Beschluss vom 06.07.2007, 2 BvR 1824/06; Laue, in: Meier / Rössner / Trüg / Wulf, JGG, 2. Aufl. 2014, § 55, Rn. 5; Schatz, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 55, Rn. 6. In der Entscheidung aus 2007 hatte das Bundesverfassungsgericht die Rechtsmittel­ beschränkung des § 55 JGG in der Sache gebilligt.

F. Rechtsmittel

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Als Argument für die Beibehaltung der Rechtsmittelbeschränkung wurde zudem stets der Beschleunigungsgrundsatz im Jugendstrafverfahren genannt und ausgeführt, dass eine schnelle Erledigung des Verfahrens zur Erreichung einer erzieherischen Wirkung erforderlich sei.262 Die Heranziehung des Beschleunigungsgrundsatzes wird andererseits stark kritisiert; insbesondere wird darauf hingewiesen, dass eine positive Wirkung empirisch nicht nachgewiesen sei263 und die Umsetzung schon wegen der regelmäßig langen Verfahrensdauer fraglich sein dürfte.264 Angezweifelt wird auch, dass der ebenfalls vom Gesetzgeber betonte erzieherische Wert des Festhaltens an einer getroffenen gerichtlichen Entscheidung sich nicht mit dem heutigen Verständnis eines modernen Jugendstrafrechts vereinbaren lasse.265 Eine Änderung des § 55 I JGG wurde im Bericht der Expertenkommission zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des allgemeinen Strafverfahrens und des jugendgerichtlichen Verfahrens, 2015 einberufen vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, erneut vorgeschlagen. Argumentiert wurde hier ebenfalls mit rechtsstaatlichen Gründen und einem möglichen Verstoß gegen mehrere internationale Übereinkommen. Insbesondere wurden Bedenken gegenüber der Unanfechtbarkeit von Entscheidungen, in denen ein Jugendarrest verhängt wurde, geäußert.266 Eine Änderung des § 55 I JGG wurde im Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2016/800 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über Verfahrensgarantien im Strafverfahren für Kinder, die Verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren sind, wieder aufgegriffen. So war im Referentenentwurf des Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren eine Lockerung der Rechtsmittelbeschränkung durch Zulässigkeit einer sofortigen Be-

262 Siehe schon BT-Drucks. 1/Nr. 3264, 31.03.1952, S. 46: „Im Jugendstrafverfahren besteht ein besonders dringendes Bedürfnis, schnell zu einer rechtskräftigen Entscheidung zu gelangen. Die Strafe hat nur dann die notwendige erzieherische Wirkung, wenn sie der Tat so bald wie möglich folgt. Jede unnötige Verzögerung des Verfahrens verursacht eine Abschwächung der Strafwirkungen.“ So auch BT-Drucks. 1/4437, 05.06.1953, S. 9. Das Ziel der Beschleunigung ist im Übrigen auch in der Richtlinie Nr. 1 zu § 55 JGG festgehalten: „Aus erzieherischen Gründen ist es regelmäßig erwünscht, dass das Jugendstrafverfahren möglichst schnell zum Abschluss gebracht wird.“ 263 Bliesener / T homas, ZJJ 2012, 382 (382 ff.). 264 Bartsch, ZJJ 2016, 112 (115 f.); MüKoStPO / Kaspar, StPO, 2018, § 55 JGG, Rn. 5. Grundsätzlich für Verfahrensbeschleunigung, allerdings nicht zu Lasten von Beschuldigtenrechten Penkuhn, ZJJ 2014, 371 (373). 265 Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 55, Rn. 36; Laue, in: Meier / Rössner / Trüg / Wulf, JGG, 2. Aufl. 2014, § 55, Rn. 4; MüKoStPO / Kaspar, StPO, 2018, § 55 JGG, Rn. 6a. 266 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bericht der Expertenkommission, 2015, S. 173 f. Aufgrund dieser Empfehlung wurde auch auf der Justizministerkonferenz 2016 beschlossen, die Rechtsmittelbeschränkung des § 55 I JGG zu prüfen (87. JuMiKo 2016 zu TOP II.3, Stärkung der Verfahrensrechte von Jugendlichen und Heranwachsenden im Jugendstrafverfahren).

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3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

schwerde vorgesehen,267 im Regierungsentwurf allerdings nicht mehr (siehe dazu ausführlich 8. Teil, Kapitel A.). Besonderheiten gelten für die Arrestverhängung durch Beschluss: Gegen die Verhängung eines Nichtbefolgungsarrests ist nach § 65 II Satz 2 JGG die sofortige Beschwerde nach § 311 StPO zulässig, welche – entgegen § 307 I StPO – gemäß § 65 II Satz 3 JGG aufschiebende Wirkung hat. Die sofortige Beschwerde ist binnen einer Woche einzulegen, § 311 II Satz 1 StPO. Auch gegen die Verhängung von Jugendarrest nach § 98 II OWiG (wie auch gegen die Anordnung der Erzwingungshaft) ist gemäß § 104 III Satz 1 Nr. 1 OWiG die sofortige Beschwerde zulässig. Für diese Arrestform ist die aufschiebende Wirkung nicht normiert, wird aber – entgegen § 307 I StPO, § 46 I OWiG – wegen der Schwere des Eingriffs ganz überwiegend angenommen.268

G. Arrestvollzug Rechtsgrundlage für den Vollzug des Jugendarrests war die Jugendarrestvollzugsordnung vom 30. November 1976. Das Bundesverfassungsgericht hat 2006 entschieden, dass für freiheitsentziehende Maßnahmen – und damit auch für den Jugendarrest – eine gesetzliche Grundlage erforderlich ist (siehe 2. Teil, Kapitel  H. II.).269 Dementsprechend sind mittlerweile in den meisten Bundesländern Landesjugendarrestvollzugsgesetze in Kraft getreten. Im Folgenden wird neben allgemeinen Aspekten zur Zielsetzung, zu den Jugend­ arresteinrichtungen sowie zum Arrestantritt auf den Vollzug am Beispiel ausgewählter Aspekte des Hessischen Jugendarrestvollzugsgesetzes eingegangen, da sich der empirische Teil auf den Jugendarrest in Hessen bezieht.

I. Zielsetzung Zum Vollzug normierte § 66 I Reichsjugendgerichtsgesetz, dass der Vollzug den Jugendlichen in seinem Ehrgefühl aufrütteln und ihm eindringlich zu Bewusstsein bringen soll, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. Durch

267 Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren, 11.10.2018, S. 46. 268 ­BeckOK OWiG  /  Nestler, 19. Ed. 15.06.2018, § 98, Rn. 49, § 104, Rn. 23; Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 65, Rn. 17; Gassner / Nenn, in: Blum / Gassner / Seith, OWiG, 2016, § 104, Rn.  12; KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 38, § 104, Rn. 15; Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 65, Rn. 6; a. A. Bohnert, Ordnungswidrigkeiten und Jugendrecht, 1989, S. 18. 269 BVerfG, Urteil vom 31.05.2006, 2 BvR 1673/04, 2 BvR 2402/04 = NJW 2006, 2093 ff.

G. Arrestvollzug

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das Jugendgerichtsgesetz vom 4. August 1953 wurde der Vollzug in § 90 JGG geregelt und im heutigen Wortlaut des § 90 I Satz 1 JGG eingeführt.270 Durch das erste Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes (1. JGGÄndG) wurde die erzieherische Ausgestaltung des Arrests (zuvor auch schon in der Jugendarrestvollzugsordnung von 1976 normiert) in § 90 I Satz 2 JGG271 verankert. Gemäß § 90 I Satz 3 JGG soll der Vollzug des Jugendarrests dem Jugendlichen helfen, die Schwierigkeiten zu bewältigen, die zur Begehung der Straftat beigetragen haben. Ausweislich der Entwurfsbegründung war diese Änderung „als erneuter Appell an die Verantwortlichen zu verstehen, einen inhaltlich effektiven Arrestvollzug zu verwirklichen, soweit dies nicht schon geschehen ist“.272 Die genaue Ausgestaltung des Arrestvollzuges ist nicht Gegenstand des JGG, sondern der Vollzugsgesetze der Länder.273 Am Wortlaut der §§ 13 I, 90 I Satz 1 JGG orientiert haben sich die Länder Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, MecklenburgVorpommern, Rheinland-Pfalz und das Saarland, wobei auch auf die Opfer sowie die Erreichung der künftigen Legalbewährung eingegangen wird. Primär auf erzieherische Aspekte ist die Zielsetzung in den Gesetzen aus Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein ausgerichtet.274

II. Jugendarrestvollzugseinrichtungen und Freizeitarresträume Jugendarrest wird gemäß § 90 II Satz 1 JGG in Jugendarrestanstalten275 oder Freizeitarresträumen der Landesjustizverwaltung vollzogen,276 wobei Freizeitarresträume, die z. B. in Gerichtsgebäuden untergebracht sind, nur noch in wenigen Bundesländern existieren.277 Vollzugsleiter ist der Jugendrichter am Ort des Vollzugs, § 90 II Satz 2 JGG. 270 Allerdings blieb die Möglichkeit bestehen, den Arrest durch „strenge Tage“ mit vereinfachter Kost und hartem Lager zu verschärfen, § 90 III, IV JGG 1953. Die strengen Tage wurden erst in der JAVollzO von 1976 gestrichen (siehe 2. Teil, Kapitel E. I.). 271 Auch für den Vollzug des Arrests nach § 98 OWiG gelten gemäß § 46 I OWiG die Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes. 272 BT-Drucks. 11/5829, 27.11.1989, S. 38. 273 Wulf befürchtete schon 2010 eine „Rechtszersplitterung“ [Wulf, ZJJ 2010, 191 (192)]. 274 Neben den Unterschieden in den Landesjugendarrestvollzugsgesetzen ist darüber hinaus auf die unterschiedliche sachliche, bauliche und personelle Ausstattung hinzuweisen. 275 Neuerdings wird vermehrt der Begriff Jugendarrestvollzugseinrichtungen verwendet. Gemäß § 1 I Gesetz über die Gestaltung und Durchführung des Jugendarrestes in Baden-Württemberg heißen Jugendarrestanstalten „Einrichtungen für soziales Training“. 276 Zur Organisation Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 90, Rn. 5 ff. Zur Kritik an Freizeitarresträumen DVJJ (Hrsg.), Jugend ohne Rettungsschirm, Ergebnisse des Arbeitskreises 5, 2015, S. 759 („Hochproblematisch“) sowie Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucks. 16/5419, 26.03.2014, S. 1 („völlig untragbare Zustände“). 277 Freizeitarresträume wurden 2017 noch in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland genutzt, Bundesamt für Justiz, Belegungsübersicht 2017, Stand 24.01.2019; Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucks. 16/5799, 07.05.2014, S. 1.

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3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

In Deutschland gibt es 31 Jugendarrestanstalten,278 wovon viele organisatorisch an Justizvollzugsanstalten angegliedert sind.279 Die Belegungsfähigkeit liegt bei durchschnittlich rund 30 Plätzen pro Arrestanstalt,280 wobei sich die Anstalten in ihrer Größe deutlich unterscheiden.281 Nicht jedes Bundesland hat eine Jugend­ arrestanstalt: Bremen vollzieht den Jugendarrest in Niedersachsen und der brandenburgische Jugendarrest wird entsprechend dem am 1. März 2016 in Kraft getretenen Staatsvertrag der Länder in der gemeinsamen Jugendarrestanstalt in Berlin-Brandenburg vollzogen. Das Personal in den Jugendarrestanstalten besteht zum einen aus Mitarbeitern des Allgemeinen Vollzugsdienstes, zum anderen aus Fachdiensten wie Sozialpädagogen, Lehrern oder Psychologen.282

III. Ladung und Zuführung In der Regel lädt der Vollstreckungsleiter auf freiem Fuße befindliche Verurteilte zum Antritt des Jugendarrests; gleichzeitig sind Dritte – vor allem die Erziehungsberechtigten – darüber zu benachrichtigen, Abschnitt V, Nr. 3 und Nr. 6 der Richtlinien zu §§ 82–85 JGG.283 Nach Abschnitt V, Nr. 4, Satz 1 der Richtlinien wird die Ladung allerdings nach Möglichkeit im Anschluss an die Hauptverhandlung ausgehändigt, falls das Urteil sofort rechtskräftig wird und der Vorsitzende des Gerichts entweder selbst Vollzugsleiter ist oder das Einverständnis des Vollzugsleiters herbeiführen kann. Auch kann in geeigneten Fällen im Anschluss an die Hauptverhandlung eine mündliche Ladung zum sofortigen Antritt des Jugendarrests erfolgen, Richtlinien zu §§ 82–85 JGG, Abschnitt V, Nr. 4, Satz 2 der Richtlinien. Nach Abschnitt V, Nr. 7 der Richtlinien veranlasst der Vollstreckungsleiter die sofortige Zuführung, wenn Verurteilte der Ladung zum Antritt des Jugendarrests ohne genügende Entschuldigung nicht folgen oder sich bei fristloser Ladung nicht zum Antritt des Jugendarrests bereit zeigen. Für die Zwangszuführung kann sich der Vollstreckungsleiter der Hilfe der Polizei oder anderer geeigneter Stellen bedienen. Allerdings ist umstritten, ob die Richtlinie als Eingriffsgrundlage für eine Zuführung ausreichend ist. Dagegen wird vorgebracht, dass die Zuführung eine Freiheitsbeschränkung im Sinne des Art. 104 I GG darstellt und dafür ein Gesetz im formellen Sinne als Grundlage erforderlich sei.284 Nach anderer Ansicht kann eine 278

Stand: Juli 2019. McKendry, in: Schweder, 2015, 201 (205). 280 2017 lag die Belegungsfähigkeit in den Jugendarrestanstalten insgesamt bei 1.014 Plätzen, davon 834 für männliche und 180 für weibliche Arrestierte, Bundesamt für Justiz, Belegungsübersicht 2017, Stand 24.01.2019. 281 Zur Belegungsfähigkeit der Anstalten in den einzelnen Bundesländern siehe Bundesamt für Justiz, Belegungsübersicht 2017, Stand 24.01.2019. 282 Bihs, ZJJ 2014, 120 (120 ff.). 283 Richtigerweise müsste es §§ 82–87 heißen. 284 Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 87, Rn. 12; Sonnen, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 85, Rn. 2. Siehe dazu schon Hinrichs, DVJJ-Journal 1991, 67 (67 ff.). 279

G. Arrestvollzug

127

Zuführung durch die Polizei auf Grundlage der Richtlinie erfolgen, da die Polizei „im Rahmen ihrer allgemeinen Aufgabe zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auch zur Anwendung unmittelbaren Zwangs befugt“285 ist. Anders wird argumentiert, dass die Zuführung über die Landesverwaltungsgesetze oder die Verwaltungsvollstreckungsgesetze der Bundesländer erfolgen könne:286 Die Ladung durch den Jugendrichter stelle einen Verwaltungsakt dar, mit dem unmittelbarer Zwang angedroht wird. In der Praxis wird regelmäßig auf § 457 II Satz 1 StPO als Rechtsgrundlage zurückgegriffen. Danach ist die Vollstreckungsbehörde zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe befugt, einen Vorführungs- oder Haftbefehl zu erlassen, wenn der Verurteilte auf die an ihn ergangene Ladung zum Antritt der Strafe sich nicht gestellt hat oder der Flucht verdächtig ist. Die Zulässigkeit des Rückgriffs auf § 457 II Satz 1 StPO wird angezweifelt und ausgeführt, dass § 457 StPO nur für Freiheitsstrafen gelte und damit keine Rechtsgrundlage für einen Vorführungs- oder Haftbefehl zum Antritt des Jugendarrests darstelle.287 Im Jugendarrestvollzugsgesetz Schleswig-Holstein wurde die polizeiliche Zuführung normiert. Möglich ist nach § 10 Satz 1 J­ AVollzG Schleswig-Holstein nun die Anordnung der polizeilichen Zuführung, wenn der Jugendliche trotz ordnungsgemäßer Ladung zum Antritt des Arrests nicht erscheint und das Ausbleiben nicht ausreichend entschuldigt ist. Ausweislich der Entwurfsbegründung sollten durch die Regelung der Zuführung unter anderem „Lücken im Bereich des Vollstreckungsrechtes“288 gefüllt werden.

IV. Ausgewählte Aspekte des Hessischen Jugendarrestvollzugsgesetzes Wie bereits erläutert sind in fast allen Bundesländern mittlerweile Jugendarrestvollzugsgesetze in Kraft getreten.289 Das Hessische Jugendarrestvollzugsgesetz (Hess­JAVollzG) trat am 27. Mai 2015290 in Kraft. Das Gesetz normiert in § 2 Hess­JAVollzG zunächst, dass der Vollzug den Jugendlichen das von ihnen begangene Unrecht, dessen Folgen und ihre Verantwortung hierfür bewusst machen und einen Beitrag leisten soll, sie zu einem eigenverantwortlichen Leben ohne weitere Straftaten zu befähigen. Das Gesetz sieht „aufgrund der zahlenmäßigen Bedeutung 285

Diemer, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 90, Rn. 8. Rinio, ZfJ 2000, 300 (303); Rose, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 87, Rn. 18. 287 Diemer, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 90, Rn. 8; Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 87, Rn. 12; Rose, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 87, Rn. 18 mit Hinweis auf „die geringere Eingriffsschwere des Arrestes“; Sonnen, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 85, Rn. 2. 288 Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drucks. 18/891, 04.06.2013, S. 34. 289 Zur Übersicht zu aktuellen Regelungen in den Bundesländern siehe Kaplan, NK 2018, 77 (82 ff.). 290 GVBl. Nr. 13 vom 05.06.2015, S. 223. Zu den einzelnen Begründungen Hessischer Landtag, Drucks. 19/1108, 14.11.2014. 286

128

3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

und der längeren Vollzugsdauer“291 den Dauerarrest als Regelfall. Gemäß § 39 Hess­JAVollzG gelten für den Vollzug des Freizeit- und Kurzarrests, des Nichtbefolgungsarrests sowie des Jugendarrests neben zur Bewährung ausgesetzter Jugendstrafe die Vorschriften über den Vollzug des Dauerarrests, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Für den Freizeit- und Kurzarrest sind die Einzel- und Gruppenmaßnahmen an die kurze Dauer des Vollzugs anzupassen, §§ 40 I, 4 III HessJAVollzG. Außerdem normiert § 40 II Hess­JAVollzG, dass eine ärztliche Untersuchung nur beim Vorliegen von Anhaltspunkten für eine Arrestuntauglichkeit erfolgt, eine Ermittlung des Hilfebedarfs nach § 8 I Hess­JAVollzG nicht stattfindet, ein Erziehungsplan nicht und ein Schlussbericht nur beim Vorliegen besonderer Gründe erstellt wird und § 28 I Hess­JAVollzG keine Anwendung findet. Die Regelung des § 40 ­HessJAVollzG findet für alle Formen des Jugendarrests als Freizeit- oder Kurz­ arrest Anwendung, §§ 41 IV, 42 IV HessJAVollzG (allerdings mit Anfertigung eines Schlussberichtes). In Bezug auf den Nichtbefolgungsarrest normiert § 41 I ­Hess­JAVollzG insbesondere, dass im Vollzug mit den Jugendlichen die Gründe für die Nichterfüllung der auferlegten Pflichten zu erörtern sind und sie dazu angehalten und motiviert werden sollen, die ihnen erteilten Weisungen oder Anordnungen zu befolgen und ihre Auflagen zu erfüllen. In der Entwurfsbegründung zu § 41 H ­ ess­JAVollzG ist zudem ausgeführt, dass die Erfüllung der Auflagen oder Weisungen „in geeigneten Fällen auch bereits während des Vollzugs erfolgen“292 kann.293 Für den Vollzug des § 16a-Arrests bestimmt § 42 I ­Hess­JAVollzG, dass sich der Vollzug und die Einzelmaßnahmen an den Anordnungsgründen des § 16a JGG zu orientieren haben. Außerdem hält die Bewährungshilfe während des Vollzugs Kontakt zu den Jugendlichen und wirkt an der Planung und Einleitung nachsorgender Hilfen mit, um eine bestmögliche Vorbereitung der Bewährungszeit nach dem Vollzug zu gewährleisten, § 42 II H ­ ess­JAVollzG. Nach § 42 III ­Hess­JAVollzG sind den Jugendlichen in Fällen des § 16a I Nr. 2 JGG (Herausnahme aus dem schädlichen Umfeld) Kontakte zu Personen des sozialen Umfeldes nur dann zu gestatten, wenn schädliche Einflüsse nicht zu befürchten sind.

291

Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Hessisches Jugendarrestvollzugsgesetz (Hess­ JAVollzG), Drucks. 19/1108, 14.11.2014, S. 1. 292 Hessischer Landtag, Drucks. 19/1108, 14.11.2014, S. 36. 293 In anderen Bundesländern ist dies ähnlich: So wird z. B. in § 17 I Satz 2 J­ AVollzG Schleswig-​Holstein explizit ausgeführt, dass die Anstalt in geeigneten Fällen der oder dem Jugendlichen mit dessen Einverständnis ermöglichen kann, Leistungen zur Erfüllung der Weisungen oder Auflagen, auch außerhalb der Anstalt, zu erbringen. Gemäß § 34 ­JAVollzG NRW sollen die Jugendlichen zur Abwendung des weiteren Vollzuges des Arrests wegen der Nichterfüllung von Weisungen oder Auflagen (auch nach § 98 II OWiG) angehalten werden, während des Arrestvollzugs die Weisungen oder Auflagen zu erfüllen.

H. Einträge in das Zentral- und das Erziehungsregister

129

Die Vorschriften finden gemäß § 43 ­Hess­JAVollzG auch auf Heranwachsende und Erwachsene Anwendung, gegen die eine auf Jugendarrest erkennende Entscheidung vollstreckt wird. Besonders interessant ist der in § 8 II ­Hess­JAVollzG normierte Erziehungsplan, der eindeutig im Widerspruch zu der von Peters 1941 getroffenen Aussage steht, dass im Jugendarrest eine „erzieherische Einwirkung von Mensch zu Mensch nach einem bestimmten Erziehungsplan […] nicht beabsichtigt [und auch] bei der kurzen Dauer der Maßnahme nicht möglich“294 sei.

H. Einträge in das Zentral- und das Erziehungsregister Das Zentral- und das Erziehungsregister bilden gemäß § 1 I BZRG das Bundeszentralregister. Das Erziehungsregister wurde mit dem Gesetz über das Zentralregister und das Erziehungsregister (Bundeszentralregistergesetz – BZRG) vom 18. März 1971 eingeführt295 und wird organisatorisch zusammen mit dem Zentralregister vom Bundesamt für Justiz geführt. Allerdings ist das Erziehungsregister „ein rechtlich selbstständiges Register“.296 Nach § 59 BZRG gelten auch für das Erziehungsregister die Vorschriften des Zweiten Teils (§§ 3–58 BZRG) über das Zentralregister, soweit die §§ 60–64 BZRG nicht etwas anderes bestimmen. Die Sonderregelungen betreffen die Eintragungspflicht nach § 60 BZRG, die Auskunftserteilung nach § 61 BZRG, die Suchvermerke nach § 62 BZRG, die Entfernung von Eintragungen nach § 63 BZRG297 sowie die Offenbarungspflichten nach § 64 BZRG. Insbesondere dürfen gemäß § 61 I BZRG Eintragungen aus dem Erziehungsregister nur den genannten Gerichten und Behörden mitgeteilt werden. Auch werden Eintragungen entfernt, sobald die betroffene Person das 24. Lebensjahr vollendet hat, wenn nicht im Zentralregister eine Verurteilung zu Freiheitsstrafe, Strafarrest oder Jugendstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung eingetragen ist, § 63 I, II BZRG. Außerdem müssen Eintragungen in das Erziehungsregister und die ihnen zugrundeliegenden Sachverhalte nicht offenbart werden, § 64 I BZRG.298 Zuchtmittel werden gemäß § 60 I Nr. 2 BZRG in das Erziehungsregister eingetragen, soweit sie nicht nach § 5 II BZRG in das Zentralregister einzutragen sind. Letzteres ist der Fall, wenn sie mit einem Schuldspruch nach § 27 JGG, einer Ver 294

Peters, ZStW 1941, 551 (561). BGBl. 1971, Teil I, S. 243. 296 ­BeckOK StPO  / Bücherl, 29. Ed. 01.01.2018, § 59 BZRG, Rn. 1. So auch Tolzmann, BZRG, 5. Aufl. 2015, § 59, Rn. 6. 297 Siehe für Verurteilungen zu Jugendstrafe auch §§ 97 ff. JGG. Weiterführend dazu Lauben­ thal / Baier / Nestler, Jugendstrafrecht, 2015, S. 463 ff. 298 Dazu weiterführend z. B. ­BeckOK StPO / Bücherl, 29. Ed. 01.01.2018, §§ 61 ff. BZRG; Tolzmann, BZRG, 5. Aufl. 2015, §§ 61 ff. 295

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3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

urteilung zu Jugendstrafe oder der Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung verbunden sind. Daraus ergibt sich auch, dass der Arrest nach § 16a JGG in das Zentralregister eingetragen wird. Nicht in das Zentralregister, aber gemäß § 60 I Nr. 2 BZRG in das Erziehungsregister eingetragen werden Zuchtmittel, also auch der Jugendarrest nach § 16 JGG,299 sowie seit 2017 der Arrest nach Nichterfüllung von Auflagen bzw. Weisungen. Die Eintragung von Nichtbefolgungsarresten wurde durch das Siebte Gesetz zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes (7. BZRGÄndG) vom 18. Juli 2017300 im BZRG normiert; davor herrschte Uneinigkeit darüber, ob diese Arrestform in das Erziehungsregister einzutragen ist.301 Durch die Änderung im BZRG sind folglich auch Arreste nach §§ 11 III, 15 III JGG in das Erziehungsregister einzutragen, auch wenn diese Regelung durchaus kritisch zu betrachten ist.302 In der Begründung zum Gesetzesentwurf wird zur Änderung zunächst ausgeführt, dass es sich um eine Klarstellung handle, wodurch deutlich wird, dass schon vorher von einer Eintragungspflicht in das Erziehungsregister ausgegangen wurde. Begründet wurde die Änderung des § 60 I Nr. 2 BZRG damit, dass für „die Frage der Beeinflussbarkeit durch Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel […] auch die Kenntnis früher verhängter Ungehorsamsarreste wichtig“303 sei. Die Änderung diene zudem dazu, eine „einheitliche Mitteilungspraxis zu gewährleisten“.304 Darüber hinaus ist zu beachten, dass gemäß § 60 III BZRG auch die vollständige Nichtvollstreckung eines Jugendarrests eingetragen wird.305 Soweit ersichtlich unumstritten ist allerdings, dass ein Jugendarrest nach § 98 II OWiG schon deshalb von der Eintragungspflicht ausgeschlossen sein muss, da die Ahndungen von Ordnungswidrigkeiten grundsätzlich nicht eintragungspflichtig sind,306 auch wenn dies der Gesetzesbegründung zum 7. BZRGÄndG nicht eindeutig zu entnehmen ist.

299

Die Nicht-Eintragung des Jugendarrests in das Register spielte bei der Einführung der Sanktion eine wesentliche Rolle (siehe 2. Teil, Kapitel A. IV. und B. I.). 300 BGBl. 2017, Teil I, S. 2732. 301 Ausführliche Darstellung (auch der weiteren Änderungen) bei Ernst, ZJJ 2017, 365 (365 ff.). 302 Ernst, ZJJ 2017, 365 (368 f.). Ebenso wertet Eisenberg die Regelung als „systematisch verfehlt“ (Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 11, Rn. 26); a. A. Neuheuser, NStZ 2017, 623 (623 f.). 303 BT-Drucks. 18/11933, 12.04.2017, S. 31. 304 BT-Drucks. 18/11933, 12.04.2017, S. 31. 305 Dies wurde eingeführt durch das Gesetz zur Verbesserung des Austauschs von strafregisterrechtlichen Daten zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und zur Änderung registerrechtlicher Vorschriften vom 15.12.2011 (BGBl. 2011, Teil I, S. 2714); zur Begründung siehe BT-Drucks. 17/5224, 23.03.2011, S. 29. 306 Tolzmann, BZRG, 5. Aufl. 2015, § 4, Rn. 16. So auch Bohnert, Ordnungswidrigkeiten und Jugendrecht, 1989, S. 69 ff.; Krenberger / Krumm, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 26; KKOWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 96, Rn. 40, § 98, Rn. 42; Neuheuser, NStZ 2017, 623 (623, Fn. 2).

I. Zwischenfazit 3. Teil

131

I. Zwischenfazit 3. Teil Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass Jugendarrest aufgrund verschiedener Rechtsgrundlagen mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen und Anwendungsbereichen verhängt werden kann. Dies hat zur Folge, dass auch ganz unterschiedliche Personen einen Jugendarrest verbüßen: von „Schulschwänzern“, die bisher noch nie strafrechtlich auffällig geworden sind,307 über Personen, die ursprünglich zu einer Weisung oder Auflage verurteilt wurden, bis hin zu Jugendlichen, gegen die eine Jugendstrafe auf Bewährung verhängt wurde.308 Auch bei Betrachtung der aktuellen Rechtslage zum Jugendarrest lässt sich dieses bereits im 2. Teil dargestellte, durch die Ausweitung des Anwendungsbereiches historisch gewachsene Problem der Frage der Zielsetzung zwischen Erziehung und Strafe und damit verbunden der Zielgruppe nicht auflösen. Inzwischen wird in § 13 I JGG überwiegend hineingelesen, dass Zuchtmittel – also auch der Jugendarrest – sowohl eine erzieherische als auch eine ahnende, also strafende, Funktion erfüllen.309 Im Einzelnen reichen die (teilweise gesetzlich normierten) Begründungen bzw. Kriterien für die Verhängung eines Jugendarrests von der Unrechtsverdeutlichung (§§ 13 I, 16a I Nr. 1 JGG) über die Herausnahme aus dem schädlichen Lebensumfeld (§ 16a I Nr. 2 JGG) und eine nachdrückliche erzieherische Einwirkung (§ 16a Nr. 3 JGG) bis hin zur Sanktionierung der Nichterfüllung behördlicher / gerichtlicher Entscheidungen (§§ 11 III, 15 III JGG, § 98 OWiG) sowie der Durchsetzung der Schulpflicht.310 Es konnte gezeigt werden, dass bis heute offene Fragen zum Jugendarrest bestehen, wie z. B.: – die Wahl der Arrestform (Kurz-, Freizeit- oder Dauerarrest) und die Bemessung der konkreten Dauer des Jugendarrests,

307 Breymann führt aus, dass es sich bei „Schulschwänzern“ teilweise um „eher unauffällige Jugendliche [handelt], die dem Jugendamt […] häufig bislang weder als sozial auffällig noch gar als Straftäter bekannt sind“ [Breymann, ZJJ 2013, 74 (74)]. 308 So auch Franzen, ZJJ 2014, 114 (115); McKendry, in: Schweder, 2015, 201 (203). Dazu merkte Eisenberg schon vor knapp 30 Jahren an, dass so die „[…] indiskutable Situation [besteht], daß bezüglich der in Jugendarrestvollzugsanstalten versammelten Personen sämtliche Rechtsfolgenkategorien – also Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel und Jugendstrafe – vertreten sind“ [Eisenberg, ZfJ 1989, 16 (17)]. Eisenberg bezog sich auf die Nichterfüllung von Weisungen und Auflagen, auch von Bewährungsweisungen und -auflagen. Aktuell kann die Aussage auch auf die Arrestanordnung im Rahmen von § 16a JGG erweitert werden. 309 Ostendorf spricht von einem „repressiv-strafenden Charakter“ (Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 16, Rn. 2) des Jugendarrests; siehe dazu auch Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 13, Rn. 7; Linke, in: Meier / Rössner / Trüg / Wulf, JGG, 2. Aufl. 2014, § 13, Rn. 3; Schumann, ZfJ 1986, 363 (363 ff.). 310 So auch Franzen, ZJJ 2014, 114 (115).

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3. Teil: Aktuelle rechtliche Grundlagen zum Jugendarrest

– die Rechtsnatur des Nichtbefolgungsarrests, insbesondere hinsichtlich § 11 III JGG, und damit verbundene Folgefragen, vor allem zur Erfüllung der ursprünglich verhängten Weisung, – die Möglichkeit der Prüfung der Schuldhaftigkeit bei Nichtwahrnehmung des Termins zur mündlichen Äußerung, – die Umwandlung der ursprünglich verhängten Weisung bzw. Auflage oder der Geldbuße bzw. Ersatzmaßnahme in Jugendarrest und – die Zulässigkeit einer polizeilichen Zuführung. Andere Aspekte zum Jugendarrest wurden mittlerweile durch den Gesetzgeber geregelt, wie z. B. die (durchaus zu hinterfragende) Verpflichtung zur Eintragung der Verhängung eines Nichtbefolgungsarrests in das Erziehungsregister311 oder die Normierung der Möglichkeit einer Zuführung durch die Polizei in § 10 des Gesetzes über den Vollzug des Jugendarrests in Schleswig-Holstein. Auch wenn dies eine andere Fragestellung betrifft, soll an dieser Stelle wegen der vielfältigen Unklarheiten auf einen bisher nicht umfassend analysierten, aber möglichen Konflikt mit dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 II GG hingewiesen werden.312 Wenig überzeugend und zu oberflächlich führt Brodkorb dazu aus, dass die Voraussetzungen des Bestimmtheitsgebotes beim Jugendarrest aber „unproblematisch gegeben“313 seien, da § 16 JGG eine „ausführliche Regelung“314 enthalte. Dazu verweist Brodkorb lediglich darauf, dass sich im „Schrifttum […] kein einziger Hinweis auf diese ‚Problematik‘“315 finden lässt. Dies könnte Anlass für eine umfassende Prüfung des Bestimmtheitsgebots sein.316

311

Ernst, ZJJ 2017, 365 (365 ff.). Siehe zur Frage der Anwendbarkeit auf den Jugendarrest BVerfG, Beschluss vom 09.12.2004 – 2 BvR 930/04 = NJW 2005, 2140, wobei sich die Entscheidung auf die Verhängung eines Jugendarrests neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe vor Einführung des § 16a JGG bezieht. 313 Brodkorb, Verfassungsrechtliche Grenzen, Teil 2, 1998, S. 822. 314 Brodkorb, Verfassungsrechtliche Grenzen, Teil 2, 1998, S. 822. 315 Brodkorb, Verfassungsrechtliche Grenzen, Teil 2, 1998, S. 822, Fn. 5153. 316 So wurde auch in der Entwurfsbegründung zur Einführung von § 16a JGG ausgeführt, dass aus „Gründen der verfassungsrechtlich gebotenen Bestimmtheit und Berechenbarkeit der Sanktion […] die konkreten Voraussetzungen eines Jugendarrestes neben Jugendstrafe festgelegt“ (BT-Drucks. 17/9389, 24.04.2012, S. 12) wurden. 312

4. Teil

Amtliche Daten und Forschungsstand In diesem Teil werden die amtlichen Daten zur quantitativen Relevanz der verschiedenen Formen des Jugendarrests (Kapitel A.) sowie der für diese Arbeit relevante Ausschnitt des Forschungsstands zur Anordnungspraxis des Jugendarrests (Kapitel B.) dargestellt, welche eine ersten Überblick zu den thematisierten Diskussionspunkten ermöglichen.

A. Amtliche Daten zum Jugendarrest Zunächst wird die Entwicklung der Verurteilungen zu Jugendarrest zusammengefasst. Hierbei ist selbstverständlich zu berücksichtigen, dass die quantitative Relevanz einzelner Sanktionen von vielen Faktoren auf unterschiedlichen Ebenen abhängt, wie veränderten Kriminalitätszahlen, verändertem Sanktionierungs­ verhalten und Änderungen im Sanktionssystem. Daher sind die Zahlen nur sehr eingeschränkt vergleichbar, ermöglichen aber dennoch einen ersten Überblick. Anschließend werden aktuelle amtliche Daten zur deutschlandweiten Verhängung von Jugendarrest, also zur Strafverfolgung, vorgestellt und abschließend amtliche Daten zum Vollzug des Jugendarrests. Beiden Darstellungen liegen die Zahlen aus dem Jahr 2017 zugrunde.1

I. Entwicklung der Verurteilungen zu Jugendarrest Seit der Verankerung des Jugendarrests im RJGG 1944 nahm diese Sanktion einen bedeutenden Stellenwert unter den Verurteilungen ein.2 Bereits 1950 lautete knapp die Hälfte aller Urteile auf Verurteilungen zu einem Jugendarrest.3 Nach 1

Stand: November 2019. Potrykus, JGG, 3. Aufl. 1954, Vorbemerkung zu §§ 13 ff. Potrykus sah einen Grund dafür darin, dass „unerfahrene Jugendrichter besonders gern [vom Jugendarrest] Gebrauch machen, da er sich schematisch ebenso wie die kurzfristige Gefängnisstrafe verhängen lässt.“ Bei der Betrachtung der Zahlen zu den Verurteilungen ist zu berücksichtigen, dass diese immer nur einen Teil aller Verfahren ausmachen. Die Einstellungsraten lassen sich den Justizstatistiken erst ab 1981 entnehmen, dazu Heinz, in: DVJJ Baden-Württemberg, 1990, 7 (7 ff.). Zu den Zahlen und der Entwicklung bis heute Heinz, Das strafrechtliche Sanktionensystem, 2014, S. 160, Schaubild 96. 3 Heinz, Das strafrechtliche Sanktionensystem, 2014, S. 137, Schaubild 73; Jaath, JZ 1977, 46 (46). 2

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4. Teil: Amtliche Daten und Forschungsstand 

1953 sank der Anteil an Jugendarresten unter den Verurteilungen auf circa 40 %, wobei auffällig ist, dass mit dem JGG 1953 auch die Möglichkeit der Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung eingeführt wurde, die in den folgenden Jahren knapp unter 10 % der Verurteilungen ausmachte.4 Einen weiteren Einschnitt gab es Ende der Sechziger Jahre: Ab 1968 sank der Anteil unter den formellen Sanktionen, also den Verurteilten,5 von circa 40 % auf rund 20 % im Jahr 1973;6 parallel dazu nahm der Anteil der ambulanten Erziehungsmaßregeln zu und erreichte um 1980 einen Anteil von knapp 20 %.7 Auch sank der Anteil des Jugendarrests unter den Zuchtmitteln: 1960 waren noch knapp über 40 % der verhängten Zuchtmittel Jugendarreste; 1970 nur noch rund ein Viertel.8 Seit 1973 liegt der Anteil von Jugendarresten unter den nach Jugendstrafrecht Verurteilten relativ konstant bei knapp unter 20 %; nur rund um 1990 gab es einen leichten Rückgang und anschließend wieder einen leichten Anstieg.9 Zusammenfassend zeigt sich, dass der Anteil an Jugendarresten unter den Verurteilungen kontinuierlich bis 1973 gesunken ist und seitdem einen Anteil von rund 20 % ausmacht.

II. Aktuelle Daten zur Strafverfolgung Betrachtet man zunächst ganz generell die Verurteilungen zu Zuchtmitteln deutschlandweit, so zeigt sich, dass diese unter den Sanktionen des JGG eine bedeutende Rolle spielen: Nach der Strafverfolgungsstatistik wurden im Jahr 2017 insgesamt 43.268 Jugendliche und Heranwachsende auch zu einem Zuchtmittel verurteilt, was rund 70 % aller Verurteilungen nach Jugendstrafrecht ausmacht.10 Davon erfolgten Verurteilungen zu einem Jugendarrest nach § 16 oder § 16a JGG gegenüber 5.308 Jugendlichen und 4.764 Heranwachsenden,11 womit der Jugend 4

Heinz, Das strafrechtliche Sanktionensystem, 2014, S. 137, Schaubild 73. Dazu auch ­Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, Grundlagen zu den §§ 13–16a, Rn. 5. 5 Nach allgemeinem Strafrecht oder Jugendstrafrecht Verurteilte werden als „formell Sanktionierte“ bezeichnet; Personen, bei denen das Strafverfahren eingestellt worden ist, als „informell Sanktionierte“, Heinz, Das strafrechtliche Sanktionensystem, 2014, S. 218 f. 6 Heinz, ZJJ 2014, 97 (100). Zu dieser Zeit stand der Jugendarrest vielfach in der Kritik (siehe 2. Teil, Kapitel F.), was den Rückgang zumindest teilweise auch erklären kann. 7 Heinz, Das strafrechtliche Sanktionensystem, 2014, S. 137, Schaubild 73. 8 Jaath, JZ 1977, 46 (46); Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, Grundlagen zu den §§ 13–16a, Rn. 5. Zur generellen Entwicklung Heinz, Das strafrechtliche Sanktionen­system, 2014, S. 128, Schaubild 65. 9 Heinz, Das strafrechtliche Sanktionensystem, 2014, S. 137, Schaubild 73. 10 Statistisches Bundesamt, Strafverfolgungsstatistik 2017, 2018, S. 342. 11 Statistisches Bundesamt, Strafverfolgungsstatistik 2017, 2018, S. 342. In den vergangenen Jahren wurden insgesamt mehr Personen zu einem Jugendarrest verurteilt: 2016 waren es 5.637 Jugendliche und 5.139 Heranwachsende, 2015 waren es 5.951 Jugendliche und 5.495 Heranwachsende und 2014 waren es 6.790 Jugendliche und 5.916 Heranwachsende, siehe jeweilige Strafverfolgungsstatistik.

A. Amtliche Daten zum Jugendarrest

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arrest 2017 rund 18 % aller Verurteilungen ausmachte. Betrachtet man allerdings nicht nur die Verurteilungen, sondern auch die informell Sanktionierten, also zusätzlich die Einstellungen in Jugendstrafverfahren, so lag der Anteil an Jugendarresten in den letzten Jahren konstant bei rund 5 %.12 Von den 10.072 im Jahr 2017 zu Jugendarrest Verurteilten wurden 9.426 (93,59 %) der Strafverfolgungsstatistik nach zu einem Jugendarrest nach § 16 JGG verurteilt, davon 5.395 (53,56 %) zu einem Dauerarrest, 544 (5,40 %) zu einem Kurzarrest und 3.487 (34,62 %) zu einem Freizeitarrest.13 Die restlichen 646 (6,41 %) Verurteilungen entfielen auf den Arrest nach § 16a JGG.14 Von den zu Jugendarrest Verurteilten waren 2017 insgesamt 8.667 (86,05 %) männlich, bei den nach § 16a Verurteilten waren es 602 (93,19 %).15 Amtliche Daten zur Anordnung von Nichtbefolgungsarresten sowie von Arresten nach § 98 II OWiG existieren nicht.16 Darüber hinaus wird in der Strafverfolgungsstatistik auch zwischen den verschiedenen Delikten bzw. Deliktsgruppen unterschieden: Am häufigsten unter allen zu Jugendarrest Verurteilten nach § 16 und § 16a JGG verwirklicht wurden Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit – ohne Verkehr – (2.927; 29,06 %), Diebstahl und Unterschlagung (2.711; 26,92 %) sowie Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz (1.095; 10,87 %).17 Nach einer Sonderauswertung der Strafverfolgungsstatistik für die Jahre 2005 und 2006 wurden 60 % der zu Jugendarrest Verurteilten (N = 41.571) bereits zuvor verurteilt, darunter 42,8 % ohne vorherigen Freiheitsentzug.18 Insgesamt zeigen die aktuellen amtlichen Daten, dass es sich beim Jugendarrest nach § 16 JGG um eine quantitativ relevante verhängte Sanktion handelt, die nicht bei der Begehung spezieller Delikte verhängt wird, sondern bei einer Bandbreite von Delikten und zwar denjenigen, die auch allgemein als „jugendtypisch“ eingestuft werden. Die Verurteilten sind außerdem überwiegend männlich, was bei (nach Jugendstrafrecht) Verurteilten nicht überraschend ist. 12

Heinz, Das strafrechtliche Sanktionensystem, 2014, S. 128, Schaubild 65. Statistisches Bundesamt, Strafverfolgungsstatistik 2017, 2018, S. 342 f. 14 Statistisches Bundesamt, Strafverfolgungsstatistik 2017, 2018, S. 343. Die Datenlage zu Jugendarrest nach § 16a JGG in der Strafverfolgungsstatistik ist aufgrund von Erfassungsfehlern allerdings sehr ungenau, dazu ausführlich Klatt / Ernst / Höynck / Baier / Treskow / Bliesener / Pfeiffer, Evaluation des neu eingeführten Jugendarrestes, 2016, S. 35 ff., S. 55 ff. 15 Statistisches Bundesamt, Strafverfolgungsstatistik 2017, 2018, S. 342 f. 16 So auch Heinz: „Zum Ungehorsamsarrest fehlen statistische Daten.“ [Heinz, ZJJ 2014, 97 (97)]. 17 Statistisches Bundesamt, Strafverfolgungsstatistik 2017, 2018, S. 320. Die Verurteilungen zu einem Arrest nach § 16a JGG machen dabei jeweils nur einen kleinen Anteil aus: Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit – ohne Verkehr: 177; Diebstahl und Unterschlagung: 129; Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz: 73. 18 BT-Drucks. 16/13142, 26.05.2009, S. 55. Allerdings wurde darauf hingewiesen, dass nicht feststellbar sei, wie häufig die zu Jugendarrest Verurteilten bereits einen Freiheitsentzug in Form eines „Ungehorsamsarrests“ verbüßt haben. 13

136

4. Teil: Amtliche Daten und Forschungsstand 

III. Aktuelle Daten zum Vollzug Ausweislich einer vom Bundesamt für Justiz erstellten Übersicht über die Belegung der Jugendarrestanstalten und Freizeitarresträume wurden im Jahr 2017 deutschlandweit 19.717 Zugänge zum Jugendarrest gezählt, davon 18.252 (92,57 %) in Jugendarresteinrichtungen und 1.465 (7,43 %) in Freizeitarresträumen.19 Die Zahlen zu den Zugängen zum Jugendarrest sind seit mehreren Jahren deutschlandweit rückläufig (2016: 21.818; 2015: 23.109; 2014: 24.946; 2013: 27.990; 2012: 31.340). Diese abnehmende Tendenz zeigt sich auch in Hessen: Für 2015 weist die Statistik 1.235 Zugänge zum Jugendarrest in Hessen aus, 2016 noch 1.063 und 2017 nur noch 1.023.20 Dieser Rückgang zeigt sich allerdings nicht nur bei den Zahlen zum Vollzug von Jugendarresten, sondern auch schon bei den Verurteilungen zu Jugendarrest (siehe Kapitel A. I.) und den Fallzahlen im Jugendstrafrecht auf allen Ebenen im Hell- und Dunkelfeld.21 Wie bereits zur Verhängung von Nichtbefolgungsarresten und Arresten nach § 98 II OWiG ausgeführt liegen auch zur Verbüßung dieser Arrestarten keine amtlichen Daten vor.22 In der dargestellten Übersicht des Bundesamts für Justiz wird hinsichtlich der Arrestform nur zwischen Dauer-, Kurz- und Freizeitarrest unterschieden. Die Differenz zwischen den o. g. deutschlandweiten Zugängen zum Arrest (2017: 19.717; 2016: 21.818) und den Verurteilungen zu Jugendarrest im jeweiligen Jahr (2017: 10.072; 2016: 10.776) gibt allerdings Hinweise auf die quantitative Bedeutung der Nichtbefolgungsarreste und Arreste nach § 98 II OWiG, wobei offensichtlich ist, dass diese Zahlen schon wegen der zeitlichen Verschiebung keine genauen Aussagen erlauben. Sie deuten aber auf eine Größenordnung

19

Bundesamt für Justiz, Belegungsübersicht 2017, Stand 24.01.2019. Die Zahlen haben sich für 2018 nicht wesentlich geändert: Insgesamt wurden 19.275 Arrestzugänge gezählt, davon 18.168 in Jugendarresteinrichtungen und 1.107 in Freizeitarresträumen, Bundesamt für Justiz, Belegungsübersicht 2018, Stand 11.02.2020. 20 Bundesamt für Justiz, Belegungsübersicht 2017, Stand 24.01.2019. Beim Vergleich der Zahlen mit denen in der Jugendarresteinrichtung Gelnhausen für 2016 ist aufgefallen, dass in der Statistik für dieses Jahr mehr Zugänge erfasst waren, als es ausweislich der vergebenen Jugendarrestbuchnummern für 2016 (1.007) waren. Es konnte geklärt werden, dass in der Statistik des Bundesamtes 2 Freizeitarreste als 2 Zugänge erfasst werden sowie der Zugang nach einer Unterbrechung ebenfalls gezählt wird, da dies so im Dokumentationssystem VZettchen eingegeben wird. Allerdings wird beim Antritt des zweiten Freizeitarrests oder nach Unterbrechung keine neue Jugendarrestbuchnummer vergeben. Nicht klar ist, ob in anderen Bundesländern, die das System nicht nutzen, ebenfalls eine solche Erfassung erfolgt. 21 Siehe z. B. Heinz, Kriminalität und Kriminalitätskontrolle, 2017, S. 49. Etwas anderes ergibt sich, wenn man auch die ausländerrechtlichen Verstöße als Folge der Migrationsströme des Jahres 2015 mit betrachtet (a. a. O., S. 47). Dazu auch Baier / Kliem, ZJJ 2019, 104 (106). 22 Es erfolgt keine systematische, bundesweite Erhebung – z. B. zu den unterschiedlichen Arrestformen – in Jugendarresteinrichtungen [Seidl / Holthusen / Hoops, ZJJ 2013, 292 (293)], sodass bereits unklar ist, welchen Anteil „Nichtbefolgungsarreste“ unter den vollstreckten Arresten ausmachen.

B. Forschungsstand 

137

von rund 50 % unter den Zugängen zum Arrest hin.23 Diese Annahme deckt sich auch mit den Ergebnissen verschiedener, z. T. älterer oder regional begrenzter Untersuchungen (mit erheblichen regionalen Unterschieden), in denen von einem Anteil an Beschlussarresten unter den vollstreckten Arresten zwischen 40 % und 70 % ausgegangen wird (siehe auch 4. Teil, Kapitel B. IV.).24 Bei den soziodemographischen Daten weist die Übersicht über die Belegung der Jugendarrestanstalten und Freizeitarresträume das Alter und das Geschlecht der Arrestanten aus: In den letzten Jahren betrug der Anteil Jugendlicher rund 40 %; zwischen Heranwachsenden und Erwachsenen wird in der Übersicht nicht differenziert.25 Außerdem waren rund 84 % der Personen, die 2017 als Zugang erfasst wurden, männlich, wobei sich zwischen den Zugängen in den Jugendarresteinrichtungen und in den Freizeitarresträumen fast kein Unterschied zeigte.26

B. Forschungsstand In diesem Kapitel werden zentrale Forschungsergebnisse empirischer Untersuchungen kursorisch beschrieben, die sich mit Fragestellungen zur Anordnungspraxis und / oder Vollzugspopulation beschäftigen. Die dargestellten Untersuchungen sind überwiegend kriminologische, aber auch soziologische Arbeiten aus dem Zeitraum 1973 bis 2019, in denen überwiegend Arrestakten ausgewertet und / oder Arrestanten befragt wurden; teilweise – vor allem hinsichtlich § 16a JGG – wurden Urteile ausgewertet. Es wurden teilweise unterschiedliche Begriffe und Definitionen, z. B. hinsichtlich der strafrechtlichen Vorbelastung, verwendet, was im Folgenden berücksichtigt wurde. Die hier vorgestellten Ergebnisse fokussieren die im Hinblick auf die Arbeit wichtig erscheinenden Gesichtspunkte; andere Forschungsstränge zum Jugendarrest werden ausgeklammert, da diese ein anderes Erkenntnisinteresse verfolgen. Dies betrifft z. B. die Wirksamkeit der Sanktion, vor allem im Sinne der Legal­bewährung,27

23 Zusätzlich müssen beim Anteil der Urteilsarreste noch die Fälle abgezogen werden, bei denen nach der Verurteilung und vor Arrestantritt von der Vollstreckung abgesehen wird. 24 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drucks. 21/4085, S. 4. In Niedersachsen machen die Arreste wegen Verletzung der Schulpflicht einen Anteil von 20–25 % aller vollstreckten Arreste aus (Niedersächsischer Landtag, Plenarprotokoll 17/72, 16.09.2015, S. 7124). 25 Bundesamt für Justiz, Belegungsübersicht 2017, Stand 24.01.2019. 26 Bundesamt für Justiz, Belegungsübersicht 2017, Stand 24.01.2019. 27 Der hier ausgeklammerte Forschungsstand zu Wirkung und Rückfall wird bei Schwegler, Dauerarrest als Erziehungsmittel, 1999, S. 104 ff. dargestellt. In Bezug auf § 16a JGG sind außerdem die Untersuchung von Gernbeck (Stationäres soziales Training, 2017, S. 311 ff.) sowie von Klatt / Ernst / Höynck / Baier / Treskow / Bliesener / Pfeiffer (Evaluation des neu eingeführten Jugendarrestes, 2016, S. 197 ff.) zu nennen.

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4. Teil: Amtliche Daten und Forschungsstand 

sowie die praktische Durchführung des Vollzugs,28 auch im Hinblick auf Behandlungsmöglichkeiten.29 Dargestellt werden die Erkenntnisse zu soziodemografischen Merkmalen (Kapitel B. I.), zu sozialen Belastungen (Kapitel B. II.), zu Vorverurteilungen (Kapitel B. III.), zur Rechtsgrundlage und zu den Anlassdelikten (Kapitel B. IV.), zum verhängten Arrest und zur Verfahrensdauer (Kapitel B. V.) sowie zum weiteren Arrestverlauf (Kapitel B. VI.).

I. Soziodemografische Merkmale der Vollzugspopulation Die Arbeiten zum Jugendarrest umfassen stets auch Angaben zu den soziodemografischen Daten der Arrestierten. Es zeigte sich in den Untersuchungen erwartungsgemäß, dass der weit überwiegende Teil der Personen im Arrestvollzug männlich war.30 Außerdem stellten Heranwachsende den größten Teil der Vollzugspopulation dar.31

28

Zum Vollzug siehe z. B. Bihs, Grundlegung, Bestandsaufnahme und pädagogische Weiterentwicklung des Jugendarrests, 2013; Brücklmayer, Vollstreckungs- und vollzugsrechtliche Probleme, 2010; Klatt / Bliesener, Evaluierung des Jugendarrestes in Schleswig-Holstein, 2018 sowie Lobitz / Wirth / L angenhoff, Jugendarrest in Nordrhein-Westfalen, 2017, S. 29 ff. Die Vollzugspraxis wurde auch in älteren Untersuchungen thematisiert, die hier teilweise bei der Vollzugspopulation betrachtet werden; siehe z. B. Giffey / Werlich, in: Schumann, 1985, 13 (13 ff.); Keiner, Jugendarrest, 1989, S. 105 ff. 29 Besonders hervorzuheben sind diesbezüglich die Arbeiten von Eisenhardt (Gutachten über die Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit des Jugendarrests, 1974; Die Wirkungen der kurzen Haft auf Jugendliche, 1977 und Gutachten über den Jugendarrest, 1989). Bei seinen Gutachten / Untersuchungen handelt es sich um psychologische Untersuchungen; die hier interessierenden Daten („Juristische Merkmale“) wurden nur am Rande betrachtet (z. B. Eisenhardt, Gutachten über die Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit des Jugendarrests, 1974, S. 317) und liefern im Vergleich zu anderen, hier dargestellten Untersuchungen keine abweichenden oder darüber hinausgehenden Erkenntnisse. 30 Siehe z. B. Eisenhardt, Die Wirkungen der kurzen Haft auf Jugendliche, 1977, S. 231 (94,8 %); Keiner, Jugendarrest, 1989, S. 129 (94 % unter den Dauerarrestanten). KratochvilHörr (Der Beschlussarrest, 2016, S. 71) hat für das Untersuchungsjahr 2009 in der (einzigen) Jugendarresteinrichtung in Berlin festgestellt, dass 86 % der Nichtbefolgungungarrestanten männlich waren. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen auch Endres / Maier [in: Safferling / Kett-Straub / Jäger / Kudlich, 2017, 427 (429)], die Urteile zu § 16a JGG in Bayern für 2013/2014 auswerteten (86,4 % männlich). Bei der bundesweiten Evaluation des § 16a JGG zeigte sich, dass nur 6,6 % der zu einer Bewährungsstrafe mit § 16a JGG Verurteilten weiblich waren (Klatt / Ernst / Höynck / Baier / Treskow / Bliesener / Pfeiffer, Evaluation des neu eingeführten Jugendarrestes, 2016, S. 64). 31 Siehe z. B. Giffey / Werlich, in: Schumann, 1985, 13 (28); Keiner, Jugendarrest, 1989, S. 130; Kratochvil-Hörr, Der Beschlussarrest, 2016, S. 72.

B. Forschungsstand 

139

II. Soziale Belastungen der Arrestanten In vielen Untersuchungen zum Jugendarrest spielten die sozialen Belastungen der Arrestierten eine wesentliche Rolle. So befragte z. B. Pfeiffer im Jahr 1979 in 3 Jugendarrestanstalten insgesamt 2.006 jugendliche und heranwachsende Arrestanten mit einem standardisierten Fragebogen, der vor allem Aufschluss über spezielle Gefährdungs- und „Verwahrlosungsmerkmale“ geben sollte.32 Ziel der Untersuchung war unter anderem die Beantwortung der Frage, ob auch als „Arrest ungeeignet“ eingestufte Personen zu Jugendarrest verurteilt werden.33 Teilweise füllten die Arrestanten den Fragebogen selbst aus, teilweise wurde die Datenerhebung von Beamten oder Sozialarbeitern durchgeführt. Pfeiffer fand heraus, dass Jugendarrest besonders häufig bei stark belasteten oder gefährdeten Jugendlichen verhängt wurde und die Dauer des Arrests umso höher war, je stärker die Belastung mit „Verwahrlosungsmerkmalen“34 war. Ferner konnte Pfeiffer zeigen, dass die Nichtbefolgungsarrestanten fast durchweg eine höhere Belastung aufwiesen als die zu Jugendarrest Verurteilten.35 Auch die Untersuchung von Feltes zeigte eine Häufung sozialer Probleme, z. B. durch abgebrochene Schul- oder Berufsausbildung, hohe Arbeitslosenquote oder familiäre Belastungen.36 Feltes befragte im Jahr 1979 in 3 Arrestanstalten 1.673 Arrestierte mit einem standardisierten Fragebogen, der von in der Anstalt tätigen Personen ausgefüllt und teilweise durch Akteninformationen vervollständigt wurde.37 Ziel der Untersuchung war, Informationen zu Struktur und Zusammensetzung der Arrestpopulation und zur Arrestgestaltung zu erhalten. Giffey und Werlich befragten in ihrer Untersuchung 108 Arrestanten, die zwischen November 1983 und Mai 1984 in der Jugendarrestanstalt Bremen-Lesum aufgenommen worden waren, und werteten 89 Arrestvollzugsakten aus.38 In der Befragung zeigte sich hinsichtlich der Lebenssituation der Arrestierten, dass diese häufig aus strukturell unvollständigen Familien kamen und ihre schulische und berufliche Situation Probleme aufwies.39

32

Pfeiffer, MschrKrim 1981, 28 (35). Pfeiffer, MschrKrim 1981, 28 (34). 34 Pfeiffer, MschrKrim 1981, 28 (40). Auch Heinz kommt auf Grundlage der von den Jugendarresteinrichtungen geführten Belegungsnachweise, die Hinweise zu Alter und Vorbelastung enthalten, zu dem Ergebnis, dass seit „Mitte der 1970er Jahre […] der Anteil der erheblich Vorbelasteten deutlich angestiegen“ [Heinz, ZJJ 2014, 97 (103)] ist. Schwegler führt für die Gruppe der Dauerarrestanten aus: „Die soziale Problemlage der Dauerarrestanten ist zunehmend massiver geworden.“ (Dauerarrest als Erziehungsmittel, 1999, S. 91). 35 Pfeiffer, MschrKrim 1981, 28 (48). 36 Feltes, in: DVJJ, 1981, 290 (296, 308). 37 Feltes, in: DVJJ, 1981, 290 (296). In diesen 3 Arrestanstalten wurden Arreste aus 4 Amtsgerichtsbezirken vollstreckt. 38 Giffey / Werlich, in: Schumann, 1985, 13 (14, 27, 36). 39 Giffey / Werlich, in: Schumann, 1985, 13 (29 ff.). 33

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4. Teil: Amtliche Daten und Forschungsstand 

Keiner erhob zwischen 1983 und 1984 Daten in der Jugendarresteinrichtung Gelnhausen. Er verwendete einen Fragebogen, wertete Arrestakten aus und führte Interviews durch; ergänzend fanden Beobachtungen statt. Keiner erhob mit dem Fragebogen für alle Arrestanten mit mindestens einer Woche Dauerarrest im Jahr 1983 Daten zu Herkunft und Situation (N = 725).40 Er konnte zeigen, dass bei „Schichtzugehörigkeit“, Wohnsituation und Schulabschlüssen keine besonderen Belastungen bei den Arrestanten vorlagen, allerdings zeigten sich vermehrt Belastungen hinsichtlich der Familien- und der Arbeitsverhältnisse.41 Schwegler befasste sich in ihrer Untersuchung in erster Linie mit der Wirkung des Arrests bzw. der Verwirklichung des Ziels „Erziehung“, wozu sie z. B. Änderungen im moralischen Urteilsverhalten und in der Einstellung zum Recht bei den Arrestanten abfragte.42 Neben diesen Fragen betrachtete Schwegler auch die „Arrestgeeignetheit“ der Personen anhand von Belastungsmerkmalen wie krimineller Vorbelastung und familiärer Situation. Für die Beantwortung der letzten Frage verwendete sie einen Fragebogen unter anderem zu Familienverhältnissen, Werdegang und Freizeitverhalten.43 Mit diesem Fragebogen befragte Schwegler alle männlichen Personen, die zu einem Dauerarrest verurteilt worden waren, die zwischen dem 10. Februar und dem 12. Mai 1997 in die Anstalt Nürnberg aufgenommen wurden und bei denen kein Ausschlusskriterium (z. B. Verweigerung) vorlag (N = 86).44 Schwegler stufte rund ein Viertel der Arrestanten wegen ihrer Belastungen in den Bereichen der persönlichen und sozialen Merkmale, unter anderem hinsichtlich der Familien- und der schulischen / beruflichen Situation, als „für den Arrest ungeeignet“ ein (25,6 %).45 Hinweise auf Probleme in den Bereichen Familie und Schule oder Ausbildung identifizierte auch Kratochvil-Hörr bei den Nichtbefolgungsarrestanten. Sie untersuchte alle in der Jugendarresteinrichtung Berlin vollstreckten Nichtbefolgungsarreste im Untersuchungsjahr 2009 anhand einer Aktenanalyse (N = 435).46 Kratochvil-Hörr kam zum Ergebnis, dass es sich bei den Betroffenen um „sozial besonders benachteiligte Jugendliche“47 handelte. Endres und Maier werteten 197 Urteile bayerischer Jugendstrafgerichte mit einer Verurteilung nach § 16a JGG zwischen 7. März 2013 und 31. Dezember 2014 aus. Sie stellten fest, dass die zu einem Jugendarrest neben einer zur Bewährung aus 40

Keiner, Jugendarrest, 1989, S. 7, 127 ff. Keiner, Jugendarrest, 1989, S. 129 ff., 149. 42 Schwegler, Dauerarrest als Erziehungsmittel, 1999, S. 165 ff. 43 Schwegler, Dauerarrest als Erziehungsmittel, 1999, S. 183 f. 44 Schwegler, Dauerarrest als Erziehungsmittel, 1999, S. 175. 45 Schwegler, Dauerarrest als Erziehungsmittel, 1999, S. 256. Weiterhin kam sie zu dem Ergebnis, dass fast die Hälfte aller befragten Personen wegen der kriminellen Vorbelastung, der Deliktschwere der Anlasstat und / oder aufgrund persönlicher und sozialer Merkmale ungeeignet für den Jugendarrest waren, S. 250 ff. 46 Kratochvil-Hörr, Der Beschlussarrest, 2016, S. 7. 47 Kratochvil-Hörr, Der Beschlussarrest, 2016, S. 215. 41

B. Forschungsstand 

141

gesetzten Jugendstrafe Verurteilten zu einem bedeutenden Anteil bei psychosozialen Merkmalen, z. B. stationären Aufenthalte, besondere Belastungen aufwiesen (42,3 %). Außerdem zeigte sich in Bezug auf die schulische bzw. berufliche Situation, dass über die Hälfte der 14- bis 18-Jährigen noch keinen Schulabschluss hatten (52,5 %).48 Ähnlich kamen auch Klatt, Ernst, Höynck, Baier, Treskow, Bliesener und Pfeiffer bei der Analyse aller Jugendstrafakten mit Rechtskraft ab 1. Oktober 2013 bis einschließlich 30. September 2014 in 27 zufällig ausgewählten Landgerichtsbezirken (N = 1.788) zu dem Ergebnis, dass die nach § 16a JGG Verurteilten (N = 213) eine hohe Problembelastung in verschiedenen Bereichen wie Familie, Schule oder Ausbildung sowie Freizeitgestaltung aufwiesen.49

III. Strafrechtliche Vorbelastung der Arrestanten Neben den sozialen Belastungen wurde in vielen Untersuchungen auch die strafrechtliche Vorbelastung betrachtet, wobei zu beachten ist, dass in den Untersuchungen nur teilweise auch Einstellungsentscheidungen einbezogen wurden. Feltes zeigte, dass die Arrestanten in seiner Befragung in 3 der 4 von ihm untersuchten Amtsgerichtsbezirke etwa zur Hälfte angaben, strafrechtlich vorbelastet zu sein, wobei er dies als mindestens ein Verfahren vor dem Jugendrichter definierte (58,3 %, 50,9 % und 50,1 %); im vierten Amtsgerichtsbezirk lag der Anteil mit rund drei Vierteln wesentlich höher (74,8 %).50 Die Untersuchung von Schwegler zeigte ein ähnliches Ergebnis: Knapp die Hälfte der Befragten waren strafrechtlich vorbelastet (45,3 %); bei Einbeziehung der Einstellungen zeigte sich, dass über zwei Drittel der Befragten vorbelastet (69,8 %) waren.51 Süssenguth betrachtete Strafakten zu 300 Fällen (Zufallsstichprobe aus den Registern der 3 Geschäftsstellen des Jugendgerichts München), bei denen im ersten Halbjahr 1965 vom Jugendgericht München ein Jugendarrest verhängt wurde.52 Auch er kam zu dem Ergebnis, dass knapp über die Hälfte (57,3 %) der Probanden bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten war.53 Pfeiffer und Strobel zeigten in ihrer Untersuchung zu den Vorverurteilungen der Arrestanten anhand der Einzeldatensätze der Strafverfolgungsstatistik für das Jahr 1989 ebenfalls, dass über die Hälfte der zu Jugendarrest Verurteilten zuvor schon verurteilt worden war (58,6 %), davon rund ein Drittel bereits mehrfach (33,6 %).54

48

Endres / Maier, in: Safferling / Kett-Straub / Jäger / Kudlich, 2017, 427 (429 f.). Klatt / Ernst / Höynck / Baier / Treskow / Bliesener / Pfeiffer, Evaluation des neu eingeführten Jugendarrestes, 2016, S. 69 ff. 50 Feltes, in: DVJJ, 1981, 290 (297, 309). Die in der vierten Anstalt niedrigere Zahl wurde mit der zurückhaltenden Verhängung von Arrest in diesem Bundesland begründet. 51 Schwegler, Dauerarrest als Erziehungsmittel, 1999, S. 220. 52 Süssenguth, Jugendarrest in Bayern, 1973, S. 7 ff. 53 Süssenguth, Jugendarrest in Bayern, 1973, S. 69 ff. 54 Pfeiffer / Strobl, DVJJ-Journal 1991, 35 (42). 49

142

4. Teil: Amtliche Daten und Forschungsstand 

In der Aktenanalyse von Giffey und Werlich zeigte sich, dass drei Viertel der Arrestierten vor der jetzigen Verurteilung bereits mindestens einmal verurteilt worden waren oder das Verfahren mit Auflagen eingestellt worden war (76,4 %); bei den Dauerarrestanten waren es etwas mehr (87,5 %).55 Dies entspricht auch dem Anteil, der sich in der Untersuchung von Schwegler unter Einbeziehung der Einstellungen zeigte. Auch für die Gruppe der Nichtbefolgungsarrestanten konnte Kratochvil-Hörr zeigen, dass der Anteil der strafrechtlich Vorbelasteten unter Einbeziehung von Diversionsentscheidungen bei über vier Fünfteln lag: Danach waren 83 % der weiblichen und 86 % der männlichen Arrestanten bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten, ein großer Teil davon mehrfach (47 % bzw. 68 %).56 Kratochvil-Hörr kam außerdem zu dem Ergebnis, dass knapp ein Drittel der Arrestanten bereits zuvor zu einem Arrest (32,5 %) und einige wenige zu einer Jugendstrafe (7,4 %) verurteilt waren.57 Darüber hinaus konnte sie den Akten entnehmen, dass bereits zuvor gegen 12,1 % der Jugendlichen ein Nichtbefolgungsarrest verhängt worden war.58 Ein hoher Anteil strafrechtlich Vorbelasteter zeigte sich ebenfalls in der Evaluation des Jugendarrests neben zur Bewährung ausgesetzter Jugendstrafe (§ 16a JGG), sowohl für Verurteilte zu einer Bewährungsstrafe mit als auch ohne § 16a JGG: 85,9 % der zu einem Arrest neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe Verurteilten war zuvor strafrechtlich bereits in Erscheinung getreten, wobei auch Einstellungsentscheidungen erfasst wurden.59 Auch Endres und Maier kamen zu einem ähnlichen Ergebnis: Danach waren 87,8 % der zu einem Jugendarrest nach § 16a JGG Verurteilten bereits zuvor strafrechtlich auffällig.60

IV. Rechtsgrundlage und Anlassdelikte Wie im Kapitel A. ausgeführt liegen zwar amtliche Daten zu den Verurteilungen nach §§ 16, 16a JGG vor, nicht aber zur Verhängung von Nichtbefolgungsarresten und Arresten nach § 98 II OWiG.61 Ebenso liegen auch nur allgemeine Daten zu den Arrestantritten insgesamt vor, nicht aber hinsichtlich einzelner Rechtsgrundlagen. Die Verteilung der einzelnen Rechtsgrundlagen unter der Vollzugspopulation war Gegenstand diverser Untersuchungen. 55

Giffey / Werlich, in: Schumann, 1985, 13 (37). Kratochvil-Hörr, Der Beschlussarrest, 2016, S. 94 ff., 216. 57 Kratochvil-Hörr, Der Beschlussarrest, 2016, S. 97 f. 58 Kratochvil-Hörr, Der Beschlussarrest, 2016, S. 98. 59 Klatt / Ernst / Höynck / Baier / Treskow / Bliesener / Pfeiffer, Evaluation des neu eingeführten Jugendarrestes, 2016, S. 72 ff. 60 Endres / Maier, in: Safferling / Kett-Straub / Jäger / Kudlich, 2017, 427 (431). 61 Hierzu hat Frehsee schon früh kritisiert: „Über die Rechtswirklichkeit des UA [Ungehorsamsarrests, Anm. d. Verf.] liegen erstaunlich wenig Informationen vor“ [Frehsee, in: DVJJ, 1990, 314 (317)]. 56

B. Forschungsstand 

143

Ostendorf befragte mit einem Fragebogen im Jahr 1992 alle Jugendarrestanstalten in Deutschland (damals 30) nach der Verteilung zwischen den Rechtsgrund­ lagen im Rahmen von Vollstreckungsersuchen und von vollstreckten Arresten. Die Rücklaufquote lag bei 43,33 % (13 Anstalten).62 In diesen Anstalten entfielen mehr als die Hälfte der Vollstreckungsersuchen auf den Arrest nach § 16 JGG (56,2 %) und mehr als ein Drittel auf den Nichtbefolgungsarrest nach JGG (39,2 %); eher selten entfielen die Vollstreckungsersuchen auf den Arrest nach § 98 OWiG (4,6 %).63 Unter den Arrestvollstreckungen lag der Anteil von Urteilsarresten nach § 16 JGG hingegen mit 72,0 % deutlich höher.64 Ostendorf zeigte hierzu, dass ein nicht unwesentlicher Anteil der Vollstreckungsersuchen bei Nichtbefolgungsarresten nach Erfüllung der Weisung oder Auflage für erledigt erklärt wurde (36,4 % bei Nichtbefolgungsarresten nach JGG und 41,3 % bei Arresten nach § 98 II OWiG).65 In der von Seidl, Holthusen und Hoops 2010 durchgeführten Telefonbefragung in 29 Jugendarrestanstalten zeigte sich insgesamt eine ähnliche Verteilung: Urteilsarreste machten einen Anteil von 60 % und Ungehorsamsarreste von 40 % aus, wobei die Autoren unter Ungehorsamsarrest auch die Arreste wegen Verletzung der Schulpflicht fassten.66 Außerdem kamen die Autoren zum Ergebnis, dass die Anteile an Ungehorsamsarresten in den einzelnen Anstalten mit zwischen 10 % und 70 % sehr unterschiedlichen waren.67 Werlich wertete die Arrestvollzugsakten aller männlichen Ungehorsamsarrestanten in Bremen von Januar 1980 bis Juni 1984 aus (N = 1.497). Es zeigte sich, dass rund 30 % (N = 415) der vollstreckten Arreste in Bremen in diesem Zeitraum Ungehorsamsarreste waren, wobei der Anteil in den untersuchten Jahren zwischen 18,8 % und 33,5 % variierte. Neben weiteren Untersuchungsschritten befragte Werlich außerdem zwischen 1983 und 1984 Ungehorsamsarrestanten in der Jugend­ arrestanstalt Bremen-Lesum mit einem Fragebogen (N = 50) unter anderem zu ihrer ursprünglichen Verurteilung. Sie fand heraus, dass die meisten Personen zunächst zu einer Arbeitsauflage (42,0 %) oder zur Zahlung einer Geldbuße (20,0 %) verurteilt worden waren.68 In einer neueren Erhebung von Lobitz, Wirth und Langenhoff wurden auf Grundlage des für die Erhebung erweiterten Dokumentationssystems VZettchen personenbezogene Daten zu insgesamt 4.480 Personen, die zwischen dem 1. Juli 2016 und dem 31. Juli 2017 aus dem Jugendarrest in NRW entlassen worden waren, erhoben. Danach verbüßten die Personen in mehr als der Hälfte der Fälle einen 62

Ostendorf, MschrKrim 1995, 352 (357). Ostendorf, MschrKrim 1995, 352 (357). § 16a JGG existierte zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ostendorf [ZfJ 1983, 563 (563 ff.)] sprach schon 1983 von der „Verselbstständigung“ dieser Arrestform zu einer eigenen Sanktion. 64 Ostendorf, MschrKrim 1995, 352 (357). 65 Ostendorf, MschrKrim 1995, 352 (358). 66 Seidl / Holthusen / Hoops, ZJJ 2013, 292 (293). 67 Seidl / Holthusen / Hoops, ZJJ 2013, 292 (293). 68 Werlich, in: Schumann, 1985, 140 (156, 160, 162). 63

144

4. Teil: Amtliche Daten und Forschungsstand 

Urteilsarrest (55,8 %, davon 89,6 % nach § 16 JGG und 10,4 % nach § 16a JGG); die anderen Personen verbüßten einen Beugearrest (44,2 %, davon 14,6 % wegen Verletzung der Schulpflicht).69 Kratochvil-Hörr kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass rund ein Drittel der vollstreckten Arreste in Berlin im Jahr 2009 Nichtbefolgungsarreste waren.70 Weiter­ hin fand sie heraus, dass nicht erfüllte Weisungen (57,0 %) und nicht erfüllte Auflagen (30,0 %) den Großteil der nicht erfüllten Rechtsfolgen ausmachten.71 Verstöße gegen Weisungen (9,0 %) und Auflagen (2,0 %) in der Bewährungszeit sowie der Arrest nach § 98 II 1 OWiG (2,0 %) machten nur einen kleinen Anteil aus, wobei im Schulgesetz Berlins auch kein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen „Schulschwänzer“ vorgesehen ist und letztere daher auch keinen Arrest verbüßen müssen.72 Klatt und Bliesener, die 2018 den Jugendarrest in Schleswig-Holstein umfassend – unter anderem mit Experteninterviews, schriftlichen Befragungen und der Analyse von Jugendarrestvollzugsakten – evaluiert haben, legten dar, dass 2014 fast die Hälfte aller vollstreckten Arreste (48,5 %) und 2016 sogar mehr als die Hälfte der vollstreckten Arreste (52,3 %) Beschlussarreste wegen Nichterfüllung von Weisungen oder Auflagen waren.73 Ernst und Höynck befragten 2018 alle Jugendarresteinrichtungen zur quantitativen Relevanz der Arrestvollstreckungen nach § 98 II OWiG wegen Verletzung der Schulpflicht in den Jahren 2012 bis 2017 und erhielten Rückmeldungen von 17 Jugendarresteinrichtungen. Es zeigte sich, dass der durchschnittliche Anteil der vollstreckten Arreste wegen Schulpflichtverletzungen unter allen vollstreckten Arresten im Untersuchungszeitraum sehr unterschiedlich war: In einigen Einrichtungen wurde kaum ein entsprechender Arrest vollstreckt, in anderen Einrichtungen lag der Anteil bei knapp einem Drittel (31,39 %).74 Damit variiert die absolute und relative Bedeutung dieser Arrestform bundesweit erheblich. In der zuvor durch­ geführten Untersuchung für die Jahre 2002 bis 2011 lag der durchschnittliche Anteil noch bei maximal rund 20 %.75 Die Autoren konnten weiterhin zeigen, dass der durchschnittliche Anteil dieser Arreste unter den Vollstreckungsersuchen zwischen rund 5 % und knapp über 90 % und damit deutlich höher lag.76 Betrachtet wurden außerdem in einigen Untersuchungen die Anlassdelikte, die den Verurteilungen zu einem Arrest nach § 16 JGG zugrunde lagen. Giffey und Werlich konnten in ihrer Aktenanalyse zeigen, dass Vermögensdelikte einen hohen 69

Lobitz / Wirth / L angenhoff, Jugendarrest in Nordrhein-Westfalen, 2017, S. 19, 28. Kratochvil-Hörr, Der Beschlussarrest, 2016, S. 207 f. 71 Kratochvil-Hörr, Der Beschlussarrest, 2016, S. 207. 72 Kratochvil-Hörr, Der Beschlussarrest, 2016, S. 121. 73 Klatt / Bliesener, Evaluierung des Jugendarrestes in Schleswig-Holstein, 2018, S. 14. 74 Ernst / Höynck, ZJJ 2018, 312 (318). 75 Höynck / Klausmann, ZJJ 2012, 403 (403 ff.). 76 Ernst / Höynck, ZJJ 2018, 312 (318). 70

B. Forschungsstand 

145

Anteil der Verurteilungen ausmachten (77,6 % bei den Dauerarresten und 62,5 % bei den Freizeitarresten); dabei machten Diebstahlsdelikte den größten Anteil aus (56,5 % bzw. 44,6 %).77 Zu etwas geringeren Anteilen von Diebstahldelikten kam Keiner in seiner Aktenanalyse: Danach machten Diebstahl und Unterschlagung nur rund ein Drittel der Delikte, die zu einem Dauerarrest geführt haben, aus (33,6 %, N = 402).78 Pfeiffer und Strobl analysierten Einzeldatensätze der Strafverfolgungsstatistik zwischen 1980 und 1989 und kamen zu dem Ergebnis, dass rund die Hälfte der Verurteilungen zu Jugendarrest zumindest auch ein Diebstahlsdelikt umfasste (50,5 %).79 Auch Lobitz, Wirth und Langenhoff legten dar, dass die Mehrheit der Personen, die einen Urteilsarrest verbüßten, Körperverletzungsdelikte (26,7 %) und / oder einen Diebstahl / eine Unterschlagung (26,5 %) begangen hatte. Ebenso hat die Evaluation des § 16a JGG von Klatt, Ernst, Höynck, Baier, ­ reskow, Bliesener und Pfeiffer gezeigt, dass die am häufigsten begangenen DeT likte, die zu Verurteilungen nach § 16a JGG führten, Diebstahl und Unterschlagung (41,4 %) sowie Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit (42,9 %) waren.80 Schmidt kam in ihrer Aktenanalyse aller im Zeitraum vom 7. März 2013 bis 31. Dezember 2014 ergangenen Urteile nach § 16a JGG in Bayern ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Schwerpunkt der Verurteilungen auf diesen beiden Deliktsgruppen lag, allerdings gab es mehr Verurteilungen wegen Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit (48,2 %) als wegen Diebstahl und Unterschlagung (32,4 %).81 Kratochvil-Hörr betrachtete die Delikte, die der ursprünglichen Verurteilung bei den Nichtbefolgungsarresten zugrunde lagen: Danach machten Körperverletzungsdelikte im Gegensatz zu den voran gestellten Untersuchungen bei Nichtbefolgungsarresten die größte Deliktsgruppe aus (29,5 %), gefolgt von Eigentumsdelikten (23,3 %), Sachbeschädigung (18,3 %) und dem Erschleichen von Leistungen (17,8 %).82 Auch Kratochvil-Hörr konnte zeigen, dass die nichterfüllte Rechtsfolge überwiegend Arbeitsweisungen (51,2 % der Weisungen) und Arbeitsauflagen (58,0 % der Zuchtmittel) waren.83

77

Giffey / Werlich, in: Schumann, 1985, 13 (35). Keiner, Jugendarrest, 1989, S. 163, 151. 79 Pfeiffer / Strobl, DVJJ-Journal 1991, 35 (42). 80 Klatt / Ernst / Höynck / Baier / Treskow / Bliesener / Pfeiffer, Evaluation des neu eingeführten Jugendarrestes, 2016, S. 79. 81 Schmidt, NK 2019, 74 (81 f.). 82 Kratochvil-Hörr, Der Beschlussarrest, 2016, S. 107. 83 Kratochvil-Hörr, Der Beschlussarrest, 2016, S. 110, 113, 210. So auch Höynck / L euschner, Jugendgerichtsbarometer, 2014, S. 117. Zur Kritik an fehlenden Erkenntnissen zu dieser Sanktion, z. B. zu den nicht erfüllten Weisungen oder Auflagen, auch Seidl / Holthusen / Hoops, ZJJ 2013, 292 (294). 78

146

4. Teil: Amtliche Daten und Forschungsstand 

V. Verhängter Arrest und Verfahrensdauer Giffey und Werlich fanden heraus, dass Dauerarreste unter den verbüßten Jugendarresten einen Anteil von rund zwei Dritteln ausmachten (63,9 %) und der Arrest am häufigsten eine Dauer von 2 Wochen hatte (34,8 %); Kurzarreste spielten keine praxisrelevante Rolle.84 Weiterhin werteten sie durch eine Aktenanalyse den Zeitraum zwischen Urteil und Arrestantritt aus. Bei den Dauerarresten lag dieser vorwiegend zwischen 2 und 3 Monaten (37,6 %); seltener betrug der Zeitraum maximal 2 Monate (19,6 %).85 In den 4 von Feltes untersuchten Arresteinrichtungen war der Anteil an Dauerarresten hingegen sehr unterschiedlich (zwischen 38,8 % und 100,0 %), was er auf die unterschiedliche Struktur der Einrichtungen zurückführte; dem Kurzarrest kam in allen 4 Arresteinrichtungen, wie auch Giffey und Werlich zeigten, eine untergeordnete Rolle zu.86 In der Untersuchung von Feltes zeigte sich auch, dass der Zeitraum zwischen Urteil und Arrestantritt regelmäßig bei 3 Monaten oder weniger lag.87 Hinsichtlich der Nichtbefolgungsarreste zeigte Kratochvil-Hörr, dass diese fast vollständig Dauerarreste waren (97,0 %).88 Außerdem berechnete sie die Zeitspannen zwischen den einzelnen Verfahrensabschnitten: Zwischen Tat und Rechtskraft des ursprünglichen Urteils vergingen durchschnittlich 10 Monate, zwischen Urteil und Arrestbeschluss 8 Monate und zwischen Arrestbeschluss und Arrestantritt weitere 4 Monate.89

VI. Arrestverlauf In der Untersuchung von Feltes zeigte sich, dass in 3 der 4 Arresteinrichtungen ganz überwiegend (zwischen 83,0 % und 85,6 %) keine vorzeitige Entlassung stattfand; in einer Einrichtung hingegen fand überwiegend eine vorzeitige Entlassung statt (84,2 %).90 Außerdem kam Feltes zu dem Ergebnis, dass der Arrest nur sehr selten unterbrochen wurde; in einer der 4 Einrichtungen hingegen erfolgte bei knapp einem Viertel (21,1 %) der Arreste eine Unterbrechung wegen Schule oder Arbeit und in weiteren 8,9 % aus sonstigen Gründen.91 84

Giffey / Werlich, in: Schumann, 1985, 13 (28 f.). Giffey / Werlich, in: Schumann, 1985, 13 (38). Auch Pfeiffer fand heraus, dass zwischen Tat und Hauptverhandlung rund 6 Monate und bis zur Vollstreckung noch einmal 3 Monate vergehen [MschrKrim 1981, 28 (32, Fn. 40)]. 86 Feltes, in: DVJJ, 1981, 290 (298, 308). 87 Feltes, in: DVJJ, 1981, 290 (308). 88 Kratochvil-Hörr, Der Beschlussarrest, 2016, S. 177. 89 Kratochvil-Hörr, Der Beschlussarrest, 2016, S. 187 f. 90 Feltes, in: DVJJ, 1981, 290 (309). 91 Feltes, in: DVJJ, 1981, 290 (309). 85

C. Zwischenfazit 4. Teil

147

In der von Kratochvil-Hörr durchgeführten Untersuchung zeigte sich, dass sich der überwiegende Teil der Arrestanten selbst dem Arrest gestellt haben (61 %), 38 % zugeführt wurden und in unter 1 % Anschlussvollstreckungen erfolgten.92 Außerdem ergab die Aktenanalyse, dass die Arrestierten ganz überwiegend (89,2 %) vorzeitig aus dem Arrest entlassen wurden, wobei die vorzeitige Entlassung überwiegend nach § 87 III JGG erfolgte.93

C. Zwischenfazit 4. Teil Die dargestellten amtlichen Daten zur Strafverfolgung zeigen, dass der Jugendarrest mit rund 20 % aktuell – wie schon seit vielen Jahren – eine nicht zu vernachlässigende quantitative Relevanz unter den Verurteilungen hat. Den größten Teil machen dabei die Verurteilungen nach § 16 JGG aus; § 16a JGG hat in der Praxis eine untergeordnete Bedeutung. Unter den verhängten Arresten macht der Dauer­ arrest über die Hälfte aus, zu rund einem Drittel werden Freizeitarreste verhängt. Die amtlichen Daten deuten außerdem darauf hin, dass die Nichtbefolgungsarrestanten und die Arrestanten nach § 98 II OWiG einen Anteil von rund 50 % unter der Vollzugspopulation ausmachen. Vor allem die neueren Forschungsergebnisse bestätigen diese Größenordnung, auch wenn zwischen den Untersuchungen leichte Unterschiede bestehen. Bestätigt haben sich in den Untersuchungen ebenfalls der hohe Anteil von Dauerarresten und die geringe praktische Relevanz von Kurzarresten. Hinsichtlich der Vollzugspopulation weisen die amtlichen Daten einen sehr hohen Anteil männlicher Personen im Arrest aus, was sich erwartungsgemäß auch in den Untersuchungen gezeigt hat. Nach den amtlichen Daten sind außerdem über ein Drittel der Arrestierten jugendlich, was die Untersuchungen ebenfalls bestätigten. Darüber hinaus zeigte sich, dass die Heranwachsenden die größte Gruppe im Vollzug bilden. Bei den Anlassdelikten lässt sich den amtlichen Daten entnehmen, dass Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit sowie Diebstahl und Unterschlagung den größten Anteil unter den Verurteilungen einnehmen. Auch dies bestätigte sich in den Untersuchungen und ist wenig überraschend, da diese Delikte generell einen hohen Anteil an den Verurteilungen nach Jugendstrafrecht ausmachen. Die Forschungsarbeiten zeigen zudem, dass die Arrestierten deutliche soziale Belastungen, vor allem in Bezug auf die Familie sowie die schulische und berufliche Situation aufwiesen und ein Großteil der Personen strafrechtlich vorbelastet war. Die Untersuchungen deuten ferner darauf hin, dass der Arrestantritt in der Regel zeitnah nach Rechtskraft des Urteils oder Beschlusses erfolgte. 92 93

Kratochvil-Hörr, Der Beschlussarrest, 2016, S. 183. Kratochvil-Hörr, Der Beschlussarrest, 2016, S. 184 f.

148

4. Teil: Amtliche Daten und Forschungsstand 

Insgesamt zeigen die dargestellten Forschungsarbeiten vergleichbare Ergebnisse, auch wenn sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten durchgeführt wurden und jeweils andere Forschungsdesigns mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen verwendet wurden. Die Ergebnisse stimmen ebenfalls mit den (wenigen) vorliegenden amtlichen Daten überein.

5. Teil

Forschungsinteresse und Grundkonzeption der Untersuchung Im folgenden Teil werden die Forschungsfragen (Kapitel A.) und das methodische Vorgehen (Kapitel B.) vorgestellt. Abschließend wird auf den Datenschutz eingegangen (Kapitel C.).

A. Forschungsfragen Wie dargestellt ist der Jugendarrest in der jugendstrafrechtlichen Fachdiskussion zum einen als Sanktion generell, aber zum anderen auch hinsichtlich seiner Anwendung höchst umstritten. Soweit amtliche Daten zu den Aspekten vorliegen könnten, sind sie nur unzureichend. Die Betrachtung des Forschungsstands hat gezeigt, dass einige Untersuchungen zum Jugendarrest existieren,1 allerdings sind diese überwiegend nicht aktuell, beziehen sich also nicht auf die aktuelle Rechtslage, und / oder greifen nur einzelne Aspekte der hier interessierenden Fragestellungen auf. Insgesamt liegen vor allem wenig Erkenntnisse zum Arrest nach § 98 II OWiG vor;2 das Verfahren vor Arrestvollstreckung wurde – soweit ersichtlich – noch gar nicht beleuchtet. Ziel der explorativen Untersuchung ist, Grundlagen und Hintergrund der Anordnungspraxis von Jugendarrest sowie zur Vollzugspopulation, unter Berücksichtigung des historischen und rechtlichen Bezugsrahmens, umfassend zu erfassen, um so die aufgezeigte Forschungslücke zu schließen. Beleuchtet wird die Rechtswirklichkeit des Jugendarrests hinsichtlich der Verhängung und der Vollzugspopulation in seiner Breite.

1 Oft zitiert werden z. B. immer noch Eisenhardt, Gutachten über die Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit des Jugendarrests, 1974; Eisenhardt, Gutachten über den Jugendarrest, 1989; Pfeiffer, MschrKrim 1981, 28 (28 ff.). 2 Im kriminologischen Feld wurden das Fernbleiben von der Schule sowie dessen Folgen in Untersuchungen nur am Rande gestreift, z. B. bei der Untersuchung der dogmatischen Probleme und der Anwendungspraxis des sogenannten Beschlussarrests in Berlin (KratochvilHörr, Der Beschlussarrest, 2016, S. 194 ff.), der Frage des Schulschwänzens als Risikofaktor für Kriminalität [z. B. Beckmann / Bergmann, ZJJ 2017, 347 (347 ff.)] sowie als Risikofaktor für Viktimisierung [siehe Willems / van Santen, Diskurs Kindheits- und Jugendforschung 2014, 93 (97, 101 ff.)] und der Evaluation von Modellprojekten zur Prävention (siehe z. B. Trunk, Das niedersächsische Modell gegen Schulschwänzen, 2009).

150

5. Teil: Forschungsinteresse und Grundkonzeption der Untersuchung 

Die Forschungsfragen beziehen sich auf die Anordnungspraxis der verschiedenen Arten von Jugendarrest und auf das Verfahren (Forschungsfragen 1 bis 5) sowie auf die Vollstreckung und den Arrestverlauf (Forschungsfragen 6 bis 8). Darüber hinaus ist relevant, welche weitergehenden Schlussfolgerungen sich daraus insgesamt für die Praxis ableiten lassen (Forschungsfrage 9). Im Einzelnen sind diese Fragen zu stellen: 1. Auf welcher Rechtsgrundlage verbüßen die Arrestierten in der Jugendarrest­ einrichtung Gelnhausen im untersuchten Zeitraum einen Jugendarrest? 2. Welche soziodemographischen Merkmale weisen die Arrestanten auf? Zeigen sich Unterschiede hinsichtlich der soziodemographischen Merkmale zwischen den verschiedenen Gruppen der Arrestanten? 3. Zu Urteilsarresten nach §§ 16, 16a JGG: a) Welche Informationen zur familiären und schulischen oder beruflichen Situation lassen sich den Urteilen entnehmen? b) Sind die Personen bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten? c) Wenn ja, welche Delikte wurden zuvor begangen und welche Sanktionen verhängt? d) Welche Anlassdelikte liegen den aktuellen Verurteilungen schwerpunktmäßig zugrunde? e) Welche Dauer haben die Jugendarreste? f) Wie werden die Urteile begründet? g) Werden neben dem Jugendarrest weitere Sanktionen verhängt und wenn ja, welche? 4. Zu Nichtbefolgungsarresten nach JGG: a) Welche Delikte lagen der ursprünglichen Verurteilung zugrunde? b) Welche Sanktion wurde ursprünglich verhängt? c) Welche Dauer haben die Jugendarreste? d) Nutzen die Personen die Möglichkeit der Anhörung? e) Wie geht die Justiz mit den gesetzlich normierten Voraussetzungen, z. B. der Schuldhaftigkeit, um? f) Lässt sich ein „Umrechnungsmaßstab“ von ursprünglicher Sanktion in Dauer des Jugendarrests erkennen? g) Wie wird die Verhängung von Jugendarrest begründet?

B. Forschungsmethodisches Vorgehen

151

5. Zu Jugendarresten nach § 98 OWiG: a) Welche Ordnungswidrigkeiten liegen den Arresten zugrunde? b) Wie hoch ist die verhängte Geldbuße? c) Welche Ersatzsanktionen werden wie häufig verhängt? d) Welche Dauer haben die Jugendarreste? e) Nutzen die Personen die Möglichkeit der Anhörung? f) Wie geht die Justiz mit den gesetzlich normierten Voraussetzungen, z. B. der Schuldhaftigkeit, um? g) Lässt sich ein „Umrechnungsmaßstab“ von der Geldbuße und / oder der Ersatz­ sanktion in Jugendarrest erkennen? h) Wie wird die Verhängung von Jugendarrest begründet? 6. Wie viel Zeit vergeht zwischen den einzelnen Verfahrensabschnitten und wie lange dauern die Verfahren insgesamt? 7. Werden die Möglichkeiten des Absehens von der Vollstreckung genutzt? Wie viele der geladenen Personen müssen den Arrest aus welchen Gründen nicht antreten? 8. Wie ist der Arrestverlauf gestaltet  – vor allem in Bezug auf Vorführungen, Pflichtverstöße und vorzeitige Entlassungen – und zeigen sich hierbei Unterschiede zwischen den Gruppen der Arrestanten? 9. Durch die Beantwortung der vorangegangenen Fragestellungen sowie der historischen und rechtlichen Betrachtung soll abschließend beleuchtet werden, wo sich besondere Problembereiche identifizieren lassen und welche – vielleicht auch in der Debatte vorgeschlagenen – Reformen angesichts der Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung besonders sinnvoll erscheinen. Die Forschungsfragen 1 bis 8 werden am Ende der Darstellung der deskriptiven Auswertungen beantwortet (siehe 6. Teil, Kapitel H.). Forschungsfrage 9 bezieht sich auf die Reformdebatte und wird daher im Anschluss an die Darstellung der Debatte im 7. Teil beantwortet.

B. Forschungsmethodisches Vorgehen Zunächst werden die methodischen Vorüberlegungen zur Beantwortung der Forschungsfragen und anschließend die Durchführung der Aktenanalyse erläutert. Abschließend wird auf die weiteren Erhebungen über das vollzugsinterne Dokumentationssystem VZettchen eingegangen.

152

5. Teil: Forschungsinteresse und Grundkonzeption der Untersuchung 

I. Methodische Vorüberlegungen Ausgangspunkt der methodischen Vorüberlegungen war, dass sich die genannten Fragen aus verschiedenen Perspektiven betrachten lassen: Zunächst war denkbar, den Weg von der gerichtlichen Entscheidung in den Jugendarrest nachzuzeichnen, also potenzielle Fälle zu betrachten, und zu untersuchen, in welchen Fällen mit welcher Begründung ein Jugendarrest verhängt wird. Hierzu wäre die Beantragung der Übermittlung von in einem Strafverfahren rechtmäßig erhobenen personenbezogenen Daten für Forschungszwecke über den insoweit einschlägigen § 476 StPO denkbar gewesen. Allerdings bereitet das Auffinden der entsprechenden Akten in der Praxis oft Probleme, da Suchkriterien in der Regel weder in den automatisierten Datenbanken der aktenführenden Behörden noch länder- oder bundeszentral systematisch verzeichnet sind. Das bedeutet aber, dass für das Auffinden inhaltlich relevanter Akten auf andere – ebenfalls nicht umfassend differenzierte – Datenbestände zurückgegriffen werden müsste, z. B. das Bundeszentralregister oder polizeiliche Datenbanken.3 Aufgrund dieser Schwierigkeiten und der Annahme, dass auf diesem Wege nur ein geringer Teil der Akten hätte analysiert und die Forschungsfragen somit nicht hinreichend hätten beantwortet werden können, fiel die Entscheidung auf die quantitative Analyse von Jugendstrafvollzugsakten4 als Erhebungsmethode. Da eine bundesweite Analyse aus forschungsökonomischen Gründen5 nicht durchführbar war, wurde die Untersuchung auf ein Bundesland beschränkt. Für die Untersuchung ausgewählt wurde exemplarisch Hessen und damit die (seit 2016 wieder eigenständige) Jugendarresteinrichtung Gelnhausen. In dieser Jugendarresteinrichtung wird der Jugendarrest an allen männlichen und weiblichen Arrestanten des Landes Hessen vollstreckt.6 Daher eignete sich diese Jugendarresteinrichtung ganz besonders für die Analyse, da so die Vollzugspopulation für ein ganzes und außerdem sehr heterogenes Bundesland7 untersucht werden konnte.8 3

Dazu ausführlich Ernst / Höynck / L euschner, in: Begemann / Birkelbach, 2019, 337 (337 ff.). Für die Beantwortung der Forschungsfragen war sowohl die Analyse der Vollstreckungshefte beim Amtsgericht Gelnhausen als auch die Analyse der Arrestvollzugsakten denkbar. Die Jugendarresteinrichtung und das Amtsgericht Gelnhausen haben zur Klärung dieser Frage und zur Vorbereitung einen ersten Zugang zu den Daten ermöglicht, sodass grundlegende Fragen – vor allem welche Informationen sich in den Vollstreckungsheften und Akten befinden – geklärt werden konnten. Bei der Betrachtung beider Quellen hat sich herausgestellt, dass sich die Vollzugsakten als Datengrundlagen besser eignen, da diese insbesondere zusätzliche Angaben zum Vollzug, wie z. B. zum Arrestantritt und zu einer möglichen vorzeitigen Entlassung, enthalten. Außerdem werden die Vollstreckungshefte wieder an das erkennende Gericht zurückgeschickt und sind daher nur zeitlich begrenzt vor Ort einsehbar. 5 Die Erhebung wurde von der Verfasserin allein und nur mit Eigenmitteln des Fachgebiets durchgeführt. 6 Vollstreckungsplan für das Land Hessen, Stand 01.11.2017, Abschnitt 2, 5., Nr. (1). 7 Zu Hessen gehören sowohl die Großstädte Frankfurt am Main, Wiesbaden, Kassel, Darmstadt und Offenbach am Main als auch eher ländliche Regionen. 8 Auch an dieser Stelle noch einmal einen ganz herzlichen Dank an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendarresteinrichtung Gelnhausen, die mir zu jeder Zeit mit Rat und 4

B. Forschungsmethodisches Vorgehen

153

Mit diesem Vorgehen ließen sich die Fälle betrachten, bei denen der Arrest im Untersuchungszeitraum angetreten wurde. Um zusätzlich Daten dazu zu erhalten, in wie vielen Fällen eine Ladung für den entsprechenden Zeitraum erfolgte, allerdings ein „Erledigungsgrund“ vorlag, wurden diese Informationen im Dokumentationssystem VZettchen erhoben (siehe Kapitel B. III.).

II. Aktenanalyse In diesem Kapitel werden die Arrestvollzugsakten als Datenquelle zu Inhalt und Aufbau sowie zu ihrer Aussagekraft beleuchtet, um anschließend auf die verwendeten Aktenanalysebögen sowie die Durchführung der Erhebung und Auswertung einzugehen. 1. Arrestvollzugsakten als Datenquelle a) Inhalt und Aufbau Die Arrestvollzugsakten enthielten zunächst den „Aufnahmebogen“ mit Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit, Wohnanschrift, Beruf und ggf. Namen und Anschrift der Erziehungsberechtigten / gesetzlichen Vertreter. Auf dem Aufnahmebogen waren außerdem der Tag des Arrestantritts und ggf. Angaben zur polizeilichen Zuführung und / oder vorzeitigen Entlassung vermerkt. Weiterhin wurden die Arrestierten bei Arrestantritt gefragt, ob sie bereits zuvor einen Jugendarrest und / oder eine Jugend-/Freiheitsstrafe verbüßt haben und ob sie Drogen konsumieren; teilweise wird die vorherige Verbüßung eines Jugendarrests und / oder einer Jugend- bzw. Freiheitsstrafe auch im System überprüft und bereits auf den Bögen notiert. Die für die Analyse und die Beantwortung der Fragestellungen wichtigsten Inhalte der Arrestakte stellen die in den Akten enthaltenen Urteile (bei Arresten nach § 16 und § 16a JGG) und Beschlüsse (bei Nichtbefolgungsarresten und Arresten nach § 98 OWiG) dar. Dabei sind in den Urteilen wesentlich mehr Informationen enthalten, wobei insbesondere die Feststellungen zur Person sowie die Sanktionsbegründung für die Untersuchung relevant waren. Die Beschlüsse enthielten nur sehr wenige Informationen, die sich fast ausschließlich auf wenige Angaben zum ursprünglichen Verfahren beschränkten. Die Akten zu den Nichtbefolgungsarresten enthielten in aller Regel nur den Arrestbeschluss und nur in wenigen Ausnahmefällen das ursprüngliche Urteil sowie teilweise weitere Quellen (z. B. den Bericht der Jugendhilfe im Strafverfahren). Daher waren wesentliche Informationen, Tat zur Seite standen. Mein ganz besonderer Dank gilt Frau Haas und Herrn Parré für die geduldige Beantwortung meiner Fragen.

154

5. Teil: Forschungsinteresse und Grundkonzeption der Untersuchung 

die kriminologisch interessant gewesen wären, für die Nichtbefolgungsarrestanten nicht verfügbar. Auch in den Akten zu den Arresten nach § 98 II OWiG war nur der Arrestbeschluss enthalten, Informationen zum vorherigen ordnungsrechtlichen Verfahren fehlten. Die Akten zu Urteilsarresten nach § 16 und § 16a JGG waren daher auch wesentlich umfangreicher als diejenigen zu Nichtbefolgungsarresten und Arresten nach § 98 II OWiG. Die Akten enthielten auch das Aufnahmeersuchen mit dem Ladungsdatum zum Arrestantritt und ggf. Informationen über Unterbrechungen des Arrests sowie zu Pflichtverstößen nach § 23 I ­Hess­JAVollzG und deren Konsequenzen. In vielen Akten war außerdem ein von den Arrestierten im Vollzug selbst ausgefüllter Fragebogen enthalten. Auch weitere – für diese Erhebung irrelevante – Schriftstücke waren teilweise Bestandteil der Akten, wie z. B. das Protokoll zur Haftraumübergabe. Entgegen der Erwartung befand sich ein Schlussbericht nur in wenigen Arrestvollzugsakten.9 b) Aussagekraft Generell ist bei der Analyse von (Vollzugs-)Akten zu beachten, dass sie einen besonderen Analysegegenstand darstellen: Der Inhalt der Quellen wurde nicht für den Zweck der Forschung dokumentiert. Die enthaltenen Informationen sind nur ein Teil aller zu einem Fall bekannten Informationen, und zwar jener Teil, der der jeweiligen Institution (z. B. dem Gericht) oder Person bekannt war und von ihr als relevant eingestuft wurde oder dessen Dokumentation z. B. von Verfahrensregeln vorgeschrieben ist. Nicht in den Akten enthaltene Informationen können daher unterschiedliche Bedeutung haben, unter anderem dass etwas nicht zutreffend war oder dass die Dokumentation einer Information als nicht relevant eingestuft wurde.10 Wichtig ist zudem, dass es für die Informationen in den Akten, die für diese Erhebung genutzt wurden, sehr unterschiedliche Quellen gab. Die Akten enthielten dadurch teilweise widersprüchliche Informationen. Dies lässt sich gelegentlich schon damit erklären, dass sich die Angaben auf unterschiedliche Zeitpunkte beziehen, so auf die jeweilige Entscheidung des Gerichts (Urteile und Beschlüsse), auf den Arrestantritt (Aufnahmebogen) oder auf einen Zeitpunkt während des Vollzugs (Fragebögen). Denkbar ist z. B., dass es im Urteil heißt, eine Person sei arbeitssuchend, bei Arrestantritt ist sie allerdings erwerbstätig. In anderen Fällen 9 Im Untersuchungszeitraum gab es noch keine Regelung zum Umgang mit den Schlussberichten. Seit Oktober 2017 werden für alle Dauerarrestanten Schlussberichte erstellt. Diese Berichte werden nach Verbüßung an das erkennende Gericht verschickt und zudem für die Mitarbeiter der Jugendarresteinrichtung digital gespeichert. 10 Vertiefend dazu Höynck / Ernst, in: BMJV, 2017, 155 (165 f.); Ernst / Höynck / L euschner, in: Begemann / Birkelbach, 2019, 337 (337 ff.). So auch Bihs, Grundlegung, Bestandsaufnahme und pädagogische Weiterentwicklung des Jugendarrests, 2013, S. 379.

B. Forschungsmethodisches Vorgehen

155

lassen sich widersprüchliche Angaben nicht alleine durch unterschiedliche Zeitpunkte erklären. In diesen Fällen wurde i. d. R. die aktuellere Quelle gewählt. Die jeweilige Quelle ist bei den Auswertungen angegeben. 2. Konzeption der Aktenanalysebögen Die standardisierten Aktenanalysebögen wurden jeweils für die unterschiedlichen Rechtsgrundlagen erstellt, da der Informationsumfang der Akten sehr unterschiedlich war (siehe Kapitel B. II. 1.).11 Die Urteile enthielten wesentlich mehr Informationen als die Beschlüsse, weshalb die Bögen für Verurteilungen nach § 16 und § 16a JGG umfangreicher waren. Daher konnten einige Items, z. B. zur familiären Situation, nur für die Arreste nach §§ 16, 16a JGG erhoben werden. Die Beschaffung der ursprünglichen Urteile zu den Beschlussarresten wäre nur teilweise möglich und zudem mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden gewesen (siehe Kapitel B. I.). Inhaltlich wurden mit den entworfenen Bögen zu §§ 16, 16a JGG unter anderem Angaben zur Person, zu Ausbildung / Beruf, zu vorherigen Verurteilungen, zum zugrundeliegenden Strafverfahren, zum Strafmaß und zum Vollzug erhoben. Die Erhebungsbögen zu den Urteilsarresten unterschieden sich dabei in einigen Items, z. B. wurden bei Arresten nach § 16a JGG noch Informationen zu der zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe erhoben, die für Verurteilungen nach § 16 JGG keine Rolle spielen. Die Bögen zu den Beschlussarresten unterschieden sich deutlich von denen zu den Urteilsarresten. Erstere enthielten – wie erläutert – wesentlich weniger Informationen. Die Items zu den Nichtbefolgungsarresten unterschieden sich zudem in einigen Bereichen von denen zu den Arresten nach § 98 II OWiG: Von besonderer Relevanz waren z. B. bei Verfahren zu Nichtbefolgungsarresten Items zur ursprünglichen Verurteilung, bei den Akten auf Grundlage von § 98 II OWiG dagegen die Ordnungswidrigkeit, das erhobene Bußgeld und die Ersatzmaßnahme. Die Aktenanalysebögen wurden an zufällig ausgewählten Akten getestet und mehrfach angepasst. Die nach Anpassung verwendeten Bögen, mit weitgehend standardisierten und nur wenigen halboffenen Items, waren am Aufbau der Akten, der immer ähnlich war, orientiert.

11

Dabei erfolgte eine Orientierung an den Bögen, die bei der Evaluation von § 16a JGG genutzt wurden, siehe Klatt / Ernst / Höynck / Baier / Treskow / Bliesener / Pfeiffer, Evaluation des neu eingeführten Jugendarrestes, 2016.

156

5. Teil: Forschungsinteresse und Grundkonzeption der Untersuchung 

3. Durchführung der Erhebung und Auswertung Nach Fertigstellung der Erhebungsbögen begann im Frühjahr 2017 die Datenerhebung in der Jugendarresteinrichtung Gelnhausen. Wie bereits erwähnt (siehe Kapitel B. I.) ist die Jugendarresteinrichtung Gelnhausen die einzige Jugend­ arresteinrichtung in Hessen. Sie verfügte 2016 über 74 Arrestplätze,12 davon 12 für weibliche Arrestierte.13 Die Akten wurden vor Ort, in der Jugendarresteinrichtung, eingesehen und erfasst. Dafür stellte die Jugendarresteinrichtung Gelnhausen einen Arbeitsplatz zur Verfügung. Erhoben wurden alle Vollzugsakten, bei denen der Arrestantritt zwischen dem 1. Juli 2016 und dem 31. Dezember 2016 erfolgte;14 dies waren 485 Akten.15 Diese Akten lagen während der Erhebung alle in der Jugendarresteinrichtung vor. Eine Vollzugsakte wird stets für eine Verurteilung16 oder einen Beschluss angelegt. So ist es möglich, dass Personen mit mehreren Verurteilungen bzw. Beschlüssen auch mehrfach in die Auswertungen eingegangen sind. Da aus Datenschutzgründen weder die Namen der Personen noch das genaue Geburtsdatum erfasst wurden, konnte hierzu kein Abgleich erfolgen. Die Anzahl der in der Untersuchung erfassten Personen lässt sich deshalb nicht beziffern.17 Eine Akte impliziert folglich immer einen Fall. 12

Bundesamt für Justiz, Belegungsübersicht 2016, Stand 01.02.2018. Hierbei handelt es sich überwiegend um Einzelarresträume, es stehen aber auch Mehrfacharresträume zur Verfügung. 13 Die durchschnittliche Tagesbelegung lag 2016 bei 28,2 Personen, Bundesamt für Justiz, Belegungsübersicht 2016, Stand 01.02.2018. 14 Der ursprünglich vorgesehene Zeitraum von einem Jahr (Arrestantritt zwischen 1. Juli 2016 und 30. Juni 2017) wurde auf 6 Monate verkürzt (Arrestantritt zwischen 1. Juli 2016 und 31. Dezember 2016), da sich gezeigt hat, dass sich die Inhalte der Akten regelmäßig wiederholten und keine neuen Erkenntnisse zu erwarten waren. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestätigten, dass im betrachteten halben Jahr keine Besonderheiten zu berücksichtigen sind. Zusätzlich dazu wurde mit dem Dokumentationssystem der Jugendarresteinrichtung erhoben, auf welcher Rechtsgrundlage die Personen für den Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis 30. Juni 2017 einen Jugendarrest angetreten haben sowie die Dauer des Arrests, das Geschlecht und das Alter der Personen (siehe Kapitel B. III.). 15 Bei der nachträglichen Prüfung der Jugendarrestbuchnummern, die fortlaufend bei Arrestantritt in der Vollzugsgeschäftsstelle vergeben werden, fehlten zwischen der ersten und letzten Akte keine Nummern. Bei der letzten in die Untersuchung eingeflossenen Akte fand der Arrestantritt am 31. Dezember 2016 abends statt, sodass insgesamt davon ausgegangen wird, dass alle Akten mit Arrestantritt im Erhebungszeitraum erfasst wurden. Die letzte Akte enthielt eine Jugendarrestbuchnummer aus 2017, da der Antritt zwar 2016, aber nach Umstellung auf das neue Jahr 2017 erfolgte. 16 Wie oben erläutert (siehe 4. Teil, Kapitel A. III.) ist die Zählung damit folglich eine andere als in der Übersicht des Bundesamtes für Justiz, in welcher bei einer Verurteilung zu 2 Freizeitarresten 2 Arrestantritte gezählt werden. 17 Die Betrachtung der Anschlussvollstreckungen ermöglicht eine Orientierung bei der Größenordnung: Eine Anschlussvollstreckung erfolgte in 6 Fällen bei Arresten nach § 16 JGG (2,68 % aller Arreste nach § 16 JGG), in 9 Fällen bei Nichtbefolgungsarresten (5,36 % aller Nichtbefolgungsarreste) und in 19 Fällen bei Arresten nach § 98 OWiG (31,15 % aller Arreste nach § 98 OWiG) (siehe 6. Teil, Kapitel E. I.).

B. Forschungsmethodisches Vorgehen

157

Einige Items enthielten einen wertenden Maßstab. Daher wurden nach Erhebung aller 485 Akten die ersten 3 Akten als Re-Tests noch einmal zur Kontrolle erhoben. Die Ergebnisse entsprachen denen der ersten Erhebung. Außerdem wurden bei der Erhebung Codier-Hinweise zu bestimmten Items verfasst,18 die bei den folgenden Akten berücksichtigt wurden und so für eine möglichst einheitliche Erhebung sorgten. Nach der Erhebung erfolgte die Eingabe der Daten in das Programm LimeSurvey. Die Auswertungen erfolgten mit SPSS. Erhebung und Eingabe waren im Herbst 2017 abgeschlossen.

III. Erhebungen über das vollzugsinterne Dokumentationssystem Wie erläutert (siehe Kapitel B. III.) wurde der Erhebungszeitraum von einem Jahr auf ein halbes Jahr reduziert. Um die Aussagekraft der umfassend erhobenen Daten aus dem zweiten Halbjahr 2016 zu überprüfen, erfolgte zusätzlich eine Erhebung grundlegender Daten der Arrestierten im ursprünglich ebenfalls vorgesehenen Zeitraum 2017 (Arrestantritt zwischen dem 1. Januar 2017 und dem 30. Juni 2017) über das Dokumentationssystem VZettchen. In diesem Dokumentationssystem sind z. B. Angaben zu Rechtsgrundlage, Staatsangehörigkeit, Alter und Geschlecht der Arrestanten sowie Art und Dauer des Arrests gespeichert. Dabei zeigte sich, dass im ersten Halbjahr 2017 insgesamt 510 Arrestantritte erfolgten. Vergleicht man die prozentuale Verteilung der Rechtsgrundlagen für den Arrest des zweiten Halbjahrs 2016 mit denen des ersten Halbjahrs 2017, so zeigen sich keine deutlichen Unterschiede. Die Größenordnungen stimmen auch in Bezug auf andere Variablen, wie Geschlecht und Alter, überein, sodass davon auszugehen ist, dass die Daten aus dem zweiten Halbjahr 2016 aussagekräftig sind. Die Zahlen für das erste Halbjahr 2017 werden daher nicht weiter dargestellt. Umfassend mit Aktenanalysebogen erhoben wurden von den 510 Fällen des ersten Halbjahrs 2017 zusätzlich die in diesem Zeitraum angetretenen Arreste auf Grundlage von § 98 II OWiG (N = 45), da zu dieser Gruppe von Arrestanten besonders wenig Informationen vorliegen (siehe 4. Teil). Da sich allerdings auch für diese Fälle keine Unterschiede zu den Auswertungen des Erhebungszeitraums 2016 zeigten, wird auf die weitere Darstellung der Ergebnisse in dieser Arbeit verzichtet, um bei allen Gruppen denselben Erhebungszeitraum zu betrachten. Zusätzlich zu den bisher genannten Fällen wurden ebenfalls über das vollzugs­ interne Dokumentationssystem VZettchen Fälle betrachtet, bei denen für den Untersuchungszeitraum (Arrestantritt zwischen dem 1. Juli 2016 und dem 31. Dezember 2016) eine Ladung erfolgt war, der Arrest aber nicht antreten werden musste oder nicht angetreten wurde (siehe 6. Teil, Kapitel G.). Diese Erhebung 18

Sofern diese wichtig sind, werden sie bei den jeweiligen Auswertungen genannt.

158

5. Teil: Forschungsinteresse und Grundkonzeption der Untersuchung 

umfasst 263 Fälle. Hier wurden die im System erfassten grundlegenden Daten wie Ladungsdatum, Staatsangehörigkeit, Geburtsjahr19, Geschlecht, Rechtsgrundlage, Art und Dauer des verhängten Arrests sowie der Grund für die „Hinfälligkeit“20 der Vollstreckung erhoben.

C. Datenschutz Nach § 37 II ­Hess­JAVollzG gilt für die Übermittlung personenbezogener Daten § 476 StPO entsprechend. Für die hier durchgeführte Forschung auf Grundlage von Vollzugsakten sind folglich die Voraussetzungen des § 476 StPO zu erfüllen. Zunächst war für die Durchführung dieses konkreten wissenschaftlichen Forschungsvorhabens die Übermittlung von Daten erforderlich, § 476 I Satz 1 Nr. 1 StPO. Die Nutzung anonymisierter Daten im Sinne von § 476 I Satz 1 Nr. 2 StPO oder die Übermittlung der Daten durch Erteilung von Auskünften im Sinne von § 476 II Satz 1 StPO wäre angesichts der hohen Anzahl an Akten und des Umfangs der Aktenbögen mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden und hätte so die Durchführung des Forschungsvorhabens unmöglich gemacht. An dem Forschungsvorhaben zu grundlegenden Daten zum Jugendarrest besteht zudem ein gewichtiges öffentliches – und damit gemäß § 476 I Satz 2 StPO auch wissenschaftliches – Interesse nach § 476 I Satz 1 Nr. 3 StPO, insbesondere da aktuell über die Verhängung und Vollstreckung von Jugendarresten wenig bekannt ist und kaum empirische Daten vorliegen. Daher wurde gemäß § 476 II Satz 2 StPO i. V. m. § 37 II ­Hess­JAVollzG Akteneinsicht gewährt. Neben den üblichen Datenschutzvorkehrungen, wie technischen Sicherungen, wurde bei der Gestaltung der Erhebungsbögen auf Belange des Datenschutzes geachtet, um Anonymität zu gewährleisten. Die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen wurden durch umfangreiche Vorkehrungen bei Erhebung, Speicherung und Verwertung gewahrt. Die personenbezogenen Daten wurden nur zur Erhebung der Daten eingesehen; Namen, genaue Geburtsdaten und Adressen wurden zu keinem Zeitpunkt erfasst. Um die Akten im Fall von Unklarheiten den Erhebungsbögen zuordnen zu können, wurde in einer separaten, mit Passwort geschützten Datei jeder zur Untersuchungsgruppe gehörenden Akte über die Jugendarrestbuchnummer ein Identifizierungscode (Buchstaben-Zahlen-Kombination) zugeordnet. Auf dem jeweiligen Analysebogen wurde nur der zugeordnete Code notiert. Durch dieses Vorgehen wurde sichergestellt, dass nur die Bearbeiterin die Aktenanalysebögen über den Code den dazugehörigen Akten zuordnen kann. Ein entsprechendes Datenschutzkonzept wurde dem Kriminologischen Dienst Hessen vorgelegt, der das Vorhaben genehmigte. 19 Das Alter bei Arrestantritt konnte in diesen Fällen nicht erhoben werden, da der Arrest gerade nicht angetreten wurde. 20 So lautete die Bezeichnung im Dokumentationssystem der Arresteinrichtung.

6. Teil

Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse Im 6. Teil dieser Arbeit werden die Ergebnisse der Analyse der Vollzugsakten vorgestellt. Für diese Ergebnisse wurden 485 Arrestakten ausgewertet, bei denen ein Arrestantritt zwischen dem 1. Juli 2016 und dem 31. Dezember 2016 erfolgte. Bei der Auswertung ist zu berücksichtigen, dass sich diese auf die Akten, nicht auf Personen beziehen (siehe 5. Teil, Kapitel B. I.). Die Ergebnisse werden für alle Akten (N = 485) angegeben; teilweise wird, vor allem nach Rechtsgrundlage und nach Geschlecht, differenziert. Bei Auswertungen, die sich nur auf einzelne Gruppen beziehen, wird dies kenntlich gemacht. Außerdem wird die der jeweiligen Auswertung zugrundeliegende Quelle und damit auch der entsprechende Zeitpunkt (siehe 5. Teil, Kapitel B. II. 1.) angegeben. Zum Teil wird bei den Auswertungen auf einzelne Gruppen der Arrestanten nach Rechtsgrundlage Bezug genommen, zum Teil auf einzelne Merkmale, was bei der Betrachtung der Bezugsgröße zu berücksichtigen ist. In Kapitel A. wird auf Grundlage des Aufnahmebogens die Vollzugspopu­lation zum Zeitpunkt des Arrestantritts beschrieben. In Kapitel B. werden die Auswertungen zu den Urteilsarresten nach § 16 und § 16a JGG dargestellt, in Kapitel C. zu den Nichtbefolgungsarresten und in Kapitel D. zu den Arresten nach § 98 II OWiG. Kapitel E. widmet sich dem Arrestverlauf und Kapitel F. der Auswertung auf Grundlage der von den Arrestanten selbst ausgefüllten Fragebögen. In Kapitel G. werden die Vollstreckungsersuchen im Untersuchungszeitraum insgesamt betrachtet, insbesondere um auf die Erledigungsgründe eingehen zu können. Abschließend erfolgt in Kapitel H. eine Zusammenfassung zentraler Ergebnisse der Erhebung. In der Zusammenfassung wird sowohl ein Teil der Forschungsfragen beantwortet als auch ein Bezug zum Forschungsstand und zu den amtlichen Daten hergestellt.

A. Beschreibung der Stichprobe zum Zeitpunkt des Arrestantritts Im untersuchten Zeitraum (1. Juli 2016 bis 31. Dezember 2016) wurden in der untersuchten Jugendarresteinrichtung insgesamt 485 Jugendarreste angetreten. In knapp der Hälfte der Fälle (46,19 %) handelte es sich dabei um einen Arrest nach § 16 JGG und in nur 6,60 % um einen § 16a-Arrest (siehe Tabelle 1). Etwa

160

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

ein Drittel der Arrestanten verbüßte einen Nichtbefolgungsarrest1 (34,64 %) und 12,58 % verbüßten einen Arrest nach § 98 II OWiG. In den Fällen, in denen 2 Freizeitarreste verhängt wurden, sind nur die Fälle in die Untersuchung eingeflossen, bei denen der erste Freizeitarrest im Untersuchungszeitraum angetreten wurde. Tabelle 1 Arrestantritte 2. Halbjahr 2016 nach Rechtsgrundlage n § 16 JGG

%

224

§ 16a JGG Nichtbefolgungsarrest § 98 OWiG Gesamt

46,19 %

32

6,60 %

168

34,64 %

61

12,58 %

485

100,00 %

Im Untersuchungszeitraum Juli bis Dezember 2016 gab es die wenigsten Arrestan­ tritte im Juli (n = 69) und die meisten im August (n = 100) (siehe Abbildung 2). Dabei unterscheidet sich der Anteil bei den verschiedenen Rechtsgrundlagen zwischen den Monaten leicht: Relativ konstant bei rund einem Drittel lag der Anteil an Nichtbefolgungsarresten (zwischen knapp 28,99 % im Juli und 38,75 % im September). Sehr unterschiedlich waren die Arrestantritte der Arrestanten nach § 98 II OWiG zwischen 5,00 % im September und knapp unter einem Fünftel (19,28 %) im Oktober. 100 % 90 %

15,94 %

80 % 70 %

7,00 %

19,28 % 33,00 %

35,90 % 36,14 % 12,00 %

7,25 %

3,75 %

40 % 47,83 %

48,00 %

17,33 %

34,67 %

0,00 % 6,67 %

8,43 %

30 % 20 %

12,82 %

38,75 %

28,99 %

60 % 50 %

5,00 %

52,50 %

51,28 % 36,14 %

41,33 %

10 % 0%

Jul. (n = 69) § 16

Aug. (n = 100) § 16a

Sept. (n = 80)

Okt. (n = 83)

Nichtbefolgungsarrest

Nov. (n = 78)

Dez. (n = 75)

§ 98 OWiG

Abbildung 2: Monat des Arrestantritts nach Rechtsgrundlage 1

Wie bereits erläutert wird in dieser Arbeit unter dem Nichtbefolgungsarrest der Arrest nach § 11 III JGG, nach § 15 III JGG und bei Nichterfüllung von Bewährungsweisungen oder -auflagen verstanden. Zur Verteilung zwischen den verschiedenen Rechtsgrundlagen siehe Kapitel C.

A. Beschreibung der Stichprobe zum Zeitpunkt des Arrestantritts 

161

I. Soziodemographische Daten bei Arrestantritt Im Erhebungszeitraum waren die Arrestanten in den meisten Fällen männlich (82,89 %).2 Werden die verschiedenen Rechtsgrundlagen allerdings differenziert betrachtet, so zeigt sich ein deutlicher Unterschied: Alle 32 Arrestanten, die im untersuchten Zeitraum einen § 16a-Arrest antraten, waren männlich; bei den OWiG-Arrestanten waren hingegen über ein Drittel der Personen (36,07 %) weiblich (siehe Tabelle 2). Tabelle 2 Geschlecht nach Rechtsgrundlage Männlich (n = 402)

Weiblich (n = 83)

Gesamt (N = 485)

35 (15,63 %)

224 (100,00 %)

§ 16 JGG

189 (84,38 %)

§ 16a JGG

32 (100,00 %)



32 (100,00 %)

Nichtbefolgungsarrest

142 (84,52 %)

26 (15,48 %)

168 (100,00 %)

39 (63,93 %)

22 (36,07 %)

61 (100,00 %)

§ 98 OWiG

Außerdem waren die Personen bei Arrestantritt zwischen 14 (Strafbarkeitsgrenze) und 25 Jahre alt.3 Schaut man sich die Verteilung nach den Altersgruppen des (Jugend-)Strafrechts an, so zeigt sich, dass die Heranwachsenden (18 bis 20 Jahre) mit 43,30 % die größte Gruppe der Arrestanten darstellten, 37,53 % der Personen waren bei Arrestantritt Jugendliche zwischen 14 und 17 – davon waren drei Viertel (73,08 %) 16 oder 17 Jahre alt – und 19,18 % Erwachsene, also älter als 20 Jahre. Von den Personen, die bei Arrestantritt erwachsen waren (n = 93), war die Mehrheit 21 bzw. 22 Jahre alt (88,17 %) und nur selten (11,83 %) waren die Personen 23 Jahre und älter. Allerdings ist die Verteilung zwischen den Rechtsgrundlagen unterschiedlich: Während die OWiG-Arrestanten am häufigsten Jugendliche waren (85,25 %), trifft dies nur auf ungefähr ein Drittel der Urteilsarrestanten (34,38 % bzw. 31,25 %) und nur auf circa ein Viertel der Nichtbefolgungsarrestanten (25,60 %) zu. Dementsprechend ist der Anteil an Heranwachsenden und Erwachsenen in der Gruppe der Arrestanten nach § 98 II OWiG kleiner (9,84 % bzw. 4,92 %) als in den anderen Gruppen.

2

Insbesondere, da die Gruppe der § 16a- und die der OWiG-Arrestanten klein ist, werden in den Tabellen neben den Angaben in % auch die absoluten Zahlen angegeben. 3 Wenn in dieser Arbeit von „Jugendlichen“ (und ggf. auch Heranwachsenden) gesprochen wird, bezieht sich dies stets auf das Alter zum Tatzeitpunkt. Zu einem späteren Zeitpunkt, insbesondere im Vollzug, waren die Personen teilweise älter.

162

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse Tabelle 3 Altersstufe bei Arrestantritt nach Rechtsgrundlage

§ 16 JGG

Jugendliche (n = 182)

Heranwachs. (n = 210)

Erwachsene (n = 93)

Gesamt (N = 485)

77 (34,37 %)

112 (50,00 %)

35 (15,62 %)

224 (100,00 %)

§ 16a JGG

10 (31,25 %)

15 (46,88 %)

7 (21,88 %)

32 (100,00 %)

Nichtbefolgungsarrest

43 (25,60 %)

77 (45,83 %)

48 (28,57 %)

168 (100,00 %)

§ 98 OWiG

52 (85,25 %)

6 (9,84 %)

3 (4,92 %)

61 (100,00 %)

Im Mittelwert waren die Personen bei Arrestantritt 18,35 Jahre4 alt. Mit durchschnittlich knapp über 19 Jahren am ältesten waren die Personen, die einen Nichtbefolgungsarrest angetreten haben. Eine deutliche Abweichung zeigt sich bei Personen, die einen Arrest nach § 98 II OWiG antraten: In dieser Gruppe lag der Durchschnitt bei nur 16,43 Jahren (ohne Abbildung). Die Arrestanten wurden in knapp vier Fünftel der Fälle in Deutschland geboren (79,59 %), wobei der Anteil an deutschstämmigen Personen unter den zu einem Arrest nach § 16 JGG und nach § 98 OWiG Verurteilten etwas niedriger (74,10 % bzw. 73,80 %) und in den anderen beiden Gruppen mit jeweils 87,50 % etwas höher war (ohne Abbildung). Die restlichen rund 20 % kamen aus verschiedenen Ländern, die meisten dieser Arrestanten gaben als Geburtsland die ehemalige Sowjetunion / Russland (2,47 %), Eritrea oder Rumänien (je 1,44 %) an. Hinsichtlich der Staatsangehörigkeit zeigte sich, dass insgesamt knapp über 70 % der Arrestanten die deutsche Staatsangehörigkeit hatten. Tabelle 4 zeigt, dass der Anteil an deutschen Staatsangehörigen bei den zu einem Arrest nach § 16 JGG Tabelle 4 Staatsangehörigkeit nach Rechtsgrundlage

§ 16 JGG § 16a JGG Nichtbefolgungsarrest § 98 OWiG

Deutsche Staats­ angehörigkeit (n = 341)

Andere Staats­ angehörigkeit (n = 144)

Gesamt (N = 485)

149 (66,52 %)

75 (33,48 %)

224 (100,00 %)

23 (71,88 %)

9 (28,12 %)

32 (100,00 %)

124 (73,81 %)

44 (26,19 %)

168 (100,00 %)

45 (73,77 %)

16 (26,23 %)

61 (100,00 %)

4 Wichtig ist, dass das Alter auch aus Datenschutzgründen nur in Jahren erhoben wurde (siehe 5. Teil, Kapitel B. II.) und daher der Mittelwert nicht als „Jahre und Monate“ verstanden werden darf.

A. Beschreibung der Stichprobe zum Zeitpunkt des Arrestantritts 

163

Verurteilten mit 66,52 % etwas niedriger ist als in den anderen Gruppen. Zu fast einem Drittel hatten die Arrestanten insgesamt eine andere Staatsangehörigkeit (29,69 %). Die Personen, die eine andere Staatsangehörigkeit hatten (n = 144), gaben zu fast einem Drittel die türkische Staatsangehörigkeit an (29,86 %); ebenfalls häufig wurden die marokkanische (6,25 %), die rumänische und die afghanische (5,56 %) sowie die polnische (4,86 %) Staatsangehörigkeit angegeben.

II. Weitere Angaben auf den Aufnahmebögen Auf den Aufnahmebögen waren teilweise weitere Angaben vermerkt, die sich überwiegend auf die Angaben der Personen bei Arrestantritt bezogen und daher dem oben beschriebenen Selektionsmechanismus unterlagen. Zudem wurde deutlich, dass hier keine standardisierte Erfassung durch das Vollzugspersonal erfolgte. Dennoch werden die Angaben dargestellt, da sie interessante Aspekte enthalten, die den Akten sonst zum Teil nicht zu entnehmen waren. Die Arrestanten wurden bei Arrestantritt gefragt, ob sie bereits zuvor einen Jugendarrest verbüßt hatten. Insgesamt gaben die Arrestanten laut Aufnahmebogen in knapp über einem Drittel (35,26 %) der Fälle an, zuvor einen Jugendarrest verbüßt zu haben. Wie aus Tabelle 5 hervorgeht gibt es allerdings zwischen den Gruppen deutliche Unterschiede: Von den zu einem Urteilsarrest nach § 16 JGG und § 16a JGG Verurteilten gab nur rund ein Viertel (24,11 % bzw. 25,00 %) an, zuvor bereits einen Jugendarrest verbüßt zu haben, während der Anteil in den anderen beiden Gruppen bei knapp der Hälfte (47,02 % bzw. 49,18 %) lag. Dabei ist zu beachten, dass die wiederholte Anordnung eines Arrests bei einer Verurteilung nach § 11 III Satz 2 JGG möglich ist, solange insgesamt die Dauer von 4 Wochen nicht überschritten wird. Tabelle 5 Vorherige Verbüßung eines Jugendarrests nach Rechtsgrundlage Bereits Jugend­ arrest verbüßt (n = 171)

Keinen Jugend­ arrest verbüßt* (n = 314)

Gesamt (N = 485)

§ 16 JGG

54 (24,11 %)

170 (75,89 %)

224 (100,00 %)

§ 16a JGG

8 (25,00 %)

24 (75,00 %)

32 (100,00 %)

Nichtbefolgungsarrest

79 (47,02 %)

89 (52,98 %)

168 (100,00 %)

§ 98 OWiG

30 (49,18 %)

31 (50,82 %)

61 (100,00 %)

* Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendarrestanstalt erklärten zu den 296 Fällen, in denen diesbezüglich keine Angabe auf dem Aufnahmebogen notiert war, dass in diesen Fällen kein Arrest verbüßt wurde.

164

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

Außerdem wurden die Personen bei Arrestantritt gefragt, ob sie bereits zuvor zu einer Jugendstrafe (mit oder ohne Bewährung) verurteilt worden waren. Zur vorherigen Verbüßung einer Jugendstrafe sollen an dieser Stelle keine Aussagen getroffen werden, da die Angaben teilweise nicht stimmen konnten. In 7 Aufnahmebögen (1,44 %) war eine vorherige Jugendstrafe vermerkt (ohne Abbildung); bei der Auswertung der in den Urteilen genannten Vorsanktionierungen hat sich hingegen gezeigt, dass 10 Personen bereits zu einer Jugendstrafe oder Freiheitsstrafe (auf Bewährung) verurteilt waren (siehe Kapitel B. II. 3.). Dies bestätigt die bereits in Kapitel F. thematisierte Verzerrung durch die Selbstauskunft der Arrestierten bei Arrestantritt. Auch die Übersicht über die Belegung der Jugendarrestanstalten und Freizeitarresträume in der Bundesrepublik Deutschland deutet für das ganze Jahr 2016 in Hessen auf einen etwas höheren Anteil hin: Danach waren 39 von 1.063 Arrestierten (3,67 %) bereits zu Jugendstrafe oder Freiheitsstrafe verurteilt worden.5 Bei Arrestantritt bejahte ein Drittel (33,40 %) der Arrestanten, in der Vergangenheit illegale Drogen konsumiert zu haben (n = 162),6 wobei keine Abfrage zur Regelmäßigkeit des Konsums erfolgte. Zwischen den Gruppen zeigten sich keine wesentlichen Unterschiede: Die Arrestanten nach § 16 JGG bejahten den Konsum illegaler Drogen zu 28,57 %, etwas häufiger bejahten die anderen Gruppen den Konsum (ohne Abbildung). Bei Betrachtung der Art der illegalen Drogen zeigte sich, dass fast drei Viertel (74,69 %) der Arrestanten, die einen Drogenkonsum angaben, nur den Konsum von Cannabis7 bejahten. Den Konsum mindestens einer anderen illegalen Droge8 bejahten noch 20,37 %; in 8 Fällen war die Angabe unklar.9 Über drei Viertel der Akten enthielten Angaben der Arrestanten zum Tätigkeitsstatus bei Arrestantritt (75,46 %). In diesen Fällen (n = 366), gab knapp die Hälfte bei Arrestantritt an, Schüler zu sein (48,04 %) (ohne Abbildung). Von den nach § 16 JGG Arrestierten gaben dies 58,48 % an und knapp über die Hälfte aller OWiG-Arrestanten (50,82 %). In den beiden anderen Gruppen gab nur knapp über ein Drittel der Personen bei Arrestantritt an, Schüler zu sein (37,50 % bzw. 35,12 %) (siehe Tabelle 6). Insgesamt 17,32 % gaben an, Auszubildende oder erwerbstätig zu sein; der Anteil in der Gruppe der § 16a-Arrestanten lag allerdings mit 40,63 % wesentlich höher als in den anderen Gruppen (19,20 %, 15,48 % bzw. 3,28 %).

5

Bundesamt für Justiz, Belegungsübersicht 2016, Stand 01.02.2018. Darüber hinaus gab eine Person ausschließlich den Konsum von Alkohol an. Dies wurde hier nicht weiter berücksichtigt. Auch in den anderen Fällen wurde neben dem Konsum illegaler Drogen teilweise der Konsum von Alkohol angegeben. 7 Verwendet wurden in den Akten auch die Bezeichnungen Marihuana, Gras, Weed, ­Haschisch, THC. 8 Genannt wurden vor allem Amphetamine, Kokain, PEP, Speed, Ecstasy. 9 Angegeben waren z. B. Alkohol und Drogen, Betäubungsmittel, Tabletten. 6

165

B. Auswertungen zu den Urteilsarresten nach §§ 16, 16a JGG  Tabelle 6 Tätigkeitsstatus bei Arrestantritt nach Rechtsgrundlage § 16 JGG Schüler* Azubi / erwerbstätig

§ 16a JGG

NB-Arrest

§ 98 OWiG

131 (58,48 %)

12 (37,50 %)

59 (35,12 %)

31 (50,82 %)

43 (19,20 %)

13 (40,63 %)

26 (15,48 %)

2 (3,28 %)

Student

2 (0,89 %)

Ohne

6 (2,68 %)

2 (6,25 %)

14 (8,33 %)

Nicht erwerbstätig  /​  arbeitssuchend

2 (0,89 %)

1 (3,13 %)

8 (4,76 %)

Sonstiges**

4 (1,79 %)

1 (3,13 %)

5 (3,03 %)

Keine Angabe Gesamt



1 (0,60 %)

– 2 (3,28 %) – 1 (1,64 %)

36 (16,07 %)

3 (9,38 %)

55 (32,74 %)

25 (40,98 %)

224 (100,00 %)

32 (100,00 %)

168 (100,00 %)

61 (100,00 %)

* Hierunter fallen auch die Personen, die einen Schulabschluss nannten (n = 105), weil davon ausgegangen wird, dass sie diesen anstrebten. ** Sonstiges, z. B. Aushilfe, Bundeswehr, Praktikum, Sprachkurs, Weiterbildung.

B. Auswertungen zu den Urteilsarresten nach §§ 16, 16a JGG Im Folgenden werden zunächst die Auswertungen zu den Urteilsarresten, also zu den nach § 16 JGG und nach § 16a JGG Verurteilten, dargestellt (n = 256). Für diese Gruppen wurde ein Erhebungsbogen verwendet; lediglich manche Items wurden nur bei einer Gruppe erhoben, z. B. waren alle Items zur Jugendstrafe nur für Verurteilungen nach § 16a JGG relevant (siehe auch Kapitel B. III. und Kapitel B. IV.). Die meisten Auswertungen lassen sich allerdings für beide Gruppen – auch vergleichend – dargestellen. Zunächst werden die soziodemographischen Daten (Kapitel B. I.) dargestellt, anschließend wird auf Vorsanktionierungen (Kapitel B. II.) und Problembelastungen (Kapitel B. III.) im Vorleben eingegangen. Auch wird die aktuelle Verurteilung dargestellt; eingegangen wird dabei auf die Anlassdelikte (Kapitel B. IV.), das Alter zum Zeitpunkt der letzten Tat (Kapitel B. V.), die verhängten Sanktionen (Kapitel B. VI.), die Urteilsbegründungen (Kapitel B. VII.) und die Dauer der Verfahren (Kapitel  B. VIII.).

166

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

I. Soziodemographische Daten laut Urteil Die Urteile enthielten Informationen zu Familienstand und Kindern (Kapitel B. I. 1.), Wohnsituation (Kapitel B. I. 2.), schulischer und beruflicher Bildung sowie zum Tätigkeits­status (Kapitel B. I. 3.). 1. Familienstand und Kinder Nach den Angaben in den Urteilen waren 90,18 % der nach § 16 JGG Verurteilten ledig; eine Person war verheiratet (0,45 %) und eine Person getrennt lebend (0,45 %). 8,93 % der Urteile zu einem Arrest nach § 16 enthielten keine Angaben. Die nach § 16a JGG verurteilten Personen waren alle ledig (ohne Abbildung). Von den nach § 16a JGG Verurteilten hatte niemand ein Kind. Bei den § 16-Arrestanten hatten zum Urteilszeitpunkt 3 Personen ein Kind und eine Person 2 Kinder (ohne Abbildung). 2. Wohnsituation Tabelle 7 Wohnsituation nach Rechtsgrundlage § 16 JGG Allein

§ 16a JGG

Urteilsarreste insgesamt

8 (5,06 %)

1 (3,70 %)

9 (4,86 %)

Bei beiden Elternteilen

53 (33,54 %)

10 (37,04 %)

63 (34,05 %)

Bei einem Elternteil

45 (28,48 %)

12 (44,44 %)

57 (30,81 %)

Bei einem Elternteil mit dessen neuem Partner

8 (5,06 %)



8 (4,32 %)

Bei Freunden

6 (3,80 %)



6 (3,24 %)

Wohngemeinschaft

3 (1,90 %)



3 (1,62 %)

17 (10,76 %)



17 (9,19 %)

Ohne festen Wohnsitz / obdachlos

3 (1,90 %)



3 (1,62 %)

Bei fester / m Freund / in oder Lebenspartner / in

4 (2,53 %)



4 (2,16 %)

Stationäre Jugendhilfe*

Bei Verwandten Sonstiges Gesamt

4 (2,53 %)

3 (11,11 %)

7** (4,43 %)

1*** (3,70 %)

7 (3,78 %) 8 (4,32 %)

158 (100,00 %)

27 (100,00 %)

185 (100,00 %)

* Betreutes Wohnen, Wohngruppe, Pflegefamilie. ** Wechselnde Wohnsituationen (n = 3); Asylunterkunft (n = 2); in einem Schuppen auf dem Grundstück der Eltern (n = 1), Männerwohnheim (n = 1). *** Hotel.

B. Auswertungen zu den Urteilsarresten nach §§ 16, 16a JGG 

167

Zur Wohnsituation gab es in 185 Urteilen Angaben (72,27 %), davon in 158 zu § 16 JGG und in 27 zu § 16a JGG. Insgesamt lebte jeweils rund ein Drittel der Arrestanten bei beiden Elternteilen (34,05 %) oder bei einem Elternteil (30,81 %) (siehe Tabelle 7). Von den zu einem Arrest nach § 16 JGG Verurteilten, deren Urteil eine Angabe enthielt (n = 158), lebten über zwei Drittel (67,08 %) zum Urteilszeitpunkt bei beiden Elternteilen, bei einem Elternteil oder bei einem Elternteil mit dessen neuem Partner; bei den zu einem Arrest nach § 16a JGG Verurteilten (n = 27) lag der Anteil sogar bei 81,48 %. Außerdem waren 17 Personen (10,76 %) der nach § 16 JGG Verurteilten zum Urteilszeitpunkt in stationärer Jugendhilfe untergebracht. 3. Tätigkeitsstatus Beim Tätigkeitsstatus enthielten insgesamt 203 Urteile (79,30 %) Angaben. In diesen Urteilen war jeweils zu knapp über einem Drittel angegeben, dass der Verurteilte zum Zeitpunkt der Urteilsverfassung nicht erwerbstätig / a rbeitssuchend oder Schüler war (34,98 % vs. 33,50 %). Hinsichtlich dieser Merkmale zeigten sich zwischen den Gruppen allerdings deutliche Unterschiede, wie Tabelle 8 zeigt: Während die nach § 16 JGG Verurteilten dem Urteil nach zu über einem Drittel Schüler waren, traf dies nur auf ein Viertel aller nach § 16a JGG Verurteilten zu (34,88 % vs. 25,81 %). Nicht erwerbstätig oder arbeitssuchend war nach den Urteilen ebenfalls rund ein Drittel aller nach § 16 JGG Verurteilten. Wesentlich höher lag dieser Anteil bei den nach § 16a JGG Verurteilten (33,72 % vs. 41,94 %). In über einem Viertel der Urteile, in denen angegeben war, dass die Verurteilten Schüler sind (n = 68), war die Schulform nicht genannt (27,94 %). Bei angegebener Schulform wurde in den meisten Fällen eine Hauptschule besucht (19,12 %). Auffällig war zudem der relativ hohe Anteil an Personen, die eine sonstige Schulform besuchten, wobei dabei oft thematisiert wurde, dass die Personen Einzelunterricht oder Einzelbeschulung erhalten mussten (17,65 %). Jeweils 10,29 % besuchten eine Realschule, ein (berufliches) Gymnasium oder eine Berufs-(fach-)schule / Fach(ober-)schule. Ein kleiner Anteil der Personen besuchte eine Förderschule (4,41 %) (ohne Abbildung). Insgesamt war 99 Urteilen (38,67 %) zu entnehmen, dass die Personen einen Schulabschluss hatten; in 22 weiteren Urteilen (8,59 %) wurde thematisiert, dass ein Abgangszeugnis, also gerade kein Abschluss, vorlag. Knapp die Hälfte der Personen (47,47 %), bei denen der Schulabschluss dem Urteil zu entnehmen war (n = 99), verfügte über einen Hauptschulabschluss (siehe Tabelle 9). Knapp über ein Viertel der Personen verfügte zum Urteilszeitpunkt über einen Realschulabschluss / m ittleren Abschluss (26,26 %) und 18,18 % über einen qualifizierenden Hauptschulabschluss; der Anteil an Personen mit höheren Schulabschlüssen (Fachhochschulreife, fachgebundene Fachhochschulreife, Abitur) war gering (4,04 %).

168

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse Tabelle 8 Tätigkeitsstatus nach Rechtsgrundlage (Mehrfachnennungen möglich) § 16 JGG

§ 16a JGG

Urteilsarreste insgesamt

Nicht erwerbstätig / arbeitssuchend

58 (33,72 %)

13 (41,94 %)

71 (34,98 %)

Schüler

60 (34,88 %)

8 (25,81 %)

68 (33,50 %)

Auszubildender

20 (11,63 %)

3 (9,68 %)

23 (11,33 %)

Berufsvorbereitend*

11 (6,40 %)

4 (12,90 %)

15 (7,39 %)

Erwerbstätig in Teilzeit oder Vollzeit

10 (5,81 %)

2 (6,45 %)

12 (5,91 %)

Erwerbstätig / geringfügig beschäftigt Sonstiges Gesamt

4 (2,33 %)



4 (1,97 %)

9 (5,23 %)**

1 (3,23 %)***

10 (4,93 %)

172 (100,00 %)

31 (100,00 %)

203 (100,00 %)

* Berufsvorbereitendes Praktikum / A rbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung. ** Z. B. vom Schulbesuch befreit, Integrationskurs, Sprachkurs, Student. *** Erwerbstätig, Umfang unklar.

Tabelle 9 Art des Schulabschlusses nach Rechtsgrundlage § 16 JGG

§ 16a JGG

Urteilsarreste insgesamt

Hauptschulabschluss

39 (48,75 %)

8 (42,11 %)

47 (47,47 %)

Realschulabschluss / mittlerer Abschluss

25 (31,25 %)

1 (5,26 %)

26 (26,26 %)

Qualifizierender Hauptschul­ abschluss

11 (13,75 %)

7 (21,05 %)

18 (18,18 %)

Fachgebundene Hochschulreife

2 (2,50 %)

Abitur / Fachhochschulreife

1 (1,25 %)

Förderabschluss Abschluss ohne genauere ­Angabe Gesamt

– 2 (2,50 %) 80 (100,00 %)

– 1 (5,26 %) 2 (10,53 %) – 19 (100,00 %)

2 (2,02 %) 2 (2,02 %) 2 (2,02 %) 2 (2,02 %) 99 (100,00 %)

B. Auswertungen zu den Urteilsarresten nach §§ 16, 16a JGG 

169

II. Vorsanktionierungen laut Urteil Vorsanktionierungen werden in Urteilen standardisiert und regelmäßig einheitlich auf Grundlage der Registerauszüge angegeben. Wenn in Urteilen keine Vorsanktionierung genannt ist, kann folglich davon ausgegangen werden, dass diese auch nicht vorliegen.10 Die Frage nach Vorsanktionierungen betrifft zum einen die Fragen, ob die Arrestanten zuvor überhaupt strafrechtlich in Erscheinung getreten sind, und wenn ja, wie viele Einträge in den Registern stehen (Kapitel B. II. 1.) und welche Delikte diesen Ein-trägen zugrunde liegen (Kapitel B. II. 2.). Zum anderen wurde erhoben, welche Sanktionen bereits vor dem Arrest gegen die Personen verhängt wurden (Kapitel B. II. 3.). Erfasst wurden alle Registereinträge, auf die im Urteil verwiesen wurde, also auch Einstellungen. 1. Umfang der Vorsanktionierungen In knapp drei Vierteln der Urteile fanden sich Informationen dazu, dass die Person bereits mindestens einmal strafrechtlich in Erscheinung getreten war (71,48 %). Der Anteil bei den zu einem Arrest nach § 16a JGG Verurteilten lag mit 84,38 % höher als bei den nach § 16 JGG Verurteilten (69,64 %) (siehe Tabelle 10). Differenziert nach Geschlecht zeigte sich, dass die Mehrheit der Frauen (57,14 %) und knapp drei Viertel der Männer (73,76 %) strafrechtlich bereits in Erscheinung getreten waren (ohne Abbildung). Tabelle 10 Vorsanktionierung nach Rechtsgrundlage § 16 JGG

§ 16a JGG

Urteilsarreste insgesamt

Strafrechtlich bereits in Erscheinung getreten

156 (69,64 %)

27 (84,38 %)

183 (71,48 %)

Strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten

68 (30,36 %)

5 (15,63 %)

73 (28,52 %)

224 (100,00 %)

32 (100,00 %)

256 (100,00 %)

Gesamt

Tabelle 11 zeigt die Anzahl vorheriger Entscheidungen in beiden Gruppen, wobei die Urteile, in denen die genaue Anzahl11 aus den Urteilen nicht hervorging 10 Theoretisch möglich ist die vorherige Löschung von Eintragungen aus dem Erziehungsregister nach § 63 I BZRG, wenn die betroffene Person das 24. Lebensjahr vollendet hat. Bei Arrestantritt hatten nur 3 Personen das 24. Lebensjahr vollendet. 11 In diesen Urteilen war z. B. angegeben „einschlägig mehrfach“, „massiv“ oder „im erheblichen Umfang“ strafrechtlich in Erscheinung getreten.

170

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

(n = 19), nicht in die Darstellung einbezogen wurden. Die Anzahl der Registereinträge lag zwischen 0 und 7 Einträgen, wobei bei knapp einem Drittel keine Einträge vorlagen (30,80 %). Ein Vergleich der beiden Gruppen zeigt allerdings, dass die zu einem Arrest nach § 16 JGG Verurteilten zuvor in knapp einem Drittel der Fälle keine Registereintragungen (32,85 %) hatten; bei Personen, die zu einem Arrest nach § 16a JGG verurteilt wurden, war dies deutlich seltener der Fall (16,67 %). Es zeigte sich zudem, dass beide Gruppen in rund der Hälfte der Fälle ein bis 3 Eintragungen aufwiesen (51,69 % bei Verurteilungen nach § 16 und 50,00 % bei Verurteilungen nach § 16a). Unterschiede zeigten sich allerdings bei der Häufigkeit von 4 und mehr Eintragungen: Die Arrestanten nach § 16a JGG hatten mehr als doppelt so häufig 4 und mehr Eintragungen als die Arrestanten nach § 16 JGG (33,33 % vs. 15,45 %). Tabelle 11 Anzahl an Registereinträgen nach Rechtsgrundlage § 16 JGG

§ 16a JGG

Urteilsarreste insgesamt

Kein Registereintrag

68 (32,85 %)

5 (16,67 %)

73 (30,80 %)

Ein Registereintrag

42 (20,29 %)

6 (20,00 %)

48 (20,25 %)

2 Registereinträge

40 (19,32 %)

4 (13,33 %)

44 (18,57 %)

3 Registereinträge

25 (12,08 %)

5 (16,67 %)

30 (12,66 %)

4 Registereinträge

12 (5,80 %)

3 (10,00 %)

15 (6,33 %)

5 Registereinträge

12 (5,80 %)

4 (13,33 %)

16 (6,75 %)

6 Registereinträge

4 (1,93 %)

2 (6,67 %)

6 (2,53 %)

7 Registereinträge Gesamt*

4 (1,93 %)

1 (3,33 %)

5 (2,11 %)

207 (100,00 %)

30 (100,00 %)

237 (100,00 %)

* Ohne keine Angabe (n = 19).

2. Zuvor begangene Delikte Neben der Anzahl an Registereinträgen wurden auch die in den Einträgen erfassten Delikte erhoben. Die dargestellten Kategorien beziehen sich auf die 30 Abschnitte des Besonderen Teils des StGB, wobei das Erschleichen von Leistungen nach § 265a StGB wegen seiner Relevanz separat erfasst wurde. In der Kategorie Straßenverkehrsdelikte wurden das StVG und das PflVG miterfasst. Hinzu kamen Straftaten nach dem BtMG (Betäubungsmittelgesetz), Verstöße gegen das WaffG (Waffengesetz) und Straftaten nach dem AufenthG (Aufenthaltsgesetz). Als „Sonstige“ wurden alle Delikte mit einem Anteil von jeweils unter 2 % zusammengefasst.

171

B. Auswertungen zu den Urteilsarresten nach §§ 16, 16a JGG 

Von den 183 Fällen, in denen die Personen bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten waren, wurde in über der Hälfte der Fälle (53,55 %) und in beiden Gruppen am häufigsten zuvor auch mindestens ein Delikt aus der Kategorie Diebstahl und Unterschlagung (§§ 242–248c StGB) genannt. Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit (§§ 223–231 StGB) wurden mindestens einmal in 30,60 % der Fälle begangen. In insgesamt 22,95 % der Fälle wurde mindestens eine Straftat nach dem BtMG begangen, wobei dieser Anteil bei den § 16a-Arrestanten fast doppelt so hoch war wie bei den § 16-Arrestanten (37,04 % vs. 20,51 %) (siehe Tabelle 12). Tabelle 12 Zuvor erfasste Delikte nach Rechtsgrundlage (Mehrfachnennungen möglich) § 16 JGG

§ 16a JGG

Diebstahl und Unterschlagung

83 (53,21 %)

15 (55,56 %)

98 (53,55 %)

Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit

48 (30,77 %)

8 (29,63 %)

56 (30,60 %)

Straftaten nach dem BtMG

32 (20,51 %)

10 (37,04 %)

42 (22,95 %)

Straßenverkehrsdelikte*

29 (18,59 %)

7 (25,93 %)

36 (19,67 %)

Erschleichen von Leistungen

27 (17,31 %)

6 (22,22 %)

33 (18,03 %)

Sachbeschädigung

22 (14,10 %)

2 (7,41 %)

24 (13,11 %)

Beleidigung

16 (10,26 %)

4 (14,81 %)

20 (10,93 %)

Straftaten gegen die öffentliche Ordnung

14 (8,97 %)

3 (11,11 %)

17 (9,29 %)

Betrug und Untreue (ohne Erschleichen von Leistungen)

11 (7,05 %)

2 (7,41 %)

13 (7,1 %)

Straftaten gegen die persön­liche Freiheit

11 (7,05 %)

1 (3,70 %)

12 (6,56 %)

Raub und Erpressung

7 (4,49 %)

3 (11,11 %)

10 (5,46 %)

Verstöße gegen das Waffengesetz

6 (3,85 %)

1 (3,70 %)

7 (3,83 %)

Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung

3 (1,92 %)

1 (3,70 %)

4 (2,19 %)

Straftaten nach dem Aufenthalts­gesetz

4 (2,56 %)



4 (2,19 %)

Urkundenfälschung

4 (2,56 %)



4 (2,19 %)

Straftaten gegen das Leben Keine Angabe Sonstiges** Gesamt

– 11 (7,05 %)

– 2 (7,41 %)

Urteilsarreste insgesamt

– 13 (7,10 %)

4 (2,56 %)

2 (7,41 %)

6 (3,28 %)

156 (100,00 %)

27 (100,00 %)

183 (100,00 %)

* §§ 315, 316 StGB, § 21 StVG, § 6 PflVG. ** Hehlerei (n = 2), falsche Verdächtigung (n = 1), Missbrauch von Ausweispapieren (n = 1), Brandstiftung (n = 1), Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (n = 1).

172

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

3. Vorherige Sanktionen Betrachtet wurden auch die zuvor verhängten Sanktionen. Hier zeigte sich, dass gegen Personen, die zuvor mindestens einmal strafrechtlich in Erscheinung getreten waren (n = 183), in insgesamt 62,30 % der Fälle zuvor mindestens ein Verfahren nach § 45 JGG eingestellt wurde,12 wobei dies häufiger bei Arrestanten nach § 16a JGG der Fall war (70,37 % vs. 60,90 %) (siehe Tabelle 13). Eine Einstellung nach § 47 JGG erfolgte nach den Registerauszügen in knapp einem Viertel der Fälle (24,60 %), diese Form der Einstellung erfolgte häufiger bei den nach § 16 JGG Verurteilten (26,92 % vs. 11,11 %). Die Mehrheit der Verurteilten wurde bereits zu einer ambulanten Erziehungsmaßregel oder einem ambulanten Zuchtmittel verurteilt (60,11 %), wobei sich nur ein geringer deskriptiver Unterschied zwischen den Gruppen zeigte (59,00 % vs. 66,67 %). Tabelle 13 Vorsanktionierungen nach Rechtsgrundlage (Mehrfachnennungen möglich) § 16 JGG

§ 16a JGG

Urteilsarreste insgesamt

Einstellung nach § 45 JGG

95 (60,90 %)

19 (70,37 %)

114 (62,30 %)

Einstellung nach § 47 JGG

42 (26,92 %)

3 (11,11 %)

45 (24,60 %)

Ambulante Erziehungsmaß­ regeln oder Zuchtmittel

92 (59,00 %)

18 (66,67 %)

110 (60,11 %)

Nichtbefolgungsarrest

19 (12,18 %)

4 (14,81 %)

23 (12,57 %)

Arrest nach § 16 oder § 16a JGG

26 (16,67 %)

5 (18,52 %)

31 (16,94 %)

5 (3,21 %)

3 (11,11 %)

8 (4,37 %)

Jugendstrafe zur Bewährung Jugendstrafe



Freiheitsstrafe zur Bewährung

1 (0,64 %)

Freiheitsstrafe



Geldstrafe

– 1 (3,70 %) –

– 2 (1,09 %) –

4 (2,56 %)



4 (2,18 %)

Sonstiges / Angabe unklar

6 (3,85 %)*

2 (7,41 %)**

8 (4,37 %)

Keine Angabe

13 (8,33 %)

2 (7,41 %)

15 (8,20 %)

156 (100,00 %)

27 (100,00 %)

183 (100,00 %)

Gesamt

* Keine Sanktion, da nicht strafmündig; Strafbefehl. ** Einstellung nach § 154 StPO; Strafbefehl.

12

Die einzelnen Absätze der §§ 45, 47 JGG unterscheiden sich deutlich voneinander. Diese Differenzierung konnte den Einträgen in der Regel nicht entnommen werden, weshalb die verschiedenen Formen zusammengefasst werden mussten.

B. Auswertungen zu den Urteilsarresten nach §§ 16, 16a JGG 

173

Ebenfalls nur geringe Unterschiede zeigten sich bei vorherigen Verurteilungen zu einem Urteilsarrest nach § 16 oder § 16a JGG sowie einem zuvor verhängten Nichtbefolgungsarrest: Ein Urteilsarrest wurde zuvor in 26 Fällen (16,67 %) bei Personen, die jetzt einen Arrest nach § 16 JGG verbüßen, mindestens einmal verhängt und in 5 Fällen (18,52 %) bei § 16a-Arrestanten. Ein Nichtbefolgungsarrest wurde zuvor in 19 bzw. 4 Fällen (12,18 % vs. 14,81 %) verhängt.13 Andere stationäre Sanktionen, namentlich Jugend- und Freiheitsstrafe, wurden nur in insgesamt wenigen Fällen und jeweils nur zur Bewährung (4,37 % vs. 1,09 %) verhängt.

III. Hinweise auf Problembelastungen und Maßnahmen des Jugendamts Auch die in den Urteilen genannten Belastungen wurden erhoben. In knapp zwei Dritteln der Urteile wurden Problembelastungen thematisiert (65,62 %), wobei dies in den Urteilen nach § 16a JGG häufiger der Fall war als in den Urteilen nach § 16 JGG (81,25 % vs. 63,39 %).14 Problemlagen sind in Urteilen nicht systematisch erfasst. Fehlende Hinweise hierzu können ganz verschiedene Gründe haben: Einerseits kann dies daran liegen, dass keine Probleme identifiziert wurden, andererseits auch daran, dass die Problemlagen als für das Urteil nicht relevant eingestuft wurden. Unklar bleibt dabei, was das Gericht aus welchen Gründen thematisiert oder gerade nicht thematisiert, wodurch die oben bereits angesprochene Problematik der Selektion (siehe 5. Teil, Kapitel B. II. 1.) an dieser Stelle besonders relevant wird. Die Daten ermöglichen dennoch einen Überblick über die Problembelastungen der Arrestierten. Die höchste Problembelastung lag bei beiden Gruppen im Bereich der Familie (siehe Tabelle 14). In fast der Hälfte aller Urteile (46,88 %) wurde auf Probleme, vor allem auf getrennte / geschiedene Eltern (17,19 %), einen verstorbenen Elternteil (8,59 %), Streitigkeiten in der Familie (7,81 %) und / oder häufige Wechsel der Wohnsituation (7,03 %) verwiesen. Die Problembelastung lag in der Gruppe der nach § 16a JGG Verurteilten in diesem Bereich höher als in der Gruppe der nach § 16 JGG Verurteilten (65,63 % vs. 44,20 %). 13 Diese Zahlen widersprechen auch nicht zwangsweise den Angaben bei Arrestantritt zu bereits verbüßten Arresten (siehe Kapitel A. II.: 62 Akten), da davon auszugehen ist, dass bei den Vorsanktionierungen, die auf Grundlage der Registerauszüge aufgelistet werden, nicht alle Nichtbefolgungsarreste erfasst waren. Grund dafür dürfte sein, dass vor Inkrafttreten des Siebten Gesetzes zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes (7. BZRGÄndG) vom 18. Juli 2017 umstritten war, ob der Nichtbefolgungsarrest in das Erziehungsregister eingetragen werden musste, siehe 3. Teil, Kapitel H. und weiterführend Ernst, ZJJ 2017, 365 (367). Hinzu kommt, dass Arreste nach § 98 II OWiG nicht in das Register eingetragen werden. 14 Dabei ist zu beachten, dass das Merkmal der „schädlichen Neigungen“ ggf. bei Verhängung eines Arrests nach § 16a JGG wegen der daneben verhängten Jugendstrafe geprüft wurde, was dazu führt, dass Problembelastungen noch einmal explizit in den Urteilen aufgegriffen wurden.

174

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

Ebenfalls hoch war die Belastung in beiden Gruppen in Bezug auf die Schule (27,23 % vs. 37,50 %). In den Urteilen wurden vor allem das Fernbleiben von der Schule (11,72 %) und häufige Schulwechsel (11,72 %) genannt. Auch hier lag der Anteil bei den nach § 16a JGG Verurteilten höher als in der anderen Gruppe (37,50 % vs. 27,23 %). In den Urteilen zeigten sich häufig auch Problembelastungen im Freizeitverhalten (20,54 % vs. 21,88 %) und bei der Erwerbstätigkeit (17,19 %). Beim Freizeitverhalten gab es keinen wesentlichen Unterschied zwischen beiden Gruppen, bei der Erwerbstätigkeit war der Anteil in der Gruppe der nach § 16a JGG Verurteilten allerdings doppelt so hoch wie in der anderen Gruppe (31,25 % vs. 15,18 %). Interessant ist außerdem der insgesamt hohe Anteil an Urteilen, in denen stationäre Aufenthalte aufgeführt sind (17,19 %); die Gruppen unterschieden sich hier nur geringfügig (16,52 % vs. 21,88 %). Tabelle 14 Thematisierte Probleme nach Rechtsgrundlage (Mehrfachnennungen möglich) § 16 JGG

§ 16a JGG

Urteilsarreste insgesamt

Familie

99 (44,20 %)

21 (65,63 %)

120 (46,88 %)

Schule

61 (27,23 %)

12 (37,50 %)

73 (28,52 %)

Freizeitverhalten

46 (20,54 %)

7 (21,88 %)

53 (20,70 %)

Erwerbstätigkeit

34 (15,18 %)

10 (31,25 %)

44 (17,19 %)

Stationäre Aufenthalte*

37 (16,52 %)

7 (21,88 %)

44 (17,19 %)

6 (2,68 %)

2 (6,25 %)

8 (3,13 %)

27 (12,05 %)

2 (6,25 %)

29 (11,33 %)

Freundeskreis Sonstiges** Keine Hinweise Gesamt

82 (36,61 %)

6 (18,75 %)

88 (34,38 %)

224 (100,00 %)

32 (100,00 %)

256 (100,00 %)

* Diese Kategorie wurde nachträglich aufgrund der quantitativen Relevanz gebildet. ** Z. B. Verhaltensauffälligkeiten; Hinweis auf Betreuer

Zusätzlich erhoben wurden die in den Urteilen genannten vom Jugendamt durchgeführten Maßnahmen. Insgesamt wurden in 62 der 256 Urteile (24,22 %) konkrete Hilfen durch das Jugendamt erwähnt. Tabelle 15 zeigt die jeweils intensivste Maßnahme. Insgesamt erfolgte am häufigsten eine stationäre Hilfe zur Erziehung / eine stationäre Unterbringung (48,39 %), wobei dies häufiger bei den Verurteilten nach § 16a JGG der Fall war als bei nach § 16 JGG Verurteilten (66,67 % vs. 45,28 %). In knapp einem Drittel der Fälle, bei denen eine Maßnahme durch das Jugendamt erwähnt war, handelte es sich um eine ambulante Hilfe zur Erziehung (30,65 %), die Gruppen unterschieden sich dabei nicht wesentlich. Zudem

B. Auswertungen zu den Urteilsarresten nach §§ 16, 16a JGG 

175

erfolgten in etwa einem Viertel der Verurteilungen nach § 16 JGG bereits (vorläufige) Inobhutnahmen. Zusätzlich dazu wurde in 15 Urteilen (5,86 %) darauf hingewiesen, dass die Familie dem Jugendamt näher bekannt ist, ohne dass dies weiter konkretisiert war (ohne Abbildung). Tabelle 15 Eingriffsintensivste Maßnahme durch das Jugendamt nach Rechtsgrundlage § 16 JGG

§ 16a JGG

Urteilsarreste insgesamt

(Vorläufige) Inobhutnahme

13 (24,53 %)



13 (20,97 %)

Stationäre HzE / Unterbringung

24 (45,28 %)

6 (66,67 %)

30 (48,39 %)

Ambulante HzE

16 (30,19 %)

3 (33,33 %)

19 (30,65 %)

53 (100,00 %)

9 (100,00 %)

62 (100,00 %)

Gesamt

IV. Anlassdelikte und Indikatoren zur Schwere der Taten Hinsichtlich der Delikte, die der aktuellen Verurteilung zugrunde lagen, wurden Art und Anzahl der Delikte sowie die höchsten Einzelschäden erhoben.15 Auch hier richten sich die Kategorien nach den Abschnitten des Besonderen Teils des StGB (siehe Kapitel B. II. 2.); hinzu kamen die Kategorien Straftaten nach dem BtMG (Betäubungsmittelgesetz) und Straftaten nach dem WaffG (Waffengesetz). Tabelle 16 zeigt, in wie vielen Urteilen mindestens eine Straftat aus der entsprechenden Kategorie begangen wurde.16 Am häufigsten wurden sowohl bei nach § 16 JGG als auch bei nach § 16a JGG Verurteilten Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit begangen, wobei der Anteil bei Verurteilungen nach § 16a JGG größer war (34,82 % vs. 43,75 %). In beiden Gruppen mit rund einem Drittel ähnlich häufig als Anlassdelikt genannt wurden Delikte aus der Kategorie Diebstahl und Unterschlagung (33,04 % vs. 34,38 %). Straftaten nach dem BtMG waren häufiger bei Verurteilungen nach § 16a JGG als Anlasstaten genannt (12,05 % vs. 18,75 %). Deutliche Unterschiede zeigen sich bei den Delikten aus der Kategorie Raub und Erpressung: Diese waren deutlich häufiger als Anlasstat in Urteilen nach § 16a JGG genannt im Vergleich zu den Anlasstaten bei Urteilen nach § 16 JGG (34,38 % vs. 7,14 %). 15

Nicht möglich war dabei die Klärung der Frage, welches Delikt bei mehreren begangenen Delikten letztendlich zur Verhängung eines Jugendarrests geführt hat. Zu dieser Problematik auch Feltes, in: DVJJ, 1981, 290 (296). 16 Zwischen Tateinheit (§ 52 StGB) und Tatmehrheit (§ 53 StGB) wird nicht unterschieden.

176

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

Außerdem zeigte sich, dass die Personen im Durschnitt wegen 1,67 verschiedener Deliktarten verurteilt wurden. Die Personen, die einen Jugendarrest nach § 16a JGG verbüßt haben, wiesen eine höhere durchschnittliche Anzahl an Deliktarten (2,09) auf als die zu einem Arrest nach § 16 JGG Verurteilten (1,61) (ohne Abbildung). Tabelle 16 Anlassdelikte nach Rechtsgrundlage (Mehrfachnennungen möglich) Deliktkategorie

§ 16 JGG (n = 224)

§ 16a JGG (n = 32)

Urteilsarreste insgesamt (n = 256)

78 (34,82 %)

14 (43,75 %)

92 (35,94 %)

Diebstahl und Unterschlagung

74 (33,04 %)

11 (34,38 %)

85 (33,20 %)

Straftaten nach dem BtMG

27 (12,05 %)

6 (18,75 %)

33 (12,89 %)

28 (12,5 %)

3 (9,38 %)

31 (12,11 %)

Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit

Beleidigung Raub und Erpressung

16 (7,14 %)

11 (34,38 %)

27 (10,55 %)

23 (10,27 %)

3 (9,38 %)

26 (10,16 %)

Erschleichen von Leistungen, § 265a

20 (8,93 %)

4 (12,5 %)

24 (9,38 %)

Straßenverkehrsdelikte

21 (9,38 %)

3 (9,38 %)

24 (9,38 %)

Betrug und Untreue; ohne § 265a

17 (7,59 %)

4 (12,5 %)

21 (8,2 %)

Straftaten gegen die öffentliche Ordnung

18 (8,04 %)

2 (6,25 %)

20 (7,81 %)

Straftaten gegen die persönliche Freiheit

17 (7,59 %)

2 (6,25 %)

19 (7,42 %)

Urkundenfälschung

5 (2,23 %)

2 (6,25 %)

7 (2,73 %)

Verstoß gegen das Waffengesetz

6 (2,68 %)

Begünstigung und Hehlerei

4 (1,79 %)

Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung

2 (0,89 %)

Sonstiges*

5 (2,23 %)

Sachbeschädigung

– – 2 (6,25 %) –

6 (2,34 %) 4 (1,56 %) 4 (1,56 %) 5 (1,95 %)

* Sonstiges: Falsche uneidliche Aussage und Meineid (§§ 153–162), Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a StGB), Vollrausch (§ 323a StGB).

Bei allen Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit (§§ 223–231 StGB) (n = 92) handelte es sich um Körperverletzungen, wobei ein qualitativer Unterschied zwischen einfacher Körperverletzung (§ 223 StGB) und gefährlicher oder

177

B. Auswertungen zu den Urteilsarresten nach §§ 16, 16a JGG 

schwerer Körperverletzung (§§ 224, 226 StGB) besteht. Um einen Überblick über die Schwere der Taten zu bekommen, wurde diese noch einmal gesondert erhoben. Wie aus Tabelle 17 ersichtlich wird, lag den Verurteilungen zu einem Arrest nach § 16 JGG in weniger als der Hälfte der Fälle eine gefährliche / schwere Körperverletzung zugrunde (46,15 %), während bei den Verurteilungen zu einem Arrest nach § 16a JGG in über drei Vierteln der Urteile (78,57 %) eine gefährliche / schwere Körperverletzung als Anlassdelikt genannt wurde. Tabelle 17 Körperverletzung nach Rechtsgrundlage (Mehrfachnennungen möglich) § 16 JGG (n = 78)

§ 16a JGG (n = 14)

Urteilsarreste insgesamt (n = 92)*

Einfache Körperverletzung

41 (52,56 %)

5 (35,71 %)

46 (50,00 %)

Gefährliche / schwere Körperverletzung

36 (46,15 %)

11 (78,57 %)

47 (51,09 %)

Keine Angabe

3 (3,85 %)



3 (3,26 %)

* Insgesamt über 100 %, da in jeweils 2 Fällen von Verurteilungen nach § 16 JGG bzw. § 16a JGG sowohl eine einfache als auch eine gefährliche / schwere Körperverletzung begangen wurde.

Auch bei anderen Delikten kann die Schwere trotz gleicher rechtlicher Einordnung erheblich variieren, weshalb zusätzlich die Schwere der Delikte erfasst wurde. Dafür wurden Kategorien gebildet, um die Schwere bei Eigentums- und Vermögensdelikten anhand der Schadenshöhe und bei Personendelikten anhand der Verletzungen der Geschädigten besser einordnen zu können. Teilweise war der Schaden im Urteil nicht genau benannt, konnte aber aufgrund von Hinweisen geschätzt werden. Tabelle 18 zeigt in Bezug auf die Schwere der Eigentums- und Vermögensdelikte (n = 153),17 dass der Schaden bei Verurteilungen nach § 16 JGG häufiger unter 100 Euro lag als bei Verurteilungen nach § 16a JGG (27,69 % vs. 17,39 %).18 Der Anteil von Eigentums-/Vermögensdelikten mit einem Schaden zwischen 100 und 500 Euro kam hingegen bei den Verurteilungen nach § 16a JGG fast doppelt so häufig vor wie bei Verurteilungen nach § 16 JGG (39,13 % vs. 20,00 %). Seltener lag der Schaden laut Urteil in beiden Gruppen über 500 Euro (27,69 % vs. 21,74 %). 17 Darunter wurden die Kategorien Diebstahl und Unterschlagung (§§ 242–248c StGB), Raub und Erpressung (§§ 249–256 StGB), Betrug und Untreue (§§ 263–266b StGB) und Sachbeschädigung (§§ 303–305a StGB) zusammengefasst. In den Fällen, in denen mehrere Kategorien verwirklicht wurden, wurde der höchste Einzelschaden erfasst. 18 In 16 Fällen erfolgte eine Schätzung der Schadenshöhe auf Grundlage der Angaben im Urteil. Dabei wurden allgemeingültige Kriterien zugrunde gelegt, wie z. B. der durchschnittliche Wert eines Handys.

178

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse Tabelle 18 Höchster Einzelschaden bei Eigentums-/Vermögensdelikten § 16 JGG

§ 16a JGG

Urteilsarreste insgesamt

< 100 Euro

36 (27,69 %)

4 (17,39 %)

40 (26,14 %)

100–500 Euro

26 (20,00) %

9 (39,13 %)

35 (22,88 %)

501–1.000 Euro

15 (11,54 %)

2 (8,70 %)

17 (11,11 %)

> 1.000 Euro

21 (16,15 %)

3 (13,04 %)

24 (15,69 %)

Kein finanzieller Schaden Keine Angabe Gesamt

8 (6,15 %)



8 (5,23 %)

24 (18,46 %)

5 (21,74 %)

29 (18,95 %)

130 (100,00 %)

23 (100,00 %)

153 (100,00 %)

Bei den Personendelikten (n = 119)19 erfolgte häufig keine (26,89 %) oder eine ambulante Behandlung (16,81 %) (siehe Tabelle 19).20 Stationär wurden nur 15,69 % bzw. 5,88 % der Geschädigten behandelt. In knapp einem Drittel der Fälle (32,77 %) ließ sich die Schwere der Verletzung an den Ausführungen im Urteil nicht erkennen. Tabelle 19 Höchster Einzelschaden bei Personendelikten § 16 JGG

§ 16a JGG

Urteilsarreste insgesamt

Stationäre Behandlung*

16 (15,69 %)

1 (5,88 %)

17 (14,29 %)

Ambulante Behandlung, sofortige Entlassung

15 (14,71 %)

5 (29,41 %)

20 (16,81 %)

Kein Arzt- oder Krankenhausbesuch

28 (27,45 %)

4 (23,53 %)

32 (26,89 %)

Keine Verletzung Keine Angabe Gesamt

10 (9,80 %)

1 (5,88 %)

11 (9,24 %)

33 (32,35 %)

6 (35,29 %)

39 (32,77 %)

102 (100,00 %)

17 (100,00 %)

119 (100,00 %)

* Mindestens eine Nacht im Krankenhaus.

19

Darunter wurden die Kategorien Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174– 184h StGB), Straftaten gegen das Leben (§§ 211–222 StGB) sowie Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit (§§ 223–231 StGB) zusammengefasst. 20 In 38 Fällen erfolgte eine Schätzung der Schadenshöhe auf Grundlage der Angaben im Urteil. Dabei wurden allgemeingültige Kriterien zugrunde gelegt, wie z. B. der allgemein voraussehbare Behandlungsbedarf bei bestimmten Verletzungen.

B. Auswertungen zu den Urteilsarresten nach §§ 16, 16a JGG 

179

V. Alter zum Zeitpunkt der letzten Tat Insgesamt zeigte sich, dass jeweils knapp die Hälfte der Arrestierten bei Begehung der letzten Tat,21 die dem aktuellen Urteil zugrunde lag, jugendlich (45,70 %) oder heranwachsend (46,88 %) war. In den Gruppen zeigten sich dabei leichte Unterschiede: Während die nach § 16 JGG Verurteilten zu fast gleichen Teilen jugendlich oder heranwachsend waren (46,88 % bzw. 45,54 %), waren die nach § 16a JGG Verurteilten häufiger bei Begehung der letzten Tat bereits Heranwachsende (56,25 %) (siehe Tabelle 20). In insgesamt 2 Fällen (0,89 %) waren die Personen 21 Jahre alt und damit nach strafrechtlicher Definition erwachsen, allerdings wurde nach § 32 JGG Jugendstrafrecht angewandt.22 Tabelle 20 Alter zum Zeitpunkt der letzten Tat nach Rechtsgrundlage § 16 JGG

§ 16a JGG

Urteilsarreste insgesamt

Jugendlich

105 (46,88 %)

12 (37,50 %)

117 (45,70 %)

Heranwachsend

102 (45,54 %)

18 (56,25 %)

120 (46,88 %)

Erwachsen Keine Angabe Gesamt

2 (0,89 %)



2 (0,78 %)

15 (6,70 %)

2 (6,06 %)

17 (6,64 %)

224 (100,00 %)

32 (100,00 %)

256 (100,00 %)

VI. Verhängte Sanktionen Die im Urteil verhängten Sanktionen werden in den folgenden Kapiteln zunächst für die Verurteilungen nach § 16 JGG (Kapitel B. VI. 1.) und anschließend für die Verurteilungen nach § 16a JGG (Kapitel B. VI. 2.) dargestellt, da sich hier schon durch die Verhängung der Jugendstrafe zur Bewährung neben § 16a JGG Unterschiede ergeben. Bei Betrachtung der Ergebnisse ist zu berücksichtigen, dass in 17,19 % aller Fälle ein vorheriges Urteil in die aktuelle Entscheidung nach § 31 II JGG einbezogen wurde, wobei dies häufiger Urteile nach § 16a JGG betraf als Urteile nach § 16 JGG (28,13 % vs. 15,63 %). In diesen Fällen sind also nicht nur die erhobenen Anlassdelikte Bezugspunkt der aktuellen Entscheidung, sondern 21 In einigen wenigen Fällen wurde das genaue Datum aus den Angaben abgeleitet: Wenn z. B. „Anfang März“ angegeben war, wurde als Datum der 1. März und bei der Angabe „Ende März“ der 31. März angenommen. 22 Nach § 32 I Satz 1 JGG gilt bei mehreren Straftaten, die gleichzeitig abgeurteilt werden und auf die teils Jugendstrafrecht und teils allgemeines Strafrecht anzuwenden wäre, einheitlich das Jugendstrafrecht, wenn das Schwergewicht bei den Straftaten liegt, die nach Jugendstrafrecht zu beurteilen sind.

180

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

auch die einbezogenen Entscheidungen, zu denen den Urteilen allerdings keine Ausführungen zu entnehmen waren. In Kapitel B. VI. 3. werden die verhängten Arreste nach Gerichten dargestellt. 1. Verurteilungen zu Jugendarrest nach § 16 JGG Zunächst wird auf den verhängten Jugendarrest nach § 16 JGG eingegangen (Kapitel B. VI. 1. a)) und anschließend auf die ggf. neben dem Jugendarrest in diesem Urteil verhängte(n) Sanktion(en) (Kapitel  B. VI. 1. b)). a) Art und Dauer des verhängten Jugendarrests Bei den Verurteilungen nach § 16 JGG wurde in 59,38 % der Fälle ein Dauer­ arrest und in 39,73 % ein Freizeitarrest verhängt; nur in 2 Fällen war der verhängte Arrest ein Kurzarrest (0,89 %).23 Differenziert nach Geschlecht zeigte sich, dass die Mehrheit der männlichen Personen (61,38 %) zu einem Dauerarrest und die knappe Mehrheit der Frauen (51,43 %) zu einem Freizeitarrest verurteilt waren (siehe Tabelle 21). Tabelle 21 Art des verhängten Arrests nach § 16 JGG nach Geschlecht Männlich

Weiblich

Dauerarrest

116 (61,38 %)

17 (48,57 %)

133 (59,38 %)

Freizeitarrest

71 (37,57 %)

18 (51,43 %)

89 (39,73 %)

Kurzarrest Gesamt

2 (1,06 %) 189 (100,00 %)

– 35 (100,00 %)

§ 16-Arreste insgesamt

2 (0,89 %) 224 (100,00 %)

Auch betrachtet wurde die konkrete Dauer: Von den insgesamt 89 Freizeit­ arresten nach § 16 JGG hatte die Mehrheit eine Dauer von einer Freizeit (82,02 %) und deutlich seltener eine Dauer von 2 Freizeiten (17,98 %). Die beiden Kurzarreste dauerten 4 Tage (ohne Abbildung). Die Mehrzahl der Dauerarreste (n = 133) hatte eine Dauer von einer Woche (39,10 %), fast ein Drittel von 2 Wochen (29,32 %); seltener betrug die Dauer 3 oder 4 Wochen (18,05 % bzw. 12,78 %). In einem wei-

23

Allerdings wurde der ursprünglich verhängte Freizeitarrest in 6 Fällen gemäß § 86 JGG vom Vollstreckungsleiter in Kurzarrest umgewandelt. Grund hierfür war z. B. ein verspäteter Arrestantritt: In diesen Fällen wurde im Umwandlungsbeschluss darauf hingewiesen, dass der Verurteilte durch den nicht rechtzeitigen Arrestantritt zu erkennen gegeben hat, „dass er die eingeräumte Möglichkeit, den Arrest am Wochenende abzuleisten, nicht nutzen möchte.“

181

B. Auswertungen zu den Urteilsarresten nach §§ 16, 16a JGG 

teren Fall (0,75 %) betrug die Dauer 3 Wochen und 5 Tage24 Die durchschnittliche Dauer lag bei 14,46 Tagen, betrug also rund 2 Wochen. b) Zusätzlich verhängte Sanktionen In der Mehrzahl der Fälle (86,16 %) wurde zusätzlich zum Jugendarrest nach § 16 JGG mindestens eine weitere Sanktion verhängt. Dabei handelte es sich in fast zwei Dritteln der Fälle um eine Verwarnung nach § 14 JGG (62,95 %). In 97 Urteilen wurde neben dem Arrest mindestens eine Weisung (43,30 %), in 43 Urteilen mindestens eine Auflage (19,20 %) und in 77 Fällen eine Arbeitsleistung ohne Angabe der Rechtsgrundlage (34,37 %) verhängt. In Abbildung 3 sind die zusätzlich zum Arrest nach § 16 JGG verhängten Sanktionen im Einzelnen dargestellt: In knapp einem Drittel aller Urteile zu § 16 JGG (n = 224) wurden neben dem Arrest sonstige Weisungen nach § 10 I JGG verhängt (27,68 %), wobei teilweise auch mehrere sonstige Weisungen verhängt wurden. Von diesen sonstigen Weisungen hatte die Mehrzahl (56,45 %) einen Bezug zum Konsum von Drogen oder zu einer Suchterkrankung (ohne Abbildung). Außerdem wurden als sonstige Weisungen die Teilnahme an Seminaren und / oder sonstigen Beratungen, z. B. zum Thema Gewalt oder Schulden (16,13 %), Weisungen zu 62,95 %

34,37 % 27,68 %

11,61 %

8,93 % 9,82 % 2,23 %

1,34 % 0,45 %

1,34 % 2,23 %

5,36 %

Abbildung 3: Neben dem Arrest verhängte Sanktionen (Mehrfachnennungen möglich)

24 Der Arrest hatte laut Urteil eine Dauer von 3 Wochen und 5 Tagen, da ein zuvor bereits verbüßter Freizeitarrest in das Urteil einbezogen wurde.

182

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

(Beratungs-)Gesprächen bei der Jugendgerichtshilfe / K inder- und Jugendhilfe / dem ASD (12,90 %), regelmäßiger Schulbesuch (8,06 %) und andere Weisungen, wie z. B. das Schreiben eines Aufsatzes (17,74 %), verhängt (ohne Abbildung). Darüber hinaus wurde in 8 Fällen die Fahrerlaubnis nach § 69 StGB entzogen und eine Sperrzeit für die Erteilung einer Fahrerlaubnis nach § 69a StGB erteilt (3,57 %) sowie in 7 Fällen ein Fahrverbot nach § 44 StGB angeordnet (3,13 %) (ohne Abbildung). Bei Betrachtung der Fälle, in denen neben dem Jugendarrest Arbeitsstunden verhängt wurden (n = 82, davon 5 als Arbeitsauflage nach § 15 I Nr. 3 JGG und 77 Fälle mit unklarer Rechtsgrundlage), hat sich gezeigt, dass die Anzahl der verhängten Stunden zwischen 20 und 480 Stunden lag (siehe Tabelle 22). Am häufigsten lag die Anzahl der Stunden zwischen 50 und 80 Stunden (43,90 %). In fast einem Drittel (29,27 %) lagen die Stunden zwischen 20 und 40 und in noch knapp einem Viertel (24,39 %) zwischen 100 und 200 Stunden. Im Durchschnitt lag die Anzahl der Arbeitsstunden bei 72 Stunden. Die Geldauflage (n = 12) gemäß § 15 I Nr. 4 JGG betrug zwischen 250 und 1.000 Euro und lag im Durchschnitt bei 538 Euro (ohne Abbildung). Tabelle 22 Anzahl an verhängten Arbeitsstunden neben Jugendarrest n

%

20 bis 40

24

29,27 %

50 bis 80

36

43,90 %

100 bis 200

20

24,39 %

Sonstiges*

1

1,22 %

Keine Angabe Gesamt

1

1,22 %

82

100,00 %

* Es wurde angeordnet, über 6 Monate wöchentlich 20 Arbeitsstunden zu erbringen. Hingewiesen wurde allerdings darauf, dass Schulbesuch und Arbeitszeiten auf die Arbeitsstunden angerechnet werden.

2. Verurteilungen zu Jugendarrest nach § 16a JGG Bei den Verurteilungen zu einem Arrest nach § 16a JGG ist zum einen die Art der zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe (Kapitel B. VI. 2. a)) interessant, zum anderen die Art sowie die Dauer des Jugendarrests (Kapitel B. VI. 2. b)).

B. Auswertungen zu den Urteilsarresten nach §§ 16, 16a JGG 

183

a) Jugendstrafe zur Bewährung und weitere Sanktionen Ein Jugendarrest kann neben 3 Varianten einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe verhängt werden (siehe 3. Teil, Kapitel C.). In knapp zwei Dritteln der Fälle erfolgte eine Verurteilung nach § 21 JGG (62,50 %), in einem Viertel der Fälle wurde eine Verurteilung nach § 27 JGG ausgesprochen (25,00 %) und in 12,50 % der Fälle eine Verurteilung nach § 61 I JGG (ohne Abbildung). Die Dauer der zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafen nach § 21 JGG (n = 20) und nach § 61 JGG (n = 4)25 betrug in den meisten Fällen zwischen 7 und 12 Monaten (45,83 %), zu einem Viertel betrug sie 6 Monate (25,00 %) und zu knapp einem Drittel 13 Monate und mehr (29,17 %). Weiterhin gaben die Urteile bzw. Bewährungsbeschlüsse26 auch Auskunft über die Bewährungszeit nach § 22 JGG bzw. § 28 JGG sowie die Frist für die vorbehaltene Entscheidung nach § 61a JGG. Bei den Entscheidungen nach § 21 JGG darf die Bewährungszeit gemäß § 22 I Satz 2, II Satz 2 JGG 3 Jahre nicht überschreiten und 2 Jahre nicht unterschreiten, kann aber nachträglich bis auf ein Jahr verkürzt oder vor ihrem Ablauf bis auf 4 Jahre verlängert werden. In den 20 Fällen, in denen eine Verurteilung nach § 21 JGG erfolgte, betrug die Bewährungszeit in der Mehrheit der Fälle 2 Jahre und deutlich seltener 3 Jahre (65,00 % bzw. 20,00 %); in 3 Fällen enthielten das Urteil bzw. der Beschluss keine Angabe (ohne Abbildung). Die Bewährungszeit beträgt bei einer Entscheidung nach § 27 JGG gemäß § 28 I JGG ein bis 2 Jahre. Sie kann gemäß § 28 II Satz 2 JGG innerhalb dieses Zeitraums verkürzt oder verlängert werden. In den 8 Fällen betrug die Bewährungszeit in drei Vierteln der Fälle 2 Jahre (75,00 %), in einem Fall ein Jahr und in einem Fall enthielt die Akte keine Angabe. Nach § 61a I Satz 1 JGG ergeht die vorbehaltene Entscheidung spätestens 6 Monate nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils. In 3 von 4 Urteilen lag die Frist bei 6 Monaten; in einem Fall war der Zeitraum der Akte nicht zu entnehmen (ohne Abbildung). Die Begründung für die Verhängung einer Jugendstrafe nach § 21 und § 61 JGG (n = 24) zeigt Tabelle 23. Bei der Hälfte der Verurteilungen nach § 21 JGG wurde die Verhängung der Jugendstrafe mit dem Vorliegen schädlicher Neigungen begründet (50,00 %), bei den Verurteilungen nach § 61 JGG waren dies sogar drei Viertel 25

Bei einer Entscheidung nach § 27 JGG wird zwar die Schuld des Jugendlichen festgestellt, die Entscheidung über die Verhängung der Jugendstrafe aber ausgesetzt, sodass die Dauer der ggf. zu verhängenden Jugendstrafe noch nicht festgelegt ist. 26 Eine Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung kann direkt im Urteil oder gemäß § 57 JGG in Form einer Anordnung durch nachträglichen Beschluss getroffen werden. Eine Entscheidung über die Bewährungszeit nach § 28 JGG ergeht gemäß § 62 IV i. V. m. § 58 I JGG durch Beschluss. Die Entscheidung über die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung wird im Urteil ausdrücklich einem nachträglichen Beschluss vorbehalten, § 61 I JGG.

184

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

(75,99 %). In 8,33 % wurde (nur) die Schwere der Schuld bejaht und in 12,50 % wurden sowohl schädliche Neigungen als auch die Schwere der Schuld angenommen. Tabelle 23 Begründung für die Verhängung der Jugendstrafe Schädliche Neigungen

Schwere der Schuld

Schädliche Neigungen und Schwere der Schuld

Keine Angabe

Gesamt (n = 24)

§ 21 JGG

10 (50,00 %)

2 (10,00 %)

2 (10,00 %)

6 (30,00 %)

20 (100,00 %)

§ 61 JGG

3 (75,00 %)



1 (25,00 %)



4 (100,00 %)

Weiterhin zeigte sich, dass neben der zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe und dem Jugendarrest nach § 16a JGG nur in einem Fall eine zusätzliche Sanktion (Unterstellung Betreuungshelfer nach § 10 I Nr. 5 JGG) verhängt wurde (3,13 %) (ohne Abbildung). In 2 Fällen wurde außerdem der Führerschein nach § 69 StGB eingezogen und eine Sperre nach § 69a I StGB (9 und 12 Monate) verhängt (6,25 %), wobei in beiden Fällen den Verurteilungen (auch) Straßenverkehrsdelikte zugrunde lagen. b) Art und Dauer des Jugendarrests § 16a I JGG sieht für die Verhängung von Jugendarrest in den Nummern 1 bis 3 verschiedene Voraussetzungen vor. In der Mehrzahl der Fälle war in den Urteilen nicht vermerkt, nach welcher Nummer des § 16a I JGG ein Jugendarrest verhängt wurde (81,25 %). In jeweils 2 Fällen wurde explizit ein Arrest nach § 16a I Nr. 1, nach Nr. 3 sowie nach Nr. 1 und Nr. 3 JGG verhängt (jeweils 6,25 %) (ohne Abbildung). Bei der Art des Jugendarrests zeigte sich, dass in fast allen Fällen ein Dauer­ arrest (93,75 %) und in nur 2 Fällen (6,25 %) ein Freizeitarrest verhängt wurde. Die Dauer des Dauerarrests betrug überwiegend 2 Wochen (43,33 %). In knapp über einem Drittel betrug die Dauer eine Woche (36,67 %) und in einem Fünftel 4 Wochen (20,00 %). Im Durchschnitt betrug die Dauer der Dauerarreste nach § 16a JGG – wie auch bei den Arresten nach § 16 JGG – 2 Wochen (14,23 Tage). Ein Freizeitarrest hatte eine Dauer von einer Freizeit und ein Arrest von 2 Freizeiten (ohne Abbildung). 3. Verhängte Arreste nach Gericht Um zu sehen, ob regionale Unterschiede bei der Sanktionierung mit Jugendarrest bestanden, wurden die erkennenden Gerichte erhoben. In 251 Fällen (98,05 %) erfolgte die Verurteilung durch hessische Amtsgerichte; in 5 Fällen waren die erkennenden Gerichte Amtsgerichte anderer Bundesländer oder Landgerichte.

B. Auswertungen zu den Urteilsarresten nach §§ 16, 16a JGG 

185

Tabelle 24 Verhängte Arreste nach Amtsgerichtsbezirk

Weilburg Limburg Dillenburg Rüsselsheim Offenbach Korbach Melsungen Wetzlar Michelstadt Fritzlar Marburg Kassel Hanau Groß-Gerau Frankfurt Dieburg Rüdesheim Darmstadt Kirchhain Bad Hersfeld Lampertheim Alsfeld Büdingen Bad Homburg Wiesbaden Gelnhausen Bensheim Schwalmstadt Eschwege Frankenberg Idstein Fulda Gießen Friedberg Sonstige Insgesamt

Einwohner

§ 16 JGG

52.270 119.850 110.022 96.023 267.690 83.236 46.068 144.052 96.473 108.073 126.058 435.967 250.851 173.022 909.074 127.450 58.446 324.731 59.015 121.037 95.549 96.674 64.509 194.828 321.614 165.864 100.014 50.269 100.965 51.426 54.830 186.970 303.843 155.655 – 6.213.088

9 18 10 10 18 6 3 8 3 5 5 21 9 4 32 5 2 9 2 4 3 3 1 6 8 1 2 1 2 1 1 3 3 2 4** 224

§ 16a JGG – – 4 – 2 – – 1 3 1 2 1 2 3 4 – – 2 – – – – 1 – 1 3 – – – – – – 1 – 1*** 32

Urteilsarreste Arreste pro insgesamt 100.000 Einwohner* 9 17,22 18 15,02 14 12,72 10 10,41 20 7,47 6 7,21 3 6,51 9 6,25 6 6,22 6 5,55 7 5,55 22 5,05 11 4,39 7 4,05 36 3,96 5 3,92 2 3,42 11 3,39 2 3,39 4 3,30 3 3,14 3 3,10 2 3,10 6 3,08 9 2,80 4 2,41 2 2,00 1 1,99 2 1,98 1 1,94 1 1,82 3 1,60 4 1,32 2 1,28 5 – 256 4,12

* Absteigende Sortierung nach vollstreckten Arresten pro 100.000 Einwohner. ** Hessisches Landgericht (n = 2) Amtsgericht außerhalb Hessens (n = 2). *** Hessisches Landgericht.

186

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

Zunächst wurde deutlich, dass es Unterschiede bei den absoluten Zahlen verhängter Arreste zwischen den einzelnen Amtsgerichten gab (siehe Tabelle 24). Um die Zahlen besser vergleichen zu können, werden üblicherweise in solchen Fällen die verhängten Arreste pro 100.000 Einwohner der entsprechenden Altersgruppe (im jeweiligen Gerichtsbezirk) betrachtet. Die Zahlen zu Einwohnern nach Altersgruppe in den Amtsgerichtsbezirken konnte das zuständige Statistische Landesamt Hessen nicht zur Verfügung stellen. Um dennoch die Zahlen in Relation zueinander setzen zu können, wurden die verhängten Arreste pro 100.000 Einwohner im jeweiligen Gerichtsbezirk, also unabhängig vom Alter, betrachtet. So sollte eine Annäherung ermöglicht werden.27 Nicht berücksichtigen ließ sich dabei, ob möglicherweise im Einzelfall eine besondere demographische Situation in einem Amtsgerichtsbezirk vorlag; dafür lagen allerdings auch keine Anhaltspunkte vor. Es zeigte sich, dass der Anteil vollzogener Arreste pro 100.000 Einwohner des jeweiligen Amtsgerichtsbezirks zwischen 028 und 17 lag; durchschnittlich wurden aus den Amtsgerichtsbezirken jeweils rund 4 Urteilsarreste pro 100.000 Einwohner vollzogen.

VII. Urteilsbegründungen Zu den Urteilbegründungen zu § 16 und § 16a JGG ist vorweg zu betonen, dass in insgesamt über zwei Dritteln der analysierten Urteile die Urteilsgründe gemäß § 267 IV StPO, §§ 54 I, 2 II JGG abgekürzt waren (70,31 %); wobei dies bei Urteilen nach § 16 JGG häufiger der Fall war als bei Urteilen nach § 16a JGG (70,98 % vs. 65,63 %) (ohne Abbildung). Erhoben wurden die in den Urteilsbegründungen aufgeführten Aspekte, die zu Gunsten oder zu Lasten der Verurteilten genannt wurden sowie spezielle Begründungen für die Verhängung des Jugendarrests. In insgesamt 133 der 256 untersuchten Akten waren in den Urteilen begünstigende Aspekte benannt (51,95 %). Geständiges Verhalten spielte dabei eine besondere Rolle und wurde in den meisten Fällen als begünstigter Aspekt genannt (81,20 %), bei den Verurteilungen nach § 16a JGG lag der Anteil sogar bei 90,48 % (siehe Tabelle 25). Auch angeführt wurde vor allem bisherige Straffreiheit (21,05 %), wobei der Anteil bei den nach § 16 JGG Verurteilten mit knapp einem Viertel deutlich höher lag als bei den Verurteilungen nach § 16a JGG (23,21 % vs. 9,52 %). Bei den Verurteilungen nach § 16 JGG wurden außerdem vor allem eine

27 Diese Zahlen werden vom Statistischen Bundesamt (Daten aus dem Gemeindeverzeichnis, Gerichtsbarkeit nach Fläche und Bevölkerung auf Grundlage des ZENSUS 2011 und Bevölkerungsdichte, Gebietsstand: 31.12.2016, 2018) zur Verfügung gestellt. 28 Aus den folgenden hessischen Amtsgerichtsbezirken lag keine Entscheidung vor: Bad Schwalbach (66.876 Einwohner), Biedenkopf (59.940 Einwohner), Fürth (72.372 Einwohner), Hünfeld (34.200 Einwohner), Königstein (120.401 Einwohner), Langen (117.462 Einwohner), Seligenstadt (89.419 Einwohner). Diese werden in der Tabelle nicht dargestellt.

187

B. Auswertungen zu den Urteilsarresten nach §§ 16, 16a JGG 

Entschuldigung sowie ein geringer Schaden oder geringer Wert zu Gunsten der Personen berücksichtigt (jeweils 9,82 %). Bei den Verurteilungen nach § 16a JGG wurden dagegen vor allem erhebliche Alkoholisierung und das Fehlen einschlägiger Vorverurteilungen genannt (jeweils 14,29 %). Tabelle 25 Aspekte zu Gunsten der Person (Mehrfachnennungen möglich) § 16 JGG

§ 16a JGG

Urteilsarreste insgesamt

Geständiges Verhalten

89 (79,46 %)

19 (90,48 %)

108 (81,20 %)

Bisherige Straffreiheit

26 (23,21 %)

2 (9,52 %)

28 (21,05 %)

Entschuldigung

11 (9,82 %)



11 (8,27 %)

Geringer Schaden / geringer Wert

11 (9,82 %)



11 (8,27 %)

Alkoholbedingt enthemmt /  erhebliche Alkoholisierung

6 (5,36 %)

3 (14,29 %)

9 (6,77 %)

Erstmals vor Gericht / noch keine schwerwiegenden Taten / ​ noch keine einschlägige Verurteilung

5 (4,46 %)

3 (14,29 %)

8 (6,02 %)

Einsicht / Reue

5 (4,46 %)



5 (3,76 %)

Schadenswiedergutmachung

5 (4,46 %)



5 (3,76 %)

Sonstiges* Gesamt

24 (21,43 %)

9 (42,86 %)

31 (24,81 %)

112 (100,00 %)

21 (100,00 %)

133 (100,00 %)

* Z. B. Provokation durch das Opfer; schwierige persönliche Verhältnisse; Taten liegen lange zurück; geordnete (soziale) Verhältnisse.

Nicht alle Urteile benannten Aspekte, die erschwerend berücksichtigt wurden: Ungefähr die Hälfte der Urteile enthielt Informationen hierzu (47,66 %). In der Mehrzahl der Urteile, in denen erschwerende Aspekte thematisiert wurden, wurde vorherige Straffälligkeit zu Lasten der Personen gewertet (57,38 %), wobei sich nur ein kleiner Unterschied zwischen den beiden Gruppen zeigte (56,44 % vs. 61,90 %) (siehe Tabelle 26). Auch eine hohe Rückfallgeschwindigkeit spielte eine Rolle (19,67 %), wobei der Aspekt häufiger in den Urteilen nach § 16 JGG genannt wurde (20,79 % vs. 14,29 %). In den Urteilen nach § 16 JGG spielten außerdem noch die Aspekte schwerer gesundheitlicher Folgen für das Opfer (12,87 %) sowie eines hohen finanziellen Schadens / hohen Wertes (11,88 %) eine Rolle, die in den Verurteilungen nach § 16a JGG nicht genannt wurden. In den Urteilen zu § 16a JGG wurde hingegen häufig besondere Brutalität / Aggressivität (19,05 %) zu Lasten der Person gewertet.

188

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse Tabelle 26 Aspekte zu Lasten der Person (Mehrfachnennungen möglich) § 16 JGG

§ 16a JGG

Urteilsarreste insgesamt

Strafrechtlich bereits auffällig geworden

57 (56,44 %)

13 (61,90 %)

70 (57,38 %)

Hohe Rückfallgeschwindigkeit

21 (20,79 %)

3 (14,29 %)

24 (19,67 %)

Schwere gesundheitliche Folgen für das Opfer

13 (12,87 %)



13 (10,66 %)

Hoher finanzieller Schaden /  hoher Wert

12 (11,88 %)



12 (9,84 %)

Besondere Brutalität /  Aggressivität

5 (4,95 %)

4 (19,05 %)

9 (7,38 %)

Viele Taten

4 (3,96 %)

2 (9,52 %)

6 (4,92 %)

Weisungen / Auflagen aus altem Urteil noch offen

6 (5,94 %)

Laufende Bewährung Sonstiges* Gesamt



6 (4,92 %)

2 (1,98 %)

2 (9,52 %)

4 (3,28 %)

27 (26,73 %)

4 (19,05 %)

31 (25,41 %)

101 (100,00 %)

21 (100,00 %)

122 (100,00 %)

* Z. B. Verhalten in der Hauptverhandlung; erheblich alkoholisiert; professionelle Tatdurchführung; fehlendes Unrechtsbewusstsein.

Neben diesen eher allgemeinen Aspekten wurde teilweise die Verhängung eines Jugendarrests näher begründet. Insgesamt ließen sich in 157 der 256 Akten Ausführungen dazu finden (61,33 %), davon in 135 zu § 16 JGG (60,27 % aller Urteile zu § 16 JGG) und in 22 zu § 16a JGG (68,75 % aller Urteile nach § 16a JGG). Es zeigte sich, dass in den Urteilen als Begründung für die Verhängung von Dauer- und Freizeitarresten insbesondere die Ahndung eine Rolle spielte (43,31 %). Dies war in der Hälfte der Urteile nach § 16a JGG und 42,22 % der Urteile nach § 16 JGG der Fall (siehe Tabelle 27). Seltener wurde in den Urteilen Erziehung als Begründung herangezogen: Dieser Aspekt wurde in 16,30 % der Verurteilungen nach § 16 JGG genannt und in nur 9,09 % der Verurteilungen nach § 16a JGG. Das Kennenlernen eines Freiheitsentzugs wurde nur in circa jedem zehnten Urteil nach § 16 JGG genannt (9,63 %), spielte allerdings bei den Verurteilungen nach § 16a JGG in knapp einem Drittel der Urteile eine Rolle (31,82 %).

189

B. Auswertungen zu den Urteilsarresten nach §§ 16, 16a JGG  Tabelle 27 Begründungen für die Verhängung (Mehrfachnennungen möglich) § 16 JGG

§ 16a JGG

Ahndung*

57 (42,22 %)

11 (50,00 %)

68 (43,31 %)

Erziehung

22 (16,30 %)

2 (9,09 %)

24 (15,29 %)

13 (9,63 %)

7 (31,82 %)

20 (12,74 %)

9 (6,67 %)

2 (9,09 %)

11 (7,01 %)

Freiheitsentzug kennenlernen Erziehung und Ahnung

Urteilsarreste insgesamt

Auseinandersetzen mit der Tat**

10 (7,41 %)



10 6,37 %)

Tat- und schuldangemessen

10 (7,41 %)



10 (6,37 %)

Ambulante Maßnahmen nicht ausreichend / sinnlos

7 (5,19 %)



7 (4,46 %)

Einwirkung

7 (5,19 %)



7 (4,46 %)

Abschreckung

3 (2,22 %)



3 (1,91 %)

Bildung schädlicher Neigungen vermeiden

2 (1,48 %)



2 (1,27 %)

Gesamt

135 (100,00 %)

22 (100,00 %)

157 (100,00 %)

* Z. B. Unrecht/Konsequenzen vor Augen führen, Denkzettel, Eingreifen des Staates. ** Z. B. Besinnung, Nachdenken.

VIII. Zeiträume Ferner erhoben wurden die Zeiträume zwischen den einzelnen Verfahrensabschnitten: Den Urteilen konnte in den meisten Fällen der Zeitpunkt der letzten Tat entnommen werden (n = 237); das Datum der Rechtskraft des Urteils und das Datum des Arrestantritts ging stets aus den Akten hervor (n = 256). 1. Zeitraum zwischen letzter Tat und Rechtskraft des Urteils Insgesamt vergingen zwischen der letzten Tat und der Rechtskraft des Urteils in jeweils rund einem Drittel der Fälle zwischen 3 und unter 6 Monate bzw. zwischen 6 und unter 9 Monate (31,22 %) (Tabelle 28). In 44,83 % der Verfahren nach § 16a JGG lag der Zeitraum bei über 9 Monaten, bei den Verfahren nach § 16 JGG betrug der Zeitraum in lediglich unter einem Drittel der Fälle mehr als 9 Monate (30,77 %). Bei den Verurteilungen nach § 16 JGG betrug der kürzeste Zeitraum zwischen letzter Tat und Rechtskraft des Urteils knapp unter einen Monat und der längste fast

190

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

2,5 Jahre (28,35 Monate), bei den Verurteilungen nach § 16a lag der Zeitraum hingegen zwischen 4,27 Monaten und rund 1,5 Jahren (17,22 Monaten). Durchschnittlich vergingen bei Verfahren nach § 16 JGG zwischen letzter Tat und Rechtskraft des Urteils fast 8 Monate, bei Verfahren nach § 16a JGG knapp über 9 Monate. Tabelle 28 Zeitraum zwischen letzter Tat und Rechtskraft des Urteils § 16 JGG Unter 3 Monate

§ 16a JGG

Urteilsarreste insgesamt

12 (5,77 %)



12 (5,06 %)

3 bis unter 6 Monate

69 (33,17 %)

5 (17,24 %)

74 (31,22 %)

6 bis unter 9 Monate

63 (30,29 %)

11 (37,93 %)

74 (31,22 %)

9 bis unter 12 Monate

30 (14,42 %)

8 (27,59 %)

38 (16,03 %)

Mehr als 12 Monate

34 (16,35 %)

5 (17,24 %)

39 (16,46 %)

208 (100,00 %)

29 (100,00 %)

237 (100,00 %)

Gesamt

2. Zeitraum zwischen Rechtskraft des Urteils und Arrestantritt Die Zeiträume zwischen der Rechtskraft der Urteile und den Arrestantritten betrugen in knapp drei Vierteln der Fälle (73,05 %) unter 3 Monate. Bei Verurteilungen nach § 16 JGG fand der Arrestantritt in rund zwei Dritteln der Fälle zwischen einem und unter 3 Monaten nach Rechtskraft des Urteils statt (66,52 %) (siehe Tabelle 29). In einem Fall fand der Arrestantritt am Tag der Rechtskraft des Urteils statt; der längste Zeitraum betrug 7,85 Monate. Durchschnittlich vergingen circa 2,8 Monate zwischen der Rechtskraft des Urteils und dem Arrestantritt. Hierbei ist zu beachten, dass die Vollstreckung eines Jugendarrests nach § 16 JGG gemäß § 87 IV Satz 1 JGG unzulässig ist, wenn seit Eintritt der Rechtskraft ein Jahr verstrichen ist. Bei den Verurteilungen nach § 16a JGG betrug der Zeitraum zwischen Rechtskraft des Urteils und Arrestantritt ganz überwiegend zwischen einem und unter 3 Monaten (93,75 %). Insgesamt war der Zeitraum zwischen der Rechtskraft des Urteils und dem Beginn der Vollstreckung durchschnittlich kürzer und betrug nur knapp über eineinhalb Monate gegenüber 2,8 Monaten bei Verurteilungen nach § 16 JGG. Der kürzeste Zeitraum betrug circa einen halben Monat und der längste Zeitraum 2,79 Monate. Dabei ist zu beachten, dass der Vollzug eines § 16a-Arrests nach § 87 IV Satz 2 JGG nach Ablauf von 3 Monaten seit Eintritt der Rechtskraft nicht mehr begonnen werden darf.

191

C. Nichtbefolgungsarrest  Tabelle 29 Zeitraum zwischen Rechtskraft des Urteils und Arrestantritt § 16 JGG Unter einem Monat Ein Monat bis unter 3 Monate

§ 16a JGG

Urteilarreste insgesamt

6 (2,68 %)

2 (6,25 %)

8 (3,13 %)

149 (66,52 %)

30 (93,75 %)

179 (69,92 %)

3 bis unter 4 Monate

32 (14,29 %)

32 (12,50 %)

4 bis unter 6 Monate

25 (11,16 %)

25 (9,77 %)

6 bis unter 9 Monate

12 (5,36 %)

12 (4,69 %)

Gesamt

224 (100,00 %)

32 (100,00 %)

256 (100,00 %)

C. Nichtbefolgungsarrest Im Folgenden werden die ursprünglich begangenen Straftaten (Kapitel C. I.) und die ursprünglich verhängten Sanktionen (Kapitel C. II.) dargestellt. Kapitel C. III. enthält Auswertungen zur Verhängung des Jugendarrests. Abschließend werden die Zeiträume zwischen den Verfahrensabschnitten dargestellt (Kapitel C. IV.). Anzumerken ist hier, dass das ursprüngliche Urteil nur in wenigen Ausnahmefällen in den Vollzugsakten enthalten war, sodass für die dargestellten Ergebnisse die (gegenüber dem Urteil stark verkürzten) Arrestbeschlüsse herangezogen werden mussten.29

I. Im Beschluss genannte ursprüngliche Straftat(en) Erhoben wurden die im Beschluss genannten Straftaten,30 wobei die Kategorien den Abschnitten des StGB entsprachen (siehe Kapitel B. II. 2.). Am häufigsten wurde mindestens ein Delikt aus der Kategorie Diebstahl und Unterschlagung genannt (29,76 %), in 17,86 % mindestens ein Delikt aus der Kategorie der Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit und eher selten das Erschleichen von Leistungen (11,31 %) oder eine Straftat nach dem BtMG (10,12 %) (siehe Tabelle 30). 29

Zu diesem Problem auch schon Werlich, in: Schumann, 1985, 140 (158). Auffällig war, dass in den Beschlüssen regelmäßig nur ein Delikt genannt war und in den Urteilen i. d. R. mehrere Delikte (siehe 6. Teil, B. IV.). Aus den wenigen Akten, in denen neben dem Beschluss auch das ursprüngliche Urteil enthalten war, wurde ersichtlich, dass im Beschluss nicht immer alle Straftaten aufgeführt waren, die im ursprünglichen Urteil genannt wurden. Um dennoch eine einheitliche Erfassung zu gewährleisten, wurden auch in den wenigen Fällen, in denen die ursprünglichen Urteile in den Akten enthalten waren, nur die im Arrestbeschluss genannten Delikte erhoben. 30

192

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse Tabelle 30 Anlassdelikte Nichtbefolgungsarrest (Mehrfachnennungen möglich)

Deliktkategorie

n

%

Diebstahl und Unterschlagung

50

29,76

Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit

30

17,86

Erschleichen von Leistungen, § 265a

19

11,31

Straftaten nach dem BtMG

17

10,12

Betrug und Untreue, ohne § 265a

12

7,14

Straßenverkehrsdelikte

11

6,55

Raub und Erpressung

7

4,16

Sachbeschädigung

6

3,57

Straftaten gegen die öffentliche Ordnung

6

3,57

Straftaten gegen die persönliche Freiheit

2

1,19

Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung

2

1,19

Verstoß gegen das Waffengesetz

2

1,19

Sonstiges*/keine Angabe Gesamt

9 168

5,36 100,00 %

* Je einmal: Beleidigung (§§ 185–200), Geldwäsche, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Brandstiftung, Hehlerei, Urkundenfälschung.

II. Ursprüngliche Sanktion(en) laut Arrestbeschluss Die Beschlüsse enthielten auch die ursprünglich verhängte Sanktion, wobei teilweise mehrere Sanktionen genannt waren. In diesen Fällen war nicht ersichtlich, ob sich die Nichterfüllung auf alle genannten Sanktionen oder auf einzelne bezog; im Folgenden werden alle in den Beschlüssen aufgeführten Sanktionen dargestellt. Vorab ist anzumerken, dass fast alle Nichtbefolgungsarreste aufgrund nicht erfüllter Weisungen nach § 11 III JGG oder nicht erfüllter Auflagen nach § 15 III JGG verhängt wurden (93,45 %). Nur 11 Akten bezogen sich auf einen Arrest wegen Nichterfüllung von Bewährungsweisungen oder -auflagen (6,55 %) (siehe dazu auch 3. Teil, Kapitel D.). In 5 dieser Akten wurde § 23 I Satz 4 JGG als Rechtsgrundlage genannt, in den anderen 5 Fällen war keine klare Zuordnung möglich, da z. B. nur allgemein auf einen „Bewährungsbeschluss“ verwiesen war. Diese 11 Beschlüsse werden in dieser Arbeit zusammen mit den anderen Nichtbefolgungsarresten betrachtet, da sie die gleichen Informationen enthielten. Das ursprüngliche Urteil war – wie bereits erwähnt – in der Regel in den Akten nicht enthalten, sodass

193

C. Nichtbefolgungsarrest 

keine zusätzlichen Informationen, wie z. B. zu der auf Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe, erhoben werden konnten.31 Betrachtet man zunächst nur die Kategorien der ursprünglich verhängten Sanktionen (n = 168), so zeigt Abbildung 4, dass aus den Urteilen in fast der Hälfte der Fälle hervorging, dass mindestens eine Weisung verhängt wurde (47,62 %, davon in 5 Fällen 2 Weisungen); in nur 8,93 % der Beschlüsse waren Auflagen genannt (davon in einem Fall 2 Auflagen). In fast zwei Dritteln der Beschlüsse (64,29 %) waren als ursprüngliche Sanktion Arbeitsstunden genannt, die Rechtsgrundlage dazu ging aus den Urteilen allerdings nicht hervor. Die Arbeitsleistungen werden deshalb separat dargestellt. In 5 Fällen enthielt die Akte zur ursprünglichen Sanktion keine oder keine eindeutigen Informationen (2,98 %). Zu beachten ist dabei, dass Weisungen und Auflagen nach § 8 I Satz 1 JGG auch nebeneinander verhängt wurden. 70 %

64,29 %

60 % 50 %

47,62 %

40 % 30 % 20 % 8,93 %

10 %

2,98 %

0% Weisungen

Auflagen

Arbeitsleistungen (Rechtsgrundlage unklar)

Keine Angabe

Abbildung 4: Ursprünglich verhängte Sanktionen (Mehrfachnennungen möglich)

1. Weisungen Abbildung 5 zeigt, dass in über zwei Dritteln der Fälle neben dem Arrest (auch) eine sonstige Weisung verhängt wurde (67,50 %). Ähnlich wie schon bei den sonstigen Weisungen neben einem Arrest nach § 16 JGG (siehe Kapitel B. VI. 1. b)) bezogen sich die meisten sonstigen Weisungen (n = 80) zumindest auch auf eine Drogen- oder Suchtberatung oder Drogenscreenings (59,26 %). Seltener wurde als ursprüngliche Sanktion die Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs nach § 10 I 31

Die weiteren Ausführungen beziehen sich auf §§ 11, 15 JGG, welche gemäß § 23 I Satz 4 JGG auch für die Nichterfüllung von Bewährungsweisungen und -auflagen Anwendung finden.

194

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

Nr. 6 JGG (17,50 %) oder die Unterstellung unter einen Betreuungshelfer nach § 10 I JGG (13,75 %) angeordnet.

Nr. 5 80 %

67,50 %

70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 17,50 %

20 % 10 %

13,75 % 5,00 %

4,69 %

1,25 %

0%

Arbeits- oder Betreuungshelfer Sozialer Ausbildungsstelle Trainingskurs

TOA

Verkehrsunterricht

Sonstige Weisungen

Abbildung 5: Ursprünglich verhängte Weisungen (Mehrfachnennungen möglich)

2. Auflagen Bei der Verhängung von Auflagen hat sich gezeigt, dass in nur 15 Akten (8,93 %) explizit eine Auflage als ursprüngliche Sanktion genannt war. In 3 Fällen handelte es sich dabei um eine Schadenswiedergutmachung (§ 15 I Nr. 1 JGG), in einem Fall um eine Entschuldigung (§ 15 I Nr. 2 JGG) neben einer Schadenswiedergutmachung, in 3 Fällen um eine Arbeitsleistung (§ 15 I Nr. 3 JGG) und in 9 Fällen um eine Geldauflage (§ 15 I Nr. 4 JGG) (ohne Abbildung). In 2 der 3 Fälle enthielten die Akten die Anzahl der Arbeitsstunden, einmal 32 und einmal 100 Stunden. Die Geldauflagen betrugen zwischen 100 und 2.70032 Euro; im Durchschnitt waren es rund 822 Euro (ohne Abbildung). 3. Anzahl der Arbeitsstunden In 111 Akten (66,07 %) wurde die Erbringung von Arbeitsleistungen als ursprüngliche Sanktion genannt, wobei aus den Beschlüssen überwiegend nicht hervorging, ob es sich dabei um Weisungen oder um Auflagen handelte (64,29 %). 32

Zahlbar in monatlichen Raten à 270 Euro.

195

C. Nichtbefolgungsarrest 

In nur 3 Fällen enthielten die Beschlüsse die Information, dass es sich dabei um eine Auflage handelte. Die Anzahl der Arbeitsstunden lag zwischen 16 und 150 Stunden. In knapp einem Drittel der Fälle (31,53 %) betrug die Anzahl zwischen 30 und unter 50 Stunden; in knapp der Hälfte der Fälle (47,74 %) lag die Anzahl zwischen 50 und unter 110 Stunden (siehe Tabelle 31). Im Durchschnitt wurden knapp 60 Arbeitsstunden angeordnet. Tabelle 31 Anzahl der verhängten Arbeitsstunden bei Nichtbefolgungsarresten n

%

Unter 30 Stunden

13

11,71 %

30 bis unter 50 Stunden

35

31,53 %

50 bis unter 70 Stunden

23

20,72 %

70 bis unter 90 Stunden

15

13,51 %

90 bis unter 110 Stunden

15

13,51 %

7

6,31 %

110 Stunden und mehr Keine Angabe Gesamt

3

2,70 %

111

100,00 %

Die Beschlüsse zeigten, ob die Personen die Arbeitsstunden teilweise oder gar nicht erfüllt hatten. Überwiegend wurde mit der Erfüllung der Arbeitsstunden nicht begonnen (59,26 %). In über einem Drittel der Fälle (37,96 %) waren die Stunden bereits teilweise33 erfüllt worden, wenige Beschlüsse enthielten dazu keine Angabe (2,78 %) (siehe Tabelle 32). Tabelle 32 Erfüllung der Arbeitsstunden bei Nichtbefolgungsarresten n

%

Arbeitsstunden nicht erfüllt

64

59,26 %

Zum Teil erfüllt

41

37,96 %

Keine Angabe

3

2,78 %

108

100,00 %

Gesamt

33 Welcher Anteil der angeordneten Stunden bereits erfüllt war, ging aus den Beschlüssen nur teilweise hervor. In einigen Fällen war mit der Erfüllung gerade begonnen worden, in anderen Fällen war ein Großteil der Arbeitsstunden bereits geleistet.

196

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

III. Verhängung von Jugendarrest nach Arrestbeschluss Die Beschlüsse zur Verhängung des Jugendarrests enthielten des Weiteren Informationen zur Prüfung der Schuldhaftigkeit (Kapitel C. III. 1.), zum Erscheinen zur Anhörung (Kapitel C. III. 2.), zu Art und Dauer des Arrests (Kapitel C. III. 3.), zu den entscheidenden Gerichten (Kapitel C. III.4.) sowie Begründungen (Kapitel  C. III. 5.). 1. Prüfung der Schuldhaftigkeit Die Nichterfüllung von Weisungen und Auflagen muss schuldhaft erfolgen, §§ 11 III Satz 1, 15 III Satz 2 JGG (siehe 3. Teil, Kapitel D. II. 2.). In den Beschlüssen ist überwiegend (89,29 %) eine standardisierte Textvorlage mit dem Inhalt „Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass diese Säumnis unverschuldet wäre“ oder eine davon leicht abgewandelte Formulierung zu finden. Nur in 5 Fällen wurde, teilweise zusätzlich zum o. g. Textbaustein, im Beschluss explizit darauf eingegangen, welche Nachweise hätten erbracht werden müssen (2,98 %): Nachweise zu Krankheit und / oder Ausbildungssuche, abgeleisteten Arbeitsstunden oder der Kontaktaufnahme zur zugewiesenen Arbeitsstelle. In einem Fall wurde ausgeführt, dass „schwierige familiäre Verhältnisse“ als Entschuldigungsgrund nicht ausreichen (0,60 %); weitere 12 Beschlüsse enthielten keine Angaben zur Schuldhaftigkeit (7,14 %) (ohne Abbildung). Inwieweit die ursprünglich verhängten Sanktionen, die den Arresten zugrunde lagen, wegen anderer Verpflichtungen – vor allem Schulbesuch, Ausbildung oder Beruf – nicht erfüllt wurden, konnte den Akten regelmäßig nicht entnommen werden. Allerdings gaben die Arrestierten in den Fragebögen teilweise an, anderen Verpflichtungen, vor allem dem Schulbesuch, nachgekommen zu sein.34 2. Anhörung vor Arrestverhängung Nach § 65 I Satz 3 JGG ist dem Jugendlichen Gelegenheit zur mündlichen Äußerung vor dem Richter zu geben, wenn die Verhängung von Jugendarrest in Betracht kommt (siehe 3. Teil, Kapitel D. II. 3.). In knapp der Hälfte aller Beschlüsse wurde erläutert, dass die Personen keinen Gebrauch von der Möglichkeit der Anhörung machten (49,40 %), in 65 Fällen sind sie zur Anhörung erschienen, konnten den Pflichtverstoß bei der Anhörung dem Beschluss nach aber nicht ausreichend entschuldigen (38,69 %). Aus weiteren 20 Beschlüssen ging nicht hervor, ob die Personen zur Anhörung erschienen sind (11,90 %). Anzumerken ist zu diesen Zahlen, 34 „Ich hatte zu der Zeit eine Arbeit und konnte es [die Arbeitsstunden, Anm.d.Verf.] zeitlich nicht bewältigen“ oder „Ich hatte keine Zeit wegen Schule“.

197

C. Nichtbefolgungsarrest 

dass es sich dabei nur um die Personen handelt, die – ggf. trotz Anhörung – einen Arrest verbüßen mussten. 3. Art und Dauer des Jugendarrests Die Nichtbefolgungsarreste waren fast ausschließlich Dauerarreste (97,02 %), in nur 5 Fällen wurde ein Freizeitarrest verhängt (2,98 %). Wie Tabelle 33 zeigt, hatten die Dauerarreste in über der Hälfte der Fälle eine Dauer von 2 Wochen (55,21 %), knapp ein Viertel der Arreste hatte eine Dauer von einer Woche (24,54 %). Seltener verhängt wurden Nichtbefolgungsarreste mit einer Dauer von 3 (8,59 %) oder 4 Wochen (11,66 %). Die durchschnittliche Dauer lag bei knapp über 2 Wochen. Zwischen den Geschlechtern zeigte sich bei der durchschnittlichen Dauer der Dauerarreste kein Unterschied: Bei den Männern lag der Mittelwert bei 2,07 (n = 140), bei den Frauen bei 2,09 (n = 23) Wochen (ohne Abbildung). Die 5 Freizeitarreste hatten jeweils eine Dauer von einer Freizeit. Tabelle 33 Dauer des Dauerarrests bei Nichtbefolgungsarresten n

%

1 Woche

40

24,54 %

2 Wochen

90

55,21 %

3 Wochen

14

8,59 %

4 Wochen Gesamt

19

11,66 %

163

100,00 %

4. Verhängte Arreste nach Gericht Des Weiteren wurde die Anzahl an Nichtbefolgungsarresten in den Amtsgerichtsbezirken pro 100.000 Einwohner des jeweiligen Gerichtsbezirks betrachtet, um die Zahlen (mit den im Kapitel B. VI. 3. genannten Einschränkungen) vergleichen zu können. Auch hier zeigten sich Unterschiede: Einige Amtsgerichtsbezirke verhängten für den Untersuchungszeitraum keine Nichtbefolgungsarreste,35 in rund zwei Dritteln (65,85 %) waren es ein bis unter 4 Arreste pro 100.000 Einwohner. Maximal wurden knapp über 7 Arreste pro 100.000 Einwohner verhängt. 35

Aus diesen hessischen Amtsgerichtsbezirken lag keine Entscheidung vor: Bad Schwalbach (66.876 Einwohner), Eschwege (100.965 Einwohner), Frankenberg (51.426 Einwohner), Fürth (72.372 Einwohner), Melsungen (46.068 Einwohner), Schwalmstadt (50.269 Einwohner). Diese werden in der Tabelle nicht dargestellt.

198

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse Tabelle 34 Verhängte Nichtbefolgungsarreste nach Amtsgerichtsbezirk

Wiesbaden Hanau Limburg Büdingen Korbach Weilburg Rüdesheim Kirchhain Frankfurt Rüsselsheim Hünfeld Fritzlar Dillenburg Offenbach Bad Hersfeld Marburg Gießen Lampertheim Wetzlar Idstein Langen Biedenkopf Königstein Kassel Friedberg Darmstadt Groß-Gerau Seligenstadt Michelstadt Alsfeld Bad Homburg Bensheim Dieburg Gelnhausen Fulda Sonstiges*** Insgesamt

Einwohner*

n

321.614 250.851 119.850 64.509 83.236 52.270 58.446 59.015 909.074 96.023 34.200 108.073 110.022 267.690 121.037 126.058 303.843 95.549 144.052 54.830 117.462 59.940 120.401 435.967 155.655 324.731 173.022 89.419 96.473 96.674 194.828 100.014 127.450 165.864 186.970 – 6.213.088

23 17 8 4 5 2 2 2 29 3 1 3 3 7 3 3 7 2 3 1 2 1 2 6 2 4 2 1 1 1 2 1 1 1 1 12 168

Arreste pro 100.000 Einwohner** 7,15 6,78 6,68 6,20 6,01 3,83 3,42 3,39 3,19 3,12 2,92 2,78 2,73 2,61 2,48 2,38 2,30 2,09 2,08 1,82 1,70 1,67 1,66 1,38 1,28 1,23 1,16 1,12 1,04 1,03 1,03 1,00 0,78 0,60 0,53 – 2,70

* Siehe dazu Kapitel B. Fn. 27. ** Absteigende Sortierung nach vollstreckten Arresten pro 100.000 Einwohner. *** Sonstiges: In 11 Beschlüssen je ein Amtsgericht aus einem anderen Bundesland und in einem Fall ein hessisches Landgericht, siehe zur örtlichen Zuständigkeit § 24 I Satz 1 StVollstrO.

C. Nichtbefolgungsarrest 

199

5. Begründungen In über drei Vierteln der Beschlüsse wurde die Textvorlage „Bei der ­Bemessung des zu verhängenden Jugendarrestes ist das Gewicht des Pflichtverstoßes ebenso berücksichtigt worden wie die Absicht, nunmehr wirksam zur Erfüllung der Verpflichtung anzuhalten. Kommt d. Verurteilte jetzt den Pflichten aus der oben genannten Entscheidung nach, so wird das Gericht von der Vollstreckung des verhängten Arrestes absehen“ oder eine sehr ähnliche Formulierung verwendet (76,79 %). Nur in 8 von diesen 129 Fällen (6,20 %) enthielt der Beschluss eine jeweils kurze zusätzliche Begründung oder einen Hinweis dazu, dass der Arrest entfällt, wenn die verhängten Arbeitsstunden noch erbracht werden. In weiteren 23 Fällen (13,69 %) wurde ein etwas kürzerer Textbaustein „Die festgelegte Dauer des Arrestes erscheint im Hinblick auf den Umfang der nicht erfüllten Auflagen und das Maß des offenbarten Ungehorsams erforderlich“ oder eine ähnliche Formulierung verwendet. In 6 Beschlüssen wurden Argumente für die Verhängung des Nichtbefolgungsarrests angeführt (3,57 %), wobei hauptsächlich darauf Bezug genommen wird, dass mildere Mittel nicht geeignet seien, die Person zu „beeindrucken“. In weiteren 10 Fällen enthielt der Beschluss keine Begründung (5,95 %).

IV. Zeiträume Erhoben wurden auch die Daten der Verfahrensabschnitte, wobei 164 Akten36 das Datum der Verkündung des ursprünglichen Urteils enthielten und alle 168 Akten das Datum der Rechtskraft des Arrestbeschlusses und des Arrestantritts. 1. Zeitraum zwischen Urteil und Arrestbeschluss Der Zeitraum zwischen ursprünglichem Urteil und Rechtskraft des Arrestbeschlusses konnte in 164 Fällen berechnet werden und betrug zwischen 1,58 und 38,54 Monaten. Tabelle 35 zeigt die Verteilung insgesamt: In fast 40 % der Fälle vergingen unter 6 Monaten zwischen der ursprünglichen Verurteilung zu einer Weisung oder Auflage und der Rechtskraft des Beschlusses, in knapp über 40 % zwischen 6 und unter 12 Monaten und in fast einem Fünftel der Fälle (18,29 %) vergingen mindestens 12 Monate. Im Durchschnitt vergingen zwischen ursprünglichem Urteil und Rechtskraft des Arrestbeschlusses 8,73 Monate. Zu beachten ist hierbei, dass den Verurteilten eine Frist zur Erfüllung der Weisungen bzw. Auflagen eingeräumt wird und das Verstreichen dieser Frist zunächst 36

Beim Datum des ursprünglichen Urteils wurde dasjenige erhoben, auf welches im Arrestbeschluss verwiesen ist.

200

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

abgewartet werden muss, was den Zeitraum „automatisch“ verlängert. Nur in Ausnahmefällen war im Beschluss zu erkennen, dass die Sanktion aus dem ursprünglichen Urteil vor dem Arrestbeschluss nach § 65 I Satz 1 JGG durch einen Beschluss geändert wurde, §§ 11 II, § 15 III Satz 1 JGG. Tabelle 35 Zeitraum zwischen Rechtskraft des Urteils und Rechtskraft des Arrestbeschlusses n

%

Unter einem Monat



Ein Monat bis unter 3 Monate

5

3,05 %

3 bis unter 6 Monate

60

36,59 %

6 bis unter 9 Monate

45

27,44 %

9 bis unter 12 Monate

24

14,63 %

12 Monate bis unter 24 Monate

26

15,85 %

24 Monate und mehr Gesamt*



4

2,44 %

164

100,00 %

* In 4 Fällen war das Datum der Verkündung des ursprünglichen Urteils dem Beschluss nicht zu entnehmen.

2. Zeitraum zwischen Arrestbeschluss und Arrestantritt Der Zeitraum zwischen Rechtskraft des Arrestbeschlusses und Arrestantritt betrug zwischen 7 Tagen (0,23 Monate) und 11,5 Monaten; im Durchschnitt sind knapp über 3 Monate vergangen. Tabelle 36 zeigt die Verteilung: In mehr als der Hälfte der Fälle erfolgte der Arrestantritt nach unter 3 Monaten, gerechnet ab Rechtskraft des Arrestbeschlusses (55,36 %). In über einem Drittel der Fälle (35,71 %) lagen zwischen der Rechtskraft des Beschlusses und dem Arrestantritt zwischen 3 bis unter 6 Monaten, wobei fast die Hälfte davon (17,26 %) den Arrest zwischen dem 3. bis unter dem 4. Monat antrat. Tabelle 36 Zeitraum zwischen Rechtskraft des Arrestbeschlusses und Arrestantritt n

%

9

5,36 %

Ein Monat bis unter 3 Monate

84

50,00 %

3 bis unter 6 Monate

60

35,71 %

6 bis unter 9 Monate

11

6,55 %

9 Monate und mehr

4

2,38 %

168

100,00 %

Unter einem Monat

Gesamt

201

D. Arrest nach § 98 II OWiG

3. Zeitraum insgesamt Betrachtet man nun den gesamten Zeitraum zwischen ursprünglichem Urteil und Arrestantritt, so zeigt sich, dass die Spanne von knapp 4 Monaten (3,88 Monaten) bis zu über 3,5 Jahren (44,32 Monaten) reicht. Im Durchschnitt verging zwischen ursprünglichem Urteil und Arrestantritt fast ein Jahr (11,89 Monate). Tabelle 37 zeigt, dass in der Mehrheit der Fälle zwischen 9 und unter 24 Monate vergingen (54,27 %). Tabelle 37 Zeitraum zwischen ursprünglichem Urteil und Arrestantritt n

%

3 bis unter 6 Monate

21

12,80 %

6 bis unter 9 Monate

44

26,83 %

9 bis unter 12 Monate

40

24,39 %

12 bis unter 24 Monate

49

29,88 %

Mehr als 24 Monate Gesamt

10

6,10 %

164

100,00 %

D. Arrest nach § 98 II OWiG Bei den Arresten nach § 98 II OWiG enthielten die Beschlüsse neben der ursprünglich begangenen Ordnungswidrigkeit (Kapitel D. I.) Informationen zur Höhe der Geldbuße (Kapitel D. II.), zur verhängten Ersatzmaßnahme (Kapitel D. III.) und zum verhängten Jugendarrest (Kapitel D. IV.). Darüber hinaus wurde auf Grundlage der im Beschluss genannten Daten die Dauer der einzelnen Verfahrensabschnitte berechnet (Kapitel D. V.).

I. Ordnungswidrigkeit Von den 61 Fällen, in denen im Untersuchungszeitraum ein Arrest nach § 98 II OWiG angetreten wurde, war die im Beschluss genannte zugrunde liegende Ordnungswidrigkeit in der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle (93,44 %) ein Verstoß gegen das Hessische Schulgesetz37 (siehe Tabelle 38). In einem Fall lag ein Verstoß gegen das Waffengesetz vor (1,64 %). 37

Zwar war nicht allen Beschlüssen eindeutig zu entnehmen, dass es sich bei der Verletzung der Schulpflicht um einen Verstoß gegen das Hessische Schulgesetz gehandelt hat. Davon ist allerdings auszugehen, da die Arreste ausschließlich von hessischen Amtsgerichten verhängt wurden.

202

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

In weiteren 3 Fällen war die Ordnungswidrigkeit dem Beschluss nicht zu entnehmen (4,92 %). In diesen 3 Fällen wurden 2 Bußgeldbescheide vom Ordnungsamt und ein Bescheid vom Bundespolizeipräsidium erlassen. Da die Bußgeldbescheide also nicht von einem Staatlichen Schulamt erlassen wurden, kann es sich bei den 3 Ordnungswidrigkeiten jedenfalls nicht um Verstöße gegen das Hessische Schulgesetz handeln. Tabelle 38 Begangene Ordnungswidrigkeit n

%

Verstoß gegen das (Hessische) Schulgesetz

57

93,44 %

Verstoß gegen das Waffengesetz

1

1,64 %

Keine Angabe Gesamt

3

4,92 %

61

100,00 %

II. Geldbuße Im Folgenden wird zunächst die Höhe der Geldbuße angegeben (Kapitel D. II. 1.), daran anschließend werden Rückschlüsse auf die Höhe der Fehltage bei Verletzungen der Schulpflicht gezogen (Kapitel D. II. 2.). 1. Höhe der Geldbuße Die Höhe der Geldbuße war 56 Arrestbeschlüssen zu entnehmen (91,80 %). Die im Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbuße lag nach den Beschlüssen zwischen 40 und 305 Euro, wobei über die Hälfte aller Geldbußen zwischen 100 und unter 200 Euro lagen (51,79 %) (siehe Tabelle 39).38 In fast einem Viertel der Fälle lag die Geldbuße bei mindestens 250 Euro (23,21 %). Im Durchschnitt betrug die Geldbuße knapp 170 Euro.

38

Bei der Festsetzung des Bußgeldes durch das Staatliche Schulamt werden zusätzlich noch Gebühren – z. B. in Kassel von rund 23 Euro – verfügt. Aufgrund der Höhe der Geldbußen, die in den Beschlüssen angegeben waren, ist davon auszugehen, dass diese Gebühren in den meisten Fällen nicht in der im Beschluss genannten Geldbuße enthalten waren. Dies kann allerdings im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden, sodass es in diesen wenigen Einzelfällen zu einer Höherschätzung der Geldbuße kommen kann.

203

D. Arrest nach § 98 II OWiG Tabelle 39 Höhe der Geldbuße n

%

Unter 100 Euro

10

17,86 %

100 bis unter 150 Euro

15

26,79 %

150 bis unter 200 Euro

14

25,00 %

200 bis unter 250 Euro

4

7,14 %

250 bis unter 300 Euro

6

10,71 %

300 und 305 Euro Gesamt

7

12,50 %

56

100,00 %

2. Darstellung der Fehltage bei Verstößen gegen die Schulpflicht Die Beschlüsse enthielten keine Informationen zum Umfang der Verstöße gegen die Schulpflicht. Da allerdings davon auszugehen ist, dass es sich um Verstöße gegen das Hessische Schulgesetz handelt und die Bußgeldbescheide daher von einem der 15 Staatlichen Schulämter erlassen wurden, kann angenommen werden, dass den Bußgeldbescheiden der Erlass des Hessischen Kultusministeriums zur Vereinheitlichung des Verfahrens zur Bearbeitung von Ordnungswidrigkeiten nach § 181 Hessisches Schulgesetz39 (siehe 3. Teil, Kapitel E. IV. 2.) zugrunde lag. Dieser Erlass enthält einen Bußgeldkatalog für Ordnungswidrigkeiten nach § 181 HessSchulG, sortiert nach Verstößen für Schülerinnen und Schüler sowie Berufsschülerinnen und Berufsschüler im Erst- und Wiederholungsfall. Danach beträgt das Bußgeld für Schüler von allgemeinbildenden Schulen pro unentschuldigtem oder nicht ausreichend entschuldigtem Fehltag 5 Euro und im Wiederholungsfall 7,50 Euro; 5 Fehlstunden werden dabei zu einem Tag addiert. Der Höchstsatz für Schüler von allgemeinbildenden Schulen beträgt 250 Euro bzw. 300 Euro im Wiederholungsfall. Die Geldbuße für Berufsschüler beträgt 7,50 Euro bzw. im Wiederholungsfall 10 Euro pro Fehltag und der Höchstsatz liegt bei 300 Euro bzw. 400 Euro. Da die Beschlüsse nichts darüber aussagten, ob es sich bei den betroffenen Personen um Schüler einer allgemeinbildenden Schule oder einer Berufsschule handelte und ob ein „Wiederholungsfall“ vorlag, wurde pro Fehltag eine Geldbuße von 7,50 Euro angenommen. Diese Höhe entspricht den im Erlass genannten Gruppen „Schüler allgemeinbildende Schule, Wiederholer“ und „Berufsschüler“ und liegt zwischen der niedrigsten („Schüler allgemeinbildende Schule“) und der höchsten 39

Hessisches Kultusministerium, Erlass zur Vereinheitlichung des Verfahrens zur Bearbeitung von Ordnungswidrigkeiten nach § 181 Hessisches Schulgesetz, ABl. 2013 S. 423 vom 15.08.2013.

204

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

(„Berufsschüler, Wiederholer“) Gruppe.40 Obwohl also auf Basis der Daten die genauen Fehlzeiten nicht berechnet werden konnten, soll die Auswertung mit diesen Annahmen zumindest einen groben Überblick ermöglichen. Die Höhe der Geldbuße war in 52 Beschlüssen aufgrund von Verstößen gegen das Schulgesetz genannt. Tabelle 40 zeigt, dass bei Zugrundelegung der o. g. Annahme knapp einem Drittel der Geldbußen mindestens 26 Fehltage vorausgingen (32,69 %). In einem Viertel der Fälle betrugen die Fehltage zwischen 21 und unter 26 Tagen (25,00 %); in 19,23 % zwischen 16 und unter 21 Tagen und in 15,38 % zwischen 11 und unter 16 Tagen. Was in dieser Tabelle mit dem Versuch einer Annäherung jedenfalls deutlich wird, ist, dass es sich bei denjenigen, die einen Jugendarrest nach § 98 II OWiG wegen Verletzung der Schulpflicht verbüßen, um Personen handelt, die nicht nur kurzzeitig nicht am Unterricht teilgenommen haben.41 Da in knapp einem Viertel der Fälle die Geldbuße bei 250 Euro und mehr (23,08 %) lag, ist nicht auszuschließen, dass in einigen Fällen der Höchstsatz von (je nach Schulform und Fall zwischen 250 und 400 Euro) erreicht wurde und die tatsächliche Anzahl an Fehltagen sogar höher lag. Tabelle 40 Berechnete Anzahl an Fehltagen auf Grundlage der Geldbuße Geldbuße / Fehltage*

n

%

7,50 Euro bis unter 45 Euro/1 bis unter 6 Tage

1

1,92 %

45 Euro bis unter 82,50 Euro/6 bis unter 11 Tage

3

5,77 %

82,50 Euro bis unter 120 Euro/11 bis unter 16 Tage

8

15,38 %

120 Euro bis unter 157,50 Euro/16 bis unter 21 Tage

10

19,23 %

157,50 Euro bis unter 195 Euro/21 bis unter 26 Tage

13

25,00 %

195 Euro und mehr/26 Tage und mehr

17

32,69 %

Gesamt

52

100,00 %

* Bezieht sich auf die Kategorie „Schüler Allgemeinbildende Schule, Wiederholer“ bzw. „Berufsschüler“.

40 Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Staatlichen Schulämter in (begründeten) Einzelfällen von der im Erlass vorgegebenen Berechnung der Geldbuße abweichen. 41 Es gibt keine einheitlichen Vorgaben, nach welcher Anzahl Fehlstunden oder Fehltagen und nach welchen zusätzlichen Voraussetzungen ein solches Verfahren eingeleitet werden kann. Vielmehr wird in einer Handreichung des Hessischen Kultusministeriums darauf verwiesen, dass die Entscheidung „von den konkreten Bedingungen des Einzelfalls abhängig gemacht werden“ (Hessisches Kultusministerium, Schulvermeidung, 2017, S. 34) sollte. Allerdings wird darauf hingewiesen, dass „ein Ordnungswidrigkeitsverfahren […] in der Regel erst dann eingeleitet werden [sollte], wenn eine Schülerin oder ein Schüler häufig oder regelmäßig einzelne oder mehrere Tage beziehungsweise Unterrichtsstunden unentschuldigt gefehlt hat sowie Gespräche mit den Betroffenen und deren Eltern, pädagogische Maßnahmen und schriftliche Schulbesuchsmahnungen zu keiner Verhaltensänderung geführt haben“ (a. a. O., S. 35).

205

D. Arrest nach § 98 II OWiG

III. Ersatzmaßnahmen Den Personen wurde in allen 61 Fällen auferlegt, als Ersatzmaßnahme eine Arbeitsleistung nach § 98 I Nr. 1 OWiG zu erbringen; die anderen Nummern des § 98 II OWiG hatten praktisch keine Relevanz. Einschränkend ist hierbei zu beachten, dass bei der Anordnung einer Schadenswiedergutmachung nach § 98 I Nr. 2 OWiG ein Schaden entstanden sein muss und der Verkehrsunterricht nach § 98 I Nr. 3 OWiG eine Verletzung von Verkehrsvorschriften voraussetzt (siehe 3. Teil, Kapitel E. III. 2. b)). Da es sich bei fast allen Delikten um Verstöße gegen das Schulgesetz handelt, sind diese Ersatzmaßnahmen nicht einschlägig. Die Anzahl der auferlegten Arbeitsstunden betrug zwischen 5 und 61 Stunden. In fast der Hälfte der Fälle lag die Anzahl bei unter 20 Stunden (44,26 %); in weniger als einem Fünftel der Fälle wurden 40 und mehr Arbeitsstunden angeordnet (19,68 %) (siehe Tabelle 41). Im Durchschnitt wurden knapp über 24 Stunden angeordnet. Tabelle 41 Anzahl der verhängten Arbeitsstunden nach § 98 I OWiG n

%

5 bis unter 10 Stunden

9

14,75 %

10 bis unter 20 Stunden

18

29,51 %

20 bis unter 30 Stunden

13

21,31 %

30 bis unter 40 Stunden

9

14,75 %

40 bis unter 50 Stunden

6

9,84 %

50 bis 61 Stunden

6

9,84 %

61

100,00 %

Gesamt

In den Beschlüssen war außerdem aufgeführt, ob die Personen die Arbeitsstunden teilweise oder gar nicht erfüllt hatten. In der Regel wurde mit der Erfüllung der Arbeitsstunden nicht begonnen (85,20 %), in nur 11,50 % waren die Stunden zumindest bereits teilweise erfüllt worden (siehe Tabelle 42). Tabelle 42 Erfüllung der Arbeitsstunden nach § 98 I OWiG n Arbeitsstunden nicht erfüllt

%

52

85,20 %

Zum Teil erfüllt

7

11,50 %

Keine Angabe

2

3,30 %

61

100,00 %

Gesamt

206

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

Wenn man die Höhe der ursprünglichen Geldbuße der 56 Beschlüsse ins Verhältnis zu den in diesen Fällen verhängten Arbeitsstunden setzt, so zeigt sich, dass ganz überwiegend (85,71 %) zwischen 5 und unter 15 Euro in eine Arbeitsstunde umgewandelt wurden (siehe Abbildung 6). Im Durchschnitt wurden 7,63 Euro in eine Arbeitsstunde umgerechnet. 70 % 60,71 %

60 % 50 % 40 % 30 %

25,00 %

20 % 10 % 0%

7,14 % 3,57 %

1 bis unter 5 €

5 bis unter 10 €

10 bis unter 15 €

15 bis unter 20 €

3,57 %

über 20 €

Abbildung 6: Umrechnungsmaßstab Euro pro Arbeitsstunde

Die Gerichte legten bei der Umwandlung unterschiedliche Maßstäbe an, allerdings ohne dafür in den Beschlüssen Gründe zu benennen. Auf der einen Seite erfolgte die Umrechnung von 82,50 Euro in 43 Arbeitsstunden (1,92 Euro je Stunde; ähnlich auch 50 Euro in 25 Stunden und 112,50 Euro in 56 Stunden); in einem anderen „Extremfall“ wurden 122,50 Euro in 6 Arbeitsstunden umgewandelt (20,42 Euro je Stunde; ähnlich auch 300 Euro in 15 Stunden und 135 Euro in 7 Stunden). Bei Betrachtung der Beschlüsse derjenigen Gerichte, von denen mehr als ein Beschluss in die Untersuchung eingeflossen ist und bei denen die Höhe der Geldbuße angegeben war (n = 52), zeigte sich, dass in der Mehrheit der Fälle auch der Maßstab innerhalb eines Amtsgerichts unterschiedlich war (ohne Abbildung).

D. Arrest nach § 98 II OWiG

207

IV. Arrestanordnung Bei der Arrestanordnung wurden die Prüfung der Schuldhaftigkeit (Kapitel D. IV. 1.), das Erscheinen zur Anhörung (Kapitel D. IV. 2.), die Dauer des Arrests (Kapitel D. IV. 3.) und das erkennende Gericht (Kapitel D. IV. 4.) erhoben. 1. Prüfung der Schuldhaftigkeit Nach § 98 II Satz 1 OWiG muss die Nichterfüllung der Anordnung schuldhaft erfolgt sein (siehe 3. Teil, Kapitel E. III. 2. c)). In den Beschlüssen ließ sich überwiegend eine standardisierte Textvorlage mit dem Inhalt „Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass diese Säumnis unverschuldet wäre“ oder eine davon nur leicht abgewandelte Formulierung finden (83,61 %). In 4 dieser Fälle fanden sich zusätzliche Angaben (z. B. wurde auf die Verweigerung der Person oder auf die Möglichkeit der Ableistung der Arbeitsstunden durch Therapiestunden verwiesen). In den übrigen Fällen gab es in den Beschlüssen keine Hinweise auf die Frage der Schuldhaftigkeit. 2. Anhörung vor Arrestverhängung Gemäß § 98 II Satz 3 OWiG ist dem Jugendlichen vor Verhängung von Jugendarrest Gelegenheit zur mündlichen Äußerung vor dem Richter zu geben (siehe 3. Teil, Kapitel E. III. 2. c)). In etwas mehr als einem Viertel der Beschlüsse war zu lesen, dass die Personen zur Anhörung erschienen waren, den Pflichtverstoß aber nicht ausreichend entschuldigten (27,87 %). In diesen Beschlüssen fanden sich teilweise kurze Hinweise dazu, dass die Person auch die eingeräumte Nachfrist nach § 98 I Satz 2 OWiG zur Erfüllung der Arbeitsstunden nicht nutzte. In über der Hälfte der Fälle sind die Personen nicht zur Anhörung erschienen (54,10 %), in fast einem Fünftel gab es in den Beschlüssen keine Angaben hierzu (18,03 %) (ohne Abbildung). 3. Dauer des Jugendarrests und Begründung der Verhängung In mehr als der Hälfte der Fälle wurde ein Arrest von 7 Tagen, also die maximale Dauer, angeordnet (57,38 %) (siehe Tabelle 43). Dabei war in den Beschlüssen oft „eine Woche Dauerarrest“ angegeben, was einen deutlichen Bezug zu § 16 JGG herstellt. In mehr als einem Viertel der Fälle (29,51 %) wurde ein Arrest von 2 Tagen angeordnet, wobei in den Beschlüssen teilweise „ein Freizeitarrest“ stand. Eher selten wurde ein Arrest von 3 oder 4 Tagen angeordnet (6,56 % bzw. 4,92 %). In keinem Fall erfolgte eine individuelle Begründung für die Verhängung des Arrests bzw. für die Bemessung der Dauer; vielmehr wurde in über drei Vierteln der

208

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

Fälle die o. g. Textvorlage (siehe Kapitel C. III. 5.) genutzt (78,69 %). In 13 Beschlüssen fanden sich keine Hinweise zur Bemessung der Dauer (21,31 %) (ohne Abbildung). Tabelle 43 Dauer des Arrests nach § 98 II OWiG n

%

2 Tage

18

29,51 %

3 Tage

4

6,56 %

4 Tage

3

4,92 %

7 Tage

35

57,38 %

Sonstiges* Gesamt

1

1,64 %

61

100,00 %

* Im Beschluss war eine Dauer von 14 Tagen angegeben; dies wurde der Erhebung zugrunde gelegt. Allerdings beträgt die Höchstdauer nach § 98 II OWiG 7 Tage. Nach 6 Tagen wurde der Arrest wegen Untersuchungshaftantritt unterbrochen.

4. Erkennendes Gericht In allen Fällen wurde der Arrest von hessischen Amtsgerichten angeordnet, und zwar von dem Gericht, welches auch die Ersatzmaßnahme ausgesprochen hatte (siehe Tabelle 44). Zur besseren Vergleichbarkeit werden die Arreste erneut pro 100.000 Einwohner des Amtsgerichtsbezirks angegeben.42 Am häufigsten wurden Arreste nach § 98 II OWiG pro 100.000 Einwohnern im Amtsgerichtsbezirk Wiesbaden (4,53) angeordnet, gefolgt von Büdingen (3,10) und Hünfeld (2,92). Im Untersuchungszeitraum wurde in über der Hälfte der Amtsgerichtsbezirke gar kein Arrest nach § 98 II OWiG angeordnet (53,66 %). Insgesamt lassen sich zwar Unterschiede zwischen den Amtsgerichtsbezirken erkennen, allerdings können aufgrund der geringen Fallzahlen keine Schlussfolgerungen daraus gezogen werden.

42

Aus den folgenden hessischen Amtsgerichtsbezirken lag keine Entscheidung vor: Alsfeld (96.674 Einwohner), Bad Schwalbach (66.876 Einwohner), Bensheim (100.014 Einwohner), Biedenkopf (59.940 Einwohner), Eschwege (100.965 Einwohner), Frankenberg (51.426 Einwohner), Fürth (72.372 Einwohner), Fulda (186.970 Einwohner), Gelnhausen (165.864 Einwohner), Groß-Gerau (173.022 Einwohner), Idstein (54.830 Einwohner), Kirchhain (59.015 Einwohner), Korbach (83.236 Einwohner), Langen (117.462 Einwohner), Marburg (126.058 Einwohner), Melsungen (46.068 Einwohner), Michelstadt (96.473 Einwohner), Rüdesheim (58.446 Einwohner), Rüsselsheim (96.023 Einwohner), Schwalmstadt (50.269 Einwohner), Seligenstadt (89.419 Einwohner), Weilburg (52.270 Einwohner).

209

D. Arrest nach § 98 II OWiG Tabelle 44 Verhängte Arreste nach § 98 II OWiG nach Amtsgerichtsbezirk Einwohner*

n

Arreste pro 100.000 Einwohner**

Wiesbaden

321.614

14

4,53 

Büdingen

64.509

2

3,10

Hünfeld

34.200

1

2,92

Fritzlar

108.073

3

2,78

Lampertheim

95.549

2

2,09

Gießen

303.843

6

1,97

Dillenburg

110.022

2

1,82

Königstein

120.401

2

1,66

Kassel

435.967

7

1,61

Dieburg

127.450

2

1,57

Wetzlar

144.052

2

1,39

Hanau

250.851

3

1,20

Offenbach

267.690

3

1,12

Darmstadt

324.731

3

0,92

Bad Hersfeld

121.037

1

0,83

Limburg

119.850

1

0,83

Friedberg

155.655

1

0,64

Frankfurt

909.074

5

0,55

194.828

1

0,51

6.213.088

61

0,98

Bad Homburg Insgesamt * Siehe dazu Kapitel B. Fn. 27.

** Absteigende Sortierung nach vollstreckten Arresten pro 100.000 Einwohner.

V. Zeiträume Auch bei den Arresten nach § 98 II OWiG wurde die Dauer der einzelnen Verfahrensabschnitte betrachtet. 56 Akten enthielten das Datum des Erlasses des Bußgeldbescheids,43 60 Akten das Datum des Umwandlungsbeschlusses und alle 61 Akten das Datum der Rechtskraft des Arrestbeschlusses sowie das Datum des Arrestantritts. 43

Nur in wenigen Ausnahmefällen war das Datum der Ordnungswidrigkeit(en) im Beschluss genannt, sodass der Zeitraum zwischen Begehung der Ordnungswidrigkeit und Erlass des Bußgeldbescheides nicht erhoben wurde.

210

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

1. Zeitraum zwischen Bußgeldbescheid und Umwandlungsbeschluss Der Zeitraum zwischen dem Erlass des Bußgeldbescheids und dem Umwandlungsbeschluss betrug zwischen 1,18 Monaten und 19,61 Monaten. In 5 Fällen konnte der Zeitraum nicht berechnet werden, da das Datum des Bußgeldbescheides in der Akte fehlte (8,20 %). Tabelle 45 zeigt die Verteilung insgesamt: In etwas weniger als der Hälfte der Fälle (48,21 %) vergingen unter 3 Monate. Im Durchschnitt sind zwischen dem Erlass des Bußgeldbescheids und des Umwandlungsbeschlusses 4,3 Monate vergangen. Tabelle 45 Zeitraum zwischen Erlass des Bußgeldbescheids und Umwandlungsbeschluss n

%

Ein Monat bis unter 2 Monate

13

23,21 %

2 Monate bis unter 3 Monate

14

25,00 %

3 bis unter 4 Monate

7

12,50 %

4 bis unter 5 Monate

9

16,07 %

5 bis unter 6 Monate

4

7,14 %

6 bis unter 12 Monate

5

8,93 %

Mehr als 12 Monate Gesamt

4

7,14 %

56

100,00 %

2. Zeitraum zwischen Umwandlungsbeschluss und Arrestbeschluss Der Zeitraum zwischen dem Umwandlungsbeschluss und der Rechtskraft des Arrestbeschlusses lag zwischen rund 1,5 Monaten und fast 1,5 Jahren (17,35 Monaten). In einem Fall konnte der Zeitraum nicht berechnet werden, da die Akte kein Datum zum Umwandlungsbeschluss enthielt. Tabelle 46 zeigt die Verteilung insgesamt: In der Hälfte der Fälle (50,00 %) lag die Dauer zwischen 3 und unter 6 Monaten; eher selten betrug die Dauer mehr als ein Jahr. Im Durchschnitt sind zwischen Umwandlungsbeschluss und der Rechtskraft des Arrestbeschlusses 5,48 Monate vergangen. Dabei ist zu beachten, dass den Personen eine Frist zur Erfüllung der Ersatzmaßnahme eingeräumt wird.44 Außerdem kann die Anordnung 44

In den Beschlüssen war nur selten eine Frist zur Erfüllung angegeben (21,31 %). In 6 Fällen (9,84 %) betrug die Frist unter einen Monat, in 4 Fällen (6,56 %) zwischen einen und unter 3 Monaten und in 3 Fällen (4,92 %) zwischen 3 bis unter 6 Monaten. In den wenigen Fällen, in denen eine Nachfrist zur Erfüllung eingeräumt wurde, wurde das Datum des „ersten“ Umwandlungsbeschlusses erhoben.

211

D. Arrest nach § 98 II OWiG

gemäß § 98 I Satz 2 OWiG nachträglich geändert werden, was diesen Zeitraum ebenfalls verlängern kann. Tabelle 46 Zeitraum zwischen Umwandlungsbeschluss und Rechtskraft des Arrestbeschlusses n

%

Ein Monat bis unter 3 Monate

12

20,00 %

3 bis unter 6 Monate

30

50,00 %

6 bis unter 12 Monate

14

23,33 %

Mehr als 12 Monate Gesamt

4

6,67 %

60

100,00 %

3. Zeitraum zwischen Arrestbeschluss und Arrestantritt Der Zeitraum zwischen der Rechtskraft des Arrestbeschlusses und dem Arrestantritt lag zwischen einem und 10,3 Monaten. Wie Tabelle 47 zeigt, vergingen in fast drei Vierteln der Fälle unter 3 Monate zwischen der Rechtskraft des Arrestbeschlusses und dem Arrestantritt (73,77 %). Eher selten vergingen zwischen 3 und unter 4 Monate (13,11 %) sowie 4 Monate und mehr (13,11 %). Im Durchschnitt sind zwischen Arrestbeschluss und Arrestantritt 2,84 Monate vergangen. Tabelle 47 Zeitraum zwischen Arrestbeschluss nach § 98 II OWiG und Arrestantritt n Ein Monat bis unter 3 Monate

%

45

73,77 %

3 bis unter 4 Monate

8

13,11 %

4 bis unter 6 Monate

3

4,92 %

6 bis unter 12 Monate

5

8,20 %

61

100,00 %

Gesamt

4. Zeitraum insgesamt Der Zeitraum zwischen Erlass des Bußgeldbescheids und Arrestantritt, also die Dauer des gesamten Verfahrens, konnte in 56 Fällen berechnet werden und betrug zwischen 5,19 und 28,8 Monaten. In 5 Fällen konnte der Zeitraum nicht be-

212

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

rechnet werden, da das Datum des Bußgeldbescheids nicht in der Akte angegeben war. Tabelle 48 zeigt, dass das Verfahren in fast der Hälfte der Fälle zwischen 6 und unter 12 Monaten dauerte (46,43 %) und in zwei Fünfteln der Fälle zwischen 12 und unter 24 Monaten (41,07 %). Im Durchschnitt verging knapp über ein Jahr (12,82 Monate). Tabelle 48 Zeitraum Verfahren OWiG insgesamt

Ein Monat bis unter 3 Monate

n

%





3 bis unter 6 Monate

4

7,14 %

6 bis unter 12 Monate

26

46,43 %

12 bis unter 24 Monate

23

41,07 %

3

5,36 %

56

100,00 %

Mehr als 24 Monate Gesamt

E. Arrestverlauf In den Arrestvollzugsakten waren zudem Informationen zum Arrestverlauf enthalten. Erhoben wurden die Einhaltung des Ladedatums (Kapitel E. I.), die Art des Arrestantritts („Selbststeller“ oder polizeiliche Zuführung) (Kapitel E. II.), Unterbrechungen der Vollstreckung des Arrests (Kapitel E. III.), begangene Pflichtverstöße (Kapitel E. IV.) sowie eine möglicherweise vorzeitige Entlassung (Kapitel E. V.).

I. Arrestantritt Betrachtet wurde, ob der Arrest verspätet angetreten wurde oder nicht, wobei das Datum der Ladung mit dem tatsächlichen Arrestantritt abgeglichen wurde.45 Ausgeschlossen wurden zum einen die 34 Fälle,46 bei denen eine Anschlussvollstreckung erfolgte, da bei einer Anschlussvollstreckung ein Arrest nicht verspätet angetreten werden konnte; zum anderen die 8 Fälle, in denen die Akten keine Ladung47 45

Bei den 15 Fällen, bei denen den Akten ein Aufschub (wegen Schulbesuchs oder Arbeit / ​ Ausbildung) zu entnehmen war, wurde der spätere Zeitpunkt als Ladungszeitpunkt betrachtet. 46 Eine Anschlussvollstreckung erfolgte in 6 Fällen bei Arresten nach § 16 JGG (2,68 % aller Arreste nach § 16 JGG), in 9 Fällen bei Nichtbefolgungsarresten (5,36 % aller Nichtbefolgungsarreste) und in 19 Fällen bei Arresten nach § 98 OWiG (31,15 % aller Arreste nach § 98 OWiG). 47 Vor allem bei Fällen, bei denen der Arrest in einer anderen Arresteinrichtung vollzogen werden sollte, enthielten die Akten keine Ladung. Personen, die z. B. am Flughafen aufgegriffen wurden, wurden in die nächstgelegene Arresteinrichtung Gelnhausen gebracht.

213

E. Arrestverlauf

oder widersprüchliche Angaben enthielten. Insgesamt konnte die Einhaltung des Ladedatums48 bei 443 Akten betrachtet werden. Tabelle 49 zeigt, dass der Arrest in rund einem Drittel der Fälle (34,31 %) verspätet angetreten wurde, wobei sich zwischen den Gruppen allerdings deutliche Unterschiede zeigten: Während nur 12,90 % der Arrestanten nach § 16a JGG und 21,76 % der Arrestanten nach § 16 JGG den Arrest verspätet antraten, lag der Anteil in den anderen Gruppen höher. Ein Drittel der OWiG-Arrestanten (33,33 %) und sogar über die Hälfte der Nichtbefolgungsarrestanten (56,49 %) traten den Arrest verspätet an. Tabelle 49 Verspäteter Arrestantritt (ohne Anschlussvollstreckungen) Verspäteter Arrestantritt (n = 152)

Kein verspäteter Arrestantritt (n = 291)

Gesamt (n = 443)

§ 16 JGG

47 (21,76 %)

169 (78,24 %)

216 (100,00 %)

§ 16a JGG

4 (12,90 %)

27 (87,10 %)

31 (100,00 %)

Nichtbefolgungsarrest

87 (56,49 %)

67 (43,51 %)

154 (100,00 %)

§ 98 OWiG

14 (33,33 %)

28 (66,67 %)

42 (100,00 %)

Von den 152 Fällen, bei denen der Arrest verspätet angetreten wurde, lagen zwischen Ladungstermin und tatsächlichem Arrestantritt in den meisten Fällen ein bis 3 Monate (40,79 %) (ohne Abbildung). Zu fast einem Drittel wurde der Arrest zwischen einer Woche und unter einem Monat verspätet angetreten (28,95 %). Eher seltener wurde der Arrest unter einer Woche (14,47 %) oder mehr als 3 Monate (12,50 %) zu spät angetreten. In weiteren 3,29 % konnte den Akten nicht entnommen werden, wie viel Zeit zwischen Ladungs- und Antrittsdatum verging.

II. Polizeiliche Zuführung In fast einem Viertel der Fälle, in denen keine Anschlussvollstreckung erfolgte (n = 451), wurden die Arrestanten polizeilich zugeführt (22,84 %).49 Tabelle 50 zeigt, dass der Anteil der polizeilichen Zuführungen in der Gruppe der Nichtbefolgungsarrestanten besonders hoch war (40,88 %); gering war der Anteil unter den Personen, die zu einem Arrest neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe nach § 16a JGG verurteilt waren (6,25 %). 48

Dies wurde auch in den wenigen Ausnahmefällen angenommen, in denen Personen (i. d. R. abgesprochen) vor Ladungsdatum zum Arrestantritt erschienen sind. 49 Die Zuführungen wurden bei Aufnahme direkt in den Akten vermerkt.

214

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

Differenziert nach Geschlecht zeigte sich, dass von den 103 polizeilich zugeführten Personen 82 männlich und 21 weiblich waren. Damit lag der Anteil der Zuführungen unter den männlichen Personen, bei denen eine Zuführung möglich war (n = 375) bei 21,87 % und bei den weiblichen Personen (n = 76) bei 27,63 % (ohne Abbildung). Tabelle 50 Zuführungen nach Rechtsgrundlage (ohne Anschlussvollstreckungen) Zugeführt (n = 103)

Nicht zugeführt (n = 348)

Gesamt (n = 451)

26 (11,93 %)

192 (88,07 %)

218 (100,00 %)

2 (6,25 %)

30 (93,75 %)

32 (100,00 %)

Nichtbefolgungsarrest

65 (40,88 %)

94 (59,12 %)

159 (100,00 %)

§ 98 OWiG

10 (23,81 %)

32 (76,19 %)

42 (100,00 %)

§ 16 JGG § 16a JGG

III. Unterbrechungen der Vollstreckung In 16 Fällen wurde die Vollstreckung des Arrests unterbrochen (3,30 %).50 In 7 Fällen, davon bei 4 Arresten nach § 16a JGG, wurde der Arrest zunächst nur „anvollstreckt“ und dann unterbrochen (1,44 %), insbesondere wegen Arbeit oder Schulbesuchs. Ursache von 4 Unterbrechungen waren kurzfristige Arzttermine oder Krankenhausaufenthalte (0,82 %).51 In 2 weiteren Fällen wurden die Personen in eine Jugendpsychiatrie oder ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen (0,41 %). In 2 Fällen wurde der Arrest unterbrochen, da die Arrestierten eine Untersuchungshaft antreten mussten (0,41 %) und in einem Fall wurde die weitere Vollstreckung (ohne nähere Informationen) für erledigt erklärt (0,21 %).

IV. Pflichtverstöße Die Vollzugsakten enthielten ebenfalls Informationen über begangene Pflichtverstöße im Arrest sowie die darauffolgenden Maßnahmen nach § 23 H ­ ess­JAVollzG. Insgesamt war in 210 Akten mindestens ein Pflichtverstoß vermerkt (43,30 %). Am häufigsten wurde in den Gruppen der § 16a- sowie der Nichtbefolgungsarrestanten mindestens ein Pflichtverstoß begangen (53,13 % bzw. 51,79 %), die Anteile in den 50 Die stets stattfindende Unterbrechung bei der Verbüßung von 2 Freizeitarresten wurde hier nicht erfasst, da dies nicht Fälle der hier interessierenden besonderen Formen der Unterbrechung sind. 51 In einem dieser Fälle ging es um eine dauerhafte Erkrankung, sodass das Gericht, welches den Arrest verhängt hatte, von der weiteren Vollstreckung absah.

215

E. Arrestverlauf

anderen Gruppen waren dagegen geringer (39,29 % der nach § 16 Arrestierten und 29,51 % der OWiG-Arrestanten) (siehe Tabelle 51). Tabelle 51 Pflichtverstöße nach Rechtsgrundlage Mindestens ein Pflichtverstoß (n = 210)

Kein Pflichtverstoß (n = 275)

Gesamt (N = 485)

§ 16 JGG

88 (39,29 %)

136 (60,71 %)

224 (100,00 %)

§ 16a JGG

17 (53,13 %)

15 (46,88 %)

32 (100,00 %)

Nichtbefolgungsarrest

87 (51,79 %)

81 (48,21 %)

168 (100,00 %)

§ 98 OWiG

18 (29,51 %)

43 (70,49 %)

61 (100,00 %)

Differenziert nach Geschlecht zeigte sich, dass männliche Arrestanten insgesamt häufiger mindestens einen Pflichtverstoß begingen als weibliche Arrestantinnen (46,27 % vs. 28,92 %) (Tabelle 52). Tabelle 52 Pflichtverstöße nach Geschlecht Mindestens ein Pflichtverstoß (n = 210)

Kein Pflichtverstoß (n = 275)

Gesamt (N = 485)

Männlich

186 (46,27 %)

216 (53,73 %)

402 (100,00 %)

Weiblich

24 (28,92 %)

59 (71,08 %)

83 (100,00 %)

In den Akten wurde außerdem die Art des Pflichtverstoßes vermerkt. In jeweils fast einem Fünftel aller verbüßten Arreste wurde mindestens ein Pflichtverstoß gegen Ordnung / Sauberkeit im Haftraum (19,38 %) oder durch Reden / Rufen / Schreien aus dem Fenster (17,32 %) begangen. Weniger häufig wurden nicht näher konkretisiertes „auffälliges Verhalten“ (10,72 %), unberechtigtes Benutzen des Bettes (8,45 %) und Missbrauch der Notrufanlage (4,54 %) genannt, wobei sich zwischen den Gruppen keine wesentlichen Unterschiede zeigten. Pflichtverstöße in Form von Gewalt (z. B. physische Gewalt wie „tätliche Auseinandersetzung“ oder verbale Gewalt wie z. B. Beleidigung) fanden sich in den untersuchten Akten sehr selten (5,36 %).52 Tabelle 53 zeigt die Verteilung zwischen den einzelnen Rechtsgrundlagen. 52 Darunter wurden zusammengefasst: Beleidigung von Bediensteten, Beleidigung von Arrestierten, Bedrohung von Arrestierten, Selbstverletzung, Bedrohung von Bediensteten, tätliche Auseinandersetzung; in Tabelle 53 grau hinterlegt.

216

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse Tabelle 53 Art der Pflichtverstöße nach Rechtsgrundlage (Mehrfachnennungen möglich) § 16 JGG

§ 16a JGG

NB-Arrest

§ 98 OWiG

Arrestraum nicht sauber / mangelnde Ordnung / Sauberkeit

46 (20,54 %)

6 (18,75 %)

33 (19,64 %)

9 (14,75 %)

Reden, Rufen, Schreien aus dem Fenster

38 (16,96 %)

7 (21,88 %)

36 (21,43 %)

3 (4,92 %)

Auffälliges Verhalten

19 (8,48 %)

4 (12,50 %)

24 (14,29 %)

5 (8,20 %)

Unberechtigtes Benutzen des Bettes*

19 (8,48 %)

3 (9,38 %)

17 (10,12 %)

2 (3,28 %)

Missbrauch der Notrufanlage

11 (4,91 %)

2 (6,25 %)

9 (5,36 %)



Sachbeschädigung

7 (3,13 %)

2 (6,25 %)

4 (2,38 %)



Beleidigung von Bediensteten

2 (0,89 %)

1 (3,13 %)

5 (2,98 %)

1 (3,13 %)

5 (2,98 %)

Beleidigung von Arrestierten



Bedrohung von ­Arrestierten

1 (0,45 %)



3 (1,79 %)

Fund unerlaubter Gegenstände

1 (0,45 %)



3 (1,79 %)



2 (1,19 %) 2 (1,19 %)

Selbstverletzung



1 (1,64 %) – 1 (1,64 %) – 1 (1,64 %)

Bedrohung von Bediensteten

1 (0,45 %)



Hungerstreik (auch Androhung)

1 (0,45 %)













Tätliche Ausein­ andersetzung Sonstiges** Gesamt





17 (7,59 %)

5 (15,63 %)

15 (8,93 %)

3 (4,92 %)

224 (100,00 %)

32 (100,00 %)

168 (100,00 %)

61 (100,00 %)

* Tagsüber ist es nicht gestattet, das Bett zu benutzen. ** Z. B. Reden auf dem Flur, Fensterbank bespuckt, Klopfen gegen die Tür, Papierflieger aus dem Haftraum geworfen, Furzen in der Freizeit, Geschäft zur Unzeit verrichtet, Pendeln, Spucken aus dem Fenster.

In den 210 Akten fanden sich auch Angaben zu Maßnahmen, die aufgrund der Pflichtverstöße ergriffen wurden. Wie Tabelle 54 zeigt, wurde in fast drei Vierteln der Fälle, in denen ein Pflichtverstoß vorlag, mindestens eine Freizeitsperre ver-

217

E. Arrestverlauf

hängt (74,76 %), in knapp über einem Viertel wurde eine Verwarnung ausgesprochen (25,24 %). Seltener wurde die Verlegung in den einfach gesicherten Arrestraum angedroht (13,81 %) oder durchgeführt (9,52 %). Tabelle 54 Ergriffene Maßnahmen (Mehrfachnennungen möglich) n Freizeitsperre

%

157

74,76 %

Verwarnung

53

25,24 %

Verlegung in den einfach gesicherten Arrestraum (angedroht)

29

13,81 %

Verlegung in den einfach gesicherten Arrestraum

20

9,52 %

Verlegung in den besonders gesicherten Arrestraum ohne gefährliche Gegenstände (angedroht)

5

2,38 %

4

1,90 %

16

7,62 %

Entzug von Lesestoff Keine Angabe zur ergriffenen Maßnahme Sonstiges* Gesamt

1

0,48 %

210

100,00 %

* Entzug der Matratze.

V. Vorzeitige Entlassung nach § 87 III Satz 1 JGG In 196 aller 485 betrachteten Fälle (40,41 %) kam es zu einer vorzeitigen Entlassung53 nach § 87 III Satz 1 JGG.54 Bei der vorzeitigen Entlassung ist zu berücksichtigen, dass diese in Gelnhausen i. d. R. nur bei einem Arrest von mindestens

53 Als vorzeitige Entlassung wurde ein Fall immer dann gewertet, wenn das Entlassungsdatum ein anderes war als das des ursprünglichen Arrestendes und dazu keine weiteren Informationen in den Akten enthalten waren. Hierunter fallen auch Fälle, bei denen die vorzeitige Entlassung aus pragmatischen Gründen erfolgte, z. B. wenn der Arrestantritt nachts erfolgte und die Entlassung einen Tag vorher am Nachmittag stattfand, um die Heimfahrt zu ermöglichen. Andersherum wurden Fälle nicht als vorzeitige Entlassung gewertet, wenn die Entlassung am selben Tag der eigentlichen Entlassung früher stattfand. 54 Die 5 Fälle, bei denen erst im Arrest die Ableistung der Arbeitsstunden / Zahlung der Geldbuße nachgewiesen wurde, sind nicht als vorzeitige Entlassung erfasst, da sie hier nicht von Interesse sind.

218

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

einer Woche oder 7 Tagen in Betracht kommt;55 pro Woche ist eine um einen Tag frühere Entlassung möglich. Daher zeigt Tabelle 55 die Zahlen der vorzeitigen Entlassung für Arrestierte, die einen Dauerarrest oder einen Arrest nach § 98 OWiG von (mindestens) einer Woche verbüßen mussten (n = 362). Insgesamt fand in über der Hälfte dieser Fälle eine vorzeitige Entlassung statt (54,14 %). In den Gruppen der nach § 16a Verurteilten lag der Anteil bei 70,00 % und damit deutlich höher. Differenziert man bei den Fällen, bei denen eine vorzeitige Entlassung möglich war (n = 362), nach Geschlecht, so zeigt sich kein wesentlicher Unterschied zwischen männlichen (53,92 %) und weiblichen (55,36 %) Arrestierten (ohne Abbildung). Tabelle 55 Vorzeitige Entlassung nach Rechtsgrundlage Vorzeitige Entlassung (n = 196)

Nein /  keine Angabe (n = 166)

Gesamt (n = 362)*

§ 16 JGG

79 (59,40 %)

54 (40,60 %)

133 (100,00 %)

§ 16a JGG

21 (70,00 %)

9 (30,00 %)

30 (100,00 %)

Nichtbefolgungsarrest

77 (47,20 %)

86 (52,80 %)

163 (100,00 %)

§ 98 OWiG**

19 (52,78 %)

17 (47,22 %)

36 (100,00 %)

* Bei Jugendarrest von mindestens einer Woche. ** In 35 Fällen hatte der Arrest eine Dauer von 7 Tagen; in einem weiteren Fall betrug die Dauer nach Akte 14 Tage (siehe Kapitel D. IV. 3.).

F. Auswertung weiterer Dokumente /  Hinweise auf Belastungsfaktoren In den Akten fanden sich teilweise weitere Dokumente, die allerdings nicht systematisch Teil der Akten waren (siehe 5. Teil, Kapitel B. II. 1. a)): Notizen aus dem Aufnahmegespräch, von den Arrestierten im Arrest ausgefüllte Fragebögen und weitere Dokumente, wie z. B. der Bericht der Jugendhilfe im Strafverfahren oder ein Vermerk zu einem Gespräch mit dem Jugendamt. Bei den Nichtbefolgungsarrestanten und den nach § 98 OWiG Arrestierten zählte zu diesen Dokumenten auch das nur selten in der Akte enthaltene ursprüngliche Urteil.

55

Ausnahmen davon sind besondere Fälle mit individuellen Gründen (z. B. Arbeit).

F. Auswertung weiterer Dokumente / Hinweise auf Belastungsfaktoren 

219

Diese genannten Dokumente befanden sich nur unsystematisch in einigen Akten; die Fragebögen waren allerdings in der überwiegenden Zahl der Vollzugsakten enthalten. Für die Fälle, bei denen in den Akten kein Fragebogen abgeheftet war, gab es verschiedene Gründe: Ein ausgefüllter Fragebogen setzt zum einen die Mitwirkungsbereitschaft der Arrestanten voraus, zum anderen können organisatorische Abläufe dazu führen, dass die Personen keine Fragebogen ausfüllen konnten. Außerdem war bei einer Anschlussvollstreckung kein zweiter Fragebogen auszufüllen. Daher können die Erhebungen hier nur als Orientierung dienen. Die Informationen ergänzen vor allem die Auswertungen bei den Personen, die einen Nichtbefolgungsarrest oder einen Arrest nach § 98 OWiG verbüßten, da hier das ursprüngliche Urteil mit entsprechenden Hinweisen i. d. R. nicht Bestandteil der Vollzugsakte war. Insgesamt enthielt mehr als der Hälfte aller Akten Hinweise zu Problembelastungen in den selbstausgefüllten Fragebögen (56,08 %). In den Gruppen zeigten sich allerdings Unterschiede: Während rund die Hälfte aller Arrestanten nach § 16 JGG und nach § 98 II OWiG Problembelastungen in den Fragebögen angaben (48,66 % bzw. 49,18 %), war dies in den anderen Gruppen häufiger der Fall. Bei den Nichtbefolgungsarrestanten fanden sich den Fragebögen in über zwei Dritteln der Akten Hinweise auf Problembelastungen (67,86 %) und bei den nach § 16a JGG Arrestierten in fast 60 % (siehe Tabelle 56). Tabelle 56 Hinweise auf Belastungen nach Rechtsgrundlage Hinweise in den Fragebögen (n = 272)

Keine Hinweise / ​ kein Fragebogen (n = 213)

Gesamt (N = 485)

§ 16 JGG

109 (48,66 %)

115 (51,34 %)

224 (100,00 %)

§ 16a JGG

19 (59,38 %)

13 (40,63 %)

32 (100,00 %)

114 (67,86 %)

54 (32,14 %)

168 (100,00 %)

30 (49,18 %)

31 (50,82 %)

61 (100,00 %)

Nichtbefolgungsarrest § 98 OWiG

Wie Tabelle 57 zeigt war in jeweils ungefähr einem Viertel aller Akten in den selbstausgefüllten Fragebögen angegeben, dass die Person arbeitslos ist (25,77 %) und / oder die Eltern getrennt oder geschieden sind (24,74 %). Etwas weniger häufig, in jeweils knapp unter einem Fünftel, wurde angegeben, dass bereits Jugendarrest verbüßt wurde (19,17 %), Schulden vorlagen (18,76 %), ein Drogenkonsum / problematischer Alkoholkonsum bestand (17,32 %) und / oder kein Schulabschluss vorhanden war (17,32 %).

220

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse Tabelle 57 Konkrete aufgeführte Problembelastungen (Mehrfachnennungen möglich) n

%

Arbeitslosigkeit

125

25,77 %

Eltern getrennt oder geschieden

120

24,74 %

93

19,17 %

Bereits Jugendarrest verbüßt Schulden

91

18,76 %

Drogenkonsum / problematischer Alkoholkonsum

84

17,32 %

(Noch) keinen Schulabschluss

84

17,32 %

Elternteil(e) verstorben

12

2,47 %

Sonstiges*

64

13,20 %

485

100,00 %

Gesamt

* Z. B. viele Schulwechsel, Spielsucht, Ausbildung abgebrochen, keinen Kontakt zu einem Elternteil, bereits inhaftiert gewesen, Obdachlosigkeit, stationäre Unterbringung.

G. Nach Ladung erledigte Vollstreckungsersuchen Neben den Arrestakten wurden auch Zahlen zu den Fällen erhoben, in denen Personen zu einem Arrestantritt im Untersuchungszeitraum (1. Juli 2016 bis 31. Dezember 2016) geladen wurden, der Arrest allerdings nicht angetreten werden musste oder nicht angetreten wurde. Diese Erhebung erfolgte anhand von Daten aus dem Dokumentationssystem VZettchen, da gerade keine Arrestakten vorlagen. Da eine Erfassung im VZettchen erst mit der Ladung erfolgt, konnten die Fälle, in denen Personen gar nicht erst zum Arrestantritt geladen wurden, nicht erfasst werden, weil z. B. schon vor der Ladung von der Vollstreckung nach § 87 III JGG abgesehen wurde. Bei diesen Auswertungen ist zu beachten, dass sich die 485 analysierten Akten auf den tatsächlichen Arrestantritt im Untersuchungszeitraum beziehen; die anderen 263 auf das Datum der Ladung, also das Datum, an dem der Arrest pünktlich angetreten worden wäre.

I. Quantitative Relevanz Insgesamt wurden für den Untersuchungszeitraum neben den 485 Arrestantritten weitere 263 Ladungen verschickt. Wie Tabelle 58 zeigt, ging es bei den Ladungen in mehr als der Hälfte der Fälle um Nichtbefolgungsarreste (56,65 %) und in mehr als einem Drittel der Fälle um Arreste nach § 98 II OWiG (37,64 %). Sehr selten bezogen sich die Ladungen auf Urteilsarreste (5,70 %), wobei im VZettchen nicht eindeutig zu erkennen war, ob es sich um einen Arrest nach § 16 JGG

221

G. Nach Ladung erledigte Vollstreckungsersuchen

oder nach § 16a JGG handelte.56 Zu ergänzen ist hier, dass die Vollstreckung eines Urteilsarrests – anders als bei Beschlussarresten – nicht durch Erfüllung der Weisung, Auflage oder Ersatzmaßnahme abgewendet werden kann. Tabelle 58 Weitere Ladungen im Untersuchungszeitraum nach Rechtsgrundlage

§ 16 JGG/§ 16a JGG Nichtbefolgungsarrest § 98 OWiG Gesamt

n

%

15

5,70 %

149

56,65 %

99

37,64 %

263

100,00 %

Auf Grundlage dieser Daten lässt sich die Verteilung der Ladungen nach Rechtsgrundlagen im Untersuchungszeitraum insgesamt angegeben (siehe Tabelle 59). In dieser Tabelle werden die Anteile der Ladungen im Untersuchungszeitraum mit den tatsächlichen Arrestantritten (kursiv dargestellt) verglichen. Insgesamt haben von den 748 Personen, die für den Untersuchungszeitraum geladen waren, fast zwei Drittel (64,84 %) den Arrest angetreten. Dabei zeigte sich ein deutlicher Unterschied zwischen der prozentualen Verteilung der Rechtsgrundlagen bei den Ladungen und bei der Vollzugspopulation: Unter den geladenen Personen machten die Nichtbefolgungsarreste mit 42,38 % die größte Gruppe aus, im Vollzug war dies hingegen nur rund ein Drittel (34,64 %). Auch der prozentuale Anteil der Ladungen zum Arrest nach § 98 II OWiG war mit 21,39 % höher als der Anteil der Vollzugspopulation (12,58 %). § 16 JGG war in unter einem Drittel (31,28 %) Rechtsgrundlage der Ladungen; mit nur 4,95 % waren Ladungen nach § 16a JGG noch wesentlich seltener. Unter der Vollzugspopulation hingegen waren die Anteile bei diesen beiden Rechtsgrundlagen höher (46,19 % bzw. 6,60 %). Tabelle 59 Ladungen im Untersuchungszeitraum insgesamt nach Rechtsgrundlage n

%

Arrestantritte

§ 16 JGG

234

31,28 %

46,19 %

§ 16a JGG

37

4,95 %

6,60 %

Nichtbefolgungsarrest

317

42,38 %

34,64 %

§ 98 OWiG

160

21,39 %

12,58 %

Gesamt

748

100,00 %

64,84 %

56 Nach den Hinweisen im Dokumentationssystem VZettchen handelte es sich bei 10 der 15 Fälle (3,8 %) um einen Arrest nach § 16 JGG und bei 5 Fällen (1,9 %) um einen Arrest nach § 16a JGG.

222

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

Gleichzeitig zeigen diese Zahlen, dass von den insgesamt 317 Personen, die zu einem Nichtbefolgungsarrest geladen wurden, fast die Hälfte der Personen den Arrest nicht antreten musste (n = 149; 47,00 %). Bei den Personen, gegen die ein Arrest nach § 98 II OWiG verhängt wurde, mussten fast zwei Drittel den Arrest nicht antreten (n = 99; 61,88 %). Auch beim Geschlecht zeigten sich bei den Anteilen unter den Ladungen Unterschiede: Neben den 402 männlichen Personen, die im Untersuchungszeitraum den Arrest angetreten hatten, wurden weitere 200 geladen. Der Anteil der Erledigungen lag also bei den geladenen männlichen Personen bei 33,22 %. Im Untersuchungszeitraum waren insgesamt 146 weibliche Personen geladen, wovon in 63 Fällen (43,15 %) der Arrest nicht angetreten werden musste (ohne Abbildung).

II. Erledigungsgründe Im Folgenden werden die Erledigungsgründe bei den Urteilsarresten (Kapitel G. II. 1.), bei den Nichtbefolgungsarresten (Kapitel G. II. 2.) und bei den Ordnungswidrigkeitsarresten (Kapitel G. II. 3.) näher beleuchtet. 1. Urteilsarreste Eine Erledigung der Vollstreckungsersuchen bei den Urteilsarresten kam insgesamt nur sehr selten vor (n = 15), davon in 10 Fällen bei Arresten nach § 16 JGG und in 5 Fällen bei Arresten nach § 16a JGG. Hinzuweisen ist darauf, dass die Vollstreckung in 3 Fällen nach § 87 IV JGG unzulässig war und in 2 Fällen von der Vollstreckung nach § 87 III JGG abgesehen wurde (siehe Tabelle 60). 2. Nichtbefolgungsarreste Wie Tabelle 61 zeigt wurde bei den Nichtbefolgungsarresten in fast drei Vierteln aller Fälle (73,15 %, n = 149) von der Vollstreckung abgesehen, weil die Weisungen oder Auflagen nach Ladung erfüllt wurden, §§ 11 III Satz 3, 15 III Satz 2 JGG. Eher selten wurde das Vollstreckungsheft unerledigt zurückgefordert (9,40 %) oder war die Vollstreckung gemäß § 87 IV JGG unzulässig (6,71 %).

223

G. Nach Ladung erledigte Vollstreckungsersuchen Tabelle 60 Art der Erledigung bei Urteilsarresten § 16 JGG

§ 16a JGG

Urteilsarreste insgesamt

Vollstreckung unzulässig, § 87 IV JGG

2

1

3

Vollstreckungsheft unerledigt zurück*

1

1

2

Absehen von der Vollstreckung, § 87 III JGG

2



2

Einbeziehung

2



2 2

Keine Ausschreibung**



2

Arrest entfällt

1



1

Arrest kann nicht vollstreckt werden



1

1

Aufenthalt des Verurteilten nicht im hiesigen Zuständigkeitsbereich

1



1

1



1

10

5

15

Vollstreckung ist erledigt Gesamt

* Wenn das erkennende Gericht die Akten zurückfordert, z. B. wenn dort die Erfüllung der Auflagen nachgewiesen war, die Person in Untersuchungshaft war oder eine Einbeziehung des Urteils nach § 31 II JGG erfolgte. ** Dies betrifft Fälle, in denen die Frist nach § 87 IV JGG bald endet.

Tabelle 61 Art der Erledigung bei Nichtbefolgungsarresten n Auflage erfüllt

%

109

73,15 %

Vollstreckungsheft unerledigt zurück

14

9,40 %

Vollstreckung unzulässig, § 87 IV JGG

10

6,71 %

Einbeziehung

4

2,68 %

Absehen von der Vollstreckung, § 87 III JGG

3

2,01 %

Aufenthalt des Verurteilten nicht im hiesigen Zuständigkeitsbereich

3

2,01 %

Nicht mehr im hiesigen Bezirk wohnhaft

3

2,01 %

Arrest in anderer JAE verbüßt

1

0,67 %

Verurteilter sitzt in JVA ein

1

0,67 %

Der Verurteilte befindet sich in stationärer Behandlung

1

0,67 %

149

100,00 %

Gesamt

224

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

3. Arrest nach § 98 II OWiG Tabelle 62 zeigt, dass in fast drei Vierteln der Fälle (72,73 %), in denen keine Vollstreckung erfolgte (n = 99), die Auflage, also die Ersatzmaßnahme, nach Ladung erfüllt wurde. Eher selten wurde das Vollstreckungsheft unerledigt zurückgeschickt (10,10 %) und in jeweils 6,06 % der Fälle war die Vollstreckung nach § 87 IV JGG unzulässig oder wurde die Geldbuße gezahlt. Tabelle 62 Art der Erledigung bei Arresten nach § 98 II OWiG n

%

Auflage erfüllt

72

72,73 %

Vollstreckungsheft unerledigt zurück

10

10,10 %

Vollstreckung unzulässig, § 87 IV JGG

6

6,06 %

Geldbuße gezahlt

6

6,06 %

Absehen von der Vollstreckung, § 87 III JGG

2

2,02 %

Nicht mehr im hiesigen Bezirk wohnhaft

1

1,01 %

Aufenthalt des Verurteilten nicht im hiesigen Zuständigkeitsbereich

1

1,01 %

Der Aufenthalt des Verurteilten ist unbekannt Gesamt

1

1,01 %

99

100,00 %

H. Zusammenfassung und Beantwortung der Forschungsfragen In diesem Kapitel werden zentrale Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung thematisch zusammengefasst und die Forschungsfragen 1 bis 8 (siehe 5. Teil, Kapitel A.)57 beantwortet, wobei sich diese teilweise auf alle betrachteten Fälle und teilweise auf einzelne Gruppen beziehen. Darüber hinaus werden die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung für Hessen mit den amtlichen Daten bundesweiter Statistiken vergleichen. Bei Aspekten, zu denen auch andere Untersuchungen vorliegen, wird außerdem auf den oben dargestellten Forschungsstand (siehe 4. Teil, Kapitel B.) Bezug genommen. Zu beachten ist hierbei, dass den herangezogenen Untersuchungen mitunter ein anderes Forschungsdesign zugrunde liegt. Ein Vergleich ermöglicht an vielen Stellen dennoch eine Einordnung der Ergebnisse der vorliegenden Erhebung.

57

Forschungsfrage 9 wird im 7. Teil beantwortet.

H. Zusammenfassung und Beantwortung der Forschungsfragen 

225

I. Rechtsgrundlagen Die Untersuchung zeigte, dass 485 Jugendarreste im Untersuchungszeitraum 1. Juli 2016 bis 31. Dezember 2016 in der Jugendarresteinrichtung Gelnhausen angetreten wurden. In fast der Hälfte der Fälle verbüßten die Personen einen Arrest nach § 16 JGG (46,19 %) und in über einem Drittel der Fälle einen Nichtbefolgungsarrest (34,64 %). Eher seltener wurde ein Arrest nach § 98 II OWiG (12,58 %) und nach § 16a JGG (6,60 %)58 verbüßt (Forschungsfrage 1). Diese Ergebnisse zu den Anteilen an Arresten nach § 16 JGG und § 16a JGG unter den Arrestantritten decken sich mit den oben aufgeführten Daten der deutschlandweiten Statistik für die vergangenen Jahre (siehe 4. Teil, Kapitel A.). Demnach erfolgten Verurteilungen zu einem Jugendarrest fast ausschließlich auf Grundlage von § 16 JGG; § 16a JGG wurde 2013 eingeführt und spielt seitdem in der Praxis eine untergeordnete Rolle. Dieser geringe Anteil an Arresten nach § 16a JGG zeigte sich konsequenterweise auch bei der Vollzugspopulation – sowohl in der Übersicht zu den Belegungszahlen deutschlandweit als auch in der hier dargestellten Erhebung. Amtliche Daten zur quantitativen Relevanz von Beschlussarresten liegen nicht vor. Hier konnte die vorliegende Untersuchung zeigen, dass die Beschlussarreste in Hessen im Untersuchungszeitraum einen Anteil von knapp der Hälfte unter der Vollzugspopulation ausmachten, davon waren rund drei Viertel Nichtbefolgungsarreste (73,36 %) und rund ein Viertel Arreste nach § 98 II OWiG (26,64 %). Auf einen ähnlichen Anteil an Beschlussarresten unter der Vollzugspopulation deutschlandweit deutet auch die „Hochrechnung“ der amtlichen Daten (siehe 4. Teil, Kapitel A. III.) hin. Außerdem kommen neue Untersuchungen, wie z. B. die Untersuchung von Klatt und Bliesener für den Jugendarrest in Schleswig-Holstein, zu einer ähnlichen Verteilung. In älteren Untersuchungen, wie z. B. in der Untersuchung von Werlich in Bremen oder in der Befragung von Ostendorf in den Arresteinrichtungen, war hingegen der Anteil mit rund einem Drittel an Nichtbefolgungsarrestanten unter der Vollzugspopulation geringer. Zur Differenz zwischen Ladungen und Arrestantritten (Forschungsfrage 7) konnte in der vorliegenden Untersuchung gezeigt werden, dass zusätzlich in 263 Fällen Personen zum Arrestantritt im Untersuchungszeitraum geladen waren, den Arrest aber nicht antreten mussten. Dabei handelte es sich in über der Hälfte der Fälle um Nichtbefolgungsarreste (56,65 %) und in über einem Drittel der Fälle 58

Nach der Strafverfolgungsstatistik wurden 2016 in Hessen insgesamt 631 Personen nach § 16 JGG und 33 nach § 16a JGG verurteilt (siehe Statistisches Bundesamt, Strafverfolgungsstatistik 2016, 2017, S. 340 f.). Die – im Vergleich zu den im ersten Halbjahr 2016 angetretenen Arresten nach § 16a JGG (n = 32) – geringe Anzahl erfasster Verurteilungen nach § 16a JGG für das gesamte Jahr 2016 (n = 33) lässt sich mit der ungenauen Erfassung erklären, siehe dazu Klatt / Ernst / Höynck / Baier / Treskow / Bliesener / Pfeiffer, Evaluation des neu eingeführten Jugendarrestes, 2016, S. 30 ff.

226

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

um Arreste nach § 98 II OWiG (37,64 %), was auch den von Ernst und Höynck ermittelten Anteilen an Vollstreckungsersuchen in einigen Arresteinrichtungen entspricht. Insgesamt wurden für den Untersuchungszeitraum somit 748 Personen zum Arrestantritt geladen, wovon die Mehrheit einen Nichtbefolgungsarrest (42,38 %), fast ein Drittel einen Arrest nach § 16 JGG (31,28 %), etwas mehr als ein Fünftel einen Arrest nach § 98 II OWiG (21,39 %) und die Minderheit einen Arrest nach § 16a JGG (4,95 %) hätte verbüßen müssen. Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Verteilung zwischen den Rechtsgrundlagen unter den Ladungen eine andere ist als unter der Vollzugspopulation: Nichtbefolgungsarreste haben mit über 40 % und Arreste nach § 98 II OWiG mit über 20 % eine deutlich größere quantitative Relevanz unter den Ladungen. Diese grundlegend andere Verteilung der Arrestformen zwischen Ladungen und Arrestantritten bestätigte auch die Befragung von Ostendorf aus dem Jahr 1992. Ein deutlicher Unterschied zeigte sich aber dahingehend, dass Ostendorf nur einen Anteil von unter 5 % an Arresten nach § 98 II OWiG unter den Vollstreckungsersuchen identifizierte, sich im Untersuchungszeitraum allerdings ein Anteil von über einem Fünftel zeigte (21,39 %). Als Grund für die Erledigungen der Beschlussarreste hat sich in der vorliegenden Untersuchung – wie auch schon bei Ostendorf – vor allem die nachträgliche Erfüllung der Auflage herausgestellt (73,15 % bzw. 72,73 % bei OWiG-Arresten); nur in sehr seltenen Fällen wurde von der Vollstreckung nach § 87 III JGG abgesehen.

II. Soziodemographische Daten und Problembelastungen Die Ergebnisse der aktuellen Erhebung stimmen auch mit den deutschlandweiten Daten und den Ergebnissen der vorgestellten Untersuchungen zu den soziodemographischen Daten (Forschungsfrage 2) dahingehend überein, dass die Personen, die einen Jugendarrest verbüßten, ganz überwiegend (82,89 %) männlich waren. Die Vollzugspopulation ließ sich in der durchgeführten Erhebung allerdings insofern differenziert betrachten, als bei den Arresten nach § 16a JGG alle Personen männlich waren und der Anteil weiblicher Personen unter den OWiG-Arrestanten mit über einem Drittel (36,07 %) deutlich über den Anteilen weiblicher Personen in den anderen Gruppen lag. Außerdem besaß der ganz überwiegende Teil der Arrestanten (70,31 %) – wie auch andere Untersuchungen bestätigten – die deutsche Staatsangehörigkeit. In der durchgeführten Untersuchung zeigte sich außerdem, dass die Personen bei Arrestantritt in den meisten Fällen (43,30 %) heranwachsend waren; in über einem Drittel der Fälle (37,53 %) waren die Personen bei Arrestantritt jugendlich. Dies entspricht den Daten zur Belegung der Jugendarresteinrichtungen und Freizeitarresträume deutschlandweit sowie anderen Untersuchungen – z. B. von Giffey und Werlich sowie Keiner, aber auch neueren Untersuchungen wie der von KratochvilHörr. Es zeigte sich, dass insgesamt knapp ein Fünftel der Personen bei Arrestantritt bereits erwachsen war (19,18 %), bei den Nichtbefolgungsarrestanten waren es

H. Zusammenfassung und Beantwortung der Forschungsfragen 

227

dagegen 28,57 %. Die durchgeführte Erhebung zeigte allerdings Besonderheiten für die OWiG-Arrestanten: In dieser Gruppe war der ganz überwiegende Teil bei Arrestantritt jugendlich (85,25 %). Auffällig war, dass sowohl die familiäre als auch die schulische und berufliche Situation der Arrestierten überwiegend schlecht war (Forschungsfrage 3a). Aber auch insgesamt bestätigte die Untersuchung die Ergebnisse älterer Untersuchungen, z. B. von Feltes und Pfeiffer, für die Problembelastungen der Arrestanten in unterschiedlichen Bereichen. Vor allem in den Urteilen waren Informationen hierzu enthalten: Z. B. wurden in knapp der Hälfte der Fälle (46,88 %) Probleme in der Familie und in 28,52 % Probleme in der Schule thematisiert. Nur bei etwas mehr als einem Drittel der Urteile (34,38 %) fanden sich keine Hinweise auf Problembelastungen. In einem Viertel der Urteile (24,22 %) gab es Angaben zu bereits durchgeführten Maßnahmen des Jugendamts; in weiteren wenigen Fällen (5,86 %) war die Familie dem Jugendamt zumindest bekannt. Auch in den von den Arrestanten selbst ausgefüllten Fragebögen wurden die Problembelastungen deutlich: In jeweils ungefähr einem Viertel der Fragebögen war angegeben, dass die Person arbeitslos ist (25,77 %) und / oder die Eltern getrennt oder geschieden sind (24,74 %). In jeweils knapp unter einem Fünftel wurde angegeben, dass bereits Jugendarrest verbüßt wurde (19,18 %), Schulden vorlagen (18,76 %), Drogenkonsum / problematischer Alkoholkonsum bestand (17,32 %) und / oder kein Schulabschluss vorhanden war (17,32 %). Zu ergänzen ist hier, dass die Problembelastungen bei der hier durchgeführten Aktenanalyse nur eine Orientierung darstellen können (siehe Kapitel F.). Dennoch lässt sich festhalten, dass die in anderen Untersuchungen thematisierten hohen Problembelastungen (z. B. bei Pfeiffer, Feltes und Schwegler) sich auch in den Urteilen und Fragebögen, die in den Akten enthalten waren, bestätigten.

III. Strafrechtliche Vorbelastung und andere Belastungsfaktoren Zur Frage der strafrechtlichen Vorbelastung (Forschungsfrage 3b)  zeigte die Untersuchung, dass über zwei Drittel der Urteilsarrestanten bereits vor der dem Arrest zugrunde liegenden Entscheidung unter Einbeziehung von Einstellungsentscheidungen strafrechtlich in Erscheinung getreten waren (71,48 %); die nach § 16a JGG verurteilten Personen sogar zu 84,38 %. Dieses Ergebnis ist von der Größenordnung her vergleichbar mit älteren Untersuchungen wie z. B. der Untersuchung von Schwegler und der von Giffey und Werlich. Bei Erhebungen, die Einstellungen nicht einbezogen, ist der Anteil strafrechtlich vorbelasteter Personen erwartungsgemäß geringer. Bei vorherigen Sanktionierungen (Forschungsfrage 3c) zeigte sich, dass gegen die Mehrheit der Urteilsarrestanten, die bereits auffällig wurden, mindestens ein Verfahren nach § 45 JGG eingestellt wurde (60,90 % der nach § 16 JGG Verurteil-

228

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

ten bzw. 70,37 % der nach § 16a JGG Verurteilten) und / oder mindestens einmal eine Verurteilung zu einer ambulanten Sanktion erfolgte (59,00 % bzw. 66,67 %). Darüber hinaus zeigten die Urteile, dass fast ein Fünftel bereits zu einem Jugendarrest nach § 16 JGG oder § 16a JGG verurteilt wurde (16,67 % bzw. 18,52 %) und gegen etwa jeden Zehnten ein Nichtbefolgungsarrest verhängt worden war (12,18 % bzw. 14,81 %). Die zuvor am häufigsten erfassten Straftaten waren Straftaten aus den Kategorien Diebstahl und Unterschlagung (53,55 %), Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit (30,60 %) und Straftaten nach dem BtMG (22,95 %). Bei der Aufnahme in die Arresteinrichtung gab darüber hinaus rund ein Drittel (35,26 %) aller Personen an, bereits einen Jugendarrest verbüßt zu haben. Bei den Urteilsarrestanten gab dies rund ein Viertel (24,22 %) der Personen an und bei den Beschlussarrestanten fast die Hälfte (47,60 %). Der hohe Anteil unter den Beschlussarrestanten zeigte sich ebenfalls in der Erhebung von Kratochvil-Hörr für die vollstreckten Arreste in Berlin 2009. Auch die unveröffentlichte Übersicht über die Belegung der Jugendarrestanstalten und Freizeitarresträume in der Bundes­republik Deutschland weist 2016 für Hessen einen vergleichbaren Wert von 36,41 % (387 von 1.063) aus. Allerdings steht dort nur „bereits früher Jugendarrest“, sodass unklar bleibt, ob die Zahlen die Verurteilungen oder die Verbüßungen abbilden.

IV. Der verhängte Jugendarrest und dessen Begründung 1. Urteilsarreste Bei den begangenen Delikten, die den Urteilsarresten zugrunde lagen, bestätigten sich in der vorliegenden Untersuchung für Hessen die Erkenntnisse der amtlichen Daten. Bei den dem Arrest zugrundeliegenden Straftaten (Forschungsfrage 3d) handelte es sich hauptsächlich um Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit (34,82 % für § 16-Arreste bzw. 43,75 % für § 16a-Arreste) sowie Diebstahl und Unterschlagung (33,04 % bzw. 34,38 %). In einigen älteren Untersuchungen, z. B. bei Giffey und Werlich sowie bei Pfeiffer und Strobl, zeigte sich ein höherer Anteil an Diebstahlsdelikten. Betrachtet man den höchsten Einzelschaden, so zeigt sich bei Eigentums-/Vermögensdelikten, dass ein Schaden von mehr als 1.000 Euro eher selten war (15,69 %) und bei Personendelikten am häufigsten keine oder eine ambulante Behandlung (52,94 %) erfolgte. Die vorliegende Untersuchung zeigte zudem, dass die Urteilsarrestanten hauptsächlich Dauerarreste (59,38 % bzw. 93,75 %) und Freizeitarreste (39,73 % bzw. 6,25 %) verbüßten (Forschungsfrage 3e); Kurzarreste hatten so gut wie keine praktische Relevanz. Dauerarreste hatten durchschnittlich eine Dauer von rund 2 Wochen. Diese Größenordnung entspricht den amtlichen Daten für ganz Deutschland und außerdem den Ergebnissen der dargestellten Forschungsarbeiten, z. B. von Giffey und Werlich.

H. Zusammenfassung und Beantwortung der Forschungsfragen 

229

Soweit ersichtlich wurden die neben dem Arrest nach § 16 JGG verhängten Sanktionen (Forschungsfrage 3g) bisher noch nicht erfasst. Die vorliegende Untersuchung zeigt hierzu, dass in knapp zwei Dritteln der Fälle neben dem Jugend­a rrest eine Verwarnung nach § 14 JGG ausgesprochen wurde (62,95 %), in 43,30 % mindestens eine Weisung und in rund einem Drittel (34,37 %) eine Arbeitsleistung. 2. Nichtbefolgungsarreste Bei den zugrunde liegenden Delikten (Forschungsfrage 4a) zeigte die durchgeführte Aktenanalyse für Nichtbefolgungsarreste, dass in knapp einem Drittel der Beschlüsse (29,76 %) mindestens ein Delikt aus der Kategorie Diebstahl und Unterschlagung genannt war. Seltener als bei den Urteilsarresten wurde ein Delikt aus der Kategorie der Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit begangen (17,86 %); dieser Anteil lag in der Erhebung von Kratochvil-Hörr für die vollstreckten Arreste in Berlin 2009 mit knapp einem Drittel deutlich höher. Bestätigt hat sich das Ergebnis der Aktenanalyse in Berlin, dass in der Mehrheit der Fälle (64,29 %) als ursprüngliche Sanktion – zumindest auch – Arbeitsleistungen verhängt wurden (Forschungsfrage 4b). Die Anzahl verhängter Stunden lag im Durchschnitt bei knapp unter 60 Stunden. Die Nichtbefolgungsarreste waren – wie auch für Berlin festgestellt – fast ausschließlich (97,02 %) Dauerarreste (Forschungsfrage 4c); überwiegend mit einer Dauer von einer (24,54 %) oder 2 Wochen (55,21 %). Bei Betrachtung der Dauer der Arreste wurde auch deutlich, dass keine einheitlichen Maßstäbe zur Bestimmung der Dauer existierten und z. B. ursprünglich verhängte Arbeitsstunden völlig anders „umgerechnet“ wurden (Forschungsfrage 4f). Die gesetzlich normierte Möglichkeit der Anhörung vor Verhängung eines Nichtbefolgungsarrests (Forschungsfrage 4d) nutzte die Hälfte der Personen nicht. Darüber hinaus zeigte sich, dass in der Praxis Textvorlagen zur Prüfung des gesetzlich normierten Kriteriums der Schuldhaftigkeit verwendet wurden und weitergehende Feststellungen dazu Ausnahmefälle darstellten (Forschungsfrage 4e). 3. Arreste nach § 98 II OWiG Zum Bußgeldverfahren gegen Jugendliche und zur Verhängung von Arresten nach § 98 II OWiG lagen bisher keine umfassenden Erkenntnisse vor. Hier konnte die vorliegende Untersuchung – jedenfalls für Hessen – zeigen, dass ein Arrest nach § 98 II OWiG im Untersuchungszeitraum fast ausschließlich (93,44 %) wegen Verstoßes gegen das Schulgesetz verbüßt wurde (Forschungsfrage 5a). Die ursprünglich verhängte Geldbuße betrug zwischen 40 und 305 Euro, durchschnittlich knapp 170 Euro (Forschungsfrage 5b).

230

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

In allen Beschlüssen wurde den Personen als Ersatzmaßnahme die Erbringung einer Arbeitsleistung nach § 98 I Nr. 1 OWiG auferlegt (Forschungsfrage 5c). Durchschnittlich wurden knapp über 24 Arbeitsstunden verhängt, bei Nichtbefolgungsarresten waren dies mit knapp 60 Stunden deutlich mehr. Der Jugendarrest nach § 98 OWiG hatte überwiegend die maximale Dauer von 7 Tagen (57,38 %), in knapp einem Drittel der Fälle hatte der Arrest eine Dauer von 2 Tagen (29,51 %) (Forschungsfrage 5d). Wie schon bei den Nichtbefolgungsarresten ließ sich auch bei der Bemessung der Anzahl der Arbeitsstunden auf Grundlage der Geldbuße und der Dauer des verhängten Jugendarrests kein einheitlicher Maßstab erkennen (Forschungsfrage 5g). Bei der Möglichkeit der Anhörung vor Verhängung eines Arrests (Forschungsfrage 5e) zeigte sich, dass – ähnlich wie bei den Nichtbefolgungsarresten – circa die Hälfte der Personen (54,10 %) keinen Gebrauch von der Möglichkeit machte. Darüber hinaus hat sich diesbezüglich ebenfalls gezeigt, dass ganz überwiegend Textvorlagen für die Prüfung der Schuldhaftigkeit verwendet werden (Forschungsfrage 5f).

4. Begründungen Insgesamt wurde deutlich, dass die Verhängung eines Jugendarrests – unabhängig von der Rechtsgrundlage – nur in Ausnahmefällen in den Urteilen oder Beschlüssen individuell begründet wurde (Forschungsfragen 3f, 4g und 5h); vielfach wurde auf den Wortlaut der jeweiligen Normen zurückgegriffen. Zu ergänzen ist hier, dass in über 70 % der analysierten Urteile zu § 16 JGG und § 16a JGG die Urteilsgründe gemäß § 267 IV StPO, §§ 54 I, 2 II JGG abgekürzt waren. In einigen Fällen ließ sich an den kurzen Ausführungen erahnen, was die Richter „sich vom Arrest versprechen“: Vor allem der Aspekt der Ahndung spielte eine Rolle, seltener wurde in den Urteilen der Aspekt der Erziehung als Begründung herangezogen.

V. Verfahrensdauer Bei den Zeiträumen zwischen den verschiedenen Verfahrensabschnitten und der Verfahrensdauer insgesamt (Forschungsfrage 6) zeigte sich für die Urteilsarreste, dass zwischen der letzten Tat und der Rechtskraft des Urteils im Durchschnitt circa 8 (§ 16 JGG) bzw. 9 (§ 16a JGG) Monate vergingen. Zwischen Rechtskraft des Urteils und Arrestantritt vergingen bei Verurteilungen nach § 16 JGG in über zwei Dritteln der Fälle (69,20 %) weniger als 3 Monate; bei Verurteilungen nach § 16a JGG erfolgte der Arrestantritt gemäß § 87 IV Satz 2 JGG stets vor Ablauf von 3 Monaten seit Eintritt der Rechtskraft. Die Untersuchung von Feltes zeigte noch eine etwas längere Zeitspanne zwischen Rechtskraft des Urteils und Arrestantritt.

H. Zusammenfassung und Beantwortung der Forschungsfragen 

231

Bei den Nichtbefolgungsarresten verging zwischen Rechtskraft des ursprünglichen Urteils und Arrestantritt durchschnittlich rund ein Jahr, und damit rund 4 Monate mehr als Kratochvil-Hörr für Berlin herausfand. Beim Arrest nach § 98 OWiG verging zwischen Erlass des Bußgeldbescheids und Arrestantritt knapp über ein Jahr. Insgesamt zeigte sich damit hinsichtlich aller Rechtsgrundlagen, dass der Zeitraum zwischen Rechtskraft des Urteils oder des Beschlusses und Arrestantritt relativ kurz war und die Zeiträume, die zu einer insgesamt langen Dauer führten, vorher lagen.

VI. Arrestverlauf In der durchgeführten Aktenanalyse zeigte sich, dass der Arrest in über einem Drittel (34,31 %) der Fälle (ohne Anschlussvollstreckungen) verspätet angetreten wurde (Forschungsfrage 8), in der Gruppe der Nichtbefolgungsarrestanten lag der Anteil sogar bei über der Hälfte (56,49 %). Entsprechend hoch war auch der Anteil an Zuführungen: In etwas mehr als einem Fünftel der Fälle (ohne Anschlussvollstreckungen) erfolgte eine Zuführung (22,84 %); in der Gruppe der Nicht­ befolgungsarrestanten lag der Wert auch hier deutlich höher (40,88 %). Niedriger war der Anteil an Zuführungen bei den Nichtbefolgungsarresten in der Untersuchung von Kratochvil-Hörr, er lag bei 38 %. Die durchgeführte Untersuchung zeigte außerdem, dass in etwas weniger als die Hälfte der Fälle im Vollzug ein oder mehrere Pflichtverstöße durch die Arrestanten begangen worden sind (43,30 %); in den Gruppen der nach § 16a JGG Arrestierten sowie der Nichtbefolgungsarrestanten waren dies hingegen mehr als die Hälfte (53,13 % bzw. 51,79 %). Bei den Pflichtverstößen, die die Arrestierten im Vollzug begingen, handelte es sich allerdings in erster Linie nicht um Verstöße, die eine Verletzung / Bedrohung von Personen oder Sachbeschädigungen umfassten, sondern vor allem um Pflichtverstöße aufgrund mangelnder Ordnung und Sauberkeit im Arrestraum und wegen Reden, Rufen, Schreien aus dem Fenster. In über der Hälfte der Fälle, in denen eine vorzeitige Entlassung möglich war, erfolgte diese auch (51,38 %). In der Gruppe der nach § 16a JGG Arrestierten lag der Anteil sogar bei über zwei Dritteln (70,00 %). Bei ungefähr der Hälfte lag der Anteil in der Gruppe der Nichtbefolgungsarrestanten (47,20 %). Bei KratochvilHörr lag dieser Anteil mit 89,2 % deutlich höher, wobei sie allerdings auch eine vorzeitige Entlassung um wenige Stunden einbezog. In der Untersuchung von Feltes zeigte sich, dass in 3 der 4 Arresteinrichtungen ganz überwiegend keine vorzeitige Entlassung stattfand. Die Übersicht zur Belegung der Jugendarrestanstalten und Freizeitarresträume weist für 2016 einen Wert von unter einem Viertel an Abgängen nach Absehen der weiteren Vollstreckung des Rests nach § 87 III JGG deutschlandweit aus (22,65 %); für Hessen allerdings einen der Untersuchung entsprechenden Wert von 45,66 %.

232

6. Teil: Deskriptive Auswertungen der Aktenanalyse

I. Zwischenfazit 6. Teil Im 4. Teil wurde bereits gezeigt, dass zur Verhängung von Jugendarrest und zum Vollzug wenig amtliche Daten und nur einige Untersuchungen vorliegen. Letztere beziehen sich zudem ganz überwiegend nicht auf die aktuelle Rechtslage oder betrachten den Jugendarrest nicht in allen Varianten. Die vorhandenen aktuellen amtlichen Daten zur Strafverfolgung und zum Vollzug des Jugendarrests, die sich auf ganz Deutschland beziehen, ließen sich für den Untersuchungszeitraum in Hessen überwiegend bestätigen. Ebenso bestätigten sich die meisten Ergebnisse der genannten älteren Untersuchungen. Neue Erkenntnisse lieferte die Aktenanalyse zur quantitativen Relevanz von Nichtbefolgungsarresten und Arresten nach § 98 II OWiG sowie zu den Verfahren und zum 2013 eingeführten Arrest nach § 16a JGG. Mit den Ergebnissen der Aktenanalyse konnten viele Aspekte differenziert nach Rechtsgrundlage betrachtet werden. Einschränkend ist dabei zu beachten, dass die empirischen Befunde der durchgeführten Studie sich nur auf Hessen und nur auf den Zeitraum eines halben Jahres beziehen und insofern weder für Deutschland insgesamt noch für andere Jahrgänge verallgemeinerbar sind. Zum Herausarbeiten bestehender Abweichungen und regionaler Besonderheiten und zum Eingehen auf deren Ursachen und Hintergründe sind weitere Studien wünschenswert. Durch solche Studien ließen sich auch alternative Handhabungen seitens der justiziellen Praxis identifizieren. Zusammenfassend zeigt sich, dass die betrachtete Gruppe der Arrestanten sehr heterogen war, z. B. bei ihrem Alter, der schulischen / beruflichen Ausbildung, der strafrechtlichen Vorbelastung und der zugrunde liegenden Taten oder Ordnungswidrigkeiten sowie der zu verbüßenden Arrestdauer. Gezeigt hat sich zudem, dass sich die Arrestanten oft in problematischen Lebenslagen befanden und einen erhöhten Förderbedarf aufwiesen. Dass die Erkenntnisse älterer Untersuchungen ganz überwiegend bestätigt wurden, verdeutlicht noch einmal, wie wenig sich in der Praxis der Arrestverhängung und des Vollzugs geändert hat, auch wenn zwischenzeitlich Änderungen der rechtlichen Grundlagen erfolgten (siehe 2. Teil und 3. Teil). Viele Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung zeigen den Bedarf, sich erneut mit dem Jugendarrestsystem auseinanderzusetzen und Fragen erneut oder auch neu zu stellen.

7. Teil

Kriminalpolitische Forderungen und Diskussion Die umfassende Betrachtung des Jugendarrests zeigt deutlich, dass an einigen Stellen Reformbedarf besteht. Im Folgenden werden zunächst die, auch in Bezug auf die aktuelle Rechtslage, als relevant eingestuften, häufig vorgebrachten Reformvorschläge vorgestellt. Die Stellungnahmen zu diesen Vorschlägen berücksichtigen jeweils die in der vorliegenden Arbeit herausgearbeiteten Erkenntnisse (Forschungsfrage 9). Dabei werden sowohl Aspekte zur historischen Entwicklung des Jugendarrests (2. Teil) und zur aktuellen Rechtslage (3. Teil) als auch die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung (4., 5. und 6. Teil) berücksichtigt. Ausgeklammert sind bei der Diskussion die Teile der Debatte, die sich auf die komplette Abschaffung des Jugendarrests in allen Formen beziehen,1 da dies nicht Fragestellung dieser Arbeit ist. Eine Diskussion um die Streichung des Jugendarrests ist nur im Rahmen einer umfassenden Jugendstrafrechtsreform sinnvoll, da der Jugendarrest komplexer Teil des Jugendstrafrechtssystems ist und seine Streichung Folgen für das gesamte Sanktionssystem hätte (siehe auch 2. Teil, Kapitel  G. II.).2 Abgesehen von weiteren Folgefragen ist bei einer bloßen Streichung des Jugendarrests aus dem Jugendstrafrecht ohne umfassende Umstrukturierung des gesamten Jugendstrafrechtssystems zu befürchten, dass dies zu einer vermehrten Verhängung kurzer Jugendstrafen führen könnte.3 Überlegungen zur Abschaffung des Jugendarrests scheinen zudem unter den aktuellen Rahmenbedingungen, vor allem der immer wiederkehrenden Forderungen nach Strafverschärfungen,4 nicht 1

Diese Diskussion wurde sehr umfassend im Rahmen des 1. JGGÄndG geführt (siehe 2. Teil, Kapitel G. II.). Immer wieder diskutiert wird in diesem Zusammenhang die hohe Rückfallquote von knapp über 60 % nach Verbüßung eines Jugendarrests, siehe dazu Jehle / Albrecht / Hohmann-​Fricke / Tetal, Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen, 2016, S. 15. 2 Gegen die Abschaffung (ohne umfassendere Änderungen) auch: Brunner / Dölling, JGG, 13. Aufl. 2018, § 16, Rn. 8; Dölling, in Dölling, 2001, 181 (191); McKendry, in: Schweder, 2015, 201 (210). Auch die Zweite Jugendstrafrechtsreform-Kommission sprach sich mit knapper Mehrheit für die Beibehaltung des Jugendarrests aus (DVJJ, Zweite Jugendstrafrechtsreform-Kommission, DVJJ-Journal Extra 2002, S. 81 ff.). Auch Schöch gab zu bedenken, dass es „überzeugende Gründe für das beharrliche Festhalten der Justiz am Jugendarrest geben“ könnte, auch wenn „die Mehrheit der Wissenschaftler [ihn] möglichst sofort abschaffen möchte“ [Schöch, in: Dölling, 2001, 125 (127)]. 3 So auch Goerdeler / Sonnen, ZRP 2002, 347 (350). 4 So z. B. die jüngsten Änderungen im Rahmen des Gesetzes zur Erweiterung der jugendgerichtlichen Handlungsmöglichkeiten vom 4. September 2012: Neben der Einführung von § 16a JGG als zusätzlichem Freiheitsentzug wurde die Höchststrafe für Mord bei besonderer Schwere der Schuld für Heranwachsende in § 105 III Satz 2 JGG von 10 auf 15 Jahre erhöht

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7. Teil: Kriminalpolitische Forderungen und Diskussion 

zielführend, da sie – wenn auch vielleicht nicht aus inhaltlichen, sondern aus kriminalpolitischen Gründen – unbeachtet bleiben.5 Ebenfalls nicht Fragestellung dieser Arbeit ist die Diskussion um die Streichung der Kategorie der Zuchtmittel aus dem JGG.6 Hier ist eine bloße Umbenennung des (offensichtlich anachronistischen und nach heutigem Verständnis problematischen) Begriffs nicht ausreichend, es müsste vielmehr um die Streichung der Kategorie und damit auch um eine Überprüfung des gesamten Rechtsfolgensystems gehen.7 Die folgenden Ausführungen beziehen sich daher – entsprechend der Fragestellung dieser Arbeit – auf konkrete Reformvorschläge zum Jugendarrest, die keine Umstrukturierung des gesamten Jugendstrafrechtssystems erfordern.

A. Vorschläge de lege ferenda – zu einzelnen Arrestarten Zunächst werden die Ansätze vorgestellt und bewertet, die sich speziell auf einzelne Arrestarten beziehen.

I. Abschaffung von § 16a JGG Die Einführung des Jugendarrests neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe wurde lange diskutiert; § 16a JGG trat 2013 in Kraft. Auf eine Wiederholung der hierzu schon vor der Einführung vorgebrachten umfassenden recht­ dogmatischen Einwände wird an dieser Stelle bewusst verzichtet (siehe 2. Teil,

(siehe 2. Teil, Kapitel H.IV.). Siehe zum erhöhten Strafbedürfnis in der Gesellschaft Puschke, ZJJ 2019, 139 (139 ff.). 5 Dünkel führt dazu aus, dass die Forderung der Abschaffung derzeit „wohl utopisch […]“ ist [Dünkel, RdJB 2014, 294 (295)]; so auch Ostendorf, MschrKrim 1995, 352 (353). Franzke gibt zwar richtigerweise zu bedenken, dass es nicht um das Argument „politischer Erwünschtheit“ gehen kann [Franzke, RdJB 2018, 428 (435)], allerdings ist die Problematik wie dargestellt umfassender und es bedarf weiterer Änderungen. 6 Eine entsprechende Umstrukturierung wurde im Gesetzgebungsverfahren zum 1. JGGÄndG thematisiert: Zunächst wurde von der Bundesregierung auf die „derzeit noch bestehende […] dogmatische[…] Trennung zwischen Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln“ (BT-Drucks. 11/​ 5829, 27.11.1989, S. 18) hingewiesen. In seiner Stellungnahme forderte der Bundesrat, zu prüfen, ob diese Unterscheidung zwischen den Kategorien nicht aufzuheben sei (BT-Drucks. 11/5829, 27.11.1989, Anlage 2, Stellungnahme des Bundesrates, S. 41). Darauf erwiderte die Bundesregierung, dass die „Unterscheidung zwischen Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln […] grundsätzlich überprüfungsbedürftig“ sei, dies aber in einem späteren Gesetzgebungsverfahren aufgegriffen werden solle (BT-Drucks. 11/5829, 27.11.1989, Anlage 3, Gegenäußerung der Bundesregierung, S. 47). 7 So auch DVJJ, Stellungnahme zu § 17 Abs. 2 JGG, 2016, S. 1.

A. Vorschläge de lege ferenda – zu einzelnen Arrestarten

235

Kapitel  H. IV.),8 die folgende Darstellung beschränkt sich auf neue rechtstatsächliche Ergebnisse. Zunächst hat sich gezeigt, dass die nach § 16a JGG Arrestierten keine klar erkennbare spezifische Zielgruppe darstellen.9 Insgesamt unterschieden sich die § 16a-Arrestanten sowohl hinsichtlich ihrer soziodemographischen Merkmale als auch in Bezug auf Vorsanktionierungen und Anlassdelikte nicht wesentlich von denjenigen, die einen Arrest nach § 16 JGG verbüßten. Außerdem bestätigten sich in der durchgeführten Untersuchung die Ergebnisse anderer Untersuchungen: Die schriftlichen Urteilsgründe enthielten regelmäßig keine gründliche Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen des § 16a JGG und in den Begründungen wurde vor allem Bezug auf den Wortlaut der Norm genommen.10 Dies widerspricht schon der Begründungspflicht des § 54 JGG. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber für die Verhängung eines Arrests neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe durch die Normierung der Voraussetzungen einen engen Rahmen gesteckt hat, um damit – ausweislich der Entwurfsbegründung – den im Vorfeld geäußerten Bedenken Rechnung zu tragen und so den Anwendungsbereich dieser Sanktion einzuschränken.11 Insgesamt sollten so die „bei einer pauschalen Anwendung zu befürchtende[n] negative[n] Auswirkungen“12 vermieden werden. Ohne Darlegung, ob und wie die Voraussetzungen geprüft wurden, ist die Umsetzung der vom Gesetzgeber intendierten Anwendung dieser Sanktion auf bestimmte Fälle nicht überprüfbar. Unklar bleibt dabei, ob eine Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen nicht erfolgte oder die Prüfung in den Urteilen nicht festgehalten wurde. Diese auch durch andere Untersuchungen bestätigten rechtstatsächlichen Erkenntnisse13 führen zu der  – soweit ersichtlich einstimmigen  – Forderung, die 8

Dazu auch ausführlich Klatt / Ernst / Höynck / Baier / Treskow / Bliesener / Pfeiffer, Evaluation des neu eingeführten Jugendarrestes, 2016, S. 13 f. 9 So auch auch Gernbeck, Stationäres soziales Training, 2017, S. 417; Klatt / Ernst / ​­Höynck / ​ Baier / Treskow / Bliesener / Pfeiffer, Evaluation des neu eingeführten Jugendarrestes, 2016, S. 210 f. Vor der Einführung sprach Radtke [ZStW 2009, 416 (446)] schon von einem „konzeptionellen Fehler“, da ein gemeinsamer Anwendungsbereich für Jugendarrest und zur Bewährung ausgesetzter Jugendstrafe nicht existiere, und er betonte die fehlende Zielgruppe. 10 Bachmann führt dazu aus, „dass ein derartiges Begründungsmuster faktisch dem völligen Fehlen einer präzisen Subsumtion unter die Voraussetzungen des § 16a JGG gleichkommt und nicht hinnehmbar ist“ [Bachmann, in: DVJJ, 2019, 337 (349)]. So auch Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 16a, Rn. 11; Gernbeck, Stationäres soziales Training, 2017, S. 219; Klatt / Ernst / Höynck / Baier / Treskow / Bliesener / Pfeiffer, Evaluation des neu eingeführten Jugendarrestes, 2016, S. 91. In der Untersuchung von Schmidt zeigten sich häufiger umfassende Urteilsbegründungen [Schmidt, NK 2019, 74 (83 f.)]. 11 BT-Drucks. 17/9389, 24.04.2012, S. 12 ff. 12 BT-Drucks. 17/9389, 24.04.2012, S. 7. 13 Siehe Gernbeck, Stationäres soziales Training, 2017; Klatt / Ernst / Höynck / Baier / Treskow / Bliesener / Pfeiffer, Evaluation des neu eingeführten Jugendarrestes, 2016; Schmidt, Die Koppelung von Jugendarrest, 2020.

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7. Teil: Kriminalpolitische Forderungen und Diskussion 

im Gesetz normierten Voraussetzungen des § 16a JGG zu prüfen, in den Urteilen darzulegen und so die Verhängung des Arrests zu begründen. Diese Prüfung umfasst auch die in allen Nummern des § 16a I JGG genannten Voraussetzung der Gebotenheit.14 Vorgebracht wird zudem, dass der Arrest nach § 16a JGG eine Dauer von mindestens einer Woche haben sollte, um im Vollzug erzieherisch auf den Jugendlichen einwirken zu können.15 Zur praktischen Ausgestaltung wird, neben dem generellen Hinweis auf die schlechte personelle Ausstattung im Arrestvollzug, speziell die Verbesserung der schon in § 16a JGG verankerten Kooperation zwischen Arrestvollzug und Bewährungshilfe gefordert.16 Die vorgeschlagenen Änderungen gehen nicht weit genug, da die Probleme rund um den Arrest nach § 16a JGG – wie dargelegt – grundlegende Aspekte betreffen. So fehlt es schon an Einzelfallprüfungen und -begründungen. Dieser zusätzliche Freiheitsentzug in Form des Jugendarrests neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe bedarf einer klaren Legitimation,17 die die bisherigen Befunde verschiedener Untersuchungen nicht liefern. Hinzu kommt, dass sich in jüngsten Rückfalluntersuchungen keine signifikant verbesserten Legalbewährungseffekte zeigten,18 obwohl dies ausweislich der Entwurfsbegründung und entsprechend § 2 II JGG Ziel der Einführung des § 16a JGG war.19 Insgesamt erfüllten sich damit die mit Einführung der Sanktion verbundenen Erwartungen des Gesetzgebers nicht. Die Zukunft des Arrests nach § 16a JGG ist folglich keine – wie jüngst von Kubink und Springub ausgeführt – Gestaltungsfrage.20 Die bisher verfügbaren Daten zu Verurteilungen nach § 16a JGG liefern keine Legitimation für diesen zusätzlichen Freiheitsentzug. Zu fordern ist deshalb die

14

Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 16a, Rn. 5; Kubink / Springub, Der „Warnschussarrest“, 2019, S. 33 f.; Schmidt, NK 2019, 74 (90). Zu einer sorgfältigeren und dokumentierten Prüfung der Voraussetzung des § 16a JGG könnte auch die aktuell nicht mögliche isolierte Anfechtung eines Arrests neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe beitragen, siehe dazu 3. Teil, Kapitel F. und 8. Teil, Kapitel A. 15 Kubink / Springub, Der „Warnschussarrest“, 2019, S. 49 ff.; Schmidt, NK 2019, 74 (89). 16 Kubink / Springub, Der „Warnschussarrest“, 2019, S. 55 ff. 17 So wird in der Entwurfsbegründung ausgeführt, dass die konkreten Voraussetzungen in § 16a JGG aus „Gründen der verfassungsrechtlich gebotenen Bestimmtheit und Berechenbarkeit der Sanktion“ normiert worden sind (BT-Drucks. 17/9389, 24.04.2012, S. 12). 18 Klatt / Ernst / Höynck / Baier / Treskow / Bliesener / Pfeiffer, Evaluation des neu eingeführten Jugendarrestes, 2016, S. 199. In einem Zeitraum von einem Jahr zeigte sich eine Rückfallquote von 35 % (Klatt / Ernst / Höynck / Baier / Treskow / Bliesener / Pfeiffer, Evaluation des neu eingeführten Jugendarrestes, 2016, S. 199) bzw. 53 % (Gernbeck, Stationäres Soziales Training, 2017, S. 416). Schmidt kam in ihrer Untersuchung über einen Zeitraum von 2 Jahren zu einer Rückfallquote von 54 % (Schmidt, Die Koppelung von Jugendarrest, 2020, S. 613 ff.). 19 BT-Drucks. 17/9389, 24.04.2012, S. 12. 20 Kubink / Springub, Der „Warnschussarrest“, 2019, S. 40 ff.; so wohl auch Schmidt, NK 2019, 74 (89 f.).

A. Vorschläge de lege ferenda – zu einzelnen Arrestarten

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ersatzlose Streichung des § 16a JGG und die Rückkehr zum Kopplungsverbot von Jugendarrest und Jugendstrafe aus § 8 II JGG a. F. (siehe 2. Teil, Kapitel H. IV.).21

II. Begrenzung des Anwendungsbereiches des Nichtbefolgungsarrests Weitestgehend unumstritten scheint zu sein, dass der Nichtbefolgungsarrest nach §§ 11 III, 15 III JGG nicht unproblematisch ist; weshalb auch die Abschaffung dieser Arrestform diskutiert wird.22 Eine ernsthafte Diskussion zur Abschaffung des Nichtbefolgungsarrests ist allerdings nur bei grundlegender Umstrukturierung des Jugendstrafrechtssystems sinnvoll.23 Wie schon zum Jugendarrest generell erläutert (siehe 7. Teil) ist dies nicht Fragestellung dieser Arbeit. Im Folgenden werden daher aktuelle Reformüberlegungen zum Nichtbefolgungsarrest, die sich ganz überwiegend auf die Einschränkung des Anwendungsbereichs beziehen, vorgestellt und bewertet. 1. Begrenzung der Anzahl der Arbeitsstunden Relevant für die Reformdebatte um den Nichtbefolgungsarrest ist bereits die ursprünglich verhängte ambulante Sanktion: Hierzu wird vorgeschlagen, die Anzahl der (dem Arrest vielfach zugrundliegenden) Arbeitsstunden24 zu begrenzen. Aktuell ist der Umfang der verhängten Arbeitsstunden für junge Menschen (auch

21

So auch Dünkel, RdJB 2014, 294 (295); so auch DVJJ (Hrsg.), Herein-, Heraus-, Heranwachsen, Ergebnisse des Arbeitskreises 9 auf dem 30. Jugendgerichtstag, 2019, S. 716. Auch Gernbeck äußert Zweifel an der Sanktion (Gernbeck, Stationäres soziales Training, 2017, S. 417 f.). In diesem Sinne ist wohl auch die umfassende Kritik von Hoffmann-Holland [in: Stein / Greco / Jäger / Wolter, 2018, 85 (91)] zu verstehen, der den Arrest und die damit verbundenen Zielsetzungen als „unerfüllbares Versprechen“ bezeichnet. 22 Sonnen, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 16, Rn. 16 mit Verweis auf Frehsee, in: DVJJ, 1990, 314 (314 ff.); Thalmann, in: DVJJ Baden-Württemberg, 1991, 77 (81). Mit Hinweis auf aus erziehungswissenschaftlicher Sicht nicht unbedingte Erforderlichkeit DVJJ (Hrsg.), Herein-, Heraus-, Heranwachsen, Ergebnisse des Arbeitskreises 9 auf dem 30. Jugendgerichtstag, 2019, S. 717. 23 Soweit ersichtlich wird überwiegend davon ausgegangen, dass der Nichtbefolgungsarrest im aktuellen Jugendstrafrechtssystem zur Durchsetzung der ambulanten Sanktionen erforderlich ist, siehe z. B. Vogt-Binné, in: DVJJ Baden-Württemberg, 1991, 64 (69); Weber, in: DVJJ, 1990, 344 (345 f.). Streng geht insofern sogar von einer „eigentlich unersetzliche[n] Funktion“ aus (Streng, Jugendstrafrecht, 2016, S. 205); auch Franzke führt aus, dass diese Arrestform nicht „grundsätzlich entbehrlich“ ist [Franzke, RdJB 2018, 428 (441)]. 24 Schon grundsätzlich kann in Frage gestellt werden, ob Arbeitsstunden eine geeignete Sanktion für junge Menschen sind, die eigentlich zu Schule gehen, eine Ausbildung absolvieren oder arbeiten sollten; die Beantwortung dieser Frage würde allerdings den Rahmen dieser Arbeit überschreiten; weiterführend z. B. Mollik, ZJJ 2006, 71 (71 ff.).

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7. Teil: Kriminalpolitische Forderungen und Diskussion 

neben Schule, Ausbildung oder Beruf)  oft nicht leistbar.25 Die DVJJ-Kommission hat deshalb in ihrem umfassenden Reformvorschlag zum Jugendstrafrecht eine Höchstgrenze von 60 Stunden für Jugendliche und 120 für Heranwachsende vorgeschlagen;26 die Zweite Jugendstrafrechtsreform-Kommission empfahl eine Höchstgrenze von 80 Stunden, da dies etwa der Arbeitszeit von 2 Wochen entspreche.27 Brunner und Dölling verweisen – in Anlehnung an die Regelung in Österreich – auf die Obergrenze von 120 Stunden, täglich höchstens 6 und wöchentlich höchstens 20 Stunden;28 Dünkel schlägt mit Verweis auf ausländische Rechtsordnungen die Begrenzung auf 120 Stunden für Jugendliche und 240 Stunden für Heranwachsende vor.29 Die durchgeführte Aktenanalyse zeigte, dass der Nichtbefolgungsarrest überwiegend (zumindest auch) wegen Nichterfüllung von Arbeitsstunden verhängt wird, wobei durchschnittlich rund 60 Stunden abzuleisten sind. Die vorgeschlagene Einführung einer Höchstgrenze von 120 bzw. 240 Stunden hätte – zumindest für die betrachteten Fälle – insofern nur wenig Auswirkungen, da bei den Arresten nur in Ausnahmefällen Arbeitsstunden in diesem Umfang verhängt wurden. Außerdem ist die Stundenzahl mit 120 bzw. 240 generell zu hoch angesetzt – umgerechnet wären dies 15 bzw. 30 volle Arbeitstage, die neben Schule, Ausbildung oder Arbeit nur schwer abzuleisten sind.30 Bei der Bestimmung einer Höchstgrenze muss daher vielmehr zum einen die Freizeit, regelmäßig das Wochenende, als Grundlage dienen, um andere Verpflichtungen damit nicht zu gefährden, und zum anderen dafür Sorge getragen werden, dass die Erfüllung in einem absehbaren Zeitraum möglich ist. Zusätzlich zu einer generellen Obergrenze muss im Einzelfall selbstverständlich auf Grundlage der individuellen Lebensumstände der Jugendlichen eine realistische Anzahl an Arbeitsstunden berechnet werden.

25

Franzen, ZJJ 2014, 114 (114 ff.); Mollik, ZJJ 2006, 71 (71 ff.). Grundsätzlich für eine Höchstgrenze ohne Nennung einer konkreten Zahl DVJJ (Hrsg.), Mehrfach Auffällige  – Mehrfach Betroffene, Ergebnisse des Arbeitskreises VI auf dem 21. Jugendgerichtstag, 1990, S. 352. Diesbezüglich wurde in einer Großen Anfrage aus dem Jahr 2009 hinterfragt, ob mit zunehmender Anzahl von Arbeitsstunden mehr Arreste verhängt werden (BT-Drucks. 16/8146, 13.02.2008, S. 8, Frage 55). In der Antwort der Bundesregierung wurde dazu ausgeführt, dass bei Verhängung von Arbeitsstunden „eine gewisse Aussicht dafür bestehen [muss], dass die / der Betroffene durch eine Arbeitsweisung an geregelte Arbeitsabläufe etc. herangeführt bzw. seine Einstellung zur Arbeit positiv beeinflusst werden kann und es darf nicht von vornherein eine Befolgung sehr zweifelhaft sein“ (BT-Drucks. 16/13142, 26.05.2009, S. 38). 26 DVJJ-Kommission, DVJJ-Journal 1992, 9 (32). 27 DVJJ, Zweite Jugendstrafrechtsreform-Kommission, DVJJ-Journal Extra 2002, S. 74. 28 Brunner / Dölling, JGG, 13. Aufl. 2018, § 10, Rn. 16. 29 Dünkel, RdJB 2014, 294 (296 f.). 30 Inwieweit die Arbeitsstunden, die den Arresten zugrunde lagen, aus diesen Gründen nicht abgeleistet wurden, konnte den Akten nicht systematisch entnommen werden; allerdings deuten die Antworten in den Fragebögen darauf hin, dass die Personen teilweise anderen Verpflichtungen, vor allem dem Schulbesuch, nachgekommen sind (siehe 6. Teil, Kapitel C. III. 1.).

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Außerdem ist bei diesen Überlegungen zu berücksichtigen, dass sich in der Aktenanalyse herausstellte, dass die Mehrheit der Personen mit der Erfüllung der verhängten Arbeitsstunden nicht begonnen hatte. Dies könnte zum einen an der teilweise abschreckend hohen Stundenzahl liegen, aber auch an der mangelnden Motivation der Personen oder an fehlenden Einsatzstellen zur Ableistung der Arbeitsstunden. Unterstützungsmaßnahmen bei der Suche nach Einsatzstellen und bei Bedarf auch Hilfestellungen bei der Erfüllung von Arbeitsstunden sind hier vordringlich zu installieren.31 2. Mündliche Anhörung zur Prüfung der Schuldhaftigkeit der Nichterfüllung Ein anderer wesentlicher Aspekt der Debatte ist die mündliche Anhörung vor der Verhängung eines Nichtbefolgungsarrests, welche aktuell nach § 65 I Satz 3 JGG nicht obligatorisch ist. Da die Anhörung, insbesondere um die Frage der gesetzlich normierten Voraussetzung der Schuldhaftigkeit zu klären,32 von besonderer Relevanz ist, wird vorgeschlagen, diese Anhörung vor Verhängung eines Arrests verpflichtend zu machen.33 Die Aktenanalyse bestätigte, dass viele Personen von der Möglichkeit der mündlichen Anhörung vor Verhängung eines Arrests keinen Gebrauch machten. In den Akten waren hierfür allerdings keine Gründe angegeben. Nicht auszuschließen ist, dass den Jugendlichen die Relevanz dieser Anhörung nicht bewusst war. Auch deshalb wird bereits jetzt angenommen, dass das Gericht alle geeigneten Kontaktmöglichkeiten in Betracht ziehen muss, um den Jugendlichen zu erreichen, und der Verzicht auf eine mündliche Anhörung ausdrücklich und eindeutig zu erklären ist (siehe 3. Teil, Kapitel D. II. 3.). In einer Anhörung kann zudem individuell reagiert werden, z. B. kann die ursprüngliche Auflage oder Weisung in eine andere Auflage oder Weisung umge 31 LG Kaiserslautern, Beschluss vom 23.09.2010 – 8 Qs 14/10 = ZJJ 04/2010, 430; OLG Braunschweig, Beschluss vom 13.06.2012 – Ss 19/12 = NStZ 2012, 575; dazu auch Müller, in: Redmann / Hußmann, 2015, 295 (295 ff.). 32 So auch LG Arnsberg, Beschluss vom 31.01.2006, 2 Qs 5/06 jug = NStZ 2006, 525 (526). 33 Brunner / Dölling, JGG, 13. Aufl. 2018, § 11, Rn. 6; § 65, Rn. 6; Dünkel, RdJB 2014, 294 (296); Frehsee, in: DVJJ, 1990, 314 (324); Kratochvil-Hörr, Der Beschlussarrest, 2016, S. 218 f.; Thalmann, FS 2011, 79 (82). So schon Potrykus: „Ob ein Verschulden vorliegt, wird die […] vorgeschriebene Anhörung des Jugendlichen meist ergeben.“ (JGG, 1952, § 19, Bemerkung 5). Ähnlich auch Eisenberg: „Eine mündliche Verhandlung ist zwar nicht vorgeschrieben, wird sich jedoch häufig empfehlen“ (JGG, 20. Aufl. 2018, § 65, Rn. 11). Auch der Gesetzgeber hat in der Entwurfsbegründung zum 1. JGGÄndG zur Thematik der Anhörung ausgeführt, dass diese ermöglicht, „die Gründe des Ungehorsams zu erfahren und die Probleme des Jugendlichen gegebenenfalls besser einschätzen zu können“ (BT-Drucks. 11/5829, 27.11.1989, S. 28). Leider existieren keine Daten dazu, in wie vielen Fällen ein Verstoß in der Anhörung entschuldigt werden kann.

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7. Teil: Kriminalpolitische Forderungen und Diskussion 

wandelt oder sogar davon befreit werden, §§ 11 II, 15 III 1 JGG. Und selbst wenn die Verhängung eines Jugendarrests in Betracht kommt, muss in der Anhörung noch einmal auf die Möglichkeit hingewiesen werden, Auflagen oder Weisungen auch nach Verhängung des Arrests noch erbringen zu können und damit ggf. gemäß § 11 III Satz 3 JGG das Absehen von der Vollstreckung zu erreichen. Aus diesen Gründen ist die obligatorische mündliche Anhörung vor Verhängung eines Arrests zu normieren. Zu beachten ist dabei, dass aufgrund der verpflichtenden Anhörung eine polizeiliche Vorführung möglich wäre. Dies müsste insofern eingeschränkt werden, so dass eine Vorführung nur zulässig sein darf, wenn zuvor bereits alle anderen Möglichkeiten der Kontaktaufnahme und der Sicherstellung des Erscheinens ausgeschöpft wurden.34 In den Fällen, in denen von der Möglichkeit der mündlichen Anhörung Gebrauch gemacht wurde, zeigte die Aktenanalyse darüber hinaus, dass die Schuldhaftigkeit weitestgehend schematisch, mit einem Vordruck, angenommen wurde (siehe 6. Teil, Kapitel C. III. 1.). Hier ist eine Auseinandersetzung mit dem konkreten Einzelfall zu fordern und dabei insbesondere das Vorliegen von Entschuldigungsgründen, z. B. hinsichtlich Schule, Ausbildung, Arbeit oder das Fehlen einer Einsatzstelle, zu prüfen und im Beschluss festzuhalten. Neben der Normierung einer obligatorischen mündlichen Anhörung besteht auch hier Reformbedarf. 3. Begrenzung der Dauer des Nichtbefolgungsarrests Weiterhin kritisiert wird, dass für die Umwandlung der ursprünglichen Sanktion in Jugendarrest keine Vorgaben („Umrechnungsmaßstäbe“35) normiert sind, was zu deutlichen Unterschieden bei der verhängten Dauer des Nichtbefolgungsarrests im Verhältnis zur ursprünglich verhängten Sanktionen führen kann.36 Hier wird ganz generell ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz diskutiert.37 Buhr erläutert dazu, dass sich der Arrest an der nicht erfüllten Weisung orientieren muss und das Übermaßverbot z. B. dann verletzt wäre, wenn bei 10 nicht erfüllten Arbeitsstunden die maximale Dauer von 4 Wochen angeordnet würde.38 Außerdem wird die Frage der generellen Höchstdauer diskutiert, wobei vor allem gefordert 34

DVJJ (Hrsg.), Und wenn es künftig weniger werden, These 5c) des Arbeitskreises Xc auf dem 20. Jugendgerichtstag, 1987, S. 418; DVJJ (Hrsg.), Mehrfach Auffällige – Mehrfach Betroffene, Ergebnisse des Arbeitskreises VI auf dem 21. Jugendgerichtstag, 1990, S. 352; ­Kratochvil-Hörr, Der Beschlussarrest, 2016, S. 218. 35 Möller, in: DVJJ, 1981, 311 (321). 36 ­BeckOK JGG  / Kreiner / Gertler, 9. Ed. 01.05.2018, § 11, Rn. 27; Buhr, in: Meier / Rössner / Trüg / Wulf, JGG, 2. Aufl. 2014, § 11, Rn. 20; Thalmann, in: DVJJ Baden-Württemberg, 1991, 77 (81). Frehsee [in: DVJJ, 1990, 314 (325)] verwies diesbezüglich auf die Gefahr einer „völlige[n] Umgewichtung“. 37 ­BeckOK JGG  / Kreiner / Gertler, 9. Ed. 01.05.2018, § 11, Rn. 27; DVJJ, Zweite Jugendstrafrechtsreform-Kommission, DVJJ-Journal Extra 2002, S. 78. 38 Buhr, in: Meier / Rössner / Trüg / Wulf, JGG, 2. Aufl. 2014, § 11, Rn. 28.

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wird, dass die Höchstdauer bei 2 Wochen, also unter der Höchstdauer der Urteilsarreste nach §§ 16, 16a JGG, liegen sollte.39 Bei der Aktenanalyse wurde deutlich, dass die Gerichte keinen einheitlichen Maßstab zwischen dem Umfang der ursprünglich verhängten Sanktion und der Dauer des Jugendarrests anlegten. Dies zeigte sich besonders deutlich im direkten Vergleich der vielen Fälle ursprünglich verhängter Arbeitsstunden mit der anschließend verhängten Arrestdauer, z. B. wurden einerseits für 20 Arbeitsstunden 4 Wochen Arrest verhängt und andererseits für 120 Stunden eine Woche Arrest. Grundsätzlich ist natürlich denkbar, dass es Gründe für unterschiedlichen „Umrechnungen“ geben könnte; dies würde aber auch eine Begründung hierfür in den Beschlüssen voraussetzen, die  – wie in der Untersuchung gezeigt  – in den Beschlüssen nicht enthalten war. Möglich wäre die Normierung einheitlicher Umrechnungsmaßstäbe, dies würde auch die gezeigten regionalen Unterschiede vermeiden; allerdings wäre damit die Gefahr der schematischen Nutzung verbunden. 4. Ausgestaltung des Nichtbefolgungsarrests als Ersatzmaßnahme Aktuell normiert § 15 III Satz 3 JGG die Möglichkeit, Auflagen ganz oder zum Teil für erledigt zu erklären, wenn Jugendarrest vollstreckt wurde – in § 11 III JGG ist diese Möglichkeit nicht vorgesehen (zur ausführlichen Diskussion siehe 3. Teil, Kapitel D. I.). Diskutiert wird in diesem Zusammenhang, den Nichtbefolgungsarrest in allen Formen als Ersatzmaßnahme auszugestalten, also die ursprünglich verhängte Sanktion stets durch den Arrest zu ersetzen, um so Einheitlichkeit und Klarheit zu schaffen.40 Die Ausgestaltung des Nichtbefolgungsarrests als Ersatzmaßnahme, also die Ersetzung der ursprünglich verhängten Sanktion, ist sinnvoll. Die aktuelle Ausgestaltung als Beugemaßnahme hängt wohl noch stark mit der – mittlerweile veralteten – Vorstellung der Untermauerung der „Staatsautorität“ durch diese Sanktion zusammen (siehe 2. Teil, Kapitel C. III.). Die einheitliche obligatorische Erledigterklärung nach Vollstreckung des Nichtbefolgungsarrests hätte darüber hinaus den Vorteil, dass die umstrittene wiederholte Verhängung von Nichtbefolgungsarrest ausgeschlossen wäre.41

39 So z. B. DVJJ, Zweite Jugendstrafrechtsreform-Kommission, DVJJ-Journal Extra 2002, S. 79; DVJJ (Hrsg.), Mehrfach Auffällige – Mehrfach Betroffene, Ergebnisse des Arbeitskreises VI auf dem 21. Jugendgerichtstag, 1990, S. 353. 40 Dünkel, RdJB 2014, 294 (296); DVJJ, Zweite Jugendstrafrechtsreform-Kommission, DVJJ-Journal Extra 2002, S. 77 f. Bachmann fordert ebenfalls die Klärung der Rechtsnatur des Arrests nach § 11 III JGG durch den Gesetzgeber [Bachmann, in: DVJJ, 2019, 337 (353)]. 41 Eine entsprechende Forderung stellte auch Frehsee, in: DVJJ, 1990, 314 (325).

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7. Teil: Kriminalpolitische Forderungen und Diskussion 

III. Reformansätze zu § 98 OWiG Auch der Arrest nach § 98 II OWiG ist umstritten: Vielfach wird die komplette Streichung des Jugendarrests aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht gefordert,42 teilweise beschränken sich die Forderungen auf die Streichung der Verletzung der Schulpflicht als Ordnungswidrigkeit und damit auf eine Änderung der Landesschulgesetze.43 Die ebenfalls diskutierten Änderungen des § 98 OWiG beziehen sich auf die bereits beim Nichtbefolgungsarrest erläuterten Aspekte der Begrenzung der Arbeitsstunden (hier nach § 98 I Nr. 1 OWiG), der obligatorischen mündlichen Anhörung vor Verhängung eines Arrests44 sowie der einheitlichen Umrechnungsmaßstäbe45 und der Ausgestaltung als Ersatzmaßnahme in § 98 III Satz 3 OWiG. Des Weiteren werden Möglichkeiten der verbesserten Kooperation zwischen den Verfahrens­ beteiligten diskutiert, um die Verhängung von Arresten nach § 98 II OWiG wegen Verletzung der Schulpflicht zu vermeiden.46 Den grundsätzlichen Bedenken gegen den Arrest nach § 98 II OWiG ist zuzustimmen: Diese gesetzliche Konstruktion ist schon wegen der Vermischung von Ordnungswidrigkeitenrecht und Jugendstrafrecht zu kritisieren. Der „wesensmäßige Unterschied“ dieser Rechtsgebiete wurde auch in der entsprechenden Begründung zum OWiG 1967 mehrfach betont und daraus abgeleitet, dass „nicht 42

Für die generelle Abschaffung: DVJJ (Hrsg.), Herein-, Heraus-, Heranwachsen, Ergebnisse des Arbeitskreises 9 auf dem 30. Jugendgerichtstag, 2019, S. 716; Dünkel, RdJB 2014, 294 (296); Franzke, RdJB 2018, 428 (439 f.); McKendry, in: Schweder, 2015, 201 (210). Huhle unterbreitet verschiedene Vorschläge zur Ausgestaltung der Sanktionierung von Jugendlichen und Heranwachsenden im Ordnungswidrigkeitenrecht (Huhle, Die Sanktionierung von jungen Menschen, 2017, S. 297 ff.), wobei die Frage der Verhängung eines Jugendarrests nur am Rand aufgegriffen, aber dessen Streichung gefordert wird (a. a. O., S. 310). 43 Eine umfassende Diskussion hierzu wurde in Sachsen-Anhalt geführt, siehe Landtag von Sachsen-Anhalt, Textdokumentation über die öffentliche Anhörung in der 17. Sitzung des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung am 7. September 2012 in Magdeburg und Landtag von Sachsen-Anhalt, Plenarprotokoll 6/101, 13.11.2015, S. 8410 ff. Siehe dazu Breymann, ZJJ 2013, 74 (74 f.) und Ernst / Höynck, ZJJ 2018, 312 (319). 44 Die regelmäßige Erforderlichkeit einer Anhörung bejahend B ­ eckOK OWiG / Nestler, 19. Ed. 15.06.2018, OWiG, § 98 Rn. 42.1; KK-OWiG / Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 98, Rn. 30. Ebenfalls gegen ein rein schriftliches Verfahren Ernst / Höynck, ZJJ 2018, 312 (319). 45 In Bezug auf die Dauer des Arrests wird ergänzend gefordert, dass normiert werden sollte, dass die Höchstdauer von einer Woche nur in Ausnahmefällen angeordnet werden kann und insgesamt bei der Bemessung der Dauer auch die Höhe der Geldbuße berücksichtigt werden sollte, Gassner / Nenn, in: Blum / Gassner / Seith, OWiG, 2016, § 98, Rn. 15. Interessanterweise normiert § 96 II Satz 2 OWiG in Bezug auf die „Umrechnung“ einer Geldbuße in Erzwingungshaft, dass sich die Dauer der Erzwingungshaft auch nach der Höhe der Geldbuße richtet. In der Entwurfsbegründung wurde dazu ausgeführt, dass „Bestimmungen darüber, wie die Erzwingungshaft zu bemessen ist [fehlen und] diese Frage der Rechtsprechung überlassen bleiben“ (BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 119 (zu § 84 OWiG a. F.) muss. 46 Buck, Das Jugendamt 2012, 633 (633 ff.); Ernst / Höynck, ZJJ 2018, 312 (312 ff.); Fischer  / ​ Kick, Sozialmagazin 2010, 24 (24 ff.).

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nur in der Art der Sanktion zu unterscheiden [ist], sondern auch streng getrennte Zuständigkeiten für die Verfolgung und Ahndung zu bestimmen“47 sind. Die Lösung, dass für die Ahndung der Ordnungswidrigkeit die Verwaltungsbehörden und im Vollstreckungsverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende für die Verhängung einer erzieherischen Maßnahme der Jugendrichter zuständig ist,48 trägt dem Unterschied nicht ausreichend Rechnung. Die Aktenerhebung zeigte auch, dass die im Untersuchungszeitraum nach § 98 II OWiG verbüßten Arreste fast ausschließlich wegen Verletzung der Schulpflicht verhängt wurden.49 Hier stellt sich die Frage, ob Bußgelder und das folgende Verfahren, das ggf. mit der Verhängung eines Jugendarrests endet, ein sinnvolles und auch verhältnismäßiges Mittel zur Gewährleistung des Schulbesuchs, welcher stets das Ziel darstellen muss, sind. Bekannt ist zudem, dass Ursache einer Verletzung der Schulpflicht oft diverse Belastungsfaktoren sind.50 Die Zuständigkeit für diese Verstöße muss daher bei den Schulbehörden in Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe bleiben, diese Kooperation muss weiter gestärkt werden.51 Bei diesen Akteuren ist – anders als bei den Akteuren des Jugendstrafrechtssystems – von einem umfassenden Fachwissen zum Schulabsentismus auszugehen. Das Jugendstrafrechtssystem ist nicht der Ort, der die hinter dem Schulabsentismus stehenden Probleme bearbeiten kann. Daher ist die Normierung der Verletzung der Schulpflicht als Ordnungswidrigkeit aus den Schulgesetzen der Länder zu streichen oder das Verfahren anders auszugestalten, was in einzelnen Bundesländern auch bereits diskutiert wurde. Sollten zunächst nur die Landesgesetzgeber die Verletzung der Schulpflicht als Ordnungswidrigkeit aus den Landesschulgesetzen streichen, so sind zumindest dringende Änderungen des § 98 II OWiG nötig. Neben den bereits zu Beginn des Kapitels erläuterten Aspekten beziehen sich die Änderungen auf die Höhe der Geldbuße und die Ersatzmaßnahmen. Ganz generell ist das Zugrundelegen von Bußgeldkatalogen52 für Jugendliche und Heranwachsende im Ordnungswidrigkeitenrecht problematisch, da so weder die Lebensumstände der einzelnen Personen noch deren Einkommen (z. B. Taschen­geld, Einkommen aus Nebentätigkeit) berücksichtigt werden können. Dies 47

BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 23. BT-Drucks. V/1269, 08.01.1967, S. 39. Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung wurde allerdings davon ausgegangen, dass mehrheitlich die Verhängung der Geldbuße ausreichen und die Verhängung von Erziehungsmaßnahmen nicht geboten sein wird (a. a. O., S. 39). 49 Buhr verweist darauf, dass Bußgeldverfahren wegen Verstößen gegen das Schulgesetz „hin und wieder vorkommen“ (Buhr, in: Meier / Rössner / Trüg / Wulf, JGG, 2.  Aufl. 2014, § 54, Rn. 5) und unterschätzt damit offensichtlich die praktische Relevanz. 50 Siehe z. B. Ricking, in: Seifried / Drewes / Hasselhorn, 2016, 251 (252 ff.); Seeliger, Schulabsentismus, 2016, S. 201 ff. m. w. N. 51 So z. B. auch Buck, Das Jugendamt 2012, 633 (633 ff.); Ernst / Höynck, ZJJ 2018, 312 (312 ff.); Fischer / Kick, Sozialmagazin 2010, 24 (24 ff.); Kantak, Unsere Jugend 2016, 158 (158 ff.); Sextro, Unsere Jugend 2016, 165 (165 ff.). 52 Ein Bußgeldkatalog lag auch den Geldbußen bei Schulpflichtverletzungen zugrunde, wobei dabei eine Orientierung an der Anzahl der Fehltage erfolgte (siehe 3. Teil, Kapitel E. IV. 2. b)). 48

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7. Teil: Kriminalpolitische Forderungen und Diskussion 

führte dazu, dass die Geldbuße in den betrachteten Fällen mit durchschnittlich knapp 170 Euro sehr hoch war. Dies verdeutlicht noch einmal, dass die aktuelle Konstruktion eines besonderen Vollstreckungsverfahrens für Jugendliche und Heranwachsende nicht ausreichend ist, um den besonderen Anforderungen dieser Altersgruppe gerecht zu werden.53 Zu den Ersatzmaßnahmen konnte gezeigt werden, dass in allen Fällen Arbeitsstunden54 verhängt wurden. Dabei drängt sich die Frage auf, worin in diesen Fällen der geforderte Zusammenhang (siehe 3. Teil, Kapitel E. III. 2. b)) zwischen der begangenen Ordnungswidrigkeit und der Ersatzmaßnahme besteht. Der Ermessenspielraum ist in diesem Zusammenhang sinnvoll zu nutzen und gerade bei der Verletzung der Schulpflicht ist ein Bezug herzustellen. Beides können die Schulbehörden besser einschätzen, daher sollten sie den Vorschlag unterbreiten. Nach § 98 I Nr. 4 OWiG – „sonst eine bestimmte Leistung zu erbringen“ – besteht hier eine große Flexibilität.

B. Vorschläge de lege ferenda – allgemeine Reformansätze Im Folgenden werden die allgemeinen Reformansätze, die sich auf alle Arrestarten beziehen, vorgestellt und dazu Stellung genommen.

I. Beibehaltung von Kurz- und Freizeitarrest Diskutiert wird bei den Arrestformen – unter anderem von Dünkel, Franzke, Kobes und Pohlmann, McKendry, Ostendorf sowie Streng55 – die generelle Abschaffung von Kurz- und Freizeitarresten.56 Argumentiert wird hier vor allem mit 53

Konkrete Vorschläge für die umfassende Umstrukturierung der Sanktionierung von Jugendlichen und Heranwachsenden im Ordnungswidrigkeitenrecht können an dieser Stelle nicht geleistet werden, da dies die Dogmatik des OWiG betrifft und damit nicht die Fragestellung dieser Arbeit; insofern wird auf die umfassende Darstellung möglicher Reformvorschläge von Huhle verwiesen (Huhle, Die Sanktionierung von jungen Menschen, 2017, S. 297 ff.). 54 In der Untersuchung zeigte sich, dass durchschnittlich rund 24 Stunden und damit deutlich weniger Stunden als bei den Nichtbefolgungsarresten verhängt wurden. 55 Für die Abschaffung beider Arrestarten: Dünkel, RdJB 2014, 294 (295 ff.); Franzke, RdJB 2018, 428 (438); Kobes / Pohlmann, ZJJ 2003, 370 (372); McKendry, in: Schweder, 2015, 201 (210); Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, Grundlagen zu den §§ 13–16a, Rn. 9; Streng, Jugendstrafrecht, 2016, S. 205. So auch DVJJ (Hrsg.), Jugend ohne Rettungsschirm, Ergebnisse des Arbeitskreises 5, 2015, S. 759 mit Verweis auf die fehlende pädagogische Sinnhaftigkeit sowie DVJJ, Zweite Jugendstrafrechtsreform-Kommission, DVJJ-Journal Extra 2002, S. 83. Für den § 16a JGG fordern dies auch Kubink / Springub, Der „Warnschussarrest“, 2019, S. 49 ff.; Schmidt, NK 2019, 74 (89 f.). Sonnen (in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 16, Rn. 19) geht davon aus, dass Kurz- und Freizeitarrest im Hinblick auf den Nichtbefolgungsarrest nicht gestrichen worden ist, allerdings zeigte die Untersuchung, dass diese Arrestformen gerade beim Nichtbefolgungsarrest fast keine praktische Relevanz haben. 56 Die Abschaffung von Kurz- und Freizeitarrest wurde auch schon im Rahmen des 1. JGGÄndG ausführlich diskutiert (siehe 2. Teil, Kapitel G. I. und G. II.).

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fehlenden Möglichkeiten der pädagogischen Arbeit in so kurzer Zeit, vor allem am Wochenende – und bei 2 Freizeitarresten unter Umständen sogar mit einer Unterbrechung. Mit dieser Begründung wird auch gefordert, die Mindestdauer des Dauerarrests auf 2 Wochen57 sowie die Höchstdauer auf 3 Monate58 oder sogar 12 Monate59 zu erhöhen. Dieser Forderung ist entgegenzutreten, denn die Vermutung liegt nahe, dass bei Abschaffung von Kurz- und Freizeitarrest zumindest ein Teil der Personen, gegen die dieser verhängt worden wäre, dann zu einem Dauerarrest verurteilt würde. Diese faktische Verlängerung des Freiheitsentzugs bedürfe einer Legitimation im Sinne des § 2 I Satz 1 JGG, nämlich einer besseren Legalbewährung60 – ebenso bedürfe die Erhöhung der Mindestdauer auf 2 Wochen und / oder der Höchstdauer auf 3 oder sogar 12 Monate einer entsprechenden Legitimation. Die Heranziehung erzieherischer Aspekte als Begründung für die Streichung des Kurz- und Freizeitarrests und damit für eine Mindestdauer von einer Woche ist nur schwer mit der Realität des Arrestvollzugs in vielen Jugendarresteinrichtungen zu vereinbaren. Die Arresteinrichtungen deutschlandweit sind überwiegend „gefängnisartige“ Gebäude mit entsprechenden Arresträumen und Sicherungsmaßnahmen. Bei allen positiven Bemühungen der Ausgestaltung und insbesondere der Arbeit im Jugendarrestvollzug darf nicht verkannt werden, dass es sich beim Jugendarrest nicht um eine sozialpädagogische Hilfe, sondern um Justizvollzug handelt. Die Abschaffung von Kurz- und Freizeitarrest ist aus den genannten Gründen unter den aktuellen Rahmenbedingungen abzulehnen. Vielmehr muss darüber diskutiert werden, warum der Jugendarrest – wie die Ergebnisse der Untersuchung zeigten – so oft als Dauerarrest verhängt wird,61 ob dies wirklich erforderlich ist und welche Vorstellungen und Zielsetzungen dahinterstehen. Sollte es dabei tatsächlich – wie argumentiert – um eine längere pädagogische Einwirkung gehen, so sind im JGG andere ambulante Sanktionen ohne die allgemein bekannten ne 57

McKendry, in: Schweder, 2015, 201 (210). Kubink / Springub, Der „Warnschussarrest“, 2019, S. 68. 59 Nadolny schlägt unter veränderten Bedingungen eine Mindestdauer von 5 Monaten und eine Höchstdauer von 12 Monaten vor (Nadolny, Kriminalpolitische Forderung, 2019, S. 230 ff.), allerdings ohne dabei die Erforderlichkeit oder die Legitimation ausreichend zu begründen. 60 So auch Herrlinger, der diesbezüglich zu bedenken gab, dass es eines Nachweises über die Überlegenheit des Dauerarrests gegenüber dem Freizeit- und Kurzarrest bedürfe, wenn man den Dauerarrest als eingriffsintensivere Form behalten will [Herrlinger, DVJJ-Journal 1991, 156 (157)]. Auch im Gesetzgebungsverfahren zum 1. JGGÄndG wurde die Abschaffung der eingriffsschwächeren Formen mit Verwies auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abgelehnt (BT-Drucks. 11/7421, 19.06.1990, S. 22) (siehe 2. Teil, Kapitel G. I.). 61 Den Dauerarrest abzuschaffen und die weniger intensiven Formen des Kurz- und Freizeitarrests beizubehalten wird  – soweit ersichtlich  – aktuell nicht mehr diskutiert, so z. B. noch Gerken / Schumann, in: Gerken / Schumann, 1988b, 137 (139, 142). Ebenso wird auch die Begrenzung der Höchstdauer auf 2 Wochen aktuell nicht mehr gefordert, siehe dazu DVJJ, Zweite Jugendstrafrechtsreform-Kommission, DVJJ-Journal Extra 2002, S. 83. 58

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gativen Wirkungen eines Freiheitsentzugs sinnvoll, z. B. die Teilnahme an ambulanten sozialen Trainingskursen nach § 10 I Satz 3 Nr. 6 JGG.

II. Ausschluss der Verhängung sogenannter Sanktionscocktails Grundsätzlich ist die Verhängung von Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln oder von mehreren Zuchtmitteln nach § 8 I Satz 1 JGG zulässig. In der Aktenerhebung zeigte sich, dass neben dem Jugendarrest nach § 16 JGG oft weitere Sanktionen verhängt wurden, und zwar insbesondere Verwarnungen nach § 14 JGG, aber auch Arbeitsleistungen mit einer teilweise hohen Anzahl an Stunden. Diese sogenannten Sanktionscocktails wurden zwar mehrfach generell kritisiert,62 aber noch nicht speziell für den Jugendarrest diskutiert. Die Möglichkeit, Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel oder mehrere Zuchtmittel zu verhängen, sollte vor allem beim Jugendarrest stark eingeschränkt werden. Gerade die Erforderlichkeit einer häufig neben dem Jugendarrest ausgesprochenen Verwarnung – auch wenn sie nicht besonders eingriffsintensiv ist – dürfte nur schwer sinnvoll zu begründen sein. Hinzu kommt, dass bei Nichterfüllung von neben dem Arrest verhängten Sanktionen die Verhängung eines zusätzlichen Nichtbefolgungsarrests möglich ist. Sinnvoll erscheint einzig die Möglichkeit, neben dem Arrest eine Betreuungsweisung zu verhängen, um so die Begleitung nach Verbüßung des Arrests sicherzustellen.63

III. Reformansätze zur Vollstreckung Weitere Reformvorschläge setzen bei der Vollstreckung des Jugendarrests an. 1. Verkürzung der Frist des § 87 IV JGG Für die Vollstreckung wird eine Verkürzung der Jahresfrist des § 87 IV Satz 1 JGG diskutiert. Aktuell ist die Vollstreckung des Jugendarrests unzulässig, wenn seit Eintritt der Rechtskraft ein Jahr verstrichen ist; gemäß Satz 2 beträgt die Frist für Arreste nach § 16a JGG 3 Monate und bezieht sich auf den Beginn des Arrestvollzugs (siehe 3. Teil, Kapitel B. III.). Dazu führt Eisenberg aus, dass es kriminalpolitisch zumindest vertretbar wäre, die Frist von einem Jahr auf 9 oder 6 Monate zu verkürzen.64 62 Siehe z. B. in Bezug auf die Verhängung mehrerer ambulanter Sanktionen Spiess, in: DVJJ, 2015, 421 (436). 63 So auch z. B. Wulf, FS 2011, 104 (107). 64 Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 87, Rn. 10a; so auch Walter, NStZ 1992, 470 (472). Auch Brunner / Dölling (JGG, 13. Aufl. 2018, § 87, Rn. 3) weisen darauf hin, dass die Frist von einem Jahr zu lang sein kann.

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Die Untersuchung zeigte, dass die Vollstreckung nur selten wegen Ablauf der Frist des § 87 IV JGG unzulässig war – dies gilt auch für die verkürzte Frist des § 16a JGG. Der Gesetzgeber hebt – wie dargestellt – an verschiedenen Stellen den Beschleunigungsgrundsatz hervor, auch bei der verkürzten Frist für die Vollstreckung von Arresten nach § 16a JGG.65 Gerade die Vollstreckung rechtskräftiger Entscheidungen bietet die Möglichkeit der Beschleunigung ohne Kollision mit Verfahrensrechten der Betroffenen.66 Hier sollte unter Berücksichtigung der praktischen Abläufe geprüft werden, welche Dauer noch praktikabel ist; offensichtlich scheint die Dreimonatsfrist des § 87 IV Satz 2 JGG für Arreste nach § 16a JGG die Praxis nicht vor unerfüllbare Herausforderungen zu stellen. Auch bei Betrachtung der Zeiträume zwischen rechtskräftigen Entscheidungen und Arrestantritt wird deutlich, dass hier durchaus eine Verkürzung der Frist möglich wäre. 2. Polizeiliche Zuführung normieren Ebenfalls gefordert wird die gesetzliche Normierung der polizeilichen Zuführung zum Antritt des Jugendarrests in den Landesarrestvollzugsgesetzen67 oder im Jugendgerichtsgesetz.68 Aktuell ist die polizeiliche Zuführung nur in Nummer V.7 der Richtlinie zu §§ 82–85 JGG normiert; umstritten ist, ob dies Rechtsgrundlage für die Zuführung sein kann (siehe 3. Teil, Kapitel G. III.). Die Erhebung zeigte, dass ein großer Anteil an Personen dem Jugendarrest polizeilich zugeführt wurde. Gesetzlich normiert ist die Zuführung trotz der neuen Arrestvollzugsgesetze bisher nur in Schleswig-Holstein: Nach § 10 Satz 1 Jugendarrestvollzugsgesetz Schleswig-Holstein kann die gemäß § 85 Absatz 1 JGG zuständige Vollstreckungsleitung die Zuführung durch die Polizei anordnen, wenn die oder der Jugendliche trotz ordnungsgemäßer Ladung zum Antritt des Arrests nicht erscheint und das Ausbleiben nicht ausreichend entschuldigt ist. Durch die Normierung sollte ausweislich der Entwurfsbegründung „eine weitere vollstreckungsrechtliche Lücke“69 geschlossen werden. Eine Rechtsgrundlage hierzu ist

65 „Aus erzieherischen Gründen ist eine möglichst tatnahe, zumindest urteilsnahe Vollstreckung des verhängten Jugendarrests anzustreben. Mit zunehmender zeitlicher Distanz verlieren sich die inneren Bezüge gerade junger Menschen zu der abgeurteilten Tat immer mehr.“ (BT-Drucks. 17/9389, 24.04.2012, S. 19). 66 Auch Rose betont die – wenig beachtete – Relevanz eines schnellen Vollstreckungsverfahrens [Rose, NStZ 2013, 315 (327)]. 67 Siehe m. w. N. Rose, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 87, Rn. 18. Sonnen (in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 16, Rn. 26) geht unter den aktuellen Bedingungen von der Unzulässigkeit aus. 68 Rinio, ZfJ 2000, 300 (303 f.). Rinio geht davon aus, dass die Ermächtigungsgrundlage aus systematischen Gründen in das JGG aufzunehmen ist. Er schreibt zwar „§ 16 Abs. 5 StPO“, es ist aber davon auszugehen, dass das JGG gemeint ist. 69 Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drucks. 18/891 vom 04.06.2013, S. 47.

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7. Teil: Kriminalpolitische Forderungen und Diskussion 

im JGG oder in allen Landesarrestvollzugsgesetzen zu verankern; § 457 II Satz 1 StPO ist als Rechtsgrundlage nicht ausreichend (siehe 3. Teil, Kapitel G. III.). 3. Anschlussvollstreckungen eingrenzen Ein weiterer Diskussionspunkt sind die bisher wenig beachteten Anschlussvollstreckungen. Die durchgeführte Aktenanalyse zeigte, dass Anschlussvollstreckungen oft und nicht selten sogar mehrfach erfolgten. Problematisch daran ist, dass dieses gesetzlich nicht ausgeschlossene Vorgehen dazu führt, dass die Höchstdauer eines Jugendarrests von 7 Tagen bzw. 4 Wochen insgesamt überschritten werden kann, wenn mehrere Arreste nacheinander vollstreckt werden. Zu normieren ist, dass die Höchstdauer auch bei der Vollstreckung mehrerer Arreste gelten muss.

IV. Ausgestaltung des Jugendarrestvollzugs Die Diskussion um die Ausgestaltung des Jugendarrestvollzugs war lange geprägt von der Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage,70 inzwischen existieren Jugendarrestvollzugsgesetze (siehe 3. Teil, Kapitel G.). Neben der stets bestehenden Kritik an der unzureichenden personellen und sachlichen Ausstattung der Jugendarresteinrichtungen,71 die hier nur erwähnt sein soll, beziehen sich die aktuell geführten Diskussionen vor allem auf die (pädagogische) Ausgestaltung des Jugendarrests als soziales Training und den Vollzug des Jugendarrests in offenen Formen. Auch wenn die Ausgestaltung des Vollzugs in dieser Arbeit nicht das primäre Forschungsinteresse ist, lassen sich aus der Gesamtbetrachtung der Erkenntnisse dieser Arbeit doch relevante Punkte ermitteln, auf die im Folgenden eingegangen wird. Vielfach wird gefordert, den Jugendarrest als stationären sozialen Trainingskurs auszugestalten,72 was auch schon in einige Landesarrestvollzugsgesetze aufgenommen wurde.73 Dies umfasst neben der Änderung des Begriffs das Ziel, die 70

Jaeger, Zur Notwendigkeit und Ausgestaltung eines Jugendarrestvollzugsgesetzes, 2010; Kaplan, NK 2018, 77 (77 ff.); Kobes / Pohlmann, ZJJ 2003, 370 (376). 71 Die Länderkommission der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter hat 2013, 2014 und 2015 Besuche in mehreren Jugendarrestanstalten durchgeführt und teilweise die „im Jugendarrest häufiger anzutreffenden Missstände“ (Nationale Stelle zur Verhütung von Folter, Jahresbericht 2015, 2016, S. 30 sowie die einzelnen Jahresberichte) wie etwa unangemessene bauliche Zustände und nicht hinreichend qualifiziertes Personal bemängelt. Auch in der Literatur sind Mängel und Strukturprobleme des Arrestvollzuges immer wieder ein Thema [siehe z. B. Kaplan, NK 2018, 77 (86); Ostendorf, ZRP 2010, 20 (20 ff.); Walkenhorst, in: Redmann / Hußmann, 2015, 96 (108 ff.)]. 72 Siehe z. B. Walkenhorst, FS 2011, 95 (95 ff.); Wulf, in: DVJJ Baden-Württemberg, 2011, 29 (41 ff.). 73 In den Landesvollzugsgesetzen wurde dies teilweise bereits aufgegriffen, siehe z. B. Gesetz über die Gestaltung und Durchführung des Jugendarrestes in Baden-Württemberg

B. Vorschläge de lege ferenda – allgemeine Reformansätze

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„positiv-spezialpräventive Ausrichtung“74 dieser Sanktion zu verdeutlichen. Für die konkrete Ausgestaltung eines solchen stationären Trainingskurses liegen verschiedene Konzepte vor, die unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Wulf legte dazu einen umfassenden Diskussionsentwurf vor, in dem z. B. Änderungen zu Struktur und Gestaltung des stationären sozialen Trainings vorgesehen waren.75 Auch die Fachkommission Jugendarrest sprach sich für Änderungen bei Unterbringung, Förderprogramm und Nachsorge aus.76 Streng geht hingegen davon aus, dass die Ausgestaltung als stationärer sozialer Trainingskurs bedeuten würde, „die existierende Regelung des § 90 I S. 2–3 JGG ernst zu nehmen“.77 Neben der Ausgestaltung als stationäres soziales Training wird diskutiert, den Jugendarrest in freien oder offenen Formen – das heißt z. B. mit der Ermöglichung von Aus- und / oder Freigang – zu vollziehen,78 insbesondere damit die Arrestanten ggf. ihre schulische bzw. berufliche Ausbildung oder ihre Arbeitstätigkeit fortsetzen können. Darüber hinaus geht es um die bauliche Ausgestaltung mit verringerten Sicherungsmaßnahmen.79 Diese Möglichkeit von Vollzugsöffnungen wurde bereits in Landesarrestvollzugsgesetzen, z. B. in Schleswig-Holstein,80 NordrheinWestfalen und Hamburg, aufgenommen. Die ganz grundsätzlich vorgeschlagene Umbenennung des Jugendarrests in „statio­näres soziales Training“ kann zwar ein erster Schritt sein und Signalwirkung entfalten; allerdings bewirkt die bloße Änderung der Bezeichnung nicht automatisch Veränderungen in der Praxis. Hier ist umfassend an der konkreten Ausgestaltung anzusetzen, wofür bereits Ideen vorliegen, deren Prüfung, Implementierung und Evaluation nötig sind. Auch bedarf es der Prüfung der Frage, woraus genau sich Erfordernis und Legitimation eines Freiheitsentzugs durch Jugendarrest dann (Jugendarrestgesetz – JArrG). Weiterführend dazu Gernbeck, Stationäres soziales Training, 2017, S. 114 ff.; Knauer, in: DVJJ, 2019, 201 (209 f.). 74 Ostendorf, ZRP 2010, 20 (21); so auch schon Ostendorf, MschrKrim 1995, 352 (360). 75 Wulf, in: DVJJ Baden-Württemberg, 2011, 29 (41 ff.). 76 Ostendorf, ZRP 2010, 20 (21); so auch schon Ostendorf, MschrKrim 1995, 352 (360). Zur Bildung im Jugendarrest siehe Kaplan, NK 2018, 77 (86); Walkenhorst, FS 2011, 95 (95 ff.). 77 Streng, Jugendstrafrecht, 2016, S. 205. 78 DVJJ, Zweite Jugendstrafrechtsreform-Kommission, DVJJ-Journal Extra 2002, S. 85; Feltes, in: DVJJ, 1981, 290 (301 f.); Jaeger, Zur Notwendigkeit und Ausgestaltung eines Jugendarrestvollzugsgesetzes, 2010, S. 237; Kaplan, NK 2018, 77 (82, 88); Ostendorf, in: Redmann / Hußmann, 2015, 71 (80) mit Verweis auf § 26 IV ­JAVollzG NRW und § 61 IV ­JAVollzG Schleswig-Holstein. 79 Insofern verweist Wulf [in: DVJJ Baden-Württemberg, 2011, 29 (37)] auf einen Vollzug ohne hohe Mauern, ohne Videoüberwachung und ohne Detektionsanlagen. Dazu weiterführend Redmann, in: Redmann / Hußmann, 2015, 198 (198 ff.) und Vogel, in: Redmann / Hußmann, 2015, 216 (216 ff.). 80 Im Gesetzesentwurf über den Vollzug des Jugendarrestes in Schleswig-Holstein wurde dazu ausgeführt, dass der Aufenthalt außerhalb der Anstalt dazu dienen kann, den Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu erreichen, Förderangebote oder auch persönliche Angelegenheiten wie die Wahrnehmung eines Gerichts- oder Behördentermins oder eines Vorstellungsgesprächs wahrzunehmen (Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drucks. 18/891 vom 04.06.2013, S. 50).

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7. Teil: Kriminalpolitische Forderungen und Diskussion 

ergeben und ob nicht ein ambulanter sozialer Trainingskurs nach § 10 I Nr. 6 JGG ausreichend ist.81 Ähnlich ist auch zum Vollzug in offenen / freien Formen zu diskutieren, woraus sich das Erfordernis eines Freiheitsentzugs ergibt und ob sich ein solcher noch maßgeblich von einem ambulanten Trainingskurs nach § 10 JGG unterscheidet. Im Ergebnis stellt sich also die Frage, ob die stationäre Durchführung eines solchen Trainingskurses, ggf. in offenen / freien Formen, im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes überhaupt noch erforderlich ist.

C. Ansätze de lege lata Die bisher diskutierten Ansätze erfordern Änderungen der Normen zum Jugend­ arrest und setzen damit auf Ebene des Gesetzgebers an. Es konnten aber auch Ansatzpunkte identifiziert werden, die schon nach geltendem Recht, also de lege lata, umsetzbar sind oder umgesetzt werden müssen und damit einen Appell an die Praxis darstellen. Schon ganz grundlegend bezieht sich dies darauf, dass Jugendarrest nicht schematisch, sondern nur in begründeten Fällen verhängt werden darf. Es gibt keinen Fall, in dem Jugendrichter einen Jugendarrest verhängen müssen.82 Konkrete Ansatzpunkte für die Praxis zeigten sich insbesondere beim Nichtbefolgungsarrest und beim Arrest nach § 98 II OWiG, was auch daran liegt, dass die Verfahren schon jetzt sehr flexibel ausgestaltet sind. So können z. B. Weisungen und Auflagen nach § 11 III, 15 III 1 JGG nachträglich geändert oder es kann von ihnen befreit werden. Diese Flexibilität bietet schon de lege lata gute Möglichkeiten für eine sinnvolle Begrenzung der Verhängung von Jugendarresten. Darüber hinaus sind zwei Ansatzpunkte besonders relevant, da sie nicht nur Möglichkeiten darstellen, sondern verpflichtend sind. Dies betrifft die Begründungspflicht nach § 54 I JGG und die Prüfung geänderter Umstände nach § 87 III JGG.

I. Umsetzung des Begründungserfordernisses Nach allgemeiner Ansicht enthält § 54 I JGG gegenüber dem allgemeinen Strafrecht eine besondere Begründungspflicht für die Rechtsfolgenauswahl, die Bemessung und die Erforderlichkeit der jeweiligen Sanktion in Urteilen.83 Darüber hinaus 81

Ein entsprechender Hinweis findet sich auch bei Feltes, NStZ 1993, 105 (112). Siehe dazu Schäffer: „Mein Rat: Schlagen Sie keinen Jugendarrest vor, beantragen Sie keinen, verhängen Sie keinen, seien Sie geduldig, wenn es um die Erfüllung von Weisungen und Auflagen geht.“ [Schäffer, DVJJ-Journal 2002, 43 (47)]. 83 ­BeckOK JGG  / Kunkel, 9. Ed. 01.05.2018, § 54, Rn. 47; Buhr, in: Meier / Rössner / Trüg / Wulf, JGG, 2. Aufl. 2014, § 54, Rn. 53; Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 54, Rn. 31,33; Schady, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 54, Rn. 13; Schatz, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7.  Aufl. 2015, § 54, Rn. 29. 82

C. Ansätze de lege lata

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umfasst diese Pflicht beim Jugendarrest auch Ausführungen zu Arrestform und kon­ kreter Dauer.84 Diese Begründungspflicht bezieht sich neben den Urteilen nach §§ 16, 16a JGG auch auf Beschlüsse zum Nichtbefolgungsarrest, deren Begründungspflicht sich aus §§ 34, 35a StPO i. V. m. § 2 JGG ergibt.85 Bei Beschlüssen nach § 98 II OWiG muss die Verhängung von Jugendarrest „im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips erforderlich sein“86 und dies auch so in den Entscheidungen dargelegt werden. In der Erhebung wurde deutlich, dass in einer Vielzahl der Entscheidungen weder die Auswahl der Sanktion Jugendarrest noch die konkrete Dauer des Arrests individuell begründet wurde. In den Urteilen wurde oft der Wortlaut der Normen (§§ 13, 16, 16a JGG) wiedergegeben und den Beschlüssen lagen i. d. R. Textvorlagen zugrunde, mit denen sogar das Merkmal der Erforderlichkeit abgehandelt wurde. Gerade beim Jugendarrest, der mit einem Freiheitsentzug verbunden und die, nach der Jugendstrafe, eingriffsintensivste Sanktion des Jugendstrafrechts ist, sind die Anforderungen an eine Begründung besonders hoch anzusetzen. Hier müssen die Gerichte die bereits in § 54 JGG verankerte Begründungspflicht ernst nehmen und die Verhängung von Jugendarrest in den Urteilsgründen sowie den Beschlüssen individuell begründen. Auch Ausführungen zur Erforderlichkeit fehlten in vielen Urteilen; dies betrifft ganz generell die Frage nach einem milderen Mittel,87 welches im Vergleich zum Jugendarrest – gemessen an der Eingriffsintensität – Erziehungsmaßregeln oder auch ambulante Zuchtmittel sind. Bei der Verhängung von Nichtbefolgungsarrest betrifft dies die Frage, ob eine Umwandlung in eine ambulante Sanktion oder das Absehen von der Verhängung möglich ist.88 In engem Zusammenhang mit fehlenden Begründungen steht die Tatsache, dass die Urteile vielfach nach § 267 IV StPO abgekürzt waren. Dies ist zwar zulässig, allerdings sollte von dieser Möglichkeit nach allgemeiner Ansicht richtigerweise nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden,89 regelmäßig wohl nur bei einem Freispruch.90 Neben diesen Gründen sind das Fehlen der Begründung oder 84

Buhr, in: Meier / Rössner / Trüg / Wulf, JGG, 2. Aufl. 2014, § 54, Rn. 59; Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 54, Rn. 33. So auch schon Möller, in: DVJJ, 1981, 311 (315 f.); Potrykus, JGG, 3. Aufl. 1954, § 39, Bemerkung 3; § 13, Vorbemerkung. 85 Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 65, Rn. 5. Nach a. A. ist keine Begründungspflicht vorgesehen, eine Begründung sollte jedoch „selbstverständlich“ sein (Meier, in: Meier / Rössner / Trüg / Wulf, JGG, 2.  Aufl. 2014, § 65, Rn.  9). 86 Huhle, Die Sanktionierung von jungen Menschen, 2017, S. 217. 87 ­BeckOK JGG  / Kunkel, 9. Ed. 01.05.2018, § 54, Rn. 49; Schady, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 54, Rn. 17. 88 Dünkel, RdJB 2014, 294 (296); Kratochvil-Hörr, Der Beschlussarrest, 2016, S. 220; Sonnen, in: Diemer / Schatz / Sonnen, JGG, 7. Aufl. 2015, § 16, Rn. 24. 89 Brunner / Dölling, JGG, 13. Aufl. 2018, § 54, Rn. 17; Schady, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, § 54, Rn. 13. Kunkel begründet dies mit dem Erziehungsgedanken (­BeckOK JGG / Kunkel, 9. Ed. 01.05.2018, § 54, Rn. 39). 90 Buhr, in: Meier / Rössner / Trüg / Wulf, JGG, 2. Aufl. 2014, § 54, Rn. 41; Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 54, Rn. 26.

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7. Teil: Kriminalpolitische Forderungen und Diskussion 

die Abkürzung der Urteilsgründe auch insofern besonders problematisch, da die Begründung im Sinne einer Nachvollziehbarkeit für andere Akteure, vor allem die Arbeit im Vollzug, relevant ist.

II. Umsetzung der Prüfungspflicht des § 87 III Satz 1 JGG Ebenfalls wichtiger Ansatzpunkt ist § 87 III Satz 1 JGG, wonach der Vollstreckungsleiter von der Vollstreckung des Jugendarrests ganz oder, wenn der Jugend­a rrest teilweise verbüßt ist, von der Vollstreckung des Rests absieht, wenn seit Erlass des Urteils Umstände hervorgetreten sind, die allein oder in Verbindung mit den bereits bekannten Umständen ein Absehen von der Vollstreckung aus Gründen der Erziehung rechtfertigen. Damit verpflichtet § 87 III Satz 1 JGG den Vollstreckungs­leiter zur Prüfung geänderter Umstände. Dies umfasst z. B. die Prüfung einer möglicherweise neuen Arbeits-/Ausbildungsstelle oder einer wieder aufgenommenen Schulausbildung.91 Allerdings sind auch weitere Aspekte, z. B. neue stabile Beziehungen, zu berücksichtigen. Die besondere Relevanz dieser Prüfung ergibt sich auch aus der langen Verfahrensdauer, denn gerade in dieser Lebensphase ergeben sich oft schon in kurzer Zeit viele Veränderungen. Sowohl in anderen92 als auch in der durchgeführten Untersuchung deutet sich an, dass das Potenzial zur Überprüfung des Absehens von der Vollstreckung aktuell nicht umfassend genutzt wird. Bei Betrachtung der Fälle im Dokumentationssystem VZettchen, bei denen von der Vollstreckung abgesehen wurde, zeigte sich, dass nur sehr selten § 87 III JGG als Erledigungsgrund genannt war. Zudem deuteten Angaben in den selbst ausgefüllten Fragebögen sehr klar auf geänderte Umstände, z. B. den Schulbesuch, hin. Daher ist nachdrücklich zu betonen, dass die Vollstreckungsleiter der Verpflichtung aus § 87 III JGG nachkommen müssen, indem sie aktiv mit den beteiligten Akteuren in Kontakt treten, sicher vor allem mit der Jugendgerichtshilfe / Jugendhilfe im Strafverfahren. Aber auch die Jugendgerichtshilfe / Jugendhilfe im Strafverfahren muss diese Norm zum Anlass nehmen, sich aktiv mit der Frage geänderter Umstände zu befassen und ggf. das Absehen von der Vollstreckung anregen.93 91 So auch LG Kaiserslautern, Beschluss vom 28.03.2007, 8 Qs 5/07 = ZJJ 04/2010, 430; BT-Drucks. 11/5829, 27.11.1989, S. 35. 92 So auch Rose / Friese, ZJJ 2016, 10 (16); so auch schon Hinrichs, DVJJ-Journal 1999, 267 (267 f.). 93 Siehe dazu auch die Entwurfsbegründung zum 1. JGGÄndG: „Der Vertreter der Jugendgerichtshilfe wird die Veränderungen im Leben des Jugendlichen, die Entscheidungen nach § 87 Abs. 3 Satz 1, 2 oder 3 JGG […] auslösen können, nicht selten selbst in die Wege geleitet haben; zumindest aber wird er davon eher erfahren als der Staatsanwalt oder Richter. Gegebenenfalls wird auch von ihm die Anregung zu einem Vollstreckungsverzicht ausgehen. Der Entwurf schlägt deshalb für den Vertreter der Jugendgerichtshilfe – entsprechend § 65 Abs. 1 Satz 2 JGG i. d. F. d. E. – ein Anhörungsrecht vor.“ (BT-Drucks. 11/5829, 27.11.1989, S. 35).

D. Zwischenfazit 7. Teil

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In diesem Sinne normiert § 87 III Satz 4 JGG auch, dass der Vollstreckungsleiter nach Möglichkeit vor der Entscheidung das erkennende Gericht, die Staatsanwaltschaft und die Vertretung der Jugendgerichtshilfe / Jugendhilfe im Strafverfahren hört; dies ist allerdings nicht zwingend. Da sich § 87 III Satz 1 JGG explizit auf Umstände bezieht, die nach Erlass des Urteils hervorgetreten sind und damit vom erkennenden Gericht noch gar nicht berücksichtigt werden konnten, handelt es sich auch keinesfalls um eine – vielleicht aus kollegialen Gründen schwierige – Korrektur der ursprünglichen Entscheidung. Zudem müssen die Ergebnisse der Nachforschungen – auch im Fall einer negativen Entscheidung – zumindest als Vermerk der Akte hinzugefügt werden, da dieser Anlass für eine vorzeitige Entlassung aus dem Vollzug sein könnte. Auch diese Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung, die aktuell, zumindest in der untersuchten Jugendarresteinrichtung, teilweise eher schematisch erfolgte, ist individuell zu prüfen. Gerade im Vollzug können durch den persönlichen Kontakt mit den Jugendlichen Umstände bekannt werden, die eine vorzeitige Entlassung aus erzieherischen Gründen rechtfertigen. § 87 III JGG ist damit aktuell schon ein gutes Instrument, um geänderten Umständen gerecht zu werden und mit dem Vollzug verbundene negative Auswirkungen, wie z. B. eine Unterbrechung des Schulbesuchs oder der Ausbildung / A rbeit, zu verhindern.94

D. Zwischenfazit 7. Teil I. Vorab: Erziehung als Legitimationsgrundlage für Reformen? Einige der diskutierten Reformansätze zum Jugendarrest werden mit erzieherischen Aspekten, wie dem Argument der Möglichkeit einer pädagogischen Einwirkung, begründet. Das Heranziehen entsprechender Argumente bei Änderungen zum Jugendarrest ist zum Teil plausibel, z. B. wenn es um Flexibilität der Verfahren geht. Diese Argumentation stößt aber dann an ihre Grenzen, wenn z. B. die Verlängerung des Freiheitsentzugs gefordert wird. Ganz deutlich wird dies bei der häufig vorgebrachten Forderung nach Abschaffung der eingriffsschwächeren Formen des Kurz- und Freizeitarrests, z. B. „für eine erfolgversprechende sozialpädagogische Einwirkung auf den Täter“95, sowie zuletzt sogar der Vorschlag einer 94

Auch Rose und Friese bewerten § 87 III JGG als „bedeutsames und pädagogisch wertvolles Instrument“ und sehen in dieser Norm großes, bisher teilweise ungenutztes Potential [Rose / Friese, ZJJ 2016, 10 (16)]. Ostendorf erläutert diesbezüglich, dass durch eine sorgfältige Prüfung dieser Möglichkeit „schädliche Auswirkungen, z. B. Stigmatisierungseffekte, Unterbrechung oder Abbruch schulischer oder beruflicher Ausbildung“ verhindert werden können [Ostendorf, ZRP 2010, 20 (20)]. 95 Dölling, ZJJ 2014, 92 (93).

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7. Teil: Kriminalpolitische Forderungen und Diskussion 

Höchstdauer des Jugendarrests von 3 Monaten „unter vorrangig erzieherischen Vorzeichen“.96 Dazu ist zunächst festzustellen, dass sich – wie im 2. Teil und 3. Teil deutlich wurde – das Verständnis und die Ausgestaltung des Jugendarrests seit seiner Einführung umfassend verändert hat,97 was auch mit einem veränderten Verständnis von Erziehung zusammenhängt. Insbesondere beim Gesetzgebungsverfahren zum 1. JGGÄndG wurden erzieherische Aspekte des Jugendarrests diskutiert und entsprechende Änderungen teilweise umgesetzt.98 Trotz dieser Entwicklung ist der Jugendarrest ein Zuchtmittel mit (zumindest auch) ahnendem Charakter. Dies zeigt sich auch an verschiedenen Stellen im Gesetz: So werden im JGG teilweise erzieherische Aspekte des Jugendarrests hervorgehoben, z. B. das Ziel einer nachdrücklichen erzieherischen Einwirkung (§ 16a I Nr. 3 JGG) und die erzieherische Gestaltung des Vollzugs sowie Hilfe bei der Bewältigung von Schwierigkeiten (§ 90 I Satz 2, 3 JGG). An anderen Stellen wird der ahnende, repressiv-strafende Charakter des Jugendarrests deutlich, z. B. in der Zielsetzung, dem Jugendlichen das Unrecht der Tat vor Augen zu führen (§ 13 I, § 90 I Satz 1 JGG). Bei der jüngsten umfassenden Änderung zum Jugendarrest, nämlich der Einführung des Jugendarrests neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe, wurden ebenfalls sowohl erzieherische als auch repressive Elemente des Jugendarrests hervorgehoben. So hieß es in der Entwurfsbegründung, dass einerseits „erzieherische Belange in einem positiven Sinne noch stärkeres Gewicht erhalten“99 sollen; andererseits wurde betont, dass der Jugendarrest „auch bei einer konstruktiven erzieherischen Ausgestaltung […] weiterhin Elemente der Bestrafung für begangenes Unrecht“100 enthält. Diese unterschiedlichen Zielsetzungen führen zu Problemen bei der Argumentation.101 Zum einen ist die Betonung erzieherischer Aspekte beim Jugendarrest 96

Kubink / Springub, Der „Warnschussarrest“, 2019, S. 69. Zuvor forderte z. B. Feltes die Aufhebung des „erzieherischen Deckmantels“ [Feltes, ZStW 1988, 158 (180 ff.)]. Ähnlich bezeichneten auch Gerken und Schumann die pädagogische Gestaltung des Jugendarrests als „Augenwischerei“ [Gerken / Schumann, in: Gerken / Schumann, 1988b, 137 (141)]. 98 So wurde z. B.  – wie bereits erläutert  – in der Begründung zum 1. JGGÄndG ausgeführt, dass der „erzieherische […] Aspekt beim Jugendarrest stärker betont“ werden sollte (­BT-Drucks. 11/5829, 27.11.1989, S. 11). 99 BT-Drucks. 17/9389, 24.04.2012, S. 12. 100 BT-Drucks. 17/9389, 24.04.2012, S. 12. 101 Bezüglich dieser Stellung des Jugendarrests im Jugendstrafrechtssystem wurde bereits vielfach Kritik geübt. Schumann arbeitete verschiedene Zielsetzungen des Jugendarrests – nämlich Abschreckung, Besinnung und Erziehung – heraus und kritisierte deren Widersprüchlichkeit [Schumann, ZfJ 1986, 363 (363 f.)]. Lange beschrieb schon sehr früh – und vor der zusätzlichen Ausweitung des Anwendungsbereiches von Jugendarrest – die praktische Folge der Widersprüchlichkeit von Erziehung und Strafe damit, dass „der Wirkungsbereich des Jugendarrestes überspannt wird, daß ihm Aufgaben zugemutet werden, deren Erfüllung sich gegenseitig ausschließt“ [Lange, in: Probleme der Strafrechtserneuerung, Festschrift Kohlrausch, 1944, 44 (54)]. 97

D. Zwischenfazit 7. Teil

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hinsichtlich des in § 2 I Satz 2 JGG verankerten Erziehungsgedankens und der Zielsetzung der positiven Individualprävention zu begrüßen, zum anderen ist fraglich, welche Forderungen sich wirklich mit dem Schlagwort „Erziehung“ begründen lassen, wenn es um Freiheitsentzug geht.102 Denn schon die Annahme, dass sich eine erzieherische Einwirkung – was auch immer darunter konkret zusammengefasst wird103 – in Zwangskontexten,104 und zwar gerade im Jugendarrest als strafrechtliche Sanktion, überhaupt umsetzen lässt, ist umstritten.105 Die Frage, die sich hierbei stellt, ist, inwieweit erzieherische Aspekte überhaupt als Legitimation herangezogen werden können, wenn diese im Ergebnis z. B. zu einer längeren Arrestdauer durch Abschaffung des Kurz- und Freizeitarrests führen. Diese Argumentation birgt die Gefahr, dass nicht ausreichend berücksichtigt ist, dass Jugendarrest – auch bei möglicherweise pädagogischer Ausgestaltung des Arrestvollzugs – eine eingriffsintensive jugendstrafrechtliche Sanktion darstellt, die Freiheitsentzug bedeutet. Sollen folglich erzieherische Erwägungen als Legitimationsgrundlage für Reformen zum Jugendarrest herangezogen werden, so ist genau zu prüfen, welche Änderungen zum Jugendarrest sich unter den aktuellen Rahmenbedingungen im Arrestvollzug wirklich damit begründen lassen. Diesen Gedanken wurde bei der Bewertung der Reformansätze Rechnung getragen.

II. Zusammenfassung Die Ergebnisse dieser Arbeit – wenn auch nur für ein Bundesland und einen Zeitraum von einem halben Jahr – weisen auf erhebliche Probleme im rechtstatsächlichen Umgang mit dem Jugendarrest hin und legitimieren schon für sich genommen Reformüberlegungen. Wie erwartet beziehen sich auch die Schwerpunkte der aktuellen Reformdebatte auf diese Problembereiche, die auch in anderen empirischen und dogmatischen Arbeiten zum Jugendarrest benannt sind. 102

Siehe dazu auch die Überlegungen zum Erziehungsgedanken von Streng, ZStW 1994, 60 (81): „spezialpräventiv-erzieherisch gedachten Maßnahmen im Rahmen repressiven strafrechtlichen Vorgehens“ und Walter, NStZ 1992, 470 (471): „Eine Argumentation mit erzieherischen Erwägungen sollte künftig nur zur Verringerung des strafrechtlichen Zugriffs gestattet sein sowie zur Sinnerfüllung tatschuldrechtlich begrenzter und verhältnismäßiger Sanktionen.“ 103 Was genau unter „Erziehung“ zu verstehen ist, ist – vor allem zwischen den Disziplinen – sehr umstritten (m. w. N. Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 2, Rn. 5 ff.). Pieplow bezeichnete Erziehung z. B. als „Chiffre“ [Pieplow, in: Walter, 1989, 5 (5)]; Gerken und Schumann als „Trojanisches Pferd im Rechtsstaat“ [Gerken / Schumann, in: Gerken / Schumann, 1988a, 1 (1)]. 104 Dazu weiterführend Lindenberg / Lutz, in: Redmann / Hußmann, 2015, 42 (42 ff.). 105 So auch schon Sonnen: „Das veränderte Erziehungsverständnis verträgt sich allerdings nicht mit der totalen Institution Jugendarrest.“ [Sonnen, DVJJ-Journal 1991, 55 (58)]. Ähnlich weist auch Goeckenjan auf die rechtstatsächliche Situation im Jugendarrest hin und formuliert: „Gleichwohl darf nicht übersehen werden, dass dem Jugendarrest Nachteile immanent sind, die auch eine verbesserte pädagogische Ausgestaltung des Vollzugs nicht vollständig beheben kann.“ [Goeckenjan, ZJJ 2013, 67 (68)]. Auch Walkenhorst weist auf diese Problematik hin [Walkenhorst, in: Redmann / Hußmann, 2015, 96 (108 ff.)].

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7. Teil: Kriminalpolitische Forderungen und Diskussion 

Im Ergebnis ist festzuhalten: Vielen der zum Teil schon lange und immer wieder vorgebrachten Ansätzen ist – auch auf Grundlage der Ergebnisse dieser Studie und der veränderten Rechtslage – zuzustimmen. Zusammenfassend sind vor allem diese Änderungen zum aktuellen Jugendstrafrechtssystem de lege ferenda zu fordern: – Streichung des Jugendarrests nach § 16a JGG und Wiedereinführung des Kopplungsverbots, – Streichung des Jugendarrests nach § 98 II OWiG, insbesondere wegen Verletzung der Schulpflicht, – Einschränkung des Anwendungsbereichs des Nichtbefolgungsarrests, – Ausschluss sogenannter Sanktionscocktails, sofern diese nicht sinnvoll begründet sind, – klarstellende Änderungen für die Vollstreckung und die Verkürzung der Frist des § 87 IV JGG sowie – Eröffnung neuer Perspektiven für den Vollzug des Jugendarrests unter Berücksichtigung der aktuell herrschenden Rahmenbedingungen. Abzulehnen ist unter den aktuellen Bedingungen vor allem die vielfach geforderte Streichung von Kurz- und Freizeitarresten, da dadurch eine vermehrte Verhängung von Dauerarresten zu befürchten ist („net-widening-effect“). Zur in den letzten Jahren sehr ausführlich geführten Diskussion um die Ausgestaltung des Vollzugs ist zu beachten, dass mit dem Erziehungsgedanken beim Jugendarrest vorsichtig zu argumentieren ist (siehe 7. Teil, Kapitel D. I.). Teilweise entsteht der Eindruck, dass hier nicht immer ausreichend beachtet wird, dass Jugendarrest eine freiheitsentziehende Sanktion ist und nicht etwa eine Hilfeform. Auch de lege lata zeigten sich schon zahlreiche Ansatzpunkte, vor allem da die Verfahrensnormen viel Flexibilität ermöglichen. Hier ist die Praxis aufgefordert, die bestehenden Möglichkeiten sinnvoll zu nutzen. Allen genannten Reformansätzen ist gemein, dass sie den Anwendungsbereich einschränken und damit Arrestverhängungen und -vollstreckungen zurückdrängen würden. Dies ist aber nicht als Selbstzweck zu verstehen. Vielmehr geht es darum zu beachten, dass ein Freiheitsentzug – auch im Sinne viele internationaler Normen, z. B. Art. 37 b) der UN-KRK – nur als letztes Mittel und für die kürzeste angemessene Zeit verhängt werden darf.106 Nach den Ergebnissen der durchgeführten Studie bestehen erhebliche Zweifel daran, dass diese Grundsätze bei der Verhängung von Jugendarresten beachtet werden. 106

So auch Art. 10 der Richtlinie 2016/800: Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Freiheitsentzug bei Kindern in jeder Phase des Verfahrens auf den kürzesten angemessenen Zeitraum begrenzt wird. […] (2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Freiheitsentzug, insbesondere Haft, bei Kindern nur als letztes Mittel eingesetzt wird. […]

8. Teil

Resümee und Ausblick In dieser Arbeit konnten etliche Ansatzpunkte für Reformen innerhalb der grundlegenden Systematik des geltenden Jugendgerichtsgesetzes identifiziert werden. Reformbedarfe zum Jugendarrest wurden auch vom Gesetzgeber schon mehrfach betont und Reformen in verschiedenen Gesetzgebungsverfahren zum Jugendstrafrecht angekündigt, umfassende Reformen wurden allerdings mehrfach auf einen späteren Zeitpunkt verschoben (siehe 2. Teil und 3. Teil). Allerdings wurde in den letzten Jahren mehrfach die Erforderlichkeit von Reformen des Jugendstrafrechts aufgrund immer mehr an Bedeutung gewinnender internationaler Normen1 betont, wobei vor allem der Jugendarrest thematisiert wurde. Deutlich wurde die Relevanz internationaler Normen zuletzt im Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2016/800 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über Verfahrensgarantien im Strafverfahren für Kinder,2 die Verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren sind.3 Das umsetzende Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren wurde am 16. Dezember 2019 im Bundesgesetzblatt verkündet4 und trat in wesentlichen Teilen am 17. Dezember 20195 in Kraft.6 Im Gesetzgebungsverfahren spielte der Jugendarrest an 2 Stellen eine Rolle, zum einen bei der Rechtsmittelbeschränkung des § 55 I JGG und zum anderen bei der Frage, ob Jugendarrest einen Freiheitsentzug als Strafe darstelle.

1

Siehe zur Relevanz internationaler Normen auch Neubacher, in: Höynck / Neubacher / ​ Ernst / Zähringer, 2020, 1 (1 ff., 25). 2 Nach der Legaldefinition in Art. 3 Unterabsatz 1 Nr. 1 der Richtlinie ist Kind „eine Person im Alter von unter achtzehn Jahren“. Dass die Vorgaben der Richtlinie, soweit sie einschlägig sind, auch auf Heranwachsende Anwendung finden müssen, scheint unumstritten und ist in den Entwürfen auch so vorgesehen. 3 ABl. L 132 vom 21.05.2016. 4 BGBl. 2019, Teil I, S. 2146. 5 Die Regelungen zur audiovisuellen Aufzeichnung von Beschuldigtenvernehmungen in der StPO und die Verweisung in § 70c JGG traten zum 1. Januar 2020 in Kraft. 6 Zur Frage der unmittelbaren Geltung der Richtlinie vor Inkrafttreten des Gesetzes siehe Bock / Puschke, ZJJ 2019, 224 (224 ff.). Zur Frage der notwendigen Verteidigung führen die Autoren aus: „Jugendliche Beschuldigte können damit unmittelbar aus Art. 6 Abs. 2, 6 und 8 KiRL einen Anspruch auf Unterstützung durch einen Rechtsbeistand herleiten.“ [Bock / Puschke, ZJJ 2019, 224 (228)]. So auch LG Chemnitz, Beschluss vom 27.06.2019, 2 Qs 257/19 und Eckel / Körner, NStZ 2019, 433 (434 f.).

258

8. Teil: Resümee und Ausblick

A. Sachliche Rechtsmittelbeschränkung, § 55 I JGG § 55 I JGG sieht eine sachliche Rechtsmittelbeschränkung vor, die zum Teil stark kritisiert wird (siehe 3. Teil, Kapitel F.). Der Referentenentwurf des Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 11. Oktober 2018 sah eine Lockerung der Rechtsmittelbeschränkung vor: Nach § 55 I Satz 1 JGGRefE sollte die sofortige Beschwerde nach § 309 StPO gegen eine Entscheidung, in der Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel angeordnet sind, zulässig sein. Die sofortige Beschwerde eröffne nach der Entwurfsbegründung die „Überprüfung der betroffenen Sanktionsentscheidungen durch ein höheres Gericht und ist entsprechend dem erzieherischen Anliegen weniger aufwändig und verfahrensverlängernd als die Rechtsmittel der Berufung oder Revision“.7 Damit sei auch der für die Beibehaltung der Rechtsmittelbeschränkung in diesem Zusammenhang immer wieder betonte Beschleunigungsgrundsatz gewahrt, da die Beschwerde gemäß § 311 II StPO binnen einer Woche ab Bekanntmachung der Entscheidung einzulegen ist; die Frage nach der aufschiebenden Wirkung wurde im Referentenentwurf nicht thematisiert.8 Ganz generell begründet wurde die vorgesehene Änderung mit Art. 19 der Richtlinie 2016/800 (Rechtsbehelfe),9 Art. 40 der UN-KRK,10 sowie mit den Ergebnissen einer vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eingesetzten Expertenkommission11 und dem daraufhin gefassten Beschluss der Justizministerkonferenz 2016.12 In den Stellungnahmen zum Referentenentwurf wurde der Vorschlag der Rechtsmittelerweiterung ganz überwiegend begrüßt,13 allerdings teilweise mit dem Hin 7 Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren, 11.10.2018, S. 58. 8 Die sofortige Beschwerde hat nur in Fällen, in denen dies ausdrücklich normiert ist, aufschiebende Wirkung. § 65 II 3 JGG normiert die aufschiebende Wirkung für die Fälle der sofortigen Beschwerde gegen einen Beschluss, in dem ein Jugendarrest verhängt wurde (siehe 3. Teil, F.). 9 Zwar bezieht sich die Entwurfsbegründung bei der vorgesehenen Änderung des § 55 I JGG auch auf Art. 19 der Richtlinie (Referentenentwurf, S. 17), später wird allerdings ausgeführt, dass in Bezug auf Art. 19 kein Umsetzungsbedarf besteht (S. 43). 10 Im Referentenentwurf wurde die generelle Kritik an der Regelung in Bezug auf Art. 40 UN-KRK aufgegriffen und ausgeführt, dass „in Zweifel gezogen werden [könnte], ob die durch § 55 Absatz 1 Satz 1 JGG vermittelte deutsche Rechtslage der Konvention entspricht.“ (S. 46). 11 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bericht der Expertenkommission, 2015 (siehe 3. Teil, Kapitel F.). 12 Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren, 11.10.2018, S. 17, 46, 58. 13 DBH-Fachverband, 2018, S. 8; DJI, 2018, S. 4 („Dass nun die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde […] eröffnet wird, erscheint deshalb aus unserer Sicht zielführend.“); DIJuF, 2019, S. 4 („Die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde ist insbesondere aufgrund des geringeren Zeitaufwands als sinnvoll zu bewerten.“); Strafverteidigervereinigungen, 2018, S. 2 („Die vorgesehene Zulassung der sofortigen Beschwerde für diese Fälle schafft insoweit zumindest eine – wenn auch eingeschränkte – Möglichkeit der rechtsstaatlichen Kontrolle.“).

A. Sachliche Rechtsmittelbeschränkung, § 55 I JGG

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weis, dass die sofortige Beschwerde, insbesondere wegen der Schriftlichkeit des Verfahrens, nicht das richtige Rechtsmittel sei.14 Allein in den Stellungnahmen der Neuen Richtervereinigung und des Deutschen Richterbunds wurde die im Entwurf vorgesehene Rechtsmittelausweitung kritisiert.15 Im Regierungsentwurf vom 12. Juni 201916 war die Änderung des § 55 I JGG nicht mehr vorgesehen. In der Sachverständigen-Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am 21. Oktober 2019 wurde dies vom Deutschen Anwaltverein und den Strafverteidigervereinigungen unter Verweis auf die obengenannten Gründe erneut stark kritisiert,17 wobei noch einmal darauf hingewiesen wurde, dass § 55 I JGG dem Art. 40 der UN-KRK nicht gerecht werde, da dieser die Überprüfbarkeit von Entscheidungen explizit normiere.18 Der Regierungsentwurf wurde nicht mehr geändert und die Rechtsmittelmöglichkeiten im Jugendstrafverfahren wurden nicht neu geregelt, was wohl auch am Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie lag. Die vielen richtigerweise gegen die Rechtsmittelbeschränkung des § 55 JGG vorgebrachten Argumente müssen dazu führen, dass der Gesetzgeber diese Norm entsprechend seiner völkerrechtlichen Verpflichtung zeitnah überarbeitet. Dabei bedarf es allerdings – wie auch in den Stellungnahmen zum Referentenund Regierungsentwurf hervorgehoben – noch einmal der genaueren Prüfung des sinnvollerweise zulässigen Rechtsmittels. Vorgesehen war mit der sofortigen Beschwerde ein Rechtmittel zu wählen, dass „weniger aufwändig und verfahrensver-

14 Deutscher Anwaltverein, 2018, S. 17 („Ob eine sofortige Beschwerde […] oder nicht vielmehr eine Berufungsmöglichkeit eingeräumt werden sollte mit mündlicher Verhandlung, kann diskutiert werden.“); Bundesrechtsanwaltskammer, 2018, S. 4 (sofortige Beschwerde als „atypisches Rechtsmittel“); Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein, 2018, S. 11 (sofortige Beschwerde als „Systembruch“); Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter, 2018, S. 5 f. 15 In der Stellungnahme der Neuen Richtervereinigung wird auf zunächst bestehenden Diskussionsbedarf verwiesen (Neue Richtervereinigung, 2018, S. 4). In der Stellungnahme des Deutschen Richterbundes wird die Lockerung der Rechtsmittelbeschränkung mit Hinweis auf die „erhebliche […] Belastung der Praxis“ abgelehnt (Deutscher Richterbund, 2018, S. 8). 16 Regierungsentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugend­ strafverfahren vom 12.06.2019. Mittlerweile wurde der Entwurf als Bundestagsdrucksache (BT-Drucks. 19/, 09.10.2019) veröffentlicht. 17 Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins für die öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses, 2019, S. 9; Stellungnahme der Strafverteidigervereinigungen zum Regierungsentwurf, 2019, S. 7. In der Stellungnahme der Strafverteidigervereinigungen wurde auch noch einmal darauf hingewiesen, dass zu prüfen ist, ob die sofortige Beschwerde, bei der in der Regel nach Aktenlage entschieden wird, das richtige Rechtsmittel darstellt; Stellungnahme der Strafverteidigervereinigungen zum Regierungsentwurf, 2019, S. 7. 18 Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins für die öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses, 2019, S. 9.

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8. Teil: Resümee und Ausblick

längernd“19 ist. Die – auch generell als Hauptargument gegen eine Lockerung vorgebrachte – Verfahrensbeschleunigung20 kann ein legitimes Anliegen darstellen, allerdings sind damit auch Probleme verbunden. Diese ergeben sich vor allem aus der Schriftlichkeit des Verfahrens;21 hinzu kommt, dass die angenommene erzieherische Wirkung eines schnellen Verfahrens bisher empirisch nicht nachgewiesen ist.22 Schnelle Verfahren lassen sich auch ohne Verkürzung von Beschuldigtenrechten durch geeignete Organisation und Ausstattung der Praxis erreichen.23

B. Freiheitsentzug als Strafe Ein wesentlicher Punkt im Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der EURichtlinie 2016/800 war außerdem die Neustrukturierung der notwendigen Verteidigung nach §§ 68 JGG, 140 StPO. Die Richtlinie sah in Bezug auf das Recht der notwendigen Verteidigung („Unterstützung durch einen Rechtsbeistand“ nach Art. 6 der Richtlinie) wesentliche Änderungen vor,24 welche die materiellen Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung, den Zeitpunkt der Bestellung und den Inhalt der Unterstützung betreffen. Hintergrund der Diskussion um den Jugendarrest war, dass Art. 6 Absatz 6 Unterabsatz 3 der Richtlinie vorsieht, dass die Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass Freiheitsentzug nicht als Strafe verhängt wird, wenn das Kind nicht derart durch einen Rechtsbeistand unterstützt worden ist, dass es die Verteidigungsrechte effektiv wahrnehmen konnte, und in jedem Fall während der Hauptverhandlungen.25 Damit liegt nach der Richtlinie immer dann ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, wenn „Freiheitsentzug als Strafe“ verhängt wird.

19 Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren, 11.10.2018, S. 58. 20 Siehe dazu auch Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren, 11.10.2018, S. 38 f., 46. 21 Eisenberg benennt zum einen die Vorteile einer sofortigen Beschwerde (einfache und zügige Klärung), betont aber auch den Nachteil dieser „allein aktengetragenen Entscheidungsform“ (Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 55, Rn. 33). 22 Bliesener / T homas, ZJJ 2012, 382 (382 ff.). 23 Dazu weiterführend Laue, in: Meier / Rössner / Trüg / Wulf, JGG, 2. Aufl. 2014, § 55, Rn. 4; Rose, NStZ 2013, 315 (318). 24 Die Vorgaben der Richtlinie wurden dabei wesentlich ergänzt durch die Vorgaben der Richtlinie 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls (ABl. L 297 vom 4.11.2016), deren Umsetzung Änderungen der StPO erforderte. Das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung wurde am 12. Dezember 2019 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. 2019, Teil I, S. 2128) und trat am 13. Dezember 2019 in Kraft. 25 Nicht so weitgehend, aber ebenfalls das Recht auf einen Beistand normiert auch Art. 37 d) UN-KRK.

B. Freiheitsentzug als Strafe

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Der deutsche Gesetzgeber hat den Jugendarrest nicht unter dieses Kriterium subsumiert und nur die Fälle darunter gefasst, bei denen die Verhängung einer Jugendstrafe, die Aussetzung der Verhängung einer Jugendstrafe oder die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt zu erwarten ist, § 68 Nr. 5 JGG n. F. Begründet wurde dies damit, dass der Jugendarrest keine Strafe, sondern ein Zuchtmittel sei.26 Diese Bewertung stieß im Gesetzgebungsverfahren auf (teilweise scharfe) Kritik. Schon in den Stellungnahmen zum Referentenentwurf wurde vorgebracht, dass die drohende Verhängung eines Jugendarrests nach den Vorgaben und dem Grundgedanken der Richtlinie einen Fall der notwendigen Verteidigung darstellen müsse, da der Jugendarrest inhaltlich einer Strafe gleichkomme.27 In der öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am 21. Oktober 2019 wurde in den Stellungnahmen des Deutschen Anwaltvereins und der Strafverteidigervereinigungen zum Regierungsentwurf die Bewertung des Gesetz­gebers erneut kritisiert.28 Dem ist zuzustimmen: Jugendarrest muss ebenfalls einen Fall der notwendigen Verteidigung darstellen, da der Maßstab der Bewertung sich nicht nur an der Bezeichnung im nationalen Rechtssystem orientieren kann. Es bedarf vielmehr einer davon unabhängigen Betrachtung.29 Es ist unbestritten und auch vom BGH bestä 26 Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren, 11.10.2018, S. 29; Regierungsentwurf vom 12.06.2019, S. 69: „Unter ‚Freiheitsentzug als Strafe‘ ist Jugendstrafe im Sinne der §§ 17 und 18 JGG zu verstehen.“ Zustimmend Eckel / Körner, NStZ 2019, 433 (436); Sommerfeld, ZJJ 2017, 165 (174); Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Referentenentwurf (Deutscher Richterbund, 2018, S. 2). 27 Deutscher Anwaltverein, 2018, S. 14; Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein, 2018, S. 7 f.; Strafverteidigervereinigungen, 2018, S. 2 f.; Bundesrechtsanwaltskammer, 2018, S. 5 f. – bestätigt durch die Stellungnahme zum Regierungsentwurf (Bundesrechtsanwaltskammer, 2019, S. 22). In der Stellungnahme des Vorstands der DVJJ zum Referentenentwurf werden „ganz erhebliche Zweifel“ (DVJJ, 2018, S. 6) an der Regelung vorgebracht; ähnlich auch in der Stellungnahme der Neuen Richtervereinigung (Neue Richtervereinigung, 2018, S. 2). Auch in der Literatur wird angenommen, dass bei Verhängung von Jugendarrest eine Verteidigung – zumindest in der Hauptverhandlung – erfolgen muss: Bock / Puschke, ZJJ 2019, 224 (228); Zieger / Nöding, Verteidigung in Jugendstrafsachen 2018, S. 228, Fn. 66. Teilweise wird eine Verankerung des Jugendarrests als Fall der notwendigen Verteidigung auch unabhängig von der Richtlinie gefordert [Dünkel, RdJB 2014, 294 (296)] oder teilweise auch jetzt schon angenommen (Trüg, in: Meier / Rössner / Trüg / Wulf, JGG, 2.  Aufl. 2014, § 68, Rn. 8). Eisenberg geht davon aus, dass eine Pflichtverteidigung bei einem zu erwartenden Dauerarrest notwendig ist (Eisenberg, JGG, 20. Aufl. 2018, § 68, Rn. 24). 28 Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins für die öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses, 2019, S. 4 f.; Stellungnahme der Strafverteidigervereinigungen zum Regierungsentwurf, 2019, S. 3. 29 Vergleichbar könnte hier die Entscheidung des EGMR zu Maßregeln der Besserung und Sicherung sein, in welcher ausgeführt wurde, dass „es dem Gerichtshof freistehen [muss], nicht nur den äußeren Anschein zu betrachten und seine eigene Würdigung der Frage vorzunehmen, ob eine bestimmte Maßnahme im Wesentlichen eine ‚Strafe‘ im Sinne dieser Bestimmung

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8. Teil: Resümee und Ausblick

tigt,30 dass der Jugendarrest zumindest auch strafende Elemente hat. Diese zeigen sich auch an etlichen Stellen im JGG, z. B. in der Formulierung der §§ 13 I, 90 I Satz 1 JGG („das Unrecht vor Augen führen“) (siehe dazu auch 7. Teil, Kapitel D. I.). Die Regelung des § 68 Nr. 5 JGG n. F. setzt damit die Richtlinienvorgaben nicht ausreichend um und wird deshalb einer europarechtlichen Prüfung voraussichtlich nicht standhalten. Zur Prüfung der Regelung im JGG kommt die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV31 in Betracht. Dieses Verfahren ermöglicht es nationalen Gerichten, dem EuGH Fragen zu Auslegung und Gültigkeit von Europarecht vorzulegen. In diesem Fall beträfe eine Vorlage die Frage, ob Art. 6 Abs. 6 S. 3 der Richtlinie 2016/800 dahingehend auszulegen ist, dass er der deutschen Regelung entgegensteht, nach der ein Jugendarrest verhängt werden kann, ohne dass der Jugendliche verteidigt war. Sollte auf europäischer Ebene festgestellt werden, dass der Jugendarrest einen „Freiheitsentzug als Strafe“ und damit einen Fall der notwendigen Verteidigung darstellt, so hätte dies weitreichende Folgen für die Praxis. In diesen Fällen muss dem Jugendlichen gemäß § 68a I Satz 1 JGG n. F. in der Regel vor seiner Ver­ nehmung oder einer Gegenüberstellung ein Pflichtverteidiger bestellt werden. Da die Prognose der Verhängung eines Jugendarrests (wenn überhaupt) erst zu einem späten Verfahrenszeitpunkt, oft nicht einmal zu Beginn der Hauptverhandlung, möglich ist, müsste (fast) jedes Jugendstrafverfahren einen Fall der notwendigen Verteidigung darstellen. Grundsätzlich zu bedenken ist dabei allerdings, dass umstritten ist, ob eine Verteidigung in Jugendstrafverfahren32 für die Betroffenen stets vorteilhaft ist. Zum einen ist die Verteidigung in Jugendstrafverfahren von zentraler Bedeutung, insbesondere da junge Menschen oft aufgrund unzureichender Sozial- und Handlungskompetenzen besonders schutzbedürftig sind und ihnen nur so die effektive Wahrnehmung ihrer Rechte möglich ist.33 Zum anderen wird aber einschränkend argumentiert, dass Verfahren durch die Bestellung eines Pflichtverteidigers verdarstellt“ (EGMR Nr. 19359/04, Urteil vom 17.12.2009, Rn. 132). Damit wird deutlich, dass der EGMR nicht primär auf die Bewertung im nationalen Recht abstellt; siehe dazu auch die Stellungnahme der Strafverteidigervereinigungen zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren, S. 3. Dafür spricht auch die Fassung der Richtlinie in anderen Sprachen, die sich nämlich nicht auf die nationale Einstufung der Sanktion beziehen, siehe Deutscher Anwaltverein, 2018, S. 14. 30 BGH, Beschluss vom 09.01.1963, 4 StR 443/62 = NJW 1963, 770 [771]; siehe dazu 2. Teil, Kapitel  D. III. 31 Eventuell möglich sein könnte auch ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 ff. AEUV. 32 Grundlegend zur Verteidigung in Jugendstrafverfahren DVJJ (Hrsg.), Und wenn es künftig weniger werden, Ergebnisse des Arbeitskreises VIII, 1987, S. 328 ff. sowie Eisenberg, NJW 1984, 2913 (2913 ff.). 33 Sommerfeld, in: Ostendorf, JGG, 10. Aufl. 2016, Grundlagen zu den §§ 67–69, Rn. 8; Trüg, in: Meier / Rössner / Trüg / Wulf, JGG, 2.  Aufl. 2014, § 68, Rn.  1; Zieger / Nöding, Verteidigung in Jugendstrafsachen 2018, S. 145 ff, 215 ff.

C. Ausblick

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zögert und wesentlich formalisiert werden können.34 Hinzu kommt, dass aktuell keine Voraussetzungen für die Auswahl eines (Pflicht-)Verteidigers in Jugendstrafverfahren normiert sind35 und somit im Einzelfall fraglich sein dürfte, wie groß die Unterstützung des Betroffenen wirklich ist. Die Qualifikation des Pflichtverteidigers wurde auch im Gesetzgebungsverfahren thematisiert und dazu – mit Bezug auf die parallel stattfindende Umsetzung der Richtlinie 2016/191936 – in der Entwurfsbegründung ausgeführt, dass im Sinne des geänderten § 142 VI Satz 2 StPO n. F.37 auch im Jugendstrafverfahren „eine stärkere Beachtung der spezifischen anwaltlichen Qualifikation“38 erfolgen soll. Konkrete Vorgaben zur Auswahl des zu bestimmenden Pflichtverteidigers wurden nicht normiert.39

C. Ausblick Auch wenn durch das in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren keine Änderungen in Bezug auf die genannten Punkte zum Jugendarrest erfolgt sind, wurden doch erneut grundlegende Probleme dieser Sanktion deutlich. Vor allem die Diskussion darüber, ob der Jugendarrest einen „Freiheitsentzug als Strafe“ darstellt, zeigt Parallelen zur seit der Einführung geführten Diskussion um das Verhältnis von Erziehung und Strafe. Wie dargelegt ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei den Normen zur notwendigen Verteidigung nachbessern und den Jugendarrest als Fall der Pflichtverteidigung normieren muss. Dabei ist – wie dargestellt – gleichzeitig die Frage der spezifischen Qualifikation der Pflichtverteidiger in Jugendstrafverfahren zu klären und zu normieren. Aufgrund völkerrechtlicher und internationaler Nor 34

DVJJ (Hrsg.), Resolution zur EU-Richtlinie, 2015, S. 3. Die Qualifikation von Verfahrensbeteiligten im Jugendstrafverfahren ist generell sehr umstritten, siehe dazu die Diskussion um die Auswahl der Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte nach §§ 36, 37 JGG, z. B. im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG). Damals wurde im Gesetzesentwurf der Bundesregierung ausgeführt: „Neben einer gewissen innerhalb der richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Praxis gewonnenen Erfahrung sind deshalb für die Persönlichkeits- und Reifebewertung, für eine jugendgemäße Verfahrens- und Gesprächsführung, für die Tat- und Schuldbeurteilung und für die sach- und entwicklungsgemäße Rechtsfolgenauswahl und -bemessung im Jugendstrafverfahren mehr als nur marginale Kenntnisse in den Bereichen der Kriminologie, Pädagogik, Sozialpädagogik und der Jugendpsychologie dringend geboten.“ (BT-Drucks. 17/6261, 22.06.2011, S. 15). 36 Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung (BGBl. 2019, Teil I, S. 2128); siehe dazu auch den Entwurf, BT-Drucks. 19/13829, 09.10.2019. 37 „Dabei soll aus den dort eingetragenen Rechtsanwälten entweder ein Fachanwalt für Strafrecht oder ein anderer Rechtsanwalt, der gegenüber der Rechtsanwaltskammer sein Interesse an der Übernahme von Pflichtverteidigungen angezeigt hat und für die Übernahme der Verteidigung geeignet ist, ausgewählt werden.“ 38 BT-Drucks. 19/13837, 09.10.2019, S. 41. 39 Kritisch dazu auch Stellungnahme der Strafverteidigervereinigungen zum Regierungsentwurf, 2019, S. 6 f. 35

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8. Teil: Resümee und Ausblick

men ist außerdem die Rechtsmittelbeschränkung des § 55 I JGG zu lockern. Hier besteht dringender Änderungsbedarf, allerdings unter genauer Prüfung des mit den Grundsätzen des Jugendstrafverfahrens in Einklang stehenden Rechtsmittels. Insgesamt könnten folglich internationale Normen, vor allem die UN-KRK und die EU-Richtlinie 2016/800, dazu führen, dass der Gesetzgeber weitreichende Änderungen zum Jugendarrest umzusetzen hat. Die aus den Änderungen folgenden praktischen Herausforderungen für das Jugendstrafverfahrensrecht dürfen nicht dazu führen, dass die europarechtlichen bzw. völkerrechtlichen oder internationalrechtlichen Vorgaben nicht umgesetzt werden. Im Übrigen hatte der Rechtsausschuss beim Gesetzgebungsverfahren zum Ersten Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1990 schon auf weiteren Reformbedarf bei beiden Aspekten hingewiesen40 und die Bundesregierung aufgefordert, zum 1. Oktober 1992 den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes mit Lösungsvorschlägen hierzu vorzulegen. Der Gesetzgeber sollte diese – schon lange bekannten – Probleme endlich zum Anlass nehmen, das Jugendarrestsystem insgesamt zu überdenken. Vielleicht kommt der Gesetzgeber bei diesen Änderungen auch zum Ergebnis, dass nicht weiter versucht werden sollte, „einen besseren Jugendarrest schaffen zu wollen […] [, sondern] etwas besseres [sic] als den Jugendarrest“41  – möglicherweise durch ein Drittes Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes.

40 Explizit als „Problembereiche“ genannt wurden unter anderem „das Verhältnis zwischen Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln“, „die vermehrte Mitwirkung von Verteidigern im Jugendstrafverfahren“, „das Ermittlungs- und das Rechtsmittelverfahren“ sowie „die Ausund Fortbildung von Richtern, Staatsanwälten und Rechtsanwälten in bezug [sic] auf jugendstrafrechtliche Besonderheiten“, BT-Drucks. 11/7421, 19.06.1990, S. 3 (siehe auch 2. Teil, Kapitel G.). 41 Sommer, KrimJ 1990, 225 (229).

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Sachverzeichnis § 16a-Arrest  71 ff., 84 ff., 165 ff., 234 ff. 1. JGGÄndG  60 ff., 122, 254, 264 2. JGGÄndG  68 f. Abschreckung  31 f., 57, 189 Ahndung  40, 48, 82, 91, 101, 188 f., 230 Akademie für Deutsches Recht  30 ff. Akte  152 ff. Aktenanalyse  153 ff., 232 Amtliche Daten  133 ff., 147 f., 232 Anfechtung  43 ff., 120 ff. Anhörung  95 f., 196 f., 207, 229 f., 239 f., 242 Anschlussvollstreckung  212 f., 248 Arbeitsauflage  65, 181 f., 193 ff., 205 f., 229 f., 237 f., 241 Arbeitsleistung  siehe Arbeitsauflage Arbeitsstunden  siehe Arbeitsauflage Arrestantritt  157, 159 ff., 163 ff., 212 f., 220 f., 225 f. Arresteignung  54 ff., 79, 140 Arrestform  57 ff., 87 ff., 244 ff. „Arrestgeeignete”  siehe Arresteignung Arrestraum  216 f., 231 Arrestverlauf  146 f., 212 ff., 231 Arrestvollzug  69 ff., 124 ff., 136 f., 248 ff. Auflagen  52 f., 78, 87 ff., 192 ff. Begründungspflicht  235, 250 ff. Beitreibung  105, 108, 114 Belastungsfaktoren  218 ff., 227 f., 243, siehe auch Problembelastungen Belegungszahlen  136 f. Belehrung  46, 93, 98 Berufung  120 ff., 258 ff. Beschleunigungsgrundsatz  123, 247, 258 Beschwerde, sofortige  42 ff., 112, 121, 124, 258 f. Betreuungsweisung  57 ff., 65, 246 Bewährung  71 ff., 84 ff., 92, 182 ff. Bewährungsbeschluss  183, 192 ff.

Bewährungshilfe  128, 236 Bewährungszeit  43, 72, 85, 183 Bundeszentralregister  129 f. Bußgeldbescheid  101 ff., 202 f., 210 ff. Bußgeldverfahren  101 ff., 104, 118, 201 ff. Datenschutz  156, 158 De lege ferenda  234 ff., 244 ff., 256 De lege lata  250 ff., 256 Einspruch  103 f., 108 ff. Einstellung  141 f., 172, 227 Einstiegsarrest  60, 71, siehe auch § 16a-Arrest Entlassung, vorzeitige  146 f., 217 f., 231, 253 Erledigterklärung  90 ff., 222 ff. Erledigungsgrund  222 ff., 252 Ermessen  37, 40, 46, 64, 90 ff., 102, 111 f., 244 Ersatzmaßnahme  88 ff., 108 ff., 132, 205 ff., 224 ff., 241 ff. Erziehung  28 ff., 36 ff., 47 f., 124 ff., 245, 253 ff. Erziehungsgedanke  62, 69, 110, 114, 255 f. Erziehungsmaßregel  28 ff., 34, 37, 48, 63, 73, 78, 121, 172, 246, 251 Erziehungsregister  129 f. Erzwingungshaft  105 ff., 114 f. EU-Richtlinie 2016/800  123, 257 ff. EU-Richtlinie 2016/1919  260, 263 Fehltage  203 f. Forschungsfrage  149 ff., 224 ff., 233 ff. Forschungsstand  137 ff., 224 ff. Fragebogen  139 ff., 219, 227 Freiheitsentzug  36 ff., 188 f., 248 ff., 253 ff., 256 f., 260 ff. Freiheitsstrafe  27 ff., 36 ff., 58 f., 164, 172 f. Freizeitarresträume  125, 136 f., 164, 228, 231

Sachverzeichnis Geldbuße  50 f., 99 ff., 119, 132, 202 ff. Geldstrafe  172 Hauptverhandlung  104, 126, 188, 260 ff. Heranwachsende  45, 50, 77, 100 ff., 114 ff., 134, 161 f., 179, 238, 243 f. Inobhutnahme, vorläufige  175 Jugendamt  173 ff., 218, 227 Jugendarrestanstalt  125 f., 136, 152, 156, 245 Jugendarresteinrichtung  siehe Jugend­ arrestanstalt Jugendarrestvollzugsgesetz  69 ff., 124 ff. Jugendarrestvollzugsordnung  49 f., 69 ff. Jugendgerichtsbewegung  26 Jugendgerichtshilfe  104, 109 f., 181 f., 252 f. Jugendhilfe im Strafverfahren  siehe ­Jugendgerichtshilfe Jugendhilferecht  66, 116 Jugendpsychiatrie  214 Jugendrechtsausschuss  33 Jugendstrafe  41, 48, 53, 60 f., 71 ff., 83, 84 ff., 121, 142, 164, 172, 182 ff., 233 Ladung  126 f., 213, 220 ff., 225 f. Legalbewährung  125, 234 ff., 245 Legitimation  90, 236, 245, 253 ff. Nachsorge  128, 249 Neigungen, schädliche  83 f., 183 f., 189 Net-widening-effect  256 Nichtbefolgungsarrest  87 ff., 191 ff., 222 f., 229, 237 ff. Notwendige Verteidigung  siehe Verteidigung Ordnungswidrigkeit  115 ff., 201 f. Ordnungswidrigkeitenrecht  50 f., 99 ff.

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Rechtsmittelbeschränkung  41 ff., 120 ff., 258 ff. Rechtsnatur  41, 88 ff., 113 ff., 132, 241 Reformansatz  30 ff., 54 ff., 65 ff., 233 ff. Revision  120 ff., 258 ff. Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz ​ 39 ff., 45, 67 f., 79 ff., 126 f., 247 Richtlinie 2016/800  siehe EU-Richtlinie 2016/800 Richtlinie 2016/1919  siehe EU-Richtlinie 2016/1919 Rückfallgeschwindigkeit  187 f. Rückfallquote  54 ff., 74, 236 Sanktionscocktail  246, 256 Schulabsentismus  104, 115 ff., 243 Schulamt  119, 202 ff. Schulbehörde  243 f. Schuldhaftigkeit  94 ff., 132, 196, 207, 229 f., 239 Schulpflicht  115 ff., 118 ff., 201 ff., 242 ff., 256 Schwere der Schuld  83 f., 184 Selbstverletzung  215 f. Short-sharp-shock  59 Sozialer Trainingskurs  61, 65, 70 f., 193 f., 249 f. Strafbefehl  34 f., 104, 172 Strafverfolgungsstatistik  134 ff. Strafvollzug  26 f., 29, 69 Sühneprinzip  26 Täter-Opfer-Ausgleich  61, 65 Textbaustein  196 Textvorlage  196, 199, 207 f., 229 Trainingskurs, sozialer  siehe Sozialer ­Trainingskurs

Pflichtverstoß  196, 199, 207, 214 ff. Pflichtverteidigung  siehe Verteidigung Problembelastungen  173 f., 219 f., 226 f., siehe auch Belastungsfaktoren

Umwandlungsbeschluss  210 f. Unanfechtbarkeit  43, 123 „Ungehorsamsarrest“  65, 87 ff., 130, 143 Unterbrechung  154, 214 UN-Kinderrechtskonvention  122, 256, 258 ff. Urteilsbegründung  186

Rechtskraft  86 f., 189 ff., 199 f., 210 f., 230 f. Rechtsmittel  41 ff., 111, 120 ff.

Verfahrensdauer  123, 230 f., 252 Verfahrensgarantien  123, 257

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Sachverzeichnis

Verhältnismäßigkeit  80, 86, 92, 96, 109, 240, 250 f. Verschärfung  65, 68, 71, 233 Verteidigung  260 ff. Verwarnung  181, 229, 246 Völkerrecht  259, 263 f. Vollstreckung  34, 39, 50 ff., 62 ff., 70 ff., 82 f., 86 ff., 97 ff., 105 ff., 120 ff., 143 f., 212 ff., 220 ff., 246 ff., 252 f. Vollstreckungsersuchen  143 f., 220 ff., 246 ff., 252 f. Vollstreckungsleiter  82 f., 126, 252 f. Vollstreckungsverfahren  49 ff., 99 ff., 114 ff., 243 f. Vollzug  69 ff., 124 ff., 136 f., 248 ff. Vollzugsakte  152 ff.

Vollzugsleiter  49, 125 f. Vorzeitige Entlassung  siehe Entlassung VZettchen  157, 220 f., 252 „Warnschussarrest“  60, 71, siehe auch § 16a-Arrest Weisungen  40 ff., 52 f., 78, 87 ff., 192 ff. Zentralregister  siehe Bundeszentralregister Zielgruppe  37, 56 f., 67 f., 131, 235 Zielsetzung  36 f., 56 f., 124 f., 254 Zuchtmittel  35 ff., 44 ff., 63 ff., 77 ff., 129 ff., 234, 246, 260 ff. Zuführung, polizeiliche  126 f., 132, 213 f., 231, 247 f.