209 72 49MB
German Pages 606 [643] Year 2005
Max Weber Gesamtausgabe Im Auftrag der Kommission für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Herausgegeben von
Horst Baier, Gangolf Hübinger, M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen t, Wolfgang Schluchter, Johannes Winckelmann t
Abteilung I: Schriften und Reden Band 21 1. Halbband
ARTIBUS
J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen
Max Weber Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen Das antike Judentum Schriften und Reden 1911-1920
Herausgegeben von
Eckart Otto unter Mitwirkung von
Julia Offermann 1. Halbband
J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen
Redaktion: Karl-Ludwig Ay - Edith Hanke Die Herausgeberarbeiten wurden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem Freistaat Bayern und der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.
ISBN 3-16-148487-8 Leinen ISBN 3-16-148489-4 Hldr
978-3-16-158142-7 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. ddb.de abrufbar. © 2005 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde gesetzt und gedruckt von Guide-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier. Den Einband besorgte die Großbuchbinderei Josef Spinner in Ottersweier.
Inhaltsverzeichnis
(1. Halbband) Vorwort Siglen, Zeichen, Abkürzungen Bezeichnung biblischer und jüdischer Schriften Einleitung
VII IX XXII 1
Anhang zur Einleitung 1. Chronologie der altorientalischen und biblischen Geschichte . . . 2. Karten a) Der Alte Orient im 2. Jahrtausend v. Chr b) Palästina zur Zeit der „Eidgenossenschaft" c) Die Königreiche Juda und Israel d) Der Alte Orient und Griechenland zur Zeit des Persischen Reiches
145 146 154 154 155 156 157
I. Schriften Ethik und Mythik/rituelle Absonderung Editorischer Bericht Text
161 178
Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Das antike Judentum Editorischer Bericht I. Die israelitische Eidgenossenschaft und Jahwe
210 234
(2. Halbband) II. Die Entstehung des jüdischen Pariavolkes
607
Die Pharisäer Editorischer Bericht Text
758 777
VI
Inhaltsverzeichnis
II. Bericht über eine Rede Die soziologischen Grundlagen der Entwicklung des Judentums Rede vor dem „Sozialwissenschaftlichen Verein" am 24. Januar 1917 in München Editorischer Bericht Bericht des Wochenblattes „Das Jüdische Echo"
Personenverzeichnis Glossar Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur Belegstellenregister Personenregister Sachregister Aufbau und Editionsregeln der Max Weber-Gesamtausgabe, Abteilung I: Schriften und Reden Bandfolge der Abteilung II: Briefe
849 853
859 896 995 1013 1045 1061
Vorwort
Der vorliegende Band der Max Weber-Gesamtausgabe enthält Max Webers Studien zum antiken Judentum der Jahre 1911-1920. Den Auftakt bildet das handschriftliche Deponatsmanuskript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" aus dem Bestand des Max Weber-Schäfer Deponats der Bayerischen Staatsbibliothek München, Ana 446/1, das Max Weber zwischen 1911 und 1913 verfaßt hat. Es folgt die Studie zur Wirtschaftethik der Weltreligionen „Das antike Judentum", die zwischen 1917 und 1920 im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik erschien, von Max Weber in den Jahren 1919-1920 für die monographische Veröffentlichung in den Gesammelten Aufsätzen zur Religionssoziologie noch teilweise überarbeitet wurde und deren monographische Edition posthum 1920 Marianne Weber betreute. Nach Vorstudien vor dem Weltkrieg verfaßte Max Weber im Weltkrieg eine Studie zu Pharisäismus und rabbinischem Judentum der Antike, die er nach Abschluß der Studie zum Antiken Judentum kurz vor seinem Tode noch umfangreich erweiterte. Marianne Weber gab diese Studie der monographischen Veröffentlichung der Judentumsstudie im Rahmen der Aufsätze zur Religionssoziologie bei. Im Januar 1917 hielt Max Weber ein Referat vor dem Sozialwissenschaftlichen Verein in München über die soziologischen Grundlagen der Entwicklung des Judentums, das für die Werkgeschichte von Max Webers Studien des antiken Judentums von Bedeutung ist. Ein Bericht über diesen Vortrag wird dem Band beigefügt. Kaum ein Themenbereich im Werk Max Webers ist beginnend mit den Abschnitten zu Altisrael, zur Polis Jerusalem und zum talmudischen Judentum in dem Artikel zu den Agrarverhältnissen im Altertum in der dritten Auflage des Handwörterbuchs der Staatswissenschaften von 1908/09 so dicht dokumentiert, wie der des antiken Judentums. Die Sorgfalt der biographischen und werkbiographischen Recherche entscheidet über die Qualität der Interpretation eines jeden Textes von Max Weber. Das gilt insbesondere für die hier vorgelegten Texte zum antiken Judentum, die zu den kompliziertesten und schwierigsten im Werk Max Webers gehören und sich bislang wie kaum andere einer Interpretation im Horizont der damaligen theologisch-exegetischen und judaistischen Fachdiskussion entzogen haben. Umgekehrt wird durch die Dichte der Texte, insbesondere durch das Manuskript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" aus dem Deponat Max Weber-Schäfer der Bayerischen Staatsbibliothek, Max Webers Arbeitsweise in einer Weise verdeutlicht, daß der hier vorgelegte
VIII
Vorwort
Band paradigmatische Bedeutung auch für andere Themenbereiche im Werke Max Webers hat, die weniger gut dokumentiert sind. Schließlich kommt den Studien zum antiken Judentum der Jahre 19171920 für Max Webers Religionssoziologie insgesamt Bedeutung zu, d a diese Studien die methodisch ausgereiftesten sind und ihrer Unabgeschlossenheit zum Trotz eine Summe der religionssoziologischen Methodologie darstellen. Max Weber hat die bis zum Weltkrieg höchst ausdifferenzierte protestantische Alttestamentliche Wissenschaft und die jüdische Wissenschaft des Judentums bis in die komplexen Verästelungen hinein zur Kenntnis genommen und seinen Studien des Antiken Judentums zugrundegelegt. Ohne Kenntnis dieser komplexen Forschungslage, die einhundert Jahre später schon nicht mehr selbstverständlich zur Hand ist, bleiben Max Webers Studien stumm. Dem Band ist daher eine ausführliche Einleitung vorangestellt, in der die Entwicklung von Max Webers produktiver Verarbeitung der Diskussionen dieser Wissenschaften dokumentiert wird. Für weitergehende Informationen auch gerade zum heutigen Diskussionsstand und seiner Bedeutung für eine Fortschreibung von Max Webers Studien des antiken Judentums verweise ich auf meine im Jahr 2002 im Verlag J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) in Tübingen erschienene Monographie „Max Webers Studien des Antiken Judentums. Historische Grundlegung einer Theorie der Moderne". Nach Abschluß dieser Monographie habe ich mich an die Niederschrift dieses Bandes gesetzt. Er hätte nicht ohne die Hilfe zahlreicher Mitarbeiter so zügig erscheinen können. Vor allem ist Julia Offermann zu nennen, die neben den beiden Vollstudien von Germanistik und Theologie die Zeit fand, entscheidend an der Konstituierung von Max Webers Texten mitzuarbeiten und die Textkritik zu betreuen. Martin Arneth, Michael Becker, Daniela Fischer, Bernhard Quensel, Joachim Schaper, Hanka Thiemeier und Sven Wöhler haben für die Editorischen Berichte recherchiert, Bibelstellen und rabbinische Stellenbelege für die Kommentierung gesammelt, Literatur recherchiert und bibliographiert, meine handschriftlich verfaßte Herausgeberrede der Einleitung, Editorischen Berichte, Kommentierungen und der Glossare elektronisch erfaßt, die Manuskripte und Druckfahnen mit mir zusammen Korrektur gelesen und bei der Registererstellung assistiert. Ihnen allen gilt mein Dank. Mein Dank gilt schließlich der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, die durch namhafte Förderbeträge das zügige Erscheinen des Bandes ermöglicht haben. München, 19. August 2004
Eckart Otto
Siglen, Zeichen, Abkürzungen
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§, §§ —>
1 2 3 1) ; 2)^ 3)
A, B A1, A2, B1, B2
a b c a
a b
b
A „ Aufl. a. a.a.O. abgedr. Abh. der Kgl. Sachs. G. d. Wiss. Absch., Abschn. Abt., Abteil. acc. Act. A. f. Rel.-W. AG. Agrarverhältnisse 3 ä g „ ägypt. Ak. ak. Alt. altengl. altjüd.
Seitenwechsel Zeilenwechsel in handschriftlichen Randbemerkungen und Exzerpten handschriftlicher Einschub Textersetzung Max Webers Textergänzung Max Webers gestrichene Textstelle Im edierten Text: Hinzufügung des Editors Im textkritischen Apparat: unsichere ober alternative Lesung im Bereich der von Max Weber getilgten oder geänderten Textstelle. Auslassung des Editors Ein Wort(bestandteil) oder mehrere Wörter nicht lesbar Ein Wort(bestandteil) oder mehrere Wörter innerhalb einer von Max Weber gestrichenen Textstelle nicht lesbar und Paragraph(en) siehe Indices bei Anmerkungen des Editors Indices bei Anmerkungen Max Webers Siglen für Webers Textfassungen in chronologischer Folge Seitenzählung der Fassungen A, B des Textes Indices für textkritische Anmerkungen Beginn und Ende von Texteingriffen Auflage and am angegebenen Ort abgedruckt Abhandlungen der Königlich-Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften Abschnitt Abteilung according Acta = Apostelgeschichte Archiv für Religionswissenschaft Apostelgeschichte -> Weber, Max, Agrarverhältnisse 3 ägyptisch Akademie akademisch Altertum altenglisch altjüdisch
X alttest., alttestam. Anm. Ansch. Ant. Apg, Apg., Apgesch. Ap Joh, Ap. Joh. arab. aram. Archiv Archiv f. Pap. Forschung Aristoph. Asc. Jes. ass., assyr. AT, A.T., aT, A. Test. Aufl. av.
Siglen, Zeichen,
Abkürzungen
alttestamentlich Anmerkung Anschauung Antiochus Apostelgeschichte Apokalypse des Johannes arabisch aramäisch Archiv für Sozialwissenschaften und Sozialpolitik Archiv für Papyrus Forschung Aristophanes Ascensio Jesajae (Himmelfahrt Jesajas) assyrisch Das Alte Testament / Altes Testament Auflage Aves (Aristophanes)
b. ben („Sohn") Bundesarchiv (Koblenz) BA Bab., babyl., babylon. Babylonien, babylonisch, babylonian, babylonien(ne) Babyl. Babylonier Bar. Baruch(buch) B.B. Bava Batra B.C.E. before the common era Bd. Band Bde, Bde. Bände Beih. Beiheft(e) Beihefte zur Zeitschrift für die Alttestamentliche WissenBeih. z. Z. f. A.T. Wiss. schaft Beiträge Beitr. Beiträge zur Wissenschaft vom Alten Testament Beitr. z. W. v. A.T., Beitr. z. Wiss. v. A.T. Berlin, Berliner Berl. Bertholet, Alfred, Die Stellung der Israeliten zu den FremBertholet, Stellung den. - Freiburg/Br.: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1896. bes. besonders bibl. biblisch, biblical Biblia Hebraica Biblia Hebraica, hg. von Rudolph Kittel. - Leipzig: J.C. Hinrichs'sche Buchhandlung 2. Auflage 1912. Bl*.' Blatt Bousset, Judentum Bousset, Wilhelm, Die Religion des Judentums im neutestamentlichen Zeitalter. - Berlin: Reuther & Reichard 2. Auflage 1906. Br. Breisgau Brit. Mus. British Museum BSB Bayerische Staatsbibliothek (München) bzw. beziehungsweise c., cap. ca.
Kapitel circa
Siglen, Zeichen, Carena, History
cf. Christi. Chamberlain, Grundlagen Chron, Chron. Clementz, Altertümer l-ll Clementz, G e s c h i c h t e Clementz, Schriften
d. d., D., dt., dtsch. d. Ä. Da. das. dass. Dec. Delitzsch, Briefwechsel
Abkürzungen
XI
Carena, Omar, History of the Near Eastern Historiography a n d its Problems: 1 8 5 2 - 1 9 8 5 . Part One: 1 8 5 2 - 1 9 4 5 (Alter Orient u n d Altes Testament 218/1). - Kevelaer: Butzon & Bercker / Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 1989. confer, v e r g l e i c h e christlich C h a m b e r l a i n , Houston Stewart, Die G r u n d l a g e n d e s n e u n z e h n t e n J a h r h u n d e r t s . - M ü n c h e n : F. B r u c k m a n n 9. A u f l a g e 1909. Chronik(buch) Des Flavius J o s e p h u s J ü d i s c h e Altertümer. Übersetzt u n d mit Einleitung und A n m e r k u n g e n v e r s e h e n v o n Heinrich Clementz. 2 Bände. - Halle: O. H e n d e l 1 8 9 9 - 1 9 0 0 . Flavius J o s e p h u s . G e s c h i c h t e d e s J ü d i s c h e n Krieges. Übersetzt u n d mit Einleitung u n d A n m e r k u n g e n v e r s e h e n v o n Heinrich Clementz. - Halle: O. H e n d e l 1900. Des Flavius J o s e p h u s kleinere Schriften. Selbstbiographie. G e g e n Apion. Ü b e r d i e Makkabäer. Übersetzt u n d mit Einleitung u n d A n m e r k u n g e n v e r s e h e n v o n Heinrich Clementz. - Halle: O. H e n d e l 1901.
Denkschr. ders. Deut. dgl. d. Gr. d.h. d.i. dies. Dipl. Ing. Diss. d. M. D.O.G. Dr., D r dt., dtsch.
der, die, d a s deutsch der Ältere Daniel(buch) daselbst dasselbe Dezember Briefwechsel z w i s c h e n Franz Delitzsch u n d Wolf W i l h e l m Graf Baudissin 1 8 6 6 - 1 8 9 0 , hg. v o n Otto Eißfeldt u n d Karl Heinrich Rengstorf ( A b h a n d l u n g e n der Rheinisch-Westfälischen A k a d e m i e der W i s s e n s c h a f t e n 43). - O p l a d e n : W e s t d e u t s c h e r Verlag 1973. Denkschrift(en) derselbe D e u t e r o n o m i u m = fünftes B u c h M o s e dergleichen der Große d a s heißt d a s ist dieselbe Diplom-Ingenieur Dissertation des Monats D e u t s c h e Orient Gesellschaft Doktor deutsch(e)
Dt, Dtn
D e u t e r o n o m i u m = fünftes B u c h M o s e
E
Elohist, elohistische Quelle im Pentateuch
XII E1, E2, E 3
Siglen, Zeichen, Abkürzungen
eng., engl. E.O. ep. Erg.-Bd. Esra etc. Ethik etw. Ev. Ex, Ex., Exod. Ez, Ez., Ezech. exil.
literarkritische Differenzierungen der elohistischen Quelle im Pentateuch ebenda Eduard eigentlich Weber, Max, Einleitung E n c y c l o p e d i a of Religion. 15 B ä n d e . - New. York: T h o m son Gale 2. A u f l a g e 2005. englisch Eckart Otto epoque Ergänzungsband Esra(buch) et c e t e r a Weber, Max, Protestantische Ethik etwas Evangelium E x o d u s = zweites B u c h M o s e Ezechiel(buch) exilisch
Festschr. f., ff. f. fol. Forsch, z. Rel. u. Lit. d e s A.T. u. N.T. franz. frdl.
Festschrift folgend(e) für folio (Blatt) F o r s c h u n g e n zur Religion u n d Literatur d e s Alten u n d N e u e n Testaments französisch freundlich
G. G., Ges., Gesellsch. Gal. GASW
Geschichte Gesellschaft Galater(brief) Weber, Max, G e s a m m e l t e A u f s ä t z e zur Sozial- u n d Wirts c h a f t s g e s c h i c h t e . - T ü b i n g e n : J . C . B . Mohr (Paul Sieb e c k ) 1. A u f l a g e 1924. Grundriß der Sozialökonomik. A b t e i l u n g l-IX. - T ü b i n g e n : J . C . B . Mohr (Paul S i e b e c k ) 1. A u f l a g e 1 9 1 4 - 1 9 3 0 . geboren Geheimrat G e n e s i s = erstes B u c h M o s e Geschichte geschichtlich - > Weber, Max, Rel. G e m e i n s c h a f t e n Gesenius, Wilhelm, H e b r ä i s c h e s u n d a r a m ä i s c h e s H a n d w ö r t e r b u c h über d a s Alte Testament. Bearbeitet v o n Frants Buhl. - Leipzig: F.C.W. Vogel 15. A u f l a g e 1910. G e n e s i s = erstes B u c h M o s e Der B a b y l o n i s c h e Talmud, n a c h der ersten zensurfreien A u s g a b e unter B e r ü c k s i c h t i g u n g der n e u e r e n A u s g a b e n u n d handschriftlichen Materials ins D e u t s c h e n e u übertra-
ebd. Ed. eigentl. Einleitung Enc. Rei. 2
G d S , G.d.S.Ö. geb. Geh. Rat Gen, Gen. Gesch. gesch. Gemeinschaften Gesenius, H a n d wörterbuch Gn. G o l d s c h m i d t , Talmud l-XII
Siglen, Zeichen,
Abkürzungen
XIII
gen durch Lazarus Goldschmidt. 12 Bände. - Berlin: Jüdischer Verlag 1 9 3 0 - 1 9 3 6 (Band 1 zuerst Berlin: Biblion 1929). Göttingen Gott, griechisch griech. Graetz, Heinrich, Geschichte der J u d e n von den ältesten Graetz, Geschichte Zeiten bis zur Gegenwart. Band 3: Geschichte der J u d e n 111/1 v o m Tode J u d a Makkabis bis z u m Untergang des jüdischen Staates. Teilband 1. - Leipzig: Oskar Leiner 1905. Graetz, Heinrich, Geschichte der J u d e n von den ältesten Graetz, Geschichte Zeiten bis zur Gegenwart. Band 3: Geschichte der J u d e n III/2 v o m Tode Juda Makkabis bis z u m Untergang des jüdischen Staates. Teilband 2. - Leipzig: Oskar Leiner 1908. Graetz, Geschichte IV Graetz, Heinrich, Geschichte der J u d e n von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Band 4: Geschichte der Juden v o m Untergang des jüdischen Staats bis zum Abschluß des Talmuds. - Leipzig: Oskar Leiner 1909. Grundriß der Sozialökonomik. Abteilung l-IX. - Tübingen: Grundriß J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1. Auflage 1 9 1 4 - 1 9 3 0 . Geheimes Staatsarchiv (Berlin) GStA H. Hab, Hab., Habak. Handbuch hebr. Hen. Hennis, Fragestellung herausgeg. Herod. Herrschaft Hes, Hes. Hg. hg. Hg.-Anm. Hinduismus hist. hl. Ho, Hos, Hos. Hübinger, Kulturprotestantismus
i. f. incl. Inst. Jud. israelit. ital.
Historiae (Tacitus) Habakuk(buch) H a n d b u c h der Politischen Ökonomie / H a n d b u c h der Sozialökonomik hebräisch Henoch(apokalypse) Hennis, Wilhelm, Max Webers Fragestellung. Studien zur Biographie des Werks. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1987. herausgegeben Herodot Weber, Max, Herrschaft Hesekiel (Ezechiel)(-buch) Herausgeber herausgegeben Herausgeber-Anmerkung - > Weber, Max, Hinduismus historisch heilig Hosea(buch) Hübinger, Gangolf, Kulturprotestantismus und Politik. Z u m Verhältnis von Liberalismus und Protestantismus im wilhelminischen Deutschland. - Tübingen: J.C.B Mohr (Paul Siebeck) 1994. im folgenden inklusive Institutum J u d a i c u m israelitisch italienisch
XIV
Siglen, Zeichen,
J 1
2
3
a
J , J , J , J , J
b
J. Jacobsen, Max Weber Jahrb. Jdc JE Jepsen, Wellhausen
Jer, Jer., Jerem. Jes, Jes. Jew. Jewish Quart Rev., J.Q.R. Jew. Quart. R.N.S., Jewish Quarterly Review N. Ser., Jewish Q.R.N.S., J.Q.R.N.S.
Abkürzungen
Jahwist, jahwistische Quelle im Pentateuch literarkritische Differenzierungen der jahwistischen Quelle im Pentateuch Jahr Jacobsen, Bjarne, Max Weber und Friedrich Albert Lange. Rezeption und Innovation. - Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag 1999. Jahrbuch, Jahrbücher Judicum = Richterbuch Jehow(v)ist. Vereinigung der jahwistischen und elohistischen Quellen im Pentateuch Jepsen, Alfred, Wellhausen in Greifswald, in: ders., Der Herr ist Gott. Aufsätze zur Wissenschaft vom Alten Testament. - Berlin: Evangelische Verlagsanstalt 1978, S. 254270. Jeremia(buch) Jesaja(buch) Jewish Jewish Quarterly Review Jewish Quarterly Review (New Series)
JgJh., Jhd. Joel Joh, Joh. Jos, Jos. Jos. bell. Journ. Journ. of Bibl. Lit. Jrm(.) Jt. Jud. Judent. judic. jun. jurid.
Jahrgang Jahrhundert Joel(buch) Johannes(evangelium) Josua(buch) Josephus, Bellum ludaicum Journal Journal of Biblical Literature Jeremia(buch) Jahrtausend Judicum = Richterbuch Judentum judicaire junior juridique
K. Kais. Kap. Kautzsch, Apokryphen I
Könige(buch) Kaiserlich Kapitel Kautzsch, Emil, Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments. Band 1: Die Apokryphen des Alten Testaments. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1900. Kautzsch, Emil, Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments. Band 2: Die Pseudepigraphen des Alten Testaments. -Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1900.
Kautzsch, Apokryphen II
Siglen, Zeichen, Kautzsch, Schrift
Kg, Kg., Kge Kinzig, Harnack
k.k. Kl. Klagel. Kön, Kön. König, Max Weber
Konfuzianismus Kor, Kor. Kr. Kr. k.u.k. L. L. lat. Lev., Levit. Lichtblau, Kulturkrise Lin, Ethik
Lpz., Leipz. Lit. Luc., Luk. LXX M M. Makk., Makkab., Mk. Mal. Marb. Mark. Mass. Matth. Mch M. d. D. O. G. M. D. V. A. G., M. d. V. A. Ges.
Abkürzungen
XV
Kautzsch, Emil (Hg.), Die Heilige Schrift des Alten Testaments. - Freiburg/Breisgau: J . C . B . Mohr (Paul Siebeck) 2. Auflage 1896. Könige(buch) Kinzig, Wolfram, Harnack, Marcion und das Judentum. Nebst einer kommentierten Edition des Briefwechsels Adolf von Harnacks mit Houston Stewart Chamberlain (Arbeiten zur Kirchen- und Theologiegeschichte 13). - Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2004. kaiserlich-königlich Klasse Klagelieder Könige(buch) König, Rene/Winckelmann, Johannes (Hg.), Max Weber zum Gedächtnis, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 7 (Sonderheft) 1963. Weber, Max, Konfuzianismus Korinther(brief) Kultur Kritiken kaiserlich-österreichisch(e) und königlich-ungarisch(e) Levitikus = drittes Buch Mose Literatur lateinisch Levitikus = drittes Buch Mose Lichtblau, Klaus, Kulturkrise und Soziologie um die Jahrhundertwende. Zur Genealogie der Kultursoziologie in Deutschland. - Frankfurt/Main: Suhrkamp 1996. Lin, Duan, Konfuzianische Ethik und Legitimation der Herrschaft im alten China. Eine Auseinandersetzung mit der vergleichenden Soziologie Max Webers (Soziologische Schriften 64). - Berlin: Duncker & Humblot 1997. Leipzig Literatur Lukas(evangelium) Septuaginta Mose(buch) Mitteilungen Makkabäer(buch) Maleachi(buch) Marburger Markus(evangelium) Massachusetts Matthäus(evangelium) Micha(buch) Mitteilungen der Deutschen Orient Gesellschaft Mitteilungen der Vorderasiatischen Gesellschaft
XVI
Siglen, Zeichen,
Abkürzungen
Meyer, Geschichte I1
Meyer, Eduard, Geschichte des Alterthums. Band I. Geschichte des Orients bis zur Begründung des Perserreiches. - Stuttgart: Verlag der J.G. Cotta'schen Buchhandlung 1884. Meyer, Geschichte II1 Meyer, Eduard, Geschichte des Alterthums. Band II. Geschichte des Abendlandes bis auf die Perserkriege. Stuttgart: J.G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger 1893. Meyer, Geschichte III1 Meyer, Eduard, Geschichte des Alterthums. Band III. Das Perserreich und die Griechen. Erste Hälfte. Bis zu den Friedensschlüssen von 448 und 446 v.Chr. - Stuttgart: J.G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger 1901. Meyer, Geschichte 1/12 Meyer, Eduard, Geschichte des Altertums. Band 1,1. Elemente der Anthropologie. - Stuttgart: J.G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger 2. Auflage 1907. Meyer, Geschichte I/22 Meyer, Eduard, Geschichte des Altertums. Band l,2. Die ältesten geschichtlichen Völker und Kulturen bis zum sechzehnten Jahrhundert. - Stuttgart: J.G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger 2. Auflage 1907. Morgenländische Gesellschaft M.G. Micha(buch) Mi, Mi., Mich, Mich. mittelhebräisch mittelhebr. Mitteilungen Mitt. Markus(evangelium) Mk Mark MK. Mosse, Werner/Paucker, Arnold (Hg.), Juden im WilhelmiMosse, Juden nischen Deutschland 1890-1914. Ein Sammelband (Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo-Baeck-Instituts 33). - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1976. Manuskript Mscr., Mskr, M.S. Matthäus(evangelium) Mt. meines Wissens m. W. Max Weber-Gesamtausgabe; vgl. die Übersicht zu den MWG Einzelbänden am Schluß des 2. Halbbandes.
N. nachexil. NB Neh, Neh. NI. N.N. No. Nr. N. Ser., N.S. NT, N.T. Num, Num. n.Chr. n. w.
Nachrichten nachexilisch notabene Nehemia(buch) Nachlaß nomen nescio, Name unbekannt Number, Nummer Nummer New Series Neues Testament Numeri = viertes Buch Mose nach Christus nordwestlich
organis.
organisation
Siglen, Zeichen, Otto, Ethik Otto, Max W e b e r Otto, Pharisäer
Otto, Rechtsgeschichte
Otto, Vortrag
Abkürzungen
XVII
Otto, Eckart, T h e o l o g i s c h e Ethik d e s Alten Testaments (Theologische W i s s e n s c h a f t e n 3/2). - Stuttgart: K o h l h a m mer 1994. Otto, Eckart, Max W e b e r s Studien d e s Antiken J u d e n tums. Historische G r u n d l e g u n g einer Theorie der M o d e r ne. - T ü b i n g e n : J . C . B . Mohr (Paul S i e b e c k ) 2002. Otto, Eckart, Die Pharisäer. Eine w e r k b i o g r a p h i s c h e Interpretation der g l e i c h n a m i g e n Studie Max W e b e r s einschließlich d e s unveröffentlichten Schürer-Exzerptes B S B A n a 446, in: Zeitschrift für Altorientalische u n d B i b l i s c h e R e c h t s g e s c h i c h t e 8, 2002, S. 1 - 8 7 . Otto, Eckart, Max W e b e r u n d die m e s o p o t a n i s c h e Rechtsg e s c h i c h t e . Mit einer w e r k b i o g r a p h i s c h e n Interpretation der unveröffentlichten Exzerpte GStA PK, VI. HA. Nl. Max Weber, Nr. 31, Bd. 2, Bl. 2 5 3 - 2 5 3 R u n d 258, in: Mitteilung e n der Ernst-Troeltsch-Gesellschaft 15, 2002, S. 4 1 - 8 8 . Otto, Eckart, Max W e b e r s M ü n c h n e r Vortrag zur soziologis c h e n G r u n d l a g e der Entwicklung d e s J u d e n t u m s vor d e m Sozialwissenschaftlichen Verein a m 24. J a n u a r 1917, in: Zeitschrift für Altorientalische u n d Biblische R e c h t s g e s c h i c h t e 10, 2004, S. 3 1 7 - 3 2 8 .
P p. Pap. Par., par. Parr., parr. pers. phil. Phil. PI. pp. preuß. Jahrb. Prof. prot., protest. Prov, Prov. Ps, Ps. Ps.-Jonathan Ps. Sal. PSt. pubi.
Priesterschrift, priesterliche Quelle im Pentateuch pagina, p a g e Papyrus Parallele, parallel Parallelen, parallel (Mehrzahl) persisch philosophisch Philipper(brief) Plural u n d so fort preußische J a h r b ü c h e r Professor protestantisch Proverbien (Sprüche) Psalm P s e u d o - J o n a t h a n (Targum) Psalmen Salomons Poststempel publication
q., quart.
quarterly
R R. R. Rd RE 3
Rückseite Rabbi Revue deuteronomi(sti)scher Redaktor R e a l e n c y c l o p ä d i e für protestantische T h e o l o g i e u n d Kirche, 2 4 B ä n d e . - Leipzig: J.C. Hinrichs'sche B u c h h a n d lung 3. A u f l a g e 1 8 9 7 - 1 9 1 3 .
XVIII Recht Reg, Reg. Rel. Gemeinschaften Rel., rel., Relig., relig. religionsgesch., religionsgeschichtl. religionssoz., religionssoziol. Rep. rer. oec. Rev. d'Assyr. RGG 1 RGG 4
Rohde, Psyche Rom., Rm. S. S. s. Sach, Sach. Sam, Sam. sc. Schluchter, Religion
Siglen, Zeichen,
Abkürzungen
Weber, Max, Recht Regum (Königebuch) —> Weber, Max, Rel. Gemeinschaften Religion, religiös religionsgeschichtlich religionssoziologisch(en) Repertorium rerum o e c o n o m i c a r u m Revue d'Assyriologie et d'Archéologie orientale Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 5 Bände. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1. Auflage 1909 1913. Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 8 Bände. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 4. Auflage 1 9 9 8 - 2 0 0 5 (engl. Übersetzung: Religion. Past and Present. - Leiden: E.J. Brill 2005ff.). Rohde, Erwin, Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen, 2 Bände. - Freiburg: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 2. Auflage 1898. Römer(brief)
Seite Sepher („Buch") siehe Sacharja(buch) Samuel(buch) scilicet Schluchter, Wolfgang, Religion und Lebensführung. Band 2: Studien zu Max Webers Religions- und Herrschaftssoziologie. - Frankfurt/Main: Suhrkamp 1988. Schluchter, Vergleich Schluchter, Wolfgang, Vergleich und Entwicklungsgeschichte: Exemplarisches in der Studie über das antike Judentum, in: Luchesi, Brigitte/von Stuckrad, Kocku (Hg.), Religion im kulturellen Diskurs. Festschrift für Hans G. Kipp e n b e r g zu seinem 65. Geburtstag. - Berlin/New York: d e Gruyter 2004, S. 7 1 - 1 0 1 (engl. Fassung in: Archives de Sociologie des Religions 127, 2004, S. 3 3 - 5 6 ) . Schluchter, Wolfgang, Zeitgemäße Unzeitgemäße. Von Schluchter, Friedrich Nietzsche über Georg Simmel zu Max Weber, in: Zeitgemäße Revue Internationale de Philosophie 49, 1995, S. 4 1 4 - 4 3 2 (wieder a b g e d r u c k t in: ders., Unversöhnte M o d e r n e [Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 1228]. - Frankfurt/ Main: Suhrkamp 1996, S. 166-185). Schürer, Geschichte II3 Schürer, Emil, Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi. Band 2: Die inneren Zustände. - Leipzig: J.C. Hinrichs'sche Buchhandlung 3. Auflage 1898. Schürer, Geschichte I 4 Schürer, Emil, Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi. Band 1: Einleitung und politische Geschichte. - Leipzig: J.C. Hinrichs'sche B u c h h a n d l u n g 4. Auflage 1901.
Siglen, Zeichen, Abkürzungen
XIX
Schürer, Geschichte II4 Schürer, Emil, Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi. Band 2: Die inneren Zustände. - Leipzig: J.C. Hinrichs'sche Buchhandlung 4. Auflage 1907. Schürer, Emil, Geschichte des jüdischen Volkes im ZeitalSchürer, Geschichte ll|4 ter Jesu Christi. Band 3: Das Judentum in der Zerstreuung und die jüdische Literatur. - Leipzig: J.C. Hinrichs'sche Buchhandlung 4. Auflage 1909. semitisch semit. senior sen. Sib. Sibylle / Sibyllinen sie so Sieg, Intellektuelle Sieg, Ulrich, Jüdische Intellektuelle im Ersten Weltkrieg. Kriegserfahrungen, weltanschauliche Debatten und kulturelle Neuentwürfe. - Berlin: Akademie-Verlag 2001. s.i.f. siehe im folgenden Sitz.-Ber., Sitzungsber. Sitzungsbericht(e) Sitz.b. der Beri. Ak. d. Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der WissenWiss. Phil.-hist. Kl.; schaften, Philosophisch-philologische und Historische Sitzungsber. der Klasse (Berliner Akademie) Beri. Ak. d. Wiss. Phil.-hist. Kl.; Sitz.Ber. d. Beri. Ak. d. W. Philhist. Kl.; Sitz.Ber. d. Beri. Ak. Phil, hist. Kl. Sitz.b. der Münchener Sitzungsberichte der Bayerischen A k a d e m i e der WissenAk. d. W. Phil.-hist. schaften, Philosophisch-Historische Klasse (Münchner Kl.; Sitzb. der Akademie) Münch. Ak. d. W. Phil.-hist. Kl. s.o. siehe o b e n sogenannte(n) sog., sogen. Sombart, J u d e n Sombart, Werner, Die J u d e n und das Wirtschaftsleben. Leipzig: Duncker & Humblot 1911. Sozialwissenschaft(en) Sozialwiss. soziologisch soz., soziolog. Sozialpolitik Soz Politik Spalte Sp. Studien St. Straße Str. Strathmann, Hermann, Geschichte der frühchristlichen Strathmann, Askese Askese bis zur Entstehung des Mönchtums im religionsgeschichtlichen Zusammenhange. Band 1: Die Askese in der U m g e b u n g des w e r d e n d e n Christentums. - Leipzig: A. Deichertsche Verlagsbuchhandlung 1914. siehe unten s.u. sub v o c e m s.v. seiner Zeit s. Z. Test. Benj. Test. Issach.
Testament Benjamin Testament Issachar
XX
Siglen, Zeichen,
Abkürzungen
Theol. theol. Thess. Th. L.Z., ThLZ, TLZ Tl. Tritojes. Typen
Theologie theologisch Thessalonicher(brief) Theologische Literaturzeitung Transliteration, Transkription Trltojesaja Weber, Max, Typen
u. u.a. u. dgl. Übers. Unters., Untersuch. u.ö. u.s.w.
und unter anderem, und andere und dergleichen Übersetzung Untersuchungen und öfter und so weiter
V. V., v.
Verein Vers von, vom Verlagsarchiv vor Christus vergleiche, vergleichend Weber, Max, Vorbemerkung von unten
V, V.
VA v.Chr. vergl., vgl. Vorbemerkung v.u. W. Weber, Ferdinand, System
Wissenschaft Weber, Ferdinand, System der altsynagogalen palästinischen Theologie aus Targum, Midrasch und Talmud, hg. von Franz Delitzsch und Georg Schnedermann. - Leipzig: Dörffling & Franke 1880. Weber, Marlanne, Max Weber. Ein Lebensbild. - TübinWeber, Marianne, gen: J.C.B. Mohr (Paul Slebeck) 3. Auflage 1984. Lebensbild Weber, Max, Agrarver- Weber, Max, Agrarverhältnisse Im Altertum, In: Handwörterbuch der Staatswissenschaften. Band 1 (hg. von J. hältnisse 3 Conrad, L. Elster, W. Lexis, Edg. Loening). - Jena: Gustav Fischer 3. gänzlich umgearbeitete Auflage 1909, S . 5 2 188 (MWG I/6). Weber, Max, Einleitung, in: ders., Konfuzianismus, S . 8 3 Weber, Max, 126. Einleitung Weber, Max, Typen der Herrschaft, in: ders., WuG 1 , S . 6 0 1 Weber, Max, 817 (MWG I/22-4). Herrschaft Weber, Max, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. HinWeber, Max, duismus und Buddhismus. Schriften 1916-1920 (MWG I/ Hinduismus 20, hg. von Helwig Schmidt-Glintzer). - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1996. Weber, Max, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. KonWeber, Max, fuzianismus und Taoismus. Schriften 1915-1920 (MWG I/ Konfuzianlsmus 19, hg. von Helwig Schmidt-Glintzer). - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Slebeck) 1989. Weber, Max, Zur Musiksoziologie. Nachlaß 1921 (MWG Weber, Max, 1/14, hg. von Christoph Braun und Ludwig Finscher). - TüMusiksoziologie bingen: J.C.B. Mohr (Paul Slebeck) 2004.
Siglen, Zeichen,
Abkürzungen
XXI
Weber, Max, Protestan- Weber, Max, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Relitische Ethik gionssoziologie. Band 1. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1. Auflage 1920, S. 17-206 (MWG 1/18). Weber, Max, Rechtssoziologie, in: ders., WuG 1 , S . 3 8 7 Weber, Max, Recht 512 (MWG I/22-3). Weber, Max, Rei. Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. NachGemeinschaften laß. Teilband 2: Religiöse Gemeinschaften (MWG I/22-2, hg. von Hans G. Kippenberg). - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 2001. Weber, Max, Typen Weber, Max, Die Typen der Herrschaft, in: ders., WuG 1 , S. 122-176 (MWG I/23). Weber, Max, Weber, Max, Vorbemerkung, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. Band 1. - T ü b i n g e n : J.C.B. Vorbemerkung Mohr (Paul Siebeck) 1. Auflage 1920, S. 1 - 1 6 (MWG 1/18). Weber, Max, Wissen- Weber, Max, Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. -Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1922 (MWG I/7 schaftslehre und MWG 1/12). Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft (Grundriß der Weber, Max, WuG 1 ' 2 Sozialökonomik, Abteilung III). - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1. Auflage 1922 (MWG 1/22-1 bis 6 und MWG I/23); 2. Auflage 1925. Weber, Max, Zwischenbetrachtung, in: ders., KonfuzianisWeber, Max, Zwischenbetrachtung mus, S. 479-522. weltlich(er etc.) weltl. Wirtschaft Wirtsch. Wissenschaft(en) Wiss. Wissenschaftslehre -> Weber, Max, Wissenschaftslehre Wissenschaftslehre WL wörtlich wörtl. Wellhausensche Schule W.sche Schule Weber, Max, WuG 1 WuG 1 z. Z. Zach. Z.A.T.W., Zf. Altt. Wiss., Z. f. Altt. Wiss., Z. f. A.W., Z. f. A.T.W., Z. f. A.T. Wiss., Z. f. A.-T.W., ZAW z.B. Z.D.M.G., Z D M G Z.D.P.V., ZDPV Zeph. z.T. Zwischenbetrachtung
zu, zum, zur Zeitschrift Zacharja(buch) = Sacharja(buch) Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft
zum Beispiel Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins Zephania(buch) zum Teil Weber, Max, Zwischenbetrachtung
Bezeichnung biblischer und jüdischer Schriften
I. Altes Testament Pentateuch (fünf Bücher Mose) Genesis (1. Buch Mose) Exodus (2. Buch Mose) Levitikus (3. Buch Mose) Numeri (4. Buch Mose) Deuteronomium (5. Buch Mose)
Vordere Propheten Josua Richter 1 Samuel 2 Samuel 1 Könige 2 Könige
Obadja Jona Micha Nahum Habakuk Zephanja Haggai Sacharja Maleachi
Schriften
Hintere Propheten Jesaja Jeremia Ezechiel (Hesekiel) Hosea Joel Arnos
Psalmen Proverbien (Sprüche) Hiob Hohes Lied Ruth Klagelieder Qohelet (Prediger) Esther Daniel Esra Nehemia 1 Chronik 2 Chronik
II. Apokryphen des Alten Testaments Das Das Das Das
dritte Buch Esra (Kautzsch, Apokryphen I, S. 1-23) erste Buch der Makkabäer (Kautzsch, Apokryphen I, S. 24-81) zweite Buch der Makkabäer (Kautzsch, Apokryphen I, S. 81-119) sogen, dritte Buch der Makkabäer (Kautzsch, Apokryphen I, S. 119-135)
Das Buch Tobit (Kautzsch, Apokryphen I, S. 135-147) Das Buch Judith (Kautzsch, Apokryphen I, S. 147-164) Das Buch Baruch (Kautzsch, Apokryphen I, S. 213-225) Der Brief Jeremias (Kautzsch, Apokryphen I, S. 226-229) Die Sprüche Jesus', des Sohnes Sirach (Kautzsch, Apokryphen I, S.230-475) Die Weisheit Salomonis (Kautzsch, Apokryphen I, S. 476-507)
XXIV
Bezeichnung biblischer und jüdischer Schriften
III. Pseudepigraphen des Alten Testaments Der Aristeasbrief (Kautzsch, A p o k r y p h e n II, S. 1 - 3 1 ) Das Buch der Jubiläen (Kautzsch, A p o k r y p h e n II, S . 3 1 - 1 1 9 ) Das Martyrium Jesajae (Kautzsch, A p o k r y p h e n II, S. 1 1 9 - 1 2 7 ) Die Psalmen Salomonis (Kautzsch, A p o k r y p h e n II, S. 1 2 7 - 1 4 8 ) Das sogen, vierte Buch der Makkabäer (Kautzsch, A p o k r y p h e n II, S. 1 4 9 - 1 7 7 ) Die Sibyllinischen Orakel (Kautzsch, A p o k r y p h e n II, S. 1 7 7 - 2 1 7 ) Das Buch Henoch (Kautzsch, A p o k r y p h e n II, S . 2 1 7 - 3 1 0 ) Die Himmelfahrt Moses (Kautzsch, A p o k r y p h e n II, S . 3 1 1 - 3 3 1 ) Das vierte Buch Esra (Kautzsch, A p o k r y p h e n II, S . 3 3 1 - 4 0 2 ) Die Apokalypsen des Baruch (Kautzsch, A p o k r y p h e n II, S . 4 0 2 - 4 5 7 ) Die syrische Baruchapokalypse (Kautzsch, A p o k r y p h e n II, S . 4 0 4 - 4 4 6 ) Die griechische Baruchapokalypse (Kautzsch, A p o k r y p h e n II, S . 4 4 6 - 4 5 7 ) Die Testamente der 12 Patriarchen, der Söhne Jakobs (Kautzsch, A p o k r y p h e n II, S. 4 5 8 - 5 0 6 ) Das Leben A d a m s und Evas (Kautzsch, A p o k r y p h e n II, S . 5 0 6 - 5 2 8 )
IV. Neues Testament Evangelien Matthäus Markus Lukas Johannes Apostelgeschichte
Briefe des Paulus Römerbrief 1. Korintherbrief 2. Korintherbrief Galaterbrief Epheserbrief Philipperbrief Kolosserbrief 1. Thessalonicherbrief
2. Thessalonicherbrief 1. Timotheusbrief 2. Timotheusbrief Titusbrief Philemonbrief
Die übrigen Briefe Hebräerbrief Jakobusbrief 1. Petrusbrief 2. Petrusbrief 1. Johannesbrief 2. Johannesbrief 3. Johannesbrief Judasbrief Apokalypse des Johannes
V. Traktate von Mischna, Tosefta und Talmud Ohalot Arakhin
Traktat Ahiluth. Von der Bezeltung (Goldschmidt, Talmud XII, S. 6 5 3 - 6 8 9 ) . Traktat Ärakhin. Vom Schätzgelübde (Goldschmidt, Talmud XI, S . 6 4 1 - 7 5 8 ) .
Bezeichnung Avoda Sara Avot
Bava Batra Bava Mezi'a Bava Qama Bekhorot Berakhot Bikkurim
Chagiga Challa Chullin
biblischer und jüdischer
Schriften
XXV
Traktat Ävoda Zara. Vom Götzendienste (Goldschmidt, Talmud IX, S. 431-661). Traktat Aboth. Sprüche der Väter (Goldschmidt, Talmud IX, S. 663-687). Traktat Baba Bathra. Letzte Pforte (Goldschmidt, Talmud VIII, S. 1-469). Traktat Baba Megi'a. Mittlerste Pforte (Goldschmidt, Talmud VII, S. 427-862). Traktat Baba Qamma. Erste Pforte (Goldschmidt, Talmud VII, S. 1 - 4 2 5 ) Traktat Bekhoroth. Von der Erstgeburt (Goldschmidt, Talmud XI, S. 449-639). Traktat Berakhoth. Von den Segenssprüchen (Goldschmidt, Talmud I, S. 1-291). Traktat Bikkurim. Von den Erstlingen (Goldschmidt, Talmud I, S. 427-434). Traktat Uagiga. Vom Festopfer (Goldschmidt, Talmud IV, S. 235-319). Traktat Halla. Von der Teighebe (Goldschmidt, Talmud I, S. 409-418). Traktat Mulin. Von der Profanschlachtung (Goldschmidt, Talmud XI, S. 1-447).
Demai
Traktat Demaj. Vom Demaj (Goldschmidt, Talmud I, S . 3 0 9 322)
Edujjot
Traktat 'Edijoth. Die Bekundungen (Goldschmidt, Talmud IX, S. 403-429). Traktat 'Erubin. Von der Vereinigung (Goldschmidt, Talmud II, S. 1-309).
Eruvin
Gittin
Traktat Gittin. Von der Ehescheidung (Goldschmidt, Talmud VI, S. 187-501)
Horajot
Traktat Horajoth. Von den Entscheidungen (Goldschmidt, Talmud IX, S. 689-752).
Jevamot
Traktat Jabmuth. Von der Schwagerehe (Goldschmidt, Talmud IV, S. 321 -762). Traktat Jadajim. Von der Händeunreinheit (Goldschmidt, Talmud XII, S.843-853) Traktat Joma. Vom Versöhnungstage (Goldschmidt, Talmud III, S. 1-264). Traktat Jom Tob. Vom Festtage (Goldschmidt, Talmud III, S. 415-528).
Jadajim Joma Jom Tov
Kelim
Traktat Kelim. Von den Geräten (Goldschmidt, Talmud XII, S. 589-651).
XXVI
Ketubbot Keritot Kil'ajim Ma'asrot Makkot Makhshirin Ma'aser Sheni Megilla Me'ila Menachot Middot Miqwa'ot M o ' e d Qatan Nasir Nedarim Nega'im Nidda
Bezeichnung
biblischer
und jüdischer
Schriften
Traktat Kethuboth. Von der Ehelichung (Goldschmidt, Talm u d V, S. 1 - 3 6 7 ) Traktat Kerethoth. Von der Ausrottung (Goldschmidt, Talm u d XII, S. 1 1 3 - 2 4 2 ) Traktat Kil'ajim. Von den Mischungen (Goldschmidt, Talmud I, S . 3 2 3 - 3 4 0 ) . Traktat Ma'asroth. Von den Zehnten (Goldschmidt, Talmud I, S . 3 8 3 - 4 0 8 ) . Traktat Makkoth. Von der Geisselung (Goldschmidt, Talmud IX, S. 1 4 9 - 2 3 6 ) Traktat Makhsirin. Von der Empfänglichkeit (Goldschmidt, Talmud XII, S. 8 0 5 - 8 1 9 ) . Traktat Maa'ser Seni. Vom zweiten Zehnten (Goldschmidt, Talmud I, S . 3 9 5 - 4 0 8 ) . Traktat Megilla. Von der Esterrolle (Goldschmidt, Talmud IV, S. 1 - 1 3 2 ) . Traktat Me'ila. Von der Veruntreuung (Goldschmidt, Talmud XII, S . 2 4 3 - 2 9 0 ) . Traktat Menabot. Von den Speisopfern (Goldschmidt, Talm u d X, S. 3 8 3 - 7 5 0 ) . Traktat Middoth. Von den Tempelmassen (Goldschmidt, Talm u d XII, S. 3 1 7 - 3 3 0 ) Traktat Miqvaoth. Vom Tauchbade (Goldschmidt, Talmud XII, S . 7 8 1 - 8 0 3 ) . Traktat M o ' e d Qatan. Vom Halbfeste (Goldschmidt, Talmud IV, S. 133-233). Traktat Nazir. Vom Nazirate (Goldschmidt, Talmud V, S. 541 690). Traktat Nedarim. Von den G e l ü b d e n (Goldschmidt, Talmud V, S. 3 6 9 - 5 4 0 ) . Traktat Nega'im. Vom Aussatz (Goldschmidt, Talmud XII, S. 6 9 1 - 7 2 6 ) Traktat Nidda. Von der Menstruation (Goldschmidt, Talmud XII, S . 3 4 1 - 5 8 8 ) .
Orla
Traktat 'Orla. Vom Ungeweihten (Goldschmidt, Talmud I, S. 4 1 9 - 4 2 6 ) .
Para
Traktat Para. Von der roten Kuh (Goldschmidt, Talmud XII, S. 7 2 7 - 7 5 2 ) . Traktat Pea. Vom Eckenlass (Goldschmidt, Talmud I, S. 2 9 3 307). Traktat Pesahim. Vom Pesahfeste (Goldschmidt, Talmud II, S. 3 1 1 - 6 8 3 )
Pe'a Pesachim Qiddushin Qinnim
Traktat Qiddusin. Von der Antrauung (Goldschmidt, Talmud VI, S. 5 0 3 - 7 9 9 ) Traktat Qinnim. Von den Taubenpaaren (Goldschmidt, Talm u d XII, S . 3 3 1 - 3 3 9 )
Bezeichnung biblischer und jüdischer Schriften
XXVII
Rosh ha Shana
Traktat Ros Hasana. Vom Neujahrsfeste (Goldschmidt, Talmud III, S . 5 2 9 - 6 3 3 ) .
Sanhedrin
Traktat Synhedrin. Vom Synedrium (Erste Hälfte) (Goldschmidt, Talmud VIII, S . 4 6 9 - 7 9 4 ) . Traktat Synhedrin. Vom Synedrium (Zweite Hälfte) (Goldschmidt, Talmud IX, S. 1 - 4 8 ) Traktat Zabim. Von den Flussbehafteten (Goldschmidt, Talm u d XII, S . 8 2 1 - 8 3 2 ) . Traktat Sabbath. Vom Sabbath (Goldschmidt, Talmud I, S. 4 3 7 - 9 4 4 ) . Traktat Zebahim. Von den Schlachtopfern (Goldschmidt, Talmud X, S. 1 - 3 8 2 ) . Traktat Seqalim. Von der Tempelsteuer (Goldschmidt, Talmud II, S . 6 8 5 - 7 0 0 ) . Traktat Sebiith. Vom Siebentjahre (Goldschmidt, Talmud I, S. 3 4 1 - 3 6 0 ) . Traktat Sebu'oth. Vom Eide (Goldschmidt, Talmud IX, S. 2 3 7 - 4 0 1 ) . Traktat Sota. Von der Ehebruchsverdächtigen (Goldschmidt, Talmud VI, S. 1 - 1 8 5 ) . Traktat Sukka. Von der Festhütte (Goldschmidt, Talmud III, S. 2 6 5 - 4 1 4 ) .
Sanhedrin Savim Shabbat Sevachim Sheqalim Shevi'it Shevu'ot Sota Sukka Ta'anit Toharot Tamid Terumot Temura Tevul J o m Uqzin
Traktat Ta'anit. Vom Fasttage (Goldschmidt, Talmud III, S. 6 3 5 - 7 4 7 ) . Traktat Taharuth. Von der Reinheit (Goldschmidt, Talmud XII, S . 7 5 2 - 7 7 9 ) . Traktat Tamid. Vom beständigen Opfer (Goldschmidt, Talm u d XII, S . 2 9 1 - 3 1 5 ) Traktat Terumoth. Von den Heben (Goldschmidt, Talmud I, S. 3 6 1 - 3 8 1 ) Traktat Temura. Vom Umtausch (Goldschmidt, Talmud XII, S. 1 - 1 1 2 ) Traktat Tebul Jörn. Vom Untertauchen (Goldschmidt, Talm u d XII, S . 8 3 3 - 8 4 1 ) . Traktat 'Uqcin. Von d e n Stielen (Goldschmidt, Talmud XII, S. 8 5 5 - 8 6 3 ) .
Einleitung
Max Webers Studien zum antiken Judentum bis 1908:1. Die Vorgeschichte S. 1. - II. Das antike Israel und Judentum im „Handwörterbuch der Staatswissenschaften": 1. Der werkgeschichtliche Kontext S. 3. - 2. Bauern und Städter S. 6. - 3 . DiePriesterS. 1 6 . - 4 . D i e P r o p h e t e n S . 2 0 . - 5 . DiepostexilischePolis Jerusalem S. 22. - 6. Das talmudische Judentum S. 26. - Max Webers Studien zum antiken Judentum bis zum Weltkrieg: I. Max Webers Kritik an Werner Sombarts „Die Juden und das Wirtschaftsleben" S.28. - II. Das Manuskript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung": 1. Das Manuskript und sein werkgeschichtlicher Kontext S.38. - 2. Der Bund S.44. - 3. Die Priester S.52. - 4. Die Propheten S.61. - 5 . Die PariaS. 66. - III. Das Judentum in den „Religiösen Gemeinschaften": 1. Die Priester S. 71. - 2. Die Propheten S. 82. - 3. Die postexilische Gemeinde S. 86. - Max Webers Studien zum antiken Judentum bis 1920:1. Werkgeschichtlicher Kontext und Argumentationsstruktur der Studie „Das antike Judentum" S.90. - II. Die israelitische Eidgenossenschaft: 1. Der Bund S.98. - 2 . Die Organe des Bundes S. 108. - III. Die Entstehung des jüdischen Pariavolkes: 1. Die Prophetie S. 119. - 2. Die postexilische A b s o n d e r u n g der jüdischen Gemeinde S. 124. - 3. Die Pharisäer S. 136.
Max Webers Studien zum antiken Judentum
bis 1908
I. Die Vorgeschichte M a x W e b e r s intensive B e s c h ä f t i g u n g mit d e m Alten Testament u n d d e m antiken J u d e n t u m ist 1898 literarisch b e z e u g t . Im S o m m e r 1898 kurz n a c h E r s c h e i n e n d e r z w e i t e n A u f l a g e seines Artikels „ A g r a r v e r h ä l t n i s s e im Alt e r t u m " im „ H a n d w ö r t e r b u c h der S t a a t s w i s s e n s c h a f t e n " liest M a x W e b e r z u m w i e d e r h o l t e n Male Studien v o n Julius W e l l h a u s e n . Bereits in der Bib l i o g r a p h i e d i e s e s Artikels hat Max W e b e r Julius W e l l h a u s e n s A r b e i t e n als „ g l ä n z e n d " b e z e i c h n e t . 1 In e i n e m Brief v o n e i n e m Kuraufenthalt in K o n s t a n z s c h r e i b t M a x W e b e r an seine Ehefrau M a r i a n n e : 2
1 Weber, Max, Artikel Agrargeschichte. I. Agrarverhältnisse im Altertum, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, hg. von J. Conrad/L. Elster/W. Lexis/Edg. Loening, zweite gänzlich umgearbeitete Auflage. - Jena: Gustav Fischer 1898, S. 57-85, hier S.84 (hinfort: Weber, Max, Agrarverhältnisse2). 2 Brief von Max Weber an Marianne Weber vom 15. August 1898, Privatbesitz. Dieser
2
Einleitung
„Die Romanleserei habe ich ziemlich eingeschränkt. .Madame Bovary' bekam mir nicht gut und fesselte mich auch trotz der großen Kunst nicht sehr. Ich lese statt dessen jetzt Wellhausen's prachtvolle .Israelitische Geschichte', was mir auch das Fernbleiben von aller geistigen Arbeit besser ersetzt". W e n i g s p ä t e r läßt M a x W e b e r s e i n e Frau w i s s e n , 3 daß er w e i t e r h i n J u l i u s W e l l h a u s e n s M o n o g r a p h i e 4 mit s i c h führe. C a r l H a u p t m a n n e r i n n e r t s i c h in z w e i B r i e f e n a n W e r n e r S o m b a r t v o m 16. u n d 30. J a n u a r 1 9 0 6 , 5 d a ß M a x W e b e r w ä h r e n d e i n e s g e m e i n s a m e n U r l a u b s auf H e l g o l a n d i m S o m m e r 1 9 0 3 a u s f ü h r l i c h mit W e r n e r S o m b a r t ü b e r d i e w i r t s c h a f t s h i s t o r i s c h e B e d e u t u n g d e s J u d e n t u m s d i s k u t i e r t u n d i h m in d i e s e m Z u s a m m e n h a n g u m f a n g r e i c h e L i t e r a t u r e m p f e h l u n g e n g e g e b e n h a b e . A u f einer P o s t k a r t e v o m 1. F e b r u a r 1 9 0 6 a n W e r n e r S o m b a r t 6 e r w ä h n t M a x W e b e r l o b e n d d i e „ G e s c h i c h t e d e r J u d e n . Von d e n ä l t e s t e n Z e i t e n bis auf d i e G e g e n w a r t " d e s j ü d i s c h e n H i s t o r i k e r s H e i n r i c h G r a e t z , 7 d i e M a x W e b e r in s e i n e r Stud i e z u d e n P h a r i s ä e r n intensiv k o n s u l t i e r e n w i r d . Z w i s c h e n 1901 u n d 1 9 0 7 exzerpiert Max Weber aus den ersten beiden B ä n d e n des Hand-
und
L e h r b u c h e s v o n Emil S c h ü r e r 8 „ G e s c h i c h t e d e s j ü d i s c h e n Volkes im Zeit-
und die folgenden als „Privatbesitz" bezeichneten Briefe lagern im Bestand Max WeberSchäfer, Deponat BSB München, Ana. 446. 3 Briefe von Max Weber an Marianne Weber vom 16. und 19. August 1898, Privatbesitz. 4 Max Weber bezieht sich auf Wellhausen, Geschichte. Zu Julius Wellhausens Stellung In der zeitgenössischen Alttestamentlichen Wissenschaft siehe Gunkel, Hermann, Artikel Wellhausen, Julius (* 1844), und W.sche Schule, in: RGG1 V, Sp. 1888-1889 (hinfort: Gunkel, Artikel Wellhausen), sowie Smend, Rudolf (jun.), Deutsche Alttestamentler in drei Jahrhunderten. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1989, S. 99-113 (hinfort: Smend [jun.], Alttestamentler), sowie Jepsen, Wellhausen. 5 Die Briefe sind abgedruckt in Hauptmann, Carl, Leben mit Freunden. Gesammelte Briefe, hg. von Will-Erich Peuckert. - Berlin: Hören 1928, S. 146-147. 6 Archiv der Akademie der Künste Berlin; Nl. Carl Hauptmann, K. 146. 7 Max Weber rezipiert in den Studien zum antiken Judentum der Jahre 1917-1920 vor allem Graetz, Geschichte 111/1-2. Zur Stellung von Heinrich Graetz in der zeitgenössischen Wissenschaft des Judentums siehe Fiebig, Paul, Artikel Graetz, Heinrich (18171891), in: RGG1 II, Sp. 1616-1617, sowie in gegenwärtiger Sicht Liebeschütz, Hans, Das Judentum im deutschen Geschichtsbild von Hegel bis Max Weber (Schriftenreihe Wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo-Baeck-Instituts 17). - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Slebeck) 1967, S. 113-156 (hinfort: Liebeschütz, Judentum). Zur jüdischen Bibelwissenschaft im 19. und frühen 20. Jahrhundert siehe Otto, Eckart, Artikel Bibelwissenschaft. I. Altes Testament, in: RGG4 I, Sp. 1517-1528, hier Sp. 1525-1526 (hinfort: Otto, Artikel Bibelwissenschaft), sowie Bechtold, Hans-Joachim, Die jüdische Bibelkritik im 19. Jahrhundert. - Stuttgart: Kohlhammer 1995, S. 64-454 (hinfort: Bechtold, Bibelkritik). 8 Schürer, Geschichte I 4 und II3. Zu Emil Schürers Stellung in der zeitgenössischen Neutestamentlichen Wissenschaft und Judentumskunde siehe Bauke, Hermann, Artikel Schürer, Emil (1844-1910), in: RGG1 V, Sp.404-405 (hinfort: Bauke, Artikel Schürer). Zum Forschungsstand siehe Hengel, Martin, Der alte und der neue „Schürer", in: Journal of Semitic Studies 35, 1990, S. 19-64.
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alter Jesu Christi". 9 Max Weber exzerpiert aus d e m ersten Band dieser Monographie in der vierten Auflage von 1901, aus dem zweiten Band in der dritten Auflage von 1898 vor Erscheinen der vierten Auflage im Jahr 1907. Max Weber, der dieses Exzerpt für die Pharisäer-Studie nutzen wird, macht darin Notizen zur pharisäischen Ausbildung des Josephus, zu den von Emil Schürer genannten Rabbinen sowie zur Geschichte der Hasmonäer. In der „Protestantischen Ethik" der Jahre 1904/05 geht Max Weber auf das Alte Testament detailliert unter der Perspektive der Rezeption im Puritanismus ein, dessen ethische Grundstimmung als „English Hebraism" bezeichnet worden sei. Doch liege „die im ganzen der unbefangenen Schätzung des Lebens als solchen zugewendete Stimmung des alten Judentums [...] d o c h ziemlich weit ab von der spezifischen Eigenart des Puritanismus." 10 Es bleibe aber eine „reizvolle Aufgabe, die aber bisher nicht einmal für das Judentum selbst wirklich gelöst ist", die Durchdringung des Lebens mit alttestamentlichen Normen im einzelnen aufzuzeigen. Max Weber formuliert damit eine Aufgabenstellung, die für seine Studien zum Judentum leitend bleibt.
II. Das antike Israel und Judentum im „Handwörterbuch der Staatswissenschaften" 1. Der werkgeschichtliche
Kontext
Einen ersten im Druck erschienenen Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte des antiken Israel verfaßt Max Weber im Jahre 1907 für die dritte Auflage seines Artikels „Agrarverhältnisse im Altertum". In der 1898 erschienenen zweiten Auflage des „Handwörterbuchs der Staatswissenschaften" hatte Max Weber einen Abschnitt zum antiken Orient, d.h. Mesopotamien und Ägypten, in den Artikel aufgenommen, 1 1 doch das antike Israel noch ausgespart. Er begründete das mit den besonderen literaturhistorischen Problemen, die das Alte Testament aufgebe: 1 2 „Und bei Verwendung der alttestamentlichen Schriften ist die Frage, wo die nachexilische .Staatsroman'-Produktion aufhört, die thatsächlichen Zustände zu färben, gerade für die charakteristischen angeblichen Institutionen - man denke an das Jobeljahr -
9 Das Schürer-Exzerpt, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 ist transkribiert und kommentiert in Otto, Pharisäer, S.9-28. 10 Weber, Max, Protestantische Ethik, S. 181 (MWG 1/18). 11 Weber, Max, Agrarverhältnisse2, S. 59-66 (MWG I/6). 12 Weber, Max, ebd., S.61-62.
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höchst dunkel. Auch die nachfolgenden notgedrungen kurzen Bemerkungen können nur mit allem Vorbehalt gemacht werden, und von einem Versuche, die historische Wirklichkeit der israelitischen Agrarverhältnisse herauszuschälen, ist hier ganz abgesehen worden". 1 3
Max Weber bezieht sich mit der „Staatsroman-Produktion" auf die Quellenscheidung im Pentateuch in der Gestalt, der Julius Wellhausen zum Durchbruch verholten und die ihre Spitze in der These hat, daß das Ideal der Priesterherrschaft des nachexilischen Judentums in eine mosaische Frühzeit Israels projiziert worden sei. 14 Die kontroversen Diskussionen, die diese Hypothese ausgelöst hat, und die damit verbundenen Bestreitungen sind für Max Weber zureichender Grund, auf eine eigene Darstellung der wirtschaftshistorischen Entwicklungen im antiken Israel und Judentum zu verzichten. Das ändert sich mit der 1908 erschienenen dritten Auflage des „Handwörterbuchs der Staatswissenschaften". 15 Hat sich Max Weber inzwischen auch tiefer in die Geschichte des Judentums eingearbeitet, so
13 Der an einer Geschichte der Sozialethik arbeitende Münchener Moraltheologe Franz Walter kritisiert diese Entscheidung Max Webers: „Die Schwierigkeiten, etwa eine Agrargeschichte des jüdischen Volkes zu schreiben, sind In der That sehr groß. Der Nationalökonom Max Weber ging deswegen in seiner Bearbeitung einer Agrargeschichte des Altertums dem Versuch, auch die Entwicklung der agrarischen Zustände bei den Israeliten hereinzuziehen, ganz aus dem Wege; aber die Begründung, mit der er sein Verfahren zu rechtfertigen sucht, trifft nicht das Richtige [...]. Man untersucht die wirtschaftliche Entwicklung bei den Römern und Hellenen, geht dagegen achtlos an der israelitischen Geschichte vorüber, und doch ist auch diese in gewissem Sinn eine klassische und hat eine höchst lehrreiche Seite"; siehe Walter, Franz, Die Propheten in Ihrem sozialen Beruf und das Wirtschaftsleben ihrer Zeit. Ein Beitrag zur Geschichte der Sozialethik. - Freiburg/Br.: Herder 1900, S.3 (hinfort: Walter, Propheten). 14 So Wellhausen, Geschichte; ders., Prolegomena. Zu diesen Monographien siehe Smend, Rudolf (jun.), Epochen der Bibelkritik, Gesammelte Studien 3 (Beiträge zur evangelischen Theologie 109). - München: Chr. Kaiser 1991, S. 168-185 (hinfort: Smend [jun.], Epochen). Die Werkgeschichte von Wellhausen, Geschichte, zeichnet nach Rudolf Smend (jun.), Nachwort zur Neuausgabe, in: Wellhausen, Julius, Israelitische und jüdische Geschichte. - Berlin: de Gruyter, 10. Auflage 2004, S. 3 7 3 - 3 8 8 . Zur forschungsgeschichtlichen Einordnung von Julius Wellhausens Arbeiten am Pentateuch in die Geschichte der protestantischen Pentateuchforschung siehe Otto, Eckart, Artikel Pentateuch, in: RGG 4 VI, Sp. 1089-1102, hier Sp. 1092-1093 (hinfort: Otto, Artikel Pentateuch) mit weiterer Literatur. 15 Weber, Max, Agrarverhältnisse 3 , S. 9 1 - 9 5 . 125-126. 139-141 (MWG I/6). Über die konzeptionellen Fortschreibungen in Max Webers Studien über die antiken Agrarverhältnisse im Handwörterbuch der Staatswissenschaften zwischen 1897 und 1909 informiert Luigi Capogrossi Colognesl, Max Weber und die Wirtschaft der Antike. Aus dem Italienischen von Brigitte Szabö-Beckstein (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-Historische Klasse, Dritte Folge, Band 259). - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2004, S. 149-304 (hinfort: Colognesi, Antike).
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k o m m t i h m a b e r vor a l l e m zuhilfe, daß sein H e i d e l b e r g e r K o l l e g e , d e r Altt e s t a m e n t l e r A d a l b e r t M e r x , 1 6 1 9 0 7 e i n e L i t e r a t u r g e s c h i c h t e d e s Pentat e u c h v e r ö f f e n t l i c h t e , 1 7 d i e n i c h t allein w i e bei J u l i u s W e l l h a u s e n d i e Kultgesetze, sondern die Abfolge der Gesetzeskorpora des Alten Testaments i n s g e s a m t unter Einschluß d e r Straf- u n d Z i v i l g e s e t z g e b u n g als literaturhis t o r i s c h e s F a c h w e r k nutzte, in d a s d i e E r g e b n i s s e d e r Q u e l l e n k r i t i k d e r n a r r a t i v e n P a s s a g e n d e s P e n t a t e u c h e i n g e z e i c h n e t w u r d e n . Im A b s c h n i t t d e s A r t i k e l s d e r „ A g r a r v e r h ä l t n i s s e 3 " zu Altisrael ü b e r t r ä g t M a x W e b e r z u n ä c h s t d i e s e F a c h w e r k f u n k t i o n d e r G e s e t z e s k o r p o r a d e s A l t e n Testam e n t s 1 8 v o n d e r L i t e r a t u r g e s c h i c h t e auf d i e W i r t s c h a f t s g e s c h i c h t e ,
die
s i c h in d e n G e s e t z e n n i e d e r s c h l a g e , in d e r S t u d i e z u m a n t i k e n J u d e n t u m d e r J a h r e 1 9 1 7 - 1 9 2 0 d a n n a u c h auf d i e R e c h t s - u n d R e l i g i o n s g e s c h i c h te. 1 9 D i e s e s auf A d a l b e r t M e r x z u r ü c k g e h e n d e K o n s t r u k t i o n s p r i n z i p , d a s
16 Zu Adalbert Merx' Stellung in der zeitgenössischen Alttestamentlichen Wissenschaft siehe Bertholet, Alfred, Artikel Merx, E.O. Adalbert (1838-1909), in: RGG1 IV, Sp.309310. Zu Max Webers Verhältnis zu Adalbert Merx siehe Honigsheim, Paul, Erinnerungen an Max Weber, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Sonderheft 7, 2. Auflage 1985, S. 161-271, hier S. 261-262. 17 Merx, Moses. Max Weber hat in der Bibliographie der dritten Auflage des Artikels der „Agrarverhältnisse im Altertum" (ebd., S. 185) diese Monographie als „keineswegs .populär'" bezeichnet. Meyer, Geschichte I1, Ist ein weiteres wichtiges Referenzwerk für Max Weber In dem Abschnitt zu Altisrael. 18 Zum Diskussionstand von Umfang und Datierung der Gesetzeskorpora Im Alten Testament siehe Otto, Eckart, Artikel Gesetz. II. Altes Testament, in: RGG4 III, Sp. 845-848, und ders., Recht Im antiken Israel, In: Manthe, Ulrich (Hg.), Die Rechtskulturen der Antike. Vom Alten Orient bis zum Römischen Reich. - München: C.H. Beck 2003, S. 151190, hier S. 160-169 (hinfort: Otto, Recht); sowie ders., Max Weber, S.276-313. 19 Carl Steuernagel hat in seiner von Max Weber in den Aufsätzen zum antiken Judentum der Jahre 1917-1920 (siehe unten, S.439 Anm. 126) rezipierten Sammelrezension, ders., Hexateuch, S. 230-243, hier S. 239-240, die Monographie von Adalbert Merx besprochen und bei allem Respekt vor der Gelehrsamkeit des Heidelberger Ordinarius dessen Fokusslerung der Literaturgeschichte des Pentateuch auf die Gesetze beklagt: „Schade, dass der Verfasser sein Hauptinteresse den Gesetzen zugewendet hat und dadurch verhindert ist, eine Analyse der historischen Traditionen zu bieten. Für den Laien (und nicht bloss für diesen) ist die Frage nach dem Verhältnis der In den einzelnen Quellen gebuchten historischen Traditionen zur geschichtlichen Wirklichkeit doch wichtiger als die Entwickelung der gesetzlichen Materien!". Max Weber hat sich durch diese Kritik nicht beirren lassen und noch in den Aufsätzen zum antiken Judentum der Jahre 1917-1920 die Gesetzessammlungen des Pentateuch als Fachwerk zur Rekonstruktion sozialhistorischer Entwicklungen im Spiegel der Rechtsgeschichte Israels genutzt. Max Weber hat damit einen methodisch eigenständigen Weg zwischen der Literarkritik der Wellhausen-Schule einerseits und der Formkritik der Vertreter der Religionsgeschichtlichen Schule andererseits, die er beide geschätzt und umfassend zur Kenntnis genommen hat, beschritten, um auf diese Weise über Adalbert Merx hinaus adäquater die von Carl Steuernagel als Vertreter der Wellhausen-Schule geforderte Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis historischer Tradition zur „geschichtlichen Wirklichkeit" geben zu
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v o n der R e c h t s g e s c h i c h t e a u s g e h t , hat Max W e b e r nicht zuletzt d e s h a l b e i n g e l e u c h t e t , weil T h e o d o r M o m m s e n in seiner D a r s t e l l u n g d e r römis c h e n G e s c h i c h t e ä h n l i c h v e r f a h r e n ist.
2. Bauern und
Städter
W i e in d e m Artikel d e r „ A g r a r v e r h ä l t n i s s e 3 " i n s g e s a m t g e h t es M a x W e b e r in d e m Kapitel zu „Altisrael" u m d a s B e z i e h u n g s g e f l e c h t z w i s c h e n politis c h e r O r g a n i s a t i o n u n d ö k o n o m i s c h e n Produktions- s o w i e K o n s u m p tionsformen. L e i t e n d ist die Frage n a c h Eigenart u n d G r e n z e n antiker W i r t s c h a f t s f o r m e n im U n t e r s c h i e d zu d e n e n d e s o k z i d e n t a l e n Mittelalters u n d der M o d e r n e . Hat E d u a r d M e y e r d i e A n a l o g i e f ä h i g k e i t d e s a n t i k e n mit m o d e r n e m K a p i t a l i s m u s 2 0 g e g e n Karl B ü c h e r s S t u f e n s c h e m a ö k o n o m i s c h e r E n t w i c k l u n g v o n der Haus- ü b e r die Stadt- zur N a t i o n a l ö k o n o mie 2 1 ins Z e n t r u m seiner D a r s t e l l u n g g e r ü c k t , so rezipiert M a x W e b e r in der dritten A u f l a g e der „ A g r a r v e r h ä l t n i s s e " Karl B ü c h e r s E n t w i c k l u n g s s t u -
können. Zum Stand der Pentateuchforschung siehe Otto, Eckart, Artikel Pentateuch, Sp. 1089-1102, sowie ders., Das Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch. Studien zur Literaturgeschichte von Pentateuch und Hexateuch im Lichte des Deuteronomiumrahmens (Forschungen zum Alten Testament 30). - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Slebeck) 2000, S. 1-12 und 234-273 mit weiterer Literatur. 20 Meyer, Eduard, Die wirtschaftliche Entwlckelung des Alterthums, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik III/9, 1895, S. 696-750 (unter demselben Titel auch monographisch erschienen: - Jena: Gustav Fischer 1895). Ausgehend von dieser Studie plante Eduard Meyer ein größeres Sammelwerk zur Wirtschaftsgeschichte des Altertums (siehe dazu bereits Weber, Max, Agrarverhältnisse3, S. 184-185), dessen Darstellung der allgemeinen Wirtschaftsgeschichte der Antike umfangreicher als die wirtschaftshistorischen Partien des „Handwörterbuchs der Staatswissenschaften" werden sollte. Die Abschnitte über Staatswissenschaft und Agrargeschichte sollte Michael Rostovzeff schreiben. Siehe dazu Musiolek, Peter, Eduard Meyers Projekt einer Wirtschaftsgeschichte des Altertums (Resümee), in: Wissenschaftliche Zeltschrift der HumboldtUniversität zu Berlin. Reihe Geistes- und Sozialwissenschaften 40/9, 1991, S. 17-18. 21 Karl Bücher faßt die These zusammen in ders., Artikel Volkswirtschaftliche Entwicklungsstufen, in: ders. u.a. (Hg.), Grundriß der Sozialökonomik I. Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft. -Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S.2-18 (hinfort: Bücher, Entwicklungsstufen). Ausführlich entfaltet Karl Bücher die These bereits in ders., Die Entstehung der Volkswirtschaft. Vorträge und Versuche. - Tübingen: H. Laupp'sche Buchhandlung 1893, S.49-124 (hinfort: Bücher, Entstehung), mit zahlreichen Anstrelchungen Max Webers in seinem Handexemplar, die sich auf den forschungsgeschichtlichen Überblick zu ökonomischen Stufentheorien und Karl Büchers Entfaltung antiker Sachverhalte konzentrieren. Zum Forschungsstand der Diskussion zwischen dem Historiker Eduard Meyer und dem Nationalökonomen Karl Bücher siehe Schneider, Hellmuth, Die Bücher-Meyer Kontroverse, in: Calder III., William M./Demandt, Alexander (Hg.), Eduard Meyer. Leben und Leistung eines Universalhistorikers (Mnemosyne. Supplements 112). - Leiden: E.J. Brill 1990, S. 417-445 mit weiterer Literatur.
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fen im Sinne einer idealtypischen Konstruktion einer Wirtschaftsverfassung und rechnet mit „Organisations Stadien" in der antiken Wirtschaftsgeschichte, „die sich, bis zu einem gewissen Maße, bei allen denjenigen .antiken' Völkern, von der Seine bis zum Euphrat, welche überhaupt städtische Entwickelung gekannt haben, wiederholt zu haben scheinen". 2 2 Dem Bauerngemeinwesen von locker v e r b u n d e n e n Oiken folge das „Burgenkönigtum" mit einer ,,persönliche[n] Gefolgschaff , 23 woraufhin sich die Entwicklung ausdifferenziere. Im Orient habe das Königtum die Macht an sich ziehen können, Grundrenten und Handelsgewinn monopolisiert, die Bevölkerung der Fron- und A b g a b e p f l i c h t unterworfen sowie Heer und Bürokratie organisiert. Ein „bureaukratisches Stadtkönigtum" habe sich bei territorialer A u s d e h n u n g , die mit einer Rationalisierung des Herrder schaftsapparates v e r b u n d e n sei, zum „autoritärefn] Leiturgiestaat, planmäßig die D e c k u n g der Staatsbedürfnisse durch ein kunstvolles System von öffentlichen Lasten erstrebt und die .Untertanen' als reine Objekte behandelt" 2 4 habe, entwickelt. Davon sei die okzidentale Antike geschieden, in der sich ein Kriegsadel Anteile an Grundrente und Handelsgewinn g e g e n den König habe sichern und sich der Demos schließlich als „sich selbst verwaltende, militärisch gegliederte städtische Gemeinde" 2 5 habe konstituieren können. Mit der Einbeziehung der Bürgerschaft in die militärischen A u f g a b e n habe sich, orientiert am Prinzip der Selbstequipierung, die Adels- zur Hopliten- und schließlich zur ,,demokratische[n] Bürgerpolis" entwickelt. A u f g r u n d der Einbindung der Städte in größere Territorialverbände in hellenistischer und römischer Zeit habe sich der bürokratische Leiturgiestaat, der d e m antiken Kapitalismus ein Ende bereitet habe, a u c h hier durchgesetzt. Diese an Eduard Meyer orientierte Typologie von Bauerngemeinwesen, Stadtkönigtum, bürokratischem Fron- und Leiturgiestaat, Geschlechterund Hoplitenpolis dient Max Weber auch zur Strukturierung der israelitischen Wirtschaftsgeschichte. 2 6 Altisrael sei für die antike Wirtschaftsge-
22 Weber, Max, Agrarverhältnisse 3 , S.68 (MWG 1/6). 23 Weber, Max, ebd., S.68. 24 Weber, Max, ebd., S.70. 25 Weber, Max, ebd., S.69. 26 Auf die Problematik dieses Verfahrens, Organisationstypen, die aus westmediterraner Geschichte der Antike gewonnen sind, auf orientalische Verhältnisse zu übertragen, weist Wilfried Nippel, Einleitung, in: Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß. Die Stadt, hg. von Wilfried Nippel (MWG 1/22-5). - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1999, S. 1 - 4 3 , hier S. 16-17 (hinfort: Weber, Max, Stadt) mit weiterer Literatur, hin; siehe auch SchäferLichtenberger, Christa, Stadt und Eidgenossenschaft Im Alten Testament. Eine Auseinandersetzung mit Max Webers Studie „Das antike Judentum" (Beihefte zur Zeitschrift für
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schichte des Orients besonders aussagekräftig, da das israelitische Recht, von dem göttliche Herkunft behauptet werde, so sorgfältig tradiert worden sei, „daß nur hier aus dem eigenen Munde eines Volkes Kunde aus einer Zeit vor der Sfadteässigkeit der politischen und priesterlichen Gewalten geboten zu werden scheint". 27 Das aber bedeute keineswegs, daß man es im „ältesten .Gesetz' (Exodus 19ff.) mit irgendwie .ursprünglichen' Zuständen" zu tun habe, „mit dem Recht eines primitiven Bauernvolkes, noch frei von allem städtischen und geldwirtschaftlichen Einschlag". 28 Schon in dieser frühen Studie zum antiken Israel sieht Max Weber dessen Sozialgeschichte von seinen Anfängen an durch die Städte geprägt. So fehle auch ein spezifisches „Beduinenrecht" im Alten Testament. 29 Bereits in der Einleitung zu den „Agrarverhältnissen 3 " 30 spricht sich Max Weber gegen sozialhistorische Entwicklungstypologien aus, die im Nomadentum den Ausgangspunkt der antiken Sozialgeschichte sehen. Das gelte auch für Altisrael: „Ein eigentliches Nomadenvolk oder ein .Beduinenstamm' sind die historischen Israeliten, auch ihre herrschenden Schichten, niemals gewesen", 31 da das Kamel wie das Pferd fehle und Getreide die Hauptnahrung sei. Trotz der gegenüber dem Deuteronomium größeren Rücksicht auf den Viehbesitz sei das „alte Gesetz" von De-
die Alttestamentliche Wissenschaft 156). - Berlin: de Gruyter 1983. Zum gegenwärtigen Forschungsstand der Geschichtsschreibung des antiken Israels und Judas siehe Donner, Herbert, Geschichte des Volkes Israel in Grundzügen, Band 1: Von den Anfängen bis zur Staatenbildung; Band 2: Von der Königszeit bis zu Alexander dem Großen. Mit einem Ausblick auf die Geschichte des Judentums bis Bar Kochba (Grundrisse zum Alten Testament 4/1 -2). - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 3. Auflage 2000/2001, mit weiterer Literatur. Eine Zusammenfassung bieten Ernst Axel Knauf, Artikel Israel. II. Geschichte. 11.1. allgemein und biblisch, in: RGG4 IV. Sp. 284-293, sowie Eckart Otto, Artikel Israel. II. Geschichte. II.2 Kulturgeschichte, in: RGG4 IV, Sp.293-294. Zum gegenwärtigen Stand einer Wirtschaftsgeschichte des antiken Israels und Judas siehe Otto, Eckart, Artikel Wirtschaft. III. Wirtschaft und Religion, 3. Biblisch, in: RGG4 VIII, mit weiterer Literatur, sowie Kippenberg, Hans G., Religion und Klassenbildung im antiken Judäa. Eine religionssoziologische Studie zum Verhältnis von Tradition und gesellschaftlicher Entwicklung (Studien zur Umwelt des Neuen Testaments 14). - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1978. Zur Geschichte des Alten Orients siehe die Darstellung von Veenhof, Klaas R., Geschichte des Alten Orients bis zur Zeit Alexander des Großen (Grundrisse zum Alten Testament 11). - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2001, sowie zusammenfassend jeweils unter Einschluß der Kulturgeschichte Assmann, Jan/ Schenkel, Wolfgang, Artikel Ägypten. 1-11.1. III, in: RGG4 I, Sp. 193-199 und 201-211; Hecker, Karl, Artikel Mesopotamien, in: RGG4 VI, Sp. 1114-1127, jeweils mit weiterer Literatur. 27 28 29 30 31
Weber, Weber, Weber, Weber, Weber,
Max, Max, Max, Max, Max,
Agrarverhältnisse3, S.91 (MWG I/6). ebd., S.91. ebd., S.91 Anm.1. ebd., S.67-68. ebd., S.91.
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kalog (Exodus 20) u n d B u n d e s b u c h (Exodus 2 1 - 2 3 ) 3 2 nicht Richtschnur eines vornehmlich viehzüchtenden, sondern eines seßhaften ackerbaut r e i b e n d e n Volkes, d e m j e d e S p u r v o n K o l l e k t i v b e s i t z f e h l e . V i e l m e h r seie n G r u n d u n d B o d e n voll a p p r o p r i i e r t , 3 3 u n d d a s E d e l m e t a l l g e l d d e m G e setzgeber wohlbekannt. In d e r A b l e h n u n g d e r T h e s e d e s K o l l e k t i v b e s i t z e s in d e r F r ü h g e s c h i c h te Israels trifft s i c h M a x W e b e r mit A d a l b e r t M e r x . W e n n M a x W e b e r n i c h t nur w i e A d a l b e r t M e r x d i e n o m a d i s c h e n Z ü g e im „alten G e s e t z " v e r n e i n t , s o n d e r n n o m a d i s c h e U r s p r ü n g e Israels ü b e r h a u p t , s o setzt er s i c h im G e g e n s a t z z u E d u a r d M e y e r 3 4 v o n d e r v o r h e r r s c h e n d e n M e i n u n g d e r Alttes t a m e n t l i c h e n F a c h w i s s e n s c h a f t seiner Zeit kritisch a b , 3 5 u m K o l l e k t i v b e s i t z h y p o t h e s e n d e n B o d e n zu e n t z i e h e n . M a x W e b e r w i d e r s p r i c h t d a m i t n i c h t nur e n t w i c k l u n g s l o g i s c h e n K u l t u r s t u f e n t h e o r i e n , d i e d e n A u s g a n g s p u n k t v o n K u l t u r e n t w i c k l u n g e n im N o m a d i s m u s s e h e n , 3 6 s o n d e r n a u c h zeitgenössischen Thesen, die einen rassisch bedingten G e g e n s a t z zwis c h e n d e m „ a c k e r b a u e n d e n Arier" u n d d e m „nomadisierenden Semiten" vertreten.37
32 Als Bundesbuch wird die älteste Gesetzessammlung des Alten Testaments in Exodus 21-23 bezeichnet. Zum Forschungsstand siehe Otto, Eckart, Artikel Bundesbuch, in: RGG4 I, Sp. 1876-1877 mit weiterer Literatur. Zum Forschungsstand der Sammlung der Zehn Gebote des Dekalogs in Exodus 20 und Deuteronomium 5 siehe ders., Artikel Dekalog I. Altes Testament, in: RGG4 II, Sp.625-628 mit weiterer Literatur. 33 Max Weber kann sich hier auf Merx, Moses, S.35, stützen, der sich auch gegen die These wendet, das „alte Gesetz" sei altes Beduinenrecht. 34 Eduard Meyer, Geschichte I1, S.348, hält es für sicher, „dass die Hebräer lange Zeit auf der Sinaihalbinsel nomadisirt haben". 35 Nicht nur Julius Wellhausen, Geschichte 6 , S. 22-29, sieht den Ursprung des Volkes Israel in Viehzüchterverbänden in der Wüste zur Zelt des Mose, der in der Oase von Kadesch als Aisymnet gewirkt habe. Auch die in der Bibliographie der „Agrarverhältnisse3" (S. 185) genannten Monographien von Guthe, Geschichte, S. 14-41, und Nowack, Archäologie I, S.100, sehen den Ursprung Israels In Hirten- bzw. Nomadenstämmen der Wüste. 36 In der Rekonstruktion der altisraelitischen Wirtschaftsgeschichte in den „Agrarverhältnissen3" schlägt sich eine Kritik der Kulturstufentheorie nieder, die Max Weber, Der Streit um den Charakter der altgermanischen Sozialverfassung in der deutschen Literatur des letzten Jahrzehnts, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik Hl/28, 1904, S.433-469 (MWG I/6), begründet hat, u.a. gegen Richard Hildebrand, Recht und Sitte auf den verschiedenen wirtschaftlichen Kulturstufen, 1. Teil. - Jena: Gustav Fischer 1896, der im Nomadentum den universalhistorischen Ausgangspunkt von Kulturentwicklungen sieht. In seinem Handexemplar von Meyer, Geschichte I1, S.207, markiert Max Weber folgende Aussage zum unwandelbaren Gegensatz von Wüste und Kulturland mit Randstrich und Fragezeichen: „Dagegen erscheinen die Wüstenstämme in der Geschichte als Völkerbeweger, als Ursache plötzlicher und gewaltiger Katastrophen im Leben der Culturvölker". Siehe dazu auch Colognesi, Antike, S. 157-165. 37 Derartige Thesen wurden mit antisemitischer Stoßrichtung vertreten, so u.a. in Gla-
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Stellt Max Weber also im Widerspruch zu zeitgenössischen Kulturstufentheorien und Ihren Rezeptionen In der Alttestamentllchen Wissenschaft die These nomadischer Ursprünge Israels in Frage, so hat das Auswirkung auf die Frage nach Ursprung und Funktion der Gebote sozialer Fürsorge, deren Ableitung von nomadischen Solldaritäts- und Egalitätsvorstellungen In einer nomadischen Frühzeit Israels In der Alttestamentllchen Wissenschaft der damaligen Zeit ebensoweit verbreitet Ist wie die Gegenthese eines Ursprungs In der Sozialkritik der Propheten des 8. Jahrhunderts v.Chr. Der von Max Weber In der Bibliographie genannte Frants Buhl 38 faßt die These nomadischer Abkunft des Ethos der Karität so zusammen: 39 „Ehe die Israeliten in das Land Kanaan einwanderten, lebten sie als ein Hirtenvolk in der Wüste. Hier wurde Israel durch die Wirksamkeit Moses als zusammengehörende Einheit geschaffen und der Grund für die folgende Entwicklung des Volkes gelegt. In religiössittlicher Beziehung wurde ihm ein character indelebilis verliehen, der es befähigte, sich den Verlockungen der überlegenen kanaanäischen Cultur gegenüber geistig zu behaupten".
Max Weber widerspricht Implizit in dem Abschnitt „Altisrael" auch hollstischen Ansätzen der Gesellschaftsinterpretation, die in der Gesellschaft Israels eine Einheit sehen, deren Teile sich zu einem organischen Ganzen fügen sollen. Dem setzt er die Spannungen und Konflikte zwischen den Gruppen und Institutionen Innerhalb der altisraelitischen Gesellschaft entgegen und fragt nach den Interessen, denen die alttestamentllchen Rechtssammlungen In diesen Konstellationen dienen. Die in den Geboten sozialer Fürsorge zum Ausdruck kommende affektuelle Orientierung am Gebot der Solidarität interpretiert er also nicht unter dem Aspekt der Wertrationalität, sondern zweckrational von der Interessenslage des Gesetzgebers her, Konfliktsituationen zu lösen. Anstatt also mit Relikten aus der Wüstenzeit zu rechnen, die im alttestamentllchen Recht utopisch wirkten, fragt Max Weber nach der Funktion des Sozialrechts in der israelitischen Gesellschaft, die von Ihren Anfängen an städtisch beeinflußt sei.
senapp, Carl F., Das Gesetz des Nomadenthums, in: Bayreuther Blätter 10,1887, S . 9 7 113 (hinfort: Glasenapp, Nomadenthum): Wahrmund, Adolf, Das Gesetz des Nomadenthums und die heutige Judenschaft. - Berlin: H. Reuther 1898 (hinfort: Wahrmund, Gesetz), und ders., Der Kulturkampf zwischen Asien und Europa. Ein Beitrag zur Klarlegung des heutigen Standes der Orientalischen Frage. - Berlin: H. Reuther 1887, S. 7 - 3 2 , sowie Chamberlain, Grundlagen, Kap. 5 und 6 (S.326-531). 38 Zu Frants Buhls Stellung Innerhalb der zeitgenössischen Alttestamentllchen Wissenschaft siehe Adamsen, Peter, Artikel Buhl, Frants (* 1850), in: RGG 1 I, Sp. 1421. 39 Buhl, Verhältnisse, S.9.
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In der Einleitung der dritten Auflage der „Agrarverhältnisse im Altertum" stellt Max Weber fest, daß schon ,,[d]ie älteste jüdische Tradition, welche vorder städtischen Organisation der Nation redigiert sein muß, [...] doch in einem Milieu entstanden [ist], welches bereits eine Jahrhunderte alte Stadtkultur und Fremdherrschaft von Kulturvölkern erlebt hatte, und es [...] ferner unfeststellbar [bleibt], wie weit die nachweislich .ältesten' Partieen später [sc. in städtischem Kontext] retouchiert sind". 40 Wie andere Gesetzeskorpora der Antike sei das „alte Gesetz" von Dekalog und Bundesbuch durch das Bemühen gekennzeichnet, alte patriarchalische Sitte, die sich im Dekalog niedergeschlagen habe, mit dem „Schutz der Gemeinfreien" in den Gesetzen des Bundesbuches als „Einzelausführungen" zu verbinden. Zu diesen sozialen Schutzgesetzen seien u.a. die Gebote zur Begrenzung der Schuldsklaverei, 41 des Schutzes vor gewalttätiger Versklavung, 42 der Sicherung der Ehe von Freien und Sklaven 43 und des Schutzes der Schuldsklavin vor Gleichbehandlung mit gewöhnlichen Kaufsklavinnen, 44 des Schutzes des Sklaven vor schwerer Körperverletzung, 45 der Pfändungsschranken, 46 des Verzichts auf die Strenge des Schuldrechts, 47 der Regelung des Besitzrechts 48 sowie des Schutzes vor Rechtsbeugung 49 zu rechnen. Sie sollen die Funktion haben, den Gegensatz der Klassen zu mildern. Sowenig Max Weber den alttestamentlichen Fach Vertretern, die dieses Ethos sozialer Fürsorge für eine Reminiszenz der nomadischen Ursprünge Israels halten, folgt, sowenig sieht er in diesem Ethos auch im Gegensatz zu Julius Wellhausen eine Folgewirkung der Sozialkritik der Propheten des 8. Jahrhunderts v.Chr. Das soziale Programm der vordeuteronomischen Gesetze leite sich vielmehr aus den Wurzeln patriarchalischer Sitte Israels und dem Bemühen um Vermittlung der sozialen Gegensätze ab. In der Frage, wo der Gesetzgeber zu suchen sei, biete sich die Alternative an, daß die Gesetze entweder von städtischen Geschlechtern gar kanaanäischer Herkunft, denen die Israeliten als „von Kaplänen organisierte Plebs" 50 die Gesetze als magna Charta161
40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51
Weber, Max, Agrarverhältnisse3, S.67 (MWG I/6). Exodus 21,2-6. Exodus 21,16. Exodus 20,14. Exodus 21,7-11. Exodus 21,20-21.26-27. Exodus 22,25-26. Exodus 22,24. Exodus 21,33-22,14. Exodus 23,1-3.6-8. Weber, Max, Agrarverhältnisse3, S.92 (MWG I/6). Von einer „Magna Charta der Israeliten" spricht in diesem Zusammenhang auch
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Einleitung
abgerungen hätten, verfaßt worden seien - dies die unwahrscheinlichere Lösung - oder das Gesetz „neben seinem rein religiösen Zweck" israelitisch verfaßt die „Gemeinfreiheit" der Israeliten erhalten wollte, 62 die schon in vorstaatlicher Zeit nicht mehr nur bäuerlich zu nennen sei, da die Gesetze schon eine Stadt-Land-Differenzierung widerspiegelten. Gemessen an der in den „Agrarverhältnissen im Altertum" vorangestellten Typologie der politischen Organisationsstadien wird das frühe Israel in der dritten Auflage als Kombination eines Bauerngemeinwesens und einer Hoplitenpolis beschrieben. Der „rein religiöse Zweck" der Gesetze und ihre Funktion, die Gemeinfreiheit zu sichern, sind in dieser Studie des Jahres 1908 noch nicht miteinander vermittelt. Das wird erst die Einführung des Bundes (Berit)-Gedankens in den Manuskriptbogen „Ethik und Mythik" leisten. 53 Die überproportional ausführliche Analyse des Brachejahrgesetzes in Exodus 23,10-11, 5 4 die einen Horizont in zeitgenössischen jüdischen Diskussionen um die Verbindlichkeit des Brachejahres für die Landwirtschaft in Palästina hat, die durch die zionistische Siedlungsbewegung ausgelöst wurden, ist auch in den fachexegetischen Auslegungen unterschiedlich interpretiert worden. Julius Wellhausen will in dem Brachejahrgebot die Forderung einer Preisgabe der Ernte der einzelnen Felder nach einem Turnus von sieben Jahren sehen, in dem sich möglicherweise noch ein Rest von „Gemeinwirtschaft" widerspiegele. 55 Dagegen hat Frants Buhl die bei Julius Wellhausen nur vorsichtig angedeutete Reminiszenz aus früherer Zeit zugespitzt, das Brachejahr mit einem allgemeingültigen siebenjährigen Rhythmus zu festem Termin verbunden und es als Ausdruck des „religiös sittlichen Gedankens" der Forderung nach Aufhebung des Besitz-
Adalbert Merx, Moses, S.66. 52 Weber, Max, Agrarverhältnisse3, S.92 (MWG I/6). Adalbert Merx, Moses, S.44, sieht im „alten Gesetz" von Bundesbuch und Dekalog das „demokratische Gesetz der Stämme". Ohne Zweifel Ist Max Weber hier durch die Legendenbildung der römischen Geschichtsschreiber wie Livius, die auf die u.a. bei Aristoteles überlieferte Erzählung der Gesetzgebung des Solon zurückgreifen, beeinflußt. Noch In der Studie zum antiken Judentum der Jahre 1917-1920 zieht Max Weber als Analogie zum Bundesbuch die Gesetze der römischen Dezemvirn und griechischen Aisymneten heran; siehe unten, S.325. Zum rechtshistorischen Forschungsstand äußert sich kritisch Marie Theres Fügen, Römische Rechtsgeschichten. Über Ursprung und Evolution eines sozialen Systems. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2002, S. 61 -124. 53 Siehe unten, S. 44-52. 54 „Sechs Jahre sollst du auf deinem Acker säen und die Ernte einbringen; im siebten sollst du Ihn brachliegen lassen und nicht bestellen. Die Armen in deinem Volk sollen davon essen, den Rest sollen die Tiere des Feldes fressen. Das Gleiche sollst du mit deinem Weinberg und deinen Ölbäumen tun". Sofern nicht anders vermerkt, sind Übersetzungen antiker Texte einschließlich der Bibel die des Herausgebers. 55 Wellhausen, Prolegomena, S. 111-113.
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rechts verstanden, der sich vom Gewohnheitsrecht a b h e b e und aus der n o m a d i s c h e n Urzeit Israels s t a m m e . 5 6 M a x W e b e r setzt s i c h v o n d e r a r t i g e n S p e k u l a t i o n e n ü b e r E x o d u s 2 3 , 1 0 - 1 1 als Reflex e i n e r G e m e i n w i r t s c h a f t a b u n d g i b t einer e i g e n s t ä n d i g e n I n t e r p r e t a t i o n d e s G e s e t z e s als „ n o t o r i s c h . g r a u e r T h e o r i e ' " v e r b u n d e n mit einer r a d i k a l e n S p ä t d a t i e r u n g , für d i e er in d e r e x e g e t i s c h e n Literatur k e i n e n G e w ä h r s m a n n hat, d e n Vorzug:57 „Ob das Gebot: den Acker im siebenten Jahre unbestellt zu lassen, in irgendeiner Form je einem ernstlich gemeinten Gesetz angehört hat, erscheint sachlich naturgemäß problematisch. Dieses .Sabbatjahr' präsentiert sich in der ältesten Fassung (Exod. 23,10.11) auch als eine Vorschrift zugunsten der .Armen', - d.h. hier: der Landlosen welche in diesem Jahr die Früchte des Ackers sollten genießen dürfen. Allein jeder Versuch, die Vorschrift in der uns heute vorliegenden Formulierung ihres utopistischen Charakters zu entkleiden und, sei es landwirtschaftstechnisch, sei es sozialpolitisch (etwa als ursprünglich an den Pfandbesitzer gerichtet zugunsten des - wie so oft in Babylon und offenbar auch in Athen - auf dem Pfandstück als Kolon sitzenden Schuldners, oder allgemein als Pachtremission u. dgl.) rationell zu erklären, scheint aussichtslos, da das sakral motivierte Verbot des .Besäens' allen Deutungen der letzteren Art im Wege steht." Mit A d a l b e r t M e r x u n d g e g e n J u l i u s W e l l h a u s e n sieht M a x W e b e r als Int e n t i o n d e s B r a c h e j a h r g e s e t z e s in E x o d u s 2 3 , 1 0 - 1 1 n i c h t d i e P r e i s g a b e d e r Ernte, s o n d e r n d i e B r a c h e für d a s L a n d u n d w e i s t a u c h , e b e n f a l l s mit A d a l b e r t M e r x , d e n U r s p r u n g in einer „ ö k o n o m i s c h e n B r a c h e " z u r ü c k . Für A d a l b e r t M e r x g e h t es in d i e s e m G e s e t z u m d i e r e l i g i ö s e S i e b e n e r - I d e e , d e r z u f o l g e d a s L a n d s e i n e n S a b b a t h a b e n solle, u n d er v e r w e i s t auf 2 C h r o n i k 3 6 , 2 1 u n d L e v i t i k u s 2 6 , 3 4 als Parallelen. 5 8 H a t für A d a l b e r t M e r x d a s G e s e t z , d a s s i c h j e d e r E i n o r d n u n g in e i n e F u n k t i o n für d e n b ä u e r l i c h e n W i r t s c h a f t s b e t r i e b e n t z i e h e , e i n e n rein „ s a k r a l e n " C h a r a k t e r
und
s i n d d i e v o n i h m g e n a n n t e n Parallelen für d i e „ s a k r a l e " I d e e n a c h e x i l i s c h , so schließt M a x W e b e r d a r a u s , daß es s i c h u m ein l i t e r a r i s c h e s „Einschiebsel später theologischer Konsequenzmacherei" handeln müsse.59
56 Buhl, Verhältnisse, S.62-63. 57 Weber, Max, Agrarverhältnisse3, S.92 (MWG I/6). Unter den zeitgenössischen Exegeten hat nur Adolf Jülicher, Die Quellen von Exodus VII,8—XXIV, 11. Ein Beitrag zur Hexateuchfrage, in: Jahrbücher für Protestantische Theologie 8,1882, S. 79-127 und 272315, hier S. 303-304, der die Existenz eines literarisch eigenständigen Bundesbuches verneint, Exodus 22,19-26; 23,8-12 einem postdeuteronomischen Redaktor (Rd) zugeschrieben. Max Weber hat durch Randstrich in seinem Handexemplar von Meyer, Geschichte I1, S.399, erkenntlich den Titel dieses Aufsatzes zur Kenntnis genommen, die These dieses Aufsatzes, die auch Eduard Meyer, ebd., ablehnt aber nicht rezipiert. 58 Merx, Moses, S.33. 59 Weber, Max, ebd., S.92. Zum gegenwärtigen Forschungsstand der rechtspraktischen Probleme des Brachejahrgesetzes in der Antike siehe Hopkins, David C., The Highlands of Canaan. Agricultural Life in the Early Iron Age (The Social World of Biblical
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Einleitung
Da das biblische Brachejahrgesetz sich nur auf das Land Israel bezieht, nicht aber auf die Länder der jüdischen Diaspora, wurde erst mit der jüdischen Besiedlung Palästinas im Zuge der zionistischen Siedlungsbewegung dieses Gesetz zu einem praktischen Problem. 60 Vor dem Brachejahr 1889 kam unter den Rabbinern die Diskussion auf, ob landwirtschaftlich genutzte Flächen für dieses Jahr an Nichtjuden verkauft werden dürfen. Während der russische Rabbiner Isaac Elhanan Spektor (1817-1896) aus Kovno den Verkauf für zwei Jahre an Muslime gestattete, widersetzte sich die aschkenasische Gemeinde von Jerusalem mit ihren Rabbinern Moses Joshua Judah Leib Diskin (1817-1898) und Samuel Salant (18161909) diesem Dispens. Vor dem Brachejahr 1910 lebte die Diskussion wieder auf. Wie der spätere Briefwechsel von Max Weber mit dem Mannheimer Physiologen Ernst J. Lesser zeigt, 61 sieht Max Weber die zionistische Idee mit dem Problem konfrontiert, utopische religiöse Ideen praktisch umzusetzen. Den Gegensatz von religiös-utopischer Idee und ökonomischer Rationalität agrarischer Praxis sieht Max Weber schon in Altisrael am Werk. Mit der Einrichtung des Königtums habe Israel unter David und vor allem unter Salomo Züge eines orientalischen Fronstaates angenommen. 6 2 Die künstliche Phylen-Einteilung in zwölf Stämme, die der Versorgung von König und Heer diene, sowie das Eindringen von Stadtherrschaft und Kriegswagen in Israel habe verbunden mit der Forderung der Selbstequipierung zu einer Schwächung der bäuerlichen Gentilverbände geführt. Max Weber rezipiert hier über Adalbert Merx hinaus Eduard Meyer. In seinem Handexemplar des ersten Bandes von Eduard Meyers „Geschichte des Alterthums" markiert Max Weber durch Randstrich folgende Abschnitte: 63
Antiquity Series 3). - Sheffield: Almond Press 1985, S. 194-195; Borowski, Oded, Agriculture in Iran Age Israel. - Wlnona Lake: Elsenbrauns 1987, S. 144-145 und 164; Otto, Eckart, Der Ackerbau In Juda im Spiegel der alttestamentllchen Rechtsüberlieferungen, in: Klengel, Horst/Renger, Johannes (Hg.), Landwirtschaft im alten Orient. Ausgewählte Vorträge der XLe Rencontre Assyriologlque Internationale (Berliner Beiträge zum Vorderen Orient 18). - Berlin: Dietrich Reimer 1999, S.229-236. 60 Vgl. die Erläuterungen in Weber, Max, Rel. Gemeinschaften, S. 223-224, Hg.Anm. 22. Wie Max Webers entsprechender Hinweis in der Studie zum antiken Judentum der Jahre 1917-1920 zeigt (siehe unten, S.309 Anm.52), hat er diese durch die zionistische Bewegung ausgelöste Diskussion im zeitgenössischen Judentum verfolgt. 61 Siehe unten, S. 74-76. 62 Weber, Max, Agrarverhältnisse3, S.93 (MWG I/6). Zum gegenwärtigen Forschungsstand siehe Niemann, Hermann Michael, Artikel Königtum in Israel, in: RGG4 IV, Sp. 1593-1597 mit weiterer Literatur. 63 Siehe Meyer, Geschichte I1, S.366-367.
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„Im allgemeinen scheint hier wie überall in ähnlichen Fällen ursprünglich der Grundsatz gegolten zu haben, dass die freien Israeliten je nach dem Bedürfniss des Augenblicks zum Kriegsdienst aufgeboten wurden, die unterworfenen Stämme (Kana'anaeer, Moab, Edom) Tribut zahlten und Frohndienste leisteten. Noch aus späteren Zeiten erfahren wir, dass In Israel nur die Besitzenden heerpflichtig waren (Reg. II, 15, 20, vgl. §.367); ohne Zweifel hatten sie die Kosten Ihrer Ausrüstung selbst zu tragen. Indessen auf die Dauer liess sich dieser Grundsatz nicht halten; wenn nicht David, so hat doch Salomo die Israeliten durch Steuern und namentlich Frohndlenste hart gedrückt. Zum Holzschlagen und Steinbrechen im Libanon z.B. soll er jährlich 30,000 Mann ausgehoben haben (Reg.l, 5, 27). Auch die Volkszählung, welche David vornehmen liess, wird wohl eine Maassregel gewesen sein". Z u m Berufsheer d e s Königs markiert Max Weber d u r c h Randstrich folgend e n Eintrag:64 „Die Leibwächter des Königs, in scharfem Gegensatz zum .Heere Israels' Sam.ll, 20, 23, heissen ,Kreti und Pletl', wofür Reg. II, 11 (vgl. Sam.ll, 20, 23) ,Karl und Läufer' gesagt wird". In d e m § 3 6 7 , auf d e n E d u a r d M e y e r v e r w e i s t , m a r k i e r t M a x W e b e r in sein e m H a n d e x e m p l a r f o l g e n d e n Eintrag zur T r i b u t l e i s t u n g a n d i e A s s y r e r durch Randstrich:65 „Zu ihrer Beitreibung legte er auf alle kriegspfllchtigen Leute, d.h. auf alle Besitzenden die Besitzlosen waren demnach In Israel wie in allen ursprünglichen Staatsordnungen auch vom Heerdienst ausgeschlossen - eine Kopfsteuer von 50 Scheqeln. Es muss demnach damals In Israel deren 60,000 gegeben haben". V e r ä n d e r u n g e n in d e r H e e r e s v e r f a s s u n g , orientiert a n d e r F o r d e r u n g d e r S e l b s t e q u i p i e r u n g , g a l t e n in d e r z e i t g e n ö s s i s c h e n H i s t o r i o g r a p h i e d e s Alt e r t u m s als I n d i k a t o r für g e s e l l s c h a f t l i c h e V e r ä n d e r u n g e n . Bereits J u l i u s W e l l h a u s e n hat d e n B e d e u t u n g s v e r l u s t d e s b ä u e r l i c h e n H e e r b a n n e s auf die Entwicklung der Waffentechnik, insbesondere die Einführung
des
Streitwagens und das damit verbundene stehende Heer zurückgeführt.66
64 Meyer, ebd., S.367. 65 Meyer, ebd., S.449. Diesen Randbemerkungen in Max Webers Handexemplar kommt besondere Bedeutung dadurch zu, daß es sich um die einzigen zur israelitischen Königszelt handelt. 66 Wellhausen, Julius, Abriss der Geschichte Israels und Juda's, in: ders., Skizzen und Vorarbeiten, 1. Heft. - Berlin: Georg Reimer 1884, S.3-102, hier S.39 (hinfort: Wellhausen, Abriss). Schon Leopold von Ranke, Weltgeschichte. Band 1/1. Die älteste historische Völkergruppe und die Griechen. - Leipzig: Duncker & Humblot 5. Auflage 1896, S. 37-68 (hinfort: Ranke, Weltgeschichte), hat die israelitischen Stämme als „Kriegsgenossenschaft" mit Selbstequipierung interpretiert. Daran knüpft Julius Wellhausen an; siehe auch die Hg.-Anm. 39, unten, S.262. Zu Max Webers Ranke-Rezeption siehe Sukale, Michael, Max Weber. Leidenschaft und Disziplin. Leben, Werk, Zeitgenossen. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 2002, S. 100-103 und 201-202 (hinfort: Sukale, Max Weber).
16 3. Die
Einleitung Priester
Max W e b e r sieht n e b e n d e m sozialhistorischen Interessenskonflikt zwis c h e n s t ä d t i s c h e n Patriziern u n d B a u e r n n o c h einen Konflikt z w i s c h e n S t a d t a d e l u n d Priestern. Das Stadtpatriziat h a b e d u r c h d i e „ S o r g e u m Blutsreinheit u n d A b s t a m m u n g " 6 7 seine H e r r s c h a f t s i c h e r n wollen, so daß es in J u d a mit der K o n z e n t r a t i o n der Priester auf die Polis J e r u s a l e m zu ein e m G e g e n s a t z d e s Stadtpatriziats zu d e n P r i e s t e r g e s c h l e c h t e r n g e k o m m e n sei. S c h o n T h e o d o r M o m m s e n hat in K ö n i g t u m u n d Priesterregiment A n t i p o d e n d e r israelitischen G e s e l l s c h a f t g e s e h e n , d a d i e s e s auf U n a b h ä n g i g k e i t u n d S e l b s t ä n d i g k e i t der G e m e i n d e v o m Staat, j e n e s a b e r auf die S t ä r k u n g der s t a a t l i c h e n M a c h t b e d a c h t g e w e s e n sei. 6 8 Für M a x Weber hat die Priesterschaft a u f g r u n d der g r a s s i e r e n d e n A n g s t vor d e n A s syrern u n d die d a d u r c h h e r v o r g e r u f e n e w a c h s e n d e M a c h t der religiösen S t i m m u n g unter d e m K ö n i g J o s i a im a u s g e h e n d e n 7. J a h r h u n d e r t v.Chr. die Vorherrschaft e r r u n g e n u n d d a s D e u t e r o n o m i u m 6 9 oktroyiert. 7 0 W i e d e r rezipiert M a x W e b e r n e b e n E d u a r d M e y e r 7 1 V o r g a b e n v o n A d a l b e r t Merx, für d e n d a s D e u t e r o n o m i u m die „ E r f a h r u n g u n d Kenntnis e i n e s Tyrannos im g r i e c h i s c h e n Sinne" voraussetzt, g e g e n d e n es V o r s o r g e treffe, i n d e m d a s Verhältnis z w i s c h e n Volk u n d K ö n i g d u r c h priesterliche Interzession
67 Weber, Max, Agrarverhältnisse3, S.93, (MWG I/6). 68 Mommsen, Theodor, Römische Geschichte. Band 5. Die Provinzen von Cäsar bis Diocletian. - Berlin: Weidmannsche Buchhandlung 2. Auflage 1885, S. 488-489 (hinfort: Mommsen, Geschichte V). Zu Max Webers Mommsen-Rezeption siehe Sukale, Max Weber, S. 144-169. 69 Zum Stand der Deuteronomiumsforschung siehe Otto, Eckart, Artikel Deuteronomium, in: RGG4 II, Sp.693-696 mit weiterer Literatur. 70 Max Weber bezieht sich hier auf die Schilderung der sog. Josia-Reform In 2 Könige 22-23. Zum Forschungsstand siehe Otto, Eckart, Artikel Josla/Josiareform, in: RGG4 IV, Sp. 587-589 mit weiterer Literatur. 71 In seinem Handexemplar von Meyer, Geschichte I1, S. 195, markiert Max Weber folgenden Eintrag über die Kodifikation leitender Ideen der Hebräer Im Alten Testament: „Die religiöse Bewegung, welche in der späteren Zeit den eigentlichen Inhalt der Geschichte des Volkes bildet, hat zweimal zu einer systematischen Bearbeitung, gewissermaassen einer Codification der leitenden Ideen geführt, und beidemale ist das aufgestellte Gesetzbuch von Staatswegen publicirt worden und hat bindende Gültigkeit erhalten. Zuerst im Königreich Juda, wo im Jahre 621 v.Chr. das ,Buch der Lehre' (Sepher hattöra) oder ,des Bundes' (S[epher] habbrit) aufgefunden und vom Könige Josia feierlich als Staatsgesetz anerkannt wurde. Es Ist dies das sog. Deuteronomium, der Kern des gleichnamigen Buches (Deut. 12-26), das später mit einer doppelten Vorrede und entsprechendem Nachwort versehen worden ist. Als dann Jerusalem zerstört und der letzte Rest der althebräischen Nation vernichtet worden war, gaben die Frommen die Hoffnung nicht auf, dass wenigstens ihre - in diesem Gesetzbuch formuiirte - Religion und ihr Cultus nicht auf ewig vernichtet sein, sondern durch göttliche Fügung wiederhergestellt werden werde". Max Weber notiert am Rand die Jahreszahl 586.
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bestimmt und die Gewalt des Königs beschränkt werde. 72 Den priesterlichen Charakter des vom Priester Hilkia „gefundenen" Gesetzes (2 Könige 22,10) verdeutlicht für Adalbert Merx die Voranstellung der Sakralgesetze vor die des Zivil- und Strafrechts: „Alle diese Umgestaltungen des altisraelitischen Lebens, deren Monument das Deuteronomium ist, sind die Folgen einer gewaltigen, für die ganze Weltgeschichte höchst folgenreichen Revolution. Sie bestand in einer gewalttätigen Trennung des bürgerlichen und geistlichen Lebens, die durch Rechtlosmachung aller lokalen Gottesverehrung neben der allein berechtigten Kultstätte von Jerusalem erzwungen wurde. - Hier bildet sich die geistliche Aristokratie aus, die Im allein berechtigten Tempel Ihre Wurzel hat, die als geschlossene Macht dem Volke und der bürgerlichen Regierung gegenübersteht, sie leitet, sie bekämpft und schließlich aus dem Sattel hebt, bis in der Makkabäerzeit endlich die priesterliche und die königliche Würde in eine Hand gelangen, also der Cäsaropapismus wie in Rußland vorgebildet wird" 7 3
Max Weber geht über Adalbert Merx hinaus mit der Frage, welche Interessenskonstellation den Sieg der Jerusalemer Priesterschaft über das Königtum möglich mache, findet die Antwort im Gegensatz von Bauernschaft und Stadtpatriziat und erweitert Adalbert Merx' These von der geistlichen Herrschaft über das Volk zu der der Herrschaft der Priester über den König, die sich im Deuteronomium widerspiegele. Max Weber widerspricht aber Adalbert Merx, wenn dieser das Königsgesetz des Deuteronomiums mit dem Königtum des Nordreichs verbindet und meint, das Deuteronomium kenne keine Davididen, vielmehr sei noch „aus der alten demokratischen Grundlage der Gedanke übrig geblieben [...], daß die Souveränität in der Volksgemeinde ruht und der Tyrannos in einer einmaligen Wahl zum König gemacht ist". 74 Dagegen bringt Max Weber das gesamte Deuteronomium mit der Jerusalemer Priesterschaft in Verbindung und knüpft die Legitimation des Jerusalemer Königs an das Losorakel der Priester. Die sozialkaritative Gesetzgebung des Deuteronomiums leitet er aus priesterlichem Interesse ab: „Das Deuteronomium sucht, wie schon das alte Gesetz und wie die theokratischen Gesetzgebungen überhaupt, die Garantleen gegen den Gewaltmißbrauch der Besitzenden zu steigern" 7 5
Damit ist eine wichtige Weiche für die Aufsätze zum antiken Judentum der Jahre 1917-1920 gestellt. Nicht eine für die Interessenskonflikte von Trä-
72 Merx, Moses, S.44. 73 Merx, ebd., S.48-49. 74 Merx, ebd., S. 44-45. 75 Weber, Max, Agrarverhältnisse3, S. 94 (MWG I/6). Max Weber widerspricht auch Julius Wellhausen, Geschichte 6 , S. 135-136, der im Deuteronomium die Krönung der Prophetie des 8. und 7. Jahrhunderts v.Chr. sehen will.
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Einleitung
gergruppen unempfindliche Ideengeschichte soll wie für Julius Wellhausen und Eduard Meyer das Deuteronomium literaturhistorisch aufschlüsseln, sondern seine Verortung in diesen Konflikten. Das ethische Programm der sozialen Fürsorge im Alten Testament sei nicht Folge eines prophetischen Sprungs in der Religionsgeschichte Israels im 8. und 7. Jahrhundert v.Chr., sondern des Interesses an der Pazifizierung sozialer Konflikte, das sich religiöser Ideen bediene. 76 Bereits in den „Agrarverhältnissen 3 " von 1908 rekonstruiert Max Weber die alttestamentliche Rechtsgeschichte entsprechend einer Typenreihe rechtshistorischer Entwicklung von der charismatischen Rechtsoffenbarung über das empirisch-kasuistische Honoratiorenrecht bis zum Rechtsoktroy durch weltliche oder theokratische Gewalten, der entsprechend er in der um 1913/14 verfaßten und überarbeiteten „Rechtssoziologie" umfassendere Zeiträume der orientalischen und okzidentalen Rechtsgeschichte strukturiert. 77 Er läßt in den „Agrarverhältnissen 3 " das altisraelitische Recht mit Mose als Aisymneten beginnen und entwickelt die Rechtsgeschichte über das kasuistische Recht des „alten Gesetzes" als Honoratiorenrecht mit der Funktion, die altisraelitische Gemeinfreiheit zu sichern, bis zum deuteronomischen Priesterrecht als Rechtsoktroy theokratischer Machthaber. Daß es sich dabei für Max Weber nicht um eine lineare Entwicklung handelt, wird schon im Artikel der „Agrarverhältnisse 3 " daran deutlich, daß die sozialen Handlungsorientierungen des Deuteronomiums auf denen des „alten Gesetzes" in Gestalt des Bundesbuches aufbauen, in priesterlicher Hand aber anderen Interessenskonstellationen als denen des Bundesbuches dienen sollen. Nicht also um einen ideengeschichtlichen Einfluß der Prophetie auf das Deuteronomium geht es Max Weber, sondern um die Transformation in den Macht- und Interessenskonstellationen Israels, die die gewandelte Gestalt des Rechts im Deuteronomium mit
76 Seine Kritik an entwicklungslogischen Geschichtsrekonstruktionen, die ihn in der Auseinandersetzung zwischen Julius Wellhausen und Eduard Meyer für letzteren Partei ergreifen läßt, begründet Max Weber In: ders., Kritische Studien auf dem Gebiet der kulturwissenschaftlichen Logik I. Zur Auseinandersetzung mit Eduard Meyer, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 22, 1906, S. 143-207, hier S. 155-156 (MWG I/7) (hinfort: Weber, Max, Studien). Daß es allerdings eine unzulässige, wenn auch weit verbreitete Fehlinterpretation von Wellhausens Geschichtsschreibung Ist, versteht man sie als entwicklungslogisch orientiert, zeigt Lothar Perlitt, Vatke und Wellhausen. Geschichtsphilosophische Voraussetzungen und historiographische Motive für die Darstellung der Religion und Geschichte Israels durch Wilhelm Vatke und Julius Wellhausen (Beihefte zur Zeltschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft 94). - Berlin: Alfred Töpelmann 1965, S. 164-243. 77 Weber, Max, Recht, S. 386-512 (MWG I/22-3). Zum Forschungsstand siehe Gephart, Werner, Das Collagenwerk. Zur sogenannten „Rechtssoziologie" Max Webers, In: Rechtsgeschichte 3, 2003, S. 111-127.
Einleitung
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einer gewandelten Position in den Interessenskonflikten erklärt. Noch aber vermittelt Max Weber religiöse Idee und Interesse nicht derart, daß deutlich wird, inwieweit auch die religiösen Ideen die materielle Interessenslage ihrer Träger, sei es die der altisraelitischen Gemeinfreien oder der Jerusalemer Priester, beeinflussen, d a der Aspekt der „ideellen Interessen" noch fehlt. Sind der „rein religiöse Zweck" und das Interesse, „die alte Gemeinfreiheit [zu] erhalten",78 in der Interpretation des „alten Gesetzes" von Bundesbuch und Dekalog noch geschieden, so werden Idee und Interesse in der Deutung des Deuteronomiums doch insofern zusammengeführt, als die religiöse Idee dem Herrschaftsinteresse der Priester dienen soll. In den „Agrarverhältnissen 3 " kündigt sich ebenfalls der in der Studie zum antiken Judentum der Jahre 1 9 1 7 - 1 9 2 0 so prominente Gedanke, daß die Theologie der Leviten im Deuteronomium dem Sinnbedürfnis einer der Irrationalitätserfahrung besonders ausgesetzten Klientel entgegenkomme und dadurch wirksam werde, insofern an, als die Priester angesichts „der religiösen Stimmungen" der Angst „vor den barbarischen Raubkriegen der mesopotamischen Staaten" 79 die Herrschaft im Staat hätten gewinnen können. Die im Deuteronomium vorausgesetzte Professionalisierung des Gerichtswesens verbinde sich mit der Theokratisierung des Staates: „Bureaukratisierung und Theokratisierung gehen Hand in Hand". 8 0 In einer Interessenskoalition von Bauern und Jerusalemer Priestern gegen den Landadel sei den Lokalpriestern mit der Kultzentralisation die Rechtsprechung aus der Hand genommen und nicht allein in die Hände Jerusalemer Priester, sondern auch weltlicher Richter gelegt worden. Max Weber nimmt aber im Gegensatz zur Studie der Jahre 1 9 1 7 1920 noch nicht den Gedanken einer durch die Kultzentralisation bewirkten Entsakralisierung des Alltagslebens der Bevölkerung und also der Lösung der Religion von der Magie auf, den Adalbert Merx im Anschluß an Carl Heinrich Cornill 81 bereits thematisiert hat:
78 Weber, Max, Agrarverhältnisse3, S.92 (MWG I/6). 79 Weber, Max, ebd., S.93. 80 Weber, Max, ebd., S.94. Merx, Moses, S.45-46 und 54-55, verbindet die Einführung von „Landgerichtsräten und Assessoren", d.h. die Professionalisierung der Rechtsfindung, ebenfalls mit dem Deuteronomium. Zum Forschungsstand siehe Otto, Eckart, Artikel Gerichtsverfassung in Israel, in: RGG4 III, Sp.741-743, sowie ders., Recht, S. 169-176, und Gertz, Jan Christian, Die Gerichtsordnung Israels im deuteronomischen Gesetz (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 165). - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1994, jeweils mit weiterer Literatur. 81 Siehe Cornill, Prophetismus, S.84-90. Zu Carl Heinrich Cornills Stellung in der zeitgenössischen Alttestamentlichen Wissenschaft siehe Gunkel, Hermann, Artikel Cornill, Karl (* 1854), in: RGG1 I, Sp.1903.
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Einleitung
„Die Konzentrierung der Geistlichkeit in Jerusalem hatte die unabweisllche Folge, daß der Laienaktion im praktischen Leben eine Ausdehnung zugestanden werden mußte, die sie nicht hatte, so lange die Lokalheiligtümer in Wirksamkeit waren" 8 2 Statt einer „Säkularisierung" d e r L e b e n s v o l l z ü g e im D e u t e r o n o m i u m rückt Max W e b e r vor 1910 ihre T h e o k r a t i s i e r u n g u n d ihre d a m i t v e r b u n d e n e Bürokratisierung in d e n V o r d e r g r u n d , d a ein W i d e r s p r u c h z w i s c h e n priesterlicher Provenienz der A u t o r e n d e s D e u t e r o n o m i u m s u n d einer Profanier u n g d e s L e b e n s zu b e s t e h e n scheint, vor allem aber, d a er d e n A s p e k t e t h i s c h e r Rationalisierung im D e u t e r o n o m i u m n o c h nicht im Blick hat. In dieser Studie aus d e m Jahre 1908 k o m m t a n d e r s als in d e n A u f s ä t z e n z u m antiken J u d e n t u m der J a h r e 1 9 1 7 - 1 9 2 0 a u c h d e n Leviten n o c h keine e i g e n e S e e l s o r g e f u n k t i o n zu, so daß a u c h die Differenzierung z w i s c h e n G e s e t z e n , die a u s der R e c h t s p r e c h u n g s t a m m e n , u n d d e n levitischen W e i s u n g e n im Dienste der S e e l s o r g e n o c h nicht z u m Tragen k o m m t . Vielmehr r e c h n e t Max W e b e r mit e i n e m m a c h t p o l i t i s c h motivierten A u s g r e i f e n der Priester auf d a s G e s e t z in der Gestalt d e s D e u t e r o n o m i u m s .
4. Die
Propheten
Die h e b r ä i s c h e Prophetie w i r d in d i e s e m auf d i e W i r t s c h a f t s g e s c h i c h t e konzentrierten Artikel ü b e r die antiken A g r a r v e r h ä l t n i s s e nur beiläufig z u m T h e m a . D e n n o c h z e i g e n sich s c h o n hier einige c h a r a k t e r i s t i s c h e Züg e v o n Max W e b e r s späterer Interpretation der Propheten: „Die Propheten, in erster Linie religiös, In zweiter an der auswärtigen Politik, als der Tatenbühne ihres Universalgottes, und nur von diesen Gesichtspunkten aus gelegentlich auch .sozialpolitisch' Interessiert, geben das typische Bild der antiken Polisentwickelung unter dem Einfluß der Geldwirtschaft, gegen deren differenzierenden Einfluß die Ohnmacht der Gesetzesbestimmungen (über Sabbatjahr, Zinsverbot usw.) genugsam bezeugt ist. Die .Reformpläne' Heseklels sind ein reines Idealbild aus der Exilszelt".1 W e r d e n die P r o p h e t e n als „in erster Linie religiös" u n d erst „in zweiter an der auswärtigen Politik" interessiert charakterisiert, so w e n d e t sich Max W e b e r d a m i t z u n ä c h s t g e g e n H u g o Winckler, 2 d e s s e n A r b e i t e n er in der
82 Merx, Moses, S.46. 1 Weber, Max, Agrarverhältnisse3, S.95 (MWG I/6), der sich mit den „Reformplänen" auf Ez 40-48 bezieht. 2 Hugo Winckler will zentrale Texte und Themen des Alten Testaments als Imitationen babylonischer Vorbilder erweisen. Zu Hugo Wincklers Stellung in der zeitgenössischen Altorientalistik und Alttestamentlichen Wissenschaft siehe Greßmann, Hugo, Artikel Winckler, Hugo (1863-1913), in: RGG1 V, Sp.2082, sowie Carena, History, S. 96-109.
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B i b l i o g r a p h i e d e r „ A g r a r v e r h ä l t n i s s e 3 " als „oft e t w a s k ü h n " b e z e i c h n e t , 3 u n d d e r in d e n P r o p h e t e n p o l i t i s c h e Parteiführer u n d A g i t a t o r e n im D i e n ste d e r G r o ß m ä c h t e sieht. 4 V i e l m e h r rezipiert M a x W e b e r J u l i u s W e l l h a u s e n s in d e r B i b l i o g r a p h i e als „ g r u n d l e g e n d " 5 b e z e i c h n e t e „ I s r a e l i t i s c h e und jüdische Geschichte": „Sie [sc. die Propheten) führten einen neuen Faktor, den des Weltreiches oder allgemeiner den der Welt, in die Geschichte der Völker ein [...]. Sie nahmen den Begriff der Welt, der die Religionen der Völker zerstörte, in die Religion, in das Wesen Jahves auf, ehe er noch recht in das profane Bewußtsein eingetreten w a r " 6 Die F o r t s e t z u n g e r i n n e r t a n M a x W e b e r s „ T a t e n b ü h n e " d e s U n i v e r s a l g o t tes: „Die Gegenwart, die sie erlebten, wurde ihnen zum Mythus eines göttlichen Dramas, dem sie mit vorausempfindendem Verständnis zuschauten. Überall die selben Gesetze, überall das gleiche Ziel der Entwicklung. Die Völker sind die agierenden Personen, Israel der Held, und Jahve der Poet der Tragödie". 7 Trennt M a x W e b e r k o n s e q u e n t d i e religiöse M o t i v a t i o n d e r P r o p h e t e n v o n p o l i t i s c h e n Interessen, s o s c h l ä g t er s c h o n in d i e s e m Text d e s J a h r e s 1 9 0 8 d e n e n t s c h e i d e n d e n Ton s e i n e r P r o p h e t e n i n t e r p r e t a t i o n in d e r Stud i e z u m a n t i k e n J u d e n t u m d e r J a h r e 1 9 1 7 - 1 9 2 0 an. Mit d e r S o n d e r u n g z w i s c h e n „rein r e l i g i ö s e r " u n d p o l i t i s c h e r M o t i v a t i o n w e n d e t s i c h M a x W e b e r n i c h t nur g e g e n d i e A g e n t e n t h e o r i e n H u g o W i n c k l e r s u n d a n d e r e r Vertreter d e r B a b e l - B i b e l - B e w e g u n g , 8 s o n d e r n a u c h g e g e n I n t e r p r e t a t i o -
3 Weber, Max, Agrarverhältnisse3, S.185 (MWG I/6). Max Weber nennt hier vor allem die Monographien von Winckler, Geschichte I, sowie ders., Geschichte II, zu denen er notiert, daß sie ihm „während der Niederschrift dieses Aufsatzes nicht zugänglich gewesen" seien. 4 Winckler, Hugo, in: Schräder, Keilinschriften, S. 170-175. 5 Weber, Max, Agrarverhältnisse3, S. 185 (MWG I/6). 6 Wellhausen, Geschichte 6 , S. 111-112. 7 Wellhausen, ebd., S. 112. Siehe dazu Arnos 9,7. 8 Zur zeitgenössischen Kritik an dieser aus der Altorientalistik kommenden Forschungsrichtung, die das Alte Testament als kulturhistorischen Absenker der religiösen Literatur Mesopotamiens erweisen will, siehe Gunkel, Hermann, Israel und Babylonien. Der Einfluss Babyloniens auf die israelitische Religion. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1903 (hinfort: Gunkel, Einfluss): Küchler, Friedrich, Artikel Bibel und Babel, in: RGG1 I, Sp. 1138-1144 (hinfort: Küchler, Artikel Bibel und Babel), sowie Carena, History, S.96-112. Zum Forschungsstand des Babel-Blbel-Strelts siehe Lehmann, Reinhard G., Friedrich Delitzsch und der Babel-Blbel-Streit (Orbis Biblicus et Orientalis 133). - Fribourg: Universitätsverlag/Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1994, sowie Forster, Benjamin R., Artikel Panbabylonismus, in: RGG4 VI, Sp.847 mit weiterer Literatur. Zum Forschungsstand der Kulturbeziehungen zwischen Israel und Mesopotamien insbesondere in der Rechtskultur siehe Otto, Eckart, Artikel Israel und Mesopotamien, in: RGG4 IV, Sp. 308-309 mit weiterer Literatur.
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nen der Propheten als sozialpolitischer Interessensvertreter unterprivilegierter Schichten 9 oder im Dienste eines Mittelstandideals stehend. 1 0 Frants Buhl versteht die Propheten, in denen das „Volksgewissen" lebe, als „Vertheidiger" der Armen und Unfreien. 11 Die von Frants Buhl zusammengestellten Inhalte prophetischer Sozialkritik an Wohlleben und Luxus der durch Handel reich Gewordenen, an der Putzsucht der Stadtfrauen, der Überwucherung der Bauern durch ein ungesundes Latifundienwesen sowie an schmutzigen Kunstgriffen im Getreidehandel 1 2 subsumiert Max Weber d a g e g e n unter „das typische Bild der antiken Polisentwickelung unter d e m Einfluß der Geldwirtschaft". 1 3
5. Die postexilische
Polis
Jerusalem
Ist in der Darstellung der vorexilischen Wirtschaftsgeschichte Israels und Judas in erster Linie Max Webers Heidelberger Kollege Adalbert Merx der fachexegetische Gewährsmann, so ist es für die knappe Darstellung der nachexilischen Verhältnisse 14 Eduard Meyer. 15 Da die Wirtschaftsgeschichte im Mittelpunkt von Max Webers Artikel zu den antiken Agrarverhältnissen steht und die Prophetie entsprechend knapp abgehandelt wird, so kommt der für Julius Wellhausens Rekonstruktion der israelitischen Religionsgeschichte zentrale Gedanke, das nachexilische Judentum sei Folgewirkung der Prophetie, noch nicht zum Tragen, sondern wird erst im Manuskript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" der Jahre
9 Als Beispiel für die marxistische Propheteninterpretation siehe Beer, Max, Ein Beitrag zur Geschichte des Klassenkampfes im hebräischen Alterthum, in: Die Neue Zeit. Revue des geistigen und öffentlichen Lebens 11/1, 1893, S. 444-448 (hinfort: Beer, Klassenkampf). 10 Walter, Propheten, S. 227-260; ders., Über Agrar- und Mittelstandspolitik im hebräischen Altertum, in: Die Wahrheit 5, 1900, S. 58-67. Zum Forschungsstand der Einordnung von Franz Walter in zeitgenössische Diskurse siehe Brauer, Bernd, Das Bild der Unheilsprophetie Israels in der frühen soziologisch orientierten Forschung (Altes Testament und Moderne 3). - Münster: LIT Verlag 1999, S. 68-72. 11 Buhl, Verhältnisse, S. 21. 12 Buhl, ebd., S. 19-22. 13 Weber, Max, Agrarverhältnisse3, S.95 (MWG I/6). 14 Weber, Max, ebd., S. 125-126. 15 Max Weber rezipiert Meyer, Geschichte III1, S. 174-220, mit entsprechenden Anstreichungen in seinem Handexemplar. Darüber hinaus rezipiert Max Weber durchgehend Meyer, Judenthum. Zum Verhältnis von Grundbesitzern und Handwerkern siehe Meyer, Judenthum, S. 153, zu den Ackerbauern ebd., S. 156, zum „künstlichen" Charakter der Verbände ebd., S. 162, zum „Priesterkodex" als von Esra als persischem Beauftragten oktroyiertem Gesetz ebd., S. 206-216, zu den die Rechte der Jerusalemer Priester begründenden Vorschriften des Priesterkodex ebd., S. 218-222.
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1 9 1 1 - 1 9 1 3 a n g e d e u t e t u n d d a n n in d e r S t u d i e z u m a n t i k e n J u d e n t u m d e r J a h r e 1 9 1 7 - 1 9 2 0 voll z u r G e l t u n g g e b r a c h t . M a x W e b e r s t ü t z t s i c h in d i e s e m Artikel d e s J a h r e s 1908 auf E d u a r d M e y e r s T h e s e , d a s n a c h e x i l i s c h e J u d e n t u m sei m i t p e r s i s c h e r G e b u r t s h i l f e a u f g r u n d e i n e r I n t e r e s s e n s k o n vergenz zwischen der persischen Reichsregierung und der Jerusalemer P r i e s t e r s c h a f t e n t s t a n d e n . M a x W e b e r ist in s e i n e r D a r s t e l l u n g d e s n a c h exilischen J u d e n t u m s schließlich a u c h durch d a s Kapitel „ J u d ä a u n d die J u d e n " im f ü n f t e n B a n d v o n T h e o d o r M o m m s e n s „ R ö m i s c h e r G e s c h i c h te"16 beeinflußt. T h e o d o r M o m m s e n , d e m d a s Maß staatlicher Verfaßtheit eines Volkes als M a ß s t a b d e s Werturteils ü b e r seine G e s c h i c h t e dient, beurteilt d a s n a c h e x i l i s c h e J u d e n t u m a l s „ T h e o k r a t i e " o h n e s t a a t l i c h e E i g e n ständigkeit negativ. Schließt sich M a x W e b e r g e g e n Julius W e l l h a u s e n 1 7 Eduard Meyers These an, die Verfassung d e s nachexilischen J u d e n t u m s
16 Mommsen, Geschichte V, S. 487-552. Siehe dazu Hoffmann, Christhard, Juden und Judentum im Werk deutscher Althistoriker des 19. und 20. Jahrhunderts (Studies in Judaism in Modern Times 9 ) . - L e i d e n : E.J. Brill 1988, S. 104-117 (hinfort: Hoffmann, Althistoriker). 17 Julius Wellhausen, Anzeige von Eduard Meyer, Die Entstehung des Judenthums. Eine historische Untersuchung, in: Göttingische gelehrte Anzeigen 159/2, 1897, S. 8 9 - 9 7 (hinfort: Wellhausen, Meyer), hat die These Eduard Meyers, in Esra 4 - 7 seien Dokumente der persischen Reichsregierung zu finden, heftiger Kritik unterzogen, die Eduard Meyer, Julius Wellhausen und meine Schrift Die Entstehung des Judenthums. Eine Erwiderung. - Halle: Max Niemeyer 1897 (hinfort: Meyer, Schrift), sowie ders., Zur Rechtfertigung, in: Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft 18, 1898, S. 339-344, ebenso heftig zurückgewiesen hat. Julius Wellhausens Auseinandersetzung mit Eduard Meyer hat in der „Wellhausen-Schule" Wirkung gezeigt. Rudolf Smend (sen.) hat zunächst eine Position vertreten, die der Eduard Meyers ähnelte; siehe Smend, Rudolf, Über die Genesis des Judenthums, in: Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft 2, 1882, S. 94-151. 1912 hat er dann in einer Rezension einer Monographie Eduard Meyers zu den Elephantine-Papyri (siehe unten, S.719 Hg.-Anm.11) in der Theologischen Literaturzeitung 37, 1912, Sp. 484-488, diese Position zugunsten der Wellhausens aufgegeben. Für Max Weber, Studien, S. 155-156, hat der Disput seinen Kern in der Alternative einer immanent evolutionistischen Sicht israelitisch-jüdischer Religionsgeschichte, für die Julius Wellhausen stehe, und einer epigenetischen Erklärung unter Einbeziehung externer Faktoren in Gestalt politischer Maßregeln der persischen Politik. So interpretiert Max Weber in der Studie zum antiken Judentum der Jahre 1917-1920 (siehe unten, S.237) den Konflikt mit der Feststellung: „Für die zwischen beiden erörterte Frage dürfte heute Ed. Meyer nach der so gut wie allseitigen Meinung im Recht geblieben sein". In den „Agrarverhältnissen 3 " hat Max Weber zehn Jahre früher den Konflikt weniger prinzipiell und dem Thema seiner Abhandlung entsprechend dahingehend gedeutet, daß Julius Wellhausens Studien für die Geschichtsschreibung Israels zwar grundlegend seien, aber für die „Sozialgeschichte speziell" im Gegensatz zu Eduard Meyers Studie zur Entstehung des Judentums wenig aussagten. Zum Forschungsstand des Disputs zwischen Eduard Meyer und Julius Wellhausen siehe Parente, Fausto, Die Entstehung des Judenthums: Persien, die Achämeniden und das Judentum in der Interpretation von Eduard Meyer, in: Calder III, William M./Demandt, Alexander (Hg.), Eduard Meyer. Le-
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Einleitung
als „ G e m e i n d e " unter p e r s i s c h e r H o h e i t sei vor a l l e m auf d i e a c h ä m e n i d i s c h e Z e n t r a l r e g i e r u n g z u r ü c k z u f ü h r e n , 1 8 so entlastet er d a s n a c h e x i l i s c h e J u d e n t u m v o n T h e o d o r M o m m s e n s V o r w u r f , es h a b e i h m a u f g r u n d d e s G e i s t e s „ n a t i o n a l e r Exklusivität u n d p r i e s t e r l i c h e r G e i s t e s f e s s e l u n g " Willen zu staatlicher Gestaltung gemangelt. Das priesterliche
am
Streben
n a c h A b s o n d e r u n g ist d a n n e h e r F o l g e als U r s a c h e d e r p o l i t i s c h e n Entw i c k l u n g d e s J u d e n t u m s . Für M a x W e b e r s i n d w i e für E d u a r d M e y e r in Esra 4 - 7 h i s t o r i s c h z u v e r l ä s s i g e D o k u m e n t e d e r p e r s i s c h e n Z e n t r a l r e g i e r u n g a u f g e n o m m e n w o r d e n , so daß d i e „Oktroyierung
d e s im Exil, w o d i e
alte F o r m d e s J a h w e h k u l t s u n m ö g l i c h war, zu a l l b e h e r r s c h e n d e r B e d e u t u n g g e l a n g t e n R e i n h e i t s r i t u a l s u n d d e r im s o g . . P r i e s t e r k o d e x ' v o r g e s e h e n e n , d i e R e c h t e d e r j e r u s a l e m i t e r P r i e s t e r s c h a f t b e g r ü n d e n d e n , Vors c h r i f t e n " 1 9 d e r p e r s i s c h e n Z e n t r a l r e g i e r u n g a n g e l a s t e t w e r d e n . A l s „Distinktiv d e r V o l k s g e m e i n s c h a f t " g e l t e d i e E i n h a l t u n g d e r rituellen G e s e t z e von Beschneidung und Sabbat sowie der Reinheitsgebote. Dementsprec h e n d s e i e n d i e Priester Leiter d e r j ü d i s c h e n G e m e i n d e , w o b e i d i e politis c h e K o n s t i t u t i o n nur d e m Z w e c k g e d i e n t h a b e , d e n T e m p e l als s a k r a l e n Mittelpunkt zu stärken. A u s dieser Neustrukturierung g e g e n ü b e r d e m vor-
ben und Leistung eines Universalhistorikers (Mnemosyne. Supplements 112). - Leiden: E.J. Brill 1990, S. 329-343, und Kratz, Reinhard G., Die Entstehung des Judentums. Zur Kontroverse zwischen E. Meyer und J. Wellhausen, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 95, 1998, S. 167-184. 18 Zum heutigen Forschungsstand der religionspolitischen Beziehungen zwischen der persischen Reichsregierung und der Provinz Jehud siehe Ahn, Gregor, „Toleranz" und Reglement. Die Signifikanz achaimenidischer Religionspolitik für den jüdisch-persischen Kulturkontakt, in: Kratz, Reinhard G. (Hg.), Religion und Religionskontakte im Zeitalter der Achämeniden (Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie 22). - Gütersloh: Chr. Kaiser/Gütersloher Verlagshaus 2002, S. 191-209, sowie zusammenfassend ders., Artikel Israel und Persien, in: RGG4 IV, Sp.309-311 mit weiterer Literatur. Zum Stand der Erforschung der politischen Struktur der Provinz Jehud siehe Carter, Charles E., The Emergence of Yehud in the Persian Period. A Social and Demographic Study (Journal for the Study of the Old Testament. Supplement Series 294). - Sheffield: Sheffield Academic Press 1999. Insbesondere die Begriffe der „Gemeinde", des „Konfessionsverbandes" oder gar der „Kirche" zur Bezeichnung des nachexilischen Judentums erfassen nicht die staatsrechtliche Konstruktion der persischen Provinz Jehud, da sie ihre politischen Funktionen zugunsten der religiösen zu gering gewichten. Siehe dazu auch Crüsemann, Frank, Israel in der Perserzeit. Eine Skizze in Auseinandersetzung mit Max Weber, in: Schiuchter, Wolfgang (Hg.), Max Webers Sicht des antiken Christentums. Interpretation und Kritik (suhrkamp taschenbuch Wissenschaft 548). - Frankfurt/Main: Suhrkamp 1985, S. 205-232. Zum gegenwärtigen Stand der Erforschung der Nehemia- und Esraerzählungen und ihrer Interpretationen der Provinz Jehud siehe Karrer, Christine, Ringen um die Verfassung Judas. Eine Studie zu den theologisch-politischen Vorstellungen im Esra-Nehemia-Buch (Beihefte zur Zeitschrift für die Alttestamentllche Wissenschaft 308). - Berlin: de Gruyter 2001. 19 Dies und das folgende Zitat aus Weber, Max, Agrarverhältnisse3, S. 125-126 (MWG I/6).
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Einleitung exilischen J u d a resultiere ein g e w a n d e l t e s Verhältnis d e n
Nichtjudäern
g e g e n ü b e r . D a s früher g e ü b t e K o n n u b i u m mit d e n „ L a n d b e w o h n e r n " w e r de aufgehoben, gleichzeitig aber beginne eine g e g e n die A b s t a m m u n g indifferente jüdische Propaganda.
Die ritualistische A b s o n d e r u n g
nachexilischen J u d e n t u m s von d e n Unreinen steht also im zum Manuskript
„Ethik u n d Mythik/rituelle A b s o n d e r u n g "
des
Gegensatz
u n d zur Vor-
k r i e g s s t u d i e d e r „ R e l i g i ö s e n G e m e i n s c h a f t e n " n i c h t i m Z e n t r u m d e s Interesses. Der G e s e t z e s g e h o r s a m sei vielmehr Kriterium der Z u g e h ö r i g k e i t z u m J u d e n t u m , d a s die Möglichkeit zu einer religiösen P r o p a g a n d a unter N i c h t j u d e n eröffnet h a b e . 2 0 Die Reinheitsgesetze sollen nur der priesterlic h e n L e i t u n g s f u n k t i o n , d i e in p e r s i s c h e m I n t e r e s s e g e l e g e n h a b e ,
ge-
d i e n t h a b e n . S i e s e t z e d i e b e r e i t s in j o s i a n i s c h e r Z e i t v o l l z o g e n e M a c h t ü b e r n a h m e d e r P r i e s t e r f o r t . 2 1 Es g e h t M a x W e b e r i m K o n t e x t d e r G e s a m t k o n z e p t i o n d e s A r t i k e l s d e r „ A g r a r v e r h ä l t n i s s e i m A l t e r t u m " in d e r d r i t t e n A u f l a g e u m eine B e g r ü n d u n g dafür, daß sich J e r u s a l e m als „theokratis c h e r Stadtstaat" a u f g r u n d d e r Koalition d e r Priester mit d e r p e r s i s c h e n Reichsregierung nicht zu einer vollen „Bürgerpolis" h a b e entwickeln könn e n , 2 2 d e r e n V o r a u s s e t z u n g d i e U n t e r w e r f u n g d e r P r i e s t e r s c h a f t d u r c h einen Kriegsadel gewesen wäre.23
20 Max Weber knüpft damit an Meyer, Judenthum, S. 120-121, an: „Das Judenthum ist von Anfang an auf die Propaganda angelegt: seine Thore sind dem Heiden weit geöffnet [...]. Nur eine Voraussetzung war unumgänglich: dass der Betreffende die Grundlage der neuen Gemeinde anerkannte, dass er sich ihrem Gesetz, ihren religiösen Ordnungen fügte, abthat was als heidnisch und gottlos galt und Jahves Gebote auf sich nahm". 21 Max Weber folgt nicht der Julius Wellhausen, Prolegomena, S. 361-424, und ders., Geschichte 6 , S. 160-187, leitenden Differenzierung zwischen vorexilischem „Hebraismus" und nachexllischem „Judaismus", die mit negativen Werturteilen in bezug auf das Judentum versehen ist. Siehe dazu Liebeschütz, Judentum, S. 245-268, sowie Kusche, Ulrich, Die unterlegene Religion. Das Judentum im Urteil deutscher Alttestamentier (Studien zu Kirche und Israel 12). - Berlin: Selbstverlag des Instituts Kirche und Judentum 1991, S.30-74, und Weinfeld, Moshe, The Place of the Law in the Religion of Ancient Israel (Supplements to Vetus Testamentum 100). - Leiden/Boston: E.J. Brill 2004, S . 3 - 1 6 (hinfort: Weinfeld, Law). Zu Geschichte und Diskussionsstand der Differenzierung zwischen Hebraismus und Judentum siehe Perlitt, Lothar, Hebraismus - Deuteronomismus -Judaismus, in: Braulik, Georg/Groß, Walther/McEvenue, Sean (Hg.), Biblische Theologie und gesellschaftlicher Wandel. Festschrift für Norbert Lohfink. - Freiburg/Br.: Herder 1993, S. 279-295. Den Vorwurf antisemitischer Tendenzen bei Julius Wellhausen unterzieht Rudolf Smend (jun.), Wellhausen und das Judentum, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 79, 1982, S.249-282 (wieder abgedruckt in: ders., Epochen, S. 186-215), der Kritik. 22 Beginnt Max Weber seine Darstellung der nachexilischen Geschichte in dem Artikel „Agrarverhältnisse im Altertum" im Rahmen des Kapitels über den Hellenismus mit dem Satz: „Wie in manchen anderen Gebieten, so suchte sich politisch die persische Herrschaft auch in Jerusalem auf die Theokratie zu stützen" (Weber, Max, Agrarverhältnis-
26 6. Das talmudische
Einleitung Judentum
Schließlich k o m m t M a x W e b e r im R a h m e n d e s K a p i t e l s „ H e l l e n i s m u s " in d e n „ A g r a r v e r h ä l t n i s s e n 3 " auf d a s t a l m u d i s c h e J u d e n t u m z u s p r e c h e n , 2 4 d e s s e n R e c h t er als d a s „ e i n e s Volkes, w e l c h e s e b e n b e g i n n t , e i n H a n d e l s v o l k zu werden",25
interpretiert. W ä h r e n d d a s j ü d i s c h e F a m i l i e n r e c h t
e i n e n s c h o l a s t i s c h - t h e o r e t i s c h e n C h a r a k t e r h a b e , 2 6 sei d a s A g r a r r e c h t , auf d a s s i c h M a x W e b e r k o n z e n t r i e r t , d e r a r t i g e n rein s p e k u l a t i v e n Einflüss e n nicht s o leicht z u g ä n g l i c h g e w e s e n . A u s w e i s d e s p r a k t i k a b l e n C h a rakters d e s t a l m u d i s c h e n R e c h t s im G e g e n s a t z z u e n t s p r e c h e n d e n Reg e l u n g e n d e s A l t e n T e s t a m e n t s sei es, daß d a s t a l m u d i s c h e R e c h t „keinerlei S c h r a n k e n d e r B o d e n v e r ä u ß e r u n g u n d k e i n e n U n t e r s c h i e d im Immobiliar- g e g e n d a s M o b i l i a r e r b r e c h t " k e n n e . Im S c h u l d r e c h t
schlage
se3, S. 125 [MWG I/6]), so knüpft er damit exakt an Eduard Meyers Feststellung an, die Entstehung des nachexllischen Judentums sei ein Ergebnis der Politik des Perserreiches. Max Weber führt die folgende Darstellung der Agrargeschichte Jehuds aber nicht unter dem Stichwort „Judentum", sondern „Jerusalem" ein, was zeigt, daß er die nachexilische Sozialgeschichte der persischen Provinz Jehud unter stadtsoziologischem Gesichtspunkt begreift. 23 Es ist auffällig, daß Max Weber In dem mit den „Agrarverhältnissen 3 " zeltgleichen Artikel „Agrargeschichte. I. Altertum", In: RGG1 I, Sp. 233-237 (MWG I/6), das antike Israel und Judentum übergeht und entsprechende Verweise auf andere Artikel von Hermann Gunkel auf Bitten des Verlegers eingefügt wurden. Derartige Bitten waren nicht gängige Praxis des Verlegers. Max Weber sah sich offensichtlich noch nicht ausreichend exegetisch unterrichtet, um in einem Publikationsorgan der protestantischen Theologie über das antike Israel zu handeln. Für Nachwelse siehe Otto, Max Weber, S.6-10, mit dem Abdruck des Briefes von Paul Siebeck an Hermann Gunkel vom 16. Mai 1908 (VA Mohr/ Siebeck [Tübingen]) zu Max Webers Artikel. 24 Weber, Max, Agrarverhältnisse 3 , S. 124-141 (MWG I/6). Für die knappen Hinwelse zu den Makkabäern sowie der Geschichte von Pharisäern und Zadoklden bedient sich Max Weber seiner Exzerpte aus Schürer, Geschichte. Den Talmud nimmt Max Weber In Gestalt der unvollständig gebliebenen Übersetzung von Lazarus Goldschmidt, Der babylonische Talmud, herausgegeben nach der editio princeps (Venedig 1520-23) nebst Varianten der spaeteren von S. Lorja und J. Berlin revidirten Ausgabe und der Muenchener Hs. (nach Rabb. VL.), moeglichst wortgetreu uebersetzt mit kurzen Erklaerungen versehen. - Berlin: S. Calvary 1896ff., zur Kenntnis. 25 Weber, Max, Agrarverhältnisse3, S. 139 (MWG I/6). 26 Die Darstellung des jüdischen Familienrechts berührt sich in zahlreichen Punkten mit Weber, Marlanne, Ehefrau und Mutter In der Rechtsentwicklung. Eine Einführung. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Slebeck) 1907, S. 117-131 (hinfort: Weber, Marianne, Ehefrau). Max Weber, Agrarverhältnisse3, S. 139 (MWG I/6), wiederholt auch die These, die rabbinischen Spekulationen über das Sabbatjahr etc. seien „reine Übungen der Logik ohne alle praktische Bedeutung im Leben" gewesen. Zur werkbiographischen Relationierung dieser beiden Studien von Max und Marianne Weber nimmt ausgewogen Stellung Klaus Lichtblau, Die Bedeutung von „Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung" für das Werk Max Webers, In: Meurer, Bärbel (Hg.), Marlanne Weber. Beiträge zu Werk und Person. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Slebeck) 2004, S.200-212.
Einleitung
27
sich der tiefe Einfluß der theokratischen Bindung des Rechts nieder, nicht aber der Einfluß einer „sozialen Bewegung" im modernen Sinne. „.Soziale Probleme', die als solche subjektiv empfunden werden, sind im Altertum: politische Probleme des freien Polisbürgers: die Gefährdung der Bürgergleichheit, die Deklassierung durch Verschuldung und Besitzverlust". In der römischen Kaiserzeit, als die ökonomische Lage der jüdischen Kleinbauern und Kleinbürger erträglicher war als je zuvor, konnte von „sozialen Problemen" sowenig die Rede sein wie nur je in der Weltgeschichte. „Es ist nicht nur schief, sondern geradezu Widersinn, wenn der Versuch gemacht wird, z.B. das Christentum aus .sozialen' Ursachen abzuleiten oder als einen Ausläufer antiker .sozialistischer' Bewegungen hinzustellen, nur deshalb, weil es, wie jede .Erlösungsreligion', das Hängen an der ,Welt', und deshalb den Reichtum, der dazu führt, für .gefährlich' hält [...]. Die Loslösung von dem Gedanken des national-theokratischen Judenstaates einerseits, und andererseits das Fehlen ,sozialer' Probleme (im Sinne des Altertums) für seine Anhänger waren ja gerade diejenigen Grundbedingungen, unter denen das Christentum überhaupt .möglich' wurde". 27 Lehnt Max Weber in dem Artikel der „Agrarverhältnisse 3 " Eduard Meyers These der Analogiefähigkeit von antikem und modernem Kapitalismus zugunsten der Akzentuierung der Differenzen ab, so korrespondiert dem als Konsequenz die Negation sozialer Bewegungen im modernen Sinne für die Antike. Max Weber wollte in seinen Protestantismus-Studien die Wirkung religiöser Ideen und des mit ihnen vermittelten religiösen Heilsbedürfnisses auf die Ökonomie aufzeigen. Diese Fragerichtung setzt voraus, daß die religiöse Idee nicht ihrerseits Konsequenz der Ökonomie ist. In dem Objektivitäts-Aufsatz des Jahres 1904 hat Max Weber dagegen bereits im methodischen Grundsatz das Verhältnis von Religion und Ökonomie differenzierter als wechselseitige Relation beschrieben und dem Einfluß der Ökonomie auf religiöse Systeme Raum gegeben. 2 8 Wie in den Studien zur „Protestantischen Ethik" steht auch in dem Artikel „Agrarverhältnisse 3 " der Aspekt der Unabhängigkeit der religiösen Idee von den sozialen und ökonomischen Kontexten im Christentum als Erlösungsreligion stärker im Vordergrund, als es der ObjektivitätsAufsatz erwarten läßt.
27 Weber, Max, Agrarverhältnisse3, S.140 (MWG I/6). 28 Weber, Max, Die „Objektivität" sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 19, 1904, S. 22-87 (MWG I/7), hier S. 37-38 (hinfort: Weber, Max, Objektivität). Siehe dazu unten, S.90-98.
28
Einleitung
Max Webers Studien zum antiken Judentum
bis zum
Weltkrieg
I. Max Webers Kritik an Werner Sombarts „Die Juden und das Wirtschaftsleben" Max Webers Studie zu den Agrarverhältnissen aus dem Jahre 1908 stellt, wie u.a. seine Wellhausen-Lektüre, sein Exzerpt der mehrbändigen Monographie von Emil Schürer 29 und seine Lektüre der zehnbändigen Monographie von Heinrich Graetz 30 jeweils zur Geschichte und das heißt vornehmlich Religionsgeschichte des Judentums zeigen, nur einen durch das Thema bedingten Ausschnitt seiner Beschäftigung mit dem antiken Israel und Judentum dar. Max Weber hat aber in seinen weiteren Studien zum antiken Judentum insbesondere den Abschnitt zu Altisrael in den „Agrarverhältnissen 3 " kontinuierlich wiederverwendet. Keine der nach 1908 verfaßten Studien zum antiken Judentum ist ohne diesen Abschnitt der „Agrarverhältnisse" zu interpretieren. Nicht zuletzt durch Werner Sombarts 1 1911 erschienene Monographie „Die Juden und das Wirtschaftsleben", die den mentalitätshistorischen Einfluß der jüdischen Religion auf das Wirtschaftsverhalten bis in die Moderne herausarbeiten will, rückt die Frage nach dem möglichen Einfluß des Judentums als über die Religion definierter Gemeinschaft auf den „Geist des Kapitalismus" auch für Max Weber ins Blickfeld. Schon 1902 formulierte Werner Sombart ein Forschungsprogramm, das Berührungspunkte mit Max Webers Protestantismusstudien darin hat, daß die Genese des „kapitalistischen Geistes", der an die Stelle der Sorge für die konkreten materiellen Bedürfnisse der Wirtschaftssubjekte das abstrakte Interesse an der optimalen Verwertung des Kapitals als Zweck des Wirtschaftens stellt, nicht durch die Suche nach Gesetzmäßigkeiten in der Wirtschaftsentwicklung aufzuklären sei. Nur durch den Nachweis „konkret-historischer Zusammenhänge", der sich aber für Werner Sombart nicht auf die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft beschränken dürfe, sei der Genese dieses „Geistes" auf die Spur zu kommen: 2
29 Schürer, Geschichte I4, und ders., Geschichte II3. 30 Insbesondere Graetz, Geschichte 111/1; ders., Geschichte III/2. 1 Zu Werner Sombarts Biographie und Werk siehe Lenger, Friedrich, Werner Sombart 1863-1941. Eine Biographie. - München: C.H. Beck 2. Auflage 1995 (hinfort: Lenger, Sombart); Appel, Michael, Werner Sombart. Historiker und Theoretiker des modernen Kapitalismus. - Marburg: Metropolis 1992 (hinfort: Appel, Sombart). 2 Siehe dazu Düe, Thomas, Fortschritt und Werturteilsfreiheit. Entwicklungstheorien in der historischen Nationalökonomie des Kaiserreichs, Diss. phll. - Bielefeld 2002, S. 262263 (hinfort: Düe, Fortschritt); Swedberg, Richard, Max Weber and the Idea of Economic Sociology. - Princeton: Princeton University Press 1998, S. 17-21 und 189-197 (hin-
Einleitung
29
„Unzureichend erscheint mir auch eine Begründung modern-kapitalistischen Wesens mit der Zugehörigkeit zu bestimmten Religionsgemeinschaften. Daß der Protestantismus, zumal in seinen Spielarten des Calvinismus und Quäkertums, die Entwicklung des Kapitalismus wesentlich gefördert hat, ist eine zu bekannte Tatsache, als daß sie des weiteren begründet zu werden brauchte. Wenn jedoch jemand gegen diesen Erklärungsversuch [...] einwenden wollte: die protestantischen Religionssysteme seien zunächst vielmehr Wirkung als Ursache des modern-kapitalistischen Geistes, so wird man ihm schwer die Irrtümlichkeit seiner Auffassung darthun können, es sei denn mit Hilfe eines empirischen Nachweises konkret-historischer Zusammenhänge, auf welche wir also immer wieder hingewiesen werden, sobald wir auch nur einigermaßen befriedigenden Aufschluß über die Entstehung des modernen Kapitalismus gewinnen wollen" 3
Werner Sombart deutet im folgenden bereits die These an, dem Judentum sei ein Anteil an der Entstehung des „Geistes des Kapitalismus" zuzurechnen: „Das zweite aber, was sich mit einiger Gewißheit aussagen läßt, ist dieses: daß sich der Erwerbstrieb im Verkehr mit Stammesfremden entfaltet haben wird. Erst hier konnte der Gedanke Wurzel schlagen, daß man eine wirtschaftliche Vornahme dazu benutzen könne, um sich durch ihre geschickte Bewerkstelligung zu bereichern. Wie ja der entgeltliche Verkehr überhaupt sich erst zwischen Fremden entwickelte [...]. Deshalb liegt es nahe, für die rasche Entfaltung des Erwerbstriebes in Westeuropa die Einsprengung zahlreicher stammesfremder Elemente (der Juden) in die europäischen Völker als Erklärung anzuführen. Und sicher haben die Juden, dank auch des weiteren ihrer Rassenveranlagung sowie ihrer oft unterdrückten Stellung, einen bedeutenden Anteil an der Genesis des kapitalistischen Geistes genommen" 4
In seiner 1903 erscheinenden Monographie „Die deutsche Volkswirtschaft im neunzehnten Jahrhundert" hat Werner Sombart die These einer Bedeutung des Judentums für die Genese des „Geistes des Kapitalismus" wiederholt: „Aber diese Einsprengung romanischer Elemente in die germanisch-keltisch-slawische Bevölkerung Deutschlands tritt doch an Bedeutung für den Gang der wirtschaftlichen Entwicklung ganz erheblich zurück, wenn wir sie in Vergleich stellen mit einem andern Einschlag eines lebendigeren Volksstammes, der wie mir scheint einen Einfluß von ganz ungeheurer Tragweite auf die Gestaltung unseres Wirtschaftslebens ausgeübt hat; ich meine natürlich den Einschlag jüdischer Elemente".5
fort: Swedberg, Max Weber); Quensel, Bernhard K., Max Webers Konstruktionslogik. Sozialökonomik zwischen Geschichte und Theorie. Diss.rer.oec. - Hamburg 2004, S. 166-175 (hinfort: Quensel, Konstruktionslogik). 3 Sombart, Werner, Der moderne Kapitalismus. Band 1: Die Genesis des Kapitalismus. - Leipzig: Duncker & Humblot 1902, S. 380-381 (hinfort: Sombart, Kapitalismus). 4 Sombart, ebd., S.389-390. Werner Sombart greift hier auf Simmei, Georg, Philosophie des Geldes. - Leipzig: Duncker & Humblot 1900, S.207-211 (hinfort: Simmei, Geld), zurück. 5 Sombart, Werner, Die Volkswirtschaft im neunzehnten Jahrhundert. - Berlin: Georg
30
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Werner Sombart grenzt sich von Karl Marx ab, der kapitalistische und jüdische Wirtschaft für identische Begriffe hielt und für den „das reale Wesen der Juden sich in der bürgerlichen Gesellschaft verwirklicht" habe. 6 Werner Sombart setzt dem die differenziertere These vom jüdischen Ursprung des „Geistes des Kapitalismus" entgegen: „Je reiner also kapitalistisches Wesen Im Wirtschaftsleben sich durchsetzt, desto mehr Spielraum erhält die jüdische Eigenart. Was man dann auch so ausdrücken kann: je mehr sich jüdisches Wesen durchsetzt, desto ausschließlicher kommt die kapitalistische Organisation zur Anwendung. Und nun wird niemand länger im Unklaren sein, worin die eminente Bedeutung des Judentums für die modernen Volkswirtschaften liegt: es beschleunigt deren Umbildung In die kapitalistische Organisation, die heute wirtschaftlich die schlechthin vollkommene Ist. Ganz besonders deutlich kommt diese jüdische Mission - den Übergang zum Kapitalismus zu befördern - dort zum Ausdruck, wo es gilt, die heute noch konservierten Reste vorkapitalistischer Organisation aus der Welt zu schaffen: In der Zersetzung der letzten Handwerke und der handwerksmäßigen Krämerei. Man kann getrost sagen, daß beispielsweise Schneiderei, Schuhmacherei, Tischlerei, Bauhandwerk zum großen Teile der rastlosen Tätigkeit jüdischer Geschäftsmänner ihren Untergang verdanken. Weshalb denn sich gerade In jenen Kreisen des sinkenden Handwerks ein durchaus naturwüchsiger Antisemitismus entwickelt hat, der sich, wie es solchen blinden Volksbewegungen eigen zu sein pflegt, an die greifbare Form (das Judentum) statt an den Inneren Kern (den Kapitalismus) hält" 7
Max Weber sucht mit seinen Studien zur Protestantischen Ethik den 1902 von Werner Sombart gewünschten Nachweis konkret-historischer Zusammenhänge zwischen dem „protestantischen Religionssystem" und dem „Geist des Kapitalismus" zu liefern. Darin will Max Weber gegen Karl Marx zeigen, daß der Protestantismus kein „Überbau" einer determinierenden „Basis" der ökonomischen Verhältnisse, der „Geist des Kapitalismus" vielmehr auf religiöse Impulse im Protestantismus zurückzuführen sei. Auf die von Werner Sombart gelegte Spur, dem Judentum Bedeutung für die Ge-
Bondi 1903, S. 128. Zur kontroversen Diskussion über die wirtschaftsgeschichtlichen Impulse des Judentums bei der Formierung des Geistes des Kapitalismus Im Werke Werner Sombarts und Max Webers siehe auch Raphael, Freddy, Judalsme et Capitallsme. Essai sur la controverse entre Max Weber et Werner Sombart (Soclologle d'Aujourd'hui). - Paris: Presses Universitäres de France 1982; Tyrell, Hartmann, Kapitalismus, Zins und Religion bei Werner Sombart und Max Weber, in: Heil, Johannes/Wacker, Bernd (Hg.), Shylock? Zinsverbot und Geldverleih in jüdischer und christlicher Tradition. - München: Wilhelm Fink 1997, S. 193-217. 6 Siehe dazu Carlebach, Julius, Karl Marx and the Radlcal Crltique of Judaism. - London: Routledge & Kegan Paul 1978, S. 227-228. Zur Rezeptionsgeschichte dieser Marx'schen These durch sozialistische Kreise siehe Massing, Paul W., Vorgeschichte des polltischen Antisemitismus. - Frankfurt/Main: Europäische Verlagsanstalt 1986, S. 159-220 (dt. Übersetzung von ders., Rehearsal of Destructlon. A Study of Political Anti-Semltism in Imperial Germany. - New York: Harper & Brothers 1949). 7 Sombart, Volkswirtschaft, S. 133-134.
Einleitung
31
n e s e d i e s e s G e i s t e s z u z u e r k e n n e n , r e a g i e r t M a x W e b e r in d e n P r o t e s t a n t i s m u s - S t u d i e n nur indirekt, 8 w e n n er d e r R e z e p t i o n d e s H e b r a i s m u s im C a l v i n i s m u s e i n e W i r k u n g auf d e n „ G e i s t " d e s K a p i t a l i s m u s z u s c h r e i b t . 9 D o c h ist d a s T h e m a d e r B e d e u t u n g d e s J u d e n t u m s für d i e G e n e s e d e s K a p i t a l i s m u s d a m i t für M a x W e b e r n i c h t e r l e d i g t , s o n d e r n b e g l e i t e t ihn v e r s t ä r k t mit d e m E r s c h e i n e n v o n W e r n e r S o m b a r t s „ J u d e n b u c h " im J a h re 1911, in d e m d i e s e r s e i n e T h e s e v o m Einfluß d e s J u d e n t u m s auf d e n G e i s t d e s K a p i t a l i s m u s u m d i e G r u n d l e g u n g d i e s e s E i n f l u s s e s in antiker G e s c h i c h t e und Religion d e s J u d e n t u m s erweitert:10 „Max Webers Untersuchungen über die Zusammenhänge zwischen Puritanismus und Kapitalismus mußten mich notwendig dazu führen, dem Einflüsse der Religion auf das Wirtschaftsleben mehr nachzuspüren, als ich es bisher getan hatte, und dabei kam ich zuerst an das Judenproblem heran. Denn wie eine genaue Prüfung der Weberschen Beweisführung ergab, waren alle diejenigen Bestandteile des puritanischen Dogmas, die mir von wirklicher Bedeutung für die Herausbildung des kapitalistischen Geistes zu sein scheinen, Entlehnungen aus dem Ideenkreise der jüdischen Religion". 11 S e i n e A n a l y s e d e r j ü d i s c h e n R e l i g i o n faßt W e r n e r S o m b a r t mit d e r k u r z e n F o r m e l „ P u r i t a n i s m u s ist J u d a i s m u s " z u s a m m e n u n d f ä h r t fort: „Auf Grund Webers und meiner Darstellungen, denke ich, kann es nun nicht mehr schwer sein, diesen geistigen Zusammenhang, ja diese geistige Übereinstimmung [sc. zwischen Judentum und Kapitalismus] festzustellen". 12 Mit W i d m u n g v o m 22. F e b r u a r 1911 „Max sinnung,
Werner
Sombart
Weberin
freundschaftlicher
Ge-
läßt W e r n e r S o m b a r t d i e s e M o n o g r a p h i e M a x
W e b e r z u k o m m e n , d e r sie im M ä r z 1911 liest u n d mit z a h l r e i c h e n R a n d n o -
8 Schluchter, Religion, S.129 Anm.5, mit Hinweis auf Marshall, Gordon, Presbyteries and Profits. Calvinism and the Development of Capitalism in Scotland, 1560-1707. Oxford: Clarendon Press 1980, S. 23-24. 9 Weber, Max, Protestantische Ethik, S. 178-182 (MWG 1/18). Zur Rezeption des Alten Testaments in den Kirchen der Reformation siehe Diestel, Ludwig, Geschichte des Alten Testaments in der christlichen Kirche. - Jena: Mauke's Verlag 1869, S. 231-554. Zur Sache ist auch heranzuziehen Schöffler, Herbert, Abendland und Altes Testament. Untersuchungen zur Kulturmorphologie Europas, insbesondere Englands. - Frankfurt/Main: Vittorio Klostermann 2. Auflage 1941 (wieder abgedruckt in ders., Wirkungen der Reformation. Religionssoziologische Folgerungen für England und Deutschland. - Frankfurt/ Main: Vittorio Klostermann 1960, S. 1-103). 10 Daß Werner Sombart sein Buch, von dem er sagt, es sei werturteilsfrei geschrieben, nicht antisemitisch verstehen will, hat er ausdrücklich in seiner Schrift „Die Zukunft der Juden". - Leipzig: Duncker & Humblot 1912, unterstrichen, der er ein Zitat aus dem Midrasch zu Psalm 36 als Motto vorangestellt hat: „Ein Volk stehet auf, das andere verschwindet, aber Israel bleibt ewig". 11 Sombart, Juden, S.V. 12 Sombart, ebd., S.293.
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Einleitung
tizen versieht, 13 die im Kapitel „Die Bedeutung der jüdischen Religion für das Wirtschaftsleben" besonders zahlreich sind, was dieses Handexemplar zu einer erstrangigen Quelle für die Genese von Max Webers Studien zum antiken Judentum macht. Im Vordergrund der Kommentierung steht Werner Sombarts These, Puritanismus und Judentum seien identifizierbar. Werner Sombart stützt seine Rekonstruktion der „Güterlehre" des jüdischen Religionssystems auf die biblische Weisheitsliteratur der Proverbien und des Sirachbuches, die für die talmudisch-rabbinische Theologie richtunggebend geworden sei. Max Weber kommentiert das auf Seite 256 mit der Randbemerkung: „Das ist eine andre Tonart als im Puritanismus!".
Zu weisheitlicher Warnung vor den Gefahren des Reichtums fügt Max Weber auf Seite 255 an: „Gott soll es fordern! Als Lohn der Frömmigkeit. Das gute Geschäft ist ßerufebestandteil, nicht Folge der Mühe , reich zu werden".
Werner Sombarts These, in talmudisch-midraschischer Literatur unterscheide die himmlische Buchführung zwischen dem Kapital als Hauptsumme der Verdienste, die für die zukünftige Welt aufbewahrt seien, und den Früchten oder Zinsen des Kapitals, die man schon hier genieße, kommentiert Max Weber auf Seite 246 durch die Randnotiz: „Cf. die Puritaner (Abverdienen der Cap/fa/schuld ist nicht richtig)".
Die Feststellung Werner Sombarts, jede Sünde werde nach rabbinischer Theologie als zählbare Einzeltat für sich gerechnet, kommentiert Max Weber auf Seite 247 mit der Bemerkung: „katholisch, nicht puritanisch".
Die sich für Werner Sombart daran anschließende Feststellung, die Sündentat werde losgelöst vom sittlichen Zustand der Täter rein quantitativ bestimmt, wird mit der Randnotiz „anders: Calvinismus" kommentiert, und Werner Sombarts These der aus der Wertung der Einzeltaten abgeleiteten Heilsungewißheit, die zu einem rastlosen Anhäufen von Guttaten führe, mit dem Kommentar: „NB! Das entscheidet (ähnlich dem Prädestinationsdogma). richtig! Fragt sich nur, was für Thaten!"
13 Das Exemplar aus der Handbibliothek Max Webers befindet sich heute in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Arbeitsstelle der Max Weber-Gesamtausgabe, in München.
Einleitung
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Werner Sombarts Feststellung: „Denkbar also wäre eine direkte Ableitung der puritanischen Lehren aus den jüdischen sehr wohl", kommentiert Max Weber auf Seite 294 mit der Randnotiz: „Compllzierter! Cf. meine Bemerkungen dazu". 14
Max Weber moniert an zahlreichen Stellen, daß Werner Sombart Züge als charakteristisch jüdisch ausgebe, die auch in anderen, z.T. in allen Religionen zu finden seien. Zu Werner Sombarts Feststellung, „der jüdischen Religion ist zu allen Zeiten die juristisch-ethische Annahme eigen gewesen, daß es d e m .Gerechten' gut und dem .Gottlosen' schlecht ergehe", notiert Max Weber auf Seite 250: „allen Religionen!"
Die Randbemerkung wiederholt Max Weber auf Seite 254 als Kommentar zu Werner Sombarts Florilegium der Psalmenstellen zu diesem Thema. Werner Sombarts These, die christliche Glaubenslehre mache den „Heiligen" zum Mönch, die jüdische zum Rationalisten, kommentiert Max Weber auf Seite 266 mit den Worten: „Für das Christentum unvollständig".
Ebenso moniert Max Weber an zahlreichen Stellen religionshistorische Ungenauigkeiten und führt als Beleg dafür vorwiegend die fernöstlichen Religionen an, mit denen er sich also zu diesem Zeitpunkt schon intensiv beschäftigt hat. Wenn Werner Sombart sich zu der Behauptung aufschwingt, alle „früheren Religionen hatten in der Geschlechtlichkeit doch das Göttliche erblickt und hatten immer mit frommem Schauer den Geschlechtsakt selbst als Gottesoffenbarung betrachtet", so kommentiert Max Weber auf Seite 272 dies mit der Randbemerkung: „Unsinn! Keine\ Confuzianer! Brahmanen! Buddhisten!"
Werner Sombarts These der Differenzierung zwischen Konsumptiv- und Produktivkredit versieht Max Weber auf Seite 378 mit der Bemerkung: „nichts den Juden Eigenes!"
Zu Werner Sombarts auf derselben Seite anschließender Feststellung des hohen Entwicklungsstandes der Darlehensverträge notiert Max Weber am Rand: „überall im Altertum!"
14 Max Weber bezieht sich mit dieser Randnotiz auf seine Bemerkungen zur Rezeption des Hebraismus Im Calvinismus In ders., Protestantische Ethik, S. 178-182 (MWG 1/18).
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Zu Werner Sombarts These, das Fremdenrecht der Juden habe zu einer Lockerung der Geschäftsmoral im Verkehr mit Fremden geführt, notiert Max Weber auf Seite 288: „Schief. Die war bei den Griechen u. Römern, Lombarden etc. auch sehr locker".
Auch vermißt Max Weber eine sozialhistorische Differenzierung bei Werner Sombart, wenn er auf den Seiten 254 und 369 jeweils zum Deuteronomium die Bemerkung „PolisV an den Rand schreibt. Andererseits kritisiert Max Weber die Behauptung, Israel sei nomadischen Ursprungs und dieser Ursprung habe bis heute das Wesen des Judentums mitbestimmt. Zu Werner Sombarts Bemerkung, der Landmann „zittert aber auch vor der Wüste - so wenigstens müssen wir uns den Zustand der früheren Zeit vorstellen - , daß aus ihr Beduinenstämme hervorbrechen könnten, die raubend, mordend, plündernd durch die Lande ziehen", notiert Max Weber auf Seite 405: „spät". Daß die Hebräer ein umherirrender Beduinenstamm gewesen sein sollen, versieht Max Weber auf Seite 406 mit einer Schlangenlinie, die sich anschließende These auf Seite 407, daß das Schicksal des jüdischen Volkes seit dem Exil eine Wiederbelebung der „Wüstenund Nomadeninstinkte" nach sich zog, mit einem Fragezeichen, und die Erklärung der babylonischen Exilierung mit dem Nomadenstatus der Israeliten auf Seite 409 mit der Bemerkung: „Unsinn! Sie ist im Orient typisch (cf. noch Iwan der Schreckliche)".
Zu Werner Sombarts Annahme, die Juden hätten im Exil ihr Nomadendasein wieder belebt und als städtische Herren Geldverleih betrieben, notiert Max Weber auf Seite 411: „Unsinn! NB! Sind das Nomaden?"
Ebenso kommentiert Max Weber auf Seite 265 und 274 die These, die Religion des Judentums sei triebfeindlich, jeweils mit der Bemerkung „Uns/'nnl",15 stimmt aber Werner Sombarts Feststellung auf Seite 276, wenn „wir überhaupt einen Einfluß der Religion auf das wirtschaftliche Verhalten der Juden gelten lassen wollen, so müssen wir ganz gewiß die Rationalisierung der Lebensführung als das wirksamste Mittel anerkennen, diesen Einfluß auszuüben", mit der Randbemerkung „richtig" zu. Auf Seite 265 verwahrt er sich jedoch gegen die Identifizierung der Rationalisierung mit der Heiligung des Lebens als „Ersetzung des naturalen, triebhaften, kreatürlichen Daseins durch das bedachte, zweckgewollte, sittliche Leben".
15 Sombart, Juden, S.467 Anm.460. Werner Sombart beruft sich auf Lazarus, Moritz, Die Ethik des Judenthums. Band 1. - Frankfurt/Main: J. Kauffmann 1904, S.22.
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Schließlich dokumentieren Max Webers Randnotizen die Reserven, die er gegen Werner Sombarts Überlegungen zur „jüdischen Eigenart" hat. Auf Seite 298 gibt Max Weber allen außerkulturhistorisch-rassischen Erklärungen des Zusammenhalts der in der Zerstreuung lebenden Juden eine Abfuhr mit der Bemerkung: „Folge der Cult- und Culturgemelnschaft". 16
Auch Werner Sombarts These auf der folgenden Seite 299, die starke Wirkung der Juden auf die Wirtschaftsgeschichte sei zum guten Teil auf die Kontraste zwischen ihnen und ihren Wirtsvölkern zurückzuführen, ist für Max Weber „sehrfraglich". Wenn für Werner Sombart auf Seite 318 das jüdische Recht Ausweis dafür ist, den Juden sei der Sinn für das Lebendige und Persönliche zugunsten des Abstrakten abgegangen, schreibt Max Weber „= 0" bezogen auf die Belege für diese These an den Rand. Schließlich ist für Werner Sombart die „übernormale Anpassungsfähigkeit" an ihre Wirtsvölker deren Feindschaft zum Trotz typisch jüdisch, was Max Weber auf Seite 355 mit der Bemerkung „Grund, das religiöse Ritual" versieht, um so den Spekulationen über eine spezifisch jüdische Rasseneigenart den Boden zu entziehen 17 . Schließt Werner Sombart aus dem jü-
16 Max Weber hat wiederholt davor gewarnt, kollektive und individuelle Eigenschaften und Verhaltensweisen als vererbt zu interpretieren, wie sein Brief vom 19. September 1908 an Alfred Weber, in: Weber, Max, Briefe 1906-1908, hg. von M. Rainer Lepslus und Wolfgang J. Mommsen (MWG II/5). - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Slebeck) 1990, S.661-662 (hinfort: Weber, Max, Briefe 1906-1908), ebenso zeigt wie die Erörterung dieser Frage in Weber, Max, Probleme der Arbeiterpsychologie. Diskussionsbeitrag zur abschließenden Debatte im Verein für Sozialpolitik am 10. Oktober 1911, in: Weber, Max, Zur Psychophysik der industriellen Arbeit. Schriften und Reden 1908-1912, hg. von Wolfgang Schluchter (MWG 1/11). - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1995, S.417. Siehe auch Weber, Max, Vorbemerkung, S. 15: „Es wird gerade eine der Aufgaben soziologischer und historischer Arbeit sein müssen, zunächst möglichst alle jene Einflüsse und Kausalketten aufzudecken, welche durch Reaktionen auf Schicksale und Umwelt befriedigend erklärbar sind". In der Ablehnung rassischer Interpretation von Kulturerscheinungen ist sich Max Weber auch mit führenden Vertretern des Kulturprotestantismus einig, die u.a. der Brief Adolf von Harnacks vom 24. November 1912 an Houston Stewart Chamberlain eindrücklich zeigt; siehe dazu Kinzig, Harnack, S. 197-198 und 266-272 (Abdruck des Briefes), sowie zum Verhältnis des Kulturprotestantismus zum Judentum, ders., ebd. S. 18-39, und Hübinger, Kulturprotestantismus, S.264. 17 Werner Sombarts Versuch, den Einfluß der Juden auf den „Geist des Kapitalismus" auch mit konstanten jüdischen Wesenseigenschaften zu erklären, hat Julius Guttmann, Die Juden und das Wirtschaftsleben, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 36, 1913, S. 149-212 (hinfort: Guttmann, Juden), hier S. 199, der Kritik unterzogen: „In dem Streit um die Bedeutung der Rasse In der Geschichte sind die Juden stets ein bevorzugtes Kampfobjekt gewesen. Die jüdische Rassenbegabung ist auch das letzte Thema Sombarts, der sich entschlossen zum Glauben an die Rasse, genauer zum Glauben an die Existenz spezifischer Rassenbegabungen, bekennt. Er vertritt diesen
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d i s c h e n G a s t v o l k d a s e i n auf d i e N o t w e n d i g k e i t e i n e r z w e c k m ä ß i g e n W i r t s c h a f t s f ü h r u n g , d i e d e n ö k o n o m i s c h e n R a t i o n a l i s m u s a n d i e Stelle d e s T r a d i t i o n a l i s m u s s e t z e , so leitet M a x W e b e r im G e g e n z u g auf Seite 2 0 5 a u s d e r D i s t a n z z w i s c h e n G a s t - u n d W i r t s v o l k mit d e r R a n d n o t i z „fester A n h a l t in G e m e i n d e " d i e N o t w e n d i g k e i t d e s G a s t v o l k e s a b , n a c h i n n e n den Zusammenhalt zu stärken.18 In s e i n e m A n t w o r t s c h r e i b e n v o m 27. Mai 1911 a n W e r n e r S o m b a r t 1 9 ä u ßert s i c h M a x W e b e r nur k n a p p , a b e r l o b e n d z u d e s s e n M o n o g r a p h i e . In e i n e m D a n k s c h r e i b e n a n W e r n e r S o m b a r t v o m 2. D e z e m b e r 1 9 1 3 für d i e Z u s e n d u n g d e r in d i e s e m J a h r e r s c h i e n e n e n M o n o g r a p h i e „ D e r B o u r g e o i s " , in d e r d i e s e r d i e G l e i c h s e t z u n g v o n J u d a i s m u s u n d P u r i t a n i s m u s
Standpunkt mit ungleich größerer Klarheit und Schärfe der Begriffe als die meisten seiner Gesinnungsgenossen, an deren Argumentationsweise er eine treffende Kritik übt. Doch klar und bestimmt formulieren heißt noch nicht wissenschaftlich beweisen. Auch nach Sombarts Darlegungen bleibt die Annahme seelischer Unterschledenhelt der Rassen ein Glaube, zu dem man sich je nach Geschmack und Neigung bekennen kann oder nicht. Die Kraft wissenschaftlicher Erkenntnis bleibt ihm nach wie vor versagt." Beispiel der vernichtenden Kritik an Werner Sombarts „Judenbuch" aus den Fachdisziplinen ist neben der Rezension durch Georg von Below, In: Historische Zeitschrift 108, 1912, S. 614-624, die von Ludwig Feuchtwanger, Die Juden und das Wirtschaftsleben, In: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft Im Deutschen Reich 35,1911, S. 397-430. 1916 äußert sich Lujo Brentano, Die Anfänge des modernen Kapitalismus. - München: Duncker & Humblot 1916, S. 159-160, noch einmal kritisch zu Werner Sombarts „Judenbuch": Werner Sombarts Buch von 1911 zeige gegenüber vorangehenden Publikationen eine „Willkür In gesteigertem Maße" und sei „voll der Frivolitäten eines sich als Übermensch fühlenden Übermütigen, der die Seifenblasen seiner Laune dem durch Geistreicheleien verblüfften Leser mit souveräner Verachtung Ins Gesicht bläst und dazu von Ihm verlangt, daß er seine Einfälle als .unwiderleglich richtige' wissenschaftliche Sätze annehme". Zu Georg von Belows Auseinandersetzung mit Werner Sombart siehe Cymorek, Hans, Georg von Below und die deutsche Geschichtswissenschaft um 1900 (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Beihefte 142). - Stuttgart: Franz Stelner 1998, S. 168-176. 18 Wie sehr die Auseinandersetzung mit Werner Sombart auch Max Webers Interpretation antiker Rechtsinstitute bestimmt, zeigt die Diskussion um das „Inhaberpapier", das Werner Sombart (Juden, S.88) aus dem „innersten Wesen, aus dem .Geiste des jüdischen Rechtes'" ableiten will. In der Diskussion mit Josef Kohler lehnt Max Weber (Recht, S. 422-423 und 478 [MWG I/22-7]) schon für das altbabylonische Vertragsrecht die von jenem vertretene These einer „Inhaberklausel" Im altbabylonischen Vertragsrecht ab. Der Zusammenhang mit der Kritik an Werner Sombarts These zum Inhaberpapier ist deutlich. Siehe dazu Otto, Eckart, Max Weber und Josef Kohler zur Frage der „Inhaberklausel" Im altbabylonischen Vertragsrecht, in: Zeitschrift für Altorlentalische und Biblische Rechtsgeschichte 9, 2003, S. 185-191 (hinfort: Otto, Vertragsrecht), sowie Quensel, Konstruktionslogik, S. 215-217. 19 Weber, Max, Briefe 1911-1912, hg. von M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen (MWG II/7). - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1998, S.154 (hinfort: Weber, Max, Briefe 1911-1912).
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um den Thomismus erweitert, 20 äußert sich Max Weber rückblickend 2 1 kritischer über das „Judenbuch" aus dem Jahr 1911: 22 „Ich habe vor kurzer Zeit hier in einer Diskussion gesagt: ich hielte an Ihrem ,Judenbuch', soweit das Religiöse in Betracht kommt, .beinahe jedes Wort für falsch', aber ich habe auch ziemlich genau wiederholt, was ich Ihnen über das gleiche Buch s.Z. geschrieben habe. Ich habe dieses jetzige Buch gelesen und habe dabei dasselbe Vergnügen gehabt und denselben Genuß, wie bei jenem. Was Sie über Religion sagen und Ihrem Zusammenfügen mit der Wirtschaft - das Hegt Ihnen nun mal schlecht! - ist auch diesmal und noch mehr als sonst schlechte Waare aus zweiter Hand, dem ,wissen-
20 Sombart, Werner, Der Bourgeois. Zur Geistesgeschichte des modernen Wirtschaftsmenschen. - München: Duncker & Humblot 1913, S.338: „Als ich mein Judenbuch schrieb, hatte ich mich noch nicht eingehend mit der thomistlschen Ethik beschäftigt. Ich habe daher viele Sätze der jüdischen Religion: wie die bedingte Anerkenntnis des Reichtums, vor allem aber die Forderung einer grundsätzlichen Rationalisierung der Lebensführung für ausschließlich jüdisch gehalten und sie in einen Gegensatz zu den Auffassungen der (vorpuritanischen) christlichen Religion gestellt. Das war ein Irrtum. Jene für uns besonders wichtigen Bestandteile des jüdischen Religionssystems, Insonderheit der jüdischen Moraltheologie, sind zwar nicht durchgängig im frühen Christentum, wohl aber im Thomismus ebenfalls enthalten, wie die Darstellung im 19. Kapitel dieses Buches erwiesen hat. Was uns gar nicht wundern kann, da ja der Thomismus sich gerade dadurch kennzeichnet, daß er das jüdische Sittengesetz mit Entschiedenheit als Kern des göttlichen Naturgesetzes anerkannt hat. Ebensowenig wie der Puritanismus hat der Judaismus in den für uns wesentlichen Punkten etwas anderes gelehrt wie der Thomismus". 21 Anknüpfungspunkt für diesen Rückblick ist vermutlich ein Diskussionsbeitrag Max Webers anläßlich eines Vortrags von Martin Buber In Heidelberg am 27. November 1913. Siehe dazu, unten, S.70. 22 Weber, Max, Briefe 1913-1914, hg. von M. Rainer Lepsius, und Wolfgang J. Mommsen (MWG II/8). -Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 2003, S.414-417 (hinfort: Weber, Max, Briefe 1913-1914). Eine der entscheidenden Differenzen zwischen Werner Sombart und Max Weber, die In dem Buch „Der Bourgeois" von 1913 besonders deutlich wird, besteht nicht nur darin, daß Werner Sombart vornehmlich vom unternehmerischen Handeln im Kapitalismus, Max Weber aber auch von Arbeitsethos und Organisation der Arbeiterschaft her denkt, sondern daß für Werner Sombart der „Geist des Kapitalismus", so interpretiert Max Weber (Protestantische Ethik, S.61-62) Sombart, nur „Teilerscheinung" in der Gesamtentwicklung des (ökonomischen) Rationalismus, der Protestantismus aber nur dessen Vorstufe ist. Weder eine laxe Gebotsauslegung Im Katholizismus noch die Differenzierung zwischen Binnen- und Außenmoral im Judentum können nach Max Webers Meinung das moderne Arbeltsethos erklären, sondern allein der puritanische Bewährungsgedanke. In dieser Differenz hat auch der unterschiedliche Zugang zum Judentum eine seiner wesentlichen Ursachen. Einen Einfluß des Judentums auf die Arbeiterschaft behauptet auch Werner Sombart nicht. Zur Differenz zwischen Werner Sombart und Max Weber in diesen Fragen siehe bereits Fechner, Erich, Der Begriff des kapitalistischen Geistes und das Schelersche Gesetz vom Zusammenhang der historischen Wirkfaktoren (Vergleich und Ausgleich zwischen Sombart und Max Weber), in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 63,1930, S.93120.
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schaftlich'-, fachlichen' Werth nach. Aber das ist Ihnen doch, kenne ich Sie recht, auch ziemlich einerlei? Auch ich sehe gar nicht ein, warum sich Jemand nicht in einem so geist- und anregungsreichen Buche einmal den Spaß machen soll, probeweise als .These' die sog. .gangbaren' Lehren einmal auf den Kopf zu stellen. Fast immer kommt etwas Gelstrelches heraus. Sie haben es schon oft gethan, und dann - und das hat mir immer an Ihnen gefallen - das Fehl-Produkt, was dann (sachlich gesprochen) dabei herauskam, wieder vergessen und vergessen lassen. Schade, daß sie diesmal grade mir die .fachlich'-,sachliche' .Widerlegung' zuschieben - denn da es sich ausdrücklich um Ansichten von mir handelt, ,muff Ich ja wohl oder übel heran - und daß Sie sie mir so .leicht' gemacht haben, d.h.: daß fast ebensowenig Nutzen dabei herausschaut wie bei Herrn Rachfahl - mit dem ich Sie übrigens nicht verwechsle: er hat die .Kenntnisse' Sie haben sie nicht; er hat die kalte professorale Anmaßung - Sie das anmutige Temperament. Daß es Ihnen diesmal ebenso wie diesem unerfreulichen Herrn passiert ist, just die ,Pointe' Dessen zu übersehen, was ich sagte, - dies muß ich natürlich s.Z. sagen. Sonst seien Sie unbesorgt: ich pflege mit Cavalieren anständig und cavaliermäßig umzugehen. Und einige lustige Scherze nehmen Sie ja nicht übel? - Sie haben Sich schließlich auch Wendungen erlaubt, die ich bei jedem Andern äußerst scharf beantworten würde".
II. D a s M a n u s k r i p t „ E t h i k u n d M y t h i k / r i t u e l l e A b s o n d e r u n g " 1. Das Manuskript
und sein werkgeschichtlicher
Kontext
Max W e b e r s R a n d b e m e r k u n g e n u n d A n s t r e i c h u n g e n in s e i n e m H a n d e x e m p l a r v o n Werner S o m b a r t s „Die J u d e n u n d d a s W i r t s c h a f t s l e b e n " sind in d e m Religionskapitel d e r Seiten 2 2 5 - 2 9 5 ü b e r p r o p o r t i o n a l dicht. Sie z e i g e n d a s b e s o n d e r e Interesse Max W e b e r s a n der j ü d i s c h e n Relig i o n s g e s c h i c h t e , a b e r a u c h die hier b e s o n d e r s z u t a g e t r e t e n d e n Differenzen mit W e r n e r S o m b a r t . Auf d i e s e n Seiten notiert M a x W e b e r häufiger seine A b l e h n u n g in Gestalt v o n R a n d b e m e r k u n g e n w i e „ U n s i n n ! " , „schief" o d e r „ u n r i c h t i g " . 2 3 Daß M a x W e b e r g e r a d e d i e Religion als Teil der K u l t u r g e s c h i c h t e u n d nicht die w i r t s c h a f t s h i s t o r i s c h e n D a r l e g u n g e n in Werner S o m b a r t s M o n o g r a p h i e d e s Jahres 1911 in d e n Mittelpunkt seines Interesses stellt, ist nicht a b z u l ö s e n v o n Max W e b e r s e t w a in d i e s e s Jahr zu d a t i e r e n d e n kulturhistorischen Studien, w o r a n s i c h M a r i a n n e Weber so erinnert:
23 Es ist eine Vereinfachung des Diskurses zwischen Max Weber und Werner Sombart, wenn Gary A. Abraham, Max Weber and the Jewish Question. A Study of the Social Outlook of his Sociology. - Urbana/Chicago: University of Illinois Press 1992, S.207 (hinfort: Abraham, Max Weber), mit der Feststellung, „Weber accepted the bulk of what Sombart said about Judaism", die Differenz zwischen Max Webers und Werner Sombarts Deutung des Judentums für marginal erklärt, um darauf aufbauend Max Weber antisemitische Tendenzen zu unterstellen.
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„Als er d a n n ( e t w a u m 1911) die r e l i g i o n s s o z i o l o g i s c h e n Studien w i e d e r aufnimmt, zieht es ihn in d e n Orient: n a c h China, J a p a n u n d Indien, d a n n z u m J u d e n t u m u n d Islam. Er will nun d a s Verhältnis der fünf großen Weltreligionen zur Wirtschaftsethik d u r c h f o r schen".24
In diesen Kontext fällt auch Max Webers in diese Zeit zu datierende „Entdeckung", die Marianne Weber so beschreibt: „Vor a l l e m die abendländische
Kultur w i r d in all' ihren F o r m e n e n t s c h e i d e n d b e s t i m m t
d u r c h eine zuerst im G r i e c h e n t u m entwickelte m e t h o d i s c h e Denkart,
der sich im Zeital-
ter d e r Reformation a u c h eine an b e s t i m m t e n Z w e c k e n orientierte m e t h o d i s c h e
bensführung
Le-
zugesellt: Diese Vereinigung v o n t h e o r e t i s c h e m u n d p r a k t i s c h e m Rationa-
lismus s c h e i d e t die m o d e r n e Kultur von der antiken, u n d die Eigenart b e i d e r s c h e i d e t die m o d e r n e a b e n d l ä n d i s c h e v o n d e r asiatischen Kultur. Freilich v o l l z o g e n sich a u c h im Orient Rationalisierungsprozesse, a b e r w e d e r der w i s s e n s c h a f t l i c h e , n o c h der staatlic h e , n o c h d e r wirtschaftliche, n o c h der künstlerische s i n d in die d e m O k z i d e n t e i g n e n B a h n e n eingelenkt. - Für W e b e r b e d e u t e t d i e s e Erkenntnis d e r B e s o n d e r h e i t d e s okzid e n t a l e n Rationalismus
u n d d e r ihm z u g e f a l l e n e n Rolle für die a b e n d l ä n d i s c h e Kultur
eine seiner w i c h t i g s t e n E n t d e c k u n g e n . Infolge d a v o n erweitert sich seine u r s p r ü n g l i c h e F r a g e s t e l l u n g n a c h d e m Verhältnis von Religion u n d Wirtschaft nun zu d e r n o c h umfass e n d e r e n , n a c h der Eigenart
der ganzen
abendländischen
Kultur. W a r u m gibt es nur im
O k z i d e n t rationale W i s s e n s c h a f t , die b e w e i s b a r e Wahrheiten p r o d u z i e r t ? W a r u m nur hier rationale h a r m o n i s c h e Musik, eine sich rationaler Konstruktionen b e d i e n e n d e Bauu n d Bildkunst? W a r u m nur hier d e n Ständestaat, die f a c h g e s c h u l t e B e a m t e n o r g a n i s a tion, d a s F a c h m e n s c h e n t u m , d a s Parlament, d a s politische Parteiwesen, ü b e r h a u p t d e n Staat als politische Anstalt mit rational gesatzter V e r f a s s u n g u n d e b e n s o l c h e m Recht? W a r u m nur hier die schicksalsvollste M a c h t d e s m o d e r n e n L e b e n s , d e n m o d e r nen Kapitalismus? W a r u m d i e s alles nur im A b e n d l a n d ? Diese F r a g e n b e s c h ä f t i g e n ihn nun d a u e r n d in dieser o d e r jener Form u n d d r ä n g e n ihn a u s d e m R a h m e n seines Fachs, j a jeder
F a c h g e l e h r s a m k e i t h e r a u s zu welthaltiger W i r k l i c h k e i t s e r k e n n t n i s " 2 5
Marianne Weber teilt in diesem Zusammenhang mit, daß Max Weber geplant habe, „sich von der Reformation nach rückwärts zu wenden, um auch das Verhältnis der mittelalterlichen und frühen Christlichkeit zu den sozialen und ökonomischen Daseinsformen zu analysieren. Aber als nun Ernst Troeltsch seine Studien über die Soziallehren der christlichen Kirchen beginnt (der erste Aufsatz wurde zu Beginn des Jahres 1908 im Archiv publiziert), vermutet er, daß die Arbeitsgebiete sich allzu nahe berühren, und wendet sich zunächst andern Aufgaben zu". 26 Max Weber vertieft
2 4 Weber, Marianne, L e b e n s b i l d , S . 3 4 6 . 2 5 Weber, Marianne, e b d . , S . 3 4 8 - 3 4 9 . Max W e b e r s m u s i k s o z i o l o g i s c h e Studien u m 1910 h a b e n , wie M a r i a n n e Weber, e b d . S . 3 4 9 , u n d dies., Vorwort, in: Weber, Max, W u G 2 , S.VIII, betont, einen großen Anteil an d i e s e r „ E n t d e c k u n g " ; siehe d a z u Braun, Christoph/Finscher, L u d w i g , Einleitung, in: Weber, Max, Musiksoziologie, S. 1 - 1 2 6 , hier S. 1 0 0 - 1 0 1 u n d S. 117. 2 6 Weber, Marianne, L e b e n s b i l d , S . 3 4 6 .
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sich nun in die Struktur und Geschichte der Kultur- bzw. Weltreligionen. Die von Marianne Weber genannte Reihenfolge von fernöstlichen und vorderasiatischen Religionen („dann zum Judentum und Islam") gibt aber nicht die zeitliche Abfolge in Max Webers Beschäftigung mit diesen Religionen wieder, sondern ist an der Abfolge der Artikel im „Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik" in den Jahren 1915-1919 orientiert, die einem im 19. Jahrhundert fest verankerten Schema zur Darstellung universaler Religionsgeschichte folgen. Vielmehr arbeitet Max Weber an den Studien zu den Kulturreligionen parallel, wobei der Ausgangspunkt die Beschäftigung mit dem antiken Judentum ist. Kein Zeitraum ist in Max Webers Literaturangaben der Studie zum antiken Judentum der Jahre 1917-1920 so intensiv vertreten wie der zwischen 1910 und 1912. 27 In den Jahren 19111913 verfaßt Max Weber das Manuskript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung", 28 das Teil eines Konvoluts von Manuskripten ist, die bei Kriegsbeginn 1914 Abhandlungen zu Konfuzianismus, Hinduismus, Buddhismus, Judentum, Islam und Christentum umfaßten 29 und das innerhalb dieser zwischen 1911 und 1914 verfaßten Studien eines der ältesten, wenn nicht das älteste ist. Nach der Änderung des Stoffverteilungsplans des Schönbergschen „Handbuches der Politischen Ökonomie" von 1910 im Werkplan des „Grundrisses der Sozialökonomik" von 1914 sind diese Manuskripte für einen Ergänzungsband des Grundrisses vorgesehen. Während des Krieges ruht Max Webers Arbeit am „Grundriß", so daß diese Manuskripte mit unterschiedlichen Graden der Überarbeitung und Neubearbeitung auf Drängen des Verlegers ab 1915 im „Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik" veröffentlicht werden. Das Manuskript „Ethik und Mythik/ rituelle Absonderung" findet in Teilen Eingang in die Vorkriegsstudie der „Religiösen Gemeinschaften" sowie in die während des Krieges abgefaßten Studien zum antiken Judentum und zu den Pharisäern. In dem Doppelbogen „Ethik und Mythik" beschreibt Max Weber die Ethisierung ursprünglich mythischer Religion aufgrund des spezifischen Charakters des Gottes Jahwe als Vertragspartners Israels, der auf die Verletzung der rechtlichen, sittlichen und sozialen Ordnung, die sich in der
27 Siehe die Bibliographie, unten, S.995-1012, mit fast dreißig in diesem Zeitraum erschienenen Titeln. 28 Das Deponatsmanuskript aus dem Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat der Bayerischen Staatsbibliothek in München, wird im folgenden zusammenfassend unter die Überschrift „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" gestellt. Siehe den Editorischen Bericht, unten, S. 161. 29 So zeigt es der Brief Max Webers an den Verleger Siebeck vom 22. Juni 1915; VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 (MWG II/9). Siehe dazu den Editorischen Bericht, unten, S.211-212.
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Priester-Tora niedergeschlagen habe, mit Vergeltung reagiere. Damit verbunden sei eine Tendenz der Jahwe-Religion zur Monolatrie, da Jahwe als Bundesgott keine anderen Göttern neben sich dulde, so daß es in Israel auch keine Theogonie gegeben habe. Die Tendenz zur Ethisierung der monolatrischen Jahwe-Religion entwickelt Max Weber anhand des Dekalogs und der Verbindung der Paradiesmotivik mit dem Sündengedanken, um schließlich die volkstümlich-vorprophetische und prophetische Zukunftserwartung einschließlich ihres mythischen Hintergrundes zu behandeln. 30 Die Ethisierung mythischer Religion aufgrund der Bundeskonzeption sei das Werk einer frommen Intellektuellenschicht. Mit dem Hinweis auf volkstümliche Ursprünge der Motive prophetischer Heils- und Unheilserwartungen schließt der Doppelbogen „Ethik und Mythik" ab. Der Doppelbogen „Rituelle Absonderung", der sich priesterlicher Theologie als einer ,,zweite[n] Komponente der späteren Jüdischen' Religion" zuwendet, deren Träger die Priester im Gegensatz zu den Propheten als Träger einer „ersten Komponente" seien, gibt zu erkennen, daß ein zwischen dem Doppelbogen „Ethik und Mythik" und „Rituelle Absonderung" verlorener Bogen die Abgrenzung von prophetischer und priesterlicher Komponente der Jahwe-Religion behandelt. Auf diesen nicht mehr erhaltenen Bogen nimmt Max Weber im folgenden mehrfach Bezug: Am Ende des Doppelbogens „Rituelle Absonderung" kommt Max Weber auf die priesterliche Rezeption der Prophetie zu sprechen und fügt im Bogen „Nachexilische Priester - Rituelle Absonderung" die Randnotiz „+Propheten" bezogen auf die Heilsverheißungen als Ursache für die Entstehung des jüdischen Pariavolkes ein. Der zweite Doppelbogen „Rituelle Absonderung" entwikkelt den Gedanken, daß die Bundeskonzeption eine rituelle Absonderung von den fremden „Gaststämmen" nicht zulasse, sondern Kommensalität und Connubium fordere, sofern die „Metöken" beschnitten seien, in jedem Falle aber die „Hypergamie", die Heirat über die Standes- und Stammesgrenzen hinweg, zulasse. Erst die Vermischung der nordisraelitischen Bevölkerung mit assyrischen Kolonisten habe die Priester veranlaßt, rituelle
30 Max Weber rezipiert hier mit Hermann Gunkel und Hugo Greßmann wichtige Autoren der „Religionsgeschichtlichen Schule". Siehe unten, S.239. Zum gegenwärtigen Forschungsstand einer Religionsgeschichte Israels und Judas siehe Kaiser, Otto, Der Gott des Alten Testaments. Theologie des Alten Testaments, 3 Bände (Uni-Taschenbücher 1747/2024/2392). -Göttingen: Vandenhoeck& Ruprecht 1998-2003. Zum gegenwärtigen Forschungsstand einer Religionsgeschichte Mesopotamiens siehe Jacobsen, Thorkild, The Treasures of Darkness. A History of Mesopotamian Religion. - New Häven: Yale University Press 1976. Zur Religionsgeschichte Syriens und Persiens ist noch Hutter, Manfred, Religionen in der Umwelt des Alten Testaments, Band 1: Babylonier, Syrer, Perser (Kohlhammer Studienbücher Theologie 4,1). - Stuttgart: Kohlhammer 1996 mit weiterer Literatur, heranzuziehen.
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u n d religiöse U n t e r s c h e i d u n g s l e h r e n a u s z u a r b e i t e n . Die priesterliche Rez e p t i o n der auf Israel b e z o g e n e n H e i l s v e r h e i ß u n g e n der Prophetie h a b e der A b s o n d e r u n g J u d a s v o n d e n Völkern V o r s c h u b geleistet. In d i e s e m Manuskriptteil n i m m t Max W e b e r a u s d r ü c k l i c h auf d i e W i r t s c h a f t s e t h i k d e s H i n d u i s m u s mit der Feststellung B e z u g , daß es a u f g r u n d d e s Bund e s g e d a n k e n s in Israel z u n ä c h s t nicht wie in Indien zu einer rituellen A b s o n d e r u n g v o n G a s t s t ä m m e n g e k o m m e n sei, s o n d e r n d i e s e v i e l m e h r rituell, w e n n a u c h nicht rechtlich, g l e i c h b e r e c h t i g t e r Teil der israelitischen G e s e l l s c h a f t g e w e s e n seien. Der D o p p e l b o g e n „Rituelle A b s c h l i e ß u n g " schließt an d e n B o g e n „Rituelle A b s o n d e r u n g " an u n d trägt die B e g r ü n d u n g dafür n a c h , daß sich die priesterliche F o r d e r u n g n a c h A b s o n d e r u n g a u f g r u n d der „ f u r c h t b a r e n Raubkriege der Aramäer, A s s y r e r u n d B a b y l o nier u n d d [ e r ] Hilfe, w e l c h e sie bei e i n e m Teil der N a c h b a r s t ä m m e Israels d a b e i f a n d e n " , h a b e d u r c h s e t z e n k ö n n e n . So sei die Theorie d e s „Heilig e n Krieges" e n t s t a n d e n u n d ein „ F r e m d e n r e c h t " , d a s im G e m e i n d e g e setz d e s D e u t e r o n o m i u m s 3 1 die A m m o n i t e r u n d M o a b i t e r aus d e m Volksv e r b a n d ausschloß. D u r c h Esra seien die S c h r a n k e n z w i s c h e n J u d e n u n d N i c h t j u d e n i n s b e s o n d e r e mittels d e s M i s c h e h e n v e r b o t s v e r s c h ä r f t w o r d e n . 3 2 Die Konstituierung der n a c h e x i l i s c h e n G e m e i n d e sei der Autorität der p e r s i s c h e n R e g i e r u n g u n d der Z w a n g s g e w a l t d e s v o n ihr z u m Statthalter e r n a n n t e n j u d ä i s c h e n M u n d s c h e n k s N e h e m i a z u z u s c h r e i b e n . 3 3 D a s politische Interesse d e r p e r s i s c h e n Z e n t r a l r e g i e r u n g u n d d e r judäis c h e n Priester h a b e a u c h in der Installierung eines H o h e n p r i e s t e r s als Leiters d e s J e r u s a l e m e r Kultus u n d W e r k z e u g s der p e r s i s c h e n B e h ö r d e w i e a u c h in der D u r c h s e t z u n g der v o m D e u t e r o n o m i u m g e f o r d e r t e n Kultzentralisation z u s a m m e n g e f u n d e n . D e n G r i e c h e n hätten d i e S c h l a c h t e n v o n Salamis u n d M a r a t h o n ein ä h n l i c h e s S c h i c k s a l erspart, o b w o h l Priester u n d P r o p h e t e n d e s d e l p h i s c h e n A p o l l o n s c h o n bereit g e s t a n d e n hätten, u m der priesterfreien Geistigkeit der Hellenen ein E n d e zu bereiten. Dieser D o p p e l b o g e n e n d e t mit einer Darstellung d e s A u f b a u s d e r n a c h exilischen G e m e i n d e aus Priestern, Leviten u n d „ G e m e i n d e g e n o s s e n " ,
31 Deuteronomium 23,2-9. Max Weber rezipiert hier und im folgenden Bertholet, Stellung. Zu Alfred Bertholets Stellung in der zeitgenössischen Aittestamentlichen Wissenschaft siehe Gunkel, Hermann, Artikel Bertholet, Alfred (*1868), in: RGG1 I, Sp. 1061, sowie Smend (jun.), Rudolf, Ein Göttinger Deuteronomiumskommentator. Alfred Bertholet (1868-1951), in: Kratz, Reinhard G./Spieckermann, Hermann (Hg.), Liebe und Gebot. Studien zum Deuteronomium. Festschrift für Lothar Perlitt (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 190). - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2000, S. 173-189. 32 Max Weber rezipiert hier Meyer, Geschichte I1, S. 184-220. 33 Max Weber knüpft hier an seinen Artikel „Agrarverhältnisse im Altertum3" (MWGI/6) an.
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für die seit der hellenistischen Zeit die Bezeichnung „Jude" aufgekommen sei. Der Doppelbogen „Nachexilische Priester - Rituelle Absonderung" schließt unmittelbar an den vorangehenden Bogen an. Max Weber hat die Inhaltsnotiz „Rituelle Absonderung", die er dem Konvolut der Bogen beigegeben hat, für diesen Doppelbogen durch die Ergänzung „Nachexilische Priester" spezifiziert. Diese Notiz bezieht sich auf die den Doppelbogen einleitende Darstellung der ökonomischen Verfassung der Priester als die eines ,,erbliche[n] Rentnerstand[es]". Das Manuskript schließt mit der Bemerkung, die politischen Ordnungen des Gemeinwesens, die für die weitere Entwicklung des Judentums Bedeutung gehabt hätten, seien in späterem Zusammenhang zu besprechen, und weist damit auf eine nicht mehr erhaltene Fortsetzung. Max Weber wendet sich in diesem Zusammenhang den „rituellen .Unterscheidungsgesetzen'" zu, neben Mischehenverbot und Beschneidungsgebot dem Gebot der Sabbatheiligung und den Speisegeboten, die zu Beginn des Exils mit Ezechiel und dann in „Priesterkodex" und „Heiligkeitsgesetz" bedeutend geworden seien. Die Speisegebote hätten die auf der Kommensalität ruhende politische und persönliche Verbrüderung mit Fremden im Sinne von „rituellen Ungenossen" erschwert. Der Zwang zum Verzehnten habe die rituelle Deklassierung derjenigen nach sich gezogen, die von Jerusalem entfernt wohnend nicht in der Lage gewesen seien, dem Gebot nachzukommen, und deshalb rituell deklassiert worden seien. In der Konsequenz habe sich der Gegensatz zwischen den rituell korrekten Juden und dem „'am haarez" entwickelt, der in spätvorexilischer Zeit Gegner Josias und nachexilisch Esras und Nehemias gewesen sei. Mit der Sonderung innerhalb des Judentums sei der städtische Demos zum Träger des rituell korrekten Judentums geworden. Diesen Zusammenhang entfaltet Max Weber im folgenden Doppelbogen „Am haarez". Das samaritanische Schisma sei Folge der priesterlichen Forderung der Kultzentralisation in Jerusalem, 34 wie der Gegensatz zwischen „Haber" im jüdischen Kernland und „'am haarez" in Galiläa zeige, wo Juden unter Nichteinhaltung der Gebote des Verzehntens und des Sabbatjahres leben, so daß im Gebiet um Jerusalem die Bezeichnung 'am haarez den allgemeinen Sinn von „rituell unkorrekt" angenommen habe. 35 Ursache die-
34 Max Weber rezipiert hier Rothstein, Juden. Zu Johannes W. Rothsteins Stellung in der zeitgenössischen Alttestamentlichen Wissenschaft siehe Gunkel, Hermann, Artikel Rothstein, Johannes Wilhelm (* 1853), in: RGG 1 V, Sp.45. 35 Max Weber rezipiert hier Büchler, 'Am-ha-'Are?, und Schürer, Geschichte II4. Zu Adolph Büchlers Stellung in der zeitgenössischen Wissenschaft des Judentums siehe Tobias, Alexander, Artikel Buechler, Adolph (1867-1939), in: Encyclopaedia Judaica. Band 14. - Jerusalem: Keter 1971, Sp. 1458-1459.
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ser Differenzierung innerhalb des jüdischen Volkes seien das strenge Ritual und die damit verbundenen ökonomischen Interessen der Priester. Damit bricht das Manuskriptfragment ab. Im Manuskript des Doppelbogens „Rituelle Absonderung" hatte Max Weber angekündigt, die erste „Komponente" der späteren jüdischen Religion, deren Träger die Propheten seien, erst weiter zu verfolgen, nachdem die rituelle Komponente, deren Träger die Priester seien, abgehandelt worden sei. Das nur noch fragmentarisch erhaltene Manuskript nimmt diesen Faden der prophetischen Komponente jüdischer Religion nicht mehr auf. 36
2. Der Bund In dem Manuskript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" nimmt Max Weber die antike jüdische Religion über die „Agrarverhältnisse 3 " hinaus als Macht in den Blick, die nicht nur gesellschaftlichen Gruppeninteressen diene, insbesondere denen der Priester, sondern ihrerseits gesellschaftsgestaltend wirke. Damit verbunden hat er gegenüber d e m Artikel „Agrarverhältnisse im Altertum 3 " sein Spektrum exegetischer Fachliteratur erheblich erweitert. Der Bundesgedanke sei, wie der D o p p e l b o g e n „Ethik und Mythik" zeigen will, ein die Religionsgeschichte und Geschichte Israels von den Anfängen Israels als Eidgenossenschaft an strukturierendes Motiv und mit einer „partikularen Universalität" der israelitischen Monolatrie, die die Ethik begründe, verbunden. 3 7
3 6 Teile der verlorenen Passagen des Manuskripts „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" zur Prophetie sind mithilfe der Aufsätze zum antiken Judentum der Jahre 1917— 1920 zu rekonstruieren. Siehe Otto, Max Weber, S. 230-239. 3 7 Den Aspekt des früh datierten „naiven Monotheismus", der parallel zu einem polytheistischen Henotheismus von streng jahwistischen Kreisen der Propheten, Nasiräer und Priester im Gegensatz zur Volksmehrheit vertreten wurde, entnimmt Max Weber der Monographie von Peisker, Nichtisraeliten, S.91 u.ö., die Max Weber später lobend erwähnen wird; siehe unten, S.697 Anm. 237. Vermutlich hat Max Weber die Monographie unter der Fragestellung der Absonderung des antiken Judentums von den Nichtjuden zur Hand genommen, aber etwas ganz anderes gefunden, was für seine weiteren Studien des antiken Judentums beginnend mit dem Manuskript zu „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" grundlegend wird: Die These, die eine Absage an Julius Wellhausen und die Vertreter seiner Denkrichtung wie Rudolf Smend (sen.), Bernhard Stade und Karl Marti ist, daß nämlich das Gottesverhältnis in den radikal jahwistischen Kreisen schon vorprophetisch nicht als ein natürliches verstanden wurde, der Gott Jahwe also nicht durch sein Wesen, sondern durch seinen Willen, der Israel erwählt habe, an sein Volk gebunden gewesen sei. Daran kann Max Weber die Motive des „Wahlgottes" und des „Bundes" als Gegensätze zu den Funktionsgöttern und das sie kennzeichnende natürliche Gottesverhältnis anschließen. Hier sind entscheidende Weichen auch für die Studie zu den „Religiösen Gemeinschaften" und die Studien zum antiken Judentum der Jahre 1917-1920 gestellt.
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Für die Interpretation d e s B u n d e s als Vertrag mit Gott in d e n M a n u s k r i p t b o g e n „Ethik u n d Mythik" stützt s i c h Max W e b e r w i e bereits in der dritten A u f l a g e d e s Artikels „ A g r a r v e r h ä l t n i s s e im A l t e r t u m " auf A d a l b e r t M e r x . 3 8 W ä h r e n d A d a l b e r t M e r x a b e r in Israel als Kollektiv d e n Vertragspartner J a h w e s sieht, d a s s i c h nicht u m die d a s Volk k o n s t i t u i e r e n d e n Indiv i d u e n k ü m m e r e , der I n d i v i d u a l i s m u s also n o c h keine W u r z e l n in Israel g e t r i e b e n h a b e , 3 9 interpretiert Max Weber, g e s t ü t z t auf die Studie v o n M a x Lohr „Sozialismus u n d Individualismus" a u s d e m Jahre 1906 4 0 u n d d e n Artikel „ I n d i v i d u a l i s m u s u n d Sozialismus" v o n H e r m a n n G u n k e l von 1910, d e m die M o n o g r a p h i e v o n Max Lohr z u g r u n d e liegt, die „ B e z i e h u n g z u m B u n d e s g o t t [als] A n g e l e g e n h e i t j e d e s Einzelnen, d a alle Einzelnen unter der R a c h e d e s G o t t e s w e g e n der S ü n d e Eines v o n ihnen m i t z u l e i d e n hab e n k o n n t e n " . 4 1 Bereits in d e n M a n u s k r i p t b o g e n „Ethik u n d Mythik" datiert Max W e b e r g e g e n Julius W e l l h a u s e n 4 2 u n d die ihm f o l g e n d e n L e h r b ü c h e r , u.a. v o n B e r n h a r d S t a d e 4 3 u n d Rudolf S m e n d [sen.], 4 4 d e n „ B u n d " in d i e v o r s t a a t l i c h e Frühzeit Israels, w e n n er v o n d e n „ c h a r i s m a t i s c h e n Kriegsh e l d e n der Freiheitskämpfe d e s altisraelitischen B u n d e s " u n d d e n „alten
38 Merx, Moses, S.21. 39 Merx, ebd., S.22. Zu Geschichte und Stand der Erforschung der Bundestheologie siehe Gertz, Jan Christian, Artikel Bund. II. Altes Testament, in: RGG4 I, Sp. 1862-1865, sowie Otto, Eckart, Der Ursprung der Bundestheologie im Alten Testament und im Alten Orient, in: Zeitschrift für Altorientalische und Biblische Rechtsgeschichte 4, 1998, S. 1-84 (hinfort: Otto, Bundestheologie); ders., Covenant, in: Enc. Rel.2 III, S. 2047-2051. 40 Lohr, Sozialismus. Zu Max Lohrs Stellung in der zeitgenössischen Alttestamentlichen Wissenschaft siehe Gunkel, Hermann, Artikel Lohr, Max (*1864), in: RGG1 III, Sp. 2348. 41 Gunkel, Hermann, Artikel Individualismus. I. Individualismus und Sozialismus im AT, in: RGG1 III, Sp.493-501, hier Sp.494-496 (hinfort: Gunkel, Artikel Individualismus). 42 Wellhausen, Prolegomena, S. 415-417. 43 Stade, Theologie, S. 254: „Jeremia ist, falls die betreffenden Stellen echt sind, der älteste Prophet, der das zwischen Jahve und Israel bestehende gegenseitige Verhältnis aus einem bei der Ausführung aus Ägypten geschlossenen Bund ITHS [berTt; .Bund'] ableitet". Zu Bernhard Stades Stellung in der zeitgenössischen Alttestamentlichen Wissenschaft siehe Gunkel, Hermann, Artikel Stade, Bernhard (1848-1906), in: RGG1 V, Sp. 882-883; ders., Bernhard Stade. Charakterbild eines modernen Theologen, in: ders., Reden und Aufsätze. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1913 (hinfort: Gunkel, Reden), S. 1-10; Smend (jun.), Alttestamentler, S. 129-142, aber auch Franz Delitzsch, Briefwechsel, S.500, der Bernhard Stade aufgrund seiner strikt kritischen Position innerhalb der Alttestamentlichen Wissenschaft als „Gießener Vandalen" bezeichnet. 44 Smend (sen.), Lehrbuch, S.294: „Die Art und Weise, in der das Judenthum die prophetische Auffassung der Religion sich zu eigen machte, ist aber besonders deutlich in der Idee des Bundes zwischen Jahve und Israel, die seit der deuteronomischen Reformation so grosse Bedeutung gewann". Zu Rudolf Smends Stellung in der zeitgenössischen Alttestamentlichen Wissenschaft siehe Gunkel, Hermann, Artikel Smend, Rudolf (* 1851), in: RGG1 V, Sp.724.
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Bundeskultstätten" spricht, die wie „die Nomaden und Halbnomaden [...] den alten bildlosen Kult [hatten]". 45 Max Webers Gewährsmann für diese Abkehr von Julius Wellhausen und von den ihm folgenden Lehrbüchern ist neben Adalbert Merx auch Karl Budde, von dem Max Weber in der Studie zum antiken Judentum der Jahre 1917-20 sagt, er habe in seinem „Vortragszyklus" 46 „wohl am schärfsten die Bedingtheit des ethischen Charakters der Religion Israels durch den Charakter des Gottes als eines Wahlgottes gesehen und betont". 47 Max Weber spricht wie Karl Budde von der Rezeption Jahwes durch Israel unter ethischem Gesichtspunkt. Hat für Max Weber Israel „für jedes Heils- oder, namentlich, Unheils-Geschehnis politischer, meteorologischer oder kosmischer Art nach einem ethischen Grund, einer Sünde oder Gutthat gefragt", 48 so stehen wir mit dieser Formulierung am Beginn von Max Webers These des spezifisch rationalen, die Magie überwindenden Zuges jüdischer Ethik durch den Bundesgedanken. Daran schließt sich in „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" wie in den späteren Studien die Thematik der Seelsorge durch Spezialpriester an. Auch bei diesem Zusammenhang steht Karl Budde Pate: „So oft es dem Volke übel erging, lag es ihm fern zu glauben, dass Jahwe nicht die Kraft habe, zu helfen. Jedesmal erwachte vielmehr das Gewissen zu der Frage: Womit habe ich die Ungnade Jahwe's verdient, was muss ich tun, um mich seiner Gnade und Hilfe von neuem zu versichern?" 49
Den nicht geringen Eindruck, den Karl Budde auf Ernst Troeltsch und Max Weber, die ihn auf einem Kongreß anläßlich der Weltausstellung 1904 in St. Louis trafen, 50 gemacht hat, zeigt der Einfluß, den Karl Buddes Bundeskonzeption auch auf Ernst Troeltsch gehabt hat. 1913 rezensiert Ernst 45 Siehe unten, S.186 und 191. 46 Gemeint ist der Vorlesungszyklus „Amerikanische religionswissenschaftliche Vorlesungen", die Karl Budde im Jahre 1898 an der Harvard University hielt: siehe Budde, Volk. Zu Karl Buddes Stellung in der zeitgenössischen Alttestamentlichen Wissenschaft siehe Gunkel, Hermann, Artikel Budde, Karl (* 1850), in: RGG 1 I, Sp. 1402-1403. 47 Siehe unten, S.432 Anm. 125. 48 Siehe unten, S. 178-179. 49 Budde, Religion, S.30. 50 Zu Ernst Troeltschs und Max Webers Amerika-Reise im Jahre 1904 siehe Rollmann, Hans, Ernst Troeltsch in Amerika. Die Reise zum Weltkongreß in St. Louis (1904), in: Renz, Horst (Hg.), Ernst Troeltsch zwischen Heidelberg und Berlin (Troeltsch-Studien 2). - Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2001, S.88-117; Schluchter, Wolfgang, Editorischer Bericht zu Max Weber, The Relations of the Rural Community to Other Branches of Social Sciences, in: Weber, Max, Wirtschaft, Staat und Sozialpolitik. Schriften und Reden 1900-1912, hg. von Wolfgang Schluchter (MWG I/8). - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1998, S. 200-211; Roth, Guenther, Max Webers deutsch-englische Familiengeschichte 1800-1950 mit Briefen und Dokumenten. - T ü b i n g e n : J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 2001, S. 486-489.
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Troeltsch die Monographie „Sociological Study of the Bible" des amerikanischen Nationalökonomen der Chicago-School Louis Wallis. 51 Louis Wallis lehnt sich in dieser Monographie an Karl Budde mit der These an, die Geschichte der Jahwe-Religion und ihrer Ethik speise sich aus der Spannung zwischen ihren Wurzeln in einem nomadischen und seßhaft-kanaanäischen Bevölkerungsteil. Karl Buddes These eines früh datierten Bundes mit Jahwe als „Wahlgott" in der Wüste lehnt Louis Wallis aber ausdrücklich als Rückfall hinter Julius Wellhausen ab. Ernst Troeltsch korrigiert in seinem Referat an dieser Stelle seine sonst Louis Wallis zustimmende Darstellung im Sinne von Karl Budde, ohne die Korrektur als solche zu kennzeichnen: „Die eigentliche Darstellung setzt ein mit der Erklärung des Bundescharakters der Jahwe-Religion. Das kann, wie das übrigens heute m.W. anerkannt ist, nur die Übernahme des Gottes eines fremden Clans durch hebräische Clans in der Wüste bedeuten, was mit der Verschmelzung mit jenem Clan selber identisch ist" 5 2
Wenn Karl Buddes Bundeskonzeption 1913 bei Ernst Troeltsch einen derartigen Eindruck hinterlassen hat, daß er sie gegen den rezensierten Autor in die Rezension einschleust und als „m.W. anerkannt" bezeichnet, so findet man hier auch eine Hauptquelle nicht nur für Ernst Troeltschs, sondern auch für Max Webers Bundeskonzeption. Daß Max Weber aber das Bewußtsein haben konnte, mit dieser Wendung der Bundestheologie gegen Julius Wellhausen nicht einer Minderheitsposition aufgesessen zu sein, zeigt ihm das gerade erschienene Lehrbuch von Emil Kautzsch, der in seiner 1911 posthum veröffentlichten „Biblischen Theologie des Alten Testaments", 53 die Max Weber später als
51 Wallis, Louis, Sociological Study of the Bible. - Chicago: Chicago University Press 1912 (hinfort: Wallis, Study), rezensiert von Ernst Troeltsch in der Theologischen Literaturzeitung 38, 1913, Sp. 454-458 (hinfort: Troeltsch, Rezension); die Rezension ist wieder abgedruckt und kommentiert in Otto, Max Weber, S. 251 —258. Die Monographie von Louis Wallis ist ebenso wie Max Webers Studien zum antiken Judentum der Jahre 1917— 1920 intensiv von Albrecht Alt rezipiert worden. Ohne diese vermittelnde Rezeption wäre das Werk von Martin Noth und Gerhard von Rad als Schüler Albrecht Alts nicht möglich gewesen. Zu Hermann Gunkels positiver Reaktion auf Max Webers Studien des antiken Judentums siehe Gunkel Hermann, Die israelitische Literatur, In: Hinneberg, Paul (Hg.), Die Kultur der Gegenwart. Band 1/7: Orientalische Literaturen. - Leipzig: B.G. Teubner 2. Auflage 1925, S. 53-112, hier S. 107: „Mit Dankbarkeit sind auch entgegengenommen worden die Bemühungen des geistreichen Nationalökonomen WEBER um das Verständnis der israelitischen Geschichte (vgl. MAX WEBER, Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie III, Das antike Judentum 1921)." Zu Hugo GreBmanns Interesse an Max Webers Studie zum antiken Judentum siehe den Editorischen Bericht, unten, S. 225-226 Anm. 82. 52 Troeltsch, Rezension, Sp.454. 53 Kautzsch, Theologie. Zu Emil Kautzschs Stellung in der zeitgenössischen Alttesta-
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„beachtenswert, weil ebenfalls sehr präzis formuliert" 54 bezeichnet, den früh datierten „Bund" mit einer sittlichen Ordnung verbindet. 55 Mit der Bundeskonzeption verbindet Max Weber in den Manuskriptbogen „Ethik und Mythik" auch Aspekte des Gottesbegriffs, die In den Aufsätzen zum antiken Judentum der Jahre 1917-1920 grundlegend werden. Der „alten kriegsprophetisch beeinflußten Tradition" gelte Jahwe als „ein von unbezähmbaren Leidenschaften bewegter, zwischen Wut und Reue schwankender Krieger", dem die „charismatischen Kriegshelden der Freiheitskämpfe des altisraelitischen Bundes" entsprechen. „Ein Gott gerechter Vergeltung" sei Jahwe erst durch „die frommen jahwistischen Intellektuellenschichten" geworden. 56 Wie Julius Wellhausen rechnet Max Weber mit einer Ethlsierung der Jahwe-Religion, die er schon in „Ethik und Mythik/rltuelle Absonderung" auch als Rationalisierung des Gottesbegriffs versteht. Der entscheidende Unterschied zu Julius Wellhausen aber besteht darin, daß der Bund nicht Folge prophetischer Ethislerung der Jahwe-Religion nach Zerbrechen der naturwüchsigen Einheit von Gott und Nation sei, 57 sondern Voraussetzung der sich entwickelnden Ethisierung der Jahwe-Religion und zunehmenden Rationalisierung des Gottesbegriffs. 58 Wenn Julius Wellhausen davon spricht, zu „Oberst war ihnen
mentlichen Wissenschaft siehe Gunkel, Hermann, Artikel Kautzsch, Emil (1841-1910), in: RGG 1 III, Sp. 1052-1053. 54 Siehe unten, S.240. 55 Es ist wahrscheinlich, daß Max Weber auch die Monographie von Bruno Baentsch, Monotheismus, bereits zu diesem Zeltpunkt und nicht erst während des Krieges zur Kenntnis genommen hat. Bruno Baentsch, der als einer der einflußreichsten Pentateuchkommentatoren (siehe Baentsch, Bruno, Exodus-Levitikus-Numeri, Handkommentar zum Alten Testament I/2. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1903) der Neueren Urkundenhypothese Julius Wellhausens verpflichtet ist, bekennt sich in dieser Monographie wie Max Weber in dem Manuskript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" zur Forschungsrichtung der Religionsgeschichtlichen Schule. Zu Bruno Baentschs Stellung In der zeitgenössischen Alttestamentllchen Wissenschaft siehe Gunkel, Hermann, Artikel Baentsch, Bruno (1859-1908), In: RGG 1 I, Sp.896. Mit Bruno Baentsch setzt sich bei voller Zustimmung zur Generalthese - die von Max Weber in der Studie zum antiken Judentum rezipierte Monographie von Paul Volz, Mose, S.3 und 77-79, auseinander. Max Weber hat auch die Korrekturen, die Paul Volz am Bild der Religionsgeschichte der vorprophetischen Jahwe-Religion, das insbesondere Bernhard Stade als Repräsentant der Wellhausen-Schule entworfen hat, angebracht hat, bereits in dem Manuskript „Ethik und Mythik/rltuelle Absonderung" aufgenommen und, vermittelt über dieses Manuskript, auch in der Vorkriegsstudie der „Religiösen Gemeinschaften" und in der Studie zum antiken Judentum der Jahre 1917-1920 zugrunde gelegt. Zu Paul Volz' Stellung in der zeitgenössischen Alttestamentllchen Wissenschaft siehe Gunkel, Hermann, Artikel Volz, Paul (* 1871), in: RGG 1 V, Sp. 1800. 56 Siehe unten, S. 179. 57 Wellhausen, Prolegomena, S.415-417. 58 Max Weber widerspricht damit auch der von Eduard Meyer, Geschichte I/12, S. 144-
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[ s c . d e n P r o p h e t e n ] J a h v e d e r Gott d e r G e r e c h t i g k e i t , G o t t Israels erst in z w e i t e r Linie u n d nur insofern, als Israel s e i n e n G e r e c h t i g k e i t s a n s p r ü c h e n e n t s p r a c h t , ] d i e er i h m a u s G n a d e o f f e n b a r t hatte: sie d r e h t e n d i e h e r g e brachte
Anordnung
dieser
beiden
Fundamentalartikel
des
Glaubens
um",59 so verbindet Max Weber die ethische Dimension der Jahwe-Relig i o n u n m i t t e l b a r mit d e m B u n d e s g e d a n k e n . Interpretiert M a x W e b e r in d e n M a n u s k r i p t b o g e n „Ethik u n d M y t h i k " mit A d a l b e r t M e r x d e n B u n d als „Vertrag", d e s s e n Inhalt d i e soziale, d . h . r e c h t l i c h e u n d sittliche O r d n u n g sei, d i e für Israel g e l t e , s o ist a u c h d i e N ä h e z u F o r m u l i e r u n g e n v o n Emil S c h ü r e r 6 0 u n ü b e r s e h b a r , d e r s i c h für d i e s e I n t e r p r e t a t i o n d e s B u n d e s auf Ferdinand
Webers
Monographie
zur a l t s y n a g o g a l e n
a u c h M a x W e b e r u n d W e r n e r S o m b a r t als Q u e l l e d i e n t ,
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Theologie,61
die
beruft. In s e i n e m
H a n d e x e m p l a r von Werner Sombarts „Judenbuch" markiert Max Weber schließlich f o l g e n d e n E i n t r a g d u r c h R a n d s t r i c h : 6 3
159, vertretenen These, der Kampf um den religiösen und kulturellen Fortschritt sei zugleich ein Kampf der Individualität gegen die Macht der Tradition, da aller Fortschritt von Einzelpersönlichkeiten ausgehe, so daß auch In Israel umwälzende religiöse Bewegungen nur von Propheten als Einzelpersönlichkeiten vorangetrieben worden seien. Max Weber hat In seinem Handexemplar die entsprechenden Abschnitte durch Randstriche markiert. Zu Max Webers Auseinandersetzung mit Eduard Meyers Methodik der Geschichtsschreibung siehe Deininger, Jürgen, Eduard Meyer und Max Weber, in: Calder III. Wllliam/Demandt, Alexander (Hg.), Eduard Meyer. Leben und Leistung eines Universalhistorikers (Mnemosyne. Supplements 112). - Leiden: E.J. Brill 1990, S. 132158; Choi, Ho-Keun, Max Weber und der Historismus. Max Webers Verhältnis zur Historischen Schule der Nationalökonomie und zu den zeitgenössischen deutschen Historikern. - Waltrop: Hartmut Spenner 2000, S. 172-241. 59 Wellhausen, Prolegomena, S.416. Es Ist für das Verständnis von Max Webers Studien des antiken Judentums zentral, daß er nicht der Propheteninterpretation eines Julius Wellhausen und in seiner Schule vorherrschenden Prophetendeutung in der protestantischen Alttestamentlichen Wissenschaft folgt, die in den Propheten Künder des sittlichen Gotteswillen sahen. Es wäre für Max Weber ein Leichtes gewesen, die Überwindung magischer Ethik in diesem Sinne den Exegeten folgend den Propheten zuzuschreiben. Die Prophetie in der Interpretation Bernhard Duhms (siehe dazu unten, S.9698) ist für Max Weber nicht „der entscheidende Entwicklungsfaktor der vorexilischen israelitischen Religion", so Schäfer-Lichtenberger, Christa, Vom Nebensatz zum Idealtypus. Zur Vorgeschichte des Antiken Judentums von Max Weber, in: Blum, Erhard u.a. (Hg.), Die Hebräische Bibel und ihre zweifache Nachgeschichte. Festschrift für Rolf Rendtorff zum 65. Geburtstag. - Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 1990, S.419433, hier S.425 Anm.36. 60 Schürer, Geschichte II3, S.465. Auch Sombart, Juden, S. 464-466 Anm.435 und 456, hat wie Max Weber die Monographie von Emil Schürer, den Werner Sombart allerdings „Schüler" nennt, herangezogen. 61 Weber, Ferdinand, System, S. 235-237 und 290-294. Max Weber hat in der Pharisäer-Studie diese Monographie intensiv rezipiert. 62 Sombart, Juden, S. 466 Anm. 445-448. 63 Sombart, ebd., S.245. Auch die Studie von Merx, Moses, hat Werner Sombart, ebd.,
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„Das Vertragsverhältnis wickelt sich nun in der Weise ab, daß dem Menschen die erfüllten Pflichten einzeln belohnt, die verabsäumten Pflichten einzeln durch Übles vergolten werden (ebenso die guten Werke): Belohnung und Bestrafung erfolgen teils in dieser Welt, teils im Jenseits. Aus diesem Sachverhältnis ergibt sich zweierlei mit Notwendigkeit: ein beständiges Abwägen des Vorteils oder Schadens, den eine Handlung oder Unterlassung bringen kann, und eine sehr verwickelte Buchführung, um das Forderungs- bzw. Schuldkonto des einzelnen in Ordnung zu halten". Werner S o m b a r t u n d Max W e b e r interpretieren ü b e r e i n s t i m m e n d d a s frühe Israel mit seiner k o n t r a k t u e l l e n K o n s t i t u i e r u n g im H o r i z o n t v o n Ferdinand
Tönnies'64
Dialektik
von
„Gemeinschaftshandeln"
und
„Gesell-
schaftshandeln" g e l e s e n als a u c h auf d e m „Kürwillen"65 b e r u h e n d e G e sellschaft u n d d a m i t v o n i h r e m U r s p r u n g a n mit einer Affinität zur kapitalis t i s c h e n W i r t s c h a f t s f o r m v e r s e h e n , insofern d a s f r ü h e Israel nicht allein auf d e m Willen zur a l l g e m e i n e n Sozialität, s o n d e r n a u c h auf der N o t w e n digkeit der komplementären Ergänzung durch das Individuum und seine Tätigkeiten beruht.66 Ferdinand Tönnies67 übernimmt von Henry Sumner Maine die These der Entwicklung d e s Rechts v o m Status z u m Kontrakt.68 M a x W e b e r u n d W e r n e r S o m b a r t v e r l e g e n für I s r a e l m i t d e r B e r i t - T h e s e d e n E n d p u n k t d i e s e r E n t w i c k l u n g in d e r P e r s p e k t i v e v o n H e n r y S u m n e r Maine a n d e r e n A u s g a n g s p u n k t . Die T h e s e kontraktueller K o n s t i t u i e r u n g
S.464 Anm.432, neben Meyer, Judenthum, als besonders bedeutsam herausgestrichen. 64 Tönnies, Ferdinand, Gemeinschaft und Gesellschaft. Grundbegriffe der reinen Soziologie. - Leipzig: Karl Curtius 2. Auflage 1912 (hinfort: Tönnies, Gemeinschaft). 65 Der Berit als Ausdruck eines Gesellschaftshandelns korrespondiert, daß Max Weber mit Martin Peisker das Gottesverhältnis des frühen Israel nicht wie Julius Wellhausen als ein „natürliches", sondern als „gewillkürtes", d.h. durch einen Willensakt konstituiertes ansieht. 66 An Lohr, Sozialismus, und Gunkel, Artikel Individualismus, anknüpfend versteht Max Weber die Beziehung zum Bundesgott als „Angelegenheit jedes Einzelnen, da alle Einzelnen unter der Rache des Gottes wegen der Sünde Eines von ihnen mitzuleiden haben konnten"; siehe unten, S. 181. Wenn nicht das Kollektiv, sondern das Individuum Partner des religiösen Kontraktes der Berit sein soll, so ist das nicht allein Konsequenz der juristischen Fassung der Berit, sondern auch ihrer Fassung als eines Gesellschaftshandelns. Diesen Aspekt werden die Aufsätze zum antiken Judentum der Jahre 1917— 1920 in aller Deutlichkeit herausarbeiten; siehe unten, S.98-108. Zur gegenwärtigen Diskussion siehe Grosby, Steven, Religion and Nationality in Antiquity: The Worship of Yahweh and Ancient Israel, in: European Journal of Sociology 32, 1991, S. 229-265; ders., Biblical Ideas of Nationality. Ancient and Modern. - Winona Lake, Indiana: Eisenbrauns 2002. 67 Tönnies, Gemeinschaft, S. 223-225. 68 Maine, Henry Sumner, Ancient Law. Its Connection with the Early History of Society, and Its Relation to Modern Ideas. - London: John Murray 2. Auflage 1863. Zur forschungsgeschichtlichen Einordnung siehe Burrow, John Wyon, Evolution and Society. A Study of Victorian Social Theory. - Cambridge: Cambridge University Press 1966.
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Israels und der damit verbundenen Impliziten Rationalität paßt auch lükkenlos in Werner Sombarts Bemühen, das Judentum für die Entstehung kapitalistischer Wirtschaftsgesinnung ursprungsgenetisch in Anspruch zu nehmen. Er schließt aus dem do ut des des Vertragsrechts auf eine „eigentümlich rechenhafte Gemütsverfassung" des gläubigen Juden aufgrund seines ,,beständlge[n] Abwägen[s] des Vorteils oder Schadens, den eine Handlung oder Unterlassung bringen kann", was zu einer „sehr verwickelte[n] Buchführung, um das Forderungs- bzw. Schuldkonto des einzelnen in Ordnung zu halten", führe. Max Weber dagegen begründet mit dem als Kontrakt Interpretierten Bund die Ethisierung der Jahwe-Rellglon, da alles Heils-, namentlich aber Unheilsgeschehen einen „ethischen Grund" haben müsse, woraus das ideelle Interesse breiter Bevölkerungsschichten nach Sündenbeichte, Entsühnung und Reinigung resultiere. Für Max Weber hat eine auf Blutsbande gegründete soziale Organisation Ihre religiöse Entsprechung In dem Versuch, die Irrationalen Naturmächte durch Magie zu domestizieren, 69 so daß mit der Konstituierung Israels als Bundesgemeinschaft nicht nur die Überwindung archaischer Sozialstruktur, sondern auch der Magie einhergeht, deren Depotenzierung eine wesentliche kulturhistorische Leistung Israels für den rationalen „Geist" der Moderne werden sollte. Mit der juristisch-kontraktuellen Fassung des Gottesverhältnisses werden in dem Manuskript „Ethik und Mythlk/rituelle Absonderung" der Jahre 1911/12 entscheidende Weichen für die Vorkriegsstudlen der „Religiösen Gemeinschaften" und der „Rechtssoziologie" der Jahre 1913/14 gestellt, die den Zusammenhang mit den Protestantismus-Studien herstellen. Wird die Beziehung des Menschen zu Gott als Rechtsverhältnis begriffen, so muß sich angesichts der Erfahrung des Scheiterns von Leben und also der Sündhaftigkeit des Menschen die Frage nach seiner Rechtfertigung und Heilsgewißheit stellen. Eine Spannung zwischen substantiellem und funktionalem Gottesbegriff kennzeichnet bereits die Bundeskonzeption in dem Manuskript „Ethik und Mythik/rltuelle Absonderung", wenn Jahwe Bundespartner sein soll und gleichzeitig Garant der sozialen, rechtlichen und sittlichen Ordnung, deren Verletzung, kraft seiner Stellung als Vertragspartner, ganz persönliche Treueverletzung gegen ihn bedeute, die er um seiner selbst willen rächen müsse, wie jedermann einen gebrochenen Schwur räche. Der Vertragspartner vertrete „bei der Rache des Bundes-
69 Den Zusammenhang zwischen gentiler Gesellschaftsstrukturierung und Magie behandelt auch Pietro Rossi, Universalgeschichte und interkultureller Vergleich, in: Albert, Gert/Bienfait, Agathe/Sigmund, Steffen/Wendt, Claus (Hg.), Das Weber-Paradigma. Studien zur Weiterentwicklung von Max Webers Forschungsprogramm. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 2003, S. 111-122, hier S. 115.
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bruchs seine eigenen verletzten Vertragsrechte, nicht nur die seinem Schutz empfohlenen Ansprüche der Vertragstreuen Partei", so daß „der Bundesschluß nicht nur unter der Garantie des Gottes, sondern mit d e m Gott selbst als Gegenpartei" das für Israel „besondersartige Verhältnis" sei. 3. Die Priester Die Ethisierung der Jahwe-Religion aufgrund des ethischen Universalismus der Monolatrie führe zu einer impliziten Differenzierung im priesterlichen Trägerkreis der Jahwe-Religion. Neben den Priester, der „der königlichen Politik zu dienen hatte", trete der Seelsorger als „Spezialpriester", d a das ideelle Interesse der breiten Volksschichten nach Sündenbeichte, Entsühnung und Reinigung nicht mehr wie in Ägypten und Babylonien magisch, sondern nur mittels der ethischen Weisung bedient werden konnte. In den „Agrarverhältnissen 3 " hatte Max Weber die Machtposition der Priester mit deren kultischer Beschwichtigung der Angst breiter Bevölkerungskreise vor den assyrischen „Raubkriegen" begründet, ohne zwischen magischer und ethisch-seelsorgerlicher Praxis der Priester zu differenzieren. Diese Unterscheidung wird erst durch die Einführung des Bundesmotivs verbunden mit der Monolatrie in dem Manuskript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" möglich und notwendig. Damit hat Max Weber bereits hier einen Aspekt jüdischer Religion zugrunde gelegt, den er bis 1920 immer stärker zur Geltung bringt: die Überwindung der Magie zugunsten der Strukturierung der Ethik und damit der alltäglichen Lebensführung durch verinnerlichte Religion. Um diese Relation von religiöser Idee und Alltagshandeln war es Max Weber bereits in den Studien zur Protestantischen Ethik gegangen. Max Webers Differenzierung in dem Manuskript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" zwischen der Funktion des „Spezialpriesters", der der „Befriedigung des Bedürfnisses der breiten Volksschichten nach Sündenbeichte, Entsühnung und Reinigung" diene, und der Funktion des Priesteramts, den Interessen der königlichen Politik zu entsprechen und mit dem „vornehmsten (astronomischen) Wissen" ausgestattet „mit d e r , S e e l sorge' an den Massen nichts zu thun" habe, hat ihr Vorbild in Karl Holls 70 Darstellung der Seelsorgefunktion des altkirchlichen Mönchtums im Unterschied zum Priesteramt: 71
70 Zu Karl Holls Stellung innerhalb des zeitgenössischen Faches Kirchengeschichte der protestantischen Theologie siehe Mulert, Hermann, Artikel Holl, Karl (* 1866), in: RGG1 III, Sp. 115. 71 Holl, Karl, Enthusiasmus und Bussgewalt beim griechischen Mönchtum. Eine Studie
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„Es war auch keineswegs selbstverständlich, dass dem Gläubigen, der über seine Sünde bekümmert war, in allen Fällen gerade der Priester als der gegebene Berater erschien. Wenn die Scheu vor der Heiligkeit der Mysterien ihm seine Sündhaftigkeit zum Bewusstsein brachte, dann kann man wohl denken, dass zunächst der Priester, der Verwalter der Mysterien, in Betracht kam. Aber das Verhältnis zwischen Priestertum und Gemeinde war nicht so eng und nicht so intim, dass auch in Gewissensangelegenheit der Priester das erste Anrecht auf das Vertrauen der Laien gehabt hätte. Die Entwicklung der Idee des Kultus war der Pflege persönlicher Beziehungen zwischen Klerus und Gemeinde nicht förderlich: der Priester mochte glauben, seine Pflicht gethan zu haben, wenn er im Gottesdienst die Gläubigen mit himmlischen Kräften füllte, und er konnte erwarten, dass diese übernatürlichen Potenzen von selbst wirkten. Dazu kam, - wenn der Priester im Kultus als Organ des Göttlichen erschien, so besass er ausserhalb des Gottesdiensts nichts, was ihm besondere Auktorität verliehen hätte".
Dem Priestertum, das auf sakramentale Funktionen beschränkt dem Seelsorgebedürfnis der Bevölkerung entzogen sei, setzt Karl Holl das Mönchtum in der Seelsorgefunktion entgegen: „Das Mönchtum hatte nicht die Absicht, über seine eigene Sphäre hinauszugehen; aber es konnte sich nicht entziehen, wenn es gesucht wurde, und es hielt sich für berechtigt, auch ausserhalb seines Kreises zu wirken; denn das x. 4 9
Das antike Judentum sei historische Voraussetzung für die Entstehung des Christentums und des Islam, wobei der Islam einer der Nebenzweige ohne direkten Einfluß auf die Genese des okzidentalen Rationalismus sei, die, im Gegensatz zum okzidentalen Christentum einer traditionalen Ethik verhaftet, insbesondere auf dem Felde der Ökonomie keine moderne Rationalisierungsleistung aus sich heraussetzten. Die Zurechnung des antiken Judentums in einer universalhistorischen Perspektive unter die Voraussetzungen des okzidentalen Rationalismus wird durch eine Ergänzung in der „Protestantischen Ethik" aus dem Jahre 1920 unterstrichen: „Dies: der absolute (im Luthertum noch keineswegs in allen Konsequenzen vollzogene) Fortfall kirchlich-sa/cramenfa/en Heils, war gegenüber dem Katholizismus das absolut Entscheidende. Jener große religionsgeschichtliche Prozeß der Entzauberung der Welt, welcher mit der altjüdischen Prophetie einsetzte und, im Verein mit dem hellenischen wissenschaftlichen Denken, alle magischen Mittel der Heilssuche als Aberglaube und Frevel verwarf, fand hier seinen Abschluß" 5 0
49 Weber, Max, Einleitung, S. 83-84. Zur Vorkriegsfassung dieses Abschnitts siehe oben, S.91. 50 Weber, Max, Protestantische Ethik, S. 9 4 - 9 5 (MWG 1/18). Die These des jüdischen Paria-Kapitalismus wird in der Überarbeitung der „Protestantischen Ethik" konsequenter als in den Schriften vor 1920 auf das nachbiblische Judentum eingeschränkt. So fügt Max Weber im Zuge der Überarbeitung der „Protestantischen Ethik" (ebd., S. 181) auch folgende Ergänzung ein: „Ebenso fern lag ihm [sc. dem Puritanismus] - und auch das darf nicht übersehen werden - die Wirtschaftsethik des mittelalterlichen und neuzeitli-
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In den Hörernachschriften der im Wintersemester 1919/1920 an der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität gehaltenen Vorlesung „Abriß der universalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte" erneuert Max Weber gegen Werner Sombart die These des jüdischen Pariavolkes, 51 doch unterstreicht er die kulturhistorische Bedeutung der jüdischen Magiefeindlichkeit und Entzauberung der Welt für das Werden des modernen Geistes des Kapitalismus: 5 2
c h e n J u d e n t u m s in den Zügen, welche für die Stellung beider innerhalb der Entwicklung des kapitalistischen Ethos e n t s c h e i d e n d waren. Das J u d e n t u m stand auf der Seite d e s politisch oder spekulativ orientierten .Abenteurer'-Kapltalismus: sein Ethos war, mit einem Wort, d a s des Par/a-Kapitalismus, - der Purltanismus trug d a s Ethos des rationalen bürgerlichen Betriebs und der rationalen Organisation der Arbeit. Er entnahm der jüdischen Ethik nur, was in diesen Rahmen paßte". Diese Einfügung läßt eine Akzentvers c h i e b u n g der Differenz z w i s c h e n J u d e n t u m und Puritanlsmus auf d a s n a c h b i b l i s c h e J u d e n t u m erkennen. Im Z u g e der Überarbeitung der Protestantischen Ethik, S . 6 3 A n m . 1 (MWG 1/18), fügt Max Weber eine Erörterung des hebräischen Begriffs rDK"?Q (mela'ka) ein, d e n er mit „Arbeit" übersetzt und der wie der hebräische Begriff p i n (boq) „eine Verwandtschaft mit unserem , B e r u f " h a b e n soll, w ä h r e n d im Griechischen „eine d e m d e u t s c h e n Wort In der ethischen Färbung e n t s p r e c h e n d e B e z e i c h n u n g überhaupt" fehle. Es sei zumindest angemerkt, daß Max W e b e r s D o p p e l p e r s p e k t i v e in der Darstellung der Ethik des antiken J u d e n t u m s als Ratlonallsierungs-, Universalisierungsund Entzauberungsprozeß einerseits sowie als Partikularisierungs- und Traditionallsierungsprozeß der „rituellen A b s o n d e r u n g " andererseits a u c h als eine Erfassung der Dialektik von Aufklärungsprozessen zu rekonstruieren Ist. 51 Weber, Max, Wirtschaftsgeschichte. Abriß der universalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. A u s den nachgelassenen Vorlesungen hg. von Hellmann, S i e g m u n d und Palyl, Melchior. - Berlin: Duncker & Humblot 3. Auflage 1958, S. 3 0 5 - 3 0 6 (hinfort: Weber, Max, Wirtschaftsgeschichte). 5 2 Weber, Max, ebd., S. 3 0 7 - 3 0 8 . A u c h Ernst Troeltsch rechnet mit der universalhistoris c h e n B e d e u t u n g des Alten Testaments für die okzldentale Moderne, sieht die Bedeut u n g aber nicht in der Ü b e r w i n d u n g der Magie als Voraussetzung für die Genese des okzldentalen Rationallsmus, sondern in einer Tendenz der religiösen Ideenwelt der Mod e r n e zur Vereinfachung und Sammlung und damit „zu einem christlich (modifizierten) Hebralsmus", der „die gnostischen, supranaturalen und mystisch-sakramentalen Elemente ausscheidet"; siehe die posthum veröffentlichten handschriftlichen Notizen in Troeltsch, Ernst, Aufsätze zur Geistesgeschichte und Religionssoziologie. G e s a m m e l t e Schriften. B a n d 4, hg. von Baron, Hans. - Tübingen: J . C . B . Mohr (Paul Slebeck) 1925, S. 8 1 8 - 8 2 1 , hier S. 821. Zu der damit v e r b u n d e n e n Differenz zwischen Max Weber und Ernst Troeltsch In der Werturteilsfrage siehe Otto, Max Weber, S. 7 6 - 7 8 . Daß Max Webers Charakterisierung der fernöstlichen Ethik d e s Konfuzlanismus als m a g i s c h nicht haltbar ist, zeigt Lin, Ethik. Das gilt a u c h für Max W e b e r s Darstellung der Ethik des antiken Ä g y p t e n s und Mesopotamiens; siehe Otto, Law a n d Ethlcs, In: Johnston, Sarah I. (Hg.), Religlons of the Anclent World. - C a m b r i d g e , Mass.: Harvard Unlverslty Press 2004, S. 8 5 - 9 7 . 5 3 7 - 5 3 9 ; ders.; Ethik, S. 1 1 7 - 1 5 2 , jeweils mit weiterer Literatur. Zur Terminologie magischer Praxis im Alten Testament ist einschlägig Jeffers, Ann, Magic a n d Divinatlon in Anclent Palestlne a n d Syrla (Studles In the History a n d Culture of the Ancient Near East 8). - Lelden/New York: E.J. Brill 1996.
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„Dennoch hat das Judentum auch für den modernen rationalen Kapitalismus insofern entscheidende Bedeutung gehabt, als es dem Christentum seine Magiefeindschaftvererbte. Abgesehen vom Juden- und Christentum und zwei oder drei orientalischen Sekten (davon eine in Japan), gibt es keine Religion mit dem ausgesprochenen Charakter der Magiefeindlichkeit. Wahrscheinlich ist diese dadurch entstanden, daß, was die Israeliten in Kanaan vorfanden, die Magie des Ackerbaugottes Baal war, während Jahve ein Gott der Vulkane, Erdbeben und Seuchen gewesen ist. Die Feindschaft zwischen der beiderseitigen Priesterschaft und der Sieg der jahvistischen deklassierte die Fruchtbarkeitsmagie der Baalspriester und hing ihr den Charakter des Zerfalles und der Gottlosigkeit an. Indem dann das Judentum das Christentum ermöglicht und ihm den Charakter einer im wesentlichen magiefremden Religion mit auf den Weg gegeben hat, vollbrachte es gleichzeitig eine große wirtschaftsgeschichtliche Leistung. Denn die Herrschaft der Magie außerhalb des Geltungsbereiches des Christentums ist eine der schwersten Hemmungen für die Rationalisierung des Wirtschaftslebens gewesen. Magie bedeutet Stereotypisierung der Technik und Ökonomik. Als man in China mit dem Bau von Eisenbahnen und Fabriken beginnen wollte, kam man mit der Geomantik in Konflikt. Sie verlangte, daß bei der Anlage auf bestimmte Berge, Wälder, Flüsse, Grabhügel Rücksicht genommen würde, weil sonst die Geister in ihrer Ruhe gestört wurden. Nicht anders stehen dem Kapitalismus die Kasten in Indien gegenüber. Jede neue Technik, die der Inder anwendet, bedeutet für ihn zunächst, daß er seine Kaste verliert und in eine neue, und zwar zunächst niedrigere, einrückt. Da er an die Seelenwanderung glaubt, bedeutet das für ihn zunächst, daß er mit seinen Läuterungschancen bis zur nächsten Geburt zurückgeworfen werden soll. Auf derartiges wird er sich also kaum einlassen. Dazu kommt, daß jede Kaste die andere verunreinigt. Das hat wieder zur Folge, daß Arbeiter, die einander gegenseitig ein Gefäß mit Wasser nicht abnehmen dürfen, nicht in demselben Fabriksaal zusammen beschäftigt werden können. Erst in der Gegenwart, nach fast jahrhundertelanger Besetzung des Landes durch die Engländer, konnte dieses Hindernis beseitigt werden. Aber aus einer magisch derartig gebundenen Wirtschaftsgruppe vermochte der Kapitalismus nicht hervorzugehen. Die Magie zu brechen und Rationalisierung der Lebensführung durchzusetzen, hat es zu allen Zeiten nur ein Mittel gegeben: große rationale Prophetien. Nicht jede Prophetie allerdings zerstört ihre Macht; aber es ist möglich, daß ein Prophet, der sich durch Wunder und andere Mittel legitimiert, die überkommenen heiligen Ordnungen durchbricht. Prophetien haben die Entzauberung der Welt herbeigeführt und damit auch die Grundlage für unsere moderne Wissenschaft, die Technik und den Kapitalismus geschaffen."
3. Die Pharisäer In der Selbstanzeige der „Gesammelten Aufsätze" kündigt Max Weber an, daß er die bis zum Beginn der Makkabäerzelt reichende Darstellung des Judentums, und das sind die bereits im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik zwischen 1917 und 1920 Im Erscheinen begriffenen Aufsätze, durch eine Abhandlung zum talmudischen Judentum ergänzen wolle. Zwischen Sommer 1915 und vermutlich Winter 1916 verfaßt Max Weber unter Rückgriff auf ältere Manuskripte und Exzerpte das Kernmanuskript zum Pharlsäismus und mlschnischen Judentum, mit dem er an das Manu-
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skript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" und die Studie der „Religiösen Gemeinschaften" für den „Grundriß der Sozialökonomik" anknüpft, und das er zwischen Herbst 1919 und Frühjahr 1920 noch einmal umfangreich ergänzt. 53 Deutlicher als in den Vorkriegsstudien einschließlich der der „Einleitung" wird jetzt die Pariathematik auf das nachbiblische Judentum bezogen. In der Pharisäer-Studie beschreibt Max Weber den voranschreitenden Prozeß der rituellen Absonderung innerhalb des Judentums durch Gründung des „Ordens" der Pharisäer: „Das für das Judentum Entscheidende an der Bruderschaftsbewegung war: nicht nur von den Hellenen, sondern auch und gerade von den nicht heilig lebenden Juden sonderten sie sich ab. Es entstand der Gegensatz der pharisäischen .Heiligen' gegenüber den 'am ha-arez, den .Landleuten', den .Unwissenden', die das Gesetz nicht kennen und nicht halten. Der Gegensatz wurde auf das äußerste gesteigert, bis an die Grenze der rituellen Kastenabsonderung". 5 4
Diese Kastenabsonderung innerjüdischer Differenzierung werde, wie Tacitus es für das Judentum im Verkehr mit Nichtjuden formulierte, in der Verweigerung von Connubium und Kommensalität mit jedem rituell nicht reinen Juden wirksam. In der Kontroverse zwischen dem protestantischen Neutestamentier Emil Schürer und dem jüdischen Gelehrten Adolph Büchler rezipiert Max Weber die Position Emil Schürers, dessen Lehr- und Handbuch zur neutestamentlichen Zeitgeschichte, von dem Hermann Bauke schreibt, es sei „das Standardwerk dieser Disziplin geworden", 55 von Max Weber zwischen 1901 und 1907 exzerpiert wurde. 56 Während Adolph Büchler die Reinheitsvorschriften nur für die Priester, nicht aber für die nicht priesterlichen Pharisäer für gültig hält, so daß die Reinheitsvorschriften auch nicht Hinweis auf eine pharisäische Absonderung innerhalb des Judentums seien 57 , sieht Emil Schürer in der Forderung der Einhaltung der Reinheitsvorschriften das wesentliche Kennzeichen der Laiengemeinschaft der Pharisäer, die sich damit vom übrigen Judentum abgrenzen wollen 58 .
53 Siehe den Editorischen Bericht unten, S. 758-776. Zum Stand der Pharisäismus-Forschung siehe Baumgarten, Albert I., Artikel Parlsäer, in: RGG 4 VI, Sp. 1262-1264 mit weiterer Literatur, sowie Stemberger, Günther, Pharisäer, Sadduzäer, Essener (Stuttgarter Bibelstudien 144). - Stuttgart: Verlag Katholisches Bibelwerk 1991. 54 Siehe unten, S.781. 55 Bauke, Artikel Schürer, Sp.404. 56 Siehe Otto, Pharisäer, S.9-28. 57 Büchler, 'Am-ha'Are?, S. 5-157. 58 Schürer, Geschichte II4, S. 465-466. Emil Schürer rezensiert auch die Monographie von Büchler, 'Am-ha'Are?, kritisch in: Theologische Literaturzeitung 23, 1906, S p . 6 1 9 620. Auf diese Kritik hat Adolph Büchler, 'Am-ha'Are$, S. 283-285 Anm. 1, seinerseits mit einer Gegenkritik an Emil Schürer reagiert, die Max Weber in der Studie zum antiken
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P h a r i s ä e r n u n d E s s e n e r n sei g e m e i n s a m , daß unter ihrem D r u c k d i e jüd i s c h e L a i e n g e m e i n d e Träger d e r R e l i g i o n g e w o r d e n sei u n d n i c h t m e h r d a s E r b c h a r i s m a v o n P r i e s t e r n u n d L e v i t e n e n t s c h e i d e n d sei. 5 9 D e r Priester h a b e , d i e s e n A s p e k t teilt M a x W e b e r mit A d o l p h Büchler, vielmehr, u m V e r w e n d u n g z u f i n d e n , im p h a r i s ä i s c h e n Sinn korrekt z u l e b e n , s o daß a n d i e Stelle e i n e r e r b l i c h e n Priesteraristokratie e i n e r e l i g i ö s e L e i s t u n g s u n d B i l d u n g s a r i s t o k r a t i e d e r P h a r i s ä e r tritt. I n n e r h a l b d e r p h a r i s ä i s c h e n B r u d e r s c h a f t gilt M a x W e b e r s A u g e n m e r k e n t s p r e c h e n d d e n p h a r i s ä i s c h g e b i l d e t e n S c h r i f t g e l e h r t e n , d e n S o f e r i m , d e r e n p r a k t i z i e r t e Rationalität er von der der hellenistischen Philosophie abgrenzt: „Die philosophische Spekulation wurde naturgemäß als gefährlich und vor allem als hellenistisch abgelehnt. Man soll nicht über die Gründe der Ritualvorschriften grübeln, sondern sie einfach erfüllen: ,dle Furcht vor der Sünde geht über die Weisheit.' Aber dieser Verwerfung des philosophischen Rationallsmus ging ein praktisch-ethischer Rationalismus von jenem Typus zur Seite, wie ihn Kleinbürgerschichten zu entwickeln pflegen. Praktische Alltagsbedürfnisse und der .gesunde Menschenverstand' beherrschen die Art der Erörterung und Austragung von Kontroversen" 60
Judentum (siehe unten, S.602) als polemisch bezeichnet. Zur forschungsgeschichtlichen Einordnung von Emil Schürers Interpretation der Pharisäer siehe Deines, Roland, Die Pharisäer. Ihr Verständnis im Spiegel der christlichen und jüdischen Forschung seit Wellhausen und Graetz (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 101). - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1997, S.68-95 (hinfort: Deines, Pharisäer), sowie Waubke, Hans-Günther, Die Pharisäer in der protestantischen Bibelwissenschaft des 19. Jahrhunderts (Beiträge zur historischen Theologie 107). - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1998, S. 226-250 (hinfort: Waubke, Pharisäer). Daneben rezipiert Max Weber auch die Monographie von Bousset, Judentum, die von jüdischer Seite heftiger Kritik unterzogen wurde, so u.a. von Felix Perles, Bousset's Religion des Judentums im neutestamentlichen Zeitalter kritisch untersucht. - Berlin: Wolf Peiser 1903. Diese Kontroverse sowie ihre kultur- und forschungsgeschichtlichen Kontexte beschreibt Christian Wiese, Wissenschaft des Judentums und protestantische Theologie Im wilhelminischen Deutschland. Ein Schrei ins Leere? (Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo-Baeck-Instituts 61). - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1999, S. 140-169. 59 Max Weber rezipiert in dieser Studie auch die Monographie von Wellhausen, Julius, Die Pharisäer und die Sadducäer. Eine Untersuchung zur inneren jüdischen Geschichte. -Greifswald: Verlag Bamberg 1874 (hinfort: Wellhausen, Pharisäer). Zur forschungsgeschichtlichen Einordnung dieser Monographie des jungen Julius Wellhausen siehe Deines, Pharisäer, S.40-57, sowie Waubke, Pharisäer, S. 196-226. Zu Max Webers Pharisäer-Studie aus Sicht der gegenwärtigen Judaistik siehe Stemberger, Günther, Das rabbinische Judentum in der Darstellung Max Webers, in: Schluchter, Wolfgang (Hg.), Max Webers Studie über das antike Judentum. Interpretation und Kritik (suhrkamp taschenbuch Wissenschaft 340). - Frankfurt/Main: Suhrkamp 1981, S. 185-200. 60 Siehe unten, S. 784-785. Zum gegenwärtigen Forschungsstand in Bezug auf den rabbinischen Wissenschaftsbegriff und seiner Abgrenzung von der Magie siehe Veltrl, Giuseppe, Magie und Halakha. Ansätze zu einem empirischen Wissenschaftsbegriff im
Einleitung
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Unter Rückgriff auf die Monographie von Emil Schürer, die er durch die Monographien von Ferdinand Weber „System der altsynagogalen palästinischen Theologie aus Targum, Midrasch und Talmud" 61 und Ismar Elbogen 62 „Die Religionsanschauungen der Pharisäer" 63 ergänzt, entwickelt Max Weber die Ethik der Pharisäer, aus denen die Rabbinen der Mischna und des Talmud hervorgegangen seien. Ihnen gilt Max Webers Hauptaugenmerk in dieser Studie. 64 Mit der Beschreibung der Rabbinen als „plebejische Intellektuellenschicht" knüpft er an seine Beschreibung der Leviten in den Aufsätzen zum antiken Judentum der Jahre 1917-1920 an. Wie die Leviten des antiken Judentums in biblischer Zeit entsagen zwar auch die Rabbinen des postbiblischen Judentums der Magie und esoterischen Philosophie und also aller irrationalen und enthusiastischen Mittel zugunsten der Pragmatik des Gesetzesgehorsams. Der darin angelegten Rationalität aber seien Schranken gesetzt durch die Ausrichtung auf den pharisäischen Reinheits-Ritualismus, der zu einer Steigerung der rituellen Schranken der Absonderung des Judentums nach außen und zu einer ,,/casienmäßige[n] Gliederung" innerhalb des Judentums geführt habe: „Vor allem aber nach Außen nahm das Judentum zunehmend den Typus zunächst des rituell abgesonderten Gastvolks (Pariavolkes) an. Und zwar freiwillig von sich aus, nicht etwa unter dem Zwang äußerer Ablehnung". 65
Die Proselytenbewegung sei dazu kein Widerspruch, ziele sie doch darauf, Nichtjuden über mehrere Stufen des Proselytismus zur Einhaltung des jüdischen Gesetzes in vollem Umfang zu bewegen und damit zu vollgültigen Juden zu machen. Die Konkurrenz in der Proselytenmission mit
spätantiken und frühmittelalterlichen Judentum (Texte und Studien zum antiken Judentum 62). - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Slebeck) 1997. 61 Zur Kontroverse um diese Monographie, die im damaligen Currlculum der protestantischen Theologenausbildung die Funktion hatte, die ab 1926 Paul Billerbecks „Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch" übernahm, siehe Waubke, Pharisäer, S. 250-256. Das Problem von Ferdinand Webers Monographie besteht vor allem darin, daß er die rabbinische Theologie nach dem Schema christlicher Dogmatik systematisiert, wofür ihm Christoph Ernst Luthards 1865 erschienenes „Kompendium der Dogmatik" als Vorbild diente; siehe Luthard, Chr. Ernst, Kompendium der Dogmatlk. - Leipzig: Dörffling & Franke 10. Auflage 1900. Zu Ferdinand Weber siehe Delitzsch, Franz, Pfarrer Dr. Ferd. Wilh. Weber, in: Saat auf Hoffnung 16, 1879, S. 228-239. 62 Zu Ismar Elbogens Stellung innerhalb der Wissenschaft des Judentums siehe Wilhelm, Kurt (Hg.), Wissenschaft des Judentums im deutschen Sprachbereich. Ein Querschnitt. Band 1. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Slebeck) 1967, S. 190-192. 63 Zum forschungsgeschichtlichen Kontext dieser Monographie siehe Deines, Pharisäer, S. 226-237. 64 Der wohl von Marianne Weber dem nicht mehr erhaltenen Manuskript vorangestellte Titel „Die Pharisäer" greift zu kurz; siehe dazu den Editorischen Bericht, unten, S.763. 65 Siehe unten, S.835.
140
Einleitung
den Christen habe die von beiden Seiten aufgerichteten Schranken unüberwindlich werden lassen. Der zunehmende Druck von außen durch den römischen Staat habe schließlich die jüdische Proselytenbewegung zusammenbrechen lassen und die Abschließung des Judentums vollendet 66 . Daß es Max Weber in der Pharisäer-Studie nicht um eine Darstellung der komplexen Auseinandersetzungen zwischen den jüdischen Parteien in den Jahrhunderten um die Zeitenwende, sondern um die Wirkungsgeschichte des rabbinisch-talmudischen Judentums im mittelalterlichen und neuzeitlichen Judentum und damit um eine Antwort auf die bereits in der „Protestantischen Ethik" gestellte Frage nach der „Durchdringung des Lebens mit alttestamentlichen Normen", die nicht einmal für das Judentum gelöst sei, geht, für deren Antwort es einer Rekonstruktion seiner Ursprungsgeschichte bedürfe, wird daran deutlich, daß Max Weber im Gegensatz zu Julius Wellhausen und Emil Schürer den Sadduzäern nur wenige Zeilen widmet, den Essenern aber als Sekte, die einen levitischen Reinheitsritualismus mit einer sakramentellen Mysterienreligiosität verband, aufgrund ihrer partiellen Nähe zum frühen Christentum, die die Differenz eines gesteigerten pharisäischen Ritualismus zu einer gesinnungsethischen Sublimierung im Christentum um so deutlicher werden lasse, einen umfangreichen Abschnitt. Entsprechend eng zieht Max Weber die „Schriftgelehrsamkeit" der „Soferim" im Pharisäismus und Rabbinismus zusammen, ohne sich auf die komplexe zeitgenössische Diskussion ihres historischen Verhältnisses einzulassen. Sein Interesse an der wirtschaftsethischen Wirkungsgeschichte des antiken Judentums ist auch der Grund dafür, daß sich Max Weber in der Pharisäer-Studie zwar nicht der Religionsgeschichtlichen Schule verschließt, aber anders als bereits in dem Manuskript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" und dann in den Aufsätzen zum antiken Judentum der Jahre 1 9 1 7 - 1 9 2 0 den Einflüssen der religiösen Umwelt des Judentums keine die Substanz der Religion berührende Bedeutung einräumt und entsprechend auch der apokalyptischen Literatur keine Aufmerksamkeit schenkt, sich also in der PharisäerStudie Julius Wellhausens Position annähert, für den „die Juden aus Allem Nahrung ziehen [sc. aus der babylonischen und iranischen Religion] und ihr eigentliches Wesen darum d o c h nicht verändern". 6 7 In dem Ausschluß
66 Zum gegenwärtigen Forschungsstand siehe Wandrey, Irina, Artikel Proselyten/Proselytismus. I. Antikes Judentum, in: RGG4 VI, Sp. 1717-1718 mit weiterer Literatur. 67 Wellhausen, Geschichte7, S.291. Auch die zeitgenössische Diskussion vornehmlich jüdischer Gelehrter, die um die Emanzipation der Talmudinterpretation von dogmatischunhistorischen Vorgaben des orthodoxen Judentums bemüht waren, zum rechtshistorisch zu beschreibenden Verhältnis zwischen dem römischen Recht und der rabbini-
Einleitung
141
der apokalyptischen wie w e i t g e h e n d der a p o k r y p h e n und p s e u d e p i g r a p h i s c h e n Literatur d e s c h r i s t l i c h e n K a n o n s d e s A l t e n T e s t a m e n t s i n s g e s a m t s c h l ä g t s i c h a b e r n i c h t w i e bei J u l i u s W e l l h a u s e n u n d Emil S c h ü r e r 6 8 ein t h e o l o g i s c h e s Werturteil nieder, s o n d e r n e i n e k o n s e q u e n t e
rezep-
t i o n s h i s t o r i s c h e P e r s p e k t i v e in b e z u g auf d i e t r a t i t i o n s g e s c h i c h t l i c h e W u r zeln d e s T r a d i t i o n a l i s m u s
des Judentums
insbesondere
in d e r
Wirt-
s c h a f t s e t h i k . Für M a x W e b e r ist ü b e r d i e a p o k a l y p t i s c h e Literatur im K o n text d e s f r ü h e n C h r i s t e n t u m s z u h a n d e l n . Die f o r s c h u n g s h i s t o r i s c h e P r o b l e m a t i k d e r P h a r i s ä e r - S t u d i e
resultiert
a u s d e r T a t s a c h e , daß es zur Zeit ihrer A b f a s s u n g k e i n e e i n d e u t i g als p h a -
schen Halacha, was Max Weber, wie das Vorkriegsmanuskript zum Recht zeigt, sehr genau verfolgt hat, spielen in dieser religionssoziologisch orientierten Studie eine weniger zentrale Rolle. Siehe zu dieser Diskussion u.a. Farbstein, David, Das Recht der unfreien und freien Arbeiter nach jüdisch-talmudischem Recht verglichen mit dem antiken, speciell mit dem römischen Recht. - Diss. Bern 1896. Auch die Beziehungen des jüdischen Rechts zur sassanidischen Rechtstradition, die zu seiner Zeit nur in syrischer Übersetzung bekannt war (siehe Sachau, Eduard, Syrische Rechtsbücher, Band 3. Berlin: Georg Reimer 1914, S. 1-201), hat Max Weber zur Kenntnis genommen. Zum gegenwärtigen Diskussionsstand der Beziehungen der rabbinischen Halacha zum griechischen, römischen und persischen Recht siehe Hezser, Catherine (Hg.), Rabbinic Law in its Roman and Near Eastern Context (Texte und Studien zum Antiken Judentum 97). - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 2003. Siehe auch die Kommentierung, unten, S.831. 68 Auch Julius Wellhausen baut seine Interpretation des Judentums auf die These der über Jahrhunderte homogenen Struktur und ungebrochenen Wirksamkeit der Schriftgelehrten auf. Da die Gesetzlichkeit das Wesen des Judentums ist, müssen die Schriftgelehrten seine wahren Herrscher sein. Im Anschluß an Julius Wellhausen konnte auch Emil Schürer, Geschichte I4, S.702, formulieren: „Gerade die Vernichtung ihrer politischen Existenz [sc. der Juden] hat dazu geführt, dass diejenigen Mächte die Alleinherrschaft erlangten, welche das unverfälschte Judenthum vertraten: der Pharisäismus und Rabbinismus". Diese Position wurde paradoxerweise von der Mehrzahl der zeitgenössischen jüdischen Gelehrten gestützt, wie die Auseinandersetzung um Wilhelm Boussets „Die Religion des Judentums im neutestamentlichen Zeitalter" zeigt, der ein breiteres Spektrum von Zeugnissen einer Volksreligion berücksichtigte und dafür von jüdischen Theologen heftig kritisiert wurde. Zu dieser Kontroverse siehe auch Avemarie, Friedrich, Tora und Leben. Untersuchungen zur Heilsbedeutung der Tora in der frühen rabbinischen Literatur (Texte und Studien zum Antiken Judentum 55). - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1996, S.21-25. Zum gegenwärtigen Stand der Diskussion um die Entstehung des rabbinischen Judentums und seiner Ursprünge in den Strömungen und Fraktionen des nachexilischen Judentums der Zeit des Zweiten Tempels siehe Neusner, Jacob, The Four Stages of Rabbinic Judaism. - London: Routledge 1998; Boccaccini, Gabriele, Roots of Rabbinic Judaism. An Intellectual History From Ezekiel to Daniel. Grand Rapids: Eerdmans 2002; Otto, Eckart, Vom biblischen Hebraismus der persischen Zeit zum rabbinischen Judaismus in römischer Zelt. Zur Geschichte der spätbiblischen und frühjüdischen Schriftgelehrsamkeit, in: Zeitschrift für Altorientalische und Biblische Rechtsgeschichte 10, 2004, S.1-49.
142
Einleitung
risäisch zu identifizierenden Quellen der oder über die Pharisäer gibt, s o n d e r n nur d i e S e k u n d ä r q u e l l e n d e s N e u e n T e s t a m e n t s , J o s e p h u s u n d des rabbinischen Schrifttums, die entweder polemische oder apologetis c h e A b s i c h t e n v e r f o l g e n . Soll d i e r e l i g i o n s s o z i o l o g i s c h e D a r s t e l l u n g unter d e m A n s p r u c h d e r Werturteilsfreiheit s t e h e n , so e r f o r d e r t d a s e i n e his t o r i s c h - k r i t i s c h e Q u e l l e n a r b e i t . G e n a u d a s a b e r leistet M a x W e b e r n i c h t u n d k a n n er a n g e s i c h t s d e r Q u e l l e n l a g e n i c h t leisten, s o n d e r n m o n t i e r t Passagen der Sekundärliteratur zu einem Mosaik, dessen
hermeneuti-
scher Schlüssel beim Z u s a m m e n b a u der aus der Sekundärliteratur exzerpierten Fragmente die innerjüdische Differenzierung und
Abgrenzung
d e s J u d e n t u m s n a c h a u ß e n ist. M a x W e b e r s u c h t d i e W e r t u r t e i l s f r e i h e i t seiner D a r s t e l l u n g viel m e h r d u r c h e i n e A u s g e w o g e n h e i t d e r v o n i h m b e n u t z t e n z e i t g e n ö s s i s c h e n Literatur z u g e w ä h r l e i s t e n , i n d e m er p o l e m i sche
Perspektiven
christlicher
Exegeten wie Julius Wellhausen,
Schürer, W i l h e l m B o u s s e t , A d o l f v o n H a r n a c k u n d F e r d i n a n d
Emil
Weber69
durch solche jüdischer Autoren wie Heinrich Graetz,70 Ismar Elbogen und
69 Zum Verhältnis der protestantischen Universitätstheologie zu Judentum und zeitgenössischer Wissenschaft des Judentums siehe Tal, Uriel, Theologische Debatte um das „Wesen" des Judentums, in: Mosse, Juden, S. 599-632, sowie den Forschungsüberblick in Kinzig, Harnack, S. 18-39. Zu Adolf von Harnacks Verhältnis zum Judentum ist auch einschlägig Nottmeier, Christian, Adolf von Harnack und die deutsche Politik 1890-1930 (Beiträge zur historischen Theologie 124). - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 2004, S. 240-244. Unter dem Eindruck des sich am Horizont abzeichnenden Ultramontanismusstreits sieht Ferdinand Weber als Protestant Parallelen zwischen Judentum und Katholizismus. So lautet der Titel des Aufsatzes, mit dem er die Monographie zur altsynagogalen Theologie vorbereitete, „Das System des jüdischen Pharisäismus und des römischen Katholicismus. Eine religionsgeschichtliche Parallele", in: Allgemeine evangelisch-lutherische Kirchenzeitung 3, 1870, S. 805-809. 823-828, hier S. 845-848. In diesem Aufsatz polemisiert Ferdinand Weber gegen das Erste Vatikanische Konzil. Derartige im protestantischen Wissenschaftsspektrum nicht unübliche Parallelisierungen von Judentum und Katholizismus haben ihre Wirkung auf Werner Sombart nicht verfehlt, wenn er in der Monographie „Der Bourgeois" die These vertritt, daß wichtige Bestandteile der „jüdischen Moraltheologie" im Thomismus enthalten seien. Zur Rezeption von Sombarts Judenbuch durch katholische Autoren siehe Greive, Hermann, Die gesellschaftliche Bedeutung der christlich-jüdischen Differenz. Zur Situation im Katholizismus, in: Mosse, Juden, S. 349-388, hier S. 364-365. 70 Zur Rezeption von Heinrich Graetz, Geschichte 111/1-2 und IV, im Pharisäer-Manuskript siehe die Kommentierung. Ähnlich schwierig wie die Rekonstruktion der Geschichte des Pharisäismus waren zur Zeit Max Webers Aussagen über die Essener, da auch hier die tendentiösen Aussagen des Josephus als Quelle dienen mußten, Primärquellen aber fehlten. Das änderte sich erst, als zwischen 1947 und 1956 in den Höhlen bei Chirbet Qumrän am Nordende des Toten Meeres umfangreiche jüdische Schriften gefunden wurden, die aussagekräftig sind für die Essener aber auch die Pharisäer. Siehe dazu Stegemann, Hartmut, Die Essener, Qumran, Johannes der Täufer und Jesus. Freiburg/Breisgau: Herder 1993.
Einleitung
143
Adolph Büchler konterkarieren will, die ein apologetisches Interesse haben, das sich u.a. gegen die protestantische Interpretation des Judentums bei Emil Schürer, Ferdinand Weber, Wilhelm Bousset und Adolf von Harnack wendet. Max Webers Fortschreibung des Kernmanuskripts zu den Pharisäern und dem mischnischen Judentum zwischen Herbst 1919 und Frühjahr 1920 71 verfolgt das Ziel, das nachbiblisch-pharisäische und rabbinische Judentum historisch an den Abschluß der Aufsätze zum antiken Judentum anzubinden und das nachbiblisch-pharisäische und rabbinische Judentum in Nähe und Distanz zum biblischen Judentum und frühen Christentum zu profilieren. Er akzentuiert die Besonderheit des pharisäischmischnischen Judentums gegenüber der Entwicklung von Recht und Prophetie in den Aufsätzen zur Wirtschaftsethik des antiken Judentums 72 einerseits sowie gegenüber dem frühen Christentum andererseits und paßt die Studie auf diese Weise in das 1919 skizzierte Gesamtkonzept der „Gesammelten Aufsätze zur Religionssoziologie" ein. Gerade diese Pharisäer-Studie bedurfte also aufgrund der nun im Herbst 1919 Max Weber klarer vor Augen stehenden Gesamtkonzeption der Gesammelten Aufsätze in der Funktion eines Gelenkstücks in dieser Konzeption der einpassenden Überarbeitung. 73 Rechnet Max Weber das biblische Judentum in christlicher Rezeption unter die „entscheidenden" Grundlagen der okzidentalen Sonderentwicklung, so ist damit kein Werturteil verbunden, wie Max Weber in der „Vorbemerkung" von 1920 noch einmal nachdrücklich unterstrichen hat: „Welches Hferfverhältnis zwischen den hier vergleichend behandelten Kulturen besteht, wird hier mit keinem Wort erörtert. Daß der Gang von Menschheitsschicksalen dem, der einen Ausschnitt daraus überblickt, erschütternd an die Brust brandet, ist wahr. Aber er wird gut tun, seine kleinen persönlichen Kommentare für sich zu behalten". 74
71 Siehe dazu den Editorischen Bericht, unten, S.223 und 232. 72 Zum wechselseitigen Rezeptionsverhältnis zwischen der Propheteninterpretation Max Webers und Ernst Troeltschs, Ethos, siehe Otto, Max Weber, S. 246-275. 73 Immerhin zeigen auch die Ergänzungen, die Max Weber 1919/20 in die Studie zum antiken Judentum nach ihrem Erscheinen im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik besonders im ersten Teil einfügt, das Bemühen, die Prophetie herauszustreichen. Dabei geht es ihm nicht nur um eine Stärkung der Kohärenz der Studie, sondern auch um seine Akzentuierung zugunsten der Einpassung in das Gesamtkonzept der Gesammelten Aufsätze; siehe den Editorischen Bericht, unten S. 232. Hinzu kommt die Profilierung der Ablehnung von Thesen des Kollektiveigentums auf dem Hintergrund aktueller Diskussionen der Jahre 1919/20 und der Münchner Vorlesungen zu Wirtschaftsgeschichte sowie „Sozialismus" und „Staatslehre"; siehe dazu Rehm, Erinnerungen, S.27. 74 Weber, Max, Vorbemerkung, S. 14 (MWG 1/18). An Heinrich Rickert, Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung. Eine logische Einleitung in die historischen Wissenschaften.-Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Slebeck) 1902, S.472-473 (hinfort: Rik-
144
Einleitung
Prüfstein j e d e r P o l i t i s c h e n Ethik in d e r o k z i d e n t a l e n v o m C h r i s t e n t u m herk o m m e n d e n M o d e r n e ist d i e „ j ü d i s c h e F r a g e " , d . h . d a s Verhältnis z u m J u d e n t u m . A u s g a n g s p u n k t einer p o l i t i s c h e n Ethik b l e i b t d a s W e r k M a x W e b e r s . 7 5 So k o m m t s e i n e n S t u d i e n z u m a n t i k e n J u d e n t u m d e r J a h r e 1 9 1 7 - 1 9 2 0 n i c h t nur als d e m m e t h o d i s c h a u s g e r e i f t e s t e n W e r k i n n e r h a l b s e i n e r W i r t s c h a f t s e t h i k d e r W e l t r e l i g i o n e n B e d e u t u n g zu, s o n d e r n a u c h e i n e h e r a u s r a g e n d e Position für e i n e h i s t o r i s c h f u n d i e r t e P o l i t i s c h e Ethik in d e r o k z i d e n t a l e n M o d e r n e . 7 6
kert, Grenzen1), anknüpfend unterscheidet Max Weber zwischen Bedeutung und Geltung historischer Entwicklungen derart, daß universal-historische Bedeutung einer Entwicklung nicht auch universale Geltung heiße, der Normbegrlff im Gegensatz zu Ernst Troeltsch also aus dem Entwicklungsbegriff ausgeschieden ist. Otto Hintze hat in seiner Rezension der drei Bände von Max Webers Gesammelten Aufsätzen in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich 46, 1922, S.251258, hier S.256, festgehalten: „Jeder Versuch zur Konstruktion einer sinndeutenden Entwicklung liegt der universalgeschichtlichen Forschung Max Webers gänzlich fern". 75 Eine konsenstheoretische Weiterentwicklung dieses Forschungsansatzes Max Webers zu einer Ethik des Politischen wird im Gegensatz zu Jürgen Habermas nicht auf die Traditionen verzichten können, denen sie sich verdankt. Siehe dazu Otto, Eckart, Die Applikation als Problem der politischen Hermeneutik, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 71, 1974, S. 145-181. In eine „Theorie des kommunikativen Handelns" muß auch die Wahrung des Rechts auf majoritäts- und suprematiefesten Wahrheitsanspruch des je einzelnen Individuums als Minderheit gegenüber einer Mehrheit ausreichenden Eingang finden; siehe dazu Kodalle, Klaus-Michael, Zur religionsphilosophischen Auseinandersetzung mit Jürgen Habermas' „Theorie des kommunikativen Handelns", in: Allgemeine Zeitschrift für Philosophie 12, 1987, S. 39-66. Max Webers Bemühen um Werturteilsfreiheit in seinen Judentumsstudien gibt ein Beispiel für die Wahrung des Anspruchs einer Minderheit auf Wahrheit in der Ethik. 76 Dies zeigt sich bereits in der Diskussion um eine Kultursynthese unter Einschluß des Judentums während des Ersten Weltkrieges, der Abfassungszeit der Studie des antiken Judentums. Siehe dazu Otto, Eckart, Die hebräische Prophetie bei Max Weber, Ernst Troeltsch und Hermann Cohen. Ein Diskurs im Weltkrieg zur christlich-jüdischen Kultursynthese, in: Graf, Friedrich Wilhelm/Schluchter, Wolfgang (Hg.), Asketischer Protestantismus und der „Geist" des modernen Kapitalismus. Max Weber und Ernst Troeltsch. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 2005, S. 199-253.
Anhang zur Einleitung
1. C h r o n o l o g i e der altorientalischen u n d b i b l i s c h e n G e s c h i c h t e 2. Karten a) Der Alte Orient im 2. Jahrtausend v. Chr. b) Palästina zur Zeit der „Eidgenossenschaft" c) Die Königreiche Juda und Israel d) Der Alte Orient und Griechenland zur Zeit des Persischen Reiches
146
Anhang zur
1. Chronologie
Einleitung
der altorientalischen Geschichte
und
biblischen
PALÄSTINA
Palästina-Feldzüge Thutmosis III.
Amarna-Briefe an die ägyptischen Könige Amenophis Iii. und IV.
Palästina-Feldzug des Merenptah; erste inschriftliche Erwähnung eines „Israel" (Merenptah-Stele)
ca. 1 0 1 2 - 1 0 0 4 ca. 1 0 0 4 - 9 6 5 ca. 9 6 5 - 9 2 6
Saul David Salomo
Juda 926-910
Rehabeam
Palästina-Feldzug des Schoschenk I. (Sisak) 910-908 Abia 908-868 Asa
868-847
Josaphat
852/47-845
Jehoram
Israel 927-907
Jerobeam
907-906 906-883 883-882 882 882/78-871 871-852
Nadab Baèsa Eia Simri Omri Ahab
Prophet Elia 852-851 851-845
Ahasja Joram
147
Chronologie
ca. 1730-ca. 1580
ÄGYPTEN
MESOPOTAMIEN/SYRIEN
Hyksos-Herrschaft
1728-1686
Hammurapi
Aufstieg Babyloniens zum Zentrum des altbabylo-
1552-1347
18. Dynastie
1552-1527
Ahmose
1527-1506
Amenophis I.
1506-1494
Thutmoses I.
1494-1490
Thutmoses II.
1490-1436
Thutmoses III.
1436-1412
Amenophis II.
Mitanni-Reich
1412-1402
Thutmoses IV.
Herrschaft der Hethiter in Nordsyrien und des
1402-1364
Amenophis III.
Mittelassyrischen Reiches in Mesopotamien
1364-1347
Amenophis IV.
nischen Reiches Herrschaft der hurritischen Mitanni in Syrien/ Nordmesopotamien
1448
Vertrag Thutmosis III. mit dem
Echnaton: Monotheistische Kultreform 1334-1204
19. Dynastie
1334-1306
Haremheb
1306-1304
Ramses I.
1304-1290
Sethos I.
1290-1224
Ramses II.
1224-1204
Merenptah
1186-1070
20. Dynastie
1186-1184
Sethnacht
1184-1153
Ramses III.
1153-1070
Ramses IV—XI.
1069-945
21. Dynastie
945-730
22.723. Dynastie
945-924
Schoschenk I.
1285
Schlacht bei Kadesch am Orontes zwischen Hethitern und Ägyptern
1270
Friedensschluß zwischen dem ägyptischen und hethitischen Reich
1117-1077
Tiglatpileser I.
letzte Machtentfaltung des Mittelassyrischen Reiches gegen die Aramäer
884-858
Assurnasirpal II. Beginn der Expansion des Neuassyrischen Reiches
858-824
Salmanasser III.
148
Anhang zur
Einleitung
PALÄSTINA
Juda
845 845-840 840-801 801-773
Ahasja Athalja Joas Amazia
773-736 Prophet Jesaja
Asarja/Ussia
741-725
Ahas
734-732
725-697
Syrisch-ephraimitischer Krieg (Belagerung Jerusalems) Hiskia
701 696-642
Sanheribs Belagerung Jerusalems Manasse
641-640 639-609 622 609 609 608-598
Amon Josia Kultreform des Josia Tötung Josias durch die Ägypter bei Megiddo Joahas Jojakim
598/7 598/7
Jojachin 1. Eroberung Jerusalems durch die Babylonien 1. Deportation (Prophet Hesekiel) Zedekia
598-587/6 Prophet Jeremia 587/6
Israel 845-818 Prophet Elisa 818-802 802-787 787-747 Prophet Amos 747 747-738 Prophet Hosea 737-736 735-732 731-723 722
Jehu
721
Zerstörung Samarias Ende des Nordreichs Israel. Deportation der Bevölkerung
Joahas Joas Jerobeam II. Sacharja Menachem Pekachja Pekach Hosea Eroberung Samarias
2. Eroberung Jerusalems durch die Babylonier. Zerstörung des Ersten Tempels und 2. Deportation (Babylonisches Exil) Prophetie Deuterojesajas (Jesaja 40-55)
149
Chronologie ÄGYPTEN
ca. 751-665
25. Dynastie
671-655
Herrschaft der Assyrer in Ägypten
610-595
Necho II.
MESOPOTAMIEN/SYRIEN 853
Schlacht bei Karkar
745-727
Tiglatpileser III.
727-722 722 722-705
Salmanasser V. Eroberung Samarias Sargon II.
705-681 681-669 669-ca. 630
Sanherib Asarhaddon Assurbanipal
612
Zerstörung Ninives Ende des assyrischen und Aufstieg des neubaylonischen Reiches Nebukadnezar II. Schlacht bei Karkemisch
605-562 605 595-589
Psammetich II. 556-539 539
Nabonid Eroberung Babylons durch die Perser. Ende des babylonischen Reiches
150
Anhang zur
Einleitung
PALÄSTINA ab 538 ab 530
Provinz Jehud Teil des persischen Reiches Rückkehr von Exilierten Serubbabel in Jerusalem
520-515
Bau des zweiten Jerusalemer Tempels Propheten Haggai und Sacharja Nehemia in Jerusalem/Auseinandersetzung mit Sanballat Esra in Jerusalem Elephantine (Assuan)-Papyri
445/4-433/2 um 445 oder 398/7 ca. 4 1 9 - 4 0 0
PALÄSTINA 301 - 2 0 0 / 1 9 8
Palästina unter ptolemäischer Verwaltung
200/198-135
Palästina unter seleukidischer Verwaltung
169-167 166-164 160-63/37 160-142 142-135/4 135/4-104
Antiochos IV. in Jerusalem Makkabäer-Krleg Herrschaft der Hasmonäer Jonathan Simon Johannes Hyrkanos I.
151
Chronologie ÄGYPTEN
525
Eroberung Ägyptens durch die Perser
PERSIEN
559-530 538 530-522
Kyros II. Kyros-Edikt Kambyses II.
522-486 486-465/4 465/4-425 um 450 424-404
Dareios I. Xerxes I. Artaxerxes I. Longimanus Reisen des Herodot Dareios II.
404-359/8 359/8-338 338-336 336-331 333 331
Artaxerxes II. Artaxerxes III. Arses Dareios III. Schlacht bei Issos Schlacht bei Gaugamela
Ende des persischen Reiches 336-323 PTOLEMAERREICH 323-285 301 285-246
Ptolemaios I. Soter Schlacht bei Ipsos Ptolemaios II. Philadelphos 246-221 Ptolemaios III. Euergetes 221 - 2 0 4 Ptolemaios IV. Philopator Beginn der Übersetzung der Hebräischen Bibel ins Griechische (Septuaginta) 204-181 Ptolemaios V. Epiphanes 181-145 Ptolemaios VI. Philometor
Alexander der Große
SELEUKIDENREICH
312-281 281-261 261-246 246-226 223-187
Seleukos I. Nikator Antiochos I. Soter Antiochos II. Theos Seleukos II. Kallinikos Antiochos III. der Große
200/198 187-175 175-164 164-162 162-150 153-145 145-139/8 138-129
Schlacht bei Paneas Seleukos IV. Philopator Antiochos IV. Epiphanes Antiochos V. Eupator Demetrios I. Soter Alexander I. Balas Demetrios II Nikator Antiochos VII. Sidetes
152
Anhang
zur
Einleitung
PALÄSTINA
104-103 103-76 76-67 67-63 63 63-40 40-37 40 v.Chr. 44 n.Chr. 49/37-4v.Chr. 4 v.Chr.-6 n.Chr. ab 6 n.Chr. 4 v.Chr.-39 n.Chr. 4 v.Chr.-34 n.Chr. 26-36 41-44 48/49 52-60 nach 50 64-66 66-74 70
Aristobul I. Alexander Jannaios Salome Alexandra Aristobul II. Pompeius In Jerusalem. Römische Oberhoheit über Palästina Hyrkanos II. Antigonos Herrschaft der Herodianer
74
Fall der Festung Masada; Gründung der römischen Provinz Judaea; Einrichtung des Rates des 72 „Ältesten" in Jamnia unter starker Beteiligung der Pharisäer als Hort jüdischer Schriftgelehrsamkeit
132-135
2. Jüdischer Krieg Vertreibung der Juden aus Jerusalem, das zur römischen Veteranenkolonie Colonia Aella Capitolina umgewandelt wird.
SELEUKIDENREICH 129-125
Herodes Archelaos prokuratorische Verwaltung in Judaea Herodes Antipas Philippus Pontius Pilatus Agrippa I. Apostelkonzil in Jerusalem Antonius Felix Agrippa II. Gessius Florus 1. Jüdischer Krieg Eroberung Jerusalems durch Titus
Demetrios III. Nikator
Chronologie
ÄGYPTEN
153
RÖMISCHES REICH
29 v.Chr. - 1 4 n.Chr. Octavianus Augustus ca. 25 v.Chr.45 n.Chr.
Philo von Alexandrien 14-37 37-41 41 - 5 4 54-68
Tiberius Caligula Claudius Nero
68/69 Galba, Otho, Vitellius 69-79 Vespasian Beginn der schriftstellerischen Tätigkeit des Josephus 79-81 Titus 81-96 Domitian 96-98 Nerva 98-117 Traian 106 Gründung der Provinz Arabia 117-138
Hadrian
154
Anhang zur
Einleitung
2. Karten
a) Karte 1: Der Alte Orient im 2. Jahrtausend v. Chr.
155
Karten
Mittelmeer
7feb^n
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^Uran
Dor / ^Tfiaanach Béthschean r' ' .... • 'Jabesch . Jibleam* //
Ì '
Manâsse
/,' «S »Ebah , 1
Gerar
Mamre,
Hebron Beerseba Simeon
N eg e v
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1 I
M o a b
Edom
M i d i a n
Handelswege b) Karte 2: Palästina zur Zeit der „Eidgenossenschaft"
156
Anhang zur
Einleitung
c) Karte 3: Die Königreiche Juda und Israel
Karten
157
d) Karte 4: Der Alte Orient und Griechenland zur Zeit des Persischen Reiches
I. Schriften
[Ethik und Mythik/rituelle Absonderung]
Editorischer Bericht
I. Zur Entstehung In dem Deponat Max Weber-Schäfer der Bayerischen Staatsbibliothek in München befinden sich zur Zeit der Edition die handschriftlich von Max Weber verfaßten Manuskripte BSB München, Ana 446/1, Bl. 5 1 - 6 0 zur Religionsgeschichte des antiken Judentums, denen Max Weber die Inhaltsnotizen „Ethik und Mythik", „Rituelle Absonderung", „Rituelle Abschließung", „Nachexilische Priester - Rituelle Absonderung" sowie „Am haarez" beigegeben hat. 1 Die Vorgeschichte dieses Manuskripts beginnt mit den seit 1905 geführten informellen Gesprächen zwischen Max Weber und dem Verleger Paul Siebeck über eine Neuauflage des von Gustav von Schönberg begründeten und bis dahin herausgegebenen Handbuchs der Politischen Ökonomie. Nach dem Tod Gustav von Schönbergs im Jahr 1908 nehmen diese Verhandlungen konkretere Gestalt an. 2 Ein erster von Max Weber erstellter „Stoffverteilungsplan" für das Handbuch liegt im Juni 1910 gedruckt vor und wird noch im selben Monat an die Mitarbeiter verschickt. 3 Er sieht vor, daß Max Weber im ersten Band „Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft" Teile des dritten Kapitels „Wirtschaft, Natur und Gesellschaft" mit dem Untertitel „Wirtschaft und Gesellschaft" selbst verfassen will, die sich folgendermaßen gliedern sollen: a. Wirtschaft und Recht (1. prinzipielles Verhältnis, 2. Epochen der Entwicklung des heutigen Zustands) b. Wirtschaft und soziale Gruppen (Familien- und Gemeindeverband, Stände und Klassen, Staat) c. Wirtschaft und Kultur (Kritik des historischen Materialismus)
1 Das Deponatsmanuskript wird im folgenden zusammenfassend als „Ethik und Mythik/ rituelle Absonderung" bezeichnet. 2 Weber, Marianne, Lebensbild, S.446. Siehe dazu Mommsen, Wolfgang J., Ein Beispiel für Wissenschaftsorganisation in Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Verlegern, in: Geschichte und Gesellschaft 22, 1996, S. 19-30, hier S. 23-26. 3 Siehe den Abdruck des „Stoffverteilungsplans" in: Weber, Max, Briefe 1909-1910, S. 767-774.
162
Ethik und Mythik/rituelle
Absonderung
Bis 1913 verbindet sich mit dem Stichwort „Wirtschaft und Kultur" eine Ausweitung der Studien zur Protestantischen Ethik zu denen der Kulturbzw. Weltreligionen. 4 In einem Brief vom 30. Dezember 1913 schreibt Max Weber an den Verleger Paul Siebeck: 5 „Da Bücher ja - .Entwicklungsstufen' - ganz unzulänglich ist, habe ich eine geschlossene soziologische Theorie und Darstellung ausgearbeitet, welche alle großen Gemeinschaftsformen zur Wirtschaft in Beziehung setzt: von der Familie und Hausgemeinschaft zum .Betrieb', zur Sippe, zur ethnischen Gemeinschaft, zur Religion (alle großen Religionen der Erde umfassend: Soziologie der Erlösungslehren und der religiösen Ethiken, - was Tröltsch gemacht hat, jetzt für alle Religionen, nur wesentlich knapper) (l] endlich eine umfassende soziologische Staats- und Herrschafts-Lehre. Ich darf behaupten, daß es noch nichts dergleichen glebt, auch kein .Vorbild'".
In einem Brief an Heinrich Rickert vom Juli 1913 gibt Max Weber einen Hinweis auf die Wiederaufnahme seiner Beschäftigung mit den Kulturreligionen nach den Protestantismusstudien, die zwischen 1904 und 1906 erschienen. Er bedankt sich bei Heinrich Rickert für einen Sonderdruck des Aufsatzes „Vom System der Werte": 6 „Ich freue mich sehr auf Ihre Systematik, schicke Ihnen dann als Gegengabe das Mscr. meiner Religionssystematik".7
In einem Brief, der ca. Ende November 1913 an Heinrich Rickert abgeht, notiert Max Weber: 8 „NB. Ich würde Ihnen ganz gern meine (empirische) Casuistlk der Contemplation und aktiven Religiosität schicken. Aber sie ist nur zu % abgetypt".
Marianne Weber datiert Max Webers Wiederaufnahme der Beschäftigung mit den Kulturreligionen, die sich in diesen Briefen niedergeschlagen hat, um das Jahr 1911. Sie teilt in diesem Zusammenhang mit, 9 daß Max Weber geplant habe, „sich von der Reformation nach rückwärts zu wenden, um auch das Verhältnis der mittelalterlichen und frühen Christlichkeit zu den sozialen und ökonomischen Daseinsformen zu analysieren. Aber als nun Ernst Troeltsch seine Studien über die Soziallehren der christlichen Kirchen beginnt [...], vermutet er, daß die Arbeitsgebiete sich allzu nahe berühren, und wendet sich zunächst andern Aufgaben zu". 10 Die dann 4 Zu Max Webers Schwanken zwischen den Begriffen Kultur- und Weltreligion siehe Schmidt-Glintzer, Einleitung, in: Weber, Max, Konfuzlanismus, S.7. 5 Weber, Max, Briefe 1913-1914, S. 449-450. 6 Erschienen In: Logos 4, 1913, S. 295-327 (MWG 1/12). 7 Weber, Max, Briefe 1913-1914, S.262. 8 Weber, Max, Briefe 1913-1914, S.411. 9 Weber, Marlanne, Lebensbild, S.346. 10 In einer „Selbstanzeige", die er In der „Heidelberger Zeitung" vom 3. Januar 1912 erscheinen läßt, hat Ernst Troeltsch sein derzeitiges Arbeltsprogramm an den Sozialieh-
Editorischer
163
Bericht
genannte Reihenfolge von fernöstlicher und vorderasiatischer
Religion
( „ d a n n z u m J u d e n t u m u n d Islam") g i b t a b e r n i c h t d i e z e i t l i c h e A b f o l g e in M a x W e b e r s B e s c h ä f t i g u n g mit d i e s e n R e l i g i o n e n w i e d e r , s o n d e r n ist a n d e r A b f o l g e d e r Artikel im A r c h i v für S o z i a l w i s s e n s c h a f t u n d S o z i a l p o l i t i k in d e n J a h r e n 1 9 1 5 - 1 9 1 9 orientiert, d i e e i n e m im 19. J a h r h u n d e r t fest v e r a n k e r t e n S c h e m a f o l g e n . 1 1 V i e l m e h r a r b e i t e t M a x W e b e r parallel ü b e r d i e K u l t u r r e l i g i o n e n , w o b e i , w i e n u n d a s M a n u s k r i p t „Ethik u n d Mythik/rituelle A b s o n d e r u n g " z e i g t , 1 2 ein A u s g a n g s p u n k t d i e B e s c h ä f t i g u n g mit d e m a n t i k e n J u d e n t u m ist. Daß g e r a d e d e m J u d e n t u m d i e s e Rolle z u k o m m t , erklärt n i c h t zuletzt d a s E r s c h e i n e n v o n W e r n e r S o m b a r t s M o n o g r a p h i e „ D i e J u d e n u n d d a s W i r t s c h a f t s l e b e n " im J a h r e 1 9 1 1 . 1 3 Der W e r k p l a n
des
„ H a n d b u c h e s d e r S o z i a l ö k o n o m i k " v o n 1913, d a s im Frühjahr 1 9 1 4 in „Grundriß der Sozialökonomik" umbenannt wurde, zeigt die Fortentwickl u n g g e g e n ü b e r d e m S t o f f v e r t e i l u n g s p l a n v o n 1 9 1 0 . 1 4 Der U n t e r a b s c h n i t t „Wirtschaft u n d Gesellschaft" d e s Stoffverteilungsplans wird nun zu einer v o n drei K a p i t e l ü b e r s c h r i f t e n e i n e s A b s c h n i t t e s , d e r w i e d e r u m z w e i g e t e i l t ist, w o b e i M a x W e b e r d i e A b f a s s u n g d e r e r s t e n z w e i U n t e r a b s c h n i t t e mit
ren der christlichen Kirchen und Gruppen sowie weitere Arbeitsvorhaben dargestellt, die Max Webers Entschluß, sich nicht der mittelalterlichen Geschichte des okzidentalen Christentums zuzuwenden, verständlich machen: „Ich stehe eben am Abschluß einer großen Arbeit, die 1912 erscheinen wird und betitelt ist: ,Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen'. Die Arbeit ist ausgegangen von den Diskussionen über den Anteil der christlichen Ideen und Organisationen an der Lösung der eigentümlichen sozialen Probleme der Gegenwart, die ihrerseits Folgen unserer bürokratisch-militärischen Institutionen und des Kapitalismus samt der damit zusammenhängenden Bevölkerungssteigerung und Großstadtbildung sind. Von da aus erweiterte sich die Frage zu einer umfassenden Untersuchung nach dem Wesen der religiösen Gemeinschaftsbildung selbst und nach dem Verhältnis dieser Bildungen zu den Interessen und sozialen Bildungen der profanen Kultur des katholischen Mittelalters, das hier eine relativ einheitliche christliche Kultur schuf, und daß sie das nur auf Grund der besonderen sozialen und kulturellen Verhältnisse des Mittelalters konnte. Es ist die ständisch-patriarchalische Kultur unter kirchlicher Oberleitung". Diese Selbstanzeige ist wieder abgedruckt in Renz, Horst, Auf der alten Brücke. Beobachtungen zu Ernst Troeltschs Heidelberger Jahren 1894-1915, in: ders. (Hg.), Ernst Troeltsch zwischen Heidelberg und Berlin (Troeltsch-Studien 2). - Gütersloh: Gütersloher Verlag 2001, S.9-87, hier S. 66-67. 11 Die Voranstellung des Konfuzianismus entsprach nicht nur einem weit verbreiteten Brauch, die Behandlung der Weltreligionen mit China zu beginnen - siehe SchmidtGlintzer, Einleitung, in: Max Weber, Konfuzianismus, S . 5 - 6 - , sondern wird von Max Weber auch gewählt, da der weltbejahende Konfuzianismus „im stärksten Gegensatz" zum Hinduismus und zum Protestantismus stehe; siehe Weber, Max, Konfuzianismus, S. 451. 12 Siehe dazu i.f. 13 Siehe dazu die Einleitung, oben, S. 28-38. 14 Siehe dazu Baier, Horst u.a., Zur Edition von „Wirtschaft und Gesellschaft". Allgemeine Hinweise der Herausgeber der Max Weber-Gesamtausgabe, in: Weber, Max, Rel. Gemeinschaften, S.VII—XVII (hinfort: Baier, Edition).
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Ethik und Mythik/rituelle
Absonderung
der Überschrift „Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte" übernehmen will: C. Wirtschaft und Gesellschaft I. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte 1. Kategorien der gesellschaftlichen Ordnungen Wirtschaft und Recht in ihrer prinzipiellen Beziehung. Wirtschaftliche Beziehungen der Verbände im allgemeinen 2. Hausgemeinschaft, Oikos und Betrieb 3. Nachbarschaftsverband, Sippe, Gemeinde 4. Ethnische Gemeinschaftsbeziehungen 5. Religiöse Gemeinschaften Klassenbedingtheit der Religionen; Kulturreligionen und Wirtschaftsgesinnung 6. Die Marktvergemeinschaftung 7. Der politische Verband Die Entwicklungsbedingungen des Rechts. Stände, Klassen, Parteien. Die Nation 8. Die Herrschaft: a. Die drei Typen der legitimen Herrschaft b. Politische und hierokratische Herrschaft c. Die nichtlegitime Herrschaft. Typologie der Städte d. Die Entwicklung des modernen Staates e. Die modernen politischen Parteien
Ende 1913 unterrichtet Max Weber die Mitherausgeber des H a n d b u c h s der Sozialökonomik von der Änderung des Stoffverteilungsplans und begründet sie mit Schwierigkeiten durch den Ausfall „besonders wichtiger Beiträge". 1 5 In der Umstrukturierung des Stoffverteilungsplans schlägt sich aber auch Max Webers zwischenzeitlich intensive Beschäftigung mit den Kulturreligionen nieder, die ihn einen eigenständigen Abschnitt zu den „Religiösen Gemeinschaften", d.h. zur „Klassenbedingtheit der Religionen, Kulturreligionen und Wirtschaftsgesinnung" vorsehen läßt, und sich, wie er in dem Brief an den Verleger Paul Siebeck vom 30. Dezember 1913 16 mitteilt, in ,,eine[r] geschlossene[n] soziologische[n] Theorie und Darstellung" niederschlage, „welche alle großen Gemeinschaftsformen zur Wirtschaft in Beziehung setzt: von der Familie und Hausgemeinschaft zum .Betrieb', zur Sippe, zur ethnischen Gemeinschaft, zur Religion (alle großen Religionen der Erde umfassend: Soziologie der Erlösungslehren und der religiösen Ethiken [...])". Max Weber deutet in der Mitteilung an die Mitherausgeber des Handbuchs der Sozialökonomik an, daß er aufgrund des Ausfalls wichtiger Beiträge anderer Kollegen, eine „ziemlich umfassende soziologische Erörterung" unter „Opferung anderer, mir weit wichtigerer Arbeiten in dem Abschnitt .Wirtschaft und Gesellschaft'" lie-
15 Weber, Max, Briefe 1913-1914, S. 424-428, hier S.427. 16 Weber, Max, Briefe 1913-1914, S. 449-450.
Editorischer
Bericht
165
fern werde. 17 Um der Kohärenz seines Beitrages zum Handbuch der Sozialökonomik willen verzichtet er auf eine umfassende Rekonstruktion des Zusammenhangs von Wirtschaft und Kultur unter Einschluß der Kulturreligionen und konzentriert sich auf die religiösen Gemeinschaften als Teil der Gemeinschaften und Verbände von der Hausgemeinschaft bis zum Staat, deren Bedeutung für das Wirtschaftsverhalten zu untersuchen sei. Das aber bedeutet eine erhebliche Einengung der Fragestellung des für das Handbuch der Sozialökonomik vorgesehenen Beitrags, was zur Aussonderung von Teilen des schon fertiggestellten Manuskripts zu „allen großen Religionen der Erde", insbesondere zur „Soziologie der Erlösungslehren und der religiösen Ethiken" führt. Auch hatten sich Max Webers Studien zu den Kulturreligionen inzwischen thematisch verselbständigt. Die „Entdeckung", von der Marianne Weber schreibt 18 und die Max Weber in seinem zitierten Brief an den Verleger Paul Siebeck bestätigt, hat Max Weber über die Fragestellungen hinausgeführt, die dem Stoffverteilungsplan von 1910 und seiner institutionstheoretischen Zuspitzung im Werkplan von 1914 zugrunde liegen. Ausgliederung muß also die Devise sein. In dem Brief vom 30. Dezember 1913 an den Verleger Paul Siebeck spricht Max Weber von dem ausufernden Umfang seiner Manuskripte für das Handbuch der Sozialökonomik unter Einschluß derer zu den Kulturreligionen: „Von Bücher fallen 4 Bogen fort. 6+4 = 10 Bogen Raum hätte ich also. Aber es werden 25 Bogen sein, vielleicht etwas mehr und die Schicksalsfrage wird sein: ,geht das 1 ?" 19
Zu den auszugliedernden Manuskripten gehört auch „eine systematische Erkenntnistheorie der Sozialwissenschaften", da Max Weber nicht die Vielzahl der Mitarbeiter am Handbuch der Sozialökonomik auf seine Methodologie und Begrifflichkeit festlegen will. 20 In der einleitenden Anmerkung des Kategorienaufsatzes 21 verweist Max Weber darauf, daß der zweite Teil des Aufsatzes „ein Fragment aus einer schon vor längerer Zeit geschriebenen Darlegung, welche der methodischen Begründung sachlicher Untersuchungen, darunter eines Beitrags (Wirtschaft und Gesell17 Weber, Max, Briefe 1913-1914, S.427. 18 Weber, Marianne, Lebensbild, S. 348-349; siehe dazu die Einleitung, oben, S.39. 19 Weber, Max, Briefe 1913-1914, S.450. 20 So Max Weber im Vorwort zum Grundriß der Sozialökonomik aus dem Jahre 1914. Siehe Winckelmann, Johannes, Max Webers hinterlassenes Hauptwerk. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Entstehung und gedanklicher Aufbau. -Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1986, S. 165 (hinfort: Winckelmann, Hauptwerk). 21 Weber, Max, über einige Kategorien der verstehenden Soziologie, in: Logos 4, 1913, S. 253-294, hier S.253 Anm. 1 (MWG 1/12).
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Ethik und Mythik/rituelle
Absonderung
schaft) für ein demnächst erscheinendes Sammelwerk dienen sollte und von welcher andre Teile wohl anderweit gelegentlich publiziert werden", sei. Im Vorwort zum Grundriß der Sozialökonomik von 1914 wird diese Aussage zur Publikation der „nachhaltigen Begründung sachlicher Untersuchungen" konkretisiert: 22 „Seiner Eigenschaft als Sammelwerk entspricht es, wenn vermieden worden ist, neben der rein historisch darstellenden Analyse der wissenschaftlichen Methoden der Sozialökonomik (in Buch I) auch eine systematische Erkenntnistheorie der Sozialwissenschaften - welche, ebenso wie die materiale ökonomische Kultursoziologie, einem besondern Beiheft vorbehalten bleibt - in das Werk selbst aufzunehmen".
In diesem Beiheft sollen auch die nach dem Werkplan von 1914 ausgegliederten Manuskripte zur Wirtschaftsethik der Kulturreligionen, deren Thematik sich verselbständigt hat, veröffentlicht werden, 23 um fortan den für den Grundriß der Sozialökonomik vorgesehenen religionssoziologischen Abschnitt zu den „Religiösen Gemeinschaften" zu erläutern. Das Nebeneinander von Manuskripten für das Kapitel „Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte" des „Grundrisses der Sozialökonomik" und der Wirtschaftsethik der Kulturreligionen für ein Beiheft vor Kriegsbeginn wird durch die Eingangsfußnote der 1915 im Septemberheft des Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik veröffentlichten „Einleitung" der Aufsätze zur Wirtschaftsethik der Weltreligionen bestätigt: 24 „Diese Aufsätze waren nebenbei auch bestimmt, gleichzeitig mit der Im .Grundriß der Sozialökonomik' enthaltenen Abhandlung über .Wirtschaft und Gesellschaft' zu erscheinen, den religionssoziologischen Abschnitt zu interpretieren und zu ergänzen (allerdings auch In vielen Punkten durch ihn interpretiert zu werden)".
Und Max Weber fährt fort, nachdem er noch einmal auf den vorläufigen Charakter der zum Druck kommenden Manuskripte seiner Aufsätze zur Wirtschaftsethik der Weltreligionen hingewiesen hat: 25 „Auch in Ihrer jetzigen Form können sie aber vielleicht zur Ergänzung der Problemstellungen der Rellglons- und hie und da wohl auch der Wirtschafts-Soziologie In einigen Punkten nützlich sein".
22 Wlnckelmann, Hauptwerk, S. 165. 23 Das bestätigt auch Marlanne Weber, Lebensbild, S.561, wenn sie zu den seit 1915 Im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik erscheinenden Aufsätzen schreibt, sie seien „schon zwei Jahre zuvor niedergeschrieben [worden] und sollten gleichzeitig - zur wechselseitigen Erläuterung und Ergänzung - mit der für .Wirtschaft und Gesellschaft' bestimmten, religionssoziologischen Systematik erscheinen". 24 Weber, Max, Einleitung, S.83-84. 25 Weber, Max, ebd., S.84.
Editorischer
Bericht
167
Max Weber hat aus diesen Manuskripten um 1913 im Rahmen des sonntäglichen „Kränzchens" vorgelesen. Das bestätigt ein Brief von Georg Lukäcs aus dem Jahr 1915, 26 der sich für die Zusendung eines Sonderdrucks aus dem Heft 41/1 des Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, also der „Einleitung", sowie der beiden ersten Teile der Studien zum Konfuzianismus bedankt: „Ich danke Ihnen herzlichst für den Brief und den Abdruck. Ich rechne bestimmt damit, daß ich auch von den weiteren Fortsetzungen Separata erhalten werde. Das bisher [GJelesene hat denselben großen Eindruck auf mich gemacht, wie seinerzeit die Vorlesung in Heidelberg, auch stilistisch scheint es mir Ihre Bedenken nicht zu rechtfertigen. Ich freue mich sehr auf die Vereinigung all dieser Aufsätze in einem Buch, und auf die Möglichkeit, sie in einem kontinuierlichen Zusammenhange zu lesen".
Während Max Webers Militärdienst von August 1914 bis September 1915 ruht die Arbeit an den Manuskripten des Grundrisses der Sozialökonomik und der Wirtschaftsethik der Kulturreligionen. Erst in den letzten Monaten der Dienstzeit habe er sich, so schreibt Marianne Weber, 27 „täglich eine Stunde herausgespart", um an den „verlassenen Manuskripten" zur Wirtschaftsethik der Kulturreligionen arbeiten zu können. Daß Max Weber im Sommer 1915 zu diesen Manuskripten zurückkehrt und nicht etwa die Arbeit am Grundriß der Sozialökonomik wiederaufnimmt, hat seinen Grund nicht zuletzt darin, daß der Verleger Paul Siebeck mehrfach gedrängt hat, Manuskripte zur Veröffentlichung zu liefern, 28 und Max Weber sich im Sommer 1915 dazu durchringt, dem Verleger die religionssoziologischen Manuskripte, die für den Ergänzungsband des Grundrisses der Sozialökonomik vorgesehen sind, als Aufsätze zur Wirtschaftsethik der Weltreligionen anzubieten. So schreibt ihm Max Weber am 22. Juni 1915: 29 „Ich wäre bereit, dem ,Archiv' eine Reihe von Aufsätzen über die .Wirtschaftsethik der Weltreligionen' zu geben, welche seit Kriegsanfang hier liegen und nur stilistisch durchzusehen sind - Vorarbeiten und Erläuterungen der systematischen Religions-Soziologie im .G.d.S.Ö.' Sie müssen so erscheinen wie sie sind - fast ohne Fußnoten, da ich jetzt keinen Strich daran arbeiten kann. Sie umfassen Konfuzianismus (China), Hinduismus und Buddhismus (Indien), Judentum, Islam, Christentum. Ich schmeichle mir, daß diese Aufsätze, welche die allgemeine Durchführung der Methode in dem Aufsatz .Protestantische] Ethik und Geist des Kapitalismus' bringen, den betreffenden Heften ebenfalls s.Z. starken Absatz bringen. Später können sie ja, wenn Sie dazu bereit sind, zusammen mit jenem Aufsatz gesondert erscheinen. Jetzt nicht. Denn in der jetzigen Form eignen sie sich nur für Zeitschriften-Aufsätze. Wie immer biete ich sie zunächst dem ,Ar-
26 Lukäcs, Georg, Briefwechsel 1902-1917, hg. von Karädi, Eva/Fekete, Eva. - Stuttgart: J.B. Metzler 1982, S.362-363. 27 Weber, Marianne, Lebensbild, S.561. 28 Winckeimann, Hauptwerk, S.42, für Einzelheiten. 29 VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 (MWG il/9).
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Ethik und Mythik/rituelle
Absonderung
chiv' an [...]. Die Aufsätze sind ziemlich umfangreich. Etwa 4 Aufsätze ä 4 - 5 Bogen. Es wird dem G.d.S.Ö. zu Gute kommen, wenn sie bald gedruckt werden, wenigstens einige von ihnen. Denn die Darstellung im G.d.S.Ö. muß viel gedrängter und .systematisch' sein".
Die 1915 zum Druck gegebenen Manuskripte der Einleitung der Studien zum Konfuzianismus I—IV sowie der „Zwischenbetrachtung. Theorie der Stufen und Richtungen religiöser Weltablehnung" sind bereits 1913/14 niedergeschrieben und gehen in dieser Fassung in Druck. So schreibt Max Weber in der oben zitierten Anmerkung zur „Einleitung": 30 „Die nachstehenden Darlegungen erscheinen unverändert so wie sie vor zwei Jahren niedergeschrieben und Freunden vorgelesen waren. Einziehung zum Dienst machte es unmöglich, den wissenschaftlichen .Apparat', wie beabsichtigt, beizufügen".
In einem Brief an den Verleger Paul Siebeck vom 14. Juli 1915 schreibt Max Weber, nachdem er am 2. Juli 1915 die „Einleitung" zum Druck gegeben hat: 31 „Die Artikel werden sehr umfangreich. Der erste - Konfuzianismus-ca. Vt des G a n z e n allein ca. 6 - 7 Bogen".
Max Webers Brief vom 22. Juni 1915 an den Verleger zeigt, daß Max Weber bis Kriegsbeginn neben dem Manuskript der Konfuzianismus-Studie auch solche zu den übrigen Weltreligionen vorliegen, die einen Umfang von bis zu knapp 30 Bogen haben. Das Deponatsmanuskript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" ist Teil des Konvoluts von Manuskripten, die vor Kriegsbeginn gebündelt waren, um in einem Beiheft veröffentlicht zu werden. Max Weber hat stellenweise das Manuskript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" in die in Band 46 des Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik erschienenen Lieferungen der Aufsätze zum antiken Judentum eingearbeitet: „Diese Erscheinung, welche allen eigentlich orientalischen Monarchien dem Judentum gegenüber gemeinsam war, hatte ihren Grund darin, daß nicht, wie im kaiserlichen Rom, ein eigentlicher Herrscher/cu/f existierte, weil der Großkönig von jeher zwar die Proskynese und unbedingte Obödienz verlangte, aber dennoch unfraglich unter den Göttern stand. Im Römerreich brachte erst die Kaiserzeit Konflikte." („Rituelle Absonderung"; siehe unten, S. 194-195, textkritische Anm. g). „Dabei fehlte nun allen diesen orientalischen Monarchien ein eigentlicher Herrscherkult von der Art des späteren römischen Kaiserkults, denn der Herrscher verlangte zwar die Proskynese und unbedingte Obödienz, stand aber doch unter den Göttern" (Antikes Judentum; siehe unten, S.708).
30 Weber, Max, Einleitung, S.83. 31 VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 (MWG 11/9).
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„Von einer Form der Zukunftserwartung aber läßt sich aus den prophetischen Schriften feststellen, daß sie unbedingt auf vorprophetische volkstümliche Vorstellungen zurückgehen muß, weil schon der erste .Schriftprophet', Arnos, sie als Jedermann bekannt voraussetzt: der ,Tag Jahwes'. Er ist in der volkstümlichen, von Arnos scharf bekämpften Vorstellung ein in Zukunft für Israel anbrechender Tag großen Heils. Wie dieses Heil aussehen und wodurch es kommen soll, ist nur indirekt zu erschließen. Eine Anzahl Stellen lassen als ziemlich sicher vermuten, daß er als ein Tag kriegerischen Heils gedacht war, wie ja die alte Tradition die politisch-militärische Weltregierung Jahwes stets in der Form großer, vorher für grade diesen einen Tag und nur für ihn von Sehern angekündigter Katastrophen an Feinden Israels: Schilfmeerkatastrophe, Deborahsieg, Gideons, Sauls und Davids große Siege, sich vollziehen läßt." („Ethik und Mythik"; siehe unten, S. 190). „Die volkstümliche Zukunftshoffnung der Krieger sah anders aus. Schon bei den ersten Propheten (Arnos) finden wir die Erwartung eines .Tages Jahwes' (jom Jahwe), der nach der bis dahin gangbaren Vorstellung ein Tag großen Heils für Israel ist. Was war sein ursprünglicher Sinn? Jahwe war ein Kriegsgott und folglich war es ein siegreicher Schlachttag, so wie einst der ,jom Midian' (Jes. 9,3), der Tag des Sieges Gideons also, gewesen war. Die alten Losorakel gaben ja dem Kriegshelden, wie wir bei Gideon und öfter sehen, Tag und Stunde, zu welcher Jahwe die Feinde ,in Israels Hände geben' werde, genau an [...]." (Antikes Judentum; siehe unten, S.562). „Eine .Theogonie' aber, eine Lehre von der Götterentstehung, wie sie im Zentrum jeder Mythologie (auch der christlichen) steht, war für ihn [sc. Jahwe], der aus historischen Gründen unbeweibt war, nicht zu schaffen." („Ethik und Mythik"; siehe unten, S. 183). „Jahwe vertrug wohl einzelne Mythologeme, aber er vertrug gerade die eigentliche Krönung aller großen Mythensysteme: die Theogonie, auf die Dauer nicht. Innerhalb Israels, welches ihn von außen rezipiert hatte, war der Boden für theogonische Jahwemythen schon deshalb nicht günstig, weil er ein unbeweibter, bildlos verehrter Gott blieb. [...]." (Antikes Judentum; siehe unten, S.556). „Das Gegenteil träfe nur zu, wenn man den uns vorliegenden ethischen Dekalog so deuten und wenn man ihn ferner als ein sehr altes, womöglich als ein auf Mose zurückgehendes Gebilde ansehen dürfte. Das Erste ist nicht zwingend, das Zweite wohl sicher unrichtig^ obwohl es oft, mit der Begründung angenommen wird, daß doch das .Einfache' an der Spitze der Entwicklung zu vermuten sei. Allein nach aller Erfahrung ist das gerade Gegenteil das Wahrscheinliche." („Ethik und Mythik"; siehe unten, S. 185-186). „Man hat immer wieder versucht, für diese Sammlungen [sc. der Dekaloge] ein besonders hohes Alter, womöglich mosaischen Ursprung, wahrscheinlich zu machen. Vor allem mit dem Argument: daß das .Einfache' an der Spitze der .Entwicklung' gestanden haben müsse." (Antikes Judentum; siehe unten, S.569). „Denn wir hören, daß sie [sc. die Samaritaner] - und zwar, wie Rothstein wahrscheinlich gemacht hat, anscheinend auf Grund eines besondren Orakels des Propheten Haggai - mit ihrem Begehren um Zulassung zum Kult abgewiesen wurden." („Am haarez"; siehe unten, S.208). „Als, wie es scheint erst unter Darius, der Tempelbau in Jerusalem begann, erboten sie sich zur Mitarbeit, wurden aber von Serubbabel, wie Rothstein wahrscheinlich gemacht hat, infolge eines Orakels des Haggai (2,10f.) abgewiesen (Esra 4,3) [...]." (Antikes Judentum; siehe unten, S.720).
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Absonderung
Hinzu kommt eine Fülle von Bezugnahmen, in denen der Text des Manuskripts „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" in den Aufsätzen zum antiken Judentum geglättet und zusammengefaßt wird: „Bei der weitgehenden Toleranz der mesopotamischen Könige hatte die assyrische Fortführung aus Nordisrael anscheinend zum völligen Aufgehen dieser Exilierten in ihrer neuen Umwelt geführt und auch in Nordisrael selbst eine starke Vermischung der israelitischen Bevölkerung mit den assyrischen Colonisten herbeigeführt. Der jahwistischen Partei, Insbesondre aber den interessierten Priestern, diente dies offenbar zur Lehre. Es galt zum Schutz hiergegen die rituellen und religiösen .Unterscheidungslehren' klar herauszuarbeiten und festzulegen." („Rituelle Absonderung"; siehe unten, S. 194-195). „Uns interessiert hier an diesen Vorgängen zunächst vornehmlich die Durchführung der rituellen Absonderung der Gemeinde. Sie wurde im Exil vollzogen, nachdem das annähernd vollständige Aufgehen der von Assyrien deportierten Nordisraeliten in der aufnahmebereiten Umwelt die Priester und Thoralehrer darüber belehrt hatte, welche entscheidende Bedeutung für ihre eigenen Interessen die Errichtung solcher rituellen Schutzwälle haben mußte." (Antikes Judentum; siehe unten, S.712).
Das Manuskript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" BSB München, Ana 446/1, Bl. 51 - 5 9 (60) weist darüber hinaus auch Parallelen zur Studie der „Religiösen Gemeinschaften" auf, wobei die Dreifachüberlieferungen von besonderem Aufschluß für die Frage nach der literarischen Priorität dieser Manuskripte sind: „Neben zufälligen persönlichen Beziehungen und einer offenkundigen Sympathie der Perser für die dem Zarathustrismus - von Ihrem Standpunkt aus gesehen - in manchen Punkten verwandten Religion haben auch rein politische Interessen der persischen Regierung diesen für die Entstehung des .Judentums' entscheidenden Akt bestimmt. Die theokratische Verwaltung des Landes war die sicherste und unschädlichste Form seiner Domestikation. Die ägyptischen Inschriften zeigen, daß zu diesem Zweck Darius auch die Schulen der ägyptischen Priester herstellen ließ, obwohl diese damals ähnlich exclusiv gegenüber Fremden waren, wie die jüdischen. Für die Hellenen haben die Schlachten von Marathon und Salamis ein ähnliches Schicksal abgewendet: die Priester und Propheten (des delphischen Apollon) und auch eine geeignete Hellslehre standen für den Fall des entgegengesetzten Ausgangs zur Verfügung. Dann würde vielleicht statt der priesterfreien Geistigkeit des Hellenentums eine Litteratur von der Art der Spruchsammlungen des Jeremla oder des Buchs Koheleth in Hellas entstanden sein. Ansätze zu dem Glauben, daß der Weltgott ein Volk, dem er seine Fürsorge zugewendet hat, zur Strafe seiner Sünden insbesondere der Hybris und der Habsucht politisch züchtige, finden sich in der Theologie Piatons Im Timaios und im Kritiasfragment. Man wird nicht fehlgehen, wenn man sie mit der durch den Niedergang der athenischen Macht seit der Schlacht bei Aigospotamoi erzeugten Stimmung in Zusammenhang bringt. Sie blieben Gelegenheits-Gedanken eines einzelnen Denkers, weil den Hellenen die priesterliche Domestikation trotz Allem erspart blieb, während die Perser diese In Jerusalem durchführen konnten." („Rituelle Abschließung"; siehe unten, S. 198-199). „Ganz allgemein und prinzipiell ging die Politik des Darius von dem Bündnis mit den nationalen Priesterschaften aus. Für Ägypten Ist dokumentarisch die Herstellung der alten Priesterschulen durch ihn bezeugt. Die kirchenartige Organisation der ägyptischen
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Religion mit ihren Synoden und ihrer nationalen Machtstellung datiert erst von daher. Für kleinasiatische Apollonkulte findet sich Ähnliches. Für Alt-Hellas steht fest, daß die Perser sowohl das delphische Orakel wie allerhand plebejische Propheten auf ihrer Seite hatten, und daß der Ausfall der Schlachten von Marathon, Salamis und Platää es war, der die priesterfreie hellenische Kultur davor bewahrte, der orphischen Seelenwanderungslehre oder anderen Mystagogien und der Beherrschung durch eine Hierokratie unter persischer Protektion ausgeliefert zu werden." (Antikes Judentum; siehe unten, S. 710). „So entstand durch Erlasse der persischen Könige von Kyros bis Artaxerxes das Judentum als eine vom König anerkannte religiöse Gemeinde mit einem theokratischen Zentrum in Jerusalem. Ein Sieg der Perser hätte vermutlich dem delphischen Apollon und den Priestergeschlechtern anderer Götter, vielleicht auch orphischen Propheten, ähnliche Chancen gebracht. In Ägypten entwickelte das nationale Priestertum nach dem Untergang der politischen Selbständigkeit eine Art .kirchlicher' Organisation, die erste dieser Art, wie es scheint, mit Synoden." (Rel. Gemeinschaften, S. 198).
Der Text des Manuskriptes „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" ist der ursprüngliche dieser drei Fassungen. Die exkursartigen Überlegungen, es habe der griechischen Literatur im Falle eines persischen Sieges gedroht, wie die jüdische zu werden, haben in dem Kontext ebensowenig eine Funktion wie die Überlegung zu Piatons Timaios und Kritias als Spiegel der Stimmung nach der Schlacht von Aigospotamoi. Sie fehlen entsprechend in den beiden anderen geglätteten Texten. Der Hinweis auf die von Darius I. installierten Priesterschulen in Ägypten in den Manuskriptbogen „Rituelle Abschließung" wird in „Religiöse Gemeinschaften" durch den auf die Entwicklung eines nationalen Priestertums als „kirchlicher" Organisation einschließlich der Synoden ersetzt. Dieses Motiv ist Teil der Entgegensetzung von okzidentaler und orientalischer Entwicklung. Die Darstellung im antiken Judentum der Jahre 1917-1920 ist von den beiden anderen Texten abhängig. Wie im Manuskriptbogen „Rituelle Abschließung" folgt in den Aufsätzen des antiken Judentums auf den Seitenblick auf Hellas die Darstellung der Einrichtung des Amtes eines Hohenpriesters mit persischer Geburtshilfe. 32 Auch findet sich wieder der Hinweis auf die Einrichtung der Priesterschulen in Ägypten durch Darius I., um hier aber mit dem Hinweis auf die kirchenartige Organisation der ägyptischen Religion mit ihren Synoden, der in diesem Zusammenhang keine Funktion hat, auf den Text der „Religiösen Gemeinschaften" zurückzulenken. Die älteren Teile der „Religiösen Gemeinschaften" hat Max Weber hauptsächlich im Jahr 1913 abgefaßt. 33 Terminus ad quem der Abfassung des Manuskripts „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" ist also das Jahr 1913. Marianne 32 Siehe unten, S. 709-710. 33 Siehe Kippenberg, Hans G., Editorischer Bericht, in: Weber, Max, Rel. Gemeinschaften, S.90. Zur Fortschreibung des Vorkriegsmanuskripts der „Religiösen Gemeinschaften" siehe Otto, Max Weber, S. 128-130. 203.
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Weber datiert Max Webers Wiederaufnahme der Beschäftigung mit den Kulturreligionen um das Jahr 1911, so daß der Zeitraum der Abfassung des Manuskripts „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" in die Jahre 1911-1913 einzugrenzen ist. Die Datierung bestätigt die von Max Weber benutzte Literatur. Im Manuskriptbogen „Ethik und Mythik" spricht Max Weber von der „Übernahme fremder, vermutlich ägyptischer, Verheißungs-Schemata von einer durch eine Zeit äußerster Not vorbereiteten plötzlichen Peripetie zum Glück wie sie dann bei den Propheten verwerthet wurden". 34 Daß ein derartiges Schema in der israelitischen Prophetie ägyptischer Herkunft sei, wurde von Eduard Meyer zuerst 1905 vertreten. In seinem Handexemplar des Bandes von Eduard Meyer, Geschichte I/22, der im Sommer 1909 ausgeliefert wurde, markiert Max Weber folgenden Abschnitt des §297 durch Randstrich und Unterstreichungen: 35 „Noch ein anderer Zweig der Literatur tritt uns in dieser Zeit [sc. des Mittleren Reiches] zuerst entgegen: das sind Prophezeiungen über die Zukunft Ägyptens [...]. Die Einkleidung ist durchweg die, daß, wohl immer bei irgend einem bestimmten Anlaß, ein Weiser dem König zunächst eine große Katastrophe verkündet, bei der die Fremdvölker das Land überschwemmen und verwüsten, die Götter und ihre Tempel ausgeplündert und ihre Diener verfolgt, die Bevölkerung aufs ärgste heimgesucht und das oberste zuunterst gekehrt wird: dann aber folgt ein göttergeliebter Herrscher, der die Barbaren besiegen und in langer gesegneter Regierung Kultus und Ordnung wiederherstellen wird. Das Schema ist genau dasselbe, wie später bei den hebräischen Propheten: erst die furchtbare Katastrophe, dann das messianische Reich."
Eduard Meyers These wird 1910 von Alfred Bertholet in dem Artikel „Eschatologie" des Nachschlagewerks „Die Religion in Geschichte und Gegenwart" ausführlich dargestellt 36 und unter Verwendung der 1909 in Hugo Greßmanns Textsammlung „Altorientalische Texte und Bilder zum Alten Testament" erschienenen Zusammenstellung ägyptischer Prophetien, die Hermann Ranke besorgte, 37 ausgebaut. Der zweite Band der RGG 1 wurde am 22. Oktober 1910, die Einzellieferung 39/40 ( S p . 5 7 7 1120) mit dem Artikel „Eschatologie" am 16. Juni 1910 ausgeliefert. We34 Siehe unten, S. 189. 35 Meyer, Geschichte t/22, S. 274. 36 Bertholet, Alfred, Artikel Eschatologie, Sp.599-600. Eduard Meyer hat diese These erstmals 1905 angedeutet (siehe ders., Mosesagen) und 1906 wiederholt; siehe ders., Israeliten, S. 451-453. Das Manuskript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" kennt aber im Gegensatz zu Max Webers Aufsätzen zum antiken Judentum der Jahre 19171920 noch nicht Eduard Meyers Levitenkonzeption, für die diese beiden Veröffentlichungen stehen, so daß es wahrscheinlich ist, daß Max Weber sie bei Abfassung des Manuskripts „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" noch nicht rezipiert hat. 37 Ranke, Hermann, Ägyptische Texte, in: Greßmann, Altorientalische Texte, S. 180253.
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der Hermann Gunkels noch Hugo Greßmanns Monographien zur biblischen Eschatologie, 38 die Max Weber im Manuskript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" rezipiert, 39 nehmen auf ein ägyptisches Schema in der alttestamentlichen Eschatologie Bezug. Dagegen hat der Historiker Carl F. Lehmann-Haupt in seiner Monographie „Israel. Seine Entwicklung im Rahmen der Weltgeschichte", die im Frühjahr 1911 erschien, Eduard Meyers These breit aufgenommen. 40 In der Studie des antiken Judentums der Jahre 1917-1920 hat Max Weber diese Monographie als ein „die außenpolitische Entwicklung sehr übersichtlich gliedernde[s] Werk" bezeichnet. 41 Es ist zu vermuten, daß Max Weber neben Alfred Bertholets Artikel zur Eschatologie aus dem Jahre 1910 in „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" auch bereits die Monographie von Carl F. Lehmann-Haupt aus dem Jahre 1911 rezipiert hat. In den Aufsätzen zum antiken Judentum der Jahre 1917-1920 vollzieht Max Weber eine einschneidende Kehrtwende und weist die These ägyptischen Einflusses auf die alttestamentliche Prophetie zurück. 42 Dies geht auf die Lektüre der Monographie von Ernst Sellin zum alttestamentlichen Prophetismus aus dem Jahr 1912 zurück, die die These eines ägyptischen Einflusses auf die biblische Eschatologie, nachdem Ernst Sellin der These ursprünglich zugestimmt hat, entschieden zurückweist. 43 Ernst Sellins Monographie wurde im Dezember 1912 ausgeliefert und ist ebenso wie Hermann Gunkels Artikel in der RGG zur alttestamentlichen Prophetie aus dem Jahre 1913 von Max Weber im Manuskript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" noch nicht rezipiert worden. Umgekehrt setzt die Entgegensetzung Jahwes als eines Gottes der Naturordnung und eines politisch eingreifenden Gottes in einem Nachtrag zu dem Manuskriptbogen „Ethik und Mythik", 44 die Kritik Ernst Sellins an Hu-
38 Gunkel, Verständnis, S. 21—25; ders., Schöpfung; Greßmann, Eschatologie. 39 Siehe die Kommentierung unten, S. 180. 40 Lehmann-Haupt, Israel, S.261-264. 41 Siehe unten, S. 240. 42 Siehe unten, S.677. 43 Sellin, Prophetismus, S. 234-237. Auch Hermann Gunkel, Artikel Propheten II, Sp.1875, und Gustav Hölscher, Profeten, S. 458-459, haben inzwischen die These einer israelitischen Rezeption eines Schemas ägyptischer Heilsprophetie zurückgewiesen. Ausgelöst wurde der Umschwung zur Ablehnung dieser These in der Alttestamentlichen Wissenschaft durch die Monographie von Gardiner, Alan H., The Admonitions of an Egyptian Sage From a Hieratic Papyrus in Leiden (Pap. Leiden 344 recto). - Leipzig: J.C. Hinrichs'sche Buchhandlung 1909 (hinfort: Gardiner, Admonitions), die Max Weber in den Aufsätzen zum antiken Judentum der Jahre 1917-1920 ohne bibliographische Angaben vermittelt durch die Monographie von Ernst Sellin, ebd., S.234, zumindest im Referat rezipiert hat. Siehe die Kommentierung, unten, S.567 und 677. 44 Siehe unten, S. 184 mit Hg.-Anm. 28.
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go Greßmann und damit Max Webers Lektüre der Ende 1912 ausgelieferten Monographie voraus, was Hinweis darauf sein kann, daß Max Weber noch danach ergänzend am Manuskript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" gearbeitet hat. Es gibt weiterhin gute Gründe dafür, daß Max Webers Konzeption des Bundesmotivs im Kerntext des Manuskriptbogens „Ethik und Mythik" durch das 1911 posthum erschienene Lehrbuch von Emil Kautzsch zur Biblischen Theologie, 45 das Max Weber in den Aufsätzen zum antiken Judentum als „sehr präzis formuliert" bezeichnet, 46 beeinflußt ist. Das Manuskript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" ist in zweierlei Hinsicht Fragment. Es enthält Rückverweise auf die Behandlung der vorexilischen Zeit, insbesondere der Prophetie, die nicht mehr enthalten, aber partiell noch rekonstruierbar ist. Das deutet darauf hin, daß Teile des Deponatsmanuskripts zum antiken Judentum verloren sind. Das Manuskript enthält daneben auch Verweise auf fernöstliche Zusammenhänge, was Hinweis darauf ist, daß es Teil eines größeren Manuskriptkonvoluts ist, das so nicht mehr vorhanden ist. Das läßt nach dem Umfang dieses Manuskriptkonvoluts, dessen Teil das Manuskript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" ist, fragen. Wenn die Numerierung dieses Manuskripts durchlaufend ist, wofür die Numerierung der Bogen BSB München, Ana 446/1, Bl.51 - 6 0 spricht, hat das gesamte Manuskript mindestens 30 handschriftliche Doppelbogen umfaßt. In seinem Brief vom 22. Juni 1915 hat Max Weber dem Verleger Paul Siebeck Manuskripte von vier Aufsätzen im Umfang von je 4 - 5 Druckbogen zur Wirtschaftsethik der Weltreligionen angeboten, von denen er sagt, daß sie seit Kriegsanfang gelegen hätten, stilistisch der Durchsicht bedürften und fast ohne Fußnoten seien. Alles das trifft auf das Manuskript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" zu. Schließlich sagt Max Weber in demselben Brief, daß die Manuskripte aus Vorarbeiten und Erläuterungen der systematischen Religionssoziologie im Grundriß der Sozialökonomik entstanden seien. Auch das trifft auf das Manuskript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" zu, von dem das Manuskript der „Religiösen Gemeinschaften" in der Fassung des Jahres 1913 literarisch abhängig ist. Daß es sich bei diesem Manuskript um eine „Vorarbeit" handelt, wird nicht zuletzt daran deutlich, daß Max Weber im Vergleich zu den „Religiösen Gemeinschaften" und den Aufsätzen zum antiken Judentum im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik der Jahre 1917-1920 enger an die verwendete Fachliteratur angelehnt formuliert und die für die Studien ab dem Jahre 1913 typische Terminologie, die die Abhandlung der „Religiösen Gemeinschaften" prägt, noch nicht aus-
45 Siehe die Einleitung, oben, S.47-48. 46 Siehe unten, S.240.
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gebildet ist. Stellt man sich angesichts dieses Befundes die Frage, ob das Manuskript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" eine Vorarbeit zu dem bei Kriegsbeginn 1914 vorliegenden Manuskript zum antiken Judentum oder Teil dieses Manuskriptes selbst war, so spricht für Letzteres die Tatsache, daß sowohl das 1913 verfaßte Kernmanuskript der „Religiösen Gemeinschaften" wie auch die in Band 46 des Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik zwischen Dezember 1918 und Januar 1920 erschienenen Aufsätze zum antiken Judentum direkt auf das Manuskript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" zurückgreifen. Wenn das richtig ist, so besteht das Großmanuskript zur Wirtschaftsethik der Kulturreligionen, das aus dem Grundriß ausgegliedert wurde, zum Zeitpunkt des Kriegsbeginns aus Texten unterschiedlichen Datums und unterschiedlicher Reflexionsstufe. Die Tatsache, daß „Einleitung" und „Zwischenbetrachtung" in Bezug auf die jüdische Religion sehr viel systematischer durchreflektiert sind als das Manuskript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" und die in diesem Manuskript nur in einer Randnotiz vermerkte Aufgabe der Darstellung des antiken Judentums als Paria in der Studie der „Religiösen Gemeinschaften" breit ausgeführt wird, 47 bestätigt das frühe Datum des Manuskripts „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" zwischen 1911 und 1913 innerhalb dieses aus dem Grundriß-Beitrag ausgegliederten Manuskriptkonvoluts.
II. Zur Überlieferung
und Edition
Das Manuskript „Ethik und Mythik/rituelle Absonderung" zur Religionsgeschichte des antiken Judentums hat einen Umfang von 5 teils beidseitig beschriebenen Doppelbogen (Blättern) im Großfolioformat. Die Bogen sind von BSB München, Ana 446/1, BI.51 bis 59 von Max Weber eigenhändig durchnummeriert. Die Rückseiten der Bogen sind mitgezählt worden aber unpaginiert, so daß das Manuskript bis Bogen 60 zählt, obwohl dieser letzte Bogen unbeschrieben geblieben ist. Der Bogen „Ethik und Mythik" (BSB München, Ana 446/1, Bl.51/52) beginnt mitten im Satz, so daß es sich bei dem Konvolut um ein Fragment handelt. Auch endet der Bogen „Am haarez" (BSB München, Ana 446/1, Bl.59/60) abrupt, so daß noch zumindest ein weiterer Bogen gefolgt sein muß. Diese Fortsetzung ist partiell noch aus den Aufsätzen zum antiken Judentum im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik rekonstruierbar. 48 Zwischen den Doppelbogen „Ethik und Mythik" (BSB München, Ana 446/1, Bl. 51/52) 47 Siehe Weber, Max, Rel. Gemeinschaften, S.430-432. 48 Otto, Max Weber, S. 228-241.
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und „Rituelle Absonderung" (BSB München, Ana 446/1, Bl. 53/54) ist zumindest ein Bogen ausgefallen, da Bogen BSB München, Ana 446/1, Bl. 53 nicht an Bogen BSB München, Ana 446/1, Bl. 52 anschließt und auf eine vorher thematisierte erste „Komponente der späteren Jüdischen Religion'" verweist, von der im Bogen „Ethik und Mythik" (BSB München, Ana 446/1, Bl. 51/52) nichts verlautet. Daraus ist zu schließen, daß die Zählung der Bogen nicht ursprünglich, sondern von Max Weber handschriftlich sekundär eingetragen ist und das Manuskript zum antiken Judentum einschließlich der nach vorn und hinten anschließenden Bogen mindestens 8 Doppelbogen umfaßt hat. Die vorhandenen 5 Doppelbogen weisen zahlreiche Korrekturnotizen und Fortschreibungen zwischen den Zeilen und an den Rändern aus der Feder Max Webers auf. Da das Manuskript vornehmlich nur die nachexilische Religionsgeschichte des antiken Judentums behandelt und wiederholt auf voranstehende Teile verweist, die nicht mehr vorhanden sind,49 muß es ursprünglich noch erheblich umfangreicher gewesen sein. Jeder Doppelbogen des Manuskriptes ist von Max Weber handschriftlich mit einer Numerierung und den kurzen Inhaltsnotizen „Ethik und Mythik" (BSB München, Ana 446/1, Bl. 51/52),50 „Rituelle Absonderung" (BSB München, Ana 446/1, Bl. 53/54),51 „Rituelle Abschließung" (BSB München, Ana 446/1, Bl.55/56),52 „Nachexilische Priester Rituelle Absonderung" (BSB München, Ana 446/1, BI.57/58)53 und „Am haarez" (BSB München, Ana 446/1, BI.59/60)54 versehen worden. Die Textpräsentation behält die Orthographie, Interpunktion und Grammatik der Originale der Manuskriptbogen bei und emendiert entsprechend den Editionsregeln der Max Weber-Gesamtausgabe nur dort, wo 49 Siehe unten, S. 192-193: „Wir sahen, daß innerhalb der freien Israeliten ständische Schranken des connubium und der Kommensalität (in vorexiiischer Zeit) nicht bestanden"; unten, S. 193: „Wir sahen, daß die uns von Indien her bekannte Erscheinung der .Gaststämme' [...]"; unten, S. 198: „Sie [sc. die theokratische Selbstverwaltung] bildete den Teil jener umfassenden Neuordnung des Gemeinwesens, von der schon mehrfach die Rede war"; unten, S.200: „Die Folge war, sahen wir, die Scheidung von Priestern und Leviten"; unten, S.203: „Hier interessiert vor Allem eine Seite der Neuordnung: die ritualistische Absonderung nach außen, für welche in der vorexilischen Zeit, wie wir sahen, erst Ansätze vorhanden gewesen waren". 50 Siehe unten, S.178. 51 Siehe unten, S.192. 52 Siehe unten, S.195. 53 Siehe unten, S.201. 54 Siehe unten, S.204. Großflächige Durchstreichung ganzer Seiten zeigt, daß Max Weber bei der Nutzung des Manuskripts auf diese Weise gekennzeichnet hat, daß der betreffende Bogen in ein neues Manuskript, vermutlich das der Studien zum antiken Judentum im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, eingearbeitet wurde. Siehe auch die Durchstreichung der in der Studie des antiken Judentums rezipierten Anmerkung auf S. 194-195 Anm. g des textkritischen Apparats. Siehe oben, S. 168.
Editorischer
Bericht
III
dies für das Textverständnis unabdingbar ist. Einschübe im Text, Streichungen und Textersetzungen sind kenntlich gemacht und im Apparat notiert, wobei für die verwendeten diakritischen Zeichen auf das Abkürzungsverzeichnis?5 verwiesen wird. Die zahlreichen Einschübe in Einschoben des handschriftlichen Manuskripts, die bis zu vier Ergänzungsphasen erkennen lassen, sind anhand der diakritischen Zeichen im Text und im Apparat zu identifizieren. Auch wird Max Webers Umschrift des Hebräischen, die sich an der Aussprache im Deutschen, nicht aber an den gängigen Transkriptionsregeln orientiert, beibehalten. 5 6 Ebenfalls sind orthographische Eigentümlichkeiten und uneinheitliche Schreibweisen belassen.
55 Siehe oben, S. IX. 56 Siehe auch den Editorischen Bericht zum antiken Judentum, unten, S.233.
[Ethik und Mythik/rituelle Absonderung]
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besonders erhobene Sittlichkeit der Israeliten erblickt hat, so liegt dazu kaum Anlaß vor. Die b Umgestaltung erklärt sich l:zwanglos:l aus der Besonderheit der Stellung Jahwes zu Israel als eines durch berith rezipierten Ga- 5 ranten der c sozialen (rechtlichen und sittlichen) Ordnungen, 1 deren Verletzung, kraft seiner Stellung als Vertragspartei, ganz persönliche l:Treue-:l Verletzungen gegen ihn bedeuten, die er l:um seiner selbst willen: I rächen muß, wie Jedermann einen gebrochenen Schwur rächt. 2 Dadurch rückte die ethische Priester-Thora so gewaltig in den 10 Mittelpunkt, daß für jedes Heils- oder, namentlich, Unheils-Geschehnis d politischer, meteorologischer oder kosmischer Art nach eiE t h i k 3 u[nd] Mythik
a Der vorangehende Text fehlt in A d In A folgt:
b In A folgt: (??)
c In A folgt:
1 In der Interpretation des Bundes als Vertrag stützt sich Max Weber auf Merx, Moses, S.21: „Das Gesetz erscheint dem Israeliten als ein zweiseitiger Vertrag, den er Bund (Berit) nennt. Das Gesetz wird daher nicht einseitig vom Gotte Israel oktroyiert, sondern dem Volke unter Achtung seiner Freiheit vorgelegt und von diesem freiwillig angenommen, aber als ein Ganzes, an dem nicht zu handeln Ist. C'est ä prendre ou ä laisser. Mit der Annahme entsteht zwischen Gott und Volk ein unkündbares Verhältnis, der Bundbruch, also die Verletzung des Gesetzes durch den menschlichen Kontrahenten, zieht seine Strafe nach sich". Auch Bruno Baentsch, Monotheismus, S.91, datiert den Bund bereits in die Anfänge der Jahwe-Religion: „Dieser Gott, der in seinem innersten Wesen nach auf einen Universalgott angelegt war, trat in eine durch eine feierliche Zeremonie (Berith) geheiligte und unverbrüchlich gemachte Beziehung zu einem bestimmten Volkswesen". Ferner wird in den von Max Weber in diesem Manuskript rezipierten Monographien von Karl Budde, Religion, S.2-35, und Emil Kautzsch, Theologie, S. 57-66, Im Gegensatz zu Julius Wellhausen und seiner Schule, die die Bundestheologie für eine Frucht der Prophetie halten, die Berit in die Anfänge der Geschichte Israels als Volk datiert. Siehe dazu die Einleitung, oben, S. 45-48. 2 In seinem Handexemplar von Sombart, Juden, S.245, markiert Max Weber durch Randstrich folgenden Eintrag zum Kontext der vertragsmäßigen Regelung des Verhältnisses zwischen Jahwe und Israel: „Das Vertragsverhältnis wickelt sich nun in der Weise ab, daß dem Menschen die erfüllten Pflichten einzeln belohnt, die verabsäumten Pflichten einzeln durch Übles vergolten werden (ebenso die guten Werke): Belohnung und Bestrafung erfolgen teils in dieser Welt, teils Im Jenseits. Aus diesem Sachverhältnis ergibt sich zweierlei mit Notwendigkeit: ein beständiges Abwägen des Vorteils oder Schadens, den eine Handlung oder Unterlassung bringen kann, und eine sehr verwickelte Buchführung, um das Forderungs- bzw. Schuldkonto des einzelnen in Ordnung zu halten".
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Ethik und Mythik/rituelle
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nem ethischen Grund, einer Sünde oder Gutthat e hat, gefragt wurde:'3 in diesem starken Akzent des Ethischen als causalen Elementes 9 kaller Art von:l Geschehen11 ähnelt diese Auffassung der1 kchinesischen Tugend-Cultivierung4 und der indischen:! Karman-Lehre,5 5 von l:denen:l kbeiden:!' sie l:im Übrigen: I freilichk durch eine Welt getrennt blieb. l:Je mehr:l' Jahwe, in denm kalten kriegsprophetisch beeinflußten:! Traditionen"6 koft ein:! von unbezähmbaren Leidenschaften bewegter, zwischen Wut und Reue schwankender kKrieg e r : |o p7 |.q jjg f r 0 mmen r jahwistischen Intellektuellenschichten, s
e A: Guthat f In A folgt: (insofern ähnelt) g In A folgt: (alles) h A: Geschehens > Geschehen i In A folgt: (indischen) j In A folgt: (der) k In A folgt: (??) (im Übrigen) I In A folgt: (l:??:l) m In A folgt: (alten Teilen der) n A: Tradition; es folgt: (l:vorwiegend:l einem) o In A folgt: (Gott) p In A folgt: ((mußte) (nahm) I mußten (??) sich:l zunehmend die Züge eines gerecht vergeltenden Gottes (??) (an) I:verstärken, der:l in seinen sozialen Ordnungen Gerechtigkeit von den Richtern verlangte und l:die:l Rechtsbeugung strafte.) q In A folgt: (Wenigstens) r In A folgt: (streng) s In A folgt: (denen die Propheten entstammten, war es daher selbstverständlich (l:[geworden]:l), daß Jahwe) 3 Max Weber lehnt sich hier an eine Formulierung von Volz, Mose, S.31, an: „Beim Übergang ins israelitische Bewusstsein wurden diese Geschichten [sc. ursprünglich mythologischen Inhalts] von einem ausserordentlich hohen sittlichen Geist erfüllt, ohne dass alle Reste der Mythologie und der antiken Ausdrucksweise getilgt worden wären. Ausserordentlich hoch ist die sittliche Gesamtanschauung, dass das Übel im äusseren und inneren, im kosmischen, öffentlichen und einzelnen Leben von der Sünde herrührt". Bei dieser Einfädelung der Theodizeethematik in Max Webers Studien des antiken Judentums steht auch Karl Budde, Volk, S. 29-30, Pate: „Israel trat am Sinai einem ihm bisher unbekannten Gotte gegenüber, von dem es aber soviel durch Erfahrung wusste, dass er ein mächtiger, ein gewaltiger Gott war, der helfen konnte, wenn er wollte. Mit Zagen und Scheu musste es seinen Dienst aufnehmen, immer im Zweifel, ob es die Tiefen seines Wesens auch ergründet hätte, ob sein Tun auch Jahwe's Wohlgefallen fände und als ausreichender Beweis der Treue gelten könnte. So oft es dem Volke übel erging, lag es ihm fern zu glauben, dass Jahwe nicht die Kraft habe zu helfen. Jedesmal erwachte vielmehr das Gewissen zu der Frage: Womit habe ich die Ungnade Jahwe's verdient, was muss ich tun, um mich seiner Gnade und Hilfe von neuem zu versichern? So entstand eine wirklich lebendige Kraft, die weiterwirken konnte und musste". 4 Weber, Max, Konfuzianismus, S. 349-350. 357. 5 Weber, Max, Hinduismus, S. 203-208. 6 Den frühen Jahwe als Kriegsgott beschreibt ausführlich Julius Wellhausen, Geschichte6, S. 25-27. Eduard Meyer, Geschichte I1, S. 372, spricht vom frühen Jahwe als vom eifersüchtig über seine Macht wachenden Schlachtengott. 7 Die Formulierung lehnt sich an Wellhausen, Geschichte6, S. 108, an: „Jahve hatte unberechenbare Launen, er ließ sein Antlitz leuchten und verbarg es, man wußte nicht warum; er schuf Gutes und schuf Böses, strafte die Sünde und verleitete zur Sünde".
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ein Gott gerechter Vergeltung' I:wurde, kdesto mehr wurde: lu die Ethisierung der Mythen ihnen Bedürfnis. 3 8 Die Bedeutung der ethischen 0 :1 Priester-Thora, c l:im Vergleich mit andren Kulturgebieten erklärt sich aus:l politischen Umständen. Ein bürokratischer 01 Machtstaat bedingte ein Priestertum, welches l:Interessen der:l königlichen 5 Politik zu dienen hatte und gerade die e Priester des vornehmsten Igastronomischen):I Wissens 9 hatten mit der „Seelsorge" an den Massen nichts zu thun. 1 0 Die Befriedigung des' I Bedürfnisses l:der breiten Volksschichten:! nach Sündenbeichte,:! 9 Entsühnung und t In A folgt: (sei. (??) (Diese) Die l:weit:l (??> ausgeprägte ethische Orientierung (aller Sagen) der gesammten (kjahwistisch beeinflußten:!) israelitischen Kosmogonie und Geschichtsschreibung im Vergleich etwa mit der babylonischenQ l:und:l ägyptischen, (phönikischen) erklärt sich l:letztlich:l aus der Bedeutung der ethischen) 11 u In A folgt: (trat) a In A folgt: (??) b In A folgt: (Pr) c In A folgt: (und diese wieder daraus: daß Israel ein aus) d A: bürokratisches > bürokratischer; in A folgt: ([Königrei]) (l:leiturgischer:l) e In A folgt: (vornehmen) f In A folgt: (Beicht-,) 8 Max Weber rezipiert hier eine Grundthese Hermann Gunkels und Hugo Greßmanns als Vertreter der Religionsgeschichtlichen Schule. Zwar seien zahlreiche Motive babylonischer, ägyptischer und phönizischer Herkunft in die israelitische Tradition übernommen worden, dort aber im Zuge der Veranlagung der Jahwe-Religion zum Monotheismus von ihren Anfängen an ethisiert worden. Siehe Gunkel, Hermann, Artikel Mythen und Mythologie II. Mythen und Mythologie in Israel, in: RGG1 IV, Sp. 621-632, hier Sp. 623-624. 9 In seinem Handexemplar von Meyer, Geschichte I/22, S. 527-529, markiert Max Weber folgende Einträge durch Randstrich und Unterstreichungen: „Diese Darstellungen lehren erstens, daß man anfing, sich am Himmel genauer zu orientieren und die einzelnen Sterne zu Gruppen zusammenzufassen [...] und zweitens, daß man einige dieser Sternbilder mit den Göttern in Verbindung setzte, und somit auch glaubte, daß sie von diesen Sternen aus das Geschick beeinflussen und verkünden [...]. Aus diesen Elementen ist dann im ersten Jahrtausend von dem neuen semitischen Stamm der Chaldaeer, der damals in Sinear eindrang, ein ausgebildetes System der Sternkunde und Sterndeutung entwickelt worden, die chaldaeische Astrologie [...]; unter der Regierung Nabonassars (747-734) beginnen die chaldaeischen Sternbeobachtungen, welche in die griechische Astronomie übergegangen sind". 10 In seinem Handexemplar von Meyer, Geschichte I/22, S.531, markiert Max Weber durch Randstrich folgenden Eintrag: „Die Handhabung des Rituals liegt in den Händen der sehr zahlreichen Priesterschaft, die in mehrere Klassen geteilt ist: Wahrsager, bärü, welche die Orakel einholen, die Leberzeichen und sonstige Omina deuten; Beschwörungspriester, äsipu oder masmasu, gegen Krankheiten und Dämonen, welche die Sühnungszeremonien vollziehen; Sänger kultischer Hymnen, zammeru [...]. Vor allem sind sie dem König unentbehrlich, und auf ihn nehmen die Texte auch vorwiegend Rücksicht". 11 Wie Julius Wellhausen rechnet Max Weber mit einer Entwicklung der Ethisierung der Jahwe-Religion. Der entscheidende Unterschied besteht aber darin, daß der Bund nicht Folge prophetischer Ethisierung der Jahwe-Religion nach Zerbrechen der naturwüchsigen Einheit von Gott und Nation sei, wie es Julius Wellhausen, Prolegomena,
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Reinigung 9 mußte vielmehr zunehmend in die Hände h von Spezialpriestern oder heinfach von:l Magiern geraten, welche sie rein ritualistisch befriedigten. l:So verlief die Entwicklung in Babylonien,1 während in Ägypten derk erwähnte besondere Charakter des1 leitur5 gischen Staatswesens die l:patrimoniale:l Fürsorge für die Untergebenen und Schwachen"1 in der religiösen Ethik stärker unterstrich.12:! I:ln Altisrael war:ln die freie Sippe oder der freie Hausvater der Träger des Gemeinwesens geblieben und die Beziehung zum Bundesgott Angelegenheit jedes Einzelnen, da alle Einzelnen unter 10 der Rache des Gottes wegen der Sünde Eines von ihnen mitzuleiden haben konnten. 13 I: Darauf beruhte das eminente Interesse der Gesammtheit an der Innehaltung von Jahwes Geboten durch jeden Einzelnen 14 und zugleich die Erhaltung seines Charakters als - vorwieg A: Entsühnungs- und Reinigungsbedürfnisses der Massen (??) > Entsühnung und Reinigung h In A folgt: (der) i In A folgt: (zu) k In A folgt: (??) I In A folgt: n In A folgt: (In Israel blieb (die) immer)
m In A folgt: (stark unt) S. 415-417, vertritt, sondern Voraussetzung der Ethlsierung der Religion und Rationalisierung des Gottesbegriffs. 12 In seinem Handexemplar von Meyer, Geschichte I/22, S. 219-220, markiert Max Weber folgenden Eintrag zu Ägypten durch Randstrich: „Wie das Regiment der Gaufürsten sich gestaltete, davon gibt die Grabinschrift des Nomarchen des Schlangenberggaus Henqu ein deutliches Bild. Er hat zunächst mit seinem Bruder Hemre' zusammen, dann allein seinen Gau regiert. Jetzt redet er .alle Bewohner des Schlangenberggaus und die großen Obersten der anderen Gaue, die an seinem Grab vorbeikommen', an: [...] ,lch habe die verfallenen Ortschaften dieses Gaus mit Vieh und Menschen anderer Gaue gefüllt' - ob durch Kriege oder durch Begünstigung der Einwanderung, ist nicht gesagt - ,so daß die, welche früher Hörige waren, zum Rang von Grundbesitzern (seru) aufstiegen'. [...] Die alten Pächter des Pharaonenlandes sind jetzt, entsprechend der Erblichkeit des Gauadels, zu erblichen Grundbesitzern geworden". 13 Max Weber rezipiert die Monographie von Max Lohr, Sozialismus, S. 10, der das Bewußtsein der Solidarität in der Sippe mit dem Totenkult verbindet. Max Weber überträgt diese Relation auf die Berit. Paul Volz, Mose, S. 43-44, unterzieht gestützt auf die Monographie von Max Lohr die sich an Julius Wellhausen anschließende These vom Individualismus als Frucht der Prophetie, die u.a. Bernhard Stade, Theologie, S. 191-194, vertritt, der Kritik. 14 Max Weber rezipiert Wellhausen, Gemeinwesen, S. 13: „Verbrechen, welche als gegen die Gottheit gerichtet gelten, lasten nach hebräischer Anschauung als Schuld auf der ganzen Gemeinde, bis diese den eigentlichen Thäter aus sich ausgerottet oder ausgefegt hat". Zum Urteil totum pro parte äußert sich auch Martin Peisker, Nichtisraeliten, S.72. In seinem Handexemplar von Bücher, Entstehung, S.63, markiert Max Weber durch Randstrich folgenden Eintrag: „Wie die Sippe für den Einzelnen eine Schuld oder das Wergeid zahlt oder eine ihm widerfahrene Unbill rächt, so weiht wieder der Einzelne der Sippe sein ganzes Leben und opfert ihr jede Regung der Selbständigkeit". Max Weber setzt die Begriffe „weiht" und „opfert" in Anführungsstriche, notiert am Rand ein Fragezeichen und die Bemerkung „aber nicht .opfert'".
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gend - eines Gottes des l:aktuellen:l politisch-historischen Geschehens.:!0 l:Die Strafe gegen den Übelthäter gilt als Mittel, die Rache des Gottes gegen die solidarisch haftende Gesammtheit von dieser abzuwenden. [??]:lp l:Deut. 23,21 15 und [??]. Entsühnung des Landes durch Todesstrafe gegen den Totschläger:! l:Num. 35,33:1:1 Und noch eine weitere Änderung der Mythen q keinerseits, der Gestalt Jahwes andrerseits:! trat l:bei der Rezeption:! ein. Die Mythen verlorenr durch die jahwepriesterliche Bearbeitung ihren Charakter als Mythen und s andrerseits Jahwe seinen Charakter als11 :ein: I Gott neben andren. 16 Es hat 3 möglicherweise immer einzelne Persönlichkeiten innerhalb der strengen Jahwisten gegeben, die ihn nicht nur monolatrisch oder henotheistisch, sondern wirklich monotheistisch auffaßten. 17 Grade l:auch:l in b l:jener:l Frühzeit c , welche l:in Ägypten:! dasd l:Experiment:le Echnatons sah, 18 istf l:die Entstehung solcher9:! IVorstellungen auf palästinischem Boden sehr wohl:! denkbar, 19 kund der erwähnte [??] spricht dafür.:lh l:Die übliche war o In A folgt: (Die (Kenntnis) Belehrung über seinen Willen, wie sie die Priester-Thora bot, (blieb) und damit die Beschäftigung mit ethischer Problematik und die ethische Deutung aller l:von Jahwe herstammenden:! Ereignisse blieb daher in dem Mittelpunkt alles Priesterwissens gerückt. Nichts unterstreicht (??) gleich der erste Schriftprophet, Arnos, so stark, wie den Satz: daß nicht nur das Heil, sondern grade auch alles Unheil von Jahwe stamme.) 2 0 p In A folgt: (l:Deut. 23,21 und [??]:!) q In A folgt: (einerseits, der Gestalt Jahwes andrerseits) r In A folgt: (ihren) s In A folgt: (??) t In A folgt: (eines) a In A folgt: (gewiß) b In A folgt: (der) c In A folgt: (des entstehen) d A: die > das e In A folgt: (Versuche) f In A folgt: (Derartiges) g In A folgt: (??) h In A folgt: (Ob Mose einer solchen) 1 5 Richtig Deuteronomium 22,21: „Man soll das Mädchen hinausführen und vor die Tür ihres Vaterhauses bringen. Dann sollen die Männer ihrer Stadt sie steinigen, und sie soll sterben; denn sie hat eine Schandtat in Israel begangen, indem sie in ihrem Vaterhaus Unzucht trieb. Du sollst das Böse aus deiner Mitte fortschaffen". 16 Meyer, Geschichte I 1 , S. 374-375. 17 Gunkel, Urgeschichte, S. 18. Max Weber rezipiert hier auch Martin Peisker, Nichtisraeliten, S. 1 - 1 7 , der die These des frühisraelitisch-vorprophetischen Nebeneinanders eines von streng jahwistischen Kreisen vertretenen „naiven Monotheismus" und eines von breiten Bevölkerungskreisen vertretenen „Polytheismus" entwickelt. Ähnlich revidiert auch Paul Volz, Mose, S. 75-76, der an Baentsch, Monotheismus, anknüpft, mit der These eines „primitiven Monotheismus" schon in den Anfängen der israelitischen Religionsgeschichte die auf Julius Wellhausen aufbauenden Rekonstruktionen der israelitischen Religionsentwicklung, die im Monotheismus eine die Prophetie voraussetzende späte Entwicklung der Jahwe-Religion sehen. 18 Meyer, Geschichte I 1 , S. 269-273; Baentsch, Monotheismus, S.35-38. 19 Baentsch, Monotheismus, S. 38-48. 2 0 Max Weber läßt hier Arnos 3,6 anklingen: „Geschieht ein Unglück in der Stadt, ohne daß Jahwe es bewirkt hat?"
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diese: I Auffassung kselbst in der späteren Königszeit1 und Exilszeit nicht. Jahwe disputiert bei Deuterojesaja mit den andren Göttern oder läd sie vor seinen Stuhl, um sie zu vernichten.:lk l:Also war er auch damals diesem spezifisch „monotheistischen" Propheten nicht von jeher der einzige Gott.:l21 Nur freilich war Jahwe allein der Bundesgott, und l:er:l ertrug neben sich' zwar leicht Götter anderer171 Völker, aber kauf die Dauer nur schwer:ln kSpezial- oder:l Funktionsgötter 22 oder überhaupt irgend welche 0 selbständigen Götter des eigenen Volkes, zumalp grade die wichtigsten von diesen eine ihrem tiefsten Wesen nach abweichende, l:weil:l orgiastische,q Religiosität repräsentierten. Eine „Theogonie" aber, eine Lehre von der Götterentstehung, wie sie im Zentrum jeder Mythologie (auch der christlichen) steht/ I :war für ihns, der aus historischen Gründen unbeweibt war, nicht zu schaffen:!.23 Alle' Göttergestalten, welche die Mythen enthielten, mußten also entweder mit ihm selbst verschmolzen 3 oder zu l:seinen:l dienenden Geistern werden. Dies geschah thatsächlich, l:wie wir sahen,: I mit den b Gestirngottheiten: sie wurden der Kern der „himmlischen Heerschaaren" (zebaoth) Jahwes, wie schon das Deboralied zeigt. 24 Der große l:babylonische:l Urdrai In A folgt: (nicht) k In A folgt: (nahestand, ist ([Phantasie]} nicht auszumachen, aber l:freilich:l gewiß nicht wahrscheinlich, keinenfalls war sie in der Folgezeit die herrschende.) I In A folgt: (??) m In A folgt: (mit der steigenden (??) Verkehr) n In A folgt: (nicht leicht) (schwer) o In A folgt: (??) p In A folgt: (diese) q In A folgt: (??) r In A folgt: (konnte er durchaus nicht ertragen) s In A folgt: (jedenfalls) t In A folgt: (Gestalten, w) a In A folgt: (werden) b In A folgt: (mesopotamischen) 21 Max Weber rezipiert hier und spitzt zu Hugo Greßmann, Eschatologie, S.309, der von polytheistischem Sprachgebrauch auf die Entlehnung fremder Stoffe durch Deuterojesaja schließt: „Erstens wird in diesen Stücken der Polytheismus vorausgesetzt. Wer von den Göttern Beweise erbittet und sich mit ihnen in eine Disputation einläßt, hält sie für lebendige Wesen. Gewiß ist das für Deuterojesaja nur eine stilistische Einkleidung. Aber auf diese Einkleidung wäre er von sich aus niemals verfallen, da er ja immer wieder die Nichtigkeit der Götzen betont und ihre Existenz leugnet. Wie konnte ein so strenger Monotheist auch nur hypothetisch das zugeben, was er sonst aufs schärfste bekämpfte?" Die Zuspitzung steht im Dienste der Zurückweisung von Entwicklungshypothesen, die im monotheistischen Universalgott das Ziel universaler Religionsgeschichte sehen. 22 Mit den Begriffen Spezial- und Funktionsgott belegt Max Weber die von Hermann Usener, Götternamen, S. 75-76, als „Sondergott" bezeichnete göttliche Macht, „die eine räumlich, zeitlich oder sozial begrenzte Funktion ausübte". Zu Max Webers UsenerRezeption siehe die Einleitung, oben, S. 71-72. 23 Max Weber rezipiert Gunkel, Urgeschichte, S. 18. 24 Richter 5,20. Max Weber rezipiert Zimmern in: Schräder, Keilinschriften, S.456. Dort auch der Hinweis auf das Deboralied. Anders dagegen Greßmann, Eschatologie, S. 71 -
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che 25 wurde, trotzdem die Genesis seinen 0 Namen (Tiamat, Tehom) übernommen hat, zu einem d Urgewässer entpersönlicht, l:unde nur in l:Rahab,:l Leviathan und Behemoth' I ¡stecken: I, außerhalb der priesterlich bearbeiteten Urgeschichte, 9 l:Reste jenes mythischen:! Ungetümsh.:l Die Giganten (Nephilim)1 ragen nur noch in Rudimen- 5 ten in diek kosmogonische Erzählung hinein 26 und alle die phantastischen Bilder der hin Versen gedichteten:! babylonischen Ursage sind zu Gunsten eines schlichten hin Prosa erzählten:! Berichts1 fortgeläutert, welcher die Schaffung"1 des Menschen", der0 Vegetation und des Gartens Eden (Genesis 2), l:erst:l in der späteren, exilischen, Redak- 10 tion (Genesis 1 ) 27 hauch:! derp einzelnen Teile des Kosmos berichtet, bei derq Jahwe l:durchweg:l ganz allein handelnd auftritt. Die ErA 52 Zählung, bei welcher „Mensch" und „Ackerbauer" 11 :oder „Gartenbauer":! durchaus identisch ist, trägt l:dabei:l Alter der Dekaloge ihren Ursprung im babylonischenr Flußland 15 5 Urstandslehre hauch inhaltlich:! an der Stirn geschrieben.
c In A folgt: