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Winfried Löffler (Hrsg.) Metaphysische Integration Essays zur Philosophie von Otto Muck
Winfried Löffler (Hrsg.)
Metaphysische Integration Essays zur Philosophie von Otto Muck
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2010 ontos verlag P.O. Box 15 41, D-63133 Heusenstamm www.ontosverlag.com ISBN 978-3-86838-059-0 2010 No part of this book may be reproduced, stored in retrieval systems or transmitted in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopying, microfilming, recording or otherwise without written permission from the Publisher, with the exception of any material supplied specifically for the purpose of being entered and executed on a computer system, for exclusive use of the purchaser of the work Printed on acid-free paper FSC-certified (Forest Stewardship Council) Printed in Germany by buch bücher dd ag
Inhalt WINFRIED LÖFFLER Einführung
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EDMUND RUNGGALDIER Eingeschränkte Sichtweisen: Mucks Antwort auf die naturalistische Herausforderung
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CHRISTIAN KANZIAN „Farewell to Tropes!“: Ein Abschied, frei nach Otto Muck
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HERMANN WEIDEMANN Überlegungen zum Begriff der praktischen Wahrheit bei Aristoteles
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GEO SIEGWART Exerciter. Einige Unterscheidungen zur Retorsion im Ausgang von SthIq2a1o3
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WINFRIED LÖFFLER Integrative Erklärungen: Konvergierende Tendenzen zwischen Metaphysik und Wissenschaftstheorie?
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HANS-DIETER MUTSCHLER Naturwissenschaft und Weltanschauung bei Otto Muck
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NIKOLAUS WANDINGER ›Erbsünde‹ als formal-heuristischer Begriff
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OTTO MUCK: BIBLIOGRAPHIE 1950–2009
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Die Autoren
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Einführung WINFRIED LÖFFLER Die Arbeiten in diesem Sammelband beschäftigen sich mit dem Denken eines Philosophen, der durch seinen Analyse- und Argumentationsstil, aber auch einfach sein persönliches Vorbild ganze Generationen von Schülern – darunter etliche prominente – maßgeblich geprägt hat: Otto Muck (*1928, bis zu seiner Emeritierung 1997 Ordinarius in Innsbruck) vermag es wie kaum ein anderer, Brücken zwischen scheinbar schwer versöhnlichen philosophischen Schulrichtungen herzustellen und dem Hörer oder Leser so ein fruchtbares Instrumentarium zur eigenen denkerischen Weiterorientierung zu vermitteln. Muck weiß sich insgesamt einem hermeneutisch-dialogischen Grundansatz verpflichtet, bemüht sich aber um Aufklärung der dabei wirksamen Denk- und Argumentationsstrukturen. Daher verbindet er u.a. Rekonstruktionstechniken der modernen analytischen Philosophie und Wissenschaftstheorie (deren formale Instrumentarien er virtuos benützt, ohne sie zum Selbstzweck zu erheben) mit bleibend gültigen Einsichten der aristotelisch-scholastischen Tradition und arbeitet deren Nähe zu transzendentalphilosophischen Denkformen heraus. Charakteristisch für Mucks Denken ist unter anderem, dass es ihm weniger darum geht, die Unterschiede zwischen verschiedenen Denkern weiter als nötig hochzustilisieren, sondern eher darum, strukturellen Ähnlichkeiten, gemeinsamen Anliegen und deren Gründen nachzuspüren. Dass sich das Ergebnis solchen Philosophierens nicht leicht mit dem Etikett irgend eines „-Ismus“ versehen und auf leicht transportable Slogans und Zusammenfassungen reduzieren lässt, ist zu erwarten. Und dies mag dazu beigetragen haben, dass sich Mucks Denken vor allem dem erschließt, der nicht auf schnelle, markige Thesen aus ist, sondern sich die Zeit nimmt, hinzuhören, nachzulesen und mit Muck mitzudenken. Eine umfänglichere Einführung zu Leben und Werk Mucks muss hier nicht gegeben werden, sie liegt an anderer Stelle1 bereits vor. Ich beschränke mich auf eine Kurzcharakterisierung der Wissenschaftlerpersönlichkeit Otto Mucks durch eine biographisch-inhaltliche Annäherung in drei Punkten.
1 Siehe das autobiographische Nachwort und die Bibliographie bis 1999 in O. Muck, Rationalität und Weltanschauung. Philosophische Untersuchungen, Innsbruck – Wien 1999, 471488. Eine aktualisierte Bibliographie mit Stand Beginn 2010 findet sich in diesem Band. – Siehe auch das jüngst erschienene Porträt Mucks von Edmund Runggaldier: Otto Muck zum 80. Geburtstag, in: Zeitschrift für Katholische Theologie 131 (2009), 369-374.
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(1) Bereits früh haben Muck unter anderem zwei irritierende Phänomene innerhalb der professionellen Philosophie beschäftigt: Einerseits meinen Philosophen mit ähnlich klingenden Worten oft sehr Verschiedenes; mitunter wird das dann zum Anlass von Streitigkeiten über den „korrekten“ Gebrauch mancher Worte und das „eigentliche Wesen“ der Dinge. Andererseits verbergen sich hinter den aufgebauschten Unterschieden zwischen den Redeweisen verschiedener Philosophen bei näherer Betrachtung oft doch recht ähnliche Gehalte. Als probaten Ausweg aus solchen Situationen erkannte Muck schon sehr bald das Augenmerk auf Methodenfragen: Wie kommen Philosophen eigentlich zu ihren Behauptungen, was könnten sie mit ihnen gemeint haben und auf welche Ausgangsfrage wollten sie eine Antwort geben? Wer nicht nur vom „Ergebnis“ her denkt, also von den philosophischen Thesen und ihren Unterschieden, sondern auch von ihrer Genese als Problemlösungsvorschläge, für den werden einerseits diese Auffassungsunterschiede eher verständlich. Er wird andererseits aber auch davor bewahrt, philosophische Optionen nur aufgrund irgendwelcher diffuser Sympathien für die eine oder andere Gesprächspartei zu treffen. Die ersten Arbeiten Mucks sind dementsprechend Methodenfragen gewidmet, insbesondere ist seine Habilitationsarbeit über die Transzendentale Methode2 zu erwähnen – das Thema bleibt in Mucks Denken jedoch präsent und prominent bis heute. (2) In Mucks Denken fließen mehrere philosophische Traditionen zusammen: Im Wien der Nachkriegszeit, wo Muck zunächst studierte, wurde er einerseits mit etlichen Strömungen der kontinentalen Philosophie bekannt, andererseits aber auch mit den spärlichen, nicht aus Österreich vertriebenen Resten des Wiener Kreises, und im Zuge seines Mathematikstudiums mit moderner formaler Logik. In weiterer Folge, nach dem Eintritt in den Jesuitenorden schloss Muck in Pullach einerseits intensive Bekanntschaft mit der aristotelisch-scholastischen Philosophie, bemühte sich andererseits aber auch intensiv um die kritische Rezeption der damals auf dem Kontinent nur wenig wahrgenommenen analytischen Philosophie (besonders Sprachphilosophie und Wissenschaftstheorie). Für Mucks spätere Lehr- und Forschungstätigkeit in Innsbruck – zunächst in den Fächern Logik und Erkenntnistheorie, später auch in Metaphysik und philosophischer Gotteslehre – wurden all diese Kenntnisse fruchtbar: Seine Arbeiten zur Logik der Rede von Gott und zu den logisch-sprachphilosophischen Strukturen des religiös-weltanschaulichen Dialogs sind in Kennerkreisen zu Klassikern geworden,
2 Die transzendentale Methode in der neuscholastischen Philosophie der Gegenwart, Innsbruck 1964.
EINFÜHRUNG
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die kompakte, aber inhaltsreiche Philosophische Gotteslehre3 würde längst eine dritte Auflage verdienen, und die Arbeiten zu Gödels modallogischem ontologischen Argument4 dürften in der Branche überhaupt einzig dastehen: Vermutlich verbindet niemand höchste formallogische Kompetenz (die zur Analyse dieser Texte unabdingbar ist) mit derart eingehender Kenntnis der Eigenschaften-Gottes-Problematik wie Muck. Ein zentrales wissenschaftstheoretisches Anliegen, das Mucks Arbeiten prägt, ist dabei die Rehabilitierung eines ganz bestimmten Verständnisses von „Metaphysik“. Damit ist nicht eine obskure „Wissenschaft vom Übersinnlichen“ gemeint, und auch nicht die beharrliche Weiterpflege eines überkommenen Begriffsarsenals als Selbstzweck. (Mit der Begrifflichkeit der Neuscholastik im 19./20. Jahrhundert etwa ist dies leider oft genug geschehen.) Erst recht möchte Muck dem Fehlverständnis vorbauen, Metaphysik wäre eine Art Konkurrenzunternehmung zu den einzelnen Wissenschaften. Was die Metaphysik aufzuzeigen und kritisch zu entfalten hat, ist vielmehr jener allgemeinste Denkrahmen, der die Voraussetzung jeglicher rationaler, kognitiver Aktivität im alltäglichen Problemlösen ebenso wie in der Wissenschaft ist. Auch wenn Muck der Überzeugung ist, dass dieser Denkrahmen faktisch im Wesentlichen die Struktur hat, die schon von Aristoteles vorgezeichnet wurde, so kann dies seiner Überzeugung nach nicht einfach durch historische Autoritätsargumente gerechtfertigt werden. Muck geht es vielmehr um eine methodisch sauber eingeführte Metaphysik. Zentral für seine Überlegungen ist auch hierbei der (schon unter (1) erkennbare) operative Ansatz: Metaphysische Voraussetzungen lassen sich am besten aus der Analyse erheben, was wir faktisch tun, wie wir fragen und wie wir Problemlösungen versuchen. Und die Unhintergehbarkeit mancher solcher Voraussetzungen zeigt sich daran, dass schon der Versuch ihrer Bestreitung sie wiederum stillschweigend voraussetzt. Metaphysik beschreibt aus dieser Sicht nicht etwa Ergänzungs- oder Alternativtheorien zu bestehenden Theorieansätzen z.B. der Naturwissenschaften (manche Ansätze der gegenwärtigen analytischen Ontologie vermitteln aber diesen Eindruck!), sondern den allgemeinsten Integrationsrahmen, der die einzelnen Theoriebereiche mit ihren Spezialbegrifflichkeiten erst zusammenordnet und ihre jeweiligen Problemlösungspotenziale freisetzt. (3) Nicht nur in seinem einschlägig betitelten Einleitungsbuch aus dem Jahr 19645 versteht und deklariert sich Otto Muck als christlicher Philosophische Gotteslehre (Leitfaden Theologie 7), Düsseldorf 1983, 19902. Eigenschaften Gottes im Licht des Gödelschen Arguments, in: Theologie und Philosophie 67 (1992), 60-85; abgedruckt auch in: Rationalität und Weltanschauung (siehe FN 1), 309-336. 5 Christliche Philosophie (Berckers Theologische Grundrisse III), Kevelaer 1964. 3 4
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Philosoph. Muck sieht klar, dass sich Philosophieren immer vor einem weltanschaulichen Hintergrund vollzieht (auch wenn manche dies beharrlich in Abrede stellen und von Philosophie als „voraussetzungsloser Wissenschaft“ reden) – der Dialog zwischen unterschiedlichen weltanschaulichen Positionen ist für ihn geradezu die Ausgangssituation des Philosophierens. „Christliche Philosophie“ ist für Muck allerdings nicht die Abrundung und Verteidigung eines geschlossenen, für christlich gehaltenen Weltbildes, sondern die dialogische Vermittlung und Verdeutlichung christlicher Positionen in die geistige Situation der Zeit und des Gesprächspartners hinein. „Christliche Philosophie“ sollte, so verstanden, daher auch einen Nutzen für die theologische Begriffsbildung und -klärung haben, etwa wo es um den Begriff der Schöpfung oder der Dreifaltigkeit geht. Freilich: Es ist nicht immer leicht, ein christlicher Philosoph zu sein, und die Aufgaben, vor denen man als ein solcher steht, können sich überraschend schnell ändern. 1958, also noch vor dem theologischen Aufbruch des 2.Vatikanischen Konzils, in dem Aufsatz Methodologie und Metaphysik6 musste der junge Otto Muck noch überaus vorsichtig und diplomatisch an die neuscholastischen Metaphysiker seiner Zeit appellieren, die moderne Wissenschaftstheorie doch etwas ernster zu nehmen, weil daraus eine Menge zu lernen sei für die Funktion der Metaphysik. 1969, also nur elf Jahre später, im Aufsatz Zum Problem der existentiellen Interpretation7, fand sich der Metaphysiker Muck bereits in der Verteidigungsposition wieder. Er musste einige seiner Theologenkollegen daran erinnern, dass manche Glaubensaussagen auch unaufgebbare kognitive und ontologische Aspekte haben und nicht vollständig in moralische Appelle, Bekundungen von Lebensgefühlen und ähnliches übersetzbar sind. 1993, zur Zeit von Mucks Dialog mit dem sich ebenfalls als christlich deklarierenden englischen Religionsphilosophen Richard Swinburne, war das Pendel wieder in die Gegenrichtung ausgeschlagen: Muck trat hier gegen Swinburnes allzu starke Angleichung religiöser Erklärungen an naturwissenschaftliche Erklärungen auf8. So ändern sich die Zeiten. *** 6 Methodologie und Metaphysik, in: Aufgaben der Philosophie, hg. von E. Coreth (Philosophie und Grenzwissenschaften IX/2), Innsbruck 1958, 97-157; abgedruckt auch in: Rationalität und Weltanschauung (siehe FN 1),155-201. 7 Zum Problem der existentiellen Interpretation, in: Zeitschrift für katholische Theologie 91 (1969), 274-288; abgedruckt auch in: Rationalität und Weltanschauung (siehe FN 1), 45-62. 8 Assumptions of a Classical Philosophy of God, in: Milltown Studies 33 (1994), 37-50. Deutsche Übersetzung unter dem Titel „Voraussetzungen einer klassischen Philosophischen Gotteslehre“ in: Rationalität und Weltanschauung (siehe FN 1), 337-351.
EINFÜHRUNG
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Mit und über Mucks Philosophie nachzudenken, ist Ziel des vorliegenden Buchs. Es ist aus einem Symposium hervorgegangen, das vom 11.13. März 2004 anlässlich des 75. Geburtstags von Muck in Innsbruck stattfand. Sein Ziel ist weniger die Rückschau und Vergewisserung über sein Werk – wenngleich auch dies in manchen Beiträgen Platz hat –, sondern vielmehr die Untersuchung, wie und wo Mucks Denken relevant für aktuelle Debatten in der Philosophie ist. Daher verstehen sich die hier zusammengestellten Aufsätze – ganz nach Mucks philosophischem Habitus! – nicht als „letztes Wort“ zu einem Thema, sondern als Forschungstexte. Die sieben Aufsätze in diesem Band kreisen um vier zentrale Themen von Mucks Denken: Sein Verständnis von Metaphysik (Edmund Runggaldier, Christian Kanzian), Mucks operative Wahrheitskonzeption und die Bedeutung der Retorsion (Hermann Weidemann, Geo Siegwart), Mucks Wissenschaftstheorie und Naturalismuskritik (Winfried Löffler, Hans-Dieter Mutschler), Theologische Begriffsbildung (Nikolaus Wandinger). Eine aktualisierte Bibliographie Mucks mit Stand Beginn 2010 schließt den Band ab. Teils aus Gründen technischer Tunlichkeit, teils um des begrüßenswerten Eigencharakters der Texte willen wurde auf eine völlige Vereinheitlichung der Verweis- und Referenzsysteme der einzelnen Texte bewusst verzichtet. Kein Sekundärliteratur-Band wie dieser kann die Lektüre der Primärtexte ersetzen. Auf Otto Mucks Monographien Die transzendentale Methode in der scholastischen Philosophie der Gegenwart (1964), Christliche Philosophie (1964), Philosophische Gotteslehre (19902), auf die Sammlung Rationalität und Weltanschauung (1999, sie vereinigt die wichtigsten Aufsätze Mucks bis zu dieser Zeit), sowie auf die Bibliographie im vorliegenden Band sei daher nochmals verwiesen. Verwiesen sei auch noch auf Heft 4/2009 der Zeitschrift für Katholische Theologie: Dort sind Arbeiten im Druck erscheinen, die anlässlich eines Internationalen Symposiums „Die epistemische Rolle religiöser Erfahrung“ zu Mucks 80. Geburtstag im März 2009 diskutiert wurden. Auch diese Arbeiten haben vielfache Bezüge zu Mucks Werk. *** Dem Herausgeber obliegt schlussendlich die angenehme Pflicht des Dankes: Zunächst den Autoren für ihre Vorträge, die anschließende Bereitstellung der Schriftfassung ihrer Beiträge und die Unerschütterlichkeit, mit der sie das Erscheinen dieses Sammelbandes erwartet haben, dem Verlag Vittorio Klostermann sowie dem Fotosatzstudio Frieder
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Huhn für die Hilfe beim Wiederabdruck des Beitrags von Hermann Weidemann (der zwischenzeitlich in der Zeitschrift für philosophische Forschung erschienen war). Gedankt sei auch dem Jesuitenkolleg Innsbruck für die logistische Unterstützung der Tagung sowie dem Vizerektorat für Forschung und dem Dekanat der Theologischen Fakultät für die finanzielle Unterstützung des Symposiums und der Drucklegung seiner Ergebnisse.
Eingeschränkte Sichtweisen: Mucks Antwort auf die naturalistische Herausforderung EDMUND RUNGGALDIER „Meine Beschäftigung mit logischen und erkenntnistheoretischen Zusammenhängen im Dialog lässt mich die ‚Macht des Geistes‘ gerade in der Fähigkeit sehen, eingeschränkte Perspektiven als solche zu erkennen.“ O. Muck, Mühe und Chancen eines Dialogs, in: E. Bader, Die Macht des Geistes. Festgabe für Norbert Leser, Frankfurt u.a. 2003, 42)
Einleitung Mucks philosophisches Wirken ist geprägt von der Überzeugung, dass viele Alltagsprobleme sowie philosophische „Aporien“ auf die Verkennung eingeschränkter Sichtweisen zurückzuführen sind. Dem Philosophen und Metaphysiker kommt die Aufgabe zu, diese Einschränkungen als solche aufzudecken und folglich unberechtigte Verallgemeinerungen als Grund für viele Probleme zu durchschauen. Diese Überzeugung zieht sich als roter Faden durch Mucks Werke und Vorlesungen. Trotz des Einflusses der Hermeneutik, trotz der wissenschaftskritischen Positionen verschiedenartigster Richtungen greift heute der alte Szientismus im Gewande eines scheinbar moderaten Naturalismus erneut um sich: Letztlich sage uns die positive Wissenschaft und nur sie, was der Mensch wirklich sei. Will man verstehen, worin seine Intentionalität, sein Geist, sein mentales Leben bestehen, habe man die positive Wissenschaft zu befragen. Sie und nur sie könne erklären, worin Bewusstsein besteht und warum der Mensch so handelt, wie er handelt. Die letzte Folge dieser Einstellung ist die bekannte naturalistische These, dass die Annahme, der Mensch sei Subjekt, das frei zu handeln vermag, auf Illusionen beruhe. Es legt sich der Verdacht nahe, dass Naturalisten dazu neigen, das für wissenschaftliche Zwecke methodisch Ausgeklammerte überhaupt zu negieren. Sie scheinen so zu tun, als könne das, wovon man in der Wissenschaft absehen muss, nicht real sein. Muck erinnert zwar daran, dass die positive Wissenschaft um der Objektivität und Intersubjektivität willen von vielem absehen muss und folglich faktisch auf Einschränkungen, Ausklammerungen und Abstraktionen gründet, betont aber immer wieder, dass daraus nicht folgt, das Ausgeklammerte könne es nicht geben. Durch Mucks Ausführungen werden wir einerseits an die Vorteile derartiger Ausklammerungen für die Gewinnung von Erkenntnissen
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erinnert, andererseits aber auch daran, dass die Versuche vergeblich sind, das ursprünglich Ausgeklammerte aus der Basis des durch Ausklammerung Gewonnenen wieder rekonstruieren zu wollen. Untersuche ich ein Ölgemälde in Hinblick auf seine chemische Komposition, muss ich in Hinblick auf diese Zielsetzung eine eingeschränkte Sichtweise einnehmen. Insbesondere muss ich von den künstlerisch wertvollen Formen und Gestalten absehen. Nur so kann ich zur gewünschten Erkenntnis der chemischen Komposition gelangen. Ich darf mich aber dann nicht wundern, dass ich allein aus diesen so gewonnen chemischen Erkenntnissen den künstlerischen Charakter des Bildes nicht mehr rekonstruieren kann. Um eine Landkarte oder einen Stadtplan zu erstellen, muss ich von vielem absehen, insbesondere von meiner subjektiven Perspektive. Sobald ich aber den abstrakten Plan für die konkrete Orientierung verwende, bin ich auf diese subjektive Perspektive wieder angewiesen. Es ist aber offenkundig, dass ich sie nicht aus dem Plan entnehmen kann und dass es somit vergeblich wäre, das tun zu wollen. In diesem Beitrag umreiße ich gleich zu Beginn Mucks Bemühen, Missverständnissen in der Auffassung der Aufgabe und Rolle der Metaphysik vorzubeugen. Ich verweise sodann auf das für die Auseinandersetzung mit metaphysischen Entwürfen relevante Kriterium der Offenheit für alle Lebensbereiche sowie auf die Vielfalt der Erfahrung. Im Hauptteil befasse ich mich mit methodischen Einschränkungen und entsprechenden eingeschränkten Gültigkeitsbereichen. Wichtig scheint mir dabei der Begriff der eingeschränkten Interpretation. Es folgt ein Teil über eingeschränkte Ontologien, wie sie uns im Naturalismus heute begegnen. Wie man sich in der gegenwärtigen Debatte zu den entsprechenden ontologischen Grundthesen stellt, hängt großteils davon ab, ob man die Ontologie als rein theoretische Wissenschaft in Analogie zu den positiven Wissenschaften deutet oder ihr die Aufgabe zuschreibt, umfassend in dem Sinn zu sein, dass sie auch die Prämissen der praktischen Rationalität oder des alltäglichen Handelns zu berücksichtigen hat. Ich erwähne abschließend, dass die gemeinsame Lebenswelt Mucks Ausgangspunkt in der Metaphysik bildet. Zu dieser Welt gehören auch die subjektiven Seiten des Handelnden sowie seine indexikalischen Überzeugungen und Zielsetzungen. Die Berücksichtigung dieser Seiten, die von der positiven Wissenschaft um der Objektivität und Intersubjektivität willen ausgeklammert werden müssen, soll uns nicht zu einem Sprach-Dualismus oder gar zu einem ontologischen Dualismus verführen. Der denkende und handelnde Mensch ist ein einheitliches Individuum.
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Metaphysikverständnis In seinem Bestreben, Metaphysik zu betreiben, musste sich Muck zwei entgegengesetzten Herausforderungen stellen. Die eine geht auf Kant und die empiristische Tradition zurück, der zufolge Metaphysik nicht möglich sei; die andere auf unkritisch eingestellte Neuscholastiker, die die Ansätze der Moderne und der entsprechenden Philosophie nicht ernst zu nehmen schienen. Muck ist stets bestrebt, die klassischen metaphysischen Thesen so zu rekonstruieren, dass sie weder den Anliegen der Kantschen Position noch jenen der Neuscholastiker widersprechen. Von Anfang an bemühte er sich, sie pragmatisch/operativ zu rekonstruieren, ohne das Erfordernis der Materialäquivalenz zu verletzen. Besonders zu beachten ist seine Rekonstruktion der klassischen korrespondenztheoretischen Thesen zur Wahrheit anhand seines pragmatischen Ansatzes. Dazu führt er den Begriff der relevanten Fragen ein und der idealisierten Situation, in der für die Feststellung der Wahrheit keine relevante Frage offen ist. An der Wurzel der radikalen Kritik der Metaphysik ortet Muck häufige Verzerrungen von dem, was Metaphysik ist oder sein soll. Wenn heute mancherorts Metaphysik nicht nur von Philosophen, sondern auch von Theologen abgelehnt wird, so z.T. deshalb, weil man von ihr und ihren Aufgaben Vorstellungen hat, die vernünftigen und zeitgemäßen Einstellungen widersprechen. Heute versteht man unter Metaphysik häufig jene Branche, in der man entweder nach dem Jenseitigen oder dem, was über die Erfahrung hinausreicht, fragt. Seit Neuestem werden im Rahmen der analytischen Philosophie auch Verallgemeinerungen positiv wissenschaftlicher Erkenntnisse als metaphysisch charakterisiert. Muck wird nicht müde, derartigen Vorstellungen von Metaphysik, die einen gewissermaßen transempirischen Bereich annehmen bzw. einen naiven wissenschaftstheoretischen Realismus voraussetzen, entgegenzuwirken. Die Metaphysik hat vielmehr zu klären, welchen Status die verschiedenen Arten von Erfahrung für unser Wissen und unsere Lebensgestaltung haben und welche Rolle den wissenschaftlichen Theorien zukommt. Der Metaphysik kommt die Aufgabe zu, sich um die Grundlagen wissenschaftlichen Denkens, um das Verhältnis der Wissenschaften zueinander und um eine „ganzheitliche Sicht des Sinnes der Welt und des menschlichen Lebens“ zu bemühen (O. Muck, Unveröffentlichtes Vorlesungsskriptum Metaphysik [im Folgenden: „M.“], 0.11). Wenn Muck von „ganzheitlicher Sicht“ spricht, so erhebt er natürlich nicht den Anspruch, als Metaphysiker in der Lage zu sein, das Ganze des Lebens und der Welt gleichsam zu erfassen oder zu überblicken, wohl aber dessen Teilbereiche als Teilbereiche zu verstehen und einzuordnen.
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Die metaphysische Frage nach dem Ganzen oder Absoluten wird häufig so wiedergegeben, dass sie Unverständnis provoziert und den positivistischen Sinnlosigkeitsverdacht erhärtet. Demgegenüber betont Muck, dass es in dieser Fragestellung um die Erkenntnis des Relativen als Relativen geht. Der Metaphysiker bemüht sich um Aufdeckung der Bedingtheit von Sichtweisen und somit um die Erkenntnis von eingeschränkten Sichtweisen als solchen: „Die Relation zum Absoluten wird zur Geltung gebracht durch ‚Relativierung des Relativen‘, d.h.: zum Ganzen kommen wir nur durch Herausarbeiten des Teiles als Teiles.“ (O. Muck, Rationalität und Weltanschauung [RW], Innsbruck u.a. 1999, 231) Die Metaphysik hat es durchaus mit dem Ganzen zu tun, aber nicht so, als ob ihr das Ganze als solches zugänglich oder vorgegeben wäre. Ein Missverständnis ist es zu meinen, der Metaphysiker müsse oder könne das Ganze auf eine Weise vergegenwärtigen wie seine Teilbereiche oder partikulären Aspekte. Erst die Analyse der partikulären Betrachtungsweise, welche den partikulären Aspekt als solchen herausstellt, macht den Bezug zum Ganzen möglich. Im Rahmen der Metaphysik wird grundsätzlich alles betrachtet, was Gegenstand menschlicher Erfahrung und Verhaltens sein kann, aber nicht auf die Weise einer einzelwissenschaftlichen Betrachtung. Es geht vielmehr um eine Interpretation des Einzelnen im Rahmen der Gesamtheit dessen, womit es der Mensch zu tun hat. Diese Ganzheit ist nicht einem bestimmten Erkenntnisakt zugänglich, schon gar nicht in einer einzelnen Erfahrung gegeben. „Sie kann auch nicht durch Methoden erreicht werden, die ihre Stärke gerade daraus beziehen, dass sie ihre Gegenstände nur unter einem besonderen, eingeschränkten Gesichtspunkt betrachten.“ (RW, 226) Erst durch Unterscheidung und Zusammenordnung der verschiedenen Betrachtungsweisen der uns vertrauten Wirklichkeit wird eine einheitliche oder ganzheitliche Deutung der Wirklichkeit – wie sie die Metaphysik anpeilt – möglich. Ein grobes Missverständnis wäre es zu meinen, Metaphysik würde mit dem Anspruch einer besonderen Weise der Erkenntnisgewinnung in Konkurrenz zu einzelnen Erkenntnisweisen treten, z.B. zu den wissenschaftlichen Betrachtungsweisen. Vielmehr gilt: „Ein metaphysisches System entwickelt eine Deutung der verschiedenen Weisen, wie uns Gegebenes begegnet, derart, dass die verschiedenen Gegebenheitsweisen und Deutungsweisen des Gegebenen in einheitlicher Weise zusammengeordnet werden.“ (RW, 227) Unkritische Verallgemeinerungen von Einzelbetrachtungen sowie vorschnelle und unbedachte Deutungen solcher Betrachtungen können zu Antinomien führen. Die Metaphysik hat die Aufgabe, auf diese Weise zustande gekommene Engpässe im Denken aufzuzeigen.
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Metaphysik und Weisheit Der Metaphysiker ist wie der Weise, der in seiner Weisheit unberechtigte Verabsolutierungen und Verallgemeinerungen durchschaut. Der Weise versteht es, das Erlebte und Gewusste richtig einzuordnen: „Wir erwarten von ihm […], dass er das Gewusste richtig einschätzt, sieht, was wesentlich ist, die Dinge in rechter Ordnung auffasst und in der Stellungnahme zu ihnen ihre Bedeutung weder übertreibt noch unterbewertet.“ (M. 0.11) Der Metaphysiker fragt – wie der Weise – nach der Stellung des Menschen zu allem, was ihm im Leben entgegentritt. Dazu gehören auch die Wissenschaften mit ihren vielfältigen Ergebnissen. Zu klären, was ihr Stellenwert im konkreten Leben des Menschen ist, kann nicht Aufgabe dieser partikulären Wissenschaften selbst sein. Dafür braucht es – wie bereits in Aristoteles’ Metaphysik umschrieben – die erste Wissenschaft oder eben die Metaphysik: „Wir lassen uns […] von dem Anliegen leiten, daß die Philosophie jene Wissenschaft ist, welche die Einzelwissenschaften logisch begründet und ihre Vielfalt zusammenordnen und dadurch die Wirklichkeit ihrer Gesamtheit nach erfassen soll.“ (RW, 156) Dem Wissen, welches wir den Wissenschaften verdanken, kommen grundlegende Funktionen für die Bewältigung unseres Alltags und für die Befriedigung unserer intellektuellen Grundbedürfnisse zu. Der Metaphysiker soll die wissenschaftlichen Erkenntnisse aber wegen der methodischen Einschränkungen und Abstraktionen, die ihnen zu Grunde liegen, in ihrer Bedingtheit erkennen und so richtig einordnen. Ihm kommt gleichsam einem Weisen die Aufgabe zu, unbegründete Verallgemeinerungen wissenschaftlicher Daten zu durchschauen und aufzuzeigen, inwiefern sie zu Verzerrungen und Fehldeutungen der Funktion dieser Daten führen. Der typische Fall, der den vorliegenden Ausführungen zu Grunde liegt, ist die faktische Verallgemeinerung naturwissenschaftlicher Methoden und Erkenntnisse im Naturalismus, der aktuellen Version des klassischen Szientismus. Die Thesen, die sich aus derartigen Verallgemeinerungen ergeben, sind keine wissenschaftlichen. Ihr Status ist vielmehr ein unkritisch metaphysischer. Ein Teil der neu entwickelten metaphysischen Entwürfe im Rahmen der analytischen Philosophie entpuppt sich ebenfalls als Folge unkritischer Verallgemeinerungen von wissenschaftlichen Daten. Man denke an die typischen Tropenontologien, die heute weit verbreitet sind. Heute ist, andererseits, viel von Orientierungswissen die Rede: Für unsere konkrete Lebensgestaltung brauchen und suchen wir ein derartiges Wissen, das auch als Wissen des Weisen charakterisiert werden kann. Ein derartiges Wissen kann und soll uns helfen, unser Leben gut zu meistern
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und uns selbst sowie unsere Stellung in der Welt besser zu verstehen. Der Metaphysiker und systematische Philosoph macht Maßstäbe ausdrücklich, die uns in unserem Alltag faktisch leiten, und versucht, sie zu prüfen. (M. 0.11) Rationalitätskriterien Muck wendet sich einerseits gegen die vornehmlich positivistische Tendenz, die Geltung metaphysischer Aussagen nach Kriterien einer Einzelwissenschaft zu beurteilen, andererseits gegen die verbreitete skeptische Auffassung, metaphysische Überzeugungen und Einstellungen könne man nicht rational prüfen und darüber könne man nicht rational argumentieren. Er zeigt Kriterien auf, die rational kritische Auseinandersetzungen zumindest ansatzweise ermöglichen. Naheliegend ist es, zuallererst innere Kohärenz und Widerspruchsfreiheit zu den grundlegenden Kriterien zu zählen. Es leuchtet ein, dass metaphysische Ansichten, die in Weltanschauungen und in einem entsprechenden Orientierungswissen ihren Ausdruck finden, nur dann als vernünftig gelten können, wenn sie in sich stimmig und nicht widersprüchlich sind. Für unsere Überlegungen zu den eingeschränkten Sichtweisen ist aber das Kriterium der Offenheit für alle Lebensbereiche von Relevanz: Klammert eine metaphysische Theorie von vornherein bestimmte Lebensbereiche als irrelevant aus, so kann sie nicht als allumfassend im oben besprochenen Sinn gelten. „Bezüglich des im Leben Begegnenden wird gefordert, dass sich die Weltanschauung auf dieses bezieht, um es zu deuten und zu bewerten, und dass sie grundsätzlich alles Begegnende berücksichtigt und nichts willkürlich ausschließt.“ (O. Muck, Philosophische Gotteslehre [PG], Düsseldorf 19902, 92) Naturalistisch geprägte Weltsichten und entsprechende Auffassungen vom menschlichen Wissen klammern die subjektiven Seiten des Handelns und Lebens zugunsten der objektiven Betrachtung aus. Für wissenschaftliche Zwecke ist das unerlässlich. Muss es aber auch für eine rational vertretbare Deutung der Gesamtwirklichkeit so sein? Ganz im Gegenteil: Eine vernünftige metaphysische Position hat auch diese Seiten, mit den entsprechenden Problemen des Zugangs der ersten Person und der Indexikalität, wie wir noch sehen werden, zu berücksichtigen. Einem weiteren Kriterium zufolge muss eine vernünftige, rational vertretbare Metaphysik offen für Erfahrung und auf Erfahrung rückbezogen sein. Da es aber unterschiedliche Formen von Erfahrung gibt, wird Muck nicht müde, auf die vielfältigen Arten von Erfahrung aufmerksam zu machen. Ein Missverständnis wäre es, würde man für die Metaphysik nur einen Typ von Erfahrung gelten lassen, nämlich jenen, auf den die
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positive Wissenschaft gründet und der durch Wiederholbarkeit und intersubjektive Zugänglichkeit gekennzeichnet ist. Wissenschaftliche Hypothesen müssen durch Experimente getestet werden. Als wissenschaftlich gelten Tests allerdings nur dann, wenn sie zumindest prinzipiell wiederholbar sind und von mehreren Beobachtern als solche festgestellt werden können. Die dafür erforderlichen Erfahrungsberichte können sich folglich nur auf einen Teilbereich von Erfahrungen beziehen. Sie müssen um der Objektivität der getesteten wissenschaftlichen Aussagen wegen jene Erfahrungen ausschließen, die nicht wiederholbar sind. Weltanschauungen und metaphysische Positionen beruhen auf Erfahrungen in einem umfassenderen Sinn. Sie dürfen den Bereich der praktischen Rationalität und der entsprechenden subjektiven Erfahrungen nicht ausklammern. Dazu sind Leid, Schmerz, Erfüllung, Freude, Wert einer Person, Familie, aber auch institutionelle Gegebenheiten zu rechnen. Derartige Erfahrungen sind für unser Handeln und die Alltagspraxis von zentraler Relevanz. Muck subsumiert sie unter die so genannten „Lebenserfahrungen“. Mucks Rekonstruktion der klassischen Metaphysik ist geprägt vom Anliegen der Offenheit für alle Lebensbereiche und für einen entsprechend vielfältigen Erfahrungsbegriff sowie vom Anliegen des Strebens nach einer Gesamtsicht der Wirklichkeit: Es geht nicht nur darum einzelne Bereiche zu erschließen, sondern um ein ausdrückliches Besinnen auf sie und auf die Stellung ihnen gegenüber. Die Vertrautheit mit einzelnen Bereichen macht diese Besinnung nicht überflüssig: Sie „ist um so wichtiger, je größer die Zahl solcher Bereiche ist und die Zahl der Anschauungen über sie und ihr Verhältnis untereinander.“ (M. 0.11) Methodische Einschränkungen Der Erfolg des naturwissenschaftlichen Forschens verführt dazu, die Methoden dieses wissenschaftlichen Zugangs zu verallgemeinern. Wenn nämlich der Forscher gerade ihretwegen zu verlässlichen Erkenntnissen über die Wirklichkeit gelangt, so scheint es angebracht, diese Methoden auch in anderen Bereichen zur Anwendung zu bringen. Wegen dieser scheinbaren Plausibilität neigen viele anzunehmen, die Weise, zu Erkenntnissen ganz allgemein zu gelangen, ergebe sich allein aus der Wissenschaft. Muck greift diese Tendenz zur Verallgemeinerung nicht frontal an, sondern bemüht sich, zunächst aufzuzeigen, dass die naturwissenschaftlichen Methoden gerade um der Objektivität der wissenschaftlichen Erkenntnis willen von vielem abstrahieren und somit die Wirklichkeit methodisch eingeschränkt betrachten müssen. In der naturwissenschaft-
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lichen Erkenntnis wird die Wirklichkeit unter ganz bestimmtem Gesichtspunkt erfasst (vgl. RW, 175f.). Für die Zielsetzungen der positiven Wissenschaft müssen methodische Einschränkungen, Ausklammerungen und Idealisierungen vorgenommen werden. Abstraktion und Idealisierung waren bereits für die Entwicklung der Prinzipien der Mechanik (Galilei, Descartes) wichtig. Für den freien Fall im Vakuum und ein ideales Pendel gibt es im Bereich der erfahrbaren Natur keine unmittelbaren Beispiele. Bereits der Begriff des freien Falls ist Ergebnis einer Extrapolation aus dem beobachteten Verhalten von Körpern. Ein ideales Pendel müsste an einem masselosen Faden hängen, keine innere Reibung aufweisen und durch Luftwiderstand nicht behindert werden. Aus den auf der Basis von Idealisierungen gewonnenen Gesetzen konnte man aber das ungefähre Verhalten von fallenden Körpern und realen Pendeln vorhersagen (siehe auch J. Losee, Wissenschaftstheorie. Eine historische Einführung, München 1977, 58f.). Das hier zur Mechanik Gesagte dürfte sogar für die Entwicklung der wissenschaftlichen Medizin gelten. Die Betrachtung des menschlichen Organismus nach der cartesischen Methode, als ob er eine Maschine sei, ermöglichte die grundlegenden Erkenntnisse des Blutkreislaufs. Desgleichen dürfte die rein chemische Betrachtung der „Säfte“ des Körpers die ersten Erkenntnisse der Physiologie ermöglicht haben. Die Natur und der menschliche Körper können physikalisch betrachtet werden. Aufgrund einer derartiger methodisch eingeschränkten Zugangsweise wurden wissenschaftliche Entdeckungen und Prognosen möglich. Dass man den menschlichen Körper oder Organismus wie eine Maschine oder einen rein physikalischen Gegenstand betrachten muss, um bestimmte wissenschaftliche Ziele zu realisieren, impliziert allerdings nicht, dass er eine Maschine ist. Mucks Kritik der Verallgemeinerungstendenzen wissenschaftlicher Methoden ist keine Kritik der Methoden als solcher. Muck betont ganz im Gegenteil, methodische Ausklammerungen und Idealisierungen seien Voraussetzung für verschiedene Erkenntnisse. Besonders die klassische Naturwissenschaft zeichnet sich durch methodische Ausklammerungen aus. Die so betrachteten Dinge werden nur mittels ihrer Eigenschaften erfasst, und diese sind ihrerseits nur durch messbare Prozesse bestimmbar: „Einen Körper durch seine Eigenschaften definieren bedeutet, die Messprozesse aufzählen, denen der Körper unterworfen werden kann, sowie die von den Instrumenten gelieferten Zahlen angeben.“ (F. Renoirte, Philosophie der exakten Wissenschaften (Critique des sciences, 1945), Einsiedeln 1955, 139; zitiert nach RW, 168.) Wissenschaftliche Messverfahren ermöglichen es, die Charakteristika von Dingen durch Zahlen und Zahlenverhältnisse bzw. Funktionen
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auszudrücken. Besonders die positivistisch geprägte Wissenschaftstheorie legte Wert auf die Errungenschaften und Vorteile derartiger Beschreibungen. Carnap betont z.B. den Fortschrittscharakter des Übergangs von qualitativen Beschreibungen in so genannte Strukturbeschreibungen. Diese drücken nur mehr quantitative Beziehungen zwischen Zahlen aus (siehe R. Carnap, Der logische Aufbau der Welt, Hamburg 1928.) Wenn Aussagen in reine Strukturaussagen transformiert werden können, sind sie auf keine Eigennamen oder definite Kennzeichnungen angewiesen. Sie sehen nicht nur von allen rein qualitativ bestimmten Eigenschaften, sondern auch von individuellen Bestimmungen ab, auf die man sich mit singulären Ausdrücken bezieht. Reine Strukturaussagen beruhen auf Abstraktionen hohen Grades: „Diese besondere Abstraktion ist die Voraussetzung für die Ausbildung und Anwendung der Methode, die diesem Bereich entspricht und es ermöglicht, die dem Bereich eigenen Strukturen und Zusammenhänge zu erkennen.“ (RW, 176) Die für wissenschaftliche Zwecke und für die Vermittlung ihrer kognitiven Inhalte unerlässlichen Bezüge auf Strukturen und funktionale Verhältnisse sind nur durch die beschriebene Abstraktion und Beschränkung möglich. Damit soll nicht gesagt sein, dass durch die Wissenschaft lediglich ganz bestimmte regional beschränkte Gebiete untersucht werden könnten. Die Einschränkung betrifft nicht Bereiche, sondern lediglich die Rücksicht oder Perspektive: „Die Differenzierungen jedoch und Erkenntnisse, die hierbei gewonnen werden und durch welche die Gegenstände voneinander abgehoben und aufeinander bezogen werden, umfassen zwar den ganzen Horizont der Wirklichkeit, jedoch nur in der dieser methodischen Einstellung entsprechenden Perspektive.“ (RW, 176) Es mutet beinahe paradox an, die methodische Begrenzung der positiven Wissenschaften ist aber „der unvermeidliche Kaufpreis für eine wirkliche Objektivität.“ (RW, 169) Für Objektivität und Genauigkeit muss methodisch von vielem – so sehen wir – abgesehen werden, auch vom Bezug zum Ganzen, worauf der Metaphysiker als Metaphysiker so viel Wert legt: „Je exakter im naturwissenschaftlichen Sinn unser Denken und Sprechen ist, desto weniger wird das Ganze thematisch gemacht.“ (RW, 230) Eingeschränkte Gültigkeitsbereiche Viele Alltagsprobleme, ergeben sich aus unberechtigten Ansprüchen. Daher braucht es zu ihrer Lösung eine Klärung und Prüfung dieser Ansprüche. Viele Ansprüche sind aber Ansprüche auf Geltung von Erkenntnis oder Geltung von Normen oder Werten. „Die Auseinandersetzung mit diesen Ansprüchen sollte zu einer kritischen Integration
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führen – zu einer Zusammenordnung […] durch Unterscheidung […] der berechtigten von unberechtigten Ansprüchen.“ (PG, 18) Zu den Hauptaufgaben der Metaphysik zählt Muck folglich die Aufdeckung von Geltungsgrenzen. Die Anwendung vieler Grundsätze und Methoden ist nämlich lediglich innerhalb bestimmter Bereiche gültig. Die Klärung der Geltungsgrenzen hilft, Fehler zu vermeiden, die dadurch entstehen, dass man solche Grundsätze auch außerhalb ihres Geltungsbereichs ungeprüft anwendet. Man soll Irrtümer vermeiden, indem man einerseits die Grenzen eines Bereichs mit den innerhalb dieses Bereichs angebrachten Methoden nicht überschreitet und andererseits diese Methoden nicht innerhalb dieses Bereichs ablehnt – das sei gegen die Wissenschaftsfeindlichkeit gesagt. „Das Herausarbeiten solcher Voraussetzungen, die in bestimmten Bereichen als selbstverständlich angesehen werden, dient dazu, die Grenzen dieser Bereiche und damit die Grenzen der Anwendbarkeit der innerhalb bestimmter Bereiche mit Recht erfolgreich angewendeten Grundsätze deutlich zu machen.“ (RW, 254) Muck greift nicht nur in seinen Schriften, sondern hauptsächlich in seinem Unterricht wiederholt auf das Beispiel vom geknickt erscheinenden, schräg ins Wasser gehaltenen Stab zurück, um den Vorgang der Einschränkung von Gültigkeitsbereichen zu erläutern: Der Stab erscheint zunächst geknickt, durch Abtasten wird aber deutlich, dass er grade ist. Schränkt man den Sinn der Aussage, dass der Stab geknickt ist, „daraufhin ein, daß sie nur mitteilen wolle, wie der Stab dem Auge erscheint, nicht aber, wie er sich in Wirklichkeit verhalte, dann ist sie wahr, aber zugleich ist der Bereich eingeschränkt – etliche Fragen sind nicht mehr relevant, z.B. wie er sich beim Abtasten anfühle.“ (RW, 255) Die Einschränkung erfolgt durch die Präzisierung, man spreche darüber, wie der Stab „dem Auge erscheint“. Ohne diese Präzisierung wäre die Aussage falsch oder zumindest missverständlich. Durch Differenzierung von Gültigkeitsbereichen macht die metaphysische Analyse verständlich, weshalb wir bestimmte Methoden oder methodische Zugänge in dem einen Bereich mit Recht anwenden, in einem anderen nicht. Muck spricht auch von entsprechenden „Seinsweisen“, die nicht unkritisch miteinander vermengt werden dürfen, will man Aporien und Engpässe in der Deutung der umfassenden Wirklichkeit vermeiden. „Die Bedeutung solcher Seinsanalyse liegt in einem Verständnis der differenzierten Wirklichkeit und einer darauf gegründeten angemesseneren Anwendung der Grundsätze unseres Wissens.“ (RW, 255)
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Eingeschränkte Interpretationen In seinen Erörterungen der eingeschränkten Sichtweisen, speziell der methodischen Einschränkungen, geht Muck auch von Alltagsenttäuschungen aus, die sich aus Fehldeutungen des Verhaltens und Sprechens anderer Menschen ergeben. Wir bilden nämlich Überzeugungen über das, was andere Menschen tun und sagen, und diese sind oft falsch. Die Auffassung, die wir von einer Äußerung eines anderen in einer bestimmten Kommunikationssituation bilden, wird auch „Interpretation“ dieser Äußerung genannt. (O. Muck, M. 02-6; Mühe und Chancen eines Dialogs [MCD], in: E. Bader, Die Macht des Geistes. Festgabe für Norbert Leser, Frankfurt u.a. 2003, 47) Im Grunde entspricht sie einer Übersetzung oder Übertragung des Sinnes der Äußerung des Partners. Muck geht auch von der Erfahrung aus, dass Menschen aus gemeinsam akzeptierten Thesen oder Glaubensannahmen unterschiedliche Folgerungen ziehen. Muck betont, dass trotz der genannten Erfahrungen der Fehlinterpretation oder gar des Unverständnisses von Aussagen anderer, Kommunikation, zumindest für die Lösung partikulärer Fragen oder Probleme, gelingt. In vielen Fällen, wahrscheinlich in der Regel, zeigen sich Menschen zufrieden, wenn die Interpretation jene Elemente enthält, die für das Verständnis der Absicht oder der Frage, die ihr Interesse in der Kommunikation leitet, hinreichend sind. Eine derart limitierte und vom jeweiligen Zweck abhängige Interpretation nennt Muck in Analogie zu dem bisher zu den Einschränkungen Gesagten „eingeschränkte Interpretation“. Diskrepanzen im Verständnis oder in der Interpretation von Aussagen anderer sind u.a. auf unterschiedliche Verständnisse der Bedeutung von Ausdrücken zurückzuführen sowie auf unterschiedliche Voraussetzungen, die mit der jeweiligen Fragestellung zusammenhängen, aber auch auf die faktische Extrapolation eingeschränkter Interpretationen. Dass eine Interpretation für bestimmte Zwecke hinreichend ist, impliziert nicht, dass sie es auch für andere ist. In der Einordnung der Erfahrungen von Fehlinterpretationen verweist Muck also wiederholt darauf, dass viele der Fehldeutungen der unterschiedlichen Verständnisse wiederum durch Verallgemeinerungen begrenzter Voraussetzungen und Verständnisweisen zustande kommen. „Die Tatsache, dass eine eingeschränkte Interpretation (für bestimmte Zwecke) zureichend ist, rechtfertigt aber nicht die Annahme, dass sie auch für andere Zwecke zureichend ist.“ (MCD, 48) Als Beispiel dafür gelte die Übersetzung eines Textes aus einer Sprache in eine andere. Wenn es dabei auf die Übermittlung des wissenschaftlichen Gehalts ankommt, ist der Stil der Wiedergabe relativ uninteressant: „Für
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bestimmte Zwecke, in diesem Fall für die Vermittlung physikalisch relevanter Information, ist sie angemessen, verlässlich. Interessiert sich aber ein Literaturwissenschaftler für den Stil spanischer wissenschaftlicher Veröffentlichungen, dann genügt die deutsche Übersetzung nicht. Für diesen Zweck ist die eingeschränkte Interpretation nicht angemessen.“ (MCD, 48) Mucks Thesen zu den methodischen, positiv wissenschaftlichen Einschränkungen, den eingeschränkten Gültigkeitsbereichen sowie den eingeschränkten Interpretationen sind hilfreich, um zu verstehen, wie bedenklich es ist, wenn aus methodischen Ausklammerungen bzw. Verallgemeinerungen auf ontologische geschlossen wird. Schließt man von einer methodischen Ausklammerung auf die Negierung des Ausgeklammerten, so begeht man einen Fehlschluss, es sei denn, dass man hinreichende andere Gründe dafür hat. Die faktische naturalistische Begründung, dass die positiven Wissenschaften eine derartige ontologische Einschränkung oder Negierung nahe legen, ist dafür nicht hinreichend. Ontologische Sichtweisen Viele Naturalisten setzen in ihrer Deutung der Wirklichkeit vier-dimensionale Ontologien voraus. Sie verstehen die zeitliche Dauer wie eine räumliche Dimension. Die Dinge sind für sie nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich ausgedehnt. Zur Höhe, Tiefe und Breite der Dinge käme die zeitliche Erstreckung oder Ausdehnung als vierte Dimension hinzu. Man spricht so von der vier-dimensionalen Raum-Zeit. Alles, was es gibt, fiele in die Raum-Zeit und wäre demnach auch aus zeitlichen Abschnitten zusammengesetzt. Obwohl man sich vier-dimensionale Gebilde nicht visuell vorstellen kann, wären die Dinge, wir Menschen inbegriffen, wie „vier-dimensionale Würmer“, die aus räumlichen und zeitlichen „Teilen“ zusammengesetzt sind. Quine gilt als einer der konsequentesten Vertreter solch einer vier-dimensionalen Ontologie. Vieles spricht in der Tat dafür, dass für Zwecke der positiven Wissenschaften vier-dimensionale Ontologien angebracht und vorteilhaft sind. Die naturwissenschaftliche Methodologie legt derartige Ontologien nahe. In seiner alltäglichen Lebenswelt setzt der Mensch aber die alternative ontologische These voraus, dass die Dinge, Lebewesen mit eingeschlossen, lediglich drei-dimensional sind. Sie gehen gleichsam mit der Zeit mit: Was zu jedem Zeitpunkt ihrer Existenz real ist, ist nicht lediglich ein zeitlicher Ausschnitt oder eine Phase. Sie existieren zu jedem Zeitpunkt als Ganze. Wofür soll man sich entscheiden? Die Wahl hängt davon ab, wie ernst man das von Muck geforderte Kriterium der Offenheit für alle Lebens-
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bereiche und die aristotelische Auffassung der Rolle der Metaphysik als umfassender Wissenschaft nimmt. Der Naturalist wählt den ontologischen Vier-Dimensionalismus, weil er dazu neigt, Ontologie als rein theoretische Branche in Analogie zu den Naturwissenschaften zu verstehen. Aufgrund des genannten Kriteriums der Offenheit wird aber ersichtlich, weshalb die Ontologie auch die Voraussetzungen unseres Handelns oder der praktischen Rationalität zu berücksichtigen hat. Als umfassende oder erste Wissenschaft soll sie klären, wie die unterschiedlichen Perspektiven zueinander stehen, u.a. auch wie die subjektive, indexikalische Erfahrung mit der – zumindest prinzipiell – allen Menschen zugänglichen Welt der Wissenschaft zusammenhängt. Der Naturalist versteht die subjektive Erste-Person-Perspektive rein epistemisch. Von ontologischer Relevanz ist für ihn lediglich die Beobachter-, Dritte-Person-Perspektive oder die wissenschaftliche Zugangsweise: durch sie und nur durch sie könne man ausfindig machen, was die Wirklichkeit und ihre Gesetzmäßigkeiten seien. Was berechtigt aber, die für unser Handeln und Fühlen unerlässlichen ontologischen Grundvoraussetzungen als illusorisch abzutun? Wohl nur der Glaube, dass allein die Perspektive der Wissenschaft die eigentliche Wirklichkeit erschließt. Wenn wir Handlungen und ihre Alltagserklärungen verstehen wollen, müssen wir die indexikalischen Erfahrungen oder die Teilnehmer-, Erste-Person-Perspektive berücksichtigen. Besonders die indexikalische Erfahrung des „Jetzt“ ist für die Erklärung von Handlungen unerlässlich. Wenn die handlungsrelevanten indexikalischen Überzeugungen wahr sind, was ist der Grund für ihre Wahrheit oder was sind ihre „truthmakers“? Das ist auch eine ontologische Fragestellung und soll nicht voreilig auf eine epistemische reduziert werden. Ob man in der Ontologie faktisch mit naturalistischen Tendenzen sympathisiert oder die zuletzt genannte Fragestellung ernst nimmt, hängt zum Großteil auch davon ab, was man als Ausgangspunkt für die eigene Metaphysik nimmt. Die gemeinsame Lebenswelt als Ausgangspunkt Was ist und was soll der Kontext sein, von dem aus man Metaphysik betreibt? Für einen Naturalisten ist es nahe liegend, von den sicheren Ergebnissen der Wissenschaften auszugehen. Durch sie erschließen wir die Wirklichkeit, sie sollen somit auch der sichere Boden sein, auf dem wir philosophieren. Muck hebt demgegenüber die Rolle unserer gemeinsamen Lebenswelt hervor: Sie soll den Ausgangspunkt unseres Philosophieren bilden. Er will die Ergebnisse der Wissenschaften nicht ausklammern, ganz im Gegenteil, sie sollen uns helfen, kohärent und vernünftig zu argumentie-
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ren. Die Kriterien für die Metaphysik, auf die sich Muck beruft, würden eine derartige Ausklammerung nicht gestatten. Ein Missverständnis wäre es, würde man meinen, durch Betonung dieses Ausgangspunktes der gemeinsamen Lebenswelt würde man die Grundannahmen, die wir in unserem Alltagsleben über die Wirklichkeit machen und die uns faktisch in unseren Lebensvollzügen leiten, bildeten die sichere, unrevidierbare Basis unserer metaphysischen Annahmen. Dass sie Ausgangspunkt sind, impliziert nicht, dass sie nicht revidierbar wären. Dass man die gemeinsame Lebenswelt als Ausgangspunkt für das eigene Philosophieren wählt, besagt nicht, dass man im Sinne der „ordinary language philosophy“ oder der „common sense philosophy“ den alltäglichen faktischen Konsens oder das faktische Verständnis zur normativen Richtschnur des Philosophierens erheben würde. Es heißt auch nicht, dass man im Sinne des in den letzten Jahren so oft in Anspruch genommenen „linguistic turns“ nicht die Sache untersuchen würde und sich mit der Untersuchung der Art, wie man über die Sache spricht, begnügen würde. Die gemeinsame Lebenswelt bleibt der erste Bezugspunkt für die Aufdeckung der unterschiedlichen Lebensbereiche in ihrer Differenziertheit und Vielfalt. Muck weiß, dass er mit seinem Ansatz in der aristotelischen Tradition steht, aber auch den Anliegen Gilbert Ryles oder des späten Wittgenstein der Vielfalt der „Kategorien“ bzw. der Sprachspiele entspricht. Muck will es allerdings nicht bei der Feststellung dieser Vielfalt bewenden lassen, wie es bei Wittgensteinanhängern leider oft der Fall ist, sondern will – gerade als Metaphysiker – verstehen, wie sie miteinander zusammenhängen und was die Ontologie ist, auf die diese Vielfalt gründet. Nach Muck bildet die gemeinsame Lebenswelt der sprachlich Interagierenden und miteinander Handelnden auch für die Semantik den natürlichen Ausgangspunkt. Er zeigt sich skeptisch zurückhaltend, wenn die Thesen der formalen Semantik unkritisch verallgemeinert werden. Er bleibt darin konsequenter Aristoteliker, indem er auch für die Deutung der semantischen Beziehungen oder der so genannten Referenz, d.h. der Beziehung zwischen sprachlichem Zeichen und Bezeichnetem, vom Sprecher ausgeht. Der letzte Grund, weshalb Zeichen eine Bedeutung haben, weshalb es sinnvoll ist, Referenz zu postulieren, ist der Sprecher, der in seiner Lebenswelt aufgrund seiner intentionalen Fähigkeiten, durch Verwendung von sprachlichen Zeichen auf Dinge und Ereignisse in der Welt Bezug nimmt. Für Muck ist es zwar sinnvoll, relativ zu bestimmten Zielsetzungen Semantik zu betreiben. Man müsse sich aber dessen bewusst bleiben,
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dass Semantik als solche, speziell die formale Semantik, auf methodische Einschränkungen gründet. Will man dem Phänomen, dass sprachliche Zeichen eine Bedeutung haben, auf die Spur kommen, kann man nicht umhin, den sprachlich Handelnden mit seinem intentionalen Vermögen als primär anzusehen. Mucks Nähe zur Pragmatik und zum Erlanger Konstruktivismus lässt sich auch aus den hier geschilderten Überlegungen zum Ausgangspunkt des Philosophierens verstehen. Muck legt dementsprechend viel Wert auf die vom späten Wittgenstein inspirierten Untersuchungen, in denen der Begriff der Sprechhandlung eine Schlüsselrolle spielt. Eine Ontologie, die umfassend sein soll, hat von der gemeinsamen Lebenswelt auszugehen. Sie muss also auch die Voraussetzungen des Handelns und der Indexikalität berücksichtigen. Handlungen und Indexikalität Wenn wir verstehen wollen, worauf wir uns durch Handlungsbeschreibungen beziehen und was wir durch alltägliche Handlungserklärungen erklären, können wir nicht umhin, auch auf die Handelnden Bezug zu nehmen. Handlungen werden durch Handelnde hervorgebracht und sind somit nicht wie natürliche Ereignisse durch kausale Rückführung auf isolierte antecedentia erklärbar. Sie ergeben sich aus einem komplexen Gefüge von Fähigkeiten und Eigentümlichkeiten der Handelnden, zu denen auch die subjektive Perspektivität und Indexikalität gehören: Handelnde erfahren sich als Zentrum ihrer Welt, in die sie handelnd eingreifen. Handelnde drücken ihre Perspektivität durch so genannte indexikalische Ausdrücke aus, das sind Ausdrücke wie „ich“, „hier“, „dort“, „jetzt“, „gestern“ usw., Ausdrücke also, deren Referenz wesentlich von einem „Index“, vom konkreten Umfeld oder Kontext der jeweiligen Äußerung, des tokens, abhängt. Worauf sich ein token von „ich“ oder „hier“ bezieht, hängt davon ab, wer es wo verwendet (siehe auch: RW, 183f.). Die indexikalischen Ausdrücke ermöglichen es, die indexikalische Perspektivität von Handelnden zum Ausdruck zu bringen. Durch sie verweisen wir auf den subjektiven Gesichtspunkt des jeweiligen „ego“. Dass ich über etwas indexikalisch spreche und denke und fühle, heißt, dass ich in Beziehung zu mir selbst darüber spreche, denke und fühle. Die indexikalische Rede wird somit nicht nur als egozentrisch, sondern auch als selbst-bezüglich (self-referential) oder als de se charakterisiert. Wir verwenden indexikalische Ausdrücke auch, um über die indexikalischen Einstellungen anderer zu berichten. Wenn "ich" das indexikalische Mittel für die Selbstzuschreibung ist, so ist "er" bzw. "sie" das indexikalische Mittel, derartige Selbstzuschreibungen anderer wiederzugeben.
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Das weit verbreitete Bedürfnis, die indexikalischen Ausdrücke durch nicht-indexikalische zu ersetzen, entspricht dem Bedürfnis, sich im Erkenntnisprozess der Abhängigkeit von subjektiven Faktoren zu entledigen. Für die Entwicklung einer wissenschaftlichen oder "idealen" Sprache ist das unumgänglich. Die Beseitigung bzw. Ersetzung der indexikalischen Ausdrücke ist also relativ zur Zielsetzung der objektiven Erkenntnisgewinnung sinnvoll, ja sogar gefordert; relativ zur Zielsetzung der Beschreibung und Erklärung von Handlungen führt sie allerdings zu einem Verlust an Aussagekraft. Wir leben immer im Augenblick, im Jetzt. Aber dieser Augenblick ist ständig ein anderer, er fällt mit immer neuen Zeitpunkten aus der objektiven Zeit zusammen. Welcher Zeitpunkt als jetzt von uns erlebt wird, kann daher nicht in der objektiven Sprache, die keine indexikalischen Ausdrücke kennt, festgehalten werden. Die Zeit ist für uns und unsere Erlebniswelt wie im Fluss. Für die praktische Rationalität ist die vierdimensionale ontologische Gleichrangigkeit der Zeitpunkte nicht nachvollziehbar. Der gegenwärtige Augenblick ist von ganz anderer Relevanz als ein gewesener oder ein noch zukünftiger. Die einen Zeitpunkte sind nicht mehr aktuell, und die anderen sind es noch nicht. Wenn ich handle, so setze ich voraus, dass ich als Ganzer weiterexistiere. Ich plane meine Zukunft für mich und setze dabei voraus, dass es mich auch in nächster Zukunft noch geben wird. Oft wird verlangt, dass man sich entweder für den ontologischen Vier-Dimensionalismus, der keine Indexikalität zulässt, oder aber für eine Ontologie mit drei-dimensionalen Entitäten, denen indexikalische Einstellungen und Fähigkeiten zukommen, zu entscheiden habe. Es wird vorausgesetzt, dass man sich entweder für eine positiv wissenschaftliche Ontologie oder aber gegen sie zu entscheiden habe. Aufgrund des von Muck zu den beschränkten Sichtweisen Gesagten dürfte es aber einleuchten, dass die positive Wissenschaft uns nicht zwingt, den VierDimensionalismus als allgemeine Ontologie anzunehmen. Die wissenschaftliche Arbeit mit dem vier-dimensionalen Raum-ZeitSystem legt zwar die naturalistische These, dass alles vier-dimensional ist, nahe, ist aber mit einer drei-dimensionalistischen Ontologie durchaus kompatibel. Die wissenschaftliche Perspektive als solche ist mit der Annahme kompatibel, dass wir als Handelnde in der Zeit weiterexistieren. Der Wissenschaftler muss aber um der Objektivität des Inhalts seiner Theorien willen alle Art von zeitlicher Indexikalität ausklammern. Wissenschaftliche Theorien kennen keinen privilegierten „point of view“, indem sie gleichsam einen Standpunkt „from nowhere“ einnehmen. Das impliziert aber nicht, dass der Wissenschaftler die ontologische
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Relevanz dieser Aspekte leugnen müsste. Er kann sie als real annehmen, selbst wenn er sie für seine Theorien methodisch ausklammern muss. Für wissenschaftliche Zwecke soll man den methodischen VierDimensionalismus gelten lassen; für eine zufrieden stellende Deutung der Handlungen und des Handelnden als Handelnden muss man aber drei-dimensionale Kontinuanten annehmen. Die Gründe für die Annahme von Kontinuanten sind nicht strikt wissenschaftlich, sie resultieren aus unserem Handeln und unserem gängigen Zeitverständnis mit der für unser Leben wichtigen Dreiteilung in Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit. Schluss Aufgabe der Metaphysik im Sinne Mucks ist es, methodisch eingeschränkte Sichtweisen als solche zu durchschauen und unberechtigte methodische Verallgemeinerungen aufzudecken. Dieser Aufgabe kann die Metaphysik allerdings nur dann gerecht werden, wenn sie von unserer gemeinsamen Lebenswelt ausgeht und nicht von vornherein die Voraussetzungen praktischer Rationalität sowie den Handelnden mit seinen intentionalen und indexikalischen Vermögen ausklammert. In der Reaktion auf die von Neuem erwachte naturalistische Herausforderung, dass das personale Selbst und die Willensfreiheit Illusion seien, wird man sich hüten, die wissenschaftlichen Methoden und Ergebnisse in Frage zu stellen, man wird aber mit Muck auf Fehlschlüsse hinweisen, wenn aus methodischen Ausklammerungen auf ontologische geschlossen wird, nach dem Motto: Das, wovon man für die Zwecke der Objektivität und Intersubjektivität der Wissenschaft absehen muss, könne es nicht geben.
„Farewell to Tropes!“ Ein Abschied, frei nach Otto Muck CHRISTIAN KANZIAN 1. Hinführung In meinem Beitrag1 möchte ich einen Aspekt der Philosophie Otto Mucks ausleuchten, der auf den ersten Blick gesehen wenig bis gar nicht ins Auge sticht. Es ist die Relevanz seines Werkes für die aktuelle analytische Metaphysik, wie sie vorwiegend im englischsprachigen Bereich entwickelt wurde, nun aber zunehmend in Kontinentaleuropa, nicht zuletzt auch im Deutschen Sprachraum an Bedeutung gewonnen hat. Um „aktuelle analytische Metaphysik“ anfänglich zu umreißen, nenne ich Namen wie Armstrong, Campbell, Lewis und Quine, aber auch Chisholm, Lowe, Barry Smith und Strawson,2 sowie das Programm, metaphysische Probleme im Kontext sprachanalytischer, vor allem semantischer Untersuchungen anzugehen.3 Zu diesem Vorhaben zunächst einige Vorbemerkungen. Kritiker der analytischen Metaphysik der geschilderten Provenienz würden meinem Vorhaben wohl mit Skepsis begegnen. Zu weit weg sei die analytische „mainstream-Metaphysik“ von der Philosophie Otto Mucks. Zu wenig gründlich, v.a. unter methodischer Rücksicht erscheinen nicht nur einzelne Beiträge, sondern auch die Debatte als Ganze oder im Ansatz. Gerade ausgehend von einer Analyse der Alltagssprache zu einer philosophischen Theorie der Grundstrukturen der Wirklichkeit zu kommen, scheint wohl Ausdruck zu sein eines allzu naiven Realismus in Semantik und Metaphysik. Und Otto Mucks Denken kann nicht weit genug entfernt davon angesiedelt werden. – Warum ich überhaupt einen Beitrag mit der geschilderten Zielsetzung wage, hat seinen Grund zunächst darin, dass ich die aktuelle analytische Metaphysik nicht für so naiv und 1 Dieser Artikel ist im Anschluss an das Symposium zum 75. Geburtstag von Otto Muck entstanden. Manche Überlegungen, insbesondere aus dem 4. Abschnitt, sind in andere Arbeiten eingeflossen, v.a. in den Vortrag „Die Tropenontologie. Oder: Was bei der Verhältnisbestimmung Wissenschaft - Philosophie alles schiefgehen kann.“, gehalten anlässlich der Konferenz: „Wittgenstein: Philosophie und Wissenschaften“, Leipzig, September 2007. 2 Namensnennungen von deutschsprachigen AutorInnen versage ich mir, um jene nicht zu vergrämen, die ich nicht nennen würde. 3 Zu einer näheren Charakterisierung von „analytischer Metaphysik“ verweise ich auf Runggaldier / Kanzian (1998), 11-16.
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methodisch unreflektiert halte, als dass sie gar nicht mit Otto Muck ins Gespräch gebracht werden könnte. In erster Linie aber bin ich ermutigt durch die zahlreichen persönlichen philosophischen Begegnungen mit Otto Muck selbst, von dem ich niemals erlebt hätte, dass er einen Beitrag zur analytischen Metaphysik von vornherein zurückgewiesen und abgetan hätte. Stets versucht er, mit Wohlwollen und Sachkenntnis, auch gewagte bzw. unfertige Theorien zu rekonstruieren, zu vermitteln und konstruktiv weiterzuentwickeln. Das wäre wohl nicht möglich, wenn es gar keine Verbindung gäbe zwischen Otto Muck und jenen Themen im Bereich der analytischen Metaphysik, die den aktuellen Diskurs bestimmen. Das sind natürlich keine Argumente für mein Unterfangen, sondern bestenfalls Motive. Und so muss ich mich um den Aufweis der Berechtigung, zwischen der aktuellen analytischen Metaphysik und der Philosophie Otto Mucks eine Brücke zu schlagen, weiter bemühen. Dazu mögen die Überlegungen im nächsten Abschnitt (2.) dienen, in denen ich drei Ebenen unterscheide, auf denen ich die Möglichkeit eines solchen Brückenschlages sehe: die allgemeine Ebene des Ansatzes, nämlich der transzendentalen Methodik (2.1.), die Ebene der besonderen Programmatik, Stichwort „Analyse der Rede über Weltanschauung“ (2.2.), und schließlich die Ebene konkreter Argumentation in aktuellen Sachfragen (2.3.). Und den zuletzt genannten Punkt möchte ich im Folgenden weiter ausbauen. Die aktuelle Sachfrage, die ich dabei vor Augen habe, ist der Streit zwischen „Tropen-Metaphysik“ und „Substanz-Metaphysik“. Hier werde ich den Streit als solchen skizzieren (3.), zeigen, wie eine Partei, nämlich die Tropisten, auf ein bestimmtes Verständnis von Metaphysik rekurrieren (4.), das mit Otto Muck zurückzuweisen ist (5.). Daraus ergibt sich ein Metaphysik-theoretisches Plädoyer gegen die TropenMetaphysik frei nach Otto Muck, wie es im Titel dieses Beitrags plakativ formuliert ist. 2. Otto Muck und die aktuelle analytische Metaphysik – der Versuch eines Brückenschlages (2.1.) Als erstes möchte ich die Ebene des Ansatzes in den Blick bekommen. Hier legt sich ein Vergleich nahe zwischen Otto Muck und einem der führenden Autoren der analytischen Metaphysik, nämlich P. F. Strawson. Dazu erscheint es erforderlich, in gebotener Kürze einige Aspekte der Vorgangsweise Otto Mucks zu umreißen.4 Entscheidend für 4 Um Otto Mucks Ansatz und Methode gründlich in den Blick zu bekommen, sei die Lektüre seiner Habilitationsschrift Die Transzendentale Methode in der scholastischen Philosophie der Gegenwart, hier Muck (1964), empfohlen.
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Muck ist, dass die traditionellen Grundfragen der Metaphysik nicht in einem naiven oder (mit Kant gesprochen) „dogmatischen“ Sinne anzugehen sind. So geht es Muck darum, die Themen der klassischen Metaphysik aufzugreifen und methodisch sauber aufzuarbeiten. Ein zentrales Thema der klassischen Metaphysik, das hier beispielhaft angesprochen werden soll, ist aber die Frage nach dem Sein. Um mit Muck „Sein“ bzw. den Sinn von Sein zu verstehen, muss man auf konkrete menschliche Tätigkeiten reflektieren, allen voran auf das Erkennen. Dabei zeigt sich, dass die Ausrichtung auf Sein, verstanden als unbeschränkter und absoluter Horizont, Bedingung der Möglichkeit ist für diese Tätigkeiten, speziell für den Erkenntnisvollzug. Anders sind der absolute Anspruch auf Geltung und der unbeschränkte Bereich unseres Erkennens nicht erklärbar; ebenso wenig die Tatsache, dass wir im Vollzug des Erkennens etwas als (so) seiend setzen. „Deshalb kann gegenüber irreführenden Modellen von Sein durch Rückgang auf die Beziehung zum Sein, die sich im menschlichen Vollzug auswirkt, das Sein als umfassend und absolut herausgearbeitet werden. So kommt es zu einer operativen Klärung des Sinns von Sein.“ (Muck (1999), 252) – Otto Muck geht es also um eine Klärung des Sinns des Objekts (hier kann nur die Seinsfrage beachtet werden) der Metaphysik. Insofern diese Klärung als Analyse von apriorischen „Bedingungen der Möglichkeiten“ menschlichen Erkennens verstanden wird, kann man sie „transzendentalphilosophisch“ im Kantischen Sinne nennen; insofern es dabei um die Analyse von Erkennen als Tätigkeit oder Vollzug geht, eben „operativ“5. Begründet kann die Rechtmäßigkeit eines solchen Rückgangs retorsiv werden: Jede Leugnung eines Rückgangs auf den unhintergehbaren Seinshorizont setzt im Vollzug den Rückgang selbst voraus.6 Peter Strawson ist ein führender Autor der aktuellen analytischen Metaphysik, dessen Vorgehen unter methodischer Rücksicht mit dem Otto Mucks vergleichbar ist. Die „Verwandtschaft“ zwischen Muck und Strawson ergibt sich schon aus historischer Rücksicht. Muck geht im Ansatz auf Joseph Maréchal zurück, und dessen historisches Verdienst ist es bekanntlich, die scholastische Philosophie mit der Transzendentalphilosophie Kants in systematischen Zusammenhang gebracht zu haben7. Strawson sieht sich ebenfalls in scholastischer Tradition, und 5 Zuletzt hat Otto Muck seinen „operativen“ Zugang zu einem Seinsverständnis erläutert in seinem Beitrag „Lässt die Reflexion auf menschliches Denken die ‚metaphysische Dimension‘ der Wahrheit wiedergewinnen?“. Hier: Muck (2004a). 6 Zur Funktion der „Retorsion“ im Kontext der Entwicklung eines operativen Seinsverständnis, siehe Muck (1999), 243, 250, 461. 7 U.a. Muck (1999), 251ff, 414f. Vgl. dazu auch Muck (2004b), wo Muck mit Blick auf Maréchal einen Vergleich von Karl Rahner und Bernard Lonergan unternimmt. Zu
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auch er zeigt sich vom Denken Kants beeinflusst. Ein systematischer Vergleich zwischen Muck und Strawson kann durch Verweis auf Argumentationsstrategien Strawsons geschehen, die sowohl „transzendentalphilosophisch“ als auch „operativ“ zu verstehen sind. Auch Strawson betreibt Metaphysik nicht naiv oder „dogmatisch“, sondern in methodischer Rückbindung an eine Analyse (wohl nicht unserer Erkenntnisvollzüge als solche wie Muck, sondern) unserer konkreten prädikativen Sprachakte. Dabei werden (wohl nicht der Ausgriff auf einen absoluten Seinshorizont, aber) jene Tiefenstrukturen unseres Begriffssystems aufgewiesen, die maßgeblich sind für das Verständnis der Grundstrukturen der Wirklichkeit. Und diese Tiefen- oder grundlegenden Strukturen unseres Begriffssystems sind durchaus als Bedingungen der Möglichkeit unseres Sprachgebrauchs zu verstehen. Insofern es sich also um ein Apriori handelt, das jedem Reden, sowohl im Alltag als auch in den Wissenschaften, voraus liegt und es strukturell begründet, kann man seinen Aufweis „transzendentalphilosophisch“ nennen. Ausgangspunkt der Analysen Strawsons sind, und dies stellt eine weitere Parallele dar, nicht Urteile oder Propositionen als solche, sondern, wie angedeutet, der Vollzug derselben. Nur im Vollzug von prädikativen Sprechakten können wir die apriorischen Grundstrukturen unseres Begriffssystems aufweisen. In diesem Sinne ist Strawsons Vorgehen „operativ“. Und, last not least, argumentiert Strawson in seiner konkreten Theorienbildung retorsiv. Besonders instruktiv erscheint mir jene Passage, in der Strawson über die Eigenart der Zuschreibung mentaler Prädikate spricht: „Wer es ablehnt, dies [Strawsons Theorie der Zuschreibung mentaler Prädikate8] zu akzeptieren, lehnt die Struktur der Sprache ab, in der wir über ...[bestimmte mentale Zustände] reden. ... Es geht nicht, dass jemand so tut, als akzeptierte er diese Struktur, während er gleichzeitig ablehnt, sie zu akzeptieren; d.h., wenn er seine Ablehnung in die Sprache dieser Struktur kleidet.“ (Strawson (1972), 140) Man kann also eine Aussage zurückweisen, indem man zeigt, dass ihr Vollzug das voraussetzt, was sie (direkt oder indirekt) inhaltlich bestreitet, in diesem Fall eine bestimmte begriffliche Grundstruktur. Ich möchte hier in der Sache nicht ins Detail gehen. Mir geht es nur um die erste Möglichkeit eines Brückenschlags zwischen Otto Muck und grundlegenden methodischen Charakteristika Maréchals, wie sie für unseren Kontext maßgeblich sind, vgl. u.a. ebd. 397, 400f. 8 Vgl. Strawson (1972), 140: Strawson vertritt eine Doppelaspekttheorie, derzufolge die Zuschreibung mentaler Prädikate sowohl einen rein privaten Aspekt als auch einen intersubjektiven aufweist. Strawson meint, dass die Entstehung des klassischen LeibSeele-Problems nur durch die Nicht-Beachtung des Doppelaspekt mentaler Prädikate zu erklären sei.
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der analytischen Metaphysik. Und der besteht im Hinweis, dass Hauptvertreter der letzteren methodisch in einer Weise vorgehen, die (bei allen Unterschieden im Detail) gut und gern mit der Vorgangsweise Mucks vergleichbar ist. (2.2.) Auf der Ebene besonderer Programmatik möchte ich Mucks Analysen der Rede über Weltanschauung ansprechen.9 Vorausgeschickt sei, dass die operative Klärung metaphysischer Grundbegriffe bei Muck niemals rein theoretische Bedeutung hat, sondern stets eingebunden ist in sein Bemühen, Weltanschauung bzw. unser Reden darüber zu verstehen. Unter Weltanschauung aber können wir mit Muck jenen Komplex von grundlegenden theoretischen und praktischen Überzeugungen verstehen, die unseren Umgang mit der Umwelt, aber auch mit anderen Menschen prägen. Zu beachten ist hier, dass für Muck der Zusammenhang zwischen der Reflexion auf Weltanschauung und jener über den umfassenden Seinshorizont, dem es der Metaphysik geht, kein äußerer oder zufälliger ist. Die Rede über Weltanschauung macht vielmehr den eigentlichen Sinn des Redens über Sein aus. Es ist ja schließlich unsere Weltanschauung, die den letzten und nicht weiter hintergehbaren theoretischen und praktischen Deutungs- und Sinnhorizont unseres Handelns ausmacht. Somit ist es als zentrale Aufgabe der Metaphysik zu erachten, die Eigenart unseres Redens über Weltanschauung zu klären, und zwar unter Abhebung gegenüber einzelwissenschaftlichem Theoretisieren. So bekommt man auch die besondere Rationalität von Weltanschauung in den Blick, die nicht zu verwechseln ist mit der Rationalität z.B. (Natur-) wissenschaftlichen Vorgehens. Weltanschauung ist keine rein subjektive Sache, ihre Objektivität ist aber eine andere als die der (Natur-) Wissenschaften. An verschiedenen Stellen reflektiert Muck über Kriterien, die es gestatten, die Rationalität von Weltanschauung zu beurteilen. Das ist zunächst Widerspruchsfreiheit. Eine Weltanschauung muss in sich konsistent sein. Eine Weltanschauung hat aber auch einheitlich zu sein, in dem Sinne, dass ihre Prinzipien nicht zusammenhangslos nebeneinander stehen sollen. Als drittes ist das Postulat zu nennen, dass eine Weltanschauung grundsätzlich auf Erfahrung bezogen sein soll. Was nützt eine Weltanschauung, die nicht anwendbar ist auf konkrete alltägliche Lebenssituationen? Und schließlich, viertens, spricht Muck davon, dass jener Weltanschauung der Vorzug zu geben ist, die unsere Erfahrung möglichst umfassend erklärt. Es ist nicht rational, eine Weltanschauung
9 Eine andere Möglichkeit, auf dieser Ebene Muck mit der aktuellen analytischen Metaphysik in Zusammenhang zu bringen, ist seine konstruktive Logik und Erkenntnis- incl. Wahrheitstheorie. Und zwar unter der Rücksicht, dass gerade semantische Untersuchungen ein bedeutender Bereich der aktuellen analytischen Metaphysik ist.
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anzunehmen, die gerade mit den entscheidenden Phänomenen des menschlichen Lebens nicht zurande kommt; siehe dazu Muck (1999), 41. Die Relevanz dieser differenzierenden Betrachtungen zur Rationalität von Weltanschauung für den aktuellen Diskurs der analytischen Metaphysik besteht meines Erachtens darin, dass sie eine fundamentale Kritik am Naturalisierungsprogramm implizieren.10 Faktum ist, dass naturalistisches Philosophieren im Kontext der aktuellen analytischen Metaphysik ein wesentliches Phänomen darstellt. Es greift wohl zu kurz, die gesamte aktuelle analytische Metaphysik als naturalistisch zu deklarieren. Die ersten vier der anfangs zur Charakterisierung des Begriffs „analytische Metaphysik“ angeführten Autoren sind jedenfalls Naturalisten. Ich möchte ferner nicht leugnen, dass die Möglichkeiten, den Begriff „Naturalismus“ zu bestimmen, äußerst vielfältig sind, siehe u.a. Löffler (1999), und wohl auch unter Naturalisten darüber kein Konsens besteht. Desgleichen kann man verschiedene Ebenen oder Untersuchungsbereiche unterscheiden, auf denen naturalistische Prämissen die Theorienbildung bestimmen. Eine zentrale Vorgabe sämtlicher naturalistischer Philosophien scheint mir jedoch die Annahme zu sein, dass es lediglich ein einziges Maß an Rationalität geben könne, und das orientiert sich an bestimmten Naturwissenschaften. Akzeptiert jemand andere als naturwissenschaftliche Formen von Rationalität als für sein Philosophieren maßgeblich, verlässt er damit den Bereich naturalistischen Denkens. – Es liegt nun aber auf der Hand, dass Otto Mucks Überlegungen zur Rationalität von Weltanschauung naturalistischen Denken diametral entgegengesetzt sind. Muck geht es ja gerade darum, die Eigenart unseres Redens über Weltanschauung zu bestimmen, gegenüber der Rede in Einzelwissenschaften abzugrenzen, und ihr dennoch eine unverwechselbare Art von Rationalität zuzusprechen. Insofern nun aber Mucks Denken im Kern Naturalismus-kritisch ist, betrifft es ein dominierendes Programm der aktuellen analytischen Metaphysik. Mucks Denken unterstützt jene Positionen in dieser Debatte, die antinaturalistisch ausgerichtet sind. Damit ist auch auf programmatischer Ebene ein Brückenschlag zwischen seinem Denken und der aktuellen analytischen Metaphysik möglich.
10 Ich unterscheide begrifflich zwischen dem Naturalisierungsprogramm bzw. dem Naturalismus im Allgemeinen und dem Physikalismus im Besonderen. Zu begrifflichen Klärung und Begründung dieser Distinktion siehe meinen Kommentar zu Van Inwagens Artikel „What is Naturalism? What is Analytical Philosophy“, hier: Kanzian (2005). Für den Fortgang dieses Beitrags ist es wichtig, dass ich an dieser Stelle Mucks Auffassungen gegen das allgemeine Naturalisierungsprogramm richte, später (Abschnitt 4. und 5.) wird es um Kritikpunkte an besonderen physikalistischen Voraussetzungen mancher analytischen Metaphysiker gehen.
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(2.3.) Als dritte Ebene der Relevanz von Otto Mucks Denken für die aktuelle analytische Metaphysik möchte ich die der konkreten Argumentation in aktuellen Sachfragen in den Blick bekommen. Und damit bin ich bei jenem Punkt, den ich im Kontext dieses Beitrags etwas ausführlicher verfolgen möchte. Ich will zeigen, wie die Diskussion Substanz-Metaphysik versus Tropen-Metaphysik an entscheidender Stelle auf einem expliziten Verweis auf das zugrunde gelegte MetaphysikVerständnis beruht. Noch deutlicher: Tropentheoretiker lehnen die Substanz-Metaphysik ab unter Verweis auf ein bestimmtes Verständnis von Metaphysik im Allgemeinen. Und dieses Verständnis der Tropentheoretiker von Metaphysik ist äußerst problematisch. Und ich möchte hier zeigen, dass wir von Otto Muck lernen können, warum das so ist. 3. Substanz-Metaphysik versus Tropen-Metaphysik Fragen wir uns zunächst, worum es bei dem geschilderten Konflikt genauer genommen geht. Um dies zu verdeutlichen, ist es erforderlich, die beiden „Kontrahenten“ hinlänglich klar zu charakterisieren. Unter „Substanz-Metaphysik“ soll hier jede metaphysische Theorie gemeint sein, die Substanzen anerkennt. Als Gegenpart der Tropen-Metaphysik fungieren nicht nur jene Auffassungen, die (letztlich) nur Substanzen als Entitäten anerkennen, alles andere als „Seiendes“ in einem nur uneigentlichen oder analogen Sinne. Tropen-metaphysischen Auffassungen stehen auch solche Theorien entgegen, die Substanzen als mit anderen Entitäten, etwa Ereignissen, Zuständen etc. gleichrangig erachten. Also steht jede Substanz-Metaphysik der Tropen-Metaphysik entgegen. Unter Substanzen aber sollen im Folgenden Entitäten verstanden werden, die dreidimensional, (folglich) durch die Zeit mit sich identisch sind, und (folglich) als Träger von Ereignissen fungieren können. Substanzen sind außerdem durch eine irreduzible sachverhaltsartige Struktur gekennzeichnet, der ihre innere Komplexität ausmacht. Dass Substanzen dreidimensionale Entitäten sind, besagt, dass sie eine in drei Dimensionen räumliche Ausdehnung haben. Dass sie nur drei-, nicht aber vierdimensional sind, heißt, dass ihnen eben keine zeitliche Ausdehnung oder Dauer zukommt. Substanzen haben somit nur räumliche, nicht aber zeitliche Teile. Dinge sind, so verstanden, zu jedem Zeitpunkt ihrer Existenz nicht (zeitlich) teilweise, sondern ganz da. Entitäten, die zu jedem Zeitpunkt ihrer Existenz als Ganze da sind, sind aber im strikten Sinne diachron identisch.11 Dadurch, dass Substanzen durch die
11 Vgl. dazu Runggaldier / Kanzian (1998), v.a. die Kapitel II.4 „Identität“, sowie III.1 „Konkrete Dinge“. Hier nehmen wir auch auf die zugrundeliegende Debatte über die
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Zeit mit sich identisch sind, kommen sie als Träger von Ereignissen in Frage. Deutet man Ereignisse im aristotelischen Sinne als Änderungen, wird das besonders deutlich. Wie soll man sich auch Änderungen denken können, ohne etwas, das sich ändert, und in der Änderung dasselbe bleibt?12 So gesehen sind Substanzen sogar die einzigen möglichen Träger von Ereignissen. Dreidimensionalität, diachrone Identität und ihre Funktion als Träger von Ereignissen sind Merkmale von Substanzen, die in jeder SubstanzMetaphysik zum Standardrepertoire gehören. Von der oben erwähnten inneren Sachverhaltsstruktur von Substanzen kann das nicht behauptet werden. Somit soll diese etwas ausführlicher erläutert werden, zumal es die komplexe innere Struktur von Substanzen ist, die sie, das kann hier bereits vorausgeschickt werden, von Tropen unterscheidet. Beginnen wir dabei mit der Feststellung, dass Substanzen zweifelsohne aus irgendeinem Material bestehen. Sowohl Räumlichkeit als auch Zeitlichkeit von Substanzen ist durch ihre Materialität bedingt13. Insofern aber Räumlichkeit und Zeitlichkeit maßgeblich sind für die Individualität der Substanzen, ist auch die letztere durch ihre Materialität konstituiert. Ein Lebewesen, wie eine Katze etwa, besteht aus organischen Bausteinen. Aufgrund der Position dieser organischen Bausteine kann man der Katze räumliche sowie zeitliche Eigenschaften zusprechen. Und es sind diese räumlichen und zeitlichen Eigenschaften, welche diese Katze von allen anderen unterscheidet. So gesehen machen sie die Individualität der Katze aus. Was aber Substanzen weiterhin ausmacht ist, dass ihr Material in irgendeiner Weise geformt ist. Unter Form verstehe ich zunächst keinen technischen Terminus, etwa der klassischen Metaphysik, sondern einfach die Weise wie die materialen Bestandteile einer Substanz zusammengesetzt sind. Ohne eine bestimmte Form können wir von keiner Katze sprechen. Es muss eine Form vorliegen, die bestimmt, wie die materialen Bausteine zueinander stehen bzw. wirken bzw. sich entwickeln.14 – Inwiefern ergibt sich aus diesen Überlegungen aber eine „diachrone Identität von Dingen“ Bezug. Neuere Vertreter der These sind u.a. Simons (2000); Lowe (2003). 12 Diesen Gedanken hat Brian Lombard in seinem Buch über Ereignisse betont. Siehe u.a. Lombard (1986), 80f; Lowe (1998), 122. 13 Dass hier Substanzen als „zeitliche“ Entitäten bezeichnet werden, steht ihrer Bestimmung als dreidimensional nicht entgegen. Ich kann hier die Eigenart des für Substanzen „akzidentellen“ Bezugs zur Zeit nicht erörtern; siehe dazu Kanzian (2001), IV–3. 14 „Material“ verwende ich als Funktion eines metaphysischen Bestandteils von Substanzen, und zwar im Hinblick auf die Konstitution der Substanz. Der Gegensatz von „material“ ist: „die Form betreffend“. „Materiell“ steht für „körperlich“, im Gegensatz zu unkörperlich oder geistig. Ich meine, dass alle Substanzen ein „materielles Material“ besitzen. Das schließt aber nicht aus, dass es bei den Substanzen „rein materielle“ und
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sachverhaltsartige Struktur von Substanzen? Unter Entitäten mit sachverhaltsartiger Struktur verstehe ich, allgemein gesprochen, solche, die man als komplexe Gebilde auffassen kann, in denen verschiedenartige Elemente zusammen vorkommen. Was auch immer das Material, aus dem Substanzen bestehen, sowie die Form wie Substanzen bestehen, sind, sie sind doch, um zunächst das eine Moment sachverhaltsartiger Struktur zur Geltung zu bringen, verschieden. Substanzen bestehen somit aus zwei verschiedenen Komponenten. Sie sind komplexe Entitäten. Sind aber die Komponenten auch verschiedenartig, wie das oben als zweites Moment für sachverhaltsartige Strukturen verlangt wurde? Ich meine, das ist der Fall. Meines Erachtens ergibt sich diese Verschiedenartigkeit daraus, dass das eine Element, Material aus dem ..., niemals die Funktion des anderen, Form wie ..., für den Aufbau des Komplexes, der ganzen Substanz, wird erfüllen können. Man kann rein aus materialen Komponenten Form oder Gestalt oder Bauplan einer Substanz nicht rekonstruieren, weder begrifflich noch im Sinne einer metaphysischen Analyse. Man kann aber auch aus Form oder Gestalt oder Bauplan einer Substanz nicht seine materiale Grundlage oder „Verwirklichung“ in der Welt gewinnen. Somit ergibt sich, dass Substanzen eine irreduzible innere Komplexität aus verschiedenartigen Elementen aufweisen. Sie sind, in eingeführtem Sinne verstanden, sachverhaltsartig strukturiert. Kommen wir nun aber zum Gegenpart, zur Tropen-Metaphysik. Hier tun wir gut daran, mit der Bestimmung des Begriffs „Trope“ zu beginnen. Das ursprünglich mit der Einführung von Tropen verbundene Anliegen ist, Eigenschaften in der Metaphysik zu verankern, ohne sich auf die Akzeptanz von Universalien zu verpflichten. Tropen sind nämlich nichts anderes als Eigenschaften, allerdings partikuläre, das heißt raum-zeitlich verfasste und einmalige Eigenschaften, wie z.B. dieses Grün der Tafel, oder jene Höhe des Stuhles. So erachtet es Keith Campbell als „große, befreiende Einsicht“ (engl.: “great, liberating insight”): „Properties can be particulars, so the denial of universals need not be the denial of properties“. (Campbell (1990), preface xi) Tropen sind, um ein weiteres Charakteristikum zu nennen, einfach. Tropen haben keine komplexe Struktur. Das mag nicht ausschließen, dass es auch zusammengesetzte Tropen geben mag, etwa die Trope dieses Grün-und-Rund der Scheibe hier. Aber auch die bilden, um die Überlegungen des obigen Absatzes aufzugreifen, keine sachverhaltsartige Struktur – dazu mangelt „nicht rein materielle“ gibt. Auch folgt daraus nicht, dass es keine Entitäten geben könne mit nicht-materiellem Material. Aus dem Gesagten folgt nur, dass Entitäten mit nichtmateriellem Material keine Substanzen sein können, sondern eben nicht-substanzhafte Individuen. Ein weiterer Gesichtspunkt, den ich hier nicht ausführen kann, ist, dass diese Form bei Substanzen von ihrer Art oder Spezies abhängt.
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es ihnen an der Verschiedenartigkeit der Elemente. Grün und Rund mögen „determinates“ unterschiedlicher „determinables“ sein, ihre Funktion im Ganzen des Komplexes ist aber austauschbar. Tropen sind also keine „Mini“- oder „Ersatz“-Substanzen. Im Hinblick auf die Gegnerschaft zur Substanz-Metaphysik muss man bei der Tropen-Metaphysik eine wichtige Unterscheidung vornehmen. Es mag nämlich durchaus Positionen geben, die, zusätzlich zu Substanzen, auch partikuläre Eigenschaften mit einfacher Natur, sprich Tropen, annehmen15. Es ist sogar möglich, Tropen zusammen mit Substanzen und universalen Eigenschaften zu akzeptieren: Bei hinreichend platonischer Veranlagung mag man durchaus geneigt sein, im Bereich der Eigenschaften zwischen Universalien und Partikularien zu unterscheiden.16 Es bedarf dazu lediglich die zusätzliche Annahme einer Instanzierungsrelation zwischen beispielsweise der Farbe Grün als Universale und diesem konkreten Grün der Tafel da. Wie auch immer. Solche Auffassungen stehen, das ist klar, einer Substanz-Metaphysik nicht entgegen. Ein (unversöhnlicher) Gegensatz zur Substanz-Metaphysik ergibt sich allerdings dann, wenn Tropen nicht nur als eine Art von Entitäten neben anderen aufgefasst werden, sondern, wie etwa bei Keith Campbell und anderen, als grundlegende, ja als die grundlegenden Bestandteile der Wirklichkeit. Nach Campbell gibt es nur Tropen. Nach ihm sind sämtliche alltägliche Gegenstände metaphysisch betrachtet als „Bündel von Tropen“ zu begreifen. Die Annahme von Substanzen zur metaphysischen Interpretation von Alltagsgegenständen erübrigt sich also. Unsere Katze z.B. ist nichts anderes als ein Bündel oder Kompositum aus Tropen, wie dieser ihrer Größe, ihrem Gewicht, ihrer Farbe etc. Was sie „zusammenhält“ ist kein metaphysisches Substratum, sondern die Beziehung der „Kopräsenz“, in der sämtliche Tropen, die sie, die Katze, konstituieren, zueinander stehen. Unsere alltäglichen Gegenstände, Lebewesen eingeschlossen, sind somit nichts anderes als Bündel oder Gruppen „kopräsenter“ Tropen. Ich möchte es mir hier versagen, weiter in die Details dieser Version der Tropen-Metaphysik einzudringen. Um der terminologischen Klarheit willen möchte ich diese Version jedoch mit dem Attribut „reduktionistisch“ bezeichnen, da sie Gegenstände, die im Sinne der traditionellen Metaphysik als Substanzen aufgefasst werden, reduziert, und zwar wie gesagt, auf Bündel oder 15 Siehe dazu Armstrongs schematische Gliederung von Positionen in Armstrong (1989), 17. 16 U.a. Chisholm sieht in seinem Kategorienschema sowohl individuelle als auch abstrakte Eigenschaften vor, wenn man individuelle Eigenschaften als Bestandteile von „states“ zulässt, und abstrakte Eigenschaften als „attributes“ in Chisholms Sinn versteht. Vgl. Chisholm (1996), 3.
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Gruppen kopräsenter partikulärer Eigenschaften oder Tropen. Und eine solche reduktionistische oder kurz R-Tropen-Metaphysik ist es, die der Substanz-Metaphysik, in allen ihrer Ausprägungen entgegensteht. (Damit wäre an dieser Stelle eine programmatische Zwischenbemerkung angebracht, die den Titel dieses Beitrags betrifft. Dieser müsste nämlich unter Berücksichtigung des eben Dargelegten besser lauten „Farewell zu RTropes. ...“. Das klingt aber nicht nur plakativ, sondern eindeutig seltsam. Somit bleibe ich bei meinem unsauberen Titel und bitte die Leserin dafür um Nachsicht.) 4. „Metaphysik“ bei R-Tropisten Nachdem ich versucht habe, den Konflikt zwischen Substanz-Metaphysik, genauer: jeder Substanz-Metaphysik, und Tropen-Metaphysik, genauer: der R-Tropen-Metaphysik, zu schildern und etwas zu präzisieren, komme ich zum nächsten Schritt. Inwiefern rekurriert eine Partei, nämlich die R-Tropisten, auf ein bestimmtes Verständnis von Metaphysik, und welches Verständnis ist das? – Metaphysik-theoretische Raster können äußerst fein gesponnen werden. Zu manchen Zwecken reicht allerdings ein ziemlich grobmaschiges Schema. Und das ist (zum Glück) im Hinblick auf unseren Zweck der Fall, nämlich die Charakterisierung des Metaphysik-Verständnisses von R-Tropisten. Es braucht m.E. zwei Unterscheidungen, und das ist die zwischen „deskriptiver“ und „revisionärer“ Metaphysik, und im Bereich der revisionären Metaphysik zwischen physikalistisch durchgeführter und nicht physikalistisch durchgeführter. Deskriptiv ist keine R-Tropen-Metaphysik. (Und behauptete eine, deskriptiv zu sein, so bin ich der Meinung, dass sie sich darin irrt.) Bezüglich der zweiten Unterscheidung ist zu sagen, dass der R-Tropismus als solcher nicht notwendigerweise auf den Physikalismus verpflichtet. Faktisch verstehen aber führende R-Tropisten Metaphysik im Sinne einer physikalistisch durchgeführten revisionären Metaphysik, und rechtfertigen bzw. begründen ihren R-Tropismus durch Verweis auf physikalistische Prämissen17. Die konkreten Rechtfertigungs- und Begründungsstrategien sind, wie wir sehen werden, verschieden, ebenso wohl auch die Konsequenz ihrer Durchführung. Dennoch kann als gemeinsamer Nenner aller führenden R-Tropen-Theorien18 angeführt werden, dass sie ohne physikalistische Grundannahmen wesentlich
17 Als Ausnahmeerscheinung möchte ich hier Käthe Trettin anführen, die als entschiedene R-Tropisten physikalistischen Auffassungen in der Metaphysik entgegentritt. Vgl. Trettin (2003), 69f. 18 Ausnahme: siehe letzte Fußnote.
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unvollständig wären. Bevor wir dies in den Blick bekommen wollen, soll aber die erste und grundlegende Unterscheidung vorgetragen werden. 4.1. Deskriptive versus Revisionäre Metaphysik Dass es der Metaphysik um die Grundstrukturen der Wirklichkeit zu tun ist, steht im Großen und Ganzen außer Streit. Äußerst kontrovers ist hingegen die Frage, was man meint, wenn man von „der Wirklichkeit“ spricht, die man metaphysisch analysieren möchte. Was ist das eigentliche und primäre Forschungsobjekt der Metaphysik? In der aktuellen Debatte finden sich zwei große Richtungen von Antworten. Die eine ist, „Wirklichkeit“ zu verstehen als jene Lebenswelt, in der wir Menschen miteinander und mit anderen Lebewesen und der unbelebten Natur interagieren. Metaphysik würde demnach aufzufassen sein als jene Disziplin, welche unsere Alltagswelt als solche in ihren Grundzügen beschreibt. Und eine solche Metaphysik wird für gewöhnlich „deskriptiv“ genannt. Was eine Alltags- oder deskriptive Metaphysik weiterhin auszeichnet, ist die Anerkennung der metaphysischen Autorität von Intuitionen, die Menschen bzgl. ihrer Lebenswelt haben. Natürlich kann dies nicht bedeuten, dass man eine metaphysische Theorie alleine aufgrund oder in naiver Umlegung von (irgendwelchen) Intuitionen gewinnen kann. Dennoch gilt, dass eine deskriptive Metaphysik bei der Theorienbildung Intuitionen nicht grundsätzlich ignorieren kann. Ein Wahrheitskriterium für eine deskriptive Theorie ist, ob sie mit bestimmten Intuitionen zurechtkommt. Es ist jene deskriptive Metaphysik eine bessere, welche diese Intuitionen auf plausiblere Weise berücksichtigt. Eine deskriptive Metaphysik muss korrigiert werden, wenn sie in bestimmter Weise „gegenintuitiv“ ist. Ich habe an anderer Stelle ausführlicher geschrieben über die Begriffe „Intuition“, „metaphysisch relevante Intuition“ und die Weise, wie der Verweis auf dieselben als Argument in der Metaphysik dienen kann; vgl. Kanzian (2003). Deshalb möchte ich das hier nicht weiter entfalten. Ein zweites Merkmal von deskriptiver Metaphysik besteht darin, dass sie in einem noch näher zu bestimmenden Sinn mit Grundzügen unseres alltäglichen Sprechens zurechtkommen muss. Um dieses Merkmal zu erläutern, muss man zunächst einmal klären, welche Züge man meint, wenn man von Grundzügen unseres alltäglichen Sprechens redet. Unter den Grundzügen einer Sprache verstehe ich jene Strukturen, für die gilt, dass sie nicht nur auf einen Teilbereich dieser Sprache zu beschränken sind, sondern eben die ganze Sprache betreffen. Damit schließe ich u.a. aus, dass die Rede über bestimmte Gegenstandsbereiche zu diesen Grundzügen zu zählen ist. Weiterhin sind Grundzüge sprachinvariant,
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insofern als sie sich nicht auf eine einzelne natürliche Sprache, etwa das Deutsche oder das Englische, beschränken lassen. Linguistische Besonderheiten, etwa des Deutschen oder des Englischen, sind somit ebenfalls aus dem Bereich der Grundzüge auszuschließen. Als drittes Kriterium möchte ich nennen, dass Grundzüge des Sprechens für die Grammatik einer Sprache derart grundlegend sind, dass sie selbst nicht mit Mitteln der Grammatik erklärt werden können. „Grundlegend“ zu sein meint aber auch, dass sich die so bezeichnete Eigenart nicht einfach innerhalb einer Sprache weginterpretieren lässt. In der Folge möchte ich nur einen solchen Grundzug herausgreifen. Er lässt sich aufweisen anhand eines im Alltag besonders bedeutsamen Sprechaktes, nämlich anhand der Prädikation. Unter einer Prädikation verstehe ich jene komplexe Sprechhandlung, durch die wir uns auf etwas oder jemanden beziehen oder referieren, um von ihm etwas auszusagen. Ohne mich mit möglichen sprachphilosophischen Interpretationen der Prädikation beschäftigen zu wollen, möchte ich festhalten, dass sich an ihr ein Grundzug unseres Sprechens aufweisen lässt, nämlich seine Subjekt-Prädikat-Struktur. Unter Subjekten verstehe ich hier keine bestimmte grammatikalische Kategorie, schon gar nicht eine bestimmte Wortart; ebenso wenig übrigens unter Prädikaten. Faktisch verwenden wir ja die verschiedensten Arten von Wörtern sowohl als Subjekte als auch als Prädikate. Unter Subjekt verstehe ich vielmehr einen Ausdruck, der in einer Prädikation eine bestimmte Funktion, nämlich die bezugnehmende; unter Prädikat einen, dem in der Prädikation die Funktion des Aussagens zukommt. Die Subjekt-Prädikat-Struktur gehört nun zu den Grundstrukturen des alltäglichen Sprechens. Sie betrifft nicht nur einen Teilbereich von Sprachen, sie ist sprachinvariant und sie kann mit Mitteln der Grammatik nicht erklärt werden. Schon gar nicht kann sie innerhalb einer Sprache eliminiert werden, etwa durch Übersetzung in sprachliche Einheiten ohne diese Struktur. In Analogie zum oben über Intuitionen Gesagten, kann dies nicht bedeuten, dass man eine konkrete metaphysische Theorie alleine aufgrund oder in naiver Umlegung einer Theorie der Subjekt-Prädikat-Struktur gewinnen kann. Dennoch gilt, dass eine deskriptive Metaphysik bei der Theorienbildung besagte Grundstruktur unseres Sprechens nicht ignorieren kann. Ein Wahrheitskriterium für eine deskriptive Theorie ist, ob sie eine Basis für eine plausible Erklärung dieser Grundstruktur des Sprechens bereithält. Es ist jene deskriptive Metaphysik eine bessere, welche die Subjekt-Prädikat-Struktur unseres Sprechens besser, sprich plausibler erklärt. Eine deskriptive Metaphysik muss korrigiert werden, wenn sie keine oder nur eine unbefriedigende Deutung der Subjekt-PrädikatStruktur impliziert.
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Da von „revisionärer Metaphysik“ in ihrer konkreten R-tropistischen Durchführung noch ausführlicher die Rede sein wird, können wir sie hier anfänglich als Gegenstück zur „deskriptiven“ charakterisieren. Nach der revisionären Metaphysik ist die Frage nach Grundstrukturen der Wirklichkeit zu verstehen als Frage nach „Basisbausteinen“ derselben. Es geht nicht darum, die Alltagswelt in ihren Grundzügen zu beschreiben, sondern zu rekonstruieren als (nachrangiges) Folgephänomen eben aus diesen Basisbausteinen. Der Metaphysik, so verstanden, geht es um die „Mikro-Welt“ und die Ableitung der „Makro-Welt“ aus derselben. Alltägliche Intuitionen und Praxis zählen im Kontext einer so verstandenen Metaphysik nicht als Kriterien für die Adäquatheit von Theorien. Z.T. wird es sogar als große Errungenschaft erachtet, alltägliche Einstellungen bezüglich unserer Lebenswelt zu revidieren. Programmatisch steht dafür eine Aussage Derek Parfits: „Philosophers should not only interpret our beliefs; when they are false, they should change them.” (Parfit (1984), x). (Somit erscheint es auch problematisch, durch Verweis auf Intuitionen gegen revisionäre Annahmen in der Metaphysik vorzugehen. In diesem Sinn ist Quine wohl recht zu geben, als er einen Einwand, der allein auf die Gegenintuitivität mancher seiner Thesen abzielte, lapidar antwortete: „Unnaturalness in philosophy is all right.“ (Quine (1994), 93) Eine revisionäre Metaphysik wird auch den Bezug auf die eben erwähnten Grundzüge unseres alltäglichen Sprechens als für ihre Theorienbildung nicht maßgeblich erachten. Vielmehr wird sie eine nicht-alltägliche „Basissprache“ entwickeln, versehen mit dem Postulat, dass alle wissenschaftlichen, aber auch alltäglichen Redeweisen ohne Verlust ihrer kognitiven Relevanz in diese Basissprache übersetzt werden können.19 Wie aber können wir die Unterscheidung zwischen physikalistischrevisionärer Metaphysik und nicht physikalistisch-revisionärer Metaphysik verstehen? – Ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, möchte ich hier drei Punkte anführen. Erstens sind im Kontext einer physikalistisch-revisionär durchgeführten Metaphysik die „Basisbausteine“ der Wirklichkeit im Sinne der Physik zu interpretieren. Die Welt ist letztlich und ausschließlich eine physikalische. Die Alltagswirklichkeit unserer Makrowelt lässt sich aus ihrer physikalischen Grundlage herleiten. Zweitens, und dies ist das sprachphilosophische Pendant zum ersten Punkt, ist die Basissprache aller anderen Redeweisen, der alltäglichen genauso wie die der Wissenschaften, die Sprache der Physik. Letztere ist im Sinne Carnaps somit als die „Universalsprache der Wissenschaften“ 19 Am radikalsten scheint mir hier Lorenz Puntel vorzugehen, der in seinen neuesten Beiträgen immer wieder eine Eliminierung der Subjekt-Prädikat-Struktur aus der revisionären Basissprache fordert.
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zu verstehen. Und drittens ist nach dem Physikalismus die Metaphysik als rein induktives Verfahren zu verstehen. Wobei zu beachten ist, dass als Ausgang ausschließlich die Ergebnisse physikalischer Theorienbildung heranzuziehen sind. Ein metaphysisches Begriffssystem ist letztlich ein physikalisches, wenn auch mit einem eigentümlich allgemeinem Charakter. Die Frage nach nicht physikalistisch durchgeführter revisionärer Metaphysik kann ich hier offen lassen. Mein Augenmerk liegt auf der RTropen-Metaphysik. Und die ist, wie schon gesagt und im Folgenden verdeutlicht werden soll, faktisch physikalistisch-revisionär. 4.2. Physikalistisch-revisionäre Metaphysik bei führenden R-Tropisten (4.2.1.) Keith Campbells Ansage einer universalienfreien Metaphysik mit Eigenschaften mutet zunächst nicht unbedingt revisionär an. Dass dieses Grün der Tafel hier als partikuläres Vorkommnis gedeutet wird, steht unseren alltäglichen Intuitionen wohl kaum entgegen. Selbst Campbells R-tropistische Deutung von Dingen als Tropenbündeln ist, zumindest auf den ersten Blick gesehen, nicht zwingend revisionär. Insbesondere scheint der Verzicht auf empirisch unzugängliche Substrata nicht gegenintuitiv zu sein. Auch dem Kriterium für deskriptive Metaphysik, dem Grundzug der Subjekt-Prädikat-Struktur unseres alltäglichen Sprechens zu entsprechen, dürfte Campbells R-Tropen-Theorie nicht entgegenstehen. Die Prädikation „Die Tafel ist grün“ ist durchaus so zu verstehen, dass von einem Tropenbündel etwas ausgesagt wird: Die Trope Grün ist in ihm als eines seiner Elemente enthalten. Dieser erste deskriptiv anmutende Schein trügt allerdings. Versteht man Campbells Metaphysik tatsächlich deskriptiv, kommt man sehr bald in unüberwindbare Schwierigkeiten. Hier seien nur zwei erwähnt: Erstens gibt es kein (zumindest kein rein willkürliches) Kriterium für die Identität von Tropen, verstanden als partikuläre Eigenschaften im Sinne deskriptiver Metaphysik. Wie viele Grün-Tropen kommen hier im Verbund des „Tropenbündels“ Tafel vor? Eine? – Sprich eine Trope für die Farbe der ganzen Tafel? Drei? – Je eine Trope für die beiden räumlich separierbaren Tafelflügel, und eine für den Hauptteil? Sechs? – Oberer und unterer Abschnitts jedes Hauptteils? Die Vorschläge können beliebig erweitert werden, ohne dass sich eine (nicht willkürliche) Entscheidung nahe legen würde. Neben dem Problem der Identifikation von Tropen stellt sich das Problem des Verschwindens von Tropen bei Änderungen. Bleiben wir beim Beispiel der Tafel und fragen wir uns, wie es zu erklären ist, wenn das Grün chemisch abgetragen und die Tafel blau gestrichen wird. Nach dem Farbwechsel liegen eine oder mehrere
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Blau-Tropen vor. Wo aber sind die Grün-Tropen hin? Sind sie zugrunde gegangen? Wenn ja, wie ist das Zugrundegehen eines ganz und gar Einfachen zu erklären? Leibniz’ Lösung der Auslöschung durch Gott (siehe Leibniz, Monadologie, Punkt 6) steht Campbell wohl nicht zur Verfügung. Wenn keine Zerstörung stattfindet, stellt sich die Frage nach dem neuen Aufenthaltsort der Grün-Tropen nach der Änderung. Schon diese beiden Problemkreise, nämlich der Identifikation und der Änderung, machen deutlich, dass man die Rede von Tropen in Campbells Sinn einer R-Tropen-Metaphysik nicht für bare deskriptive Münze nehmen darf. Was uns im Alltag an partikulären Eigenschaften begegnet, gibt uns keinen Aufschluss darüber, was R-Tropen letztlich sind. Campbell ist zugute zu halten, dass er dies selbst zugesteht, und im Verlaufe seines Buches Abstract Particulars (hier: Campbell (1990)) konsequenterweise zu einer revisionären Tropen-Metaphysik kommt. Die Basisbausteine der Wirklichkeit sind nicht die partikulären Eigenschaften unseres Alltags, sondern „Basis-Tropen“, sprich Felder, die eindeutig physikalisch zu interpretieren sind20. Die Eigenschaften des Alltags entstehen durch Verdichtungen und Verdünnungen dieser Basis-Tropen. Als solche sind sie „well-founded appearances“, die nicht einfach als Illusion abzutun, aber auch nicht als zur „straightforwarded reality“ zu zählen sind (Campbell (1990), 152). Der Sinn dieser Bestimmungen entzieht sich dem Autor dieses Beitrags. Das darf es auch. Für unseren Kontext reicht der Hinweis, dass Campbells R-Tropismus, aufgrund seiner deskriptiven Undurchführbarkeit, eindeutig revisionär, und zwar physikalistisch, ausgelegt ist. (4.2.2.) Als weiteren führenden R-Tropisten möchte ich Arda Denkel und sein Buch Object and Property (hier: Denkel (1997)) anführen. Für Denkel grundlegend ist die Unterscheidung zwischen der Ebene unserer alltäglichen Welt und ihren Gegenständen (der „physical world“) einerseits und der ihrer metaphysischen Konstituenten andererseits (Denkel (1997), 16ff). Die „basic units“ der ersten Ebene sind Dinge oder Objekte, deren Merkmale durchaus mit jenen aristotelischer Substanzen verglichen werden können. Sie sind in ihrer Existenz „physisch unabhängig“, durch die Zeit mit sich identisch, Träger von Eigenschaften und Änderungen. Von den basic units der Alltagswelt zu unterscheiden sind die Grundelemente ihrer metaphysischen Konstituenten. Denkel nennt sie „ultimates of metaphysical analysis“ (Denkel (1997), 16) auch „analytic ultimates“ (Denkel (1997), 42) oder „analytic units of existence“ (Denkel (1997), 247). Es handelt sich dabei um partikuläre Eigenschaften oder eben Tropen. Von entscheidender Bedeutung ist, dass Denkel die 20 Siehe Campbell (1990), 146. Hier identifiziert Campbell jene Felder, die er als „BasisTropen“ ausweist, mit den „fundamental forces recognized in contemporary physics“.
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genannte Unterscheidung mit einer Wertung verbindet: Die Ebene der Tropen ist metaphysisch grundlegend, die der substanzartigen Gebilde abgeleitet. Letztere, die Dinge der alltäglichen Welt sind somit, letztlich, nichts anderes als Bündel partikulärer Eigenschaften. Denkel spricht also einer Zweiteilung der Wirklichkeit das Wort. Er unterscheidet dabei eine (deskriptiv-)metaphysisch nachrangigen Alltagsoder Makrowelt von einer (revisionär-)metaphysisch grundlegenden Basis- oder Mikrowelt. Da letztere wie gesagt R-tropistisch zu interpretieren ist, können wir auch von Denkel aus den Zusammenhang zwischen revisionärer Metaphysik und R-Tropismus klar in den Blick bekommen. Wie steht es aber mit dem physikalistisch-revisionärem Charakter von Denkels R-Tropismus? Der Begriff „Physikalismus“ kommt in Object and Property nicht vor, ebenso wenig wie „Naturalismus“ und verwandte programmatische Begriffe. Der Sache nach ist es aber klar, dass Denkels R-Tropismus den oben angeführten Physikalismus-Kriterien genügt. So spricht er explizit davon, dass seine Metaphysik „empirisch in Gang gesetzt ist“ (vgl. Denkel (1997), 12), durchaus im Sinne induktiver Metaphysik. Klar ist auch, dass die Welt, um die es Denkel geht, die physikalische und ausschließlich die physikalische ist. Was auf der Ebene der „analytic ultimates“ zu Denkels eigentümlichem RTropismus führt, ist, dass es ihm bereits auf der Ebene der Makro-Welt eben nur um die „physical world“ geht. (4.2.3.) Als dritten führenden R-Tropisten möchte ich Peter Simons anführen. Gleich Campbell und Denkel bekennt sich Simons dazu, dass der deskriptive Ansatz in der Metaphysik R-Tropen-theoretisch nicht durchführbar ist. Simons nimmt dennoch unter den R-Tropisten eine Sonderstellung ein. Erstens ist er ein Konvertit, der in früheren Jahren, v.a. unter dem Einfluss der Phänomenologie des frühen Husserl, Substanz-Metaphysiker war. Erst später, wohl unter dem Einfluss der verfeinerten Lektüre von Whitehead, hat sich Simons zu Physikalismus und R-Tropen-Metaphysik bekehrt. Zweitens gibt Simons über den Zusammenhang von R-Tropismus und Physikalismus dankenswert explizit und klar Auskunft.21 Drittens, und das macht ihn für unseren Kontext besonders attraktiv, begründet Simons seinen Physikalismus (und folglich die Grundentscheidung zum R-Tropismus) Metaphysik-theoretisch. In besagtem Artikel geht auch Simons vom hier gewählten groben Unterscheidungsraster innerhalb der aktuellen Metaphysik aus. Der deskriptiven Metaphysik geht es um die alltägliche menschliche Lebenswelt als solcher. Sie versucht diese in ihren Grundzügen zu beschreiben. In unserer alltäglichen Lebenswelt aber, das gibt Simons nicht nur zu, 21 Hier wollen wir uns auf seinen Artikel „Farewell To Substance. A Differentiated Leave-Taking“, hier Simons (1998), beziehen.
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sondern verteidigt dies auch u.a. gegen David Lewis, sind durch die Zeit identische Dinge, allen voran menschliche Personen, irreduzible Bestandteile. Also haben auch Substanzen in einer Metaphysik unserer alltäglichen Lebenswelt ihre unverzichtbare Berechtigung (Simons (1998), 239ff). Der deskriptiven Metaphysik gegenüber steht die revisionäre Metaphysik. Ihr geht es nicht um unsere alltägliche Lebenswelt als solcher. Sie bezieht sich auf die naturwissenschaftliche Basis der Lebenswelt und versucht deren Grundzüge zu beschreiben. Und die Naturwissenschaftlicher, allen voran die Physiker, lehren uns, dass man an der Basis unserer Lebenswelt keine Substanzen vorfindet, sondern vielmehr eine Vielheit konkreter Qualitäten, welche die Gegenstände unserer alltäglichen Welt, sowohl der unbelebten als auch der belebten Natur, konstituieren. Im Rahmen einer revisionären Metaphysik haben somit Substanzen ausgedient. Konkrete Qualitäten, verstanden als R-Tropen, sind die Grundbausteine der Wirklichkeit. Simons’ Einsicht besteht darin, dass die deskriptive Metaphysik überwunden werden müsse, zugunsten einer revisionären Metaphysik. Also haben die Freunde der R-Tropen endgültig über die Anhänger Aristoteles´ gesiegt. Die Frage, warum das so ist, beantwortet Simons aber, wie angedeutet, explizit unter Verweis auf ein bestimmtes Verständnis von Metaphysik. Und hier bin ich bei meinem Punkt. Ich zitiere zunächst Simons: Investigating the nature of the world and our relationship to it is not a task for a priori metaphysics but of a science revisable in the light of increasing knowledge about the world and ourselves, a posteriori but still with a metaphysical framework of maximal generality at any stage. A metaphysics is a theory of being qua being: it is a general theory of everything, or it is nothing at all. (Simons (1998), 251) Die Metaphysik ist nach Simons’ Verständnis durchaus im Sinne der aristotelischen Theorie des Seienden als solchem zu begreifen. Sie kann aber, und hier verlässt er die aristotelische Tradition, nur dann als Wissenschaft bestehen, wenn man das empirisch-induktive Vorgehen der Einzelwissenschaften, allen voran der Physik, auf sie, die Metaphysik überträgt. Die Metaphysik beginnt dort, wo die Einzelwissenschaften aufhören, aber in dem Sinne, dass sie Theorien und Hypothesen der Einzelwissenschaften zusammenfasst und mit einer allgemeineren Begrifflichkeit reformuliert. Ich erkenne darin schlicht und einfach die Auffassung Quines, dass die Metaphysik eine Naturwissenschaft ist, allerdings eine, wie Quine betont, mit etwas allgemeinerer Begrifflichkeit. In den Grundzügen seiner Auffassung unterscheidet sich Peter Simons wohl nicht von anderen führenden R-Tropisten. Wir verdanken
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es aber besonders Simons, den Zusammenhang zwischen R-Tropismus und Physikalismus bzw. Physikalismus und einem bestimmten Metaphysikverständnis klar in den Blick zu bekommen. Aber, und damit komme ich zur entscheidenden Frage, ist dieses Metaphysikverständnis richtig? Muss man Metaphysik so verstehen wie Simons und andere R-Tropisten? – Ich möchte darauf hinweisen, dass wir von Otto Muck lernen können, dass dem nicht so ist. 5. Warum das Metaphysik-Verständnis der R-Tropisten falsch ist Natürlich stellt auch Otto Muck nicht in Frage, dass eine Metaphysik mit den Ergebnissen der Einzelwissenschaften zurechtkommen muss. So stehen auch Metaphysik und Physik nicht wie zwei unvermittelbare, erratische Blöcke nebeneinander. Aber muss man deshalb die Metaphysik gleich zu einem Appendix der Physik machen? Otto Muck kann uns helfen zu verstehen, warum dem nicht so ist. Nach Otto Muck kann die Metaphysik nicht einfach Fortsetzung irgendeiner Einzelwissenschaften mit etwas allgemeinerer Begrifflichkeit sein. Ich möchte hier nur eine Argumentationslinie für diesen antiphysikalistischen Standpunkt skizzieren: dass nämlich die Erkenntnisweise der Einzelwissenschaften und die der Metaphysik, wie Otto Muck sagt, einer grundlegend anderen Ordnung angehören. (Muck (1999), 159) Die Metaphysik als Wissenschaft von Seiendem als Seiendem ist Prinzipienwissenschaft und in diesem Sinne grundlegend für die Einzelwissenschaften. (Muck (1999), 159) Sie ist die gemeinsame Wurzel, aus der man die verschiedenen Erkenntnisweisen der Einzelwissenschaften differenzieren und auch aufeinander beziehen kann. (Muck (1999), 194) Otto Muck behauptet dies nicht nur. Er begründet dieses Verständnis von Metaphysik auch. Die Metaphysik betrachtet alles, was in irgendeiner Weise Gegenstand menschlichen Tuns sein kann. Sie setzt jedes einzelne in Beziehung zum Ganzen. Sie interpretiert das einzelne im Ganzen. (Muck (1999), 225) Dieses ganzheitliche Moment ist es auch, das Muck immer wieder vom wesentlichen weltanschaulichen Moment der Metaphysik sprechen lässt. Dieses ganzheitliche Ziel ist aber nicht durch Methoden der Einzelwissenschaften zu erreichen, und zwar aus prinzipiellen Gründen. Den Einzelwissenschaften geht es um das berechtigte Anliegen, das einzelne unter einer besonderen, eingeschränkten Rücksicht zu betrachten. Dem entspricht auch Otto Mucks Bemühen, die Eigenart metaphysischer Erklärung gegenüber einzelwissenschaftlicher Erklärung herauszustreichen. Erklärungen der Einzelwissenschaften haben zweifellos bedeutende Funktionen, u.a. prognostische. Muck nennt sie wohl auch unter dieser Rücksicht „funktional“ (siehe dazu auch Muck (2004a), u.a. 43).
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Der Physiker möge uns erklären, warum wir damit rechnen können, dass wir, wenn wir uns mit einer Rakete auf den Weg ins Weltall machen, bestimmten Umweltbedingungen ausgesetzt sein werden, etwa dem Wegfall der Schwerkraft etc. Die Metaphysik hingegen erklärt integrativ. Sie erklärt das einzelne unter Verweis und im Kontext des Ganzen. Der Metaphysiker kann uns sagen, warum es nicht unbedingt schlüssig ist zu meinen, dass der Atheismus wahr ist, weil auch dort oben im Weltall von Gott keine (empirisch wahrnehmbare) Spur zu finden ist. Die Metaphysik kann unkritische Vermengungen verschiedener einzelner Erklärungen aufzeigen, auflösen, und die Erklärungen neu aufeinander beziehen. Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen naturwissenschaftlichen, etwa physikalischen, und metaphysischen Erklärungen besteht darin, dass erstere Auskunft über hinreichende Gründe für das Eintreten von Ereignissen geben. Das Platzen des Kühlers im Auto kann man physikalisch erklären, indem man Antecedensbedingungen anführt, die hinreichen um das fragliche Ereignis eintreten zu lassen, etwa das Vorliegen einer bestimmten Außentemperatur und die Geltung des Gesetzes, dass sich Wasser beim Gefrieren ausdehnt etc. Metaphysische Erklärungen geben keine Auskunft über derartige hinreichende Bedingungen. Sie führen vielmehr notwendige Bedingungen an, im Sinne von Möglichkeitsbedingungen. Nähere ich mich zum Beispiel metaphysisch dem Phänomen der Impulsübertragung, wie es etwa beim Aufprall einer Billardkugel auf eine andere auftritt, werde ich auf Prinzipien, möglicherweise das metaphysische Kausalprinzip verweisen. Stimmt das Prinzip, ist es aber als notwendig für diesen Vorfall zu erachten, keinesfalls als hinreichend. Die Geltung aber der Angabe hinreichender Gründe kann niemals definitiven Charakter haben. Stets ist die Möglichkeit mit zu berücksichtigen, dass die faktischen Antecedensbedingungen, die zum Eintreten eines konkreten Ereignisses geführt haben, durch andere ersetzt werden können. Unser Kühler mag aus noch ganz anderen Gründen platzen, eine kleine Explosion, spontane Materialermüdung? Wer weiß? – Demgegenüber haben metaphysische Erklärungen im Sinne der Angabe notwendiger Möglichkeitsbedingungen keineswegs hypothetischen Charakter. Das besagt nicht den Ausschluss von Irrtum im Kontext metaphysischer Erklärungen. Das heißt aber, dass, wenn ein metaphysisches Prinzip in Anschlag gebracht wird, dessen Geltung nicht gleichzeitig in irgendeiner Weise relativiert werden kann. Es kann hier nicht die Aufgabe sein, Otto Mucks Argumentation für die irreduzible Eigenart der Metaphysik gegenüber den Einzelwissenschaften auch nur annähernd vollständig anzudeuten. Ich möchte vielmehr meinen Bogen schließen. Von Otto Muck können wir meines Erachtens lernen, dass und warum der Metaphysiker gerade nicht „im
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selben Boot sitzt wie der Naturwissenschaftler“, um die klassische Metapher Neuraths aufzugreifen. Jenes Metaphysik-Verständnis, das Peter Simons auf die alleinige Akzeptanz einer revisionären Metaphysik, und folglich auf den Physikalismus verpflichtet, ist somit mit Muck zu problematisieren. Da aber die Entscheidung für die revisionäre Metaphysik und den Physikalismus der entscheidende Argumentationsschritt für die Ablehnung von Substanzen und die Hinwendung zur R-Tropen-Theorie ist, kann man sagen, dass dieser Schritt mit Otto Muck in Frage zu stellen ist. Mit anderen Worten: Entweder Muck oder R-Tropismus. Um Missverständnissen vorzubeugen möchte ich festhalten, dass natürlich auch die Substanz-Metaphysik, gerade in ihren aktuellen Ausprägungen, ihre Schwierigkeiten hat. Auch hat die allgemeine, sprich nicht-reduktionistische Annahme von Tropen, d.h. von konkreten individuellen Eigenschaften durchaus ihren Charme, etwa als interessante Alternative im Universalienstreit. Natürlich kann man nicht sagen, dass sich aus Otto Muck eine bestimmte Substanz-Konzeption ableiten lässt. Das wäre ebenso kurzschlüssig, wie wenn man mit Otto Muck unmittelbar gegen jede Art konkreter individueller Qualitäten ins Felde zöge. Ich sage nur, dass man die metaphysik-theoretische Argumentation von Peter Simons und anderer R-Tropisten mit Otto Muck blockieren kann. Und wenn man bedenkt, dass sich heute ein Großteil analytischer Metaphysiker dieser metaphysik-theoretischen Argumentation bedienen und sich deshalb auf den Weg in die R-Tropen machen, dann kann man ersehen, welch große Relevanz Otto Mucks Denken für diesen Bereich der aktuellen Philosophie hat. Und um nichts anderes, als das zu sagen, kann es mir hier gehen. 6. Literatur Armstrong, D. (1989), Universals. An Opinionated Introduction. San Francisco u.a.: Boulder. Campbell, K. (1990), Abstract Particulars. Oxford: Blackwell. Chisholm, R. (1996), A Realistic Theory of Categories. New York – Melbourne: Cambridge University Press. Denkel, A. (1996), Object and Property. Cambridge: Cambridge University Press. Kanzian, C. (2001), Ereignisse und andere Partikularien. Paderborn: Schoeningh. Kanzian, C. (2003), Der Verweis auf Intuitionen als Argument in der Ontologie, in: Metaphysica 4 / 1, 83-100. Kanzian, C. (2005), Naturalism, Physicalism, and some Footnotes on “Analytical Philosophy”, in: Corradini, A. / Galvan, S. / Lowe, J., Hgg. (2005), Analytic Philosophy Without Naturalism. London – New York: Routledge.
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Überlegungen zum Begriff der praktischen Wahrheit bei Aristoteles HERMANN WEIDEMANN In seinem Aufsatz „Wahrheit und Verifikation“ hat Otto Muck die der traditionellen Korrespondenz- oder Adäquationstheorie der Wahrheit zugrunde liegende Wahrheitsauffassung, die er die „intentionale Auffassung der Wahrheit“1 nennt, einer von ihm als „operativ“ bezeichneten Auffassung gegenübergestellt und gezeigt, daß zwischen diesen beiden Auffassungen insofern ein enger Zusammenhang besteht, als die Kriterien, nach denen ihre Vertreter die Bejahbarkeit – genauer gesagt: die absolute Bejahbarkeit – einer Aussage beurteilen, zwar verschieden, aber miteinander äquivalent sind.2 Daß eine Aussage absolut bejahbar ist, heißt für Muck, daß der Anspruch, mit ihr die Wahrheit zu sagen, aufgrund dessen, daß sie nicht nur wahr, sondern auch als wahr erwiesen – also verifiziert – ist, mit Recht erhoben werden kann.3 Nach der intentionalen Wahrheitsauffassung, die Muck deshalb so nennt, weil ihre Anhänger sich darauf berufen, daß man mit der Bejahung einer Aussage eine bestimmte Absicht verfolgt, nämlich die Absicht, einen tatsächlich bestehenden Sachverhalt auszusagen, ist eine Aussage genau dann absolut bejahbar, wenn der in ihr ausgesagte Sachverhalt tatsächlich besteht und man dies auch weiß.4 Nach der operativen Wahrheitsauffassung hingegen, der Muck deshalb diesen Namen gibt, weil ihre Vertreter davon ausgehen, daß sich die Bejahung einer Aussage als eine bestimmte sprachliche Tätigkeit, nämlich als die Tätigkeit des Beantwortens einer Frage, interpretieren läßt5, kann eine Aussage genau dann absolut bejaht werden, wenn, wie Muck formuliert, „keine für die Aussage relevante Frage offen ist“6, d.h. genau dann, wenn feststeht, daß auf keine Frage, auf die man eine sinnvolle Antwort geben kann, die mit der betreffenden Aussage unverträglich ist, eine mit ihr unverträgliche zutreffende Antwort gegeben werden kann. Wie Muck gezeigt hat, ist dieses
Der vorliegende Beitrag wurde erstmals veröffentlicht in Zeitschrift für philosophische Forschung 59 (2005), 345-357. Der Wiederabdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Herausgeber dieser Zeitschrift und des Verlags Vittorio Klostermann. Die alte Rechtschreibung sowie die Zitationsweise des Originals wurden beibehalten. Auf Seite 62 wurde der Text an einigen Stellen geändert. 1 Muck 1976: 46 (1999: 93). 2 Vgl. Muck 1976: 46 f. (1999: 93 f.). 3 Vgl. Muck 1976: 39, 44 f. (1999: 85, 91 f.). 4 Vgl. Muck 1976: 46 (1999: 93 f.). 5 Vgl. Muck 1976: 38, 46 (1999: 84, 93). 6 Muck 1976: 39 (1999: 85 f.).
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„operative Kriterium der Bejahbarkeit“7, wie er es nennt, mit dem intentionalen Bejahbarkeitskriterium insofern äquivalent, als die Bedingungen, an die es die absolute Bejahbarkeit einer Aussage knüpft, genau dann erfüllt sind, wenn auch die Bedingungen erfüllt sind, die dem intentionalen Kriterium zufolge erfüllt sein müssen, damit die betreffende Aussage absolut bejahbar ist. Als Kriterien der Bejahbarkeit sind die beiden genannten Kriterien zwar keine Wahrheitskriterien, sondern Kriterien der Verifikation, aber in jedem von ihnen ist ein ihm entsprechendes Wahrheitskriterium enthalten. Das Wahrheitskriterium, das dem operativen Kriterium der Bejahbarkeit entspricht, läßt sich folgendermaßen formulieren: Eine Aussage ist genau dann wahr, wenn auf keine für sie relevante Frage eine zutreffende Antwort gegeben werden kann, die mit ihr unverträglich ist. Dieses Kriterium ist nun allerdings dem Einwand ausgesetzt, zirkulär zu sein, da eine zutreffende Antwort auf eine Frage ja nichts anderes ist als eine die betreffende Frage beantwortende wahre Aussage. Den Einwand, es sei zirkulär, könnte man auch gegen das dem intentionalen Kriterium der Bejahbarkeit entsprechende Wahrheitskriterium erheben, dem zufolge eine Aussage genau dann wahr ist, wenn sie in dem Sinne mit der Wirklichkeit übereinstimmt, daß der in ihr ausgesagte Sachverhalt tatsächlich besteht; und zwar könnte man diesen Einwand folgendermaßen begründen: Da eine Aussage keine bildhafte Darstellung des Sachverhalts ist, der in ihr ausgesagt wird, kann sie mit der Wirklichkeit nicht in der Weise übereinstimmen, in der ein Bild mit der Wirklichkeit übereinstimmen kann.8 Die Aussage „Sokrates besaß eine Stupsnase“ beispielsweise kann mit der wirklichen Beschaffenheit der Nase, die Sokrates besaß, nicht so übereinstimmen, wie ein Bild, das Sokrates darstellen soll, mit Sokrates übereinstimmen kann. Mit der Wirklichkeit übereinstimmen kann eine Aussage nur in der Weise, daß sie mit einer richtigen Beschreibung der Wirklichkeit und folglich mit einer Aussage, die wahr ist, übereinstimmt. Zu sagen, die Wahrheit einer Aussage bestehe in deren Übereinstimmung mit der Wirklichkeit, läuft daher auf die
Muck 1976: 39 (1999: 86). Muck hält „das Sprechen von der Übereinstimmung“ deshalb für „mißverständlich“, weil mit ihm „eine dem menschlichen Erkennen nicht angemessene Modellvorstellung nahegelegt“ werde, „als ginge es dabei um eine Abbildung der zu erkennenden Wirklichkeit im menschlichen Bewußtsein“ (1976: 36, 1999: 82). Dem ist entgegenzuhalten, daß der in einem Aussagesatz ausgedrückte Gedanke, auch wenn er den in dem betreffenden Satz ausgesagten Sachverhalt ebensowenig bildhaft darstellt wie der betreffende Satz selbst, gleichwohl in dem Sinne eine Abbildung dieses Sachverhalts ist, daß er ihn im Verstand eines Menschen, der die Bedeutung des betreffenden Satzes versteht, als das mit diesem Satz Gemeinte repräsentiert. 7 8
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triviale Feststellung hinaus, daß die Wahrheit einer Aussage darin besteht, daß die betreffende Aussage mit einer wahren Aussage übereinstimmt. Ich möchte im folgenden zeigen, daß man, wenn man einen bestimmten Gedanken, der auf Aristoteles zurückgeht, weiterdenkt, das intentionale Wahrheitskriterium unter Bewahrung seines intentionalen Charakters in ein operatives Kriterium verwandeln kann, in dessen Gestalt es sich diesem Einwand gegenüber verteidigen läßt. Der Text, auf den ich mich dabei stütze, ist ein Abschnitt aus dem zweiten Kapitel des sechsten Buches der Nikomachischen Ethik, in dem Aristoteles von einer Wahrheit spricht, die er als praktische Wahrheit (ἀλήθεια πρακτική) bezeichnet.9 Dieser Abschnitt, der die Zeilen 1139 a 21–31 umfaßt, lautet:10 21 ἔστι δ’ ὅπερ ἐν διανοίᾳ κατάφασις καὶ ἀπόφασις, τοῦτ’ ἐν ὀρέξει δίωξις καὶ φυγή· ὥστ᾽ ἐπειδὴ ἡ ἠθικὴ ἀρετὴ ἕξις προαιρετική, ἡ δὲ προαίρεσις ὄρεξις βουλευτική, δεῖ διὰ ταῦτα µὲν τόν τε λόγον ἀληθῆ εἶναι καὶ τὴν 25 ὄρεξιν ὀρθήν, | εἴπερ ἡ προαίρεσις σπουδαία, καὶ τὰ αὐτὰ τὸν µὲν φάναι τὴν δὲ διώκειν. αὕτη µὲν οὖν ἡ διάνοια καὶ ἡ ἀλήθεια πρακτική· τῆς δὲ θεωρητικῆς διανοίας καὶ µὴ πρακτικῆς µηδὲ ποιη-
Was beim Verstand das Ja- und das Neinsagen zu etwas ist, das ist beim Streben das Trachten nach und das Zurückscheuen vor etwas. Folglich muß deshalb, weil die sittliche Tugend ja eine feste, auf Entscheidung hingeordnete Grundhaltung und die Entscheidung ein auf Überlegung beruhendes Streben ist, sowohl das (die Überlegung abschließende) Urteil (des Verstandes) wahr als auch das Streben richtig sein, | wenn die Entscheidung gut ist, und (das heißt:) es muß dann ein und dasselbe sein, wozu das eine (nämlich das Urteil des Verstandes) ja sagt und wonach das andere (nämlich das Streben) trachtet. Der Verstand und die Wahrheit, mit denen wir es hier zu tun haben, sind also praktisch (d.h. handlungsbezogen). Was aber den theoretischen Verstand betrifft, denjenigen (Verstand) also, der nicht praktisch ist und auch nicht poietisch (d.h. weder handlungs- noch herstellungsbezogen), so heißt (seine Leistung) gut oder
9 Das Wort πρακτική ist an der Stelle 1139 a 26 f., an der von dieser Wahrheit die Rede ist, ohne Artikel dem mit einem Artikel versehenen Wort ἀλήθεια nachgestellt, also nicht attributiv, sondern prädikativ auf es bezogen. 10 Griechischer Text: Bywater 1894, Übersetzung: H. W. – Unter Berufung darauf, daß „they are relatively isolated from the rest of his theory“ (2004: 40), hat Crivelli darauf verzichtet, die Bemerkungen, die Aristoteles in diesem Abschnitt zum Begriff der praktischen Wahrheit macht, in seine Untersuchung über die Aristotelische Wahrheitstheorie mit einzubeziehen.
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τικῆς τὸ εὖ καὶ κακῶς τἀληθές ἐστι καὶ ψεῦδος (τοῦτο γάρ ἐστι παντὸς διανοητικοῦ ἔργον)· τοῦ 30 δὲ πρακτικοῦ | καὶ διανοητικοῦ ἀλήθεια ὁµολόγως ἔχουσα τῇ ὀρέξει τῇ ὀρθῇ.
schlecht zu vollbringen (auch) für ihn, die Wahrheit zu treffen oder sie zu verfehlen – denn das ist es ja, was für den Verstand jedweder Form seine Leistung (gut oder schlecht) zu vollbringen heißt –; aber im Falle des praktischen | Verstandes handelt es sich dabei um (das Treffen oder Verfehlen) eine(r) Wahrheit, die in der Übereinstimmung mit dem richtigen Streben besteht.
Ich werde diesen Text zunächst interpretieren und anschließend zu zeigen versuchen, wie sich am Leitfaden dessen, was Aristoteles in ihm über den Begriff der praktischen Wahrheit ausführt, ein Kriterium der theoretischen Wahrheit gewinnen läßt, das eine operative Spielart des intentionalen Wahrheitskriteriums darstellt. Aristoteles nennt in dem zitierten Text zwei Bedingungen, die erfüllt sein müssen, wenn eine Entscheidung in dem Sinne gut ist, daß sie eine Entscheidung für eine sittlich gute Handlung ist. Wenn eine Entscheidung in diesem Sinne gut ist, wenn sie also eine Entscheidung für eine sittlich gute Handlung ist, „muß sowohl das (die Überlegung abschließende) Urteil (des Verstandes) wahr als auch das Streben richtig sein“ (1139 a 23 f.). Was hiermit gemeint ist, wird klarer, wenn man einen Blick in den Abschnitt 1139 a 31 – b 11 wirft. In diesem Abschnitt bezeichnet Aristoteles nämlich einerseits das die Überlegung, die einer Entscheidung vorausgeht, abschließende Urteil als ein „Urteil, das man sich um eines bestimmten Zieles willen bildet“ (1139 a 32 f.)11; und er sagt andererseits vom Streben, das sich mit einem solchen Urteil verbinden muß, damit eine Entscheidung zustande kommt, es sei auf „das sittlich gute Handeln“ als „Ziel“ ausgerichtet (vgl. 1139 b 3 f.). Unter einem Urteil, das man sich „um eines bestimmten Zieles willen“ oder – so die wörtliche Übersetzung – „um etwas willen“ (ἕνεκά τινος: 1139 a 33) bildet, will Aristoteles nicht etwa ein Urteil verstanden wissen, das „den Zweck aufzeigt“12, sondern ein Urteil, das aufzeigt oder, besser gesagt, die Aufgabe hat aufzuzeigen, welche Mittel für einen bestimmten Zweck tauglich sind.13 Denn auf den jeweiligen Zweck oder das jeweilige Ziel richtet sich ja, wie er im dritten Buch der NE darlegt, das Wollen und damit das Streben, während sich die Überlegung und Übersetzung: H. W. Dirlmeier 1999: 124. Das Wort λόγος übersetzt Dirlmeier nicht mit „Urteil“, sondern mit „Reflexion“. 13 Vgl. Gauthier/Jolif II-2 1959: 444, Graeser 1993: 252. 11 12
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folglich auch das aus ihr resultierende Urteil auf die zum Ziel führenden Mittel richten (vgl. EN III 4, 1111 b 26; III 5, 1112 b 11 f. 33 f.; III 6, 1113 a 15; III 7, 1113 b 3 f.). Wenn Aristoteles das sittlich gute Handeln (die εὐπραξία: 1139 b 3; vgl. 1139 a 34) als Ziel des Strebens bezeichnet, so meint er natürlich das richtige Streben. Daß das Streben richtig ist, heißt also, daß das Streben danach trachtet, sittlich gut zu handeln. Wenn eine Entscheidung gut ist, muß außer der Bedingung, daß das Streben richtig ist, so sahen wir, auch die Bedingung erfüllt sein, daß das Urteil, das sich der Verstand am Ende seiner Überlegung bildet, wahr ist. Wenn der Verstand die Überlegung, die er anstellt, nun in dem Sinne um des Zieles willen anstellt, sittlich gut zu handeln, daß er sie anstellt, um die zu diesem Ziel führenden Mittel ausfindig zu machen, so kann die Wahrheit des Urteils, zu dem er bei seiner Überlegung gelangt, nur darin bestehen, daß die Mittel, zu denen er mit diesem Urteil dadurch ja sagt, daß er sie als diejenigen Mittel beurteilt, die man zur Erreichung des Zieles, sittlich gut zu handeln, wählen soll, die richtigen Mittel zur Erreichung dieses Zieles sind, also diejenigen Mittel, die man zur Erreichung dieses Zieles tatsächlich wählen soll. Nun sagt Aristoteles allerdings, es müsse bei einer guten Entscheidung „ein und dasselbe sein, wozu das eine (nämlich das Urteil des Verstandes) ja sagt und wonach das andere (nämlich das Streben) trachtet“ (1139 a 25 f.). Wie ist dies möglich, wenn das Urteil des Verstandes zu den zum Ziel führenden Mitteln ja sagt, das Streben aber nach dem Ziel selbst trachtet? Um diese Frage beantworten zu können, muß man sich folgendes klarmachen: Das Ziel, sittlich gut zu handeln, ist ein Ziel, zu dem sich die zu ihm führenden Mittel – um ein von Aristoteles im dreizehnten Kapitel des sechsten Buches angeführtes Beispiel aufzugreifen – nicht so verhalten, wie sich die Kunst des Arztes zur Gesundheit des Patienten verhält, sondern so, wie sich die Gesundheit eines Menschen zu seinem Glück verhält (vgl. EN VI 13, 1144 a 3–6).14 Während die Ausübung der ärztlichen Kunst ein vom Ziel der Gesundheit des Patienten verschiedenes, instrumentelles Mittel zur Erreichung dieses Ziels ist, ist die Gesundheit ihrerseits ein konstitutives Mittel zur Erreichung des Ziels, glücklich zu sein, d.h. ein Mittel, das nicht als ein von dem Ziel, glücklich zu sein, verschiedenes Instrument, sondern als ein Bestandteil dieses Ziels dazu dient, es zu erreichen.15 Ganz ähnlich ist es nun beim sittlich guten Handeln: Das, was ich in einer bestimmten Situation tun muß, um in dieser Situation sittlich gut Vgl. zu dieser Stelle Greenwood 1909: 47, 205, Vlastos 1991: 206. Zur Unterscheidung zwischen instrumentellen und konstitutiven Mitteln vgl. Greenwood 1909: 46-48, Cooper 1975: 22, Wiggins 1975/76: 32 f., Irwin 1977: 83, 300 f. (Anm. 53). 14 15
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zu handeln, ist kein instrumentelles Mittel zur Erreichung des Ziels, sittlich gut zu handeln, sondern ein konstitutives Mittel zur Erreichung dieses Ziels. Nicht nachdem ich das getan habe, was ich tun muß, um sittlich gut zu handeln, handle ich sittlich gut, sondern indem ich es tue. Es ist daher ein und dieselbe Handlung, nach der einerseits das Streben, wenn es richtig ist, insofern trachtet, als sie eine sittlich gute Handlung ist, und zu der andererseits der Verstand, wenn das Urteil, zu dem er gelangt, wahr ist, insofern ja sagt, als sie diejenige Art von Handlung ist, die der Handelnde in der Situation, in der er sich befindet, ausführen muß, um in dieser Situation sittlich gut zu handeln. So ist z.B. die Handlung, die ich ausführe, wenn ich einem in Not geratenen Mitmenschen helfe, in ihrer Eigenschaft als ein Akt der Hilfeleistung ein Mittel zur Erreichung des Ziels, das sie in ihrer Eigenschaft als eine sittlich gute Handlung ausmacht. Aristoteles kann daher sagen, daß das, was man tut, wenn man sittlich gut handelt, im Unterschied zu dem, was man tut, wenn man etwas herstellt, „ein Ziel schlechthin“ ist, d.h. etwas, das man nicht um eines von ihm verschiedenen Zieles willen, sondern um seiner selbst willen tut (vgl. EN VI 2, 1139 b 1–4). Das, was ich tue, wenn ich beispielsweise einem Notleidenden helfe, ist einerseits als der Vollzug einer sittlich guten Handlung das Ziel, nach dem mein Streben trachtet, und andererseits als ein Akt der Hilfeleistung ein Mittel zur Erreichung dieses Ziels, zu dem mein Verstand ja sagt. Das heißt: Es ist einerseits das Ziel, das ich erreichen will, und andererseits ein Mittel, von dem ich mir sage, daß ich es zur Erreichung dieses Ziels wählen soll. Da ich, wenn ich mich für eine bestimmte Handlung entscheide, das Ziel, das ich dabei verfolge, als ein mit dem und dem Mittel zu erreichendes Ziel anstrebe und das Mittel, von dem ich mir sage, daß ich es zur Erreichung meines Ziels wählen soll, als ein zu dem und dem Ziel führendes Mittel bejahe, strebe ich mit meinem Ziel auch das von mir bejahte Mittel an und bejahe ich mit diesem Mittel auch das von mir erstrebte Ziel.16 Was nun die Wahrheit betrifft, mit der wir es zu tun haben, wenn das die Überlegung abschließende Urteil des Verstandes wahr ist, so nennt Aristoteles sie deshalb „praktisch“ (αὕτη ... ἡ ἀλήθεια πρακτική: 1139 a 26 f.), weil der praktische Verstand auf sie aus ist (vgl. 1139 a 29–31). Im Unterschied zu derjenigen Wahrheit, auf die der theoretische Verstand aus ist, „verhält es sich“ mit ihr, wie er wörtlich sagt, „so, daß sie mit dem richtigen Streben übereinstimmt“ (ὁµολόγως ἔχουσα τῇ ὀρέξει τῇ ὀρθῇ: 1139 a 30 f.). Was mit dem richtigen Streben übereinstimmen muß, damit der praktische Verstand diese Wahrheit trifft, ist natürlich nicht diese Wahrheit selbst, wie die zitierten Worte, die nicht sehr glücklich 16
Vgl. Gauthier/Jolif II-2 1959: 447 f.
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gewählt sind, suggerieren, sondern das Urteil, in dem die vom praktischen Verstand angestellte Überlegung resultiert.17 Die Übereinstimmung des aus der Überlegung des praktischen Verstandes resultierenden Urteils mit dem richtigen Streben wird von Aristoteles als eine Übereinstimmung beschrieben, die darin besteht, daß es „ein und dasselbe“ ist, wozu das Urteil des Verstandes „ja sagt“ und wonach das Streben „trachtet“ (1139 a 25 f.). Diese Beschreibung ist insofern irreführend, als das, was durch das Urteil des Verstandes bejaht wird, ja auch dann mit dem Ziel des Strebens identisch sein kann, wenn das Streben nicht richtig ist, wenn das Ziel, nach dem das Streben trachtet, also nicht das richtige Ziel ist.18 Ein und dasselbe sind das, wozu der Verstand mit seinem Urteil ja sagt, und das, wonach das Streben trachtet, immer dann, wenn die Mittel, die man dem Urteil des Verstandes zufolge zur Erreichung eines bestimmten Zieles wählen soll, die richtigen Mittel zur Erreichung dieses Zieles sind, ganz gleich, ob auch dieses Ziel selbst richtig ist oder nicht, also immer dann, wenn man durch die Ausführung derjenigen Handlung, die man dem Urteil des Verstandes zufolge in einer gegebenen Situation ausführen muß, um in dieser Situation in der Weise zu handeln, in der zu handeln man als Ziel anstrebt, tatsächlich in der als Ziel angestrebten Weise handelt, wie auch immer diese Handlungsweise in moralischer Hinsicht beschaffen sein mag. Damit das Urteil, in dem die Überlegung des Verstandes resultiert, wahr ist, muß das, wozu dieses Urteil ja sagt, nicht einfach nur mit dem 17 Die Tatsache, daß Aristoteles von ebendiesem Urteil sagt, es müsse im Falle einer guten Entscheidung wahr sein (vgl. 1139 a 23 f.), spricht gegen die von Anscombe vertretene Auffassung, nicht Urteile, sondern Handlungen seien nach ihm mögliche Träger der praktischen Wahrheit (vgl. Anscombe 1965: 157 f., 1981: 77). Geteilt wird diese Auffassung von Graeser, der (offensichtlich im Anschluß an Anscombe) behauptet: „Sicher meint Aristoteles, daß sämtliche Urteile, die zur Wahl der richtigen Handlung führen, wahr sein müssen. Aber die Wahrheit des praktischen Denkens besteht nicht eigentlich in der Wahrheit dieser Urteile. Sie besteht vielmehr darin, daß der als Ziel charakterisierte Sachverhalt durch die im Prozeß der Zweck/Mittel-Erwägung erschlossene Handlung auch tatsächlich herbeigeführt wird“ (1993: 252). Ebensowenig wie richtigen Handlungen kommt die praktische Wahrheit richtigen Entscheidungen zu. Die Frage „Given that the good decision itself is practical truth, what sort of truth does Ar. here attribute to reason’s distinct contribution to the decision?“, die sich für Broadie angesichts des in den Zeilen 1139 a 23–26 Gesagten stellt (Broadie/Rowe 2002: 363), beruht daher auf einer falschen Voraussetzung. Nicht die gute Entscheidung selbst ist im praktischen Sinne wahr, sondern das Urteil, mit dem der Verstand seinen Beitrag zu ihr leistet. 18 Vgl. hierzu Greenwood 1909: 175 f. – Irreführend ist im übrigen auch, daß Aristoteles sagt, es müsse, wenn eine Entscheidung gut ist, sowohl das Urteil des Verstandes wahr als auch das Streben richtig sein; denn als eine Wahrheit, die in der Übereinstimmung mit dem richtigen Streben besteht, impliziert die Wahrheit, auf die der praktische Verstand aus ist, ja bereits die Richtigkeit des Strebens, ohne freilich auch umgekehrt von ihr impliziert zu werden.
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identisch sein, wonach das Streben trachtet, sondern es muß mit dem identisch sein, wonach das richtige Streben trachtet. Aristoteles bezeichnet ja auch nicht einfach die Übereinstimmung dieses Urteils mit dem Streben, sondern die Übereinstimmung dieses Urteils mit dem richtigen Streben als das, worin die praktische Wahrheit dieses Urteils besteht. Im praktischen Sinne wahr ist das Urteil des Verstandes erst dann, wenn nicht nur für die Mittel, die man ihm zufolge zur Erreichung eines bestimmten Zieles wählen soll, gilt, daß sie die richtigen Mittel zur Erreichung dieses Zieles sind, sondern auch für das Ziel, zu dessen Erreichung man ihm zufolge diese Mittel wählen soll, daß es das richtige Ziel ist. Um im praktischen Sinne wahr zu sein, muß das aus meiner Überlegung resultierende Urteil, kurz gesagt, in dem Sinne wahr sein, daß die Mittel, die ich ihm zufolge zur Erreichung eines bestimmten Zieles wählen soll, die richtigen Mittel zur Erreichung des richtigen Zieles sind. Die praktische Wahrheit besteht somit darin, daß das, wovon mein Verstand mir sagt, daß ich es in einer gegebenen Situation tun soll, genau das ist, was ich in dieser Situation tun muß, um in dieser Situation sittlich gut zu handeln. Denn sittlich gut zu handeln ist das Ziel des richtigen Strebens und damit das richtige Ziel. Wenn nun einerseits gilt, daß mein Streben genau dann richtig ist, wenn ich das tun will, was ich tun muß, um sittlich gut zu handeln, und wenn andererseits gilt, daß das aus meiner Überlegung resultierende Urteil genau dann im praktischen Sinne wahr ist, wenn das, wovon mein Verstand mir sagt, daß ich es tun soll, das ist, was ich tun muß, um sittlich gut zu handeln, so kann man sagen: Im praktischen Sinne wahr ist das Urteil, das aus meiner Überlegung resultiert, genau dann, wenn das, wovon mein Verstand mir sagt, daß ich es tun soll, das ist, was ich genau dann, wenn mein Streben richtig ist, tun will; und in diesem Sinne besteht die Wahrheit, auf die der praktische Verstand aus ist, darin, daß sein Urteil mit dem richtigen Streben – man könnte auch sagen: mit dem richtigen Wollen – übereinstimmt. Bislang habe ich lediglich herauszuarbeiten versucht, was Aristoteles unter der Art von Wahrheit verstanden wissen will, die er praktische Wahrheit nennt. Jetzt möchte ich einen Schritt weiter gehen und zeigen, daß sich die Art und Weise, in der Aristoteles den Begriff dieser Wahrheit bestimmt, für ein besseres Verständnis derjenigen Wahrheit fruchtbar machen läßt, die man als theoretische Wahrheit bezeichnen kann. Wie sich dem Text, den ich aus dem zweiten Kapitel des sechsten Buches der Nikomachischen Ethik zitiert habe, entnehmen läßt, unterscheiden sich theoretische und praktische Wahrheit nach Aristoteles darin voneinander, daß ein im praktischen Sinne wahres Urteil im Gegensatz zu einem Urteil, das im theoretischen Sinne wahr ist, seine Wahrheit dem Umstand verdankt, daß es mit dem richtigen Streben des
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Menschen übereinstimmt, der es sich bildet. Dieser Unterschied beruht in seinen Augen offenbar darauf, daß ein theoretisches Urteil (d.h. ein Urteil, das im theoretischen Sinne wahr oder falsch ist) ein Urteil ist, das man sich darüber bildet, wie es sich mit den Dingen verhält, ein praktisches (d.h. im praktischen Sinne wahres oder falsches) Urteil hingegen ein Urteil, das man sich darüber bildet, wie man sich selbst verhalten soll, darauf also, daß ein theoretisches Urteil einen beschreibenden, ein praktisches Urteil hingegen einen vorschreibenden Charakter hat. Nun kann man freilich nicht nur das, was ein praktisches Urteil demjenigen, der es sich bildet, zu tun vorschreibt, sondern auch das, was jemand, der sich ein theoretisches Urteil bildet, damit tut, als eine Handlung betrachten. Daß diese Betrachtungsweise Aristoteles keineswegs fremd ist, geht aus seiner Bemerkung hervor, „die Wahrheit zu treffen oder sie zu verfehlen“ sei das, was „für den Verstand jedweder Form“, also auch „für den theoretischen Verstand“, „seine Leistung gut oder schlecht zu vollbringen“ heiße (vgl. 1139 a 27–29). Was nun den theoretischen Verstand betrifft, so heißt seine Leistung gut zu vollbringen für ihn, mit einem im theoretischen Sinne wahren Urteil die Wahrheit zu treffen. Als eine Handlung, die gut ist, muß die Handlung, die man vollzieht, wenn man sich ein in diesem Sinne wahres Urteil bildet, aber auf einem ihren Vollzug vorschreibenden anderen Urteil beruhen, das im praktischen Sinne wahr ist, also mit dem richtigen Streben übereinstimmt. Das richtige Streben ist in dem Falle, in dem es um den Vollzug einer Handlung geht, die darin besteht, daß man sich ein theoretisches Urteil bildet, natürlich das Streben danach, sich ein Urteil zu bilden, mit dem man in dem Sinne die Wahrheit trifft, daß man das, was es zu beurteilen gilt, so beurteilt, wie es ist. Um mit dem Streben nach diesem Ziel übereinzustimmen, muß das praktische Urteil, das die Überlegung, welches theoretische Urteil man sich bilden muß, um dieses Ziel zu erreichen, zum Abschluß bringt, in dem Sinne wahr sein, daß man mit dem theoretischen Urteil, das man sich ihm zufolge zur Erreichung dieses Zieles bilden soll, dieses Ziel tatsächlich erreicht. Ein theoretisches Urteil, das ich mir bilde, ist somit genau dann im theoretischen Sinne wahr, wenn das praktische Urteil, dem zufolge ich es mir bilden soll, im praktischen Sinne wahr ist. Man kann daher sagen, daß die Wahrheit einer Aussage, wie man ein theoretisches Urteil gewöhnlich nennt, darin besteht, daß die betreffende Aussage als ein Mittel, mit dem man das Ziel, die Wirklichkeit in einer bestimmten Hinsicht so zu beschreiben, wie sie ist, erreichen will, mit derjenigen Aussage übereinstimmt, mit der man dieses Ziel tatsächlich erreicht, und somit darin, daß dieses Ziel, das mit der betreffenden Aussage erreicht werden soll, mit ihr auch erreicht wird. Mit anderen Worten: Eine Aussage ist genau dann
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wahr, wenn man mit ihr das Ziel erreicht, auf die Frage, die man mit ihr beantwortet, die richtige Antwort zu geben, wenn sie also mit der richtigen Antwort auf die Frage übereinstimmt, die man mit ihr beantwortet.19 Die Übereinstimmung, von der hier die Rede ist, besteht nicht darin, daß eine Aussage der Wirklichkeit ähnlich ist, was eine Aussage ja nur dann sein könnte, wenn sie ein Bild der Wirklichkeit wäre, sondern darin, daß eine Aussage mit der Aussage, die sie sein soll, identisch ist, daß sie nämlich als eine Aussage, mit der man die Wirklichkeit in der Absicht, sie so zu beschreiben, wie sie ist, so und so beschreibt, zugleich diejenige Aussage ist, mit der man die Wirklichkeit so beschreibt, wie sie ist. Da eine wahre Aussage in ihrer Eigenschaft als eine Aussage, mit der man die Wirklichkeit so und so beschreibt, ein konstitutives Mittel zur Erreichung des Ziels ist, das mit ihr in ihrer Eigenschaft als einer Aussage, mit der man die Wirklichkeit so beschreibt, wie sie ist, erreicht wird, da sie also als die Beschreibung, die sie von der Wirklichkeit gibt, mit der richtigen Beschreibung der Wirklichkeit zwar material identisch ist, sich aber formal oder, wie man auch sagen könnte, intentional von ihr unterscheidet20, ist die Behauptung, ihre Wahrheit bestehe darin, daß sie mit einer wahren Aussage übereinstimmt, dann, wenn man unter ihrer Übereinstimmung mit einer wahren Aussage ihre Identität mit der richtigen Antwort auf die Frage versteht, die man mit ihr beantwortet, keineswegs trivial. Der von mir eingangs formulierte Einwand gegen das intentionale Wahrheitskriterium erweist sich somit, wenn man diesem Kriterium die Gestalt des operativen Kriteriums gibt, in das ich es, angeregt durch Aristoteles, zu transformieren versucht habe, als gegenstandslos. 19 Unter der Frage, die man mit der Aussage ,p‘ beantwortet, verstehe ich die Frage, ob p oder ob nicht-p. Mit der richtigen Antwort auf diese Frage stimmt die Aussage ,p‘ genau dann überein, wenn (es der Fall ist, daß) p, wobei Aristoteles allerdings sagen würde, daß es auf diese Frage, falls ,p‘ eine zukunftsbezogene Aussage ist, nur dann eine richtige Antwort gibt, wenn es sich nicht erst in der Zukunft herausstellen wird, sondern bereits in der Gegenwart feststeht, ob p oder ob nicht-p (vgl. hierzu Weidemann 2002: 223-328). In Anlehnung an die von Aristoteles aufgestellte Definition des Begriffs der Tugend, der zufolge die Mitte, mit der es die Tugend zu tun hat, „durch den (richtigen) Plan festgelegt ist, nämlich durch denjenigen, mit dessen Hilfe ein kluger Mann sie festlegen würde“ (EN II 6, 1107 a 1 f. [Übersetzung: H. W.]; vgl. auch EN III 6, 1113 a 29-33), könnte man sagen, daß die richtige Antwort auf die Frage, ob p oder ob nicht-p, diejenige Antwort ist, die ein wissender Mann auf diese Frage geben würde, d.h. jemand, der weiß, ob p oder ob nicht-p. 20 Vgl. hierzu Stemmer 1992: 105. Das von Stemmer im Anschluß an die in der englischsprachigen Literatur übliche Zählung der Kapitel der NE als Kapitel 7 des ersten Buches gezählte Kapitel umfaßt nach der uns geläufigen Kapitelzählung die Kapitel 5, 6 und 7 des ersten Buches.
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Wer die Gedanken antiker Denker weiterzudenken versucht, sollte sich, wenn ihm dieser Versuch gelingt, die stolze Bescheidenheit jener mittelalterlichen Gelehrten zum Vorbild nehmen, die sich als Erben des ihnen aus der Antike überlieferten Gedankenguts einem Bernhard von Chartres zugeschriebenen Diktum zufolge wie Zwerge vorkamen, die ihren Weitblick dem Umstand verdanken, daß sie auf den Schultern von Riesen sitzen.21 Literatur Anscombe, G. E. M. 1965/1981: „Thought and Action in Aristotle. What is ,Practical Truth‘?“, in: Renford Bambrough (Hrsg.), New Essays on Plato and Aristotle, London 1965, 143–158 (Wiederabdruck in: The Collected Philosophical Papers of G.E.M. Anscombe, Vol. 1: From Parmenides to Wittgenstein, Oxford 1981, 66–77). Broadie, Sarah / Rowe, Christopher 2002: Aristotle, Nicomachean Ethics. Translation (with Historical Introduction) by C. Rowe, Philosophical Introduction and Commentary by S. Broadie, Oxford. Bywater, I. 1894: Aristotelis Ethica Nicomachea, recognovit brevique adnotatione critica instruxit I. Bywater, Oxford (ND 1962). Cooper, John M. 1975: Reason and Human Good in Aristotle, Cambridge (Mass.) / London. Crivelli, Paolo 2004: Aristotle on Truth, Cambridge. Dirlmeier, Franz 1999: Aristoteles, Nikomachische Ethik, übersetzt und kommentiert von F. Dirlmeier (Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung; begründet von E. Grumach, hrsg. von H. Flashar, Bd. 6), Berlin 1956, 10. Aufl. 1999. Gauthier, René Antoine / Jolif, Jean Yves 1959: L’Éthique à Nicomaque. Introduction, traduction et commentaire, Bd. II-2, Louvain/Paris. Graeser, Andreas 1993: Die Philosophie der Antike 2: Sophistik und Sokratik, Plato und Aristoteles (Geschichte der Philosophie, hrsg. von Wolfgang Röd, Bd. II), 2., überarbeitete und erweiterte Aufl., München. Greenwood, L. H. G. 1909: Aristotle. Nicomachean Ethics, Book Six, with Essays, Notes, and Translation, Cambridge (ND New York 1973).
21 Das Diktum wird Bernhard, der in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts an der Schule von Chartres wirkte, von Johannes von Salisbury in dem um 1159 verfaßten Werk Metalogicon zugeschrieben: „Dicebat Bernardus Carnotensis nos esse quasi nanos gigantium humeris insidentes, ut possimus plura eis et remotiora videre, non utique proprii visus acumine aut eminentia corporis, sed quia in altum subvehimur et extollimur magnitudine gigantea“ (Buch III, Kapitel 4; zitiert nach Jeauneau 1967: 79). Die Schreibung „gigantum“, die Jeauneau im Titel seines Aufsatzes statt der an der zitierten Stelle überlieferten mittellateinischen Schreibung „gigantium“ verwendet, ist die im klassischen Latein gebräuchliche Form des Genitivs Plural von „gigas“.
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Irwin, Terence 1977: Plato’s Moral Theory. The Early and Middle Dialogues, Oxford. Jeauneau, Edouard 1967: „,Nani gigantum humeris insidentes‘. Essai d’interprétation de Bernard de Chartres“, in: Vivarium 5, 79–99. Muck, Otto 1976/1999: „Wahrheit und Verifikation“, in: Helmut Kohlenberger (Hrsg.), Die Wahrheit des Ganzen. Leo Gabriel gewidmet, Wien/Freiburg/ Basel 1976, 35–51 (Wiederabdruck in: Otto Muck, Rationalität und Weltanschauung. Philosophische Untersuchungen, hrsg. von Winfried Löffler, Innsbruck/Wien 1999, 81–100). Stemmer, Peter 1992: „Aristoteles’ Glücksbegriff in der Nikomachischen Ethik. Eine Interpretation von EN I, 7. 1097b2–5“, in: Phronesis 37, 85–110. Vlastos, Gregory 1991: Socrates, Ironist and Moral Philosopher, Ithaca (New York). Weidemann, Hermann 2002: Aristoteles, Peri hermeneias, übersetzt und erläutert von H. Weidemann (Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung; begründet von E. Grumach, hrsg. von H. Flashar; Band 1, Teil II), Berlin 1994; 2., veränderte Aufl. 2002. Wiggins, David 1975/76: „Deliberation and Practical Reason“, in: Proceedings of the Aristotelian Society 76, 29–51.
Exerciter. Einige Unterscheidungen zur Retorsion im Ausgang von SthIq2a1o3 GEO SIEGWART
§ 1. Eine Passage aus SthIq2a1o3 als Quelle der Inspiration In der zweiten Quaestio seiner „Summa theologica“ erörtert THOMAS drei articuli die Frage nach dem Dasein Gottes. Der erste Schritt widmet sich einer erkenntnisphilosophischen Vorfrage: „Utrum Deum esse sit per se notum?“. Der im Weiteren großzügig als Inspirationsquelle benutzte Text findet sich im dritten Einwand dieses Artikels; die Objectio ist zunächst als ganze vorzustellen: [1] Praeterea, veritatem esse est per se notum: quia qui negat veritatem esse, concedit veritatem esse: si enim veritas non est, verum est, veritatem non esse. Si autem est aliquid verum, oportet quod veritas sit. Deus autem est ipsa veritas, Ioan.14 [6]: Ego sum via, veritas et vita. Ergo Deum esse est per se notum (SthIq2a1o3).
VON AQUIN in
An dem zitierten Text interessiert in der Folge lediglich der mit den Worten ‘quia qui‘ einsetzende und mit den Ausdrücken ‘veritas sit‘ endende Auszug. Wie die knappe Responsio auf den soeben angeführten dritten Einwand zeigt, bringt THOMAS dem in diesem Abschnitt vorgetragenen Gedankengang, der Selbstwiderlegung der Wahrheitsleugnung, keine Vorbehalte entgegen. Dies wird bestätigt durch ähnliche Stellen in der „Summa contra Gentiles“ (ScGIIc33) und in den „Quaestiones disputatae de veritate“ (DeVer q10a12o3)1. Auch andere Autoren beziehen sich im Übrigen auf einen oder mehrere der genannten Texte, wenn es um die Exemplifikation und Analyse der retorsiven Denkfigur (bei THOMAS oder im Allgemeinen) zu tun ist2.
1 CHARRON/DOYLE: „There is no Truth“, schreiben die Geschichte der Selbstwiderlegung der Wahrheitsleugnung in der mittelalterlichen Theologie von AUGUSTINUS bis FRANCIS TOLETUS. Die dort neben dem Aspekt der Selbstwiderlegung aufgearbeitete Kontroverse um die (erkenntnis)theologische Leistungsfähigkeit der Argumentation bleibt in der Folge ausgeklammert. – Ebd. p.245 finden sich Hinweise zu (hier übergangenen) Schwierigkeiten der Übersetzung und Rekonstruktion mittelalterlicher lateinischer Texte. 2 Vgl. z.B. ISAYE: Rétorsion, p.207f, MUCK: Retorsion, S.33, WEISSMAHR: Theorie der retorsiven Argumentation, S.67, GETHMANN: Retorsion, S.598.
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Der (vom Autor vorgenommenen) Übersetzung der ausgesonderten Textrate ist zur leichteren künftigen Bezugnahme eine Satznummerierung in runden Klammern eingefügt: [2] Denn wer bestreitet, dass es eine Wahrheit gibt, räumt damit gerade ein, dass es eine Wahrheit gibt (S1): Wenn es nämlich wirklich keine Wahrheit gibt, dann ist es wahr, dass es keine Wahrheit gibt (S2). Wenn aber etwas wahr ist, dann muss es eine Wahrheit geben (S3). Der folgende Versuch läßt sich von diesem Text zu einigen Unterscheidungen und Rekonstruktionen zur Thematik der Retorsion anregen. Die Ausführungen zielen, wie bereits an der schmalen Textbasis erkennbar, nicht direkt auf eine Deutung der diesbezüglichen THOMASischen Auffassung; hierfür wäre, neben den soeben erwähnten Stellen, insbesondere der Kommentar zum Buch der „Metaphysik“ des ARISTOTELES einschlägig. Gleichwohl ist ihr Vortrag mit der Hoffnung verbunden, auch zu einem solchen umfassenden Auslegungsvorhaben Anhaltspunkte zu geben. § 2. Retorsionsdurchführende versus retorsionsthematisierende Diskurse Die unter [2] notierte Überlegung des THOMAS besteht aus drei Sätzen (im Sinne der traditionellen Grammatik) und soll, angezeigt durch ‘Denn‘ resp. ‘quia‘, insgesamt die Eingangsaussage von [1], ‘veritatem esse est per se notum‘, stützen; von der letztgenannten Aufgabe wird, wie schon gesagt, in der Folge abgesehen. Innerhalb der verbleibenden Sätze lässt sich, signalisiert durch den Doppelpunkt und das Wort ‘nämlich‘, ein weiteres Begründungsverhältnis ausmachen: (S2) und (S3) sollen für (S1) sprechen. (S1) wird also einerseits zur Begründung herangezogen und soll andererseits durch (S2) und (S3) einsichtig gemacht werden. Mit Blick auf die in der Folge vernachlässigte Begründungsleistung könnte man (S1) den Status einer Anziehung zuweisen. Mit Rücksicht auf seine hier zu untersuchende Stellung als Begründungskandidat dürfte die Zuschreibung des Behauptungsmodus nahe liegen. (S1), genauer: die Aussage von (S1), stellt, mit der logischen Brille betrachtet, eine universalquantifizierte Subjunktion dar: Für alle (Disputanten) x: Wenn x bestreitet ‘es gibt eine Wahrheit‘, dann x konzediert ‘es gibt eine Wahrheit‘. Diese – buchstäblich gelesen falsche – Universalaussage artikuliert, material gesprochen, das Verhältnis zweier disputativer Akttypen bezüglich desselben propositionalen Gehalts. Bei den erstgenannten handelt es sich um das Bestreiten (In-Abrede-Stellen, Negieren) und das Konzedieren (Zugestehen, Zugeben); die erwähnte
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Proposition wird durch ‘es gibt eine Wahrheit‘ mitgeteilt. Wer die Aussage von (S1) in einem stark affirmativen Modus äußert, möchte, in Disziplinen geredet, zur Disputationslehre bzw. zur (formalen) Dialektik beitragen. Die Thematisierung von Disputen ist sehr wohl zu unterscheiden von der Durchführung der disputativen Tätigkeit, dem Disputieren selbst – auch wenn die Thematisierung gelegentlich in disputativer Form erfolgt. Wer sich am Disput über die wahrheitsleugnende Aussage beteiligen möchte, wird u.a. einschlägige Bestreitungs- oder Konzessionssätze wie z.B. ‘Ich bestreite: es gibt eine Wahrheit‘, ‘Es ist zu konzedieren: Es gibt eine Wahrheit‘ oder geeignete gebrauchssprachliche Äquivalente äußern. Wer solche Dispute führt, benutzt insbesondere disputative Performatoren wie ‘Ich bestreite___‘ oder ‘Es ist zu konzedieren___‘; und die strittige Aussage wird verwendet – und nicht erwähnt. Wer sich hingegen in die Thematisierung von Disputationszusammenhängen begibt, benutzt u.a. einschlägige Prädikatoren für disputative Akte, wie z.B. ‘..bestreitet..‘ oder ‘..konzediert..‘; und die jeweiligen Aussagen werden erwähnt – aber nicht verwendet3. Dispute zu einem propositionalen Gehalt wie ‘Es gibt eine Wahrheit‘ sollen, in Fortführung einer bewährten Redetradition (aber ohne begriffsbildnerische Ansprüche), als retorsive, genauer: als retorsionsdurchführende Dispute angesprochen werden. Die (in deskriptiver Sicht) Analyse oder (unter präskriptivem Zugriff) Gestaltung solcher Dispute (und auch der nachfolgend erwähnten retorsiven Argumentationen) fallen in das Gebiet der retorsionsthematisierenden Diskurse, der Reflexion über retorsive Diskurse. Zurück zum Ausgangstext [2]: Die Sätze (S2) und (S3) sollen (S1) stützen. Sie tun dies, indem sie für die Aussage ‘Es muss Wahrheit geben‘ resp. ‘Es gibt Wahrheit‘ argumentieren, also für die (in einem retorsiven Disput) zu konzedierende Aussage. Zwanglos stellt sich die Frage, wie ein derartiger Disput in seinen einzelnen Zügen und den sie leitenden Regeln aussehen könnte. – Ganz unabhängig von dieser Begründungsrolle kann man die beiden Sätze aber auch so lesen, dass sie eigenständig die erwähnte Aussage, das Sukzedens von (S3), begründen. 3 Die (sich nicht gerade durch Nähe zum THOMAS-Text empfehlende) Benutzung der Verwendungs-/Erwähnungs-Unterscheidung greift darauf vor, dass in der folgenden Rekonstruktion die Dass-Bildungen bei handlungsbeschreibenden Prädikatoren durch Anführungen wiedergegeben werden: ‘x behauptet, bestreitet, konzediert usf. dass es Wahrheit gibt‘ wird durch ‘x behauptet, bestreitet, konzediert usf. ‘es gibt Wahrheit‘ wiedergegeben; damit kann man grammatisch im Rahmen von Sprachen erster Stufe verbleiben. – Eine Alternative zu diesem Vorgehen besteht darin, mit propositionenbindenden Quantoren zu arbeiten; der hier als Wahrheitsprädikat gefasste Redeteil ist dann als Wahrheitsjunktor zu fassen. MACKIE: Self-Refutation, beschreitet diesen Weg.
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Eine derartige retorsionsdurchführende Argumentation wäre durch die zugeordnete Behauptung, also durch einen Satz der Art ‘Es gilt: Es gibt eine Wahrheit‘, zu eröffnen und durch Vollzug geeigneter Anziehungen, Annahmen und Folgerungen auszuführen; auch hier ist es nahe liegend, nach den Details einer solchen retorsiven Argumentation zu fragen. – Insgesamt lassen sich jedenfalls die retorsionsdurchführenden, kurz: die retorsiven Diskurse, d.h. (zumindest) die retorsiven Dispute und die retorsiven Argumentationen, von den retorsionsthematisierenden Diskursen abheben. In der Folge ist der THOMASische Text zunächst unter der folgenden, durch die vorgenommene Lektüre nahe gelegten zweifachen Frage zu bearbeiten: Inwieweit und mit Hilfe welcher Veränderungen (Löschungen, Ergänzungen, Ersetzungen) lässt sich aus den Ausführungen des THOMAS eine retorsive Argumentation (§3) und ein retorsiver Disput (§4) rekonstruieren4? Viele der rekonstruktionsbegleitenden Kommentare in §3 und §4 zählen zur retorsionsbezogenen Reflexion. – Nach den vorgenommenen Rekonstruktionen und ihrer teilweisen Analyse bleibt indes festzustellen, dass das Konzept der contradictio exercita noch nicht jenen spektakulären Auftritt hatte, den ihm die Freunde der Retorsion gewöhnlich zubilligen. Diese Lücke soll, wiederum angeregt durch THOMAS, mit dem Aufweis einer contraditio exercita gefüllt werden; diese lässt sich indes weder umstandslos den retorsiven noch den retorsionsthematisierenden Diskursen zuweisen (§5). Abschließend können einige Aufgaben bezeichnet werden, denen sich die retorsionsthematisierende Reflexion zuwenden sollte (§6). § 3. (Selbst-)Widerlegung der Wahrheitsleugnung als retorsive Argumentation Die erste durch die vorgenommene Lektüre von SthIq2a1o3 aufgegebene Frage lautet: Inwieweit und mit Hilfe welcher Ergänzungen lässt sich aus den Ausführungen des THOMAS eine retorsive Argumentation herstellen? – Zunächst: Argumentationen (Begründungen, Beweise) sind die mit Abstand am besten untersuchten Diskursformen. Es handelt sich, grob gesagt, um geregelte Sequenzen von Annahmen, Anziehungen
4 Die bereits beanspruchte und in der Folge ausgiebig eingesetzte sprachphilosophische, erkenntnisphilosophische und logische Rahmenbegrifflichkeit ist in SIEGWART: Vorfragen zur Wahrheit, vornehmlich Teil B. und D., im Detail entwickelt. Diese inkorporiert alle Intuitionen, die z.B. in MUCK: Logical Structure, unter den Titel ‘Operative Analyse‘ gestellt werden, verlässt aber den engen protologischen Rahmen des (frühen) LORENZEN. – Anbei: Jede Rekonstruktion und Analyse des Retorsionskomplexes macht unvermeidlich von einer solchen Rahmenbegrifflichkeit Gebrauch; ein Vorzug der hier eingesetzten besteht in ihrer Explizitheit, und damit in ihrer Kontrollier- und Kritisierbarkeit.
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und Folgerungen, die durch eine Behauptung eröffnet werden; die behauptete Aussage, die These der Argumentation, kommt im assertorischen Eröffnungszug und im inferenziellen Abschlusszug, dort frei von Abhängigkeiten, vor5. Sodann: Die zu behauptende (=Zeile 0) bzw. frei von Abhängigkeiten zu schließende Aussage (=Zeile 6) ist im vorstehenden Fall die Aussage ‘Es gibt eine Wahrheit‘. Diese Zeichenverbindung bildet den Dann-Teil von (S3); dabei wird das modale Signal ‘muss‘ als eher emphatisch vernachlässigt. Betrachtet man (S2), dann handelt es sich um eine Subjunktion, deren Antezedens die Negation der Zielaussage ist. Deutet man dann noch (S2) als eine Anziehung (=Zeile 2), dann könnte die Argumentation >ins Laufen< kommen, wenn man den besagten Wenn-Teil annimmt (=Zeile 1). Zu schließen wäre dann modo ponendo ponente auf das Sukzedens von (S2): Es ist wahr, dass es keine Wahrheit gibt (=Zeile 3). Damit ist – drittens – die Zielaussage schon in Sicht, zumindest für halbwegs trainierte Konsequenzenvoyeure: Mit der Regel der Partikularquantoreinführung ergibt sich, dass wenigstens eine Aussage wahr ist (=Zeile 4), und zwar in Abhängigkeit von der angenommenen Aussage, dass es nicht der Fall ist, dass wenigstens eine Aussage wahr ist (=Zeile 1). Um bei Leserinnen, die mit der benutzten Notationstechnik nicht vertraut sind, keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Mit der Zeile 4 hat man die Zielthese noch nicht erreicht. Man hat sie lediglich, signalisiert durch den kommentierenden Index am Folgerungsperformator, in Abhängigkeit von der Annahme in Zeile 1 gewonnen. Man könnte diese >vertikale< Anhängigkeit durch Subjunktoreinführung >horizontalisieren< und käme dann zu ‘x x ist wahr x x ist wahr‘; aber diese Aussage ist eben nicht die Zielthese! Schließlich: Die verbleibenden diskursiven Bewegungen stehen unter der Regie des Negators. Die soeben gefolgerte Aussage ist, wie gesagt, das Negatum der Startannahme. Die Regel der Negatoreinführung, in alternativer Terminologie: die Regel des indirekten Beweises, erlaubt bei dieser Diskurslage den Schluss auf die Negation der angenommenen Aussage: es ist nicht der Fall, dass es nicht der Fall ist, dass es keine wahre Aussage gibt (=Zeile 5). Der finale Zug nach der Regel der (doppelten) Negatorbeseitigung, dem duplex negatio affirmat, führt schließ-
5 Vgl. zum unterstellten Diskursbegriff im Allgemeinen sowie zum leitenden Argumentationskonzept und der benutzten Notationsweise im Besonderen SIEGWART: Vorfragen zur Wahrheit, §19f; für die verwendeten und im Zusatz betrachteten logischen Regeln vgl. ebd. §5. Für weitere logische Details kann auch SIEGWART: Denkwerkzeuge, v.a. Kap. 4, konsultiert werden.
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lich zum Ziel: Es gibt eine Wahrheit (=Zeile 6). Auf einen Blick liest sich die soeben herbeigeredete siebengliedrige Argumentation so: [3]
0 1 2 3 4 5 6
Es gilt Wäre1 Da Also1 Also1 Also Also
x x ist wahr x x ist wahr x x ist wahr ‘x x ist wahr‘ ist wahr ‘x x ist wahr‘ ist wahr x x ist wahr x x ist wahr x x ist wahr
Damit ist den Sätzen (S2) und (S3) des Ausgangstextes [2] eine retorsive Argumentation zugeordnet – wenn man dieses Prädikat so gebrauchen bzw. so fixieren möchte, dass es auf die notierte Redehandlungssequenz zutrifft. Diese hat gegenüber dem Ausgangstext den Vorzug der horizontalen und vertikalen Voraussetzungsklarheit: Wenn die unterlegte Sprache so beschaffen ist, dass die in der zweiten Zeile angezogene Aussage wahr ist und sie ferner die Regeln der Subjunktorbeseitigung, der Partikularquantoreinführung, der Negatoreinführung und der Negatorbeseitigung in ihrem Redehandlungsreglement enthält, dann liegt mit [3] eine gültige Argumentation in dieser Sprache vor. Man kann diese retorsive Argumentation so analysieren: Wenn man auch nur annimmt, dass nichts wahr ist (=Zeile 1), ergibt sich der Umstand, dass etwas wahr ist, als notwenige Bedingung (bzw. (in einem von vielen Sinnen dieser Worte) als Präsupposition bzw. als Implikat) dieser Annahme (=Zeile 4); und deshalb darf man auf diese notwendige Bedingung schließen (=Zeile 6) – und sie daher insgesamt behaupten. – ‘Exerciter‘, um dem Titelwort des Essays eine erste Erläuterung zu geben, könnte hier also bedeuten: Im Vollzug der Annahme der Wahrheitsleugnung, ihrer auch nur versuchsweisen Erwägung, wird die Grundlage für das Widerspruchsszenario geschaffen, das auf die Existenz von Wahrheit schließen lässt. Da im Zusammenhang von Retorsion ausgiebig von Widersprüchen die Rede ist, muss an dieser Stelle noch angemerkt werden: Der mit den Zeilen 1 und 4 gegebene Widerspruch ist eine contradictio in terminis – und keine contradictio exercita; er liegt in beiden Gliedern >offen< – und muss nicht in wenigstens einem Glied über eine Vollzugsanalyse erschlossen werden (§5). Liest man [3] als ein Beispiel, vielleicht sogar als ein Musterbeispiel für eine retorsive Argumentation, dann fallen drei Eigenheiten prima facie auf: Die Begründung enthält einen substantiellen Grund, sie ist alethisch-selbstthemativ und sie macht wesentlich von der Logik des Negators Gebrauch. – Die
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genannten Züge sind, mit den nötigen Anpassungen, auch bei retorsiven Disputen (§4) und bei dem Aufweis einer contradictio exercita einschlägig (§5). Die beiden ersten sollen deshalb provisorisch erläutert werden; der Komplex Retorsion und Negation ist in einem Zusatz detaillierter zu beleuchten. Zu 1: Die These der Argumentation, die Aussage ‘x x ist wahr‘, ist (relativ auf marktübliche Logiken) keine logisch-determinierte Aussage. Will man sie auf argumentativem Wege als wahr erweisen, dann ist von vornherein erwartbar, dass man substantielle Gründe anziehen muss; dabei wird hier unterstellt, dass die >vertikale Dimension< der Argumentation neben der Annahme- und Anziehungsregel nur Schlussregeln für die logischen Operatoren enthält. Die Argumentation weist mit der Erwähnungseinführungsinstanz aus Zeile 2 einen substantiellen Grund auf. Substantiell sind solche Gründe, deren Streichung in einer gegebenen Argumentation (relativ auf die jeweils unterstellte Logik) ein non-sequitur herbeiführt. Wer [3] als retorsive Argumentation vorlegt, geht jedenfalls davon aus, dass die in Zeile 2 angezogene Erwähnungseinführungsinstanz (oder eine leistungsäquivalente Aussage), ein alethischer Zusammenhang, in der unterlegten Sprache wahr ist. Wenn man das Beispiel verallgemeinern darf: Um eine Aussage im Wege einer retorsiven Argumentation als wahr zu erweisen, rekurriert man unvermeidlich auf eine bereits erwiesene Wahrheit. – Wenn man der (nicht weiter bestimmten Operation der) Retorsion, dem retorsiven Denken, die Aufgabe zuweist, >erste PrinzipienBegründungsanfängeDiskursbasen< usf. auszuzeichnen, dann dürfte man mithin kaum retorsive Argumentationen im Auge haben. Zu 2: Die Argumentation ist (wenigstens) in dem Sinne alethischselbstthemativ, als die zu widerlegende Annahme über ihren eigenen alethischen Status spricht. Genauer: Die Aussage ‘x x ist wahr‘, (auch minimal)logisch-äquivalent zu ‘x x ist wahr‘, gehört selbst zu den Aussagen, denen Wahrheit abgesprochen wird6. – Die Antinomienanfälligkeit derartiger (semantisch geschlossener) Sprachen ist bekannt. Aus dem Argumentationskandidat [3] wird also nur dann eine gültige Argumentation, wenn die unterlegte Sprache in nicht-trivialisierbarer, d.h. unterscheidungsfähiger, Weise konstruiert wird; das besondere Augenmerk gilt dabei der Einrichtung der mit den Anführungszeichen und dem Wahrheitsprädikat verbundenen Redemöglichkeiten in ihrem Zusammenspiel mit den Schlusslizenzen für den Negator (Zusatz, §6). 6 Die Argumentation im Ausgang von der (meist noch durch ein Antezedens qualifizierten) Universalaussage wird etwas komplizierter und umfasst einen so genannten retroflexiven Schluss; vgl. dazu MUCK: Retorsion, S.4.
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Zusatz: Retorsion und Negation Das unter [3] notierte Exemplar einer retorsiven Argumentation wird, wie bei der Erstellung schon angemerkt, in seinen beiden letzten Übergängen von der (akkurater: einer) Logik des Negators regiert7. Zwei Regeln, die Negatoreinführung (=NE) und die Negatorbeseitigung (=NB), sind hier in Aktion: [4] Wenn man in Abhängigkeit von einer Aussagenmenge X eine Aussage und in Abhängigkeit von einer Aussagenmenge Y die Negation von gewonnen hat, wobei Α eine Aussage mit AXY ist, dann darf man in Abhängigkeit von (XY)\{A} die Negation von A folgern (NE). Wenn man in Abhängigkeit von einer Aussagenmenge X die Negation der Negation einer Aussage gewonnen hat, dann darf man in Abhängigkeit von X die Aussage folgern (NB). Diese Regeln erfahren zunächst allgemeine und beispielbezogene Erläuterung. Sodann werden alternative Regulierungen des Negators angesprochen. – Zur Negatoreinführung8: NE, auch Regel des indirekten Beweises oder Reductioregel, greift bei der folgenden diskursiven Lage: In Abhängigkeit von einer Aussagenmenge X wird eine Aussage gewonnen, d.h. gefolgert, angenommen oder auch angezogen; der zuletzt genannte Zug, das Einbringen bereits als wahr erwiesener Aussagen, ist frei von Abhängigkeiten. In Abhängigkeit von einer Aussagenmenge Y wird ferner die Negation von gewonnen. In Abhängigkeit von X, gemeinsam mit Y, ist man also zu einem Widerspruchsszenario mit einer Aussage als positivem und der Negation von als negativem Glied gelangt. Damit ist die Standardform von diskursivem Trouble erreicht. Das Widerspruchsszenario kann man >bereinigenUrsachen< des Widerspruchsszenarios. Die erörterte Regel stellt also einen diskursiven >trouble-shooter< dar. – Ein über7 Die fortlaufend geübte Rede von dem Negator, der dann auch noch verschiedenen Regeln gehorchen und dadurch, mirabilis mutatio rerum, ein klassischer, intuitionistischer usf. werden soll, fordert von der Leserin eine gehörige Portion Benevolenz und ist nur durch die Abwesenheit genuin semantischer und metalogischer Zwecke zu entschuldigen. 8 Vgl. zur Motivation, Anwendung und zu in der Folge ausgeblendeten einführungstheoretischen resp. semantischen Gesichtspunkten von NE und NB SIEGWART: Denkwerkzeuge, Kap. 4.2.4. Zu den verschiedenen Logiksorten wie klassische, minimale, positive usf. Logik vgl. ebd. Kap. 5.3 Zusatz: Logischer Pluralismus.
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sichtliches Beispiel soll die Regelbedingung und die Wirkweise von NE illustrieren: [5]
0 Es gilt x (x ist Philosoph x ist Mönch) 1 Wäre1 x (x ist Philosoph x ist Mönch) 2 Also1 Schopenhauer ist Philosoph Schopenhauer ist Mönch 3 Da Schopenhauer ist Philosoph 4 Also1 Schopenhauer ist Mönch 5 Da Schopenhauer ist Mönch 6 Also x (x ist Philosoph x ist Mönch)
Um die Makrostruktur dieser Argumentation als Anwendungsfall von NE zu identifizieren, ist es hilfreich, sich die Entsprechungen im Einzelnen zu verdeutlichen: [6]
‘x (x ist Philosoph x ist Mönch)‘ die Negation von A ‘x (x ist Philosoph x ist Mönch)‘ ‘Schopenhauer ist Mönch‘ die Negation von ‘Schopenhauer ist Mönch‘ X {‘x (x ist Philosoph x ist Mönch)‘} Y 0 0 (XY)\{A}
A
NE ist die Regel für das Folgern einer Negation: Um auf die Negation von ‘x (x ist Philosoph x ist Mönch)‘ (=A) zu schließen, wird diese Aussage selbst in Zeile 1 angenommen; dann wird sie >in Schwierigkeiten gebrachtLöschung der Ursachedas eigentliche Werk ist getannormalen< indirekten Beweis unter [5] mit dem >besonderen< indirekten Beweis unter [3] mit Hilfe der in [6] und [7] gegebenen Aufschlüsselungen, dann ergibt sich: Im Normalfall ist weder die zum Zwecke der Negation angenommene Aussage noch ihr Hauptoperand, das Negatum dieser Negation, ein Glied im Widerspruchsszenario. Eben dies trifft auf den betrachteten Sonderfall zu: Die angenommene Aussage selbst und ihr Negatum treten als Glieder des Widerspruchs auf. Die zu negierende Startaussage und ihr Negatum stellen zugleich die Faktoren jenes Widerspruchsszenarios dar, das den Schluss nach NE erlaubt; und zugleich ist der Widerlegungskandidat die einzige Aussage, von der die Glieder des Widerspruchsszenars, also sie selbst und ihr Negatum, abhängen. In diesem Sinne ist an der retorsiven Argumentation für die Negation von A nur A und das Negatum von A >beteiligt< 10. Zur Negatorbeseitigung: Für Freunde der intuitionistischen oder der minimalen Logik ist die unter [3] notierte retorsive Argumentation in Zeile 5 beendet. Nur wer, wie z.B. der klassische Logiker, generell zu NB bzw. wenigstens zu einem für diesen Kontext einschlägigen Übergang von der Duplex-negatio zur Affirmatio steht, kann den Übergang von Zeile 5 zu Zeile 6 (mit)vollziehen und damit die Aussage ‘x x ist wahr‘ beweisen; die gesamte Argumentation bildet dann einen klassischen indirekten Beweis. Die durch die logischen Regeln gegebenen Folgerungslizenzen besitzen Gegenstücke auf der Theoremseite. Man betrachte die folgenden Reductio- resp. Contrariumgesetze: [8]
a) (A A) A b) (A A) A c) (A A) A
10 Die geschilderte Eigenheit der Anwendung von NE im untersuchten retorsiven Exemplar mag auch der Redeweise vom selbstwiderlegenden Charakter der Wahrheitsleugnung bzw. der retorsiven Argumentation einen Anhaltspunkt verleihen: Die mit NE zu widerlegende Aussage, hier die die Wahrheitsleugnung ausdrückende Aussage ‘x x ist wahr‘, ist selbst das negative Glied des Widerspruchsszenarios. Man könnte noch den Umstand hinzunehmen, dass sowohl das positive als auch das negative Glied allein von der Wahrheitsleugnung abhängen. Mit dem Wort ‘selbst‘ bezieht man sich in diesem Falle aber nicht auf den Autor der Argumentation, sondern auf eine von diesem angenommene Aussage! – Die Retorsionsmetapher (retorquere = den Spieß umwenden) scheint schon durch NE alleine abgedeckt, falls die Startannahme eine Negation ist: Mit der Annahme der Negation von A wird der Spieß gegen A gerichtet. Mit der Herleitung der Glieder des Widerspruchsszenarios wird er umgedreht; und mit dem Schluss auf die Negation der Negation von A wird er gegen die Negation von A geführt. – Der (mit NB gegebene) Übergang zur positiven Aussage scheint in der Retorsionsmetapher nicht erfasst zu sein.
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a) und b) sind auch minimal und intuitionistisch gültig; b) stellt das theorematische Gegenstück zu den Folgerungszügen in den Zeilen 1, 4 und 5 der retorsiven Argumentation dar. Das Gesetz c) spiegelt die Schlussschritte in den Zeilen 1, 4 und 6. Dieses Theorem hat viele Namen, z.B. diese: consequentia mirabilis, consequentia mirifica, CLAVIUSsches Gesetz, (ARISTOTELisches) Prinzip der Retorsion bzw. des Beweises durch Retorsion11. Anbei: Wenn nach minimaler oder intuitionistischer (oder einer anderen negatorbezüglich gleichartigen) Auffassung nur die Negation der Negation einer Aussage beweisbar ist, liegen Überlegungen nahe, welchen Status man der doppelt negierten Aussage bzw. ihrer einfachen Negation zuerkennt bzw. wie man mit ihnen umzugehen hat, d.h. welche Redehandlungen man mit ihnen (nicht) vollziehen darf oder soll: Ist, im vorgegebenen Beispiel, die Behauptung, es gäbe keine Wahrheit, zu unterlassen? Oder darf man >aktiv< bestreiten, dass es keine Wahrheit gibt? Oder wäre die Aussage, dass es Wahrheit gibt, (objektsprachlich) als unwiderlegbar zu klassifizieren oder einfach mit einem „Non liquet“ zu versehen? Fragen dieser Art scheinen sich indes bei der Aussage, dass es keine Wahrheit gibt, zu erübrigen. Auch wenn z.B. der Intuitionist oder der Minimalist gerade diese Argumentation bei der doppelten Negation der Aussage, dass es Wahrheit gibt, beendet, so scheint es doch andere Wege zu geben, die erwähnte Aussage im unterstellten alethisch-selbstthemativen Rahmen zu beweisen: So wird sich für die Erwähnungseinführungsinstanz (=Zeile 2 in der Argumentation [3]) ihrerseits eine Erwähnungseinführungsinstanz zweiter Ordnung bilden lassen, die man ebenfalls anziehen darf. Mit Subjunktorbeseitigung und Partikularquantoreinführung folgt aus den beiden Instanzen dann bereits die Aussage, dass es eine Wahrheit gibt. Die Aussage selbst scheint im zu unterstellenden Sprachrahmen also anderweitig, d.h. ohne Verwendung des Negators, beweisbar. Alternative Negatoren: Man kann im Übrigen den durch NB erlaubten Übergang in seiner Generalität ablehnen, ohne auf die Vollform der retorsiven Argumentation verzichten zu müssen. Eine solche Möglichkeit eröffnet z.B. die Logik der strikten Negation von CURRY. Diese entsteht (in dem hier bevorzugten Rahmenwerk) aus der minimalen Logik durch Hinzufügung einer Regelfassung des Retorsionsprinzips: Wenn man in Abhängigkeit von einer Aussagenklasse X, die die Negation von A zum Element hat, die Aussage A gewonnen hat, dann darf man in Abhängigkeit von X, abzüglich der Negation von A, A selbst folgern. In 11 Vgl. dazu, v.a. auch zu logikhistorischen Hintergründen, MUCK: Retorsion, S.20ff, S.31ff.
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einer CURRY-Logik nimmt das erörterte Exemplar einer retorsiven Argumentation folgende Gestalt an: [9]
0 Es gilt x x ist wahr 1 Wäre1 x x ist wahr 2 Da x x ist wahr ‘x x ist wahr‘ ist wahr 3 Also1 ‘x x ist wahr‘ ist wahr 4 Also1 x x ist wahr 5 Also x x ist wahr
Der Beweis verläuft dem unter [3] notierten analog bis zu Zeile 4; dann greift die Retorsionsregel, die – in diesem Kontext! – ebensoviel leistet wie in [3] NE und NB in ihrer sukzessiven Anwendung. Intuitiv könnte man die Retorsionsregel so lesen: Wenn eine Aussage A sich >sogar< als notwendige Bedingung ihrer eigenen Negation herausstellt, dann darf man auf A schließen, dann wird sie >unvermeidlichdiskursive Beweglichkeitleeren Zweifel< ab. – Die zweite macht wesentlich vom Begriff des prädisputativen Einverständnisses (=PE) und, damit verbunden, dem Folgerungsbegriff Gebrauch. Was Konsequenz aus dem prädiskursiven Einverständnis oder aus der Klasse schon konzedierten Aussagen ist, muss gegebenenfalls konzediert werden. Die Anwendungszeilen sind, neben der Zeile der Konzessionsfrage, die Zeilen, in denen sich die einschlägigen konzedierten Aussagen finden, oder in denen der Verweis auf die präsdiskursive Disputbasis eingetragen ist. Die Regelanwendung im Zug 5 führt die Zeile 4 (Konzessionsfrage), die Zeile 3 (bereits konzedierte Aussage) und das prädiskursive Einverständnis auf, hier: die wohlbekannte Erwähnungseinführungsinstanz. Insoweit die in 5 konzedierte Aussage tatsächlich Konsequenz aus der Erwähnungseinführungsinstanz und der in Zeile 3 konzedierten Aussage ist, ist der disputative Akt korrekt. Entscheidende Bestandteile im Regelantezedens der zweiten Konzessionsregel sind das prädisputative Einverständnis und der in eben diesem abgelegte Konsequenzbegriff. Zum Konsequenzbegriff: Die Logik ist in der angedeuteten disputativen Sprache nicht in Folgerungsregeln präsent, sondern im Konsequenzbegriff niedergelegt; denn ein Folgerungsakt zählt nicht zu den Redehandlungen der unterlegten Disputsprache. Verschiedene Logikauffassungen zeigen sich demnach nicht in den unterschiedlich gestalteten Folgerungsregeln. Sie dokumentieren sich vielmehr in den Klauseln der (hier als bekannt vorausgesetzten) induktiven Definition des Folgerungsbegriffs. Neben dem Folgerungsbegriff enthält das prädisputative Einverständnis alle jene Aussagen, auf die die Disputparteien sich vor Beginn des Disputs einigen; in diesem Fall wird nur die geläufige Instanz der Erwähnungsseinführung benötigt. Mit dem nunmehr von der Regelseite her bestimmten Disputverlauf kann man nochmals zur Eingangsaussage des THOMAS zurück: Wer
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bestreitet, dass es eine Wahrheit gibt, räumt damit gerade ein, dass es eine Wahrheit gibt. Wörtlich gelesen, ist diese Aussage, wie schon angemerkt, schlicht falsch: Wenn ein Disputant eine beliebige Aussage A bestreitet, dann konzediert er A nicht. Angezielt könnte aber ungefähr dies sein: Wer die Aussage, dass es eine Wahrheit gibt, bestreitet, der begibt sich ipso facto (by doing so), im Vollzug des Bestreitens, auf eine Disputbahn, die mit der Konzession eben der bestrittenen Aussage endet. Oder: Zum Bestreiten der Aussage, dass es eine Wahrheit gibt, existiert ein Disput, der mit der Konzession der bestrittenen Aussage endet. ‘Exerciter‘ könnte hier das Folgende bedeuten: Im Vollzug der Wahrheitsleugnung wird die Grundlage für die Konzession der Existenz von Wahrheit geschaffen. Man könnte im Übrigen die Sätze (S2) und (S3) im Sinne der disputativen Modellierung lesen, indem man die entsprechenden disputativen Redehandlungen einfügt: [12]
Wenn es nämlich wirklich keine Wahrheit gibt, dann ist es wahr, dass es keine Wahrheit gibt (S2). Wenn aber etwas wahr ist, dann muss es eine Wahrheit geben (S3).
Wenn man bestreitet, dass es Wahrheit gibt (=Zeile 1), dann muss man konzedieren, dass es wahr ist, dass es keine Wahrheit gibt (=Zeile 5). Wenn man konzediert, dass es wahr ist, dass es keine Wahrheit gibt (=Zeile 5), dann muss man auch konzedieren, dass es Wahrheit gibt (=Zeile 7).
Zum Abschluss der Rekonstruktion der THOMASischen Verlautbarung als Disput ist eine Beobachtung mitzuteilen und eine Relativierung vorzunehmen: (i) In der hier fragmentarisch angedeuteten disputativen Sprache benötigt man ebenfalls eine (wenn auch anders verpackte) Logik; ebenso ist die Erwähnungseinführungsinstanz als substantielle Prämisse am Werk; und schließlich muss die Sprache alethisch-selbstthemativ sein. (ii) Das vorgeschlagene Disputformat, einschließlich der veranschlagten Regeln, hat kaum mehr als Ad-hoc-Charakter. Überdies sollte man davon ausgehen, dass Zwei- oder auch Mehrparteiendiskurse, retorsive oder andere, sich in vielfältiger Form modellieren lassen. Insbesondere dürften sich Zick-Zack-Diskurse – die Diskurspartei wechselt nach jeder Redehandlung – eher als degenerierter Spezialfall erweisen15. 15 Im >wahren disputativen Leben< trägt ein Disputant in der Regel eine ganze Argumentation (im Sinne von §3) vor, also eine ganze Sequenz von Redehandlungen. Erst
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§ 5. Aufdeckung einer contradictio exercita in der Wahrheitsleugnung Mit den Debatten um Retorsion unlösbar verbunden ist das Konzept der contradictio exercita, des Widerspruchs im Vollzugs bzw., in der Terminologie der Lehre von den Redehandlungen, das Konzept des performativen oder pragmatischen Widerspruchs: Die Retorsion, so eine Beschreibung in einem Handbuchartikel zur Widerlegung, „liegt vor, wenn ein Widerspruch zwischen dem Aufstellen des Satzes und seinem Inhalt besteht“16. In einem speziell der Retorsion gewidmeten Eintrag ist zu lesen: „Für die Retorsion ist eine bestimmte Form der Unvereinbarkeit zwischen dem propositionalen Gehalt der Anfangsannahme und ihren redehandlungsspezifischen Gelingensbedingungen kennzeichnend“17. Untersucht man die vorgeführte retorsive Argumentation sowie den retorsiven Disput im Lichte dieser Verlautbarungen, dann wird man keinen Widerspruch der angezielten Art entdecken können: Die redehandlungsspezifischen Geltungsbedingungen sind in den einschlägigen Redehandlungsregeln erfasst; und alle in den vorgeführten retorsiven Diskursen ausgeführten Züge, nicht nur die Anfangsakte, sind, wie detailliert vorgeführt, regelkonform. Eine Unvereinbarkeit zwischen propositionalem Gehalt und redehandlungsspezifischen Geltungsbedingungen liegt in den hier untersuchten retorsiven Diskursen demnach nicht vor. Der jeweils auftauchende Widerspruch ist ein ausdrücklich formulierter, eine contradictio in terminis, kein Widerspruch im Vollzug, keine contradictio exercita. Man wird sich also andere diskursive Szenarien vorführen müssen, wenn man sich über die Natur des performativen Widerspruchs und seine Aufdeckung Aufschluss verschaffen will. Die Suche – es soll wieder beim Beispiel der Wahrheitsleugnung angesetzt werden – ist dabei allerdings schon angeleitet durch den Zusammenhang von Redehandlungen und den sie leitenden Regeln. Aufzufinden ist ein Widerspruch bzw. eine Unvereinbarkeit zwischen der Proposition einer Redehandlung und einer der in der einschlägigen Redehandlungsregel niedergelegten Gelingens- oder Gültigkeits- oder Korrektheitsbedingungen für diese Redehandlungen. Dazu ist neuerlich zurückzugreifen auf die THOMAS-Verlautbarung unter [2]: Ein Glied des Widerspruchs, das negative, soll die Aussage ‘x x ist wahr‘ sein. Um auf das positive Glied zu gelangen, wird angenommen, dass ein Autor
dann kommt ein Co-Disputant zum Zuge, der z.B. einen der angezogenen Gründe angreift, indem er eine Widerlegung, ebenfalls eine Folge von Redehandlungen, vorlegt. 16 KRANZ: Widerlegung, Sp.683. 17 GETHMANN: Retorsion, S.599.
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diese Aussage behauptet18, indem er z.B. den Satz ‘Es gilt x x ist wahr‘ äußert; der Behauptungssatz ist aus dem Behauptungsperformator ‘Es gilt__‘ und der erwähnten Aussage aufgebaut. Die Wahrheitsleugnung nimmt ihren Weg über die Behauptung der Negation. – Um nun Gelingensbedingungen dingfest zu machen, muss eine, in diesem Falle: die, Behauptungsregel (für die unterlegte Sprache) angegeben werden: [13] Wenn und nur wenn es einen Beweis für eine Aussage gibt, dann darf man behaupten. Spezialisiert: Man darf die Aussage ‘x x ist wahr‘ genau dann behaupten, wenn es einen Beweis für ‘x x ist wahr‘ gibt. Man könnte also einen Autor, der die fragliche Aussage lediglich behauptet, darauf aufmerksam machen, dass er einen Beweis vorzulegen hat. Im Unterlassungsfall könnte man noch darauf hinweisen, dass er einen inkorrekten Behauptungsakt vollzogen hat – und damit die Angelegenheit auf sich beruhen lassen. – Bei ausgeprägter pädagogischer Ader könnte man den freihändigen Behaupter19 jedoch mit Hilfe der folgenden Argumentation dazu bewegen, seine Behauptung zu unterlassen: [14] Wenn Du behauptest, dass nichts wahr ist, widersprichst Du Dir selbst. – Behauptest Du nämlich, nichts sei wahr, dann präsupponierst Du, dass es gerade dafür einen Beweis gibt. Dann aber präsupponierst Du ebenfalls, dass dies, dass nichts wahr ist, wahr ist. Damit präsupponierst Du weiter, dass es Wahres gibt. Du behauptest einerseits, nichts sei wahr, Du präsupponierst dabei andererseits, dass es Wahres gibt. Mithin widersprichst Du Dir selbst. Also gilt insgesamt: Du widersprichst Dir selbst, wenn Du behauptest, dass nichts wahr ist. – Du solltest Deine Behauptung, dass nichts wahr ist, also unterlassen! Aus diesem pädagogisch-protreptischen Text kann man (durch Explizitmachen des Sprachbezugs, Anführung, Weitung der Intimität des pädagogischen Du zum Universalquantor usf.) ein Beweisprovisorium 18 Um Missverständnisse zu vermeiden: THOMAS spricht nicht ausdrücklich vom Behaupten, sondern nur vom Bestreiten und vom Konzedieren. Auch andere Autoren lassen sich indes von den Äußerungen des THOMAS zu Betrachtungen anregen, die die Gelingensbedingungen des Behauptens der fraglichen Aussage betreffen; vgl. WEISSMAHR: Theorie der retorsiven Argumentation, S.67ff. 19 MUCK: Retorsion, S.42, sieht die (praktische, moralische, politische usf.) Stoßrichtung der Wahrheitsleugnung in dem Versuch, die Frage nach der Wahrheit und damit die kritische Überprüfung von Behauptungen sinnlos zu machen; entsprechend hat man auch der Aufdeckung der contradictio exercita mehr als nur eine propädeutisch-protreptische Funktion zuzuerkennen.
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formen. Aus diesem wird immerhin ersichtlich, welche begrifflichen Investitionen zu tätigen wären, um den Aufweis eines performativen Widerspruchs in einen lückenlosen Beweis zu verwandeln. Ein solches Provisorium könnte etwa so aussehen: [15] Es gilt: Für alle S, Für alle L: Wenn S Autor von L ist, L eine alethisch-selbstthemative Sprache mit starkem Behauptungsbegriff nach [13] und ...L..., dann: Wenn S ‘¬x x ist wahr‘ in L behauptet, dann vollzieht S in L bezüglich ‘x x ist wahr‘ einen Widerspruch. – Seien die Voraussetzungen gegeben. Wegen starkem Behauptungsbegriff nach [13] gilt: Wenn S ‘¬x x ist wahr‘ in L behauptet, dann S präsupponiert in L ‘Es gibt einen Beweis für ‘¬x x ist wahr‘‘. Da: Wenn S präsupponiert in L eine beliebige Aussage , dann präsupponiert S jede in L gegebene Konsequenz von . Also: Wenn S präsupponiert in L ‘Es gibt einen Beweis für ‘¬x x ist wahr‘‘, dann präsupponiert S jede in L gegebene Konsequenz von ‘Es gibt einen Beweis für ‘¬x x ist wahr‘‘. Ferner: {‘Es gibt einen Beweis für ‘¬x x ist wahr‘‘} hat in L die Aussage ‘‘¬x x ist wahr‘ ist wahr‘ zur Konsequenz; und {‘‘¬x x ist wahr‘ ist wahr‘} hat in L die Aussage ‘x x ist wahr‘ zur Konsequenz. Mithin: S präsupponiert in L 'x x ist wahr‘. Also: S behauptet ‘¬x x ist wahr‘ in L und S präsupponiert in L ‘x x ist wahr‘. Da: Für alle S, L, : Wenn S die Negation einer beliebigen Aussage in L behauptet und S präsupponiert in L, dann vollzieht S in L bezüglich einen Widerspruch. Also: S vollzieht in L bezüglich ‘x x ist wahr‘ einen Widerspruch. Ganz allgemein dürfte die Zielthese der Aufdeckung einer contradictio exercita von folgender Form sein: Wenn ein Autor S die und die Redehandlung bezüglich einer Aussage in der und der Sprache L vollzieht, dann vollzieht S in L bezüglich der Aussage einen Widerspruch; dahingegen wird in retorsiven Argumentationen und Disputen gerade für die Aussage selbst argumentiert bzw. disputiert. Faktisch treten retorsive Diskurse einerseits und Aufdeckungen von performativen Widersprüchen andererseits – unerachtet der ganz verschiedenen Zielthesen – in der Regel jedoch gemeinsam auf: Nachdem man den im Widerspruch Befangenen über sein >Sein im Widerspruch< aufgeklärt hat, führt man ihm noch einen retorsiven Disput oder eine retorsive Argumentation vor. Oder umgekehrt: Nachdem man einen retorsiven Diskurs mit der Zielthese ‘x x ist wahr‘ präsentiert, setzt man noch >eins draufnatürliche< pastoralphilosophische Umgebungen von Aufdeckungen performativer Widersprüche. Das Titelwort ‘Exerciter‘ kann mit Blick auf retorsive Argumentationen, retorsive Dispute und das Begehen einer contradictio exercita gelesen werden. (i) Hinsichtlich der retorsiven Argumentation: Im Vollzug der Annahme der Wahrheitsleugnung, ihrer auch nur versuchsweisen Erwägung, wird die Grundlage für das Widerspruchsszenario geschaffen, das auf die Existenz von Wahrheit schließen lässt. (ii) Bezüglich des retorsiven Disputs: Schon im Vollzug des Bestreitens der Aussage, dass es Wahrheit gibt, betritt man eine Disputbahn, die mit der Konzession eben der bestrittenen Aussage endet. (iii) Rücksichtlich des Begehens einer contradictio exercita: Im Vollzug des Behauptung der Nichtexistenz der Wahrheit verwickelt sich der Redner in einen Widerspruch zwischen dem, was er behauptet, und dem, was er präsupponiert, indem er das behauptet, was er behauptet. In den Analysen der beiden rekonstruierten Diskurse wurde hervorgehoben, dass es sich nur dann um gültige Argumentationen bzw. Dispute handelt, wenn ein entsprechendes sprachliches Rahmenwerk konstruiert worden ist; und auch der Nachweis des Widerspruchs im Vollzug bezieht sich auf eine einschlägige Sprache oder Sprachgruppe. Früher behandelte logische Aspekte beiseite gesetzt (Zusatz), zieht die Erwähnungseinführung ‘x x ist wahr ‘x x ist wahr‘ ist wahr‘ als
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einziger Grund die Aufmerksamkeit auf sich. Die Besonderheit an dieser Aussage ist das Vorkommen des Wahrheitsprädikats sowohl auf der linken wie auch auf der rechten Seite. Die Umkehrung der Erwähnungseinführung, die Erwähnungstilgung, ist die Aussage ‘‘x x ist wahr‘ ist wahr x x ist wahr‘. Erwähnungseinführung und Erwähnungstilgung lassen sich zu der folgenden Instanz des Erwähnungs- bzw. T(ruth)-Schemas zusammenfügen: ‘‘x x ist wahr‘ ist wahr x x ist wahr‘. Es ist – mit Blick auf die (in den hier verhandelten Kontexten jederzeit als Bedrohung empfundene) Herleitbarkeit der Antinomie von LOEB bzw. CURRY – bemerkenswert, dass die Erwähnungstilgung weder in der retorsiven Argumentation noch im retorsiven Disput benötigt wird. Hat man nur die retorsiven Diskurse und die Aufdeckung der Widersprüche im Vollzug im Auge, will man ferner die Instanzen aus einem allgemeinen Schema gewinnen, dann würde die Etablierung des Erwähnungseinführungsschemas genügen. Aber auch zu diesem Zweck sind sehr grundsätzliche Erwägungen und Entscheidungen zu den Erwähnungsmitteln und einem sprachinternen Wahrheitsprädikat angezeigt. Man muss also, gegen eine isolationistische Betrachtung des (hier: retorsiven) Argumentierens und Disputierens, der folgenden Einsicht Zutritt gewähren: Erst nach der Konstruktion einer alethisch-selbstthemativen Sprache, die beweisbare Widersprüche (durch vorsichtige Gestaltung des Wahrheitsprädikats und der Erwähnungsmittel) vermeidet oder (mit einer passenden Logik) unschädlich macht, wird man (relativ) final über die Gültigkeit der vorgeführten (und verwandter) Argumentationen und Dispute in den jeweiligen Sprachen befinden können. Vivant sequentes22! Literatur Die angeführten Schriften werden im Text mit Autornamen und dem durch Unterstreichung gegebenen Kurztitel zitiert. BETH, E.W.: Logique Scolastique et Logique Mathématique; Allgemeen Nederlands Tijdschrift voor Wijsbegeerte en Psychologie 45 (1953), S.115-120. CHARRON, W.C./DOYLE, J.P.: On the Self-Refuting Statement „There is no truth“: A Medieval Study; Vivarium XXXI, 2 (1993), p.241-266. DOPP, J.: Logiques construites par une méthode de déduction naturelle; Louvain/Paris 1962. 22 Ich danke Konrad Ott (Greifswald) für hilfreiche Bemerkungen zu einer früheren Fassung des vorliegenden Textes.
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GETHMANN, C.F.: Retorsion; in: MITTELSTRASS, J. (Hg.): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie 3; Stuttgart/Weimar 1995; S.597-601. HEGSELMANN, R.: Formale Dialektik. Ein Beitrag zu einer Theorie des rationalen Argumentierens; Hamburg 1985. ISAYE, G.: La justification critique par rétorsion; Revue philosophique de Louvain 12 (1954), p.205-233. KRANZ, M.: Widerlegung; in: GABRIEL, G. u.a. (Hg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 12; Basel/Darmstadt 2004, Sp.680-685. MUCK, O.: Die transzendentale Methode in der scholastischen Philosophie der Gegenwart; Innsbruck 1964. MUCK, O.: The Logical Structure of Transcendental Method; International Philosophical Quarterly IX (1969), p.342-362. MUCK, O.: Retorsion. Übersicht über Themen zu Retorsion, Retroflexive Argumente, Transzendentale Deduktion; Innsbruck 1987ff (Typoskript, 47 Seiten). SIEGWART, G.: Vorfragen zur Wahrheit. Ein Traktat über kognitive Sprachen; München 1997. SIEGWART, G.: Denkwerkzeuge. Eine Vorschule der Philosophie; online-script (Universität Greifswald, 2002ff). WEISSMAHR, B.: Ein Vorschlag zur Theorie der retorsiven oder transzendentalen Argumentation; in: MUCK, O. (Hg.): Sinngestalten. Metaphysik in der Vielfalt menschlichen Fragens; Innsbruck/Wien 1989, S.66-77.
Nachtrag Nach Abfassung der vorliegenden Arbeit sind die folgenden einschlägigen Texte erschienen: BRENDEL, E.: Self-Referential Arguments in Philosophy; Grazer Philosophische Studien 74 (2007), S.177-197 HIEKE, A.: Pragmatische Widersprüchlichkeit und pragmatische Analytizität. Begriffsklärung und Anwendung; St. Augustin 2007. MUCK, O.: Operative Analyse und Retorsion, in: KAMP, G. / THIELE, F. (Hg.): Erkennen und Handeln. Festschrift für Carl Friedrich Gethmann zum 65. Geburtstag; München 2009; S.19-40.
Integrative Erklärungen: Konvergierende Tendenzen zwischen Metaphysik und Wissenschaftstheorie? WINFRIED LÖFFLER
1. Vorblick Die folgenden Überlegungen nähern sich einem systematisch zentralen Stück der Philosophie Otto Mucks an, nämlich seiner Konzeption von „integrativen Erklärungen“. Als integrative Erklärungen fungieren, so Muck, nicht nur die wesentlichen Inhalte der klassischen aristotelischscholastischen Metaphysik; auch die Weltanschauung eines jeden Menschen erfüllt (in dem Maße, wie sie tragfähig ist) die Funktion einer integrativen Erklärung. Die Verbindung zwischen diesen beiden Thesen würde Muck wohl so herstellen, dass im Kern vermutlich jeder tragfähigen Weltanschauung die Strukturen der traditionellen Metaphysik nachweisbar wären. Natürlich wird dies kaum einmal explizit oder gar in der klassischen Terminologie ausformuliert der Fall sein, aber doch zumindest von der darin verborgenen operativen Struktur her. Ziel meiner Überlegungen ist es zum ersten, diese Konzeption der integrativen Erklärung anhand der Hinweise, die Muck selbst dazu an verschiedenen Stellen seines Werkes gibt, näher zu beleuchten und mit einigen neueren Entwicklungen der Wissenschaftstheorie in Zusammenhang zu bringen. Das zweite, damit verbundene und eigentliche Ziel meiner Überlegungen ist es, aufzuzeigen, dass und warum eine solche Konzeption der integrativen Erklärung plausibel und philosophisch hilfreich ist. Soweit mir eine endgültige Explikation dieser Konzeption nicht gelingt, muss das kein Einwand gegen ein solches Vorhaben sein: Es ist besser, ein bedeutsames Thema in einer vorläufigen und noch erweiterungsfähigen Form im Gespräch zu halten, als es ungerechtfertigt zu übergehen. Gerade bei integrativen Erklärungen scheint dies – durch die Dominanz anderer Erklärungskonzeptionen in der wissenschaftstheoretischen Diskussion bis vor wenigen Jahren – allzu oft passiert zu sein. Meine Methode habe ich damit schon weitgehend angedeutet. Ergänzend mag dazugefügt werden, dass ich nicht für alle meine interpretatorischen Behauptungen einen Textbeleg aus Mucks Werken liefern kann. Dies ganz einfach deshalb, weil sich im Laufe jahrelanger persönlicher Kooperation in der akademischen Lehre und in der wissenschaftlichen Diskussion ein Verständnis des Anderen einstellt, von dem man am Ende nicht mehr weiß, wann und wo man es erworben hat und welche
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schriftliche Belege man genau dafür angeben könnte; manche wichtige Einsicht geht wohl überhaupt nur auf Lehrsituationen und Gespräche zurück. Ich hoffe, dass auch Otto Muck dieses mein Verständnis einigermaßen adäquat und vielleicht sogar hilfreich für weitere Überlegungen zu diesem (auch meiner Einschätzung nach höchst wichtigen) Thema finden wird. 2. „Integration“ als Grundthema der Philosophie Otto Mucks Denken ist entscheidend vom Gedanken der Integration – in erster Näherung: des Zusammenbringens, Zusammenhaltens und Einordnens verschiedener Gesichtspunkte, Fragerichtungen und Einschätzungen – geprägt: Sapientis est ordinare. Schon dem ganz oberflächlichen Betrachter fällt auf, dass in seinen Texten die Wörter „Integration/integrativ“ an zentraler Stelle und in mehreren miteinander verwandten Redeweisen auftauchen, die sowohl auf der Objektebene (der Weltanschauung) wie auch auf der Reflexionsebene (der Philosophie als jener Wissenschaft, die Weltanschauungen reflektiert1) angesiedelt sind. 2.1 Auf Objektebene bezeichnet Muck die Weltanschauung eines Menschen (zu ihrer Struktur siehe RuW 132-1382) als jene integrative Erklärung, die es ihm (in mehr oder minder erfolgreicher, immer noch reifungsfähiger Weise) gestattet, das ihm Begegnende, alle seine Erfahrungen, Einschätzungen, Denkinhalte, Wertsetzungen, Präferenzen, Ziele und Wünsche etc. in einen zusammenhängenden Rahmen einzuordnen (RuW 104f., 258f., 369, 372f., 375f. und öfters) – in einer losen Metaphorik könnte man sagen, „sich seinen Reim auf die Wirklichkeit zu machen“, der ihn in seinem Denken und Handeln leitet. Dass die Weise dieser Erklärung nicht vorschnell mit einem der in der Wissenschaftstheorie verfügbaren Erklärungsbegriffe gleichgesetzt werden sollte, ersieht man daraus, dass Muck zuweilen auch von der Weltanschauung als umfassender, integrierender Deutung der Gesamtwirklichkeit (so wie sie ein Mensch eben jeweils erfahren hat und versteht) spricht (RuW 360); integrative 1 Das mag in unserem Kontext als grobe Charakterisierung der Philosophie genügen; eine ausführliche Definition hat Muck an anderer Stelle vorgelegt: „Philosophie [ist] das systematische Bemühen, aus eigener Einsicht die Zusammenhänge von allem zu erfassen. Das Philosophiestudium macht dabei von der Frucht der Bemühungen anderer methodisch Gebrauch.“ (Christliche Philosophie (Berckers Theologische Grundrisse III), Kevelaer 1964, 20; Hervorhebungen im Original von mir weggelassen.) 2 Zitate mit der Sigel „RuW“ beziehen sich auf Mucks Aufsatzsammlung Rationalität und Weltanschauung. Philosophische Untersuchungen, hg. von W. Löffler, Innsbruck – Wien 1999. Dort sind die systematisch wichtigsten Aufsätze Mucks aus den Jahren 1958-1999 zusammengestellt.
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Erklärungen enthalten also auch deutende Elemente. Im Kontext der kritischen Auseinandersetzung mit der Religionsphilosophie Joseph M. Bocheńskis hat Muck dessen Konzeption der „Religiösen Hypothese“ nach Art seiner eigenen Konzeption der Weltanschauung interpretiert, und wohl nicht zu Unrecht (RuW, 149, 361, 376f.). Die Religiöse Hypothese leistet, so Muck in seiner Interpretation, eine integrative Erklärung dessen, was Bocheński die „totale Erfahrung“ nennt und was von Muck mitunter als die Lebenserfahrung oder eben als das im Leben Begegnende angesprochen wurde. Das Glücken dieser Integration zeigt sich, so Bocheński und mit ihm wohl auch Muck, an einer „Erhellung des Lebens“ (ebd.) im Sinne des Aufgehens von Zusammenhängen und des Zurücktretens irritierender oder unzusammenhängender Ausschnitte des im Leben Begegnenden. 2.2 Integration wird allerdings nicht nur – meist unbewusst – durch die eigene Weltanschauung geleistet, sie ist für Muck auch ein Grundzug philosophischer Bemühungen (RuW 88, 128f., 225ff. und öfters). Recht verstandene Philosophie strebt nach Integration auf der Metaebene. Als integratives philosophisches Fach par excellence betrachtet Muck dabei die Metaphysik, die er mitunter als eine integrierende Theorie bezeichnet (RuW 259, 477). Muck legt Wert darauf, dass Metaphysik nicht eine obskure, sich aus überholten Begrifflichkeiten speisende Zusatztheorie über die Welt oder gar eine Hinterwelttheorie ist, die sich fruchtlose Scharmützel mit naturwissenschaftlichen und anderen Theorien liefert. Metaphysik versteht er vielmehr als allgemeine Wirklichkeitstheorie, die besonders nach dem Verhältnis der in den einzelnen Theorien angenommenen Gegenstandsbereiche (manchmal auch als „ontological commitments“ oder „regionale Ontologien“ bezeichnet) fragt: „Gibt es“ Alltagsobjekte, Personen, Zellen, Elektronen, Bruttoinlandsprodukte, Normen, etc., gibt es vielleicht all das nebeneinander und wenn ja, in welchem Sinne?“ Den Erklärungstyp, der in der Metaphysik angestrebt wird, nennt Muck integrative Erklärung (RuW 247, 250). – Metaphysische Integration kann dabei zwei Stoßrichtungen haben. Mehr negativ und abwehrend geht es darum, Reduktionismen vorzubauen, die in Form von „nichts-anderes-als“-Thesen auftreten: „Personen sind nichts anderes als hochkomplexe physikalische Maschinen“, „Handlungen sind nichts anderes als typische Erregungsmuster im zentralen Nervensystem, die Körperbewegungen auslösen“, etc. Frucht der Integrationsbemühungen ist hier, Fragerichtungen zumindest offen zu halten und Betrachtungsweisen nicht vorschnell als unberechtigt abzutun (siehe dazu u.a. RuW 400-413). Eine positive und konstruktive Stoßrichtung metaphysischer Integration wird durch die Frage eröffnet, ob es vielleicht einen prioritären ontologischen Rahmen gibt, von dem die Einführung und das Funk-
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tionieren anderer Ontologien in verdeckter Weise abhängig sind. Muck verträte zu dieser Frage die These, dass es die Objekte der Lebenswelt sind – Aristoteles hätte von Substanzen im ersten Sinne gesprochen –, die diesen Rahmen bereitstellen.3 2.3 Entscheidend für die Methodik der metaphysischen Integration ist für Muck der Einsatz allgemeinerer bzw. verallgemeinerter Sprechweisen (RuW 128f.): Die Vorläufigkeit oder Perspektivität einer bestimmten Betrachtungsweise eines Gegenstands kann u.a. dadurch offenbar werden, dass man versucht, ihn auf einer allgemeineren Ebene, mit einem verallgemeinerten Vokabular zu beschreiben. In jüngerer Zeit4 spricht Muck in diesem Zusammenhang auch von integrativen Gehalten als jenen Kernbedeutungen, die verschiedenen Explikationen einer Redeweise gemeinsam ist. Als ein Beispiel für einen solchen integrativen Gehalt könnte etwa ein verallgemeinertes Verständnis von Kausalität gelten: Wir sprechen sowohl bei naturgesetzlich gebundenen und beschreibbaren Naturvorgängen als auch beim Bewirken durch handelnde Personen (so genannte „agent causality“) als auch in Bezug auf Gottes Erschaffung der Welt von „Kausalität“. Mitunter werden diese Redeweisen dann allerdings gegeneinander ausgespielt, etwa wenn gesagt wird, „agent causality“ könne es deshalb nicht geben, da für sie keine Naturgesetze angebbar sind, oder eine göttliche Kausalität könne es nicht geben, da am Anfang der Welt überhaupt noch keine Naturgesetze gegolten haben. Der Preis eines solchen Gegeneinander-Ausspielens ist freilich hoch, da vor allem die Rede von handelnden Akteuren sehr prägend für unser Verständnis Selbst- und Weltverständnis ist und nicht leichthin als illusionär aufgegeben werden sollte. Einen Weg, die Diskussion zumindest nicht vorschnell abzubrechen, bietet die vorläufige Beschränkung auf eine verallgemeinerte Redeweise: Allen drei Redeweisen von Kausalität ist gemeinsam, dass Formen der Einflussnahme oder des Bewirkens angesprochen werden. Ob allerdings für jede Form der Einflussnahme die Suche nach ihrer naturgesetzlichen Beschreibung sinnvoll ist, mag dann weiterer Überlegung vorbehalten bleiben. 3 Ich selbst habe – inspiriert von Muck – diesen Gedanken erläutert und auf verschiedene Felder angewandt in: „Über deskriptive und revisionäre Metaphysik“, in: Metaphysik heute – Probleme und Perspektiven der Ontologie / Metaphysics Today – Problems and Prospects of Ontology, hg. von Matthias Lutz-Bachmann und Thomas M. Schmidt, Freiburg 2007, 114131, sowie in: „Alternativen zu Naturalismus und Monismus: Der Ansatz des Aristoteles“, in: Naturalisierung des Menschen. Tragweite und Grenzen aktueller naturwissenschaftlicher Deutungen des Menschen, hg. von Ludger Honnefelder und Matthias Schmidt, Berlin 2007, 49-57 (in Druck). 4 „Mühe und Chancen eines Dialogs – Interpretationstheoretische Bemerkungen“, in: Die Macht des Geistes. Festgabe für Norbert Leser zum 70. Geburtstag, hg. von Erwin Bader, Frankfurt am Main, 42-56, hier 51ff.
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2.4 Mit diesem Rekurs auf verallgemeinerte Redeweisen knüpft Muck bewusst an die aristotelisch-scholastische Tradition an. Die in der neueren Philosophie vielfach als Sprachmissbrauch verdächtigte Rede von der Betrachtung des Seienden als Seiendes, die Charakterisierung der Metaphysik als der Wissenschaft vom ens qua ens rekonstruiert Muck gerade als einen solchen Vorschlag verallgemeinerter Redeweisen. Die Betrachtung des Seienden unter dem Seinsaspekt, also uneingeschränkt und nicht fixiert auf bestimmte dominierende Betrachtungsweisen, sieht Muck gerade als den Ausdruck einer integrativen Fragestellung (RuW 248-250, 259). Bereits in seinen frühesten Arbeiten hat Muck jedoch auch herausgearbeitet, dass eine ganz ähnliche integrierende Funktion seinem Verständnis der transzendentalen Methode innewohnt (RuW 202-212, besonders 209-212). Das „Integrationsprinzip“ firmiert dort ganz explizit als eines ihrer Prinzipien.5 2.5 Ähnlich wie der Metaphysik schreibt Muck an einigen Stellen seines Werkes auch der Theologie als Glaubensentfaltung integrative Relevanz zu (RuW 145). Religiöse Überzeugungen können einen bestimmenden Teil der Weltanschauung eines Menschen ausmachen, und ähnlich wie seine sonstigen Überzeugungen können auch sie mehr oder minder lückenhaft, in sich unzusammenhängend, widersprüchlich oder bezüglich ihres genauen Zusammenhangs mit anderen Überzeugungsbereichen unklar sein. Theologie als Wissenschaft versteht sich dann als der Versuch, dem fragenden Menschen Orientierung zu bieten, wo er sich solcher Mängel inne wird. Der integrative Aspekt der Theologie tritt dabei u.a. dort hervor, wo verschiedene Begründungen religiöser Überzeugungen – etwa biblische, historische, erfahrungsmäßigbiographische – zusammengeordnet werden, oder auch dort, wo der Zusammenhang religiöser und naturwissenschaftlicher, sozialwissenschaftlicher u.a. Überzeugungen thematisiert wird. 2.6 Der Grund für das parallele Auftreten von Integrationsaspekten auf Objekt- und Metaebene kann hier nur angedeutet werden (da dies in eine weitläufige eigene Erörterung führen würde): Muck vertritt die These, dass sich vermutlich in jeder Weltanschauung, die die ihr zukommende integrative Funktion erfüllt, de facto viele Strukturen der klassischen Metaphysik nachweisen lassen; dies gilt zunächst natürlich nur von ihren faktisch wirksamen operativen Strukturen her und ist ganz unabhängig davon, ob der betreffende Mensch auch die metaphysische
5 Siehe Mucks später auch ins Englische übersetzte Habilitationsschrift Die transzendentale Methode in der scholastischen Philosophie der Gegenwart, Innsbruck 1964, 286, sowie u.a. RuW 235f., 239, 468 FN 40.
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Terminologie kennt, ob ihm diese Strukturen bewusst sind und ob er sich überhaupt jemals über solche Fragen Gedanken gemacht hat.6 2.7 Das für Mucks bisher skizzierte Überlegungen systematisch zentrale Konzept dürfte jenes der integrativen Erklärung sein. Muck hebt hervor, dass sich integrative Erklärungen tiefgreifend von naturwissenschaftlichen Erklärungen – insbesondere, wenn man letztere im Sinne des klassischen deduktiv-nomologischen Erklärungsschemas versteht – unterscheiden. Ein Hauptunterschied liegt etwa darin, dass integrative Erklärungen nicht prognostisch relevant sind (RuW 134, 375f. und öfters), , sondern dass ihr Nutzen eher in einer Zusammenordnung, im Gewinnen von Übersicht und Widerspruchsauflösung liegt (wir kommen darauf nochmals näher in Abschnitt 6 zurück). Was wären Beispiele für integrative Erklärungen? Nicht nur die Weltanschauung als Ganze betrachtet Muck als integrative Erklärung; als konkretere, kleinräumigere Beispiele integrativen Erklärens wären etwa die aristotelische Erklärung eines Sachverhalts nach der Vier-UrsachenLehre, die Erklärung von Veränderungen durch das Potenz-/AktSchema und das Träger-/Eigenschaft-Schema, die religiöse und über den physikalischen Theorienbestand hinausgehende Erklärung der Existenz des Universums, die verschiedenen philosophischen und theologischen Versuche, die Existenz des Übels in der Welt zu erklären, und andere mehr. Diese Konzeption integrativen Erklärens möchte ich in den folgenden Überlegungen näher beleuchten, besonders indem sie mit anderen Konzeptionen von „Erklärung“ konfrontiert wird; dabei werden jedoch einige konvergierende Tendenzen gerade mit neueren Entwicklungen der Wissenschaftstheorie zutage treten. 3. Ein wenig Sprachanalyse und ein Dilemma 3.1 Beginnen wir mit einigen schlichten sprachanalytischen Beobachtungen zur Grammatik des Wortes „erklären“. Hier ist zu bemerken, dass dieses Wort in unterschiedlichsten Redeweisen fungiert, dort in unterschiedlicher Stelligkeit vorkommt und demgemäß wohl verschiedene Explikate hätte:7 Eine Redeweise, wo „erklären“ nach Art eines zweistelligen Prädikates vorkommt, wäre „A erklärt B“. Mit dem A kann dabei übrigens ein erklärender Akteur gemeint sein („Der Fremdenführer erklärt die 6 Zu diesem de facto-Aristotelismus siehe Löffler 2007a (siehe FN 3), zu seiner Relevanz z.B. für medizinisches Handeln siehe Löffler 2007b. 7 Gänzlich außer Betracht mögen hier jene Redeweisen von „erklären“ bleiben, die man im Englischen nicht mit „to explain“, sondern mit „to declare“ übersetzen würde: „der Präsident erklärte seinen Rücktritt“ und ähnliche mehr.
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Markuskirche“) oder ein erklärender Sachverhalt („Der Rost auf den Bremsscheiben erklärt das schleifende Geräusch“). Dreistellige Verwendungsweisen treten einerseits dort auf, wo ein Adressat in den Blick kommt („A erklärt [dem B] C“, „A erklärt [sich] B“), andererseits auch dort, wo ein weiteres Bestimmungsstück in die Erklärung selbst aufgenommen wird: „A erklärt B als C“, „A erklärt B durch C“. Zu vierstelligen Verwendungsweisen kommt es dann, wenn auch noch Rahmenbedingungen der Erklärung in den Blick genommen werden: „A erklärt B durch C innerhalb eines Rahmens D“, „A erklärt [sich] B als C innerhalb eines Rahmens D“. Jeweils um eine Stelle erweitert werden derlei Erklärungen, wenn zusätzlich der Erklärungsadressat genannt wird: „A erklärt [sich] B durch C“, „A erklärt [sich] B als C“, „A erklärt [dem B] C als D“, „A erklärt [sich] B durch C innerhalb eines Rahmens D“ und ähnliche mehr. – Diese Liste ist nur beispielshaft und nicht erschöpfend; ich möchte auch die Frage hier ausklammern, ob sich manche niederstellige Verwendungsweisen vielleicht nur als elliptische Varianten von höherstelligeren verstehen lassen, in der die fehlenden Stücke durch stillschweigendes Kontextwissen ergänzt werden. 3.2 Machen wir uns nun eine weitere für Mucks Denken ganz zentrale Unterscheidung zunutze, nämlich jene zwischen persönlichen und interpersonalen Begründungen (RuW 113f.), dann kann man manchen dieser Verwendungsweisen einen eher interpersonalen Sinn von „Erklären“ zuordnen und manchen eher einen persönlichen. Persönliche Erklärungen liegen tendenziell dort vor, wo der Adressat ins Spiel kommt, und insbesondere dort, wo der Adressat der Erklärende selbst ist: A erklärt [sich] B durch C“, usw. Persönliche Erklärungen liegen dort vor, wo die Erklärung einem anderen Adressaten nicht ohne weiteres zugänglich, nützlich oder einleuchtend ist, etwa weil sich die persönlichen Erfahrungshintergründe und/oder die jeweils verfügbaren Begrifflichkeiten unterscheiden.8 Aus dem weiter oben Gesagten liegt nahe – und Muck weist an zahlreichen Stellen darauf hin –, dass integrative Erklärungen häufig Züge persönlicher Erklärungen tragen werden. 3.3 Teilweise wäre das Wort „Erklären“ in solchen persönlichen Verwendungsweisen durch das Wort „Verstehen“ ersetzbar, ohne dass dadurch das Sprachempfinden irritiert würde („A versteht B als C“, „A versteht B als C innerhalb eines Rahmens D“). Diese Beobachtung wirft allerdings ein Dilemma auf, das auch integrative Erklärungen betrifft und 8 Freilich muss nicht jede Redeweise von „Erklärung“, die einen Adressaten erwähnt, persönlich sein. Der Physiklehrer, der seinen Schülern die Entstehung eines Magnetfeldes durch das Fließen eines Stromes erklärt, strebt eine möglichst interpersonale Erklärung an.
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manchem vielleicht auch den Zugang zu dieser Erklärungskonzeption erschweren mag: Einerseits soll sich die integrative Erklärung von (natur-) wissenschaftlicher Erklärung unterscheiden, wie Muck an zahlreichen Stellen betont. Andererseits soll aber die Redeweise von „Erklärung“ guten Gewissens beibehalten werden können. Auch integrative Erklärungen sollten eine gewisse interpersonale Qualität haben, sollen mehr als ein rein persönliches, subjektives „Deuten oder Verstehen-als“ sein – dies vor allem deshalb, weil es ein zentrales Anliegen Mucks ist, Metaphysik als eine Wissenschaft sui generis mit ausweisbaren Rationalitätsansprüchen zu rechtfertigen. Welche Struktur(en) können integrative Erklärungen also haben? 4. Erklären und Verstehen: der “received view“ Die tentative These, die ich hierzu verfolgen möchte, ist (1) dass die neuere wissenschaftstheoretische Debatte um die Explikation von „wissenschaftlicher Erklärung“ hier eventuell weiterhelfen könnten, da es dort nämlich (2) gewisse konvergierende Tendenzen mit einigen Andeutungen bei Muck gibt. Beginnen wir mit einer Erinnerung an das, was ich den „received view“9 zum Unterschied zwischen „Erklären“ und „Verstehen“ nennen möchte, der normalerweise mit dem Namen Wilhelm Dilthey in Verbindung gebracht wird und oft als eine scharfe Dichotomie geschildert wird. Dem gemäß ist das Erklären – das Ziel der Naturwissenschaften (und auch Teilen der Sozialwissenschaften, etwa der Ökonomie); – Objekte des Erklärens sind Naturvorgänge (und auch bestimmte Ausschnitte der sozialen Welt) und auch die speziellen Gesetze, die jeweils für sie gelten. (Wenn speziellere Gesetze auf allgemeinere Gesetze zurückgeführt werden können, so betrachtet man dies als einen besonders aufschlussreichen Fall der Erklärung); – die Struktur einer guten Erklärung ist jene eines Arguments: das Explanandum muss aus erklärenden Gesetzen und Ausgangsbedingungen ableitbar sein;
9 Der Anglizismus ist nicht aus Übermut oder zum Ausweis von Sprachkenntnissen gewählt worden, sondern weil die nahe liegenden deutschen Übersetzungen allesamt etwas schief sind: Ein „Gemeinplatz“ oder eine „Standardansicht“ ist die Sache eben gerade nicht oder nicht mehr, eine „überkommene Ansicht“ insinuiert etwas von fragloser Überholtheit, und eine „traditionelle Auffassung“ etwas von lückenloser Anhängerschaft in der Vergangenheit. All das trifft nicht das, was ich sagen will: Es handelt sich um eine weit verbreitete, aus der Vergangenheit übernommene, aber vielfach bereits mit Unbehagen betrachtete Ansicht.
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– aus dieser Ableitbarkeit ergibt sich, dass Erklärungen prognostische Funktion haben. Daraus ergibt sich mitunter eine praktisch-technische Anwendbarkeit, weil sie Eingriffe in die Natur mit vorhersehbaren Folgen erlauben; – das klassische Beispiel für wissenschaftliche Erklärungen ist das so genannte Hempel-Oppenheim-Schema in seiner deduktiv-nomologischen (DN-)Variante für den Fall strikter, ausnahmsloser Gesetze und in seiner induktiv-statistischen (IS-)Variante für den Fall statistischer Gesetze. Bei letzterer Erklärungsform ist das Explanandum nur mit hoher Wahrscheinlichkeit ableitbar. Das Verstehen hingegen sei – das Ziel der Geisteswissenschaften; – seine Objekte seien menschliche Handlungen und die verschiedensten Produkte menschlichen Handelns, also Objekte, Tatsachen, Zustände, Vorgänge etc., die dadurch zu Sinn-Trägern werden; – das Verstehen habe keine einfach angebbare und von anderen Menschen in jedem Falle nachvollzieh- und überprüfbare Struktur; der Weg zum Verstehen wird zuweilen als der eines Einfühlens in die Situation des Sinnschaffenden bzw. eines Nacherlebens derselben umschrieben; – anders als das Erklären habe das Verstehen keine prognostische Relevanz. Die geschilderte Erklären/Verstehen-Dichotomie mit ihrem Postulat zweier grundsätzlich verschiedener, gar nicht aufeinander bezogener wissenschaftlicher Methoden ist allerdings nicht immer auf Zustimmung gestoßen. Zuweilen wurde ein Ausweg darin gesucht, dass eine Seite der Dichotomie als prioritär angesetzt und der anderen Seite ihr Eigenrecht abgesprochen wurde. So sind manche Extrempositionen rekonstruierbar, die Verstehen nur als defizitäres Erklären einschätzen (z.B.: „hätte man eine vollständige naturwissenschaftliche Beschreibung der Vorgänge im Körper, dann könnte man das menschliche Handeln nach dem DNoder IS-Schema erklären“) oder im Erklären nur ein reduktionistisches Verstehen eines Gesamtphänomens erblicken, das nur ganz bestimmte Züge der Wirklichkeit hervorhebt. 5. Die Aufweichung der Erklären/Verstehen-Dichotomie Aber auch jenseits solcher Extrempositionen ist innerhalb der wissenschaftstheoretischen Diskussionen der letzten Jahrzehnte eine Aufweichung der Erklären/Verstehen-Dichotomie zu beobachten. Die Gründe dafür sind vielschichtig; unter anderem wäre wohl zu verweisen auf
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(1) die zunehmend verbreitete Einsicht, dass ebenso wenig, wie es eine theoriefreie Beobachtung gibt, auch das wissenschaftliche Erklären nie ohne einen reichen Bestand an Hintergrundwissen stattfindet, und dass es immer in einem Handlungskontext steht; (2) die schon bei oberflächlicher Betrachtung wissenschaftlicher Literatur ins Auge springende Tatsache, dass auch in den Naturwissenschaften faktisch wesentlich mehr als befriedigende „wissenschaftliche Erklärung“ akzeptiert wird als nur Erklärungen nach dem HempelOppenheim-Schema; (3) die besonders seit den 1970er Jahren intensivierte Diskussion um den logischen und ontologischen Status von Naturgesetzen und anderen Gesetzmäßigkeiten, näherhin etwa um den Charakter statistischer Gesetze oder die Frage, ob Gesetze als ceteris-paribus-Gesetze zu rekonstruieren sind; (4) die Einsicht, dass sich auch das „Verstehen“ von Handlungen, Artefakten etc. anthropologische Regelmäßigkeiten zunutze macht, also so etwas wie schwache Gesetzlichkeiten über menschliches Handeln. Der Archäologe etwa, der ergrabene Mauerreste auf einem Hügel als Burganlage interpretiert, legt einer solchen Deutung anthropologische Regelmäßigkeiten über Bauten, bewaffnete Auseinandersetzungen, die dabei bestehenden Vorteile von Höhenlagen etc. zugrunde. Damit haben viele Akte des Verstehens auch eine gewisse prognostische Relevanz: Wer das Handeln eines anderen versteht, der kann oftmals auch (schwache) Prognosen über dessen vermutliches Handeln in manchen anderen Situationen treffen; (5) die Beobachtung, dass wir bei manchen Formen des Handelns eher zum Versuch neigen, es zu erklären, als es zu verstehen. Zu denken ist hier nicht nur an das Handeln Betrunkener und sonstwie beeinträchtigter Personen, sondern auch von Kindern, Personen in Not- und Grenzsituationen, aber auch das Verhalten von Personengruppen. Aber auch bei vielen schlichten Alltagshandlungen, besonders dort, wo es um die Stillung elementarer Lebensbedürfnisse geht, neigen wir eher zu einem erklärungs- als einem verstehensförmigen Zugang (auch wenn der Betreffende auf Nachfrage gewisse Gründe für sein Handeln angeben würde). Man könnte diese (und andere) Indizien, dass der Unterschied zwischen Erklären und Verstehen weniger trennscharf sein dürfte, als es oft dargestellt wird, auch als Hinweise darauf betrachten, dass das Spektrum an rationalen Zugängen zur Wirklichkeit breiter ist als häufig angenommen. Naturwissenschaftliches Erklären und einfühlendes Verstehen könnte man als so etwas wie besonders klar konturierte Spezialfälle an den Enden des Spektrums verstehen, und auch Mucks Konzeption der
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integrativen Erklärung könnte ihren Platz in diesem Spektrum einnehmen. Im nächsten Abschnitt sollen daher die Charakterisierungen zusammengestellt werden, die Muck für integrative Erklärungen gibt. 6. Muck über integrative Erklärung (1) Naturwissenschaftliche Erklärungen – zumindest jene, die der Struktur des DN- oder IS-Schemas folgen – bieten hinreichende Bedingungen für das Explanandum an: Sie zählen Prämissen (näher gesagt: ein hypothetisch angenommenes Naturgesetz und Ausgangsbedingungen) auf, aus denen das Eintreten des Explanandums zwingend oder mit Wahrscheinlichkeit ableitbar ist. Allerdings ist seit den antiken Astronomen bekannt, dass solche Erklärungen grundsätzlich austauschbar sind: es mag auch noch andere hypothetisch anzunehmende Gesetze geben, die die Beobachtungen ebenso decken würden. Empirische Adäquatheit ist als solche also noch kein Beweis für die Richtigkeit einer Gesetzes-Annahme. Integrative Erklärungen, so betont Muck, geben dagegen notwendige Bedingungen für das „Explanandum“ an und sind daher auch nicht austauschbar: Sie zählen Faktoren und Zusammenhänge auf, ohne die das zu erklärende Phänomen nicht einordenbar wäre. (2) Ein wesentlicher Inhalt von integrativen Erklärungen ist u.a. die Angabe von Unterscheidungen, die z.B. zur Antinomienlösung hilfreich sind und so zur denkerischen Orientierung durch Integration unterschiedlicher Betrachtungsweisen dienen. Als ein berühmtes Beispiel mag auf Aristoteles’ Analyse der Veränderung als Antwort auf die Antinomie verwiesen werden, die man aus den Standpunkten Parmenides’ und Heraklits konstruieren kann. Freilich scheint die Erfahrung dafür zu sprechen, dass sich vieles dauernd verändert, sodass es – so der Heraklit zugeschriebene Standpunkt – in Wahrheit vielleicht keine dieselben bleibenden Objekte gibt. Andererseits hat auch der parmenidëische Standpunkt prima facie einiges für sich, demzufolge es in Wahrheit keine Veränderung geben kann: Denn wo sich etwas verändert, dort müsste entweder Bestehendes verschwinden oder aus nichts etwas entstehen. Und beides ist unplausibel. Allerdings widersprechen auch beide Konklusionen dem gesunden Menschenverstand: Denn wir glauben ebenso, dass es Veränderungen gibt, wie wir an bestehende, insgesamt doch dieselben bleibende Objekte glauben, und wir handeln im Durchschnitt auch recht erfolgreich gemäß diesen Überzeugungen. Aristoteles’ integrative Erklärung besteht vereinfacht gesagt in dem Vorschlag, die Träger von Veränderungen und die veränderlichen Eigenschaften selbst nicht in denselben ontologischen Topf zu werfen. Eine Eigenschaft kann neu auftreten und auch wieder wegfallen (sofern der betreffende Träger
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eben geeignet ist, diese Eigenschaft zu erwerben oder zu verlieren!), aber der Träger bleibt dabei er selber. Angesichts dieser integrativen Erklärung können einerseits die Einschätzungen des gesunden Menschenverstandes aufrecht erhalten werden, denen zufolge es sowohl Veränderungen gibt als auch bleibende Objekte, und andererseits wird die erläuterte Antinomie lösbar. (3) Integrative Erklärungen haben laut Muck keine prognostische Relevanz, sie eignen sich nicht zur Voraussage bestimmter künftiger Sachverhaltsentwicklungen und damit nicht zur praktischen Anwendung, etwa für technische Zwecke. Allenfalls kann man ihnen eine ganz schwache, mehr negative Prognosefunktion zuordnen: Wer sie übersieht oder nicht akzeptiert, der wird mit gewissen Widersprüchen in der Einordnung seiner Erfahrungen rechnen müssen (RuW 363). Damit könnte man integrativen Erklärungen auch eine ganz schwache „praktische“ Anwendbarkeit zuschreiben. Wenn etwa im Rahmen der „philosophischen Praxis“ oder der „philosophischen Beratung“ versucht wird, dem Klienten zu einer Bewältigung belastender Fragen durch bessere Integration unterschiedlicher Gesichtspunkte zu verhelfen, so wäre dies ein praktischer Erfolg. Ähnliches – sogar auf der Ebene technischer Anwendung – wäre von den neueren Versuchen (von Barry Smith u.a.10) zu sagen, die miteinander inkompatiblen „Ontologien“ verschiedener medizinischer Datenbank-Systeme in eine gemeinsame, widerspruchsfreie Ontologie überzuführen. (4) Integrative Erklärungen sind, ungeachtet ihres persönlichen Aspekts, keineswegs völlig beliebig. Es legt sich nahe, die vier Kriterien, die Frederick Ferré in Anlehnung an Alfred North Whitehead für die Rationalität metaphysischer Überzeugungen entwickelt hat11 und auf die Muck des öfteren Bezug nimmt (etwa in RuW 133, 360), auch auf integrative Erklärungen anzuwenden. (So weit ich sehe, wendet Muck sie vor allem auf Weltanschauungen an. Es dürfte nichts dagegen sprechen, sie auch auf integrative Erklärungen im Allgemeinen anzuwenden: Die Zusammenhänge zwischen Weltanschauung, Metaphysik und integrativer Erklärung sollten aus den bisherigen Überlegungen plausibel geworden sein.) Zwei nahe liegende interne Kriterien für die Qualität integrativer Erklärungen sind ihre Konsistenz (keine in sich widersprüchliche Erklärung ist plausibel) und ihre Kohärenz, ihr innerer Zusammenhang: 10 Siehe u.a. Barry Smith / Werner Ceusters, “Ontology as the Core Discipline of Biomedical Informatics: Legacies of the Past and Recommendations for the Future Direction of Research”, in: Gordana D. Crnkovic und Susan Stuart (Hgg.), Computing, Information, Cognition, Newcastle, 2007, 104-122 und andere Publikationen im Rahmen des Saarbrückener Institute of Formal Ontology and Medical Information Science (IFOMIS). 11 Frederick Ferré, Language, Logic and God, New York 1961, 162f.
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eine integrative Erklärung wird ihren Zweck nicht erfüllen, wenn sie in Wahrheit aus mehreren, miteinander unverbundenen Teil-Erklärungen für verschiedene Phänomenbereiche besteht. (Ein simples Beispiel wäre etwa jemand, der einerseits an einen Schöpfergott im christlichen Sinne glaubt, andererseits aber die negativen, irritierenden Seiten des Lebens mit der fortschreitenden Durchwirkung der Welt durch eine böse Macht in Verbindung bringt, ohne sich allerdings über das Verhältnis dieser Macht zu Gott nähere Gedanken gemacht zu haben. Nachfragen in diese Richtung bringen eine solche Erklärung dann in Engpässe.) Zwei externe Kriterien für integrative Erklärungen sind ihr Erfahrungsbezug und ihre zumindest grundsätzliche Offenheit für beliebige Erfahrungen. Der Erfahrungsbezug wird bei integrativen Erklärungen nicht – wie bei naturwissenschaftlichen Erklärungen – durch Prognose und empirische Bestätigung durch „wissenschaftliche“ (d.h. standardisierte, experimentell herbeigeführte) Erfahrungsepisoden hergestellt, sondern durch Einordnung beliebiger Erfahrungen (Muck spricht zuweilen von „totaler Erfahrung“). Ein Beispiel wäre die oben skizzierte Erklärung der Veränderung: Fraglos ist sie auf Erfahrung bezogen und bewährt sich in zahllosen Fällen an ihr, gestattet im Einzelfall aber keine sonderlich gehaltvollen Prognosen. Das Kriterium der Offenheit in Bezug auf beliebige Erfahrungen fordert – ähnlich einem Immunisierungsverbot –, dass eine integrative Erklärung nicht bestimmte Erfahrungsbereiche willkürlich aus ihrem Erklärungsbereich ausschließen darf: Integration glückt dort nicht, wo ein bestimmter Ausschnitt dessen, was uns im Leben begegnen kann, von vornherein ausgeblendet wird – denn die Frage, wie man sich gerade dazu stellen sollte, kann in manchen Situationen unabweisbar werden. (5) Man könnte vielleicht geneigt sein, das Thema damit für erledigt zu halten – integrative Erklärungen seien eben etwas völlig anderes als einzelwissenschaftliche, und damit sei die Suche nach Anschlusspunkten in der gegenwärtigen wissenschaftstheoretischen Debatte um Erklärungsbegriffe wohl müßig, da aussichtslos. Ich entnehme Mucks Werken allerdings auch eine Ermunterung, in dieser Richtung doch weiter zu denken. Integrative Erklärungen folgen zwar zweifellos nicht dem Hempel-Oppenheim-Schema, andererseits hat Muck aber auch mehrfach darauf hingewiesen, dass die Methodik der weltanschaulichen Integration keine völlig andere sei als jene der Einzelwissenschaften (RuW 105, 134). Eine tragfähige Weltanschauung und die Einzelwissenschaften könne man vielmehr als unterschiedliche Spielarten oder Ausformungen einer allgemeineren Struktur von Rationalität oder vernünftigem Problemlösen kennzeichnen (RuW 138ff., 228f., 241f.), Die eben besprochenen vier Kriterien könnte man als Kennzeichen dieser allgemeineren Struktur von Rationalität betrachten, die sich unterschiedlich ausformen kann (exem-
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plarisch hatten wir oben gesehen, dass „Erfahrungsbezug“ in unterschiedlichen Kontexten unterschiedliches bedeuten kann). Damit verschieben sich auch die Perspektiven der Betrachtung: „Erfahrung“ im Sinne der Naturwissenschaften kann nunmehr als ein Sonderfall unter mehreren eingeordnet werden, „wissenschaftliche Erklärung“ ebenfalls. Damit verlieren beide die fraglose Rolle eines paradigmatischen Beispiels, die ihnen oft stillschweigend zugedacht wird, und die Suche nach weiteren, damit verwandten vernünftigen Erklärungsformen wird zum durchaus plausiblen Unternehmen. Suchen wir also nach möglichen Anknüpfungspunkten in der neueren wissenschaftstheoretischen Debatte zum Erklärungsbegriff. 7. „Wissenschaftliche Erklärung“ – zwei neuere Explikationen Seit langem wird darauf hingewiesen, dass Erklärungen nach dem Hempel-Oppenheim-Schema (also DN- und IS-Erklärungen) auf zumindest zwei Engpässe stoßen. Erstens akzeptieren wir in der Praxis durchaus auch Erklärungen als „wissenschaftlich“, bei denen von einer Ableitbarkeit des Explanandums oder auch nur von einer Erwartbarkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht die Rede sein kann – also Erklärungsformen, die wesentlich schwächer sind als DN- oder IS-Erklärungen. Zweitens beruhen das DN- und das IS-Schema auf der Rückführung der Erklärungsbeziehung auf Korrelationsbeziehungen, womit das Problem der Ausklammerung irrelevanter Korrelationen als Erklärungen auftaucht. An einem bekannten Beispiel12 erläutert: Nehmen wir an, der etwas verschrobene Landwirt Huber nimmt regelmäßig Antibabypillen. Wer nun nach der Erklärung fragt, warum Huber niemals Kinder gebiert, dem könnte folgende, formal völlig korrekte DN- (oder vielleicht IS-) Erklärung gegeben werden: (1) Jede Person, die regelmäßig Antibabypillen einnimmt, gebiert (mit höchster Wahrscheinlichkeit) kein Kind. (2) Landwirt Huber nimmt regelmäßig Antibabypillen ein. Der Fragesteller mit durchschnittlichem Hintergrundwissen wird allerdings mit dieser Erklärung nicht zufrieden sein: Er wird vielmehr einwenden, dass damit wohl noch nicht „die richtige“, sondern eine irrelevante Erklärung angegeben worden sei. „Die richtige“ Erklärung müsse vielmehr damit zu tun haben, dass Huber ein Mann ist. Für diese uns so geläufige Unterscheidung von relevanten und irrelevanten, „richtigen“ und „nicht richtigen“ Erklärungen bieten DNund IS-Erklärungen keine Handhabe.
12 Aus: Karel Lambert / Gordon G. Brittan, Eine Einführung in die Wissenschaftsphilosophie, Berlin – New York 1991, 41.
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Beiden Einwänden kommt das kausal-statistische Modell der wissenschaftlichen Erklärung entgegen, wie es von Hans Reichenbach, Richard Jeffrey, Wesley Salmon, Michael Scriven u.a. vertreten wurde. Eine kausal-statistische Erklärung besteht – wie der Name schon andeutet – aus (1) der Angabe eines statistisch für das Auftreten des Explanandums relevanten Faktors und (2) aus der Angabe der kausalen Vorgänge zwischen dem Faktor und dem Explanandum. Fragen wir uns etwa, warum Herr Müller an Herzjagen leidet, so sind wir in praxi mit Erklärungen folgender Art zufrieden: Herr Müller hat Medikament X genommen. Es hat sich gezeigt, dass 1.5% der Personen, die X einnehmen, an vorher nicht aufgetretenem Herzjagen leiden (=statistisch relevanter Faktor). Dieses Herzjagen lässt sich hängt kausal wie folgt mit der Medikamentengabe zusammen: […] (Angabe der kausalen Vorgänge). Dieses kausal-statistische Modell deckt sehr viele Fälle ab und dürfte in der Praxis meiner Einschätzung nach mindestens ebenso weite Anwendung finden wie das DN- oder IS-Modell. Zu beachten ist, dass von einer Ableitbarkeit oder auch nur hochwahrscheinlichen Erwartbarkeit nicht mehr die Rede ist, es genügt eine wesentlich schwächere, statistisch fassbare Korrelation. Es handelt sich zwar gewissermaßen noch um eine Erklärung aus allgemeinen Gesetzen, aber die prognostische Relevanz dieser Erklärung ist bereits deutlich zurückgenommen: Alles, was man sagen kann, ist, dass die nächste Person, der man X verabreicht, mit einer Wahrscheinlichkeit von 0.015 mit Herzjagen zu rechnen hat. Bei aller Attraktivität stößt auch das kausal-statistische Modell an Grenzen. Zum einen scheint es dort nicht anwendbar, wo es zwar gesetzesähnliche Regelmäßigkeiten gibt, aber keine kausalen Zusammenhänge ausfindig gemacht werden können. Das dürfte in manchen Sparten der Naturwissenschaften der Fall sein (etwa Quantenphysik und Evolutionsbiologie), aber auch in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. „Erklärungen“ in diesen Bereichen müssen also anderen Mustern folgen. Zum anderen nötigt die Berufung auf das kausal-statistische Erklärungsmodell zu einem Offenbarungseid, was man im jeweiligen Wissenschaftsgebiet unter „Kausalität“ zu verstehen gedenkt. Bereits in den Naturwissenschaften, die man gemeinhin als das aussichtsreichste Anwendungsfeld für kausale Erklärungen ansieht, fällt die präzise Beantwortung dieser Frage – jenseits von Appellen an visuelle Metaphern und Einführungsbeispiele wie Billardkugeln – aber erstaunlich schwer. Angesichts des de facto herrschenden überraschend großen Pluralismus, was die Bereitschaft zur Akzeptanz von Erklärungen als „wissenschaftlich“ angeht, hat Bas van Fraassen 1980 ein noch liberaleres,
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„pragmatisches“ Modell der Erklärung vorgeschlagen.13 Erklärungen bestehen in diesem Modell aus drei Stücken: einem Erklärungsthema, einer Relevanzbedingung und einer Kontrastklasse. Das Erklärungsthema ist das zu erklärende Faktum (etwa: „die Sicherung ist durchgebrannt“, „unsere Flagge weht am Turm“). Die Relevanzbedingung gibt an, unter welcher Rücksicht das Erklärungsthema in Beziehung zu anderen Wissensinhalten gesetzt wird, etwa: wie kam es zum Erklärungsthema, warum war es notwendig, wie war genau Kausalverlauf dorthin, wozu dient das Erklärungsthema, und ähnliche mehr. Die Kontrastklasse kann mit Sätzen der Form „… und nicht vielmehr …“ beschrieben werden, sie enthält denkbare Alternativen zum Erklärungsthema: Warum färbt sich das Reagens grün (=Erklärungsthema) und bleibt nicht vielmehr farblos (=Kontrastklasse)? Warum weht unsere Flagge auf dem Turm (=Erklärungsthema) und nicht vielmehr jene der Verteidiger, oder gar keine (=Kontrastklasse)? Warum erhöht sich nach Verabreichung von X die Herzfrequenz (=Erklärungsthema) und bleibt nicht vielmehr gleich (=Kontrastklasse)? Zu beachten ist, dass es zu einem Erklärungsthema und einer Relevanzbedingung durchaus mehrere Kontrastklassen geben kann: Warum weht (und hängt nicht vielmehr schlaff herunter?) unsere (und nicht vielmehr die gegnerische?) Flagge (und nicht vielmehr nur ein improvisiertes Tuch?) vom Turm (und nicht vielmehr von der Hügelspitze gegenüber?)?14 Van Fraassen rückt von der bisher dominierenden Meinung ab, dass wissenschaftliche Erklärungen eine ganz spezifische Form haben müssten (auch bei der kausal-statistischen Erklärung war das ja noch so gewesen). Vielmehr kann jede aufschlussreiche Antwort auf Warum-Fragen als wissenschaftliche Erklärung akzeptiert werden, das Erklärungsthema muss durch die Erklärung nur in irgendeiner aufschlussreichen Form „besser gestellt“ erscheinen.
13 Bas C. van Fraassen, The Scientific Image, Oxford u.a. 1980. Eine deutsche Übersetzung des hier relevanten 5.Kapitels findet sich in Erklären und Verstehen in der Wissenschaft, hg. von Gerhard Schurz, München 1988. 14 Dem alltäglichen Sprechen ist dieser Gedanke keineswegs fremd. Manche Witze beruhen auf dem mutwilligen Missverstehen bzw. Wechseln der Relevanzklasse: „Wieso liegen Deine Spielsachen schon wieder auf dem Boden? – „Weil sie von der Schwerkraft dort gehalten werden, Mama.“ Die Relevanzklasse in der Frage wäre etwa „und nicht vielmehr in der Kiste, wo sie hingehören?“ gewesen, die in der Antwort „und fliegen nicht vielmehr frei im Raum herum.“ Mit Paul Grice könnte man vielleicht sagen, dass die Auswahl der jeweils richtigen Relevanzklasse eine Konversationsimplikatur ist, die in ungestörten, normalen Gesprächskontexten stillschweigend funktioniert, aber in Ausnahmefällen Anlass für Missverständnisse gibt.
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Das pragmatische Erklärungsmodell bringt in mehreren Punkten eine Abkehr von bisherigen Rahmenvorstellungen über wissenschaftliches Erklären mit sich, von denen einige im Folgenden skizziert werden. (1) Das Modell hat einen sehr weiten potenziellen Anwendungsbereich – wie das obige Flaggenbeispiel zeigt, schließt es auch so etwas wie historische Erklärungen nicht aus: Warum etwa ist Hannibal über die Alpen gezogen (Erklärungsthema) und hat nicht vielmehr eine andere Route gewählt (Kontrastklasse), wie ist es dazu gekommen und was bezweckte er damit (Relevanzbedingung)? (2) Das pragmatische Modell rückt noch weiter, als es bereits das kausal-statistische Modell getan hatte, von der Erklärung durch allgemeine Gesetze ab, und es gibt auch den Anspruch, dass Erklärungen prognostische Relevanz haben, vom Grundsatz her völlig auf. Aus einer guten Erklärung etwa, warum Hannibal über die Alpen gezogen ist, folgt für andere Fälle vermutlich nichts. Allenfalls mag man einräumen, dass sich etwa historische Erklärungen schwache anthropologische Konstanten (wie gewisse Gleichförmigkeiten im Verhalten und in den Präferenzen der Menschen) zunutze machen. Schon (vom ohnehin sehr schwachen) Gesetzesbegriff in der kausal-statistischen Erklärung ist dies aber noch weit entfernt. (3) Ein in unserem Kontext interessantes Merkmal des pragmatischen Modells ist, dass es selbst integratives Potenzial hat, da es andere Erklärungsformen als Spezialfälle seiner selbst einordnen lässt. Je nach den jeweils gewählten, unterschiedlichen Relevanzbedingungen nähert man sich nämlich den verschiedenen Erklärungsformen an: Wie kam es faktisch dazu? (Historische Erklärung); Warum musste es so kommen (DN-Erklärung) bzw. warum musste es mit hoher Wahrscheinlichkeit so kommen (IS-Erklärung)?; Welche Faktoren haben in welcher Weise mitgespielt? (Kausal-statistische Erklärung). (4) Das Modell als solches kann in verschiedensten Gebieten und auf verschiedenste Objektbereiche angewandt werden, auch z.B. auf der Ebene lebensweltlicher Objekte, wie es in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften und den historischen Wissenschaften der Fall ist. Es impliziert somit keinen Reduktionismus in Bezug darauf, was als zulässiges Objekt wissenschaftlichen Erklärens und Theoretisierens in Frage kommt. (4) Das Modell ist „pragmatisch“, insofern die jeweiligen Ersteller bzw. Benutzer einer Erklärung in einem jeweiligen Kontext die Kontrastklasse und die explanatorische Relevanzbedingung festlegen. Freilich wird dadurch die Erklärung noch nicht rein persönlich, geschmacksabhängig oder subjektiv. Vorgeschlagene pragmatische Erklärungen sind genauso diskutabel und offen für Kritik wie andere Formen der Erklä-
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rung, und sie können im Ergebnis auch als plausibel oder unplausibel beurteilt werden wie andere Erklärungen. (5) Ein attraktiver Punkt des pragmatischen Erklärungsmodells ist, dass es dem jeweiligen Hintergrundwissen, dem unvermeidlichen historischen Kontext des Wissenschaft-Treibens und den daraus resultierenden Erwartungen des Wissenschaftlers einen plausiblen Platz zuweist. Erklärungen mögen in verschiedenen Kontexten anders aussehen und sie mögen aufgrund von erweitertem Hintergrundwissen abzuändern sein, das impliziert aber nicht, dass sie deshalb nur subjektiv oder gar beliebig wären. Das Korrektiv gegen Subjektivität und Beliebigkeit ist, dass pragmatische Erklärungen kritisierbar sind wie andere Erklärungen auch. (6) Resultat der pragmatischen Erklärung ist das Klarwerden von Zusammenhängen. Das gilt natürlich auch für andere Formen der Erklärung, neu ist allerdings, dass pragmatische Erklärungen auch einzelne, bislang disparate Fakten, die nicht über eine dazwischen tretende allgemeine Theorie verknüpft sein müssen, in einen Zusammenhang zu bringen vermögen. Am deutlichsten wird dies wiederum bei historischen Erklärungen. Auch das pragmatische Erklärungsmodell ist offen für kritische Anfragen. Wer mit den bisherigen Erklärungsmodellen sympathisiert, dem mag das pragmatische Modell tendenziell zu liberal vorkommen und die Schleusen für fragwürdige Erklärungsformen zu weit zu öffnen scheinen. Dass pragmatische Erklärungen vom Anspruch her nicht subjektiv, sondern kritisierbar sein sollen, wurde bereits erwähnt. Wo liegt allerdings eine einigermaßen objektive Grenze dafür, was man noch als „aufschlussreiche Antwort“ akzeptieren kann? Dies führt zu einer weiteren Anfrage: Befinden wir über „gute“ und „schlechte“, „aufschlussreiche“ und „weniger aufschlussreiche“ Erklärungen nicht doch wieder nach anderen Maßstäben? Wenn etwa eine physikalische Erklärung zur Beurteilung steht, wird man ihre Plausibilität nicht doch wieder nach dem DN-, IS- oder kausal-statistischen Modell einschätzen? Stellt sich die oben geschilderte integrative Potenz des pragmatischen Erklärungsmodells vielleicht doch wieder als versteckte Abhängigkeit von anderen Modellen heraus? 8. Konvergierende Tendenzen? Auch wenn man die zuletzt gestellte Anfrage bejahen würde, könnte man immerhin noch festhalten, dass das pragmatische Erklärungsmodell so etwas wie eine allgemeine Struktur des Erklärens bereitstellt, in die die verschiedenen sonstigen Erklärungsformen als Werkzeuge für Spezialbereiche eingeordnet werden können. Und damit zeigt das pragmatische
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Modell auch, wie vielfältige Arten von Erklärungen – die aber doch einige grundlegende Ähnlichkeiten miteinander haben – in den Wissenschaften faktisch angewandt werden. Wenn sich nun auch zeigen ließe, dass es zwischen den weiter oben besprochenen integrativen Erklärungsmustern und dem pragmatischen Erklärungsmodell Ähnlichkeiten gibt, dann wäre dies ein weiterer Hinweis darauf, dass integrative Erklärungen weniger weit von der sonstigen wissenschaftlichen Erklärungspraxis entfernt sind, als es zunächst scheinen mag. Das wiederum könnte zum Abbau von Vorbehalten gegenüber integrativen Erklärungsmustern und metaphysischen Überlegungen beitragen und die These plausibel machen, dass integrative Erklärungen ein unverzichtbarer Teil unserer kognitiven Praxis sind. Im letzten Abschnitt soll daher möglichen konvergierenden Tendenzen zwischen integrativen Erklärungen und dem pragmatischen Erklärungsmodell noch ein wenig näher nachgegangen werden. (1) Es scheint mir nicht ausgeschlossen, dass das pragmatische Erklärungsmodell auch viele der Erklärungen als legitim zuließe, die von der aristotelischen Vier-Ursachen-Lehre her bekannt sind, und die man wohl als integrative Erklärungen einordnen würde. Erklärungen nach der VierUrsachen-Lehre könnte man sehr allgemein als Antworten auf verschiedene Richtungen von Warum-Fragen rekonstruieren, wie sie uns durchaus in der alltäglichen und auch wissenschaftlichen Praxis geläufig sind. Etwa wären auf die Frage „Warum ist das Haus in Minutenschnelle abgebrannt?“ u.a. folgende Antworten sinnvoll: „Weil es aus Holz gebaut war“ (diese Antwort kommt der Angabe einer aristotelischen Materialursache nahe); „weil es keine Brandschutzabschnitte, sondern viele offene Verbindungsgänge hatte“ (Formalursache); „weil im Erdgeschoss ein Benzinkanister zu brennen begann“ (Wirkursache); „weil der Eigentümer die Versicherungssumme kassieren und einen Neubau errichten wollte“ (hat Ähnlichkeiten mit einer Zielursache). Es sollte aus den weiter oben genannten Beispielen plausibel sein, dass diese Erklärungen durchaus auch mittels des pragmatischen Modells rekonstruierbar wären; dass das Explanandum durch diese Erklärungen jeweils „besser gestellt“ wird, ist offensichtlich. (2) Deutlicher als die übrigen Erklärungsmodelle ist das pragmatische Modell offen für verschiedenste Erfahrungsformen, nicht nur jene der experimentell replizierbaren Erfahrung. An den Beispielen wurde ersichtlich, dass z.B. auch einmalige, in dieser Form nicht mehr wiederholbare historische Erfahrungen grundsätzlich im Explanandum oder im Explanans einer pragmatischen Erklärung Platz haben können. Das ist ein wichtiger Punkt der Ähnlichkeit mit weltanschaulich-integrativen Erklärungen.
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(3) Stärker als die anderen Erklärungsformen nimmt das pragmatische Modell Bezug auf einen weiteren Kreis bisheriger Erfahrungen, nämlich in Gestalt der Kontrastklassen. Durch diese Berücksichtigung dessen, was man eventuell auch noch hätte erwarten können bzw. was ein anderer denkbarer Verlauf der Geschehnisse gewesen wäre, ergibt sich eine inhaltsreichere Verknüpfung des Explanandums mit dem Gesamtbereich unserer Erfahrung. Damit trägt das pragmatische Erklärungsmodell einen deutlich integrativen Zug. (4) Sowohl in integrativen Erklärungen als auch im pragmatischen Modell wird die Zahl unzusammenhängender Fakten in unserem Weltbezug reduziert. (Dass das pragmatische Modell dabei offener für kontingente, unwiederholbare Fakten ist als andere Erklärungsmodelle, wurde bereits erwähnt.) (5) Ob von einer „Besserstellung“ der Fakten im Explanandum (wie sie eine pragmatische Erklärung leistet) nicht auch in manchen integrativen, weltanschaulichen Erklärungen die Rede sein kann, scheint mir zumindest weiterer Überlegung wert zu sein. Dass Besserstellung dabei nichts mit Ableitbarkeit oder auch nur probabilistischer Erwartbarkeit zu tun haben muss, wurde bereits oben erläutert. Betrachtet man etwa den christlichen Schöpfungsglauben und die darin zentrale Aussage „Gott hat die Welt frei und aus Liebe erschaffen“ als integrative Erklärung (und als Antwort auf eine Warum-Frage), so kann man darin durchaus eine Besserstellung des Faktums der Existenz der Welt ersehen. (6) In umgekehrter Richtung scheint es mir überlegenswert, ob die vier Kriterien, die oben in Abschnitt 6 für weltanschauliche Überzeugungen als integrative Erklärungen vorgeschlagen wurden, nicht auch zu denen zählen, nach denen wir in der Praxis „gute“ und „schlechte“ pragmatische Erklärungen unterscheiden. Dass pragmatische Erklärungen in sich (und wohl auch mit unserem gut etablierten Überzeugungsbestand) konsistent sein müssen und dass sie – zumindest auf Nachfrage hin – nicht in der Form von beliebig und ad hoc gewählten, miteinander völlig inkohärenten lokalen Mustern stehen bleiben können, dürfte klar sein. Ebenso müssen pragmatische Erklärungen auch erfahrungsbezogen sein (dass sie für verschiedene Erfahrungsformen offen sind, wurde bereits erwähnt), und sie dürfen für das Erklärungsthema relevante Erfahrungen nicht von vornherein ausklammern. Umgekehrt ergibt sich daraus, dass eine deutliche Minder- oder Nichterfüllung dieser Kriterien zur begründeten Zurückweisung von pragmatischen Erklärungen führen wird: Inkonsistente, mit bisherigen Erklärungsweisen und unseren sonstigen Überzeugungen inkohärente, erfahrungsjenseitige und einseitigimmunisierungsverdächtige Erklärungen haben auch unter dem an sich weiten Hut der pragmatischen Erklärung keinen Platz.
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Zusammenfassend scheint mir die in der jüngeren wissenschaftstheoretischen Debatte zu beobachtende Öffnung des Erklärungsbegriffs durchaus eine Annäherung an metaphysische Überlegungen zuzulassen. Der Graben zwischen Metaphysik und den sonstigen Wissenschaften, dessen Bestehen nach wie vor verschiedentlich behauptet wird, könnte sich als wesentlich weniger breit herausstellen als vermutet. Umgekehrt sehe ich in diesen konvergierenden Tendenzen eine Bekräftigung der Relevanz jener Überlegungen zur Eigenart und zur zeitgenössischen rationalen Rekonstruktion metaphysischen Denkens, um die sich Otto Muck seit vielen Jahrzehnten so verdient gemacht hat wie wohl kaum ein anderer.
Naturwissenschaft und Weltanschauung bei Otto Muck HANS-DIETER MUTSCHLER
Die Geschichte der Wissenschaftstheorie seit dem Wiener Kreis ist wohlbekannt. Jeder kennt die Diskussionen um Basis- oder Protokollsätze, Dispositionsprädikate, die Differenz zwischen Beobachtungs- und theoretischen Termen, analytischen und synthetischen Urteilen usw., die pragmatische, schließlich historische Wende oder den davon unabhängigen Ansatz der „Erlanger Schule“. All die Diskussionen, was wir denn nun unter einer „wissenschaftlichen Erklärung“ verstehen sollten oder welche technisch-praktischen Kompetenzen wir investieren müssen, damit überhaupt ein Experiment zustande kommt, sind in sich interessant, aber dabei geht vielleicht eine Fragestellung verloren, die weltanschaulich gesehen von großem Interesse ist, die Frage nämlich: „Wie verändern die Ergebnisse der Wissenschaft unser Selbst- und Weltverständnis?“ Diese Frage ist hier nicht so gemeint, wie sie oft verstanden wird, dass z.B. die Relativitätstheorie unseren Begriff von „Raum“ und „Zeit“ oder die Quantentheorie unseren Begriff von „Kausalität“ verändert habe. Dies ist natürlich der Fall und wurde auch oft diskutiert. Gemeint ist hier vielmehr die Frage, wie die Neuentdeckungen der Naturwissenschaft auf unser Selbstverständnis rückwirken und wie wir dadurch unsere „Stellung im Kosmos“ jeweils neu festlegen. Man mag sich die Differenz am Beispiel des Entropiesatzes verdeutlichen: Als dieser im 19. Jahrhundert entdeckt wurde, ging es zunächst nur darum, den Wirkungsgrad von Wärmekraftmaschinen zu berechnen. Die Entropie „S“ war ursprünglich eine reine Rechengröße. Man entdeckte aber bald, dass hinter dieser bloß formal eingeführten Größe „S“ ein fundamentaler Naturzusammenhang steckte. Insbesondere in der wahrscheinlichkeitstheoretischen Interpretation von Ludwig Boltzmann wurde deutlich, dass Natur eine Tendenz zum wahrscheinlicheren Zustand hat und das ist in der Regel der weniger geordnete. Da menschliches Leben immer in der Spannung zwischen Ordnung und Chaos oszilliert, bezog man den Entropiesatz analogisch auf die Ordnung zurück, die wir als Menschen aufrechtzuerhalten bemüht sind. In diesem Licht erschien der Entropiesatz als eine Bedrohung. Alles schien unaufhaltsam auf einen universellen „Wärmetod“ hinauszulaufen und dies konnte in der Tat niemanden „kalt“ lassen. Friedrich Engels witterte im II. Hauptsatz gar „den Klassengeruch einer untergehenden
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Gesellschaft“ (also des Bürgertums). Ernst Bloch hat sich noch im späten 20. Jahrhundert zu dieser Deutung bekannt.1 Auch wenn man so weit nicht gehen will, wird man doch verstehen, dass eine Entdeckung, wie die des Entropiesatzes, weit über ihre innerwissenschaftliche Bedeutung hinaus auch ganz allgemeinem, eben auch von weltanschaulichem, Interesse sein wird. Tatsächlich reagieren wir immer als ganze Menschen auf das, was wir erkennen und so wäre es sinnvoll, die Frage zu untersuchen, wie sich naturwissenschaftliche Erkenntnisse in das Selbstverständnis des Menschen integrieren und wie sie unser Weltbild verändern? Solche Probleme werden kaum je systematisch behandelt. In der Tradition der Analytischen Wissenschaftstheorie von Carnap bis Quine nicht, weil diese Autoren der Meinung waren, objektivierende Wissenschaft beinhalte von sich aus schon alles, was menschliche Ratio ausmache. In dieser Sichtweise konnte es mangels Subjekt keine Reflexion auf die Verschränkung von subjektiven Befindlichkeiten und objektiven Resultaten geben. Das Umgekehrte war der Fall bei den Wissenschaftstheoretikern der „Erlanger Schule“, also bei Autoren wie Mittelstraß, Kambartel oder Janich. Diese vertraten ein instrumentalistisches, antiontologisches Wissenschaftsverständnis, so dass die entsprechende Fragestellung auch hier ausfiel, diesmal mangels Objekt. Nicht nur in der Wissenschaftstheorie, in der Philosophie ganz allgemein werden solche Fragestellungen gewöhnlich vernachlässigt. So behauptet z.B. Michael Esfeld in seiner Naturphilosophie, dass die in der Quantentheorie implizierte Ereignisontologie hinreichend sei zum Verständnis all dessen, was es gibt. Gemäß dieser Ontologie existieren keine mit sich selbst identisch bleibenden, substanziellen Größen, alles ist jederzeit nur relational, funktional, besitzt also keine intrinsischen Eigenschaften. Alles, was existiert, superveniert lediglich auf den Gegebenheiten der Quantentheorie. In seinem Holismusbuch vertritt Esfeld aber plötzlich einen nichtreduktionistischen Begriff vom Menschen, der personale Identität, Vernünftigkeit, Moralität usw. einschließt. Nun gibt es plötzlich doch in allem Wechsel mit sich identisch bleibende Personen mit intrinsischen Eigenschaften. Man sieht nun nicht mehr, wie der so begriffenen Menschen in einer durch die Quantentheorie festgelegten Ereignisontologie vorkommen könnte. Man fühlt sich geradezu an den Kantischen Ansatz erinnert. Auch Kant hatte für die Erscheinungen eine streng physikalistische Ontologie vertreten, den Menschen aber als „Ding an sich“ aus dieser Ontologie herausgenommen, um ihn im Rahmen seiner Ethik mit Kategorien zu beschreiben, die mit den Kategorien der theo1
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retischen Vernunft keinen Berührungspunkt hatten. In solchen Konzeptionen verschwindet die hier zu behandelnde Frage, denn sie sind so angelegt, dass es zwischen „Freiheit“ und „Natur“, Sinnverstehen und Gesetzeserkenntnis keine Interferenzen geben kann. Der Mensch ist relativ zum Naturzusammenhang der „‚ganz Andere“, er fällt gleichsam vom Mond. Nun gibt es allerdings eine verbreitete Literaturgattung, in der der Transfer zwischen Natur und Freiheit oder Wissenschaft und Lebenswelt permanent abgewickelt wird: Die Populärwissenschaft. Sie hat einen begründet schlechten Ruf, denn in ihr vermitteln sich diese Gegensätze naturwüchsig und nicht nach Prinzipien, weshalb diese Art von Literatur von den Philosophen meist nicht beachtet oder sogar verachtet wird. Peter Janich spricht abschätzig von den „Hobby- oder Altersphilosophien von Naturwissenschaftlern“.2 Beispiele für ein solches hobbymäßiges Philosophieren gibt es insbesondere in der Chaos- und Selbstorganisationstheorie. Dass sich die Materie selbst organisieren kann, dass sie ständig in Gefahr ist, ins Chaos abzustürzen, regt die weltanschauliche Phantasie der Gegenwart ebenso an, wie es der Entropiesatz im 19. Jahrhundert getan hatte. Der Physiker Paul Davies sagt in seinem Buch über Chaostheorie: „Jetzt gibt es das neue Paradigma des schöpferischen Universums, nach dem die physikalischen Vorgänge etwas Progressives, Innovatives haben.“ Es werde immer deutlicher, dass es eine „schöpferische Potenz des Universums“ gibt, welche eine wertschaffende Richtung habe: „Dieses Vorwärtsschreiten in eine Richtung könnten wir als den optimistischen Pfeil bezeichnen, im Gegensatz zum pessimistischen Pfeil des zweiten Hauptsatzes [...] Dennoch ist das fortschrittliche Wesen des Universums eine objektive Tatsache.“3 Man sieht mit bloßem Auge, dass es hier gerade nicht um „objektive Tatsachen“, sondern um weltanschauliche Interpretationen geht, denn was „Optimismus“ oder „Pessimismus“ sind, wissen wir nicht aus der Physik, sondern aus unserer Selbsterfahrung, die wir analogisch auf die Natur übertragen. Der Entropiesatz scheint uns in dieser Perspektive einen „pessimistischen“ Trend in der Natur zu bezeichnen, die Selbstorganisationsdynamik einen „optimistischen“. Bei Davies dienen solche Extrapolationen der Rechtfertigung eines weltanschaulichen Materialismus.4 Dagegen ‚leitet“ der Göttinger Chemiker Friedrich Cramer aus derselben Theorie eine spiritualistische Weltanschauung ab: Es sei die Janich (1992), S.203 Davies (1988), S.8, 15, 35 4 Wovon sich der Autor allerdings inzwischen distanziert hat. Vgl. Davies (1995) 2 3
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„Selbstorganisation eine Grundeigenschaft der Materie“, was darauf hinauslaufe, dass „jede Materie a priori ideenträchtig sei.“ Die Selbstorganisationsdynamik sei „das eigentliche metaphysische Element in einer naturwissenschaftlichen Evolutionstheorie.“5 Das kann natürlich nicht beides wahr sein. Es zeigt nur, dass wir einen großen Spielraum haben, wenn wir streng wissenschaftlich gewonnene Ergebnisse post festum auf unsere eigene Befindlichkeit hin beziehen. Dass wir dies kaum vermeiden können, möchte ich noch an einem weiteren Beispiel aus dem Bereich der Kosmologie zeigen: Die Geschichte dieser Wissenschaft ist zugleich die Geschichte einer wachsenden ‚Desanthropomorphisierung“: Je weiter sich der Kosmos vor unserem Auge ausdehnt, desto unbedeutender scheinen wir zu werden. Der Molekularbiologe Jaques Monod hat diesen Effekt in einem sprechenden Bild zum Ausdruck gebracht. Er sagt über die objektive, also wissenschaftliche Erkenntnis: Sie „zerstört alle mythischen Ontogenien, auf denen für die animistische Tradition – von den australischen Ureinwohnern bis zu den materialistischen Dialektikern – die Werte, die Moral, die Pflichten, Rechte und Verbote beruhen sollten. Wenn er diese Botschaft in ihrer vollen Bedeutung aufnimmt, dann muß der Mensch endlich aus seinem tausendjährigen Traum erwachen und seine totale Verlassenheit, seine radikale Fremdheit erkennen. Er weiß nun, daß er seinen Platz wie ein Zigeuner am Rande des Universums hat, das für seine Musik taub ist und gleichgültig gegen seine Hoffnungen, Leiden oder Verbrechen.“6 In Monods eigener Einschätzung ist diese Metaphorik ein zwingendes Ergebnis der Wissenschaft. In Wahrheit ist es jedoch eine existenzielle Reaktion auf ihre Ergebnisse. Wie kann man das Universum „taub“ nennen, wenn es nicht die Möglichkeit hat, zu hören? Und wie kann man sich an seinem „Rande“ fühlen, wo das Universum doch offenbar kein Zentrum und damit auch keinen Rand besitzt? Der Wissenschaftstheoretiker Bernulf Kanitscheider bezieht sich kritisch auf diese Monodsche Metapher. Der letzte Satz seines Buches über physikalische Kosmologie, gleichsam das weltanschauliche Fazit, lautet: „Auch wenn wir tatsächlich kosmische Zigeuner sind, die an einem undefinierbaren Ort inmitten eines unendlichen Universums leben, so können wir unsere kurze Lebensspanne sinnvoll dadurch nützen, daß wir ein wenig von unserer großräumigen Einbettung zu verstehen suchen, unserem Universum, das uns hervorgebracht hat, unserer Heimat.“7 Cramer (1993), S.229/230 Monod (1979), S.151 7 Kanitscheider (1991), S.l68 5 6
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Also auch wieder eine völlig andere Deutung desselben wissenschaftlichen Tatbestandes. Wie soll man mit diesem Problem umgehen? Es ist offenbar einfach nicht wahr, dass sich Naturwissenschaftler immer ‚objektiv“ verhalten. An irgendeiner Stelle bricht bei ihnen regelmäßig die interpretierende Subjektivität hindurch, ohne dass es den entsprechenden Autoren bewusst zu sein scheint, denn sie geben fast immer vor, strenge Wissenschaft zu betreiben, wo sie sich längst in der Hermeneutik oder in der Metaphysik verloren haben. Dieses vernachlässigte Problem einer inhaltlichen, auf Subjektivität bezogenen, Interpretation wissenschaftlicher Ergebnisse hat nun als einer der wenigen Otto Muck behandelt. In dem von Winfried Löffler herausgegebenen Band sagt Muck im „Autobiographisches Nachwort“: „Zurückblickend meine ich sagen zu können, daß für mich immer das Interesse an beidem leitend war und es nach wie vor ist: dem weltanschaulichen und dem rationalen Anliegen der Philosophie.“8 Weil sich Muck immer in diesem Spannungsfeld bewegte, hat er das ansonsten von der Philosophie vernachlässigte Verhältnis zwischen Wissenschaft und Lebenswelt explizit behandelt. Dies wird besonders deutlich in seinem Artikel: „Methodologie und Metaphysik.“9 Muck führt dort die Differenz zwischen „formalen“ und „materialen“ Deutungen physikalischer Theorien ein. „Formale“ Deutungen beziehen sich danach auf Voraussetzungen, Aussagen und Formeln einer physikalischen Theorie. Innerhalb eines solch formalen Deutungsmusters definiert sich für gewöhnlich die Wissenschaftstheorie. „Materiale“ Deutungen hingegen beziehen eine Theorie auf die “anschaulichen Vorstellungen über die Wirklichkeit, die den beobachtbaren Zusammenhängen zugrunde liegt ... Eine Theorie, die man in diesem Sinne inhaltlich deutet, sagt mehr aus als die formale Theorie. Sie sagt aber auch mehr, als die empirische Methode der Naturwissenschaft begründet.“ Muck spricht von der unaufhebbaren „Zweideutigkeit solcher materialer Theorien“. Er warnt weiter vor der Neigung der Naturwissenschaftler, leichthin von formalen zu materialen Deutungen überzugehen und dann immer noch zu behaupten, sie betrieben strenge Wissenschaft. Das ist nun genau das, was wir auch hier gefunden haben: Ein und derselbe wissenschaftliche Tatbestand lässt sich völlig verschieden deuten, so dass sich eine solche Deutung nicht mehr auf diesen Tatbestand allein berufen kann. Muck verbindet nun diesen Gedanken mit dem Metaphysikproblem. In seiner Lesart ist Metaphysik eine Art logisch purgierte Weltanschauung. Er gibt zwei theoretische und zwei praktische Kriterien zur Beurteilung metaphysischer Systeme an: 8 9
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1. Widerspruchsfreiheit 2. Kohärenz der Prinzipien 3. Anwendbarkeit auf Erfahrung 4. Anwendbarkeit auf neue Erfahrung Gemäß diesen Kriterien kann man sinnvolle metaphysische Konzepte von weniger sinnvollen unterscheiden. Z.B. scheitert die Populärwissenschaft an Prinzip 1 und 2, der Fundamentalismus vermutlich an allen vier. Es ist sehr zu begrüßen, dass sich Muck die Mühe machte, in einem solchen unwegsamen Gelände zwischen Wissenschaft und Weltanschauung vernünftige Kriterien zu formulieren. Die meisten Wissenschaftstheoretiker betrachten die Populärwissenschaft mit Janich als eine Art weltanschaulicher Nebelwerferei, mit der man sich nicht näher zu befassen habe. Dabei übersehen sie, dass die Integration wissenschaftlicher Ergebnisse ins Selbstverständnis des Menschen und die Modifikationen, die dadurch in unserem Naturverständnis hervorgerufen werden, ein wichtiges Thema der Philosophie sein sollten. Verweigert sich die Philosophie diesem Thema, dann darf es nicht verwundern, dass die Populärwissenschaft das Rennen gewinnt und dass sie es ist, die heute an Stelle der Metaphysik das Selbst- und Weltverständnis der Menschen vermittelt. Tatsächlich sind die populärwissenschaftlichen Synthesen äußerst einflussreich, gerade auch im akademischen Bereich. Theologen, Soziologen, Juristen oder Psychologen beschäftigen sich viel mehr mit solcher Literatur als mit Wissenschaftstheorie, von der sie für ihre Fragestellungen auch nicht sehr viel gewinnen könnten. Im Gefolge der physikalischen Selbstorganisationstheorie hat sich, angereichert durch Maturana und Varelas Autopoiesislehre, ein „Diskurs des Radikalen Konstruktivismus“ (S.J. Schmidt) herausgebildet, der das ersetzen soll, was bisher die Philosophie war. Die Konstruktivisten halten die Philosophie für überholt und glauben, dass ihre abenteuerliche Mischung aus Physik und Metaphysik ein empirisches Nachfolgekonzept der herkömmlichen Philosophie sei. Solche, aus der Populärwissenschaft gewonnenen ‚Synthesen“ haben in weiten Teilen der Geisteswissenschaft die Philosophie ersetzt, deren diffizile Distinktionen die Konstruktivisten für Kleinlichkeitskrämerei halten. Hier ist etwas schief gelaufen. Indem die Philosophie Tendenz hat, den Bereich des Weltanschaulichen ganz zu räumen, wird dieser Bereich eben von anderen besetzt, die weniger intellektuelle Skrupel haben als sie. In dieser Situation ist es umso bemerkenswerter, dass ein Philosoph wie Muck genau in diese Lücke vorstößt. Allerdings wurden seine
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Grundsatzüberlegungen, die er doch immerhin schon in den fünfziger Jahre entwickelte, kaum rezipiert, noch nicht einmal im Bereich der Theologie. Während wir im angelsächsischen Bereich eine gründliche philosophische Auseinandersetzung zwischen Theologie und Naturwissenschaft haben10, stürzten sich viele deutsche Theologen auf die Populärwissenschaft, die sie beim Wort nehmen. Dies geschah zunächst in der Evangelischen, dann auch in der Katholischen Theologie.11 Hier gäbe es Einiges nachzuholen, besonders weil auch in der angelsächsischen Diskussion Methodenfragen vor inhaltlichen Fragestellungen bevorzugt werden. So enthält z.B. die ausgezeichnete Arbeit von Philip Clayton über „Rationalität und Religion – Erklärung in Naturwissenschaft und Theologie“ nichts zu dem Thema ‚materialer Interpretation physikalischer Theorien“. Wie könnte eine solche Interpretation aussehen? Der Physiker Erich Jantsch identifiziert in seinem Buch „Die Selbstorganisation des Universums“ die Begriffe „Selbsttranszendenz“, „Selbstüberschreitung“ und „Selbstorganisation“.12 Dieses Buch wurde in viele Sprachen übersetzt mit Auflagen, die in die hunderttausende gehen. Es hat nicht zuletzt auch den Radikalen Konstruktivismus beeinflusst. Interessant ist nun, dass Jantsch den Begriff der „Selbsttranszendenz“ gebraucht, der von Karl Rahner stammt, ohne dass dies Jantsch bewusst zu sein scheint. In Rahners Theologie bezeichnet dieser Begriff die metaphysische Potenz des Seienden, sich selbst zu überbieten. Mit diesem philosophischen Begriff versucht Rahner, Schöpfungs- und Evolutionstheorie im Sinn einer ‚creatio continua“ zu vermitteln. Der Unterschied zu Jantsch ist der, dass Rahner nicht vorgibt, empirische Wissenschaft zu treiben, wenn er einen solchen Begriff entwickelt. Rahner hat sich in seinen Schriften zur Naturwissenschaft fast nur auf die Biologie und nicht auf die Physik bezogen.13 Bis heute ist unklar, wie man ein nichtreduktionistisches Menschenbild mit der Evolutionstheorie verkoppeln soll. Franz von Kutschera, der beides hält, sagt: „Für uns beginnt
Ich denke an Autoren wie John Polkinghorne, Ian Barbour usw. Der Biologe und evangelische Theologe Günter Altner (1986) macht zunächst einmal die Extrapolationen aus der Selbstorganisationstheorie theologisch hoffähig. Das wurde dann von Autoren wie Sigurd Daecke (1993) im evangelischen und Alexandre Ganoczy (1995) im katholischen Bereich aufgegriffen. Bis in die neueste Zeit erscheinen solche Bücher (vgl. Hilpert/ Hasenhüttl (1999)). 12 Jantsch (1988), S.253 13 Vgl. die von mir herausgegebenen Schriften Rahners (2002) 10 11
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die Geschichte des Geistes daher auch unvermittelt – es ist, als sei er vom Himmel gefallen.“14 Bei Kutschera gibt es dementsprechend keine Vorformen des Geistes in der außermenschlichen Natur, sondern nur physikalische Gegenstände und Menschen. Das Lebendige konstitutiert keine eigene Seinsform. Akzeptiert man diesen Dualismus nicht, dann wird man um eine evolutionäre Metaphysik von der Art Rahners nicht herumkommen.15 Dann aber ist es sozusagen natürlich, diesen Gedanken auch in den physikalischen Bereich hinein zu verlängern und als Interpretament für die Selbstorganisationsphänomene heranzuziehen. Sie müssten dann nur als spekulative Abrundungen unseres Weltbildes gekennzeichnet werden und dürften nicht, wie bei Jantsch oder Cramer, als Ergebnisse der Wissenschaft selbst deklariert werden. Da solche spekulativen Abrundungen ambivalent sind, wie Muck zurecht sagt, wäre mit ihnen kein hoher Geltungsanspruch verbunden. Sie hätten einen ähnlichen Status wie die Charakterisierung des II. Hauptsatzes als „pessimistischen Pfeil“ durch Paul Davies. In solchen Semantisierungen wie dem „optimistischen“ und dem „pessimistischen Pfeil“ drücken sich archetypische Vorstellungen aus, wie „Liebe und Streit“ bei Empedokles, „Diastole“ und „Systole“ bei Goethe oder „tangentiale“ und „radiale Energie“ bei Teilhard. Sie vermitteln zwischen Selbst- und Weltverständnis im Sinn von Mucks „materialen Interpretationen“. Literatur Altner, Günter (Hg.): Die Welt als offenes System. Eine Kontroverse um das Werk von Ilya Prigogine, Frankfurt 1986. Barbour, Ian G.: Wissenschaft und Glaube. Historische und zeitgenössische Aspekte, Göttingen 2003. Bloch, Ernst: Das Materialismusproblem, seine Geschichte und Substanz, Frankfurt 11985. Clayton, Philip: Rationalität und Religion. Erklärung in Naturwissenschaft und Theologie, Paderborn 1992. Cramer, Friedrich: Chaos und Ordnung. Die komplexe Struktur des Lebendigen, Frankfurt 1993.
Kutschera (1998), 274f. Sie ist weniger exotisch, als es vielleicht zunächst scheinen mag. Auch Philosophen wie Peirce oder Whitehead haben den Menschen mit der Natur über eine solche evolutionäre Metaphysik vermittelt. 14 15
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Daecke, Sigurd M. (Hg.): Naturwissenschaft und Religion. Ein interdisziplinäres Gespräch, Mannheim 1993. Davies, Paul: Prinzip Chaos. Die neue Ordnung des Kosmos, München 1988. Davies, Paul: Der Plan Gottes. Die Rätsel unserer Existenz und die Wissenschaft, Frankfurt 1995. Esfeld, Michael: Einführung in die Naturphilosophie, Darmstadt 2002. Esfeld, Michael: Holismus. In der Philosophie des Geistes und in der Philosophie der Physik, Frankfurt 2002. Ganoczy, Alexandre: Chaos, Zufall, Schöpfungsglaube. Die Chaostheorie als Herausforderung an die Theologie, Mainz 1995. Hilpert, Konrad/ Hasenhüttl, Gotthold (Hg.): Schöpfung und Selbstorganisation. Beiträge zum Gespräch zwischen Schöpfungstheologie und Naturwissenschaften, Paderborn 1999. Janich, Peter: Grenzen der Naturwissenschaft, München 1992. Jantsch, Erich: Die Selbstorganisation des Universums, München 41988. Kanitscheider, Bernulf: Kosmologie. Geschichte und Systematik in philosophischer Perspektive, Stuttgart 21991. Kutschera, Franz von: Die Teile der Philosophie und das Ganze der Wirklichkeit, Berlin 1998. Maturana, Humberto/ Varela, Francisco J.: Der Baum der Erkenntnis. Die biologischen Wurzeln des menschlichen Erkennens, München 1992. Monod, Jaques: Zufall und Notwendigkeit, München 41979. Muck, Otto: Rationalität und Weltanschauung. Philosophische Untersuchungen (Hg. W. Löffler), Wien 1999. Polkinghorne, John: The Interaction of Science and Theology, Princeton NJ 1987. Rahner, Karl: Sämtliche Werke, Bd.15: Verantwortung der Theologie. Im Dialog mit Naturwissenschaften und Gesellschaftswissenschaft (Hg. H.-D.Mutschler), Freiburg 2002. Schmidt, Siegfried J.: Der Diskurs des Radikalen Konstruktivismus, Frankfurt 21988.
›Erbsünde‹ als formal-heuristischer Begriff NIKOLAUS WANDINGER
Das böse Wort von der Ancilla Ich freute mich sehr, als Theologe an diesem Symposion erlauchter Philosophen zu Ehren Otto Mucks teilnehmen zu dürfen. Ich denke, Pater Muck hat sein Nachdenken immer als christliche Philosophie in dem Sinne verstanden, dass eine solche Philosophie Fragen bedenkt, die für den christlichen Glauben und seine rationale Verantwortbarkeit von Bedeutung sind, die sich aber in methodischer Stringenz von anderer Philosophie nicht unterscheidet. Das berühmte Wort von der ancilla theologiae hören ja Philosophen nicht so gerne, weil doch die Gefahr besteht, dass Theologen es so deuten, als könnten sie der Magd vorschreiben, womit sich diese zu befassen habe oder gar auch noch, welche Ergebnisse sie zutage fördern solle. Auch eine andere Weise diesen Begriff zu verstehen, nämlich die Philosophie nur Vorbereitung für das Eigentliche, die Theologie nämlich, sein zu lassen, ist nicht so ganz reizvoll. Ich gehöre zu denen, die von der Philosophie, wie sie hier vor allem auch von unserem Jubilar gelehrt wurde, so angetan war, dass er zu seinem theologischen auch einen philosophischen Magister erwerben wollte. Danach aber bin ich der Philosophie doch untreu geworden und zur Dogmatik gegangen. Als Dogmatiker glaube ich nun allerdings, dass die Philosophie, insbesondere die Otto Mucks, auf noch ganz andere Weise ancilla meines Theologietreibens sein kann: nicht als Dienstmagd, nicht als Vorspiel, sondern als integraler Bestandteil der Theologie selbst, allerdings als Bestandteil eher der formal-methodischen, und nicht sosehr der inhaltlichen Seite. Ich hoffe aber doch, dass das Wort der ancilla, so wie ich es verstehe, seinen negativen Beigeschmack verliert. Wie der Theologe von dieser Magd profitieren kann, möchte ich im Folgenden an dem für die theologische Anthropologie wichtigen, aber gerade nicht unproblematischen Begriff der Erbsünde exemplarisch skizzieren.1
1 Das Folgende ist eine zusammenfassende Darstellung und weiterführende Anwendung von Wandinger (2003), 395-425 auf Erbsündenmodelle der neueren Theologie, unter besonderer Berücksichtigung der Bedeutung der Philosophie Otto Mucks für diese Gedanken. Dabei wurden auch einzelne Passagen exzerpiert.
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Peccatum originale originatum Was ist ›Erbsünde‹ ? Der Begriff Erbsünde wird in der Theologie in zwei Hauptbedeutungen verwendet: man kann damit die – hypothetisch oder auch historisch – angenommene erste Sünde bezeichnen: im biblischen Bild, die Sünde, die Adam begangen hat, die erste schwere Sünde der Menschheitsgeschichte, mit dem Fachwort peccatum originale originans. Man kann damit die – nach der kirchlichen Erbsündenlehre – gegebene Auswirkung dieser Sünde Adams auf die gesamte Menschheit bezeichnen, aller Menschen innerliches Betroffensein von der Sünde Adams, mit dem Fachwort peccatum originale originatum.2 Ich werde mich heute nur mit dem zweiten Aspekt der Erbsündenlehre befassen, damit, was es bedeutet, wenn die katholische Dogmatik lehrt, dass alle Menschen außer Jesus und seiner Mutter erbsündig seien. Dies bedeutet, ganz allgemein gesprochen: Durch diese Erbsünde wurde die menschliche Natur so beeinträchtigt, dass dem Menschen die Gnade der Erlösung nicht mehr zukommt – oder, wie K. Rahner besser spezifiziert hat – dass ihm die Erlösungsgnade nicht mehr durch die Herkünftigkeit aus dem Menschengeschlecht, sondern nur durch die Heilstat Christi zukommt und er als Folge davon unter den Auswirkungen der Konkupiszenz leidet (vgl. Rahner (21972), v.a. 270f). Nicht erst, aber besonders in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stieß diese Lehre auch bei Gläubigen auf Probleme und Widerspruch und Theologen hatten ihre liebe Not damit, diese Lehre zu verteidigen. Dabei zeigte sich, dass zur Verteidigung zuerst einmal eine Neuerschließung und -erläuterung gehörte. Wurde da der Menschheit eine Kollektivschuld zugeschrieben? Wie sollte die Erbsünde von den ersten Menschen auf alle weiteren Generationen übertragen werden und worin besteht sie? Und was bewirkt sie in unserem alltäglichen Leben? Einige dieser Frage seien hier schon vorneweg summarisch beantwortet: Zum einen wird deutlich, dass von der Zuteilung einer Kollektivschuld keine Rede sein kann, weil die Erbsündenlehre zunächst nicht als Mittel des moralischen Appells oder Urteils gedacht war, sondern als Interpretationsmuster, das half zu verstehen, warum Menschen oft nicht fähig sind, in Übereinstimmung mit ihren ethischen Überzeugungen zu handeln, und immer wieder scheitern trotz großer Anstrengungen. Dies 2 Jesus von Nazareth und seine Mutter waren nach katholischer Lehre zwar auch von dieser Sünde betroffen, insofern sie in einer von ihr gezeichneten Welt lebten, aber – anders als alle anderen Menschen – nicht in dem Sinn, dass sie selbst erbsündig waren, sie waren also nur äußerlich und nicht innerlich davon betroffen.
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war eine der Funktionen der Erbsündenlehre, die schon Augustinus im Streit mit Pelagius betonen wollte: Der Mensch braucht die göttliche Gnade, um die Unfähigkeit Gutes zu tun überwinden zu können. Der Fehler des Augustinus in dieser Debatte war es allerdings, anzunehmen, dass Gott mit dieser Gnade äußerst sparsam umgehe. Wenn man einmal akzeptiert, wie das vor allem K. Rahner immer wieder betont hat, dass Gott die Gnade großzügig gibt, dann wird deutlich, dass die Erbsündenlehre mit der Zuweisung kollektiver Schuld nichts zu tun hat. Vielmehr erklärt sie die genannte Unfähigkeit, indem sie unsere Natur als verwundet durch unsere Vorfahren darstellt (vgl. Rahner (1938); (21972); (1980); (1998/1); (1998/2)). Allerdings haben wir bisher weder erklärt, wie diese Sünde weitergegeben wird, noch was ihre Folgen im täglichen Leben sind. Bisher hat sich uns eine Einschränkung der menschlichen Freiheit gezeigt, wie man sie auch aus vielen modernen Weltanschauungen herauslesen könnte, etwa aus einem Naturalismus oder Freudianismus. Im Unterschied zu diesen nennt die Erbsündenlehre aber den davon betroffenen Menschen einen Sünder oder eine Sünderin und nicht etwa nur ein Opfer der Umstände. Die Erbsündenlehre versucht festzuhalten, dass trotz der Einschränkungen meiner Freiheit, welche die Erbsündenlehre mit dem Begriff der Konkupiszenz benennt, ich es bin, der sündigt – und nicht die Welt oder meine Eltern oder der erste Mensch etc. dafür die Schuld tragen, wenngleich sie einen Anteil daran haben mögen, dass ich so schwach bin und sündige. Die Erbsündenlehre postuliert also einerseits eine kausale Verbindung zwischen der ersten Sünde und meiner, sie leugnet aber, dass diese schon die hinreichende Ursache für meine Sünde sei. Darin folgt sie sehr getreu der Darstellung in Gen 3,12-19: Dort bestraft Gott alle am sog. Sündenfall Beteiligen in umgekehrter Reihenfolge, womit angedeutet wird, dass alle daran Anteil haben, keiner aber allein. Durch die Vermeidung einer Schuldzuweisung an einen einzelnen Beteiligten wird auch eine Schuldabschiebung nach dem Muster eines Sündenbockmechanismus“ vermieden (vgl. Girard (2002), 193-201; Palaver (2003), 199-202). Fassen wir kurz zusammen: Ein Einfluss, den die Sünde einer Person A auf die Natur einer anderen Person B in der Weise ausübt, dass Bs Fähigkeit, frei das Gute zu tun eingeschränkt wird, so dass sie zur Sünde neigt, nennen wir eine Auswirkung der Erbsünde. Diese Formel hatten vermutlich viele Theologen des vergangenen Jahrhunderts im Hinterkopf, als sie sich daran machten, zu erklären, wie denn dies vonstatten gehe. Ich möchte hier diese Erklärungsversuche nicht ausführlich darstellen, sondern nur knapp erwähnen, um dann ihre Problematik anzusprechen.
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Neuere Deutungsversuche und ihre Problematik Am bekanntesten ist wohl die Deutung der Erbsünde als strukturelle Sünde geworden, in der die Erbsünde als Verstrickung in Strukturen verstanden wird, die es dem Einzelnen nicht – oder nur unter heroischen Anstrengungen – erlauben richtig zu handeln. Andere Interpretationen haben psychologische Erklärungen bemüht, um klar zu machen, warum bestimmten Menschen manche Entscheidungsoptionen gar nicht zugänglich sind. Sicher momentan weniger im Kurs, aber zu anderen Zeiten ganz ansprechend, wäre eine Deutung der Unentschlossenheit und des Hin- und Hergerissenseins, das die katholische Tradition Konkupiszenz nennt, mit Freudianischen Kategorien der Ichschwäche und einer Übermacht des Es. Ebenso gab und gibt es biologische oder gar biologistische Ansätze, sei es, dass die menschliche Neigung zur Gewalt in den Genen verortet wird, sei es, dass mit evolutions- und fortpflanzungstheoretischen Argumenten begründet wird, warum der Mann sich schwerer tut, monogam zu leben als die Frau. Und schließlich sieht die mimetische Theorie René Girards und, von ihr inspiriert, auch der kürzlich verstorbene Raymund Schwager die Erbsünde in einer Fehlentwicklung der menschlichen Nachahmung, der Mimesis: in einer falschen, nämlich rivalisierenden, zwischenmenschlichen Nachahmung, die sich letztlich als rivalisierende Nachahmung Gottes verstehen lässt (vgl. Schwager (22004), 17-54). Meine Aufzählung von Erklärungen sollte keineswegs erschöpfend sein, sondern nur der Illustration der Bandbreite solcher Versuche dienen. Unabhängig davon, wie man zu einzelnen dieser Erklärungsversuche steht, haben sie zwei Probleme gemeinsam: erstens schließen sie einander aus, und zweitens bergen sie die Gefahr in sich, die kirchliche Erbsündenlehre nicht zu erläutern, sondern zu ersetzen. Zum ersten: Wenn die genannten Erklärungen für sich beanspruchen, erschöpfend darzustellen, was Erbsünde ist, so kann nur immer eine davon zutreffend sein. Erbsünde kann nicht zugleich eine genetische Veranlagung und eine Freudianische Ichschwäche sein, und ebenso für die anderen Modelle. Dennoch können die meisten der Modelle Argumente zu ihren Gunsten anführen, so dass am Ende die Verwirrung größer ist als die Erklärungskraft. Zum Zweiten ließe sich doch fragen: Wenn ich das, was man spätestens seit Augustinus Erbsünde nannte, heute mit wissenschaftlichen Kategorien viel besser erfassen kann – akzeptiert man nun die Sozialtheorie oder die Biologie als hierfür maßgebliche Wissenschaft – so kann ich doch auf den so belasteten und missverständlichen Begriff der Erbsünde und damit auf die kirchliche Erbsündenehre verzichten, so wie die Einstein’sche Relativitätstheorie es möglich machte, auf die Annahme eines
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Äthers zu verzichten, weil das, was durch den angenommenen Äther erklärt werden sollte, durch Einsteins Theorie eben viel besser erklärt wurde. Ich bin allerdings dezidiert nicht dieser Meinung, sondern glaube, dass die Rede von der Erbsünde ihren unverzichtbaren Platz in der christlichen Theologie hat. Gleichzeitig möchte ich aber keine der anderen Erklärungsversuche apriori als inadäquat ausscheiden. Beides scheint mir begründbar zu sein – und hier komme ich nun zur Rolle der Philosophie Otto Mucks –, wenn man Erbsünde als formal-heuristischen Begriff versteht. Formal-heuristische Begriffe in Philosophie und Theologie Funktion formal-heuristischer Begriffe Es bedeutet ja vielleicht, Eulen nach Athen zu tragen, die Funktion formaler und heuristischer Begriffe hier zu erläutern. Haben wir davon doch schon in W. Löfflers Analyse integrativer Erklärungen und H.-D. Mutschlers Vergleich von Naturwissenschaft und Weltanschauung gehört (vgl. in diesem Band **). Dennoch möchte ich das Wichtigste für meinen Kontext noch einmal knapp zusammenfassen: Was in der modernen Philosophie im Anschluss an Wittgenstein formale Begriffe genannt wird (vgl. Wittgenstein (1961), 4.126f), hat auch die aristotelisch-thomistische Tradition schon gekannt, wenn sie zwischen einer intentio recta und einer intentio reflexa unterschied. Erstere entspricht dem, was wir gewöhnlich referentielle Ausdrücke nennen, letztere dem formalen Begriff. Diese formalen Begriffe klassifizieren nicht Gegenstände, die unabhängig von der Sprache bestehen, sondern sie drücken die Art und Weise aus, wie sich Ausdrücke auf Gegenstände beziehen (vgl. Hamlyn (1984), 55). Sie unterscheiden nicht verschiedene Gegenstände, sie unterscheiden verschiedene Aspekte der Wirklichkeit voneinander. E. Runggaldier hat schon vor längerer Zeit darauf hingewiesen, dass die Begriffe Einheit und Identität bei Aristoteles als formale Begriffe fungieren. Dies gilt allerdings dann insgesamt für die scholastischen Transzendentalien: auch Wahrheit und Gutheit im Sinne der Transzendentalien sind formale Begriffe (vgl. Runggaldier (1989), v.a. 559). Alle transzendentalen Begriffe sind auch formale. Die Umkehrung gilt allerdings nicht. Es gibt formale Begriffe, die nicht transzendental sind. So kann etwa auch der Begriff der Materie als formaler Begriff verstanden werden, obwohl Materialität bekanntlich nicht zu den Transzendentalien zählt (vgl. Wandinger (1998). Formalen Begriffen ist aber auch gemeinsam, dass sie heuristische Funktion haben und deshalb auch heuristische Begriffe genannt werden können (vgl. Lonergan (1957), v. a.
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36f). Dies hat O. Muck des Öfteren ausgeführt und ich werde mich hier exemplarisch vor allem auf eine dieser Ausführungen beziehen. Muck betont, dass gerade die Metaphysik mit heuristischen Begriffen arbeitet. Mit deren Hilfe gibt sie nicht so sehr eine „gesuchte Erklärung, sondern zeigt an, wo sie zu finden ist und worin sie bestehen wird“ (Muck (1999/6), 348). „Heuristische Begriffe sind hilfreich, wenn wir uns bemühen, etwas zu entdecken. Sie zeigen an, wo man suchen soll und wie das beschaffen sein könnte, wonach wir suchen.“ (Ebd.) Muck ist nun überzeugt, „dass die Schlüsselbegriffe der Metaphysik und Ontologie auch eine solche heuristische Funktion haben. So können wir beispielsweise von der Natur oder dem Wesen von etwas sprechen, ohne die Natur oder das Wesen voll zu kennen.“ (Ebd.) Anwendung auf die Erbsündenlehre Hier nun ist zurückzukommen auf die Erbsündenlehre. In der ganz knappen Bezugnahme auf ihre klassische Deutung zeigte sich, dass der Begriff Erbsünde Teil einer bestimmten Fachsprache ist, in der er eng mit den Begriffen Gnade und Natur verbunden ist und zusammenhängt. So legt sich die Vermutung nahe, dass auch diese Begriffe als formal-heuristische Konzepte fungieren. Insbesondere K. Rahners Rekonstruktion des Erbsündenbegriffs kann als theologische Frucht der Philosophie formalheuristischer Begriffe, wie sie Otto Muck maßgeblich geprägt hat, verstanden werden. Im Zentrum dieser Rekonstruktion steht der Begriff der Natur. Ihn differenziert Rahner, indem er eine – nur hypothetisch existierende – reine Natur, von der real verwirklichten konkreten Natur des Menschen unterscheidet. Zur reinen Natur gehören all die Seinsgehalte, von denen gilt, dass, wenn davon etwas „fehlte, der Mensch aufhören würde, Mensch zu sein“ (Rahner (1954), 327). Faktisch gibt es aber für Rahner diesen Menschen reiner Natur nicht, weil Gott jeden Menschen immer im Modus des Angebots begnadet. Dadurch verändert Gott die menschliche Natur, so dass die konkrete Natur des Menschen immer auch ein übernatürliches Element enthält. Durch die Erbsünde wiederum wird dieses übernatürliche Existenzial – zwar nicht aufgehoben – aber doch beeinträchtigt (vgl. Rahner (21972), 267f). Bringen wir dies mit unserer eingangs gemachten, kurzen Zusammenfassung der Erbsündenlehre zusammen, so stellen wir fest, dass wir es tatsächlich mit dem heuristischen Begriff des Wesens oder der Natur zu tun haben, als dessen Unterbegriffe in diesem Fall Erbsünde und Gnade fungieren. Sie sind also auch solche formal-heuristischen Begriffe, die die Fragerichtung auf bestimmte Aspekte der Natur lenken. Es gilt nun,
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diesen Naturbegriff genauer zu analysieren, um die Funktion von Gnade und Erbsünde darin besser zu verstehen. Zweierlei ist dabei bemerkenswert: Zum einen müssen wir Rahners Begriff der konkreten Natur voraussetzen, zum anderen kann diese konkrete Natur auch als Natur eines konkreten Individuums verstanden werden. Ich habe dieses Element vorher schon eingeschmuggelt, als ich davon sprach, dass eine Person A eine Wirkung auf die Natur der Person B ausübt. Der hier gebrauchte Naturbegriff geht also in der Anwendung über die Artbestimmung hinaus und zielt auf das Individuum. Er bezeichnet einerseits das, was dem freien Gestaltungswillen (zunächst) entzogen und dem Individuum vorgegeben ist.3 Dies wurde als Spezifikum der Folge der Erbsünde herausgestellt und dies scheint mir auch der Grund zu sein, warum die Erbsündenlehre von der Verletzung der Natur spricht. Wäre sie in der Neuzeit erst entstanden, wäre wohl von einer Einschränkung der Freiheit gesprochen worden. Der zweite Aspekt des Naturbegriffs, ist jener, den J.-B. Lotz als ihr definiens hervorhebt: Natur ist das dynamische „Prinzip der Entwicklung … [eines] Seienden, als innerer Grund seines Wirkens und Erleidens“ (Lotz (1976)). Auch Lotz spricht von einem Seienden, nicht von einer Art oder Gattung. Diesen Naturbegriff können wir nun differenziert verstehen: einerseits gehört zur Natur alles, was notwendig ist, damit ein Seiendes der entsprechenden Art vorliegt (Wesensminimum – Rahners reine Natur); andererseits enthält sie die Entfaltungsmöglichkeiten und -tendenzen in sich, sowie auch die Ausrichtung auf ein letztes Ziel, auf das hin sich das Seiende entfaltet. Hier beansprucht die Gnadenlehre, dass durch die göttliche Gnade dieses letzte Ziel des Menschen Gott selbst sei. Auch die volle Entfaltung des Seienden gehört als Potenz zu seiner Natur. Man könnte also von einem Wesensmaximum oder Wesensideal sprechen. Zwischen Wesensmaximum und -minimum gibt es ein Kontinuum von möglichen Teilverwirklichungen. Der momentane Grad der Wesensentfaltung des Seienden (die zu einem bestimmten Zeitpunkt seiner Existenz eingenommene Position zwischen Minimum und Ideal) kann dann der Grad der Verwirklichung seines Wesens genannt werden. Solange das Wesensmaximum nicht erreicht ist, enthält die Natur des Seienden immer noch unverwirklichte Potenzen auf dieses zu, aber auch von diesem weg, so dass auch eine Entwicklung zu geringerer Wesensaktuierung noch möglich ist. In Entsprechung zu den verschiedenen Entwicklungsmöglichkeiten des Seienden können modale Adjektive 3 Die Einschränkung zunächst weist darauf hin, dass es sich hier nicht notwendigerweise um eine prinzipielle Unzugänglichkeit für die freie Gestaltung handelt, auf jeden Fall aber um eine zu einer bestimmten Zeit gegebene.
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gebildet werden, von denen aus die verschiedenen Verwendungen von „Natur“ und „natürlich“ sich verständlich machen lassen: Naturnotwendig sind Verwirklichungen eines Seienden, die zu seinem Wesensminimum gehören, d. h. solche, ohne deren Vorliegen es sich nicht um ein Seiendes dieser Art handeln würde, bzw., deren Verhinderung das Seiende zerstören würde. Naturmöglich sind Aspekte der Entwicklung des Seienden, die prinzipiell aktuiert werden können, also solche, die als Potenzen im Wesensminimum enthalten sind, aber für die Art des Seienden keine Bedeutung haben, also ihm logisch akzidentelle Verwirklichungen. Von diesem Naturmöglichen gibt es zwei Unterarten, die sich durch ihr Verhältnis zum Wesensziel unterscheiden: Naturgemäß sind solche möglichen Verwirklichungen eines Seienden, die seiner Entwicklung auf das Wesensziel hin entsprechen. Naturwidrig (oder widernatürlich) sind solche möglichen Verwirklichungen eines Seienden, die seiner Entwicklung auf das Wesensziel hin entgegengesetzt sind. Von diesen sind die unnatürlichen oder naturunmöglichen Verwirklichungsweisen zu unterscheiden, die von der Natur des Seienden ausgeschlossen werden, d. h. von einem Seienden dieser Art nicht verwirklicht werden können, entweder, weil sie naturnotwendige Aspekte des Seienden ausschließen würden oder weil sie auch im Wesensmaximum nicht enthalten sind. In der Umgangssprache, leider aber auch oft in der Sprache von Theologen und Philosophen, wird „natürlich“ oftmals in jeder beliebigen der Bedeutungen „naturnotwendig“, „naturmöglich“, „naturgemäß“ verwendet, „unnatürlich“ in den Bedeutungen „naturwidrig“, „naturunmöglich“. Dadurch kann es zu Verwirrungen und Missverständnissen kommen. Wir haben nun eine formale Begrifflichkeit entwickelt, die uns als heuristisches Instrumentarium bei der Untersuchung der Wirklichkeit hilfreich sein kann. Wir haben dadurch noch keine inhaltlichen Vorentscheidungen getroffen, ob und wie sich bestimmen lässt, welche Verwirklichungen nun für eine bestimmte Art von Seienden oder für ein bestimmtes Individuum „natürlich“ in einem der möglichen modalen Ausfaltungen sind. Ebenso wenig sind mit den hier gemachten formalen Begriffen bereits moralische Urteile verknüpft, wie der Begriff des „Widernatürlichen“ befürchten lassen könnte. So gelesen, würde mich die Erbsündenlehre nicht auffordern, die vermeintlich eine und selbe Ursache zu finden, die die Natur jedes Menschen beeinträchtigt. Wäre dies so, dann wären Natur und Erbsünde normale referentielle Begriffe. Vielmehr fordert die christliche Erbsündenlehre dazu auf, wenn wir die Natur eines Menschen, im genannten Sinn, suchen, bei dieser Suche auch nach zweierlei Ausschau zu halten: nach negativen Einflüssen anderer Menschen, welche die Freiheit zum
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Guten einschränken, und nach dem positiven Einfluss, der letztlich auf Gott zurückgeht und diese Freiheit wiederherstellt und neu ausrichtet. Natur, Gnade und Erbsünde fungieren so als einander zugerordnete formal-heuristische Begriffe. Für die vorher erwähnten Erklärungsversuche bedeutet dies, dass wir sie als Antwortversuche auf die Frage, die uns der Begriff der Erbsünde aufgibt, verstehen können. Das hat einige Konsequenzen. Zum einen bedeutet es, dass all die genannten Versuche als Modelle verstanden werden können, die je auf ihre eigene Weise zum Verständnis der Manifestation von Erbsünde im Alltag beitagen können. Wie gut sie das können, ist nicht mehr eine theologische Frage im strengen Sinn, sondern innerhalb der jeweiligen Disziplinen und ihrer Anwendung auf die Anthropologie zu klären. Diese Modelle sind, soweit sie wirklich eine Antwort auf die Frage geben, wie eine Neigung der menschlichen Natur zur Sünde zustande kommen und sich auswirken kann, Beiträge zum Verständnis der Folgen der Erbsünde. Man könnte auch sagen, sie sind verschiedene eingeschränkte Interpretationen dieses Begriffs aus dem Blickwinkel verschiedener Wissenschaften (vgl. Muck (1999/3), v. a. 110-115). So gelesen, schließen sie einander nicht mehr aus, sondern ergänzen sich. Aufgeben muss jede davon dabei nur den Anspruch, schon alle positiv relevanten Fragen berücksichtigt zu haben (vgl. Muck (1999/3), v. a. 119-131). Das bedeutet auch, dass keine von diesen Interpretationen, und auch nicht ihre Summe, den formal-heuristischen Begriff der Erbsünde und damit die kirchliche Erbsündenlehre ersetzen kann. Denn dieser hat die heuristische Funktion, auf die mögliche Ungeklärtheit anderer positiv relevanten Fragen hinzuweisen, und die integrative Funktion, die verschiedenen Modelle zu unterscheiden und einander zuzuordnen (vgl. Muck (1999/3), v. a. 131-143). Die Modelle aber situieren das, was mit Erbsünde gemeint ist, phänomenologisch im Leben der Menschen und zeigen so seine existenzielle Relevanz (vgl. Muck (1999/1); (1999/5)). Die Modelle sind aber mit mehr weltbildbedingten Vorstellungen aufgeladen als die formal-heuristischen Begriffe. Daher kann eine fälschlicherweise erfolgte Identifizierung des allgemeinen Begriffs mit einem seiner Modelle auch dazu führen, dass der formale Begriff selbst nicht mehr ernst genommen wird, weil seine weltbildbedingten Modelle inzwischen als ungenügend erkannt wurden (vgl. Muck (2004), 405f.). Gerade dies ist mit der kirchlichen Erbsündenlehre sicher geschehen: zeitbedingte Modelle von Vererbung der Sünde oder von einem leibfeindlichen Denken wurden so mit dieser Lehre identifiziert, dass mit der Ablehnung dieser Vorstellungen auch die Lehre selbst verworfen wurde. Dem kann
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nur mit einer doppelten Strategie begegnet werden: Zum einen muss der formal-heuristische Gehalt der Erbsündenlehre wieder deutlich gemacht werden; zum anderen müssen aber auch neue, zeitgemäßere, Modelle für sie entworfen werden, bei deren Benützung man aber darauf achten sollte, dass sie solche Modelle sind, die auch wieder abgelöst werden könnten. Es ergibt sich eine weitere wichtige Erkenntnis für die Theologie: Wenn Erbsünde ein formal-heuristischer Begriff ist und diese Begriffe nicht Klassen von Dingen benennen, sondern Aspekte der Wirklichkeit, dann ist das Pendant zum Begriff Erbsünde, persönliche Sünde, auch so zu verstehen. Erbsünde und persönliche Sünde sind also nicht zwei verschiedene Arten von Sünde, sie sind zwei verschiedene Aspekte des Sündigens. Anders gesagt: Im Normalfall gilt: Wenn Menschen sündigen, gibt es dabei eine unhintergehbare Eigenverantwortung, die nicht aufhebbar ist (der Aspekt der persönlichen Sünde); es gibt aber auch einen Aspekt der Fremdbestimmung, eine Einschränkung der Freiheit des sündigenden Menschen, die dieser nicht selbst zu verantworten hat (der Aspekt der Erbsünde). Natürlich sind theoretisch die beiden Extremfälle denkbar, also entweder der Fall einer echten Todsünde oder der Fall einer völligen Unzurechnungsfähigkeit. Doch diese sind eben nur theoretisch denkbare Randphänomene. Der Normalfall des Sündigens dürfte sich irgendwo in der Mitte zwischen diesen beiden Extremen finden, und der Anteil der jeweiligen Aspekte ist für Menschen in statu viatoris nicht durchschaubar, sondern bleibt dem Gericht Gottes vorbehalten (vgl. Rahner (1967), v. a. 102; Wandinger (2003), 124-128, 165-171). ›Erbsünde‹ als dispositionaler Begriff Abschließend möchte ich noch einen möglichen Einwand berücksichtigen: Die kirchliche Erbsündenlehre besagt erstens, dass jeder Mensch vom Beginn seiner Existenz an von der Erbsünde betroffen ist, und zweitens, dass diese Erbsünde durch Fortpflanzung und nicht durch Nachahmung übertragen werde (Denzinger/Hünermann (371991), Nr. 1513). Schließt dies nicht alle Modelle aus, die mit einem nachgeburtlichen Erwerb der Erbsünde rechnen, der irgendwie mit der Wirkung von Vorbildern zu tun hat, seien diese psychologisch, soziologisch oder pädagogisch? Wenn Erbsünde eine Veränderung der Natur, also des dynamischen Entwicklungsprinzips eines Menschen ist, dann ergibt sich daraus, dass es sich um eine Disposition handelt, der Begriff Erbsünde also ein dispositionaler Begriff ist. Dass die Erbsünde vom Moment der Existenz eines Menschen an besteht, bedeutet dann, dass die menschliche Natur Potenzen aufweist, die – bei entsprechender Aktuierung – den Menschen zur
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Sünde verführen. Von Beginn seiner Existenz an besteht diese Potenz oder Disposition, man könnte auch sagen, diese spezielle negative Beeinflussbarkeit. Die Beeinflussung selbst, kann aber durchaus später erfolgen, so wie ja auch die Sprachfertigkeit eine Potenz der menschlichen Natur ist und unsere Kinder trotzdem erst später sprechen lernen. In einer theologisch strengen Fachsprache sollte der Ausdruck Erbsünde daher als dispositionaler Ausdruck gebraucht werden. In vielen modernen Deutungen wird damit allerdings bereits die Aktuierung dieser Disposition, also genau genommen die Folge der Erbsünde, bezeichnet. Hier liegt eine gewisse begriffliche Unsauberkeit vor, die aber leicht zu klären ist, wodurch die Orthodoxie dieser Modelle aufgezeigt werden kann. Philosophie und Theologie Zum Abschluss noch ein Gedanke zum Verhältnis von Theologie und Philosophie: Das Vorangegangene stellt den Versuch dar, eine Art von Theologie zu treiben, die Philosophie als ihren integralen Bestandteil – und in diesem Sinn als ancilla – versteht. Ich bin überzeugt, dass es immer auch diese Art von Theologie und daher Philosophie in der Theologie braucht. Ich glaube aber nicht, dass dies die einzig mögliche, oder auch nur die einzig wünschenswerte Theologie ist. Wir benötigen auch die Theologie, welche Modelle entwirft, um Bezüge mit dem existenziellen Lebensgefühl der Menschen und mit dem heutigen – naturwissenschaftlich geprägten – Weltbild herzustellen, und die daher weniger philosophisch, sondern mehr am täglichen Leben oder an Einzelwissenschaften orientiert ist. Diese Theologie braucht Philosophie nicht als integralen Bestandteil, aber sie braucht sie als Anfrage und manchmal auch als Korrektiv. Eine Philosophie wie die Otto Mucks, die integrative Erklärungen sucht und die Funktion formal-heuristischer Begriffe erschließt, ist für beide Arten von Theologie unabdingbar. Auch diesen beiden sagt sie nämlich, dass sie nicht in Konkurrenz und Rivalität zueinander fruchtbar sein können, sondern nur in der gegenseitigen, integrativen Zuordnung und Verbindung. Literatur Denzinger, H. / Hünermann, P., Hgg. (371991), Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen. Verbessert, erweitert, ins Deutsche übertragen und unter Mitarbeit von Helmut Hoping herausgegeben von Peter Hünermann. Freiburg u. a.: Herder.
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N IKOLAUS WANDINGER
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Otto Muck: Bibliographie 1950 – 2009 Die folgende Bibliographie umfasst Monographien, Herausgeberschaften, Aufsätze sowie Lexikon- und Handbuchartikel. Nicht erfasst sind Mucks zahlreiche Rezensionen in der Zeitschrift für Katholische Theologie, in Die Zeit im Buch und anderen Zeitschriften sowie die nicht publizierten Skripten zu verschiedenen Lehrveranstaltungen. Ältere Bibliographien (bis 1996 bzw. 1999) sind auch enthalten in der Festschrift: Dialog und System. Otto Muck zum 65. Geburtstag (Conceptus-Studien 12). Hg. von Winfried Löffler und Edmund Runggaldier. St. Augustin: Academia 1997, 231–240, sowie in dem Aufsatzsammelband Rationalität und Weltanschauung. Philosophische Untersuchungen (Hg. von Winfried Löffler), Innsbruck – Wien: Tyrolia 1999, 481–488.
Der Psychologismus, in: Blätter der katholischen Hochschuljugend Österreichs 5 (1950), 5–6. Das Methodenproblem der Metaphysik unter besonderer Berücksichtigung von Joseph Geyser. (181 S.). Wien: Phil. Diss. Masch. 1951. Das Methodenproblem der Metaphysik, in: Wissenschaft und Weltbild 4 (1951), 343–346. Auf dem Wege zu einer neuen Logik. Gegenstandsdenken und Grunddenken, in: Wissenschaft und Weltbild 4 (1951), 225–231. Gespräch im Grenzland des Glaubens: Der Existentialist, in: Der Große Entschluß 11 (1955), 78–80. Freiheit und Bindung, in: Erzieher zu Christus. Seelsorgebrief für Kärntens christliche Lehrerbewegung 9/5–6 (1955), 1–4. Gespräch im Grenzland des Glaubens: Um die Abstammung des Menschen, in: Der Große Entschluß 11 (1956), 524–527. Gefährdete Freude, in: Blätter der katholischen Hochschuljugend Österreichs 11/3 (1957), 3–5. Methodologie und Metaphysik, in: Aufgaben der Philosophie. Drei Versuche von E. Coreth S. J., O. Muck S. J., J. Schasching S. J. Hg. von Emerich Coreth S. J. (Philosophie und Grenzwissenschaften IX/2). Innsbruck: Felizian Rauch 1958, 97–157. These XII: Erkenntnis und Wille des Menschen, die von Natur aus nach dem unendlichen Sein und Wert streben, sind nur möglich, wenn Gott als Ziel dieses Strebens existiert;
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These XIV: Das Böse und das Leid in der Welt widerlegen nicht die Existenz eines unendlich mächtigen, gütigen und vorsorgenden Gottes, in: Warum Glauben? Hg. von Walter Kern u.a. Würzburg: Echter 1961, 118–126, 135–141. Transzendentale Integration, in: Vom Sinn des Ganzen. Integralität und Personalität (=Festschrift für Leo Gabriel), in: Wissenschaft und Weltbild 15 (1962), 326–334. [Wiederabgedruckt in Rationalität und Weltanschauung (1999), 202–212] Artikel: Optimismus, in: Lexikon für Theologie und Kirche2, Bd. 7. Hg. von Josef Höfer und Karl Rahner. Freiburg: Herder 1962, 1181–1183. Artikel: Ordnung, in: Lexikon für Theologie und Kirche2, Bd. 7. Hg. von Josef Höfer und Karl Rahner. Freiburg: Herder 1962, 1210–1212. Die transzendentale Methode in der scholastischen Philosophie der Gegenwart. (XVI und 328 S.). Innsbruck: Felizian Rauch 1964. Christliche Philosophie (Berckers Theologische Grundrisse Band III). (239 S.). Kevelaer: Butzon und Bercker 1964. Geboten wird eine systematische Ausbildung. Christliche Philosophie, in: Laien studieren Theologie. Wien: Fernkurs für theologische Laienbildung 1964, 7– 9. Apriori, Evidenz und Erfahrung, in: Gott in Welt. Festgabe für Karl Rahner. Hg. von Johannes Baptist Metz u.a. Freiburg – Basel – Wien: Herder 1964. Bd. I, 85–96. [Wiederabgedruckt in Rationalität und Weltanschauung (1999), 213–224] Die Katholiken und die Philosophie, in: Kirche in Österreich 1918–1965. Hg. von Ferdinand Klostermann, Hans Kriegl, Otto Mauer, Erika Weinzierl. 2 Bde. Wien: Herold 1966. Bd. I, 348–356. Nein zu Gott – um des Menschen willen?, in: Der Volksbote 32 (6. August 1966), 19. Zur Logik der Rede von Gott, in: Zeitschrift für Katholische Theologie 89 (1967), 1–28. [Wiederabgedruckt in Rationalität und Weltanschauung (1999), 14–44] The transcendental method. (347 S.). New York: Herder and Herder 1968. [= Übersetzung von „Die transzendentale Methode ...” (1964) ins Englische durch William D. Seidensticker] Das Ringen um die Ganzheit des Menschen in der Philosophie des Mittelalters und der Neuzeit. Festgabe für Leo Gabriel, in: Wissenschaft und Weltbild 21 (1968), 1–12. [Wiederabgedruckt in Rationalität und Weltanschauung (1999), 400–413]
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Metaphysische Erklärung als ganzheitliches Verfahren, in: Akten des XIV. Internationalen Kongresses für Philosophie, Bd. 2. Wien: Herder 1968, 419–425. [Wiederabgedruckt in Rationalität und Weltanschauung (1999), 225–231] Zum Problem der existentiellen Interpretation, in: Zeitschrift für Katholische Theologie 91 (1969), 274–288. [Wiederabgedruckt in Rationalität und Weltanschauung (1999), 45–62] Artikel: Neuscholastik, in: Sacramentum Mundi. Theologisches Lexikon für die Praxis, Bd. 3. Hg. von Karl Rahner u.a.. Freiburg – Basel – Wien: Herder 1969, 749–754. Artikel: Wissenschaftstheorie, in: Sacramentum Mundi. Theologisches Lexikon für die Praxis, Bd. 4. Hg. von Karl Rahner u.a.. Freiburg – Basel – Wien: Herder 1969, 1394–1402. The Logical Structure of Transcendental Method, in: International Philosophical Quarterly 9 (1969), 342–462. Teza XII: Poznanie i wola człowieka, które z natury dążą ku wiecznemu istnieniu i wartościom nieskończonym, są tylko wtedy możliwe, jeżeli istnienie Bóg jako cel tego dążenia; Teza XIV: Zło i cierpienie nie sprzeciwiają się istnieniu nieskończenie potężnego, dobrego i troskliwego Boga, in: Dlaczego Wierzymy? 41 tez teologii fundamentalnej. Übers. und bearbeitet von Jarosław Klenowski. Warszawa: Wydawnictwo SS. Loretanek-Benedyktynek 1969, 104–112, 120–126. [=polnische Übersetzung von Thesen XII und XIV in „Warum glauben?” (1962)] Sprachphilosophische Bemerkungen zum ‘Holländischen Katechismus’, in: Die Zeit im Buch 23 (1969), 65–68. Contradictio in adjecto, Contradictio in terminis, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 1. Hg. von Joachim Ritter. Basel – Stuttgart: Schwabe 1971, 1033. Naturwissenschaftliches Denken und Atheismus, in: Atheismus kritisch betrachtet. Beiträge zum Atheismusproblem der Gegenwart. Hg. von Emerich Coreth und Johannes B. Lotz. München – Freiburg: Erich Wewel Verlag 1971, 172–189. [Wiederabgedruckt in Rationalität und Weltanschauung (1999), 263–276] Glaube als Sprachproblem, in: Entschluß 27 (1971), 126–130. Artikel: Lechleitner, P. Johannes Bapt. (Georg) O.Cist., in: Österreichisches Biographisches Lexikon, Bd. 5. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wien 1972 , 74. Artikel: Differenz, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 2. Hg. von Joachim Ritter. Basel – Stuttgart: Schwabe 1972, 235–236.
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Artikel: Distinctio formalis, Distinctio rationis, Distinctio realis, Distinktion, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 2. Hg. von Joachim Ritter. Basel – Stuttgart: Schwabe 1972, 270–272. Der Beitrag naturwissenschaftlichen Denkens zum Verständnis des Gottesglaubens, in: Entschluß 27 (1972), 268–273. Die Frage nach dem gegenwärtigen Zustand der katholischen Kirche. Der Zustand der römisch–katholischen Kirche. Eine Enquete unter Christen, in: Sonderheft (97–239) von: Wort und Wahrheit 27 (1972), 176–177. Artikel: Neuscholastik, in: Herders Theologisches Taschenlexikon, Bd. 5. Hg. von Karl Rahner. Freiburg – Basel – Wien: Herder 1973, 200–204. Artikel: Wissenschaftstheorie, in: Herders Theologisches Taschenlexikon, Bd. 8. Hg. von Karl Rahner. Freiburg – Basel – Wien: Herder 1973, 196– 202. Phänomenologie – Metaphysik – Transzendentale Reflexion, in: Zeitschrift für Katholische Theologie 96 (1974), 62–75. [Wiederabgedruckt in Rationalität und Weltanschauung (1999), 232–246] Artikel: Verstand, in: Handbuch philosophischer Grundbegriffe, Bd. 3. Hg. von Hermann Krings, Hans Michael Baumgartner und Christoph Wild. München: Kösel 1974, 1613–1627. Das, was geglaubt wird, der Wissenschaft verständlich machen, in. Neues Forum 22 (1975), 52. Artikel: Geistseele, in: Praktisches Wörterbuch der Pastoral-Anthropologie. Sorge um den Menschen. Hg. von H. Gastager u.a. Wien – Freiburg – Basel: Herder; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1975, 367–369. Artikel: Psyche, in: Praktisches Wörterbuch der Pastoral-Anthropologie. Sorge um den Menschen. Hg. von H. Gastager u.a. Wien – Freiburg – Basel: Herder; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1975, 859–862. Artikel: Heiliger Geist, in: Praktisches Wörterbuch der Pastoral-Anthropologie. Sorge um den Menschen. Hg. von H. Gastager u.a. Wien – Freiburg – Basel: Herder; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1975, 459–461. Sprachlogische Aspekte religiös-weltanschaulichen Dialogs, in: Zeitschrift für Katholische Theologie 97 (1975), 41–55. [Wiederabgedruckt in Rationalität und Weltanschauung (1999), 63–80] Sprachphilosophische Aspekte zur theologischen Interpretation religiöser Rede. Mit Übungen, in: Die Zeit im Buch 29 (1975), 131–133. Linguistik und Philologie in Synthese (Tagungsbericht über die 21. Seminarwoche für Philologen in Nals vom 3. bis 9. August 1975), in: Die Zeit im Buch 29 (1975), 133.
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Persönliche Überzeugung und gemeinsame Verantwortung (Antrittsrede), in: Feierliche Inauguration des für die Studienjahre 1975–76 und 1976–77 zum Rektor gewählten Dr.phil. Otto Muck S. J., o. Univ.-Prof. für Christliche Philosophie, am 25. Oktober 1975. (Innsbrucker Universitätsreden 10). (Veröffentlichungen der Universität Innsbruck 104). Innsbruck 1976, 9–16. Artikel: Identitätsprinzip, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 4. Hg. von Joachim Ritter† und Karlfried Gründer. Basel – Stuttgart: Schwabe 1976, 152–153. Wahrheit und Verifikation, in: Die Wahrheit des Ganzen. Festschrift für Leo Gabriel. Hg. von Helmut Kohlenberger. Wien: Herder 1976, 35–51. [Wiederabgedruckt in Rationalität und Weltanschauung (1999), 81–100] Begrüßungsworte des Rektors, in: Akademische Feier aus Anlaß der Erneuerung der Doktordiplome nach 50 Jahren am 26. Juni 1976 (Innsbrucker Universitätsreden 11) (Veröffentlichungen der Universität Innsbruck 106). Innsbruck 1976, 7–8. Begrüßung und Rückblick durch Prorektor Muck, in: Feierliche Inauguration des für die Studienjahre 1977/78 und 1978/79 zum Rektor gewählten Dr. Franz Fliri, o.Univ.-Prof. für Geographie, Innsbruck 1977. (Innsbrucker Universitätsreden 12) (Veröffentlichungen der Universität Innsbruck 110), Innsbruck 1977, 9–16. Den Leib zur Verfügung stellen, in: Entschluß 34 (1979), 24. Möglichkeiten und Aufgaben der Religionsphilosophie in Wissenschaft und Unterricht, in: Philosophie in der Bildungskrise der Gegenwart. Tagungsbericht der Philosophisch-Pädagogischen Sommerakademie der Allgemeinen Gesellschaft für Philosophie in Deutschland, 6. – 20. August 1977 in Prutz-Ried / Oberinntal. Hg. von Hans-Michael Elzer, Gerhard Frey und Albert Menne. St. Augustin: Richarz 1980, 77–84. Gottesfrage in der Philosophie, in: Zur Debatte. Themen der Katholischen Akademie in Bayern 9 (1979), 14–15. Artikel: Büchner; Hume; Locke; Moleschott; Vogt, in: Religionskritik von der Aufklärung bis zur Gegenwart. Autoren-Lexikon. Hg. von Karl-Heinz Weger (Herderbücherei 716). Freiburg: Herder 1979 (41988), 50–51; 163–165; 197–199; 237–238; 292–294. Philosophische Voraussetzungen religiös-weltanschaulichen Dialogs, in: Almanach ’80 der österreichischen Forschung. Hg. vom Verband der wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs. Wien: Bohmann 1980, 163–167. Neuansätze zur Gottesfrage in der Philosophie, in: Aufklärung und Gottesglaube (Schriften der katholischen Akademie in Bayern, Band 92) Hg.
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von Walter Kern. Düsseldorf: Patmos 1981, 88–101. [Wiederabgedruckt in Rationalität und Weltanschauung (1999), 3–13] Philosophische Gotteslehre (Leitfaden Theologie 7). (191 S.). Düsseldorf: Patmos 1983. [Neuauflage 1990] Zur Frage nach Gottes Wirken in Welt und Geschichte, in: Wahrheit und Wirklichkeit. Festgabe für Leo Gabriel zum 80. Geburtstag. Hg. von Peter Kampits, Günther Pöltner und Helmuth Vetter. Berlin: Duncker und Humblot 1983, 75–86. [Wiederabgedruckt in Rationalität und Weltanschauung (1999), 277–288] Artikel: Bestimmung; Bewegung; Entwicklung; Form; Körper; Kontinuum; Raum; Sache; Wesen, in: Lexikon der Erkenntnistheorie und Metaphysik (Beck’sche Schwarze Reihe 288). Hg. von Friedo Ricken. München: C. H. Beck 1984, 33; 33–35; 52–54; 61–62; 99–100; 101–102; 155–157; 166; 235–237. Der Beitrag der Wissenschaftstheorie zur Klärung der Rationalität von Glaube als lebenstragender Überzeugung, in: Religionsphilosophie. Akten des 8. Internationalen Wittgenstein Symposiums 15. bis 21. August 1983, Kirchberg am Wechsel, Teil 2. Hg. von Wolfgang L. Gombocz. Wien: HölderPichler-Tempsky 1984, 53–56. [Wiederabgedruckt in Rationalität und Weltanschauung (1999), 101–105] Teologia filosofica (Giornale di teologia 159). Brescia: Queriniana 1985 (231. S.) [= Übersetzung von „Philosophische Gotteslehre” (1983) ins Italienische durch Giorgio Penzo] Ehemalige Preisträger berichten ... , in: 25 Jahre Kardinal-Innitzer-Studienfonds. Hg. von Alois Brusatti. Wien: Selbstverlag des Karl-InnitzerStudienfonds 1986, 53–55. Doctrina filosófica de Dios (Biblioteca de Teologia 6). (231 S.) Barcelona: Herder 1986 [= Übersetzung von „Philosophische Gotteslehre” (1983) ins Spanische durch Claudio Gancho]. Artikel: Coreth, in: Argumente für Gott. Gott-Denker von der Antike bis zur Gegenwart. Ein Autorenlexikon. Hg. von Karl-Heinz Weger (Herderbücherei 1393). Freiburg: Herder 1987, 107–109. Die deutschsprachige Maréchal-Schule – Transzendentalphilosophie als Metaphysik: J. B. Lotz, K. Rahner, W. Brugger, E. Coreth u.a., in: Christliche Philosophie im katholischen Denken des 19. und 20. Jahrhunderts, Bd. 2. Hg. von Emerich Coreth und Georg Pfligersdorffer. Graz: Styria 1988, 590–622. [Wiederabgedruckt in Rationalität und Weltanschauung (1999), 414–453] Artikel: Parallelismus, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 7. Hg. von Joachim Ritter† und Karlfried Gründer. Basel – Stuttgart: Schwabe 1989, 98–99.
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Sinngestalten. Metaphysik in der Vielfalt menschlichen Fragens. Festschrift für Emerich Coreth SJ. Hg. von O. Muck. (408 S.). Innsbruck: Tyrolia 1989. Ein Beitrag transzendentalphilosophischer Reflexion zum Verständnis von Metaphysik, in: Sinngestalten. Metaphysik in der Vielfalt menschlichen Fragens. Festschrift für Emerich Coreth SJ. Hg. von O. Muck. Innsbruck: Tyrolia 1989, 53–65. [Wiederabgedruckt in Rationalität und Weltanschauung (1999), 247–259] Diskussionsbeiträge in: Konzeption und Aufgabe künftiger Metaphysik. Symposion des Instituts für wissenschaftstheoretische Grundlagenforschung vom 2.1.–5.1.1989 in Paderborn (Tonbandnachschrift). Hg. von Martin Petzolt. Paderborn. Deutsches Institut für Bildung und Wissen 1990, 19– 115 passim. Philosophische Gotteslehre (Leitfaden Theologie 7). Düsseldorf: Patmos 21990. [= Neuauflage von „Philosophische Gotteslehre” (1983)] Funktion der Gottesbeweise in der Theologie, in: Klassische Gottesbeweise in der Sicht der gegenwärtigen Logik und Wissenschaftstheorie (Münchener philosophische Studien, Neue Folge Band 4). Hg. von Friedo Ricken. Stuttgart – Berlin – Köln: Kohlhammer 1991, 18–35 [2. Auflage 1998: 16–33]. [Wiederabgedruckt in Rationalität und Weltanschauung (1999), 289– 308] Eigenschaften Gottes im Licht des Gödelschen Arguments, in: Theologie und Philosophie 67 (1992), 60–85. [Wiederabgedruckt in Rationalität und Weltanschauung (1999), 309–336] Religiöser Glaube und Gödels ontologischer Gottesbeweis, in: Theologie und Philosophie 67 (1992), 263–267. Dialog als Lebensform, in: Unser Weg 48 (1993), 145–148. Heidegger und Karl Rahner, in: Zeitschrift für Katholische Theologie 116 (1994), 257–269. [Wiederabgedruckt in Rationalität und Weltanschauung (1999), 454–468] Assumptions of a Classical Philosophy of God, in: Milltown Studies 33 (1994), 37–50 [deutsche Übersetzung abgedruckt in Rationalität und Weltanschauung (1999), 337–351] La escuela marechaliana de lengua alemana: la filosofía trascendental como metafísica: J. B. Lotz, K. Rahner, W. Brugger, E. Coreth y otros, in: Filosofía cristiana en el pensamiento católico de los siglos XIX y XX, Vol. 2: Vuelta a la herencia escolástica. Hg. von Emerich Coreth, Walter M. Neidl und Georg Pfligersdorffer. Madrid: Ediciones Encuentro 1994, 540-570 [= span. Übersetzung von Die deutschsprachige Maréchal-Schule... (1988) durch Eloy Rodríguez Navarro].
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La scuola marechaliana di lingua tedesca. Filosofia trascendentale come metafisica: J.B. Lotz, K. Rahner, W. Brugger e altri, in: La filosofia cristiana nei secoli XIX e XX. Vol. II: Ritorno all’eredità scolastica. Hg. von Emerich Coreth, Walter M. Neidl und Georg Pfligersdorffer. Italienische Ausgabe besorgt von Gaspare Mura und Giorgio Penzo. Rom: Città Nuova Editrice 1994, 675–711 [=ital. Übersetzung von Die deutschsprachige Maréchal-Schule... (1988) durch Nicola Curcio]. Heidegger a Karol Rahner, in: Filozofia 50 (1995), 41–52. [= Übersetzung von „Heidegger und Karl Rahner” (1994) ins Slowakische durch Peter Volek] Die Sprache der Religion auf dem Hintergrund der analytischen Sprachphilosophie, in: Gabriel Jüssen – Otto Muck, Sprachphilosophie (Studienmaterial Philosophie). Würzburg: Kirchliche Arbeitsstelle für Fernstudien / Theologie im Fernkurs bei der Domschule Würzburg e.V. 1995, 53–62. Artikel: Gottesbeweise, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 5. Hg. von Walter Kasper u.a. Freiburg u.a.: Herder 1995, 878–886 (gemeinsam mit Friedo Ricken). Heidegger e Karl Rahner, in: Heidegger e la teologia (Religione e Cultura 7). Hg. von Hugo Ott und Giorgio Penzo. Brescia: Morcelliana 1995, 101– 118. [=Übersetzung von „Heidegger und Karl Rahner” (1994) ins Italienische durch Giuseppe Zorzi] Lonergans „Insight” deutsch. Bemerkungen zu einer Neuerscheinung, in: Zeitschrift für katholische Theologie 118 (1996), 59–64. Pojam materia prima u Tome Akvinskoga i njegove ontološke pretpostavke (= Der Begriff der materia prima bei Thomas von Aquin und seine ontologischen Voraussetzungen. Üs. von Micheline Popović), in: Ljepota istine. Festschrift für Miljenko Belić. Hg. von Marijan Steiner. Zagreb: Filozofsko-teološki institut Družbe Isusove 1996, 34–47. [Deutsche Übersetzung abgedruckt in Rationalität und Weltanschauung (1999), 381– 399] Weltanschauliche Bedingungen religiöser Erfahrung, in: Erfahrung – Geschichte – Identität. Zum Schnittpunkt von Philosophie und Theologie. Für Richard Schaeffler. Hg. von Matthias Laarmann und Tobias Trappe. Freiburg – Basel – Wien: Herder 1997, 71–90. [Wiederabgedruckt in Rationalität und Weltanschauung (1999), 352–372] Vzt’ah medzi svetonázorom, metafyzikou a teológiou (Die Beziehung zwischen Weltanschauung, Metaphysik und Theologie – übersetzt und erweitert von Peter Volek), in: Filozofia 52 (1997), 141–148. Rationale Strukturen religiös-weltanschaulichen Dialogs, in: Erkenntniswege in der Theologie. Hg. von Hugo Bogensberger, Franz Ferschl, Reinhart
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Kögerler und Wilhelm Zauner (Forum St. Stephan, Band 10). Graz – Wien – Köln: Styria 1998, 107–150. [Wiederabgedruckt in Rationalität und Weltanschauung (1999), 106–151] Funktion der Gottesbeweise in der Theologie, in: Klassische Gottesbeweise in der Sicht der gegenwärtigen Logik und Wissenschaftstheorie (Münchener philosophische Studien, Neue Folge Band 4). Hg. von Friedo Ricken. 2., durchgesehene und erweiterte Auflage. Stuttgart – Berlin – Köln: Kohlhammer 1998, 16–33. [Wiederabgedruckt in Rationalität und Weltanschauung (1999), 289–308] Bedingungen religiöser Erfahrung, in: Vielfalt und Konvergenz der Philosophie (Vorträge des V. Kongresses der Österreichischen Gesellschaft für Philosophie, Innsbruck, 1.–4. Februar 1998, Teil 1). Hg. von Winfried Löffler und Edmund Runggaldier. Wien: Hölder-Pichler-Tempsky 1999, 386–390. [Wiederabgedruckt in Rationalität und Weltanschauung (1999), 373–378] Warum ist überhaupt etwas? In: Der Glaube der Christen. Ein ökumenisches Handbuch, Bd.I. Hg. von Eugen Biser, Ferdinand Hahn und Michael Langer. München: Pattloch – Stuttgart: Calwer 1999, 217–237. Abenteuer der Philosophen oder: das Lob des Paradoxen, in: Lachen in Freiheit. Theologische Skizzen. Festschrift für Walter Raberger. Hg. von Hanjo Sauer und Franz Gruber. Regensburg: Pustet 1999, 64–69. Rationalität und Weltanschauung. Philosophische Untersuchungen. Hg. von Winfried Löffler. (488 S.) Innsbruck – Wien: Tyrolia 1999. Autobiographisches Nachwort, in: O. Muck, Rationalität und Weltanschauung. Philosophische Untersuchungen. Hg. von Winfried Löffler. Innsbruck – Wien: Tyrolia 1999, 471–480. Gedanken zum Dialog zwischen Weltanschauungen, in: Wahrheit und Sittlichkeit (Erfurter Theologische Schriften 27). Leipzig: Benno-Verlag 1999, 149–162. Beratung – Dialog – Wahrheit. Kritik zu Eckart Ruschmann, Philosophische Beratung, in: Ethik und Sozialwissenschaft 10 (1999), 526–528; Replik durch E. Ruschmann 567. L’écho de l’œuvre de Maréchal chez Lotz e Coreth. Développement phénoménologique de la méthode transcendantale, in: Au point de départ. Joseph Maréchal entre la critique kantienne et l’ontologie thomiste (donner raison 6). Hg. von Paul Gilbert. Bruxelles: Éditions Lessius 2000, 403–426. Dio e il male. Tra “difesa della libertà” e ”reductio in mysterium”, in: Rassegna di Teologia 41 (2000), 127–134. Weiterführung der Philosophie Joseph Maréchals durch Johannes B. Lotz, in: Schule des Denkens: 75 Jahre Philosophische Fakultät der Jesuiten in
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OTTO MUCK
Pullach und München. Hg. von Julius Oswald. Stuttgart – Berlin – Köln: Kohlhammer 2000, 116–136. Evolutionäre Erkenntnistheorie – Welt / Weltbild, in: Wie wir die Welt erkennen. Erkenntnisweisen im interdisziplinären Diskurs. Hg. von Wolfgang Wickler und Lucie Salwiczek. Freiburg – München: Alber 2001, 243–272. Zwei Weisen der Erklärung? In: Evolution als Schöpfung? Ein Streitgespräch zwischen Philosophen, Theologen und Naturwissenschaftlern. Hg. von Paul Weingartner. Stuttgart – Berlin – Köln: Kohlhammer 2001, 1–19. Voraussetzungen für Aussagen von Gott. Kritik zu Armin Kreiner, Das TheodizeeProblem und Formen seiner argumentativen Bewältigung, in: Ethik und Sozialwissenschaften 12 (2001), 201–202; Replik durch A. Kreiner 218. Sinn und Grenzen einer Erklärung religiöser Erfahrung, in: Zwischen Verzückung und Verzweiflung. Dimensionen religiöser Erfahrung (Schriften der Österreichischen Gesellschaft für Religionsphilosophie 2). Hg. von Florian Uhl und Artur R. Boelderl. Düsseldorf: Parerga 2001, 43–55. Dialog und (religiöser) Glaube. Zur Interpretation religiöser Rede, in: Religion – Literatur – Künste II. Ein Dialog (Im Kontext 14). Hg. von Peter Tschuggnall. Anif/Salzburg: Müller-Speiser 2002, 30–40. Mühe und Chancen eines Dialogs – Interpretationstheoretische Bemerkungen, in: Die Macht des Geistes. Festgabe für Norbert Leser zum 70. Geburtstag. Hg. von Erwin Bader. Frankfurt am Main: Peter Lang 2003, 42–56. Lonergans Beitrag zur Methode der Philosophie. Erste Rezeption in Innsbruck, in: Österreich – Kanada. Beiträge zum Kultur- und Wissenstransfer (canadiana oenipontana 6) (Veröffentlichungen der Universität Innsbruck 248): Hg. von Ursula Mathis-Moser. Innsbruck 2003, 187–195. Fundamentos Filosóficos da Teologia de Karl Rahner (Traducão de Rosa Clara Gomes da Silva Solér; revisão de João J. Vila-Chã), in: Revista Portuguesa de Filosofia 60 (2004), 369–391. Reflexionen zum praktischen Hintergrund von Metaphysik. Hindernisse für das Verständnis des Bezugs von Wirklichkeit und Praxis, ens et bonum, in: Abwägende Vernunft. Praktische Rationalität in historischer, systematischer und religionsphilosophischer Perspektive. Festschrift für Friedo Ricken. Hg. von Franz-Josef Bormann und Christian Schröer. Berlin – New York: De Gruyter 2004, 259–276. Lässt die Reflexion auf menschliches Denken die ‚metaphysische Dimension’ der Wahrheit wiedergewinnen? In: Glaube und Vernunft. Interdisziplinäres Streitgespräch zur Enzyklika Fides et Ratio von Papst Johannes Paul II.
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(Wissenschaft und Religion 9). Hg. von Paul Weingartner. Frankfurt a.M. u.a.: Peter Lang 2004, 39–62. Vernunft und Religion – zum Jubiläum von Bernard Lonergan SJ, in: Zeitschrift für Katholische Theologie 126 (2004), 397–414. Tilmann Pesch (1836-1899), in: Kölner Theologen. Hg. von Sebastian Cüppers. Köln: Marzellen Verlag 2004, 314–335. Philosophie und persönliche Weltanschauung – am Beispiel christlicher Philosophie, in: Disputatio philosophica. International Journal on Philosophy and Religion 1/2004, 5–23. Thomas – Kant – Maréchal: Karl Rahners transzendentale Methode, in: Die Philosophischen Quellen der Theologie Karl Rahners (Quaestiones Disputatae 213). Hg. von Harald Schöndorf. Freiburg: Herder 2005, 31– 56. Dialog und Wahrheit, in: Revista Portuguesa de Filosofia 62 (2006), 245– 251. Nicht nur aus opportunistischen Gründen, in: Begegnungen mit Karl Rahner. Weggefährten erinnern sich. Hg. von Andreas R. Batlogg und Melvin E. Michalski. Freiburg – Basel – Wien: Herder 2006, 45–49. Vergegenwärtigung des Wirklichen durch Modelle? In: Die Gegenwart des Gegenwärtigen: Festschrift für Gerd Haeffner zum 65. Geburtstag. Hg. von Margarethe Drewsen und Mario Fischer. Freiburg i. Br. u.a.: Alber 2006, 184–195. Rationalität von Weltanschauung und Religion, in: Denken im Raum des Heiligen. Festschrift für P. Ansgar Paus OSB. Hg. von Horst Bürkle und Drago Pintaric. St.Ottilien: Eos 2007, 30–46. Eine Hinführung, in: Norbert Gerhold, Kosmische Alltagsmystik. Innsbruck: Kyrene 2007, 6–9. Der Grundgedanke von Joseph Maréchals „Le point de départ de la metaphysique“ im Hinblick auf Maurice Blondel, in: Ausgangspunkt und Ziel des Philosophierens. Hg. von Stephan Grätzel und Peter Reifenberg. London: Turnshare 2008, 81–101. Assumptions of Classical Arguments for the Existence of God, in: Proofs for the Existence of God: Contexts – Structures – Relevance. Hg. von Christian Kanzian und Muhammad Legenhausen. Innsbruck: Innsbruck University Press 2008, 57–72. Otto Muck, Operative Analyse und Retorsion, in: Erkennen und Handeln. Festschrift für Carl Friedrich Gethmann zum 65. Geburtstag. Hg. von Georg Kamp und Felix Thiele. München: Wilhelm Fink 2009, 19–39.
Die Autoren Christian Kanzian, geb. 1963, Dr.phil.habil., ist außerordentlicher Universitätsprofessor am Institut für Christliche Philosophie der Universität Innsbruck. Arbeitsschwerpunkte: Metaphysik und Ontologie, Geschichte der Philosophie. – Publikationen (u.a.): Grundprobleme der Analytischen Ontologie (gemeinsam mit E. Runggaldier, Paderborn 1998); Ereignisse und andere Partikularien (Paderborn 2001); Ding – Substanz – Person (Frankfurt u.a. 2009); Persistence (Hg., Frankfurt u.a. 2008); Proofs for the Existence of God (Hg., gemeinsam mit M. Legenhausen, Innsbruck 2008); Soul, (Hg., gemeinsam mit M. Legenhausen, Frankfurt u.a. 2010); Lebewesen als Artefakte: Zur Ontologie der Genmanipulation, in: S. Walter / H. Bohse (Hg.), Ausgewählte Beiträge zu GAP 6 (Paderborn 2008); Substanzen. Neue Perspektiven auf ein altes Thema, in: Grazer Philosophische Studien 76 (2008); Social Entities, in: V. Sirola (Hg.), Proceedings of the Conference “Language, Mind and Social Construction” (Mumbai 2009); What Reductionists Believe In, in: A. Hieke / H. Leitgeb (Hg.), Reduction (Frankfurt u.a. 2009). Winfried Löffler, geb. 1965, Dr.phil.habil, Dr.iur., Mag.theol., ist außerordentlicher Universitätsprofessor am Institut für Christliche Philosophie der Universität Innsbruck. Gastvorlesungen u.a. in München, Tübingen, Münster, Uppsala und Zagreb. Arbeitsschwerpunkte: Logik, Wissenschaftstheorie, Religionsphilosophie. – Publikationen (u.a.): Notwendigkeit, S5 und Gott. Das Ontologische Argument für die Existenz Gottes in der zeitgenössischen Modallogik (Münster 2000); Einführung in die Religionsphilosophie (Darmstadt 2006); Einführung in die Logik (Stuttgart u.a. 2008); Naturalisierungsprogramme und ihre methodologischen Grenzen, in: J. Quitterer / E. Runggaldier (Hg.), Der neue Naturalismus – eine Herausforderung an das christliche Menschenbild (Stuttgart 1999); Was ist eigentlich revisionäre Metaphysik?, in: U. Meixner (Hg.), Metaphysics in the Post-Metaphysical Age (Wien 2001); Anselm von Canterbury: Das ontologische Argument für die Existenz Gottes, in: A. Beckermann / D. Perler (Hg.), Klassiker der Philosophie heute. (Stuttgart 20102). Hans-Dieter Mutschler, geb. 1946, Dr. phil. habil, Dipl. theol., Staatsexamen Physik, ist Universitätsprofessor an der pädagogisch-philosophischen Hochschule Ignatianum in Krakau. Gastvorlesungen in Eichstätt, Innsbruck und Zürich. Arbeitsschwerpunkte: Philosophie der Natur, Dialog Naturwissenschaft / Theologie. – Publikationen u.a.: Spekulative und empirische Physik. Aktualität und Grenzen der Naturphilosophie Schellings
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DIE AUTOREN
(Stuttgart 1990); Physik – Religion – New Age (Würzburg 1992); Die Gottmaschine. Das Schicksal Gottes im Zeitalter der Technik (Augsburg 1998); Karl Rahner: Sämtliche Werke Bd.15; Verantwortung der Theologie. Im Dialog mit Naturwissenschaften und Gesellschaftswissenschaft (Freiburg 2002); Naturphilosophie (Stuttgart 2002); Ist der Geist berechenbar? (Darmstadt 2003); Physik und Religion (Darmstadt 2005). Edmund Runggaldier, geb. 1966, Mag. theol., Dr. phil. (Oxford), ordentlicher Professor am Institut für Christliche Philosophie der Universität Innsbruck; 1993-1995 Dekan der Theologischen Fakultät; 2003-2007 Professore titolare di ontologia analitica an der Universitá Cattolica di Milano; 2007-2009 Inhaber der Guardini-Professur an der HumboldtUniversität zu Berlin. Arbeitsschwerpunkte: Sprachphilosophie, Ontologie, Religionsphilosophie. – Publikationen (u.a.): Carnap’s Early Conventionalism (Amsterdam 1984); Zeichen und Bezeichnetes (Berlin u.a. 1985); Was sind Handlungen? (Stuttgart 1996); Philosophie der Esoterik (Stuttgart 1996); Grundprobleme der Analytischen Ontologie (gemeinsam mit C. Kanzian, Paderborn 1998); The Aristotelian Alternative to Functionalism and Dualism, in: B. Niederbacher / E. Runggaldier (Hg.), Die menschliche Seele – Brauchen wir den Dualismus? (Frankfurt 2006); Seele und Unsterblichkeitshoffnung, in: Theologie und Philosophie 83 (2008). Geo Siegwart, geb. 1954, Dr.phil.habil., ist Inhaber des Lehrstuhls für Theoretische Philosophie an der Universität Greifswald. Arbeitsschwerpunkte: Sprachphilosophie, Philosophie Johann Heinrich Lamberts, Rekonstruktion klassischer philosophischer Diskurse. – Publikationen (u.a.): Vorfragen zur Wahrheit. Ein Traktat über kognitive Sprachen (München 1997); Johann Heinrich Lambert: Texte zur Systematologie und zur Theorie der wissenschaftlichen Erkenntnis (Einleitung – Literaturverzeichnis – Anmerkungen, Hamburg 1988); Definition durch Abstraktion; in: J. Brandl u.a. (Hg.): Metaphysik. Neue Zugänge zu alten Fragen (St.Augustin 1995); Explikation. Ein methodologischer Versuch; in: E. Runggaldier / W. Löffler (Hg.), Dialog und System. Festschrift für Otto Muck zum 65. Geburtstag (St. Augustin 1997); Gott und der gegenwärtige König von Frankreich. Über Kennzeichnungen in der Theologie; in: F.-J. Bormann / C. Schröer (Hg.), Abwägende Vernunft (Berlin 2004); Alethic Acts and Alethiological Reflection. An Outline of a Constructive Philosophy of Truth; in: D. Greimann / G. Siegwart (Hg.), Truth and Speech Acts: Studies in the Philosophy of Language (London u.a. 2007); Artikel “Begriffsbildung/Definition“; in: H.J. Sandkühler u.a. (Hg): Enzyklopädie Philosophie (Hamburg 20102).
D IE AUTOREN
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Nikolaus Wandinger, geb. 1965, Dr. theol., Mag. phil., ist Universitätsassistent am Institut für Systematische Theologie der Universität Innsbruck. Gastvorlesungen u. a. in Tübingen, Münster, London, Dublin, Limerick und Milwaukee. Arbeitsschwerpunkte: Theologische Anthropologie, Forschungszentrum Religion – Gewalt – Kommunikation – Weltordnung, Forschungsprogramm Dramatische Theologie. – Publikationen (u.a.): Die Sündenlehre als Schlüssel zum Menschen. Impulse K. Rahners und R. Schwagers zu einer Heuristik theologischer Anthropologie (Münster 2003); Zur Rede von einer ‚impliziten Theologie‘. Versuch einer Begriffsklärung, in: C. Drexler / M. Scharer (Hg.), An Grenzen lernen. Neue Wege in der theologischen Didaktik (Mainz 2004); (gemeinsam mit Christoph Drexler:) Die implizite Theologie ›Harry Potters‹. In: dies: (Hg.), Leben, Tod und Zauberstab (Münster 2004); (Hauptautor:) Anmerkungen zum „Schönborn-Streit“, in: Grenzgebiete der Wissenschaft 55 (2006); Implicit Theology, Authentic Subjectivity, and Karl Rahner’s ‘Anonymous Christian’, in: Lonergan Workshop 21 (Boston 2008); Theologie der Erbsünde im Zeitalter von Evolutionstheorie und Genetik, in: H. Hoping / M. Schulz (Hg.), Unheilvolles Erbe? Zur Theologie der Erbsünde (Freiburg 2009). Hermann Weidemann, geb. 1942, Dr. phil., ist ordentlicher Universitätsprofessor für Philosophie im Ruhestand; Lehrtätigkeit an den Universitäten Bonn, Erlangen-Nürnberg, Göttingen, Hamburg, Innsbruck, Leiden, München, Münster und Salzburg. Arbeitsschwerpunkte: Logik, Metaphysik und Ontologie, Sprachphilosophie, Philosophie der Antike und des Mittelalters. – Publikationen (u.a.): Metaphysik und Sprache. Eine sprachphilosophische Untersuchung zu Thomas von Aquin und Aristoteles (Freiburg/München 1975); Aristoteles, Peri hermeneias. Übersetzt und erläutert (Berlin 1994; 2., veränderte Auflage 2002); Peter Abaelards Lösung des Universalienproblems, in: G. Leibold / W. Löffler (Hg.), Entwicklungslinien mittelalterlicher Philosophie (Wien 1999); Wetten, daß ...? Ein antikes Gegenstück zum Wettargument Pascals, in: Archiv für Geschichte der Philosophie 81 (1999); Accidental Causation: An Aristotelian Theory from a Modern Point of View, in: F. Castellani / J. Quitterer (Hg.), Agency and Causation in the Human Sciences (Paderborn 2007); Bei Ankunft Mord — oder: War Aristoteles ein Kompatibilist?, in: K. Corcilius / C. Rapp (Hg.), Beiträge zur Aristotelischen Handlungstheorie (Stuttgart 2008); ‘Quod maius est’. Der springende Punkt in Anselms ontologischem Argument, in: Archiv für Geschichte der Philosophie 91 (2009).