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German Pages [534] Year 2017
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Nova Mediaevalia Quellen und Studien zum europäischen Mittelalter
Band 6
Herausgegeben von Nikolaus Henkel und Jürgen Sarnowsky
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Frank Godthardt
Marsilius von Padua und der Romzug Ludwigs des Bayern Politische Theorie und politisches Handeln
V& R unipress
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-89971-563-7 Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Johanna und Fritz Buch-Gedächnisstiftung. T 2017, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Göttingen / www.v-r.de Dieses Werk ist als Open-Access-Publikation im Sinne der Creative-Commons-Lizenz BY-NC-ND International 4.0 (»Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen«) unter dem DOI 10.14220/9783737000574 abzurufen. Um eine Kopie dieser Lizenz zu sehen, besuchen Sie http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/. Jede Verwertung in anderen als den durch diese Lizenz zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Titelbild: Staatsarchiv Bamberg, BBU 141. Goldbulle Ludwigs des Bayern von 1328, Revers (Ausschnitt). Sie zeigt eine perspektivische Ansicht profaner und sakraler Monumente Roms: außen die Aurelianische Stadtmauer und den Tiber mit der Tiberinsel, in der Mitte den Senatorenpalast auf dem Kapitol, das Kolosseum, den Konstantinsbogen, die Cestiuspyramide, Santa Maria in Trastevere, den Obelisken im Circus des Nero, St. Peter, die Engelsburg (Hadriansmausoleum), Santa Maria Rotonda (Pantheon), das Augustusmausoleum, die Säule des Marc Aurel, San Giovanni in Laterano. Die Umschrift lautet: Roma caput mundi regit frena orbis rotundi.
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Paris, BibliothHque Nationale de France, ms. lat. 14620, fol. 3. Miniatur auf der ersten Seite einer Abschrift des Defensor pacis aus dem 15. Jahrhundert. Sie zeigt in der unteren Bildmitte Marsilius von Padua mit drei Begleitern, der anderen Universitätsgelehrten einen Kodex (wohl mit einer Abschrift des Defensor pacis) überreichen will und dabei zum Kaiser aufblickt, links darüber in einem Rahmen der thronende Kaiser mit Fürsten, einem Mönch und Rittern, rechts oben der Papst bei einer Messe mit Kardinälen, Erzbischöfen und Bischöfen.
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Gewidmet meiner Großmutter Katharina und meinen Eltern
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Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1 Einleitung . . . . . . 1.1 Einführung . . . 1.2 Forschungsstand 1.3 Quellenlage . . .
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17 17 22 26
2 Das Leben des Marsilius von Padua vor dem Romzug . 2.1 Die Studienzeit in Padua und Paris . . . . . . . . 2.2 Die Abreise aus Paris: eine Flucht? . . . . . . . . 2.2.1 Zeit der Abreise . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Äußere Ursachen? . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Beweggründe . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Die Aufnahme an König Ludwigs Hof . . . . . . .
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3 Die politischen Schriften des Marsilius von Padua 3.1 Der Defensor pacis . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Der Tractatus de translatione imperii . . . . . 3.3 Der Defensor minor . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Andere Schriften . . . . . . . . . . . . . . . .
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4 Zur politischen Theorie des Marsilius von Padua . . . . . . . . . 4.1 Grundlagen: Gesetzgeber und Regierung in der politischen Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Das Kaisertum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Die Wahl des Kaisers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Der römische König und Kaiser als princeps Romanus 4.2.3 Die Kaiserkrönung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Der populus Romanus . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.5 Das nicht-universale Kaisertum . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
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5 Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung 5.1 Der Aufbruch nach Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Die neuen päpstlichen Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Ludwigs Königskrönung in Mailand . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Marsilius als Verwalter des Erzbistums Mailand . . . . . . . . . 5.5 Verhandlungen um die Kaiserkrönung . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Ludwigs römische Volksversammlung auf dem Kapitol . . . . . 5.7 Der Verlauf der Kaiserkrönung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8 Die Konsekratoren und Koronatoren . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.1 Die päpstlichen Prozesse als Quellen . . . . . . . . . . . 5.8.2 Die Konsekratoren: drei italienische Bischöfe . . . . . . 5.8.3 Die Koronatoren: vier Syndici des römischen Volkes . . 5.8.4 Der Capitano del popolo Sciarra Colonna als Hauptkoronator? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.5 Die Rolle des Stadtpräfekten Manfredi di Vico . . . . . . 5.9 Die Kaiserkrönung im Urteil der erzählenden Quellen . . . . . . 5.10 Die Kaiserkrönung in der Auffassung Kaiser Ludwigs . . . . . . 5.10.1 Gloriosus Deus (1328) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.10.2 Akten der Rekonziliationsverhandlungen mit der Kurie (1331 – 1343) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.10.3 Kaisergesetze und Denkschriften (1338/1339) . . . . . . 5.11 Der Einfluß von Marsilius und Johannes von Jandun auf die Kaiserkrönung im Spiegel der Quellen . . . . . . . . . . . . . . 5.12 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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189 189 200 211 214 221 230 236 254 254 258 264
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271 276 281 285 285
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288 294
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301 308
6 Der Romzug Ludwigs des Bayern II: Kaiser und Kirche . . . . . . . 6.1 Marsilius als vicarius in spiritualibus von Rom? . . . . . . . . . 6.2 Die Absetzungserklärung gegen Papst Johannes XXII. . . . . . . 6.2.1 Die drei Kaisergesetze vom 14. April 1328 . . . . . . . . 6.2.2 Das Absetzungsurteil Gloriosus Deus vom 18. April 1328
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313 313 320 320 324
4.2.6 Die translatio imperii . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Die Kirche in der politischen Gemeinschaft . . . . . . . . . 4.3.1 Die gläubigen Gesetzgeber und die Priesterschaft . . 4.3.2 Der höchste gläubige Gesetzgeber und das allgemeine Konzil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Kaiser und Papst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Gelehrte Ratgeber und politische Gemeinschaft . . . . . . .
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11
Inhalt
6.3
6.4
6.5
6.6 6.7
6.2.3 Die Absetzung Johannes’ XXII. in den erzählenden Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.4 Der Einfluß von Marsilius und Johannes von Jandun auf die Papstabsetzung im Spiegel der Quellen . . . . . . . . . Die Erhebung des Gegenpapstes Nikolaus V. . . . . . . . . . . . . 6.3.1 Das Kaisergesetz vom 23. April 1328 . . . . . . . . . . . . 6.3.2 Die Wahl durch Kaiser, Klerus und Volk von Rom . . . . . 6.3.3 Die Einsetzung durch Kaiser Ludwig am 12. Mai 1328 . . . 6.3.4 Die Weihe durch Bischof Giacomo Alberti . . . . . . . . . 6.3.5 Die Legitimität der kaiserlichen Papsterhebung in den erzählenden Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.6 Die Erhebung des neuen Papstes in der Auffassung Kaiser Ludwigs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.7 Der Einfluß von Marsilius und Johannes von Jandun auf die Papsterhebung im Spiegel der Quellen . . . . . . . . . Gegenseitige Krönungen Nikolaus’ V. und Ludwigs des Bayern? . 6.4.1 Die Krönungen vom 22. Mai 1328 in den chronikalischen Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.2 Die Krönungen vom 22. Mai 1328 in den urkundlichen Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.3 Erörterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die kaiserlichen Urkunden für Johannes von Jandun . . . . . . . 6.5.1 Die Ernennung zum Bischof von Ferrara . . . . . . . . . . 6.5.2 Die Bestallung als kaiserlicher secretarius und consiliarius . Das Ende des Italienzuges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7 Ausblick: Marsilius von Padua und Ludwig der Bayer nach dem Romzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Zur Verwendung des Defensor pacis in der kaiserlichen Kanzlei . 7.2 Marsilius in Ludwigs Rekonziliationsverhandlungen mit der Kurie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
332 336 343 343 348 353 356 360 372 377 385 387 394 400 403 403 407 411 416
421 421 430
8 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
447
Quellen- und Literaturverzeichnis Siglenverzeichnis . . . . . . . . . Quellen . . . . . . . . . . . . . . Ungedruckte Quellen . . . . Gedruckte Quellen . . . . .
459 459 460 460 460
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Inhalt
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460 466 471 475 475 479
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
527
Urkundliche Quellen Historiographie . . . Publizistik . . . . . . Rechtsquellen . . . . Übersetzungen . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . .
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MARSILIUS QUEM TITULUM SUI OPERIS PATAVINUM PRAESCRIBIT. EX QUA STIRPE GENUS TRAXERIT NON SATIS CONSTAT. PHILOSOPHUS, ASTROLOGUS ET THEOLOGUS PERACUTUS IN DIFFERENDO MAGNO ACUMINE INGENII PRAEDICTUS. OB ID HAERESIS INSIMULATUS TANTUM NON CAPTUS EXUL IN GERMANIAM AD LUDOV. BAVARUM IMPERAT. MAGNANIMUM CONFUGIT, CUM QUO FAMILIARIS, ET CONTUBERNAIS VIXIT CUM ALIIS DOCTISSIMIS, ET AD QUEM SCRIPSIT LIBELLOS ILLOS, QUOS DOCTISSIMI GERMANORUM THESAUROS VOCITANT ET PROFIRENTUR. PRAECEDENTE TEMPORE MARSILIO HORTANTE, BAVARUS CUM INGENTIBUS EQUITUM PEDITUMQUE COPIIS SUPERATIS ALPIBUS INTRANS ITALIAM ROMAM INVICTIS OMNIBUS INGREDITUR, ET CORONATUR, ALTERUM PONTIFICEM CREANS CONTEMPTIS COMMINATIONIBUS PRAESIDIS IN OPPIDIS TUNC DITIONE PONTIFICIA SUBIECTIS IN GERMANIAM REVERTITUR, UBI EXCESSIT ANNO XXXII SUI IMPERII. DE MORTE ET SEPULTURA MARSILII NIL ALIUD CONSTAT, NISI QUOD INSTAR NUMINIS NOMEN HUIUS VIRI MANSIT, ET HODIE MANET APUD GERMANOS.
Inschrift auf einer nicht mehr existierenden Tafel in der Kirche San Leonardo in Padua. Giovanni Cavaccia, Aula Zabarella, sive Elogia Illustrium Patavinorum, Padua 1670, S. 153.
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Vorwort
Das vorliegende Buch ist die überarbeitete Fassung meiner dem Department Geschichtswissenschaft der Universität Hamburg im Wintersemester 2007/2008 vorgelegten Dissertation. Meinem Doktorvater Professor Dr. Jürgen Sarnowsky, der mir bei der Anfertigung dieser Arbeit alle Freiheiten gelassen hat, gilt mein erster Dank für vielfältige Unterstützung im Laufe vieler Jahre. Professor Dr. Dieter von der Nahmer bin ich nicht nur wegen des Zweitgutachtens dankbar verbunden. Mein Interesse an dem Paduaner Philosophen, der ein wenig die Welt bewegt hat, wurde geweckt im philosophischen Seminar von Privatdozent Dr. Wolfgang Beßner. Mein besonderer Dank für wichtige und zahlreiche Anregungen über viele Jahre gilt Professor Dr. Cary Nederman. Professor Dr. Jürgen Miethke hat mir in der Phase der ersten Orientierung über das Thema und vor der Drucklegung wichtigen Rat gegeben. Für die Aufnahme im Collegio Teutonico während meiner Forschungen im Archivio Segreto Vaticano und in der Biblioteca Apostolica Vaticana danke ich Professor Dr. Erwin Gatz. Unzählige anregende Diskussionen haben Professor Dr. Gerson Moreno-RiaÇo und vor allem Professor Dr. Bettina Koch mit mir geführt. Für das Korrekturlesen der Arbeit in verschiedenen Stadien ihrer Entstehung danke ich Maren Limbacher, Bettina Koch, Dr. Andreas Hettiger, Kathrin Enzel, Dr. Mathias Jehn und vor allem Professor Dr. Matthias Asche. Für seine Kommentare und Anregungen vor der Drucklegung danke ich Dr. Martin Bertram vom Deutschen Historischen Institut in Rom. Die Anfertigung dieser Arbeit ist durch ein Promotionsstipendium der Freien und Hansestadt Hamburg gefördert worden, für die Druckkosten gewährte mir die Johanna und Fritz Buch-Gedächtnisstiftung einen Zuschuß. Beiden gilt mein Dank. Für die Aufnahme dieser Monographie in die Reihe Nova Mediaevalia danke ich den Herausgebern Jürgen Sarnowsky und Professor Dr. Nikolaus Henkel. Für vielfältige und immerwährende Unterstützung danke ich meiner Großmutter Katharina und meinen Eltern, denen dieses Buch gewidmet ist. Hamburg, im März 2011 Frank Godthardt
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1 Einleitung
1.1
Einführung
Marsilius von Padua vollendete sein politisches Hauptwerk, den »Verteidiger des Friedens« (Defensor pacis), kurze Zeit nach dem Ausbruch des Konflikts zwischen dem römisch-deutschen König Ludwig dem Bayern und Papst Johannes XXII. Dieser Konflikt wurde im weiteren Verlauf eine Auseinandersetzung zwischen Papsttum und Kaisertum, die nach den Höhepunkten des Investiturstreits und der Stauferzeit zur letzten großen Konfrontation der beiden höchsten Gewalten des europäischen Mittelalters werden sollte.1 Der Ursprung dieser Auseinandersetzung waren vor allem die von Johannes XXII. ausgeweiteten und verstärkt zur Geltung gebrachten politischen Ansprüche gegenüber dem römisch-deutschen Reich. Zum einen vertrat Johannes XXII. den Anspruch auf die Approbation der römisch-deutschen Königswahl, ohne die ein gewählter König sein Amt nicht ausüben dürfe, und zum anderen den Anspruch auf die Ausübung des – praktisch vor allem in Reichsitalien angestrebten – Vikariats bei der Thronvakanz des Reiches, die bis zur päpstlichen Approbation eines römischen Königs bestehe.2 Nach dem Tod Kaiser Heinrichs VII. konnten sich die Kurfürsten nicht auf einen Nachfolger einigen. Es kam 1314 zu einer Doppelwahl, bei der sowohl der Wittelsbacher Herzog Ludwig von Oberbayern als auch der Habsburger Herzog Friedrich von Österreich gewählt wurden. Ludwig erhielt fünf und Friedrich vier 1 So bereits im Titel Hilary Seton Offler, Empire and Papacy. The Last Struggle, in: Transactions of the Royal Historical Society, 5th series, 6 (1956), S. 21 – 47. 2 Vgl. Dagmar Unverhau, Approbatio – Reprobatio. Studien zum päpstlichen Mitspracherecht bei Kaiserkrönung und Königswahl vom Investiturstreit bis zum ersten Prozeß Johanns XXII. gegen Ludwig IV. (Historische Studien, Heft 424), Lübeck 1973; konzise Jürgen Miethke, Art. Approbation der deutschen Königswahl, in: 3LThK, Bd. 1 (1993), Sp. 888 – 891; Friedrich Baethgen, Der Anspruch des Papsttums auf das Reichsvikariat. Untersuchungen zur Theorie und Praxis der potestas indirecta in temporalibus, in: ZSRG KA 10 (1920), S. 168 – 268, (mit Ergänzungen) wiederabgedruckt (danach zitiert) in: ders., Mediaevalia, Bd. 1, Stuttgart 1960, S. 110 – 185, zu Johannes XXII. bes. S. 168 – 185.
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18
Einleitung
Stimmen, wobei zwei Stimmen mehr als üblich abgegeben wurden, da zwei Kurstimmen gespalten und strittig waren. Die Gewählten haben nicht beim Papst um Approbation ihrer Wahl gebeten. Die im Oktober 1314 von ihren jeweiligen Wählern ausgestellten und, wegen der bis zur Wahl Johannes XXII. im Jahr 1316 andauernden Sedisvakanz, an den künftigen Papst adressierten Wahldekrete enthielten für beide die Bitte um Kaiserkrönung, nur für Friedrich auch die Bitte um Approbation, sie wurden aber nie abgeschickt.3 Auch nachdem Johannes XXII. nach langer Sedisvakanz im August 1316 zum Papst gewählt wurde, haben Friedrich und Ludwig nicht um ihre Approbation nachgesucht. Beide gewählten Könige wurden am 25. November 1314 gekrönt. Ludwig wurde am rechten Ort in Aachen, aber nicht mit den echten Reichsinsignien und nicht vom Erzbischof von Köln, dem die Königskrönung zustand, sondern vom Erzbischof von Mainz gekrönt. Der Erzbischof von Köln krönte Friedrich den Schönen mit den echten Insignien, aber am falschen Ort, nämlich in Bonn. Die Gegenkönige kämpften danach mit militärischen Mitteln um die Herrschaft im Reich, was allerdings über acht Jahre zu keiner Entscheidung führte. Papst Johannes XXII. betrachtete nach seiner Amtsübernahme beide Könige lediglich als electi und erkannte keinen der Gewählten als König an. Der in Avignon residierende Papst erließ bereits am 31. März 1317 die Konstitution Si fratrum, in der er das Reich als vakant erklärte, für sich die Vikariatsrechte in Italien beanspruchte und alle von Kaiser Heinrich VII. eingesetzten Reichsvikare in Italien für abgesetzt erklärte.4 Am 26. Juli 1317 ernannte Johannes XXII. König Robert von Neapel zum Reichsvikar für Italien.5 Die unentschiedene politische Lage im Reich, die der Politik Johannes’ XXII. entgegenkam, änderte sich, als Ludwig im September 1322 seinen Konkurrenten in der Entscheidungsschlacht bei Mühldorf am Inn besiegte und gefangennahm. Ludwig konnte nun eine aktive Politik in Reichsitalien verfolgen und machte seinen Herrschaftsanspruch geltend, indem er im März 1323 Berthold von Neuffen als seinen Reichsvikar mit allen Vollmachten nach Italien sandte.6 Der offene Ausbruch des Interessen-
3 MGH Const. V, 1909 – 1913, Nr. 95, S. 91 – 93 (für Friedrich), und Nr. 102, S. 98 – 103 (für Ludwig); danach abgedruckt und übersetzt bei Lorenz Weinrich (Hg.), Quellen zur Verfassungsgeschichte des römisch-deutschen Reiches im Spätmittelalter (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe, Bd. 33), Darmstadt 1983, Nr. 80a, S. 254 – 259, und Nr. 80b, S. 258 – 265. 4 MGH Const. V, 1909 – 1913, Nr. 401, S. 340 – 341; Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 5, S. 214. 5 Carl Erdmann, Vatikanische Analekten zur Geschichte Ludwigs des Bayern, in: Archivalische Zeitschrift, 3. Folge, 8 (= 41) (1932), S. 1 – 47, Anhang C, S. 44 – 45 mit Anm. 126, wonach die MGH Const. V, 1909 – 1913, Nr. 443a, S. 367 – 368 edierte Urkunde vom 16. Juli mit stark abweichendem Text nicht abgesandt wurde, vgl. Bathgen, Anspruch, 1960, S. 171, Anm. 243. 6 MGH Const. V, 1909 – 1313, Nr. 729, S. 568 – 570; Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 543, S. 32.
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19
Einführung
konflikts über Oberitalien gab für Papst Johannes XXII. den Anlaß, gegen Ludwig auf der Ebene eines kanonisch-rechtlichen Verfahrens vorzugehen. Am 8. Oktober 1323 veröffentlichte er in Avignon eine Prozeßschrift, in der er Ludwigs Königswahl für ungültig erklärte, da sie ohne päpstliche Approbation geblieben sei. Der Papst habe das Recht der Prüfung, Bestätigung und Zulassung oder auch der Zurückweisung und Verwerfung zum einen im Falle einer zwiespältig (in discordia) erfolgten Wahl und zum anderen grundsätzlich bei Vorbehalten gegen die Person des Gewählten. Da Ludwig nicht approbiert worden sei, habe er die Herrschaft in Deutschland und Italien und den Königstitel nur gewaltsam an sich gerissen. Johannes XXII. forderte Ludwig auf, innerhalb von drei Monaten seine Amtsausübung zu beenden, andernfalls drohe ihm die Exkommunikation. Allen Untertanen wurde verboten, Ludwig als König zu gehorchen.7 Das war der Auftakt zu einem Verfahren, in dem noch viele Prozeßschriften Johannes’ XXII. folgen sollten. Ludwig reagierte, indem er dagegen protestierte und an den Apostolischen Stuhl appellierte.8 Ein paar Wochen später veröffentlichte Ludwig in Frankfurt eine geänderte Fassung seines Protestschreibens, die nun eine Appellation an ein – noch nicht bestehendes – allgemeines Konzil enthielt, das die Fragen entscheiden sollte.9 Nachdem Ludwig seine Herrschaft nicht niedergelegt hatte, kündigte Johannes XXII. am 7. Januar 1324 im zweiten Prozeß gegen Ludwig eine Bestrafung innerhalb von zwei Monaten an.10 Johannes XXII. reagierte nicht auf Ludwigs Appellationen. In seinem dritten Prozeß vom 23. März 1324 exkommunizierte er Ludwig und jeden, der ihm weiter anhing. Alle Städte und Landschaften, die Ludwig als König anerkannten, sollten dem Interdikt unterliegen. Seinen Königstitel sollte Ludwig innerhalb 7 MGH Const. V, 1909 – 1913, Nr. 792, S. 616 – 619; Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 14, S. 215; abgedruckt und übersetzt in Otto Berthold, Karl Czok und Walter Hofmann (Hgg.), Kaiser, Volk und Avignon. Ausgewählte Quellen zur antikurialen Bewegung in Deutschland in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts (Leipziger Übersetzungen und Abhandlungen zum Mittelalter, Reihe A, Bd. 3), Berlin 1960, Nr. 2, S. 34 – 43; im Auszug abgedruckt und übersetzt in Jürgen Miethke und Arnold Bühler, Kaiser und Papst im Konflikt. Zum Verhältnis von Staat und Kirche im späten Mittelalter (Historisches Seminar, Bd. 8), Düsseldorf 1988, S. 132 – 136. 8 MGH Const. V, 1909 – 1913, Nr. 824, S. 641 – 647; Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 664, S. 39. 9 MGH Const. V, 1909 – 1913, Nr. 836, S. 655 – 659. Vgl. Friedrich Bock, Die Appellationsschriften König Ludwigs IV. in den Jahren 1323/24, in: DA 4 (1941), S. 179 – 205; Alois Schütz, Die Appellationen Ludwigs des Bayern aus den Jahren 1323/24, in: MIÖG 80 (1972), S. 71 – 112; Hans-Jürgen Becker, Die Appellation vom Papst an ein allgemeines Konzil. Historische Entwicklung und kanonistische Diskussion im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht, Bd. 17), Köln/Wien 1988, bes. S. 83 – 99; Tilman Schmidt, Vom Nutzen nutzloser Appellationen an ein allgemeines Konzil, in: DA 46 (1990), S. 173 – 176. 10 MGH Const. V, 1909 – 1913, Nr. 839, S. 661 – 662; Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 17, S. 215.
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20
Einleitung
von drei Monaten ablegen.11 Dagegen ließ Ludwig die umfangreiche Sachsenhäuser Appellation vom 22. Mai 1324 verfassen.12 Im vierten Prozeß vom 11. Juli 1324, dem erst nach dem Beginn des Romzugs weitere Prozesse folgen sollten, sprach Johannes XXII. Ludwig schließlich alle Rechte aus der Königswahl ab.13 Marsilius von Padua beendete an der Universität Paris noch vor dem vierten Prozeß Johannes’ XXII. gegen König Ludwig am 24. Juni 1324 seinen Defensor pacis, der eine philosophisch begründete und theoretisch entwickelte Reaktion auf die Politik und die politischen Theoreme des Papstes darstellt, die Marsilius heute den Rang eines »Klassikers des politischen Denkens« einträgt.14 Die darin vorgelegte politische Theorie vertritt die Unabhängigkeit jeder Art von weltlicher Herrschaft, auch des römisch-deutschen Kaisertums, von politischen Eingriffen geistlicher Instanzen. Darüber hinaus wurde die Geistlichkeit als Teil der umfassenden politischen Gemeinschaft begriffen, die über den Klerus und seine Ämter bis hin zum Papstamt im Interesse der Gesamtheit zu entscheiden habe. Nach dem Abschluß des Defensor pacis verließ Marsilius Paris gemeinsam mit seinem Kollegen Johannes von Jandun und fand in Deutschland Aufnahme am Hof König Ludwigs. Marsilius und Johannes von Jandun begleiteten Ludwig auf dessen Italienzug von 1327 bis 1329, mit dem der Konflikt zwischen Ludwig dem Bayern und Papst Johannes XXII. seinen Höhepunkt erreichte. Vor allem drei spektakuläre politische Vorgänge in Rom werden vom größten Teil der Forschung auf den Einfluß des Marsilius zurückgeführt. Ludwig ließ sich am 17. Januar 1328 ohne Beteiligung oder Autorisierung des Papstes in Rom zum Kaiser krönen. Etwa drei Monate nach der Kaiserkrönung, am 18. April 1328, erklärte Kaiser Ludwig Papst Johannes XXII. in einem Urteilsspruch für abgesetzt. Am 12. Mai setzte Kaiser Ludwig den Franziskaner Pietro von Corvaro als neuen Papst mit dem Namen Nikolaus V. ein, den er zehn Tage später selbst krönte und von dem er anschließend noch einmal die Kaiserkrone aufgesetzt bekam. Die genauen Umstände und vor allem die legitimatorische Basis dieser politischen Ereignisse 11 MGH Const. V, 1909 – 1913, Nr. 881, S. 692 – 699; Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 18, S. 215. Vgl. Martin Kaufhold, Gladius spiritualis. Das päpstliche Interdikt über Deutschland in der Regierungszeit Ludwigs des Bayern (1324 – 1347) (Heidelberger Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte, N. F., Bd. 6), Heidelberg 1994. 12 MGH Const. V, 1909 – 1913, Nrrn. 909 und 910, S. 722 – 744, 745 – 754; Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 719, S. 42 (frühere, »franziskanische« Fassung); abgedruckt und übersetzt in Berthold/Czok/Hofmann (Hgg.), Kaiser, 1960, Nr. 3, S. 44 – 107. 13 MGH Const. V, 1909– 1913, Nr. 944, S. 779 – 788. Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 31, S. 216 – 217. 14 Heinz Rausch, Marsilius von Padua, in: Hans Maier, Heinz Rausch und Horst Denzer (Hgg.), Klassiker des politischen Denkens, Bd. 1: Von Plato bis Hobbes, 6. überarbeitete und erweiterte Auflage, München 1986, S. 150 – 164; Dirk Lüddecke, Marsilius von Padua, in: Hans Maier und Horst Denzer (Hgg.), Klassiker des politischen Denkens, Bd. 1: Von Plato bis Thomas Hobbes, 3. völlig überarbeitete Ausgabe der 6. geb. Auflage von 1986, München 2007, S. 107 – 118.
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21
Einführung
sind trotz einer langen Forschungsgeschichte noch keineswegs geklärt. Ebensowenig ist das genaue Verhältnis von Marsilius’ politischer Theorie zu diesen Vorgängen bestimmt worden. Es ist oft darauf hingewiesen worden, daß eine eigene Untersuchung der Wirkung des Marsilius auf die Politik seiner Zeit noch aussteht. Das Desiderat wurde von führenden Vertretern der Marsilius-Forschung deutlich angesprochen. Cary J. Nederman konstatiert: »Certainly, many of the formal and rhetorical features of Ludwig’s Roman adventure bear a Marsiglian stamp. But the true extent of Marsiglio’s role in designing the scenario remains unresolved.«15 Und Jürgen Miethke stellt heraus: »Seinem [Marsilius’] Verständnis ist eine ganze Bibliothek von Forschungen gewidmet. Trotzdem ist sein Einfluß auf Zeitgenossen und Nachwelt noch nicht abschließend geklärt.«16 Die leitende Frage dieser Untersuchung ist daher : Welche Rolle spielte Marsilius’ politische Theorie für das politischen Handeln Ludwigs des Bayern in Rom? Diese Frage ist aus mehreren Gründen noch nicht beantwortet. Zunächst ist Marsilius’ theoretisches Werk noch nicht auf systematische Weise mit dem Ziel untersucht worden, mögliche Legitimationsgründe für Ludwigs politisches Handeln in Rom zu finden. Ein weiterer wichtiger Grund ist, daß die politischen Vorgänge in Rom in der Forschung umstritten oder noch nicht hinreichend geklärt sind. Die Frage etwa, wer bei Ludwigs Kaiserkrönung die Koronatoren und Konsekratoren anstelle des Papstes waren, ist in der Forschung nicht mit Einigkeit beantwortet und noch nicht auf der Basis der verfügbaren Quellen abschließend untersucht worden. Auch die Rolle und politische Bedeutung der Römer vor und während Ludwigs Romaufenthalt bedarf einer genaueren Klärung. Drittens sind die zeitgenössischen Quellen ganz unterschiedlicher Parteinahme und Provenienz, die Marsilius im Zusammenhang mit dem Romzug erwähnen, noch nicht systematisch im Hinblick auf dessen Einfluß auf Ludwigs Politik untersucht worden. 15 Cary J. Nederman, Editor’s Introduction, in: Marsiglio of Padua, Writings on the Empire. Defensor minor and De translatione Imperii, hrsg. und übersetzt von Cary J. Nederman, Cambridge 1993, S. XV. 16 Jürgen Miethke, Der Weltanspruch des Papstes im späten Mittelalter. Die politische Theorie der Traktate De Potestate Papae, in: Iring Fetscher und Herfried Münkler (Hgg.), Pipers Handbuch der politischen Ideen, Bd. 2: Das Mittelalter. Von den Anfängen des Islams bis zur Reformation, München/Zürich 1993, S. 351 – 445, hier S. 402. Vgl. auch Hilary Seton Offler, Meinungsverschiedenheiten am Hof Ludwigs des Bayern im Herbst 1331, in: DA 11 (1954/ 55), S. 191 – 206, hier S. 191 – 192, der zum Fortschritt der Forschung und mit Bezug auf die oppositionellen Franziskaner und Marsilius bemerkt: »Denn obwohl der Wert jener ungeheuren Literaturmassen für die Ideengeschichte nun besser abgeschätzt werden kann, hat die Diskussion einer verwandten Frage noch keine vergleichbaren Fortschritte gemacht: welches war der wirkliche Einfluß, den diese Intellektuellen auf Ludwigs politisches Handeln ausübten? Oder, mit anderen Worten, inwieweit gestalteten sie kaiserliche Politik, während des langen Zeitraums, in dem sie in Ludwigs Umgebung wirkten?«
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22
1.2
Einleitung
Forschungsstand
Die Forschung zu Marsilius von Padua hat in den zurückliegenden Jahren in starkem Maße zugenommen. Der erreichte Stand der Forschung wurde im Jahr 1995 gleich durch zwei Monographien repräsentiert: Carlo Dolcinis Einführung in Leben und Werk des Paduaner Philosophen und Cary Nedermans Darstellung von Marsilius’ politischer Theorie.17 Ein in ähnlicher Weise eigene frühere Forschungen zur Synthese führendes Werk legte Jürgen Miethke im Jahr 2000 vor, das, einen größeren Zusammenhang in den Blick nehmend, Marsilius’ Werk in den ideengeschichtlichen und realgeschichtlichen Kontext einbettet.18 Nachdem in den Jahren 1942 und 1979 die Kongresse in Padua der Forschung zu Marsilius wichtige Impulse gegeben haben,19 fanden jüngst in ein und derselben Woche im Jahr 2003 zum einen ein Symposium anläßlich der Emeritierung Jürgen Miethkes in Heidelberg, das unter dem Thema der politischen Theorie des späten Mittelalters besonders auch Marsilius zum Gegenstand hatte,20 und zum anderen eine von Gerson Moreno-RiaÇo organisierte Serie von sechs Sektionen zu Marsilius im Rahmen des International Medieval Congress in Leeds statt.21 Ein weiteres Kennzeichen der gegenwärtigen Phase der Forschung zu Marsilius’ Werk ist die seit dem Beginn der 1990er Jahre stark angestiegene Anzahl von Dissertationen, in denen vor allem einzelne Aspekte seiner politischen Theorie neu bearbeitet und vergleichende Untersuchungen vorgenommen wurden.22 17 Carlo Dolcini, Introduzione a Marsilio da Padova (I filosofi 63), Rom 1995; Cary J. Nederman, Community and Consent. The Secular Political Theory of Marsiglio of Padua’s Defensor Pacis, London 1995. 18 Jürgen Miethke, De potestate papae. Die päpstliche Amtskompetenz im Widerstreit der politischen Theorie von Thomas von Aquin bis Wilhelm von Ockham (Spätmittelalter und Reformation, Neue Reihe, Bd. 16), Tübingen 2000; jetzt neu aufgelegt unter dem Titel Politiktheorie im Mittelalter. Von Thomas von Aquin bis Wilhelm von Ockham, durchgesehene und korrigierte Studienausgabe, Tübingen 2008. 19 Aldo Checchini und Norberto Bobbio (Hgg.), Marsilio da Padova. Studi raccolti nel VI centenario della morte (Pubblicazioni della facolt/ di giurisprudenza della r. universit/ di Padova), Padua 1942; die Konferenzbeiträge von 1979 sind in den Jahrgangsbänden 5 und 6 der Zeitschrift Medioevo. Rivista di storia della filosofia medievale gedruckt. 20 Martin Kaufhold (Hg.), Politische Reflexion in der Welt des späten Mittelalters/Political Thought in the Age Scholasticism. Essays in Honour of Jürgen Miethke (Studies in Medieval and Reformation Tradition, Bd. 103), Leiden/Boston 2004. 21 Gerson Moreno-RiaÇo (Hg.), The World of Marsilius of Padua (Disputatio 5), Turnhout 2006 [erschienen 2007]. 22 Stephen F. Torraco, Priests as Physicians of Souls in Marsilio of Padua’s Defensor Pacis, San Francisco 1992. – Michael Löffelberger, Marsilius von Padua. Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat im »defensor pacis« (Schriften zur Rechtsgeschichte, Heft 57), Berlin 1992. –Vincenzo Omaggio, Marsilio da Padova. Diritto e politica nel Defensor pacis (Pensiero giuridico, saggi, Bd. 2), Neapel 1995 [erschienen 1996]. – Matthias Runge, Marsilius von
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Forschungsstand
23
Die Erforschung von Marsilius’ Leben nahm vor allem mit Sigmund Riezlers Darstellung über die literarischen Widersacher der Päpste zur Zeit Ludwigs des Bayern 1874 ihren Anfang, und um die Jahrhundertwende wurde viel Quellenmaterial von James Sullivan und No[l Valois zusammengetragen.23 In den 1920er und 1930er Jahren folgten grundlegende Aufsätze von Charles Kenneth Brampton, Johannes Haller und Charles William Previt8-Orton.24 Die erste Biographie in Buchform verfaßte 1967 Carlo Pincin, die auch neues Quellenmaterial bot und bis heute die umfassendste und gründlichste Darstellung geblieben ist.25 Zu mehr Klarheit in Marsilius’ Biographie haben auch Ludwig Schmugges Dissertation zu Johannes von Jandun von 1966 und die Forschungen Jürgen Miethkes beigetragen.26 Zuletzt haben sich 2004 Gregorio Piaia und William Courtenay, 2006 Frank Godthardt und 2008 Jürgen Miethke zu biographischen Fragen geäußert.27
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27
Padua. Politik und Tugend im politischen Denken des ausgehenden Hochmittelalters, Hannover 1996. – Stefano Simonetta, Marsilio in Inghilterra. Stato e chiesa nel pensiero politico inglese fra XIV e XVII secolo (Pubblicazioni della Facolt/ di Lettere e Filosofia dell’Universit/ di Milano 195), Diss. phil. Mailand 2000. – Riccardo Battocchio, Temi ecclesiologici in Marsilio da Padova. Un’ ecclesiologia »alternativa«?, Diss. phil. Rom 2005. – Bettina Koch, Zur Dis-/Kontinuität mittelalterlichen politischen Denkens in der neuzeitlichen politischen Theorie. Marsilius von Padua, Johannes Althusius und Thomas Hobbes im Vergleich (Beiträge zur politischen Wissenschaft, Bd. 137), Berlin 2005. – Vasileios Syros, Die Rezeption der aristotelischen politischen Philosophie bei Marsilius von Padua. Eine Untersuchung zur ersten Diktion des Defensor pacis (Studies in Medieval and Reformation Tradition), Leiden 2008. – Hwa-Yong Lee, Political Representation in the Later Middle Ages. Marsilius in Context, New York 2008. Sigmund Riezler, Die literarischen Widersacher der Päpste zur Zeit Ludwigs des Baiern. Ein Beitrag zur Geschichte der Kämpfe zwischen Staat und Kirche, Leipzig 1874, (Burt Franklin Research and Source Works Series, Bd. 14) Ndr. New York 1961, bes. S. 30 – 41; James Sullivan, Marsiglio of Padua and William of Ockham, in: American Historical Review 2 (1896/ 97), S. 409 – 426 und 593 – 610, der allerdings häufig unzuverlässig ist; No[l Valois, Jean de Jandun et Marsile de Padoue, auteurs du Defensor pacis, in: Histoire litt8raire de la France 33 (1906), S. 528 – 623. Charles Kenneth Brampton, Marsiglio of Padua. Part 1: Life, in: EHR 37 (1922), S. 501 – 515; Johannes Haller, Zur Lebensgeschichte des Marsilius von Padua, in: ZfKG 48 (1929), S. 166 – 197; Charles William Previt8-Orton, Marsilius of Padua, in: Proceedings of the British Academy 21 (1935), S. 137 – 183. Carlo Pincin, Marsilio (Pubblicazioni dell’Istituto di Scienze Politiche dell’Universit/ di Torino, Bd. 17), Turin 1967. Ludwig Schmugge, Johannes von Jandun (1285/89 – 1328). Untersuchungen zur Biographie und Sozialtheorie eines lateinischen Averroisten (Pariser Historische Studien, Bd. 5), Suttgart 1966, bes. S. 26 – 38; für Jürgen Miethkes Forschungen vgl. vor allem ders., Die Wirkungen politischer Philosophie auf die Praxis der Politik im römischen Reich des 14. Jahrhunderts. Gelehrte Politikberatung am Hofe Ludwigs des Bayern, in: Political Thought and the Realities of Power in the Middle Ages. Politisches Denken und die Wirklichkeit der Macht im Mittelalter, hrsg. von Joseph Canning und Otto Gerhard Oexle, Göttingen 1998 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 147), S. 173 – 210. Gregorio Piaia, The Shadow of Antenor : On the Relationship Between the Defensor Pacis and the Institutions of the City of Padua, in: Kaufhold (Hg.), Politische Reflexion, 2004, S. 193 –
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24
Einleitung
Das Interesse der Forschung an Marsilius’ Leben konzentrierte sich auf die Zeit bis zum Abschluß des Defensor pacis, auf die Vorgeschichte seines theoretischen Werkes. Gerade die Zeit seines größten Einflusses, des Höhepunktes von Marsilius’ Karriere, ist noch nicht Gegenstand einer systematischen Erfassung und Auswertung der Gesamtheit der Quellenaussagen geworden. Monographische Studien zum politischen Wirken des Marsilius gibt es im Unterschied etwa zu den publizistisch tätigen Zeitgenossen Lupold von Bebenburg und den Franziskanern am Hof Ludwigs nicht.28 Marsilius’ Einfluß als Ratgeber des Kaisers ist bereits in der älteren Forschung im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung zwischen Ludwig dem Bayern und den Päpsten in den Monographien von Riezler, Carl Müller und Otto Bornhak untersucht worden.29 In der folgenden Zeit ist sein Wirken als Ratgeber vor allem im Zusammenhang mit den konkurrierenden Beratergruppen um Ludwig den Bayern thematisiert worden.30 207; William J. Courtenay, University Masters and Political Power. The Parisian Years of Marsilius of Padua, in: ebenda, S. 209 – 223; Frank Godthardt, The Philosopher as Political Actor – Marsilius of Padua at the Court of Ludwig the Bavarian: The Sources Revisited, in: Moreno-RiaÇo (Hg.), World, 2006, S. 29 – 46; Miethke, Jürgen, Die Briefgedichte des Albertino Mussato an Marsilius von Padua, in: Pensiero Politico Medievale 6 (2008), S. 49 – 65. 28 Gerhard Barisch, Lupold von Bebenburg. Zum Verhältnis von politischer Praxis, politischer Theorie und angewandter Politik. Eine Studie zum Eigenwert politischen Handelns in der Geschichte und Gegenwart des 14. Jahrhunderts (113. Bericht des Historischen Vereins Bamberg), Bamberg 1977. – Fritz Hofmann, Der Anteil der Minoriten am Kampf Ludwigs des Bayern gegen Johannes XXII. unter besonderer Berücksichtigung des Wilhelm von Ockham, Diss. Münster 1959. 29 Riezler, Widersacher, 1874; Carl Müller, Der Kampf Ludwigs des Baiern mit der römischen Curie. Ein Beitrag zur kirchlichen Geschichte des 14. Jahrhunderts, 2 Bde., Bd. 1: Ludwig der Baier und Johann XXII., Bd. 2: Ludwig der Baier, Benedikt XII. und Clemens VI., Tübingen 1879 – 1880; Otto Bornhak, Staatskirchliche Anschauungen und Handlungen am Hofe Kaiser Ludwigs des Bayern (Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit, Bd. 7, Heft 1), Weimar 1933. 30 Karl Bosl, Die »geistliche Hofakademie« Kaiser Ludwigs des Bayern im alten Franziskanerkloster zu München, in: Der Mönch im Wappen. Aus Geschichte und Gegenwart des katholischen Münchens, München 1960, S. 97 – 129; ders., Der geistige Widerstand am Hofe Ludwigs des Bayern gegen die Kurie. Die politische Ideenwelt um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert und ihr historisches Milieu in Europa, in: Hermann Heimpel et al. (Hgg.), Die Welt zur Zeit des Konstanzer Konzils. Reichenau-Vorträge im Herbst 1964 (Vorträge und Forschungen, Bd. 9), Konstanz/Stuttgart 1965, S. 99 – 119; Alois Schütz, Der Kampf Ludwigs des Bayern gegen Papst Johannes XXII. und die Rolle der Gelehrten am Münchner Hof, in: Hubert Glaser (Hg.), Wittelsbach und Bayern, Bd. I/1: Die Zeit der frühen Herzöge. Von Otto I. zu Ludwig dem Bayern. Beiträge zur Bayerischen Geschichte und Kunst 1180 – 1350, München/Zürich 1980, S. 388 – 397; Matthias Kaufmann, Wilhelm von Ockham und Marsilius von Padua. Papstkritiker am Hofe Ludwigs des Bayern, in: Silvia Glaser und Andrea M. Kluxen (Hgg.), Musis et Litteris. Festschrift für Bernhard Rupprecht zum 65. Geburtstag, München 1993, S. 569 – 580; Dick E. H. de Boer, Ludwig the Bavarian and the Scholars, in: Jan Willem Drijvers und Alasdair A. MacDonald (Hgg.), Centres of Learning. Learning and Location in Pre-Modern Europe and the Near East (Brill’s Studies in Intellectual History, Bd. 61), Leiden/New York/Köln 1995, S. 229 – 244.
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Forschungsstand
25
Der klassische Ort der Behandlung des Einflusses von Marsilius’ politischer Theorie auf Kaiser Ludwigs politisches Handeln sind die Untersuchungen zum Romzug gewesen, die jedoch keine systematische Darstellung von Marsilius’ theoretischen Positionen enthielten. Der Gang der Forschung zeigt eine intensive Beschäftigung mit Ludwigs Romzug vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Grundlegend und mit wirkungsmächtigem Urteil ist Ferdinand Gregorovius’ Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter, deren einschlägiger sechster Band im Jahr 1867 erschienen ist.31 In den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurden kurz hintereinander allein drei Monographien verfaßt, angeregt durch die philosophische Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin, die 1883 eine Darstellung des Romzugs Ludwigs des Bayern zur Preisfrage gemacht hatte.32 Zuerst erschien 1885 die Königsberger Dissertation von Wilhelm Tesdorpf, dann 1886 und noch ohne Kenntnis der Arbeit von Tesdorpf die Untersuchung von Wilhelm Altmann mit fast identischem Titel und 1887 das weitaus umfassendste Werk dieser drei von Anton Chroust.33 Die Dissertation von Johannes Matthias aus dem Jahr 1908 ist bis heute in vieler Hinsicht die beste Untersuchung zum Romzug Ludwigs des Bayern geblieben,34 ohne daß sie in der späteren Forschung angemessen rezipiert wurde. Die letzte Darstellung zu Ludwigs Romzug, die auf intensiver Quellenarbeit beruht, hat Friedrich Bock 1943 verfaßt.35 Hans-Dieter Homann hatte daher 1974 Grund, den völligen Mangel an neueren Untersuchungen zum Romzug Ludwigs des Bayern zu bedauern.36 Die 31 Ferdinand Gregorovius, Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter. Vom V. bis zum XVI. Jahrhundert, 6. Band, Stuttgart 1867. Das monumentale Werk hat viele Auflagen erlebt, für den Romzug Ludwigs des Bayern ist jedoch die erste Ausgabe zu benutzen, da nur dort die Quellenbelege im vollen Umfang gedruckt sind. 32 Anton Chroust, Die Romfahrt Ludwigs des Bayers. 1327 – 1329 (Beiträge zur Geschichte Ludwigs des Bayers und seiner Zeit, Bd. 1), Gotha 1887, S. VII. 33 Wilhelm Tesdorpf, Der Römerzug Ludwigs des Bayern 1327 – 1330, Diss. Königsberg 1885; Wilhelm Altmann, Der Römerzug Ludwigs des Baiern. Ein Beitrag zur Geschichte des Kampfes zwischen Papsttum und Kaisertum, Berlin 1886; Chroust, Romfahrt, 1887. 34 Johannes Matthias, Beiträge zur Geschichte Ludwigs des Bayern während seines Romzuges, Diss. Halle-Wittenberg, Halle 1908. Auf Matthias als bis heute beste Darstellung zum Romzug weist auch Miethke mehrfach, zuletzt in Politiktheorie, 2008, S. 230, Anm. 705, hin. 35 Friedrich Bock, Reichsidee und Nationalstaaten vom Untergang des alten Reiches bis zur Kündigung des deutsch-englischen Bündnisses im Jahre 1341, München 1943. Diese erstmals viele neue Quelleneditionen nutzende Darstellung leidet sehr darunter, daß ihr kein Anmerkungsapparat beigegeben ist, daher ist Bocks mit Quellennachweisen versehene Studie Roma al tempo di Roberto d’Angik, in: Archivio della reale deputazione romana di storia patria 65 (=NS 8) (1942), S. 163 – 208, mit Gewinn hinzuzuziehen. 36 Hans-Dieter Homann, Kurkolleg und Königtum im Thronstreit von 1314 – 1330 (Miscellanea Bavarica Monacensia, Dissertation zur Bayerischen Landes- und Münchner Stadtgeschichte, Heft 56; Neue Schriftenreihe des Stadtarchivs München, Bd. 75), München 1974, S. 245, Anm. 1.
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26
Einleitung
Dissertation von Martin Berg von 1987 über das Itinerar Ludwigs und die Monographie von Roland Pauler von 1997 bleiben zu sehr auf der Ebene der Fakten und Ereignisse, um diese Lücke schließen zu können.37 Die Forschung zu Ludwig dem Bayern hat vor allem durch die erste wissenschaftliche Biographie Ludwigs des Bayern von Heinz Thomas aus dem Jahr 1993, die auch neue Thesen zum Romzug enthält,38 und durch Tagungen, Ausstellungen und Publikationen anläßlich des 650. Todestags im Jahr 1997 einen Aufschwung und wichtige Impulse erhalten.39
1.3
Quellenlage
Die politischen Schriften des Marsilius liegen noch keine hundert Jahre in modernen Editionen vor. Der Defensor pacis wurde noch lange vor allem nach dem Druck von Melchior Goldast aus dem Jahr 1614 benutzt.40 Die erste kritische Gesamtausgabe besorgte Charles William Previt8-Orton 1928,41 worauf 1932/33 die nun maßgebliche Edition von Richard Scholz folgte.42 Die erste
37 Martin Berg, Der Italienzug Ludwigs des Bayern. Das Itinerar der Jahre 1327 – 1330, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 67 (1987), S. 142 – 197. Er weist S. 169, Anm. 107, darauf hin, daß es im »Rahmen der Itinerarbearbeitung […] zu weit führen [würde], im einzelnen auf die sicherlich bedeutsamen staats- und kirchenpolitischen Entscheidungen näher einzugehen.« – Roland Pauler, Die deutschen Könige und Italien im 14. Jahrhundert. Von Heinrich VII. bis Karl IV., Darmstadt 1997, vgl. die Rezension von Jürgen Miethke in: ZfG 46 (1998), S. 660 – 661. 38 Heinz Thomas, Ludwig der Bayer (1282 – 1347). Kaiser und Ketzer, Regensburg u. a. 1993; vgl. die Rezension von Wolfgang Eggert, in: ZfG 43 (1995), S. 838 – 839. Abträglich für die Benutzung dieses Werks ist jedoch die Vorgabe des Verlags, auf einen Anmerkungsapparat vollständig zu verzichten. Daher kann es nützlich sein, die früheren, populärwissenschaftlichen, aber mit Nachweisen versehenen Biographien von Gertrud Benker, Ludwig der Bayer. Ein Wittelsbacher auf dem Kaiserthron, 1282 – 1347, München 1980, und Barbara Hundt, Ludwig der Bayer. Der Kaiser aus dem Hause Wittelsbach (1282 – 1347), Esslingen/München 1989, hinzuzuziehen. 39 Der 60. Band der Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte von 1997 ist vollständig Ludwig dem Bayern gewidmet; die Beiträge der 1997 in Fürstenfeldbruck abgehaltenen Tagung sind publiziert in Hermann Nehlsen und Hans-Georg Hermann (Hgg.), Kaiser Ludwig der Bayer. Konflikte, Weichenstellungen und Wahrnehmung seiner Herrschaft (Quellen und Forschungen aus dem Gebiet der Geschichte, N. F., Heft 22), Paderborn u. a. 2002; die am selben Ort veranstaltete Ausstellung wird dokumentiert durch Angelika Mundorff und Renate Wedl-Bruognolo (Hgg.), Kaiser Ludwig der Bayer 1282 – 1347. Katalog zur Ausstellung im Stadtmuseum Fürstenfeldbruck 25. Juli bis 12. Oktober 1997, Fürstenfeldbruck 1997. 40 Marsilius von Padua, Defensor pacis, in: Melchior Goldast (Hg.), Monarchia Sancti Romani Imperii, Bd. 2, Frankfurt am Main 1614, Ndr. Graz 1960, S. 154 – 312. 41 Marsilius von Padua, Defensor pacis, herausgegeben von Charles William Previt8-Orton, Cambridge 1928. 42 Marsilius von Padua, Defensor Pacis, herausgegeben von Richard Scholz, 2 Teile (MGH
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27
Quellenlage
moderne Übersetzung hat der Amerikaner Alan Gewirth 1956 erarbeitet,43 die nicht nur in den englischsprachigen Ländern einen starken Aufschwung der Forschung verursachte. Walter Kunzmann fertigte 1958 eine deutsche,44 Cesare Vasoli 1960 eine italienische,45 Jeannine Quillet 1968 eine französische46 und Luis Mart&nez Gjmez 1989 eine spanische Übersetzung an.47 Die neue Übersetzung der Britin Annabel Brett von 2005 ins Englische hat zu einer intensiveren Diskussion über Übersetzungsprobleme bei Marsilius geführt, die sowohl Marsilius’ Begrifflichkeit zwischen theoretisch-abstrakt und historisch-konkret zu bestimmen sucht als auch sein als »difficult and obscure« charakterisiertes Latein thematisiert.48 Die deutsche Übersetzung von Kunzmann ist in vielen Fällen ungenau und dem Forschungsstand nicht mehr angemessen. Auch eine neue Übersetzung ins Deutsche ist daher dringend zu wünschen. Der Tractatus de translatione imperii wurde ebenfalls lange Zeit vor allem im Druck von Melchior Goldast benutzt und liegt erstmals seit 1979 in einer kritischen Edition von Colette Jeudy vor.49 Neben einer französischen Übersetzung
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Fontes iuris Germanici antiqui in usum scholarum seperatim editi, Bd. 7,1 – 2), Hannover 1932/33. Marsilius of Padua, The Defender of Peace, Bd. 2: Marsilius of Padua, The Defensor pacis, translated with an introduction by Alan Gewirth (Records of Civilization, Sources and Studies, Bd. 46,2), New York 1956, vgl. die Neuauflage Marsilius of Padua, Defensor pacis. Translation and Introduction by Alan Gewirth. With an Afterword and Updated Bibliography by Cary Nederman (Records of Western Civilisation), New York 2001. Marsilius von Padua, Der Verteidiger des Friedens (Defensor Pacis) [Lateinisch-deutsch]. Auf Grund der Übersetzung von Walter Kunzmann bearbeitet und eingeleitet von Horst Kusch, 2 Bde. (Leipziger Übersetzungen und Abhandlungen zum Mittelalter, Reihe A, Bd. 2, Teil 1 – 2), Berlin 1958. Marsilio da Padova, Il Difensore della Pace, a cura di Cesare Vasoli (Classici della politica 11), Turin 1960; 2. ed. rivista e aggiornata Turin 1975, mit seitenparalleler Übersetzung jetzt auch Marsilio da Padova, Il Difensore della Pace. Introduzione di Mariateresa Fumagalli Beonio Brocchieri, traduzione e note di Mario Conetti, Mailand 2001. Marsile de Padoue, Le D8fenseur de la Paix. Traduction, Introduction et Commentaire par Jeannine Quillet (L’8glise et l‘8tat au moyen .ge, Bd. 12), Paris 1968. Marsilio de Padua, El Defensor de la paz. Estudio preliminar, traduccijn y notas de Luis Mart&nez Gjmez (Cl#sicos del pensamiento 57), Madrid 1989. Marsilius of Padua, The Defender of the Peace, edited and translated by Annabel S. Brett (Cambridge Texts in the History of Political Thought), Cambridge 2005, das Zitat S. XLI; vgl. dies., Issues in Translating the Defensor pacis, in: Gerson Moreno-RiaÇo (Hg.), The World of Marsilius of Padua (Disputatio 5), Turnhout 2006 [erschienen 2007], S. 91 – 108. Vgl. die Rezensionen zu Bretts Übersetzung von Cary Nederman in: Political Studies Review 4 (2006), S. 328 – 329, und Bettina Koch, in: Canadian Journal of Political Science 40 (2007), S. 544 – 545. Marsilius von Padua, De translatione imperii, ed. Jeudy, in: Marsile de Padoue, Oeuvres mineures, Defensor minor, De translatione imperii, Texte 8tabli, traduit et annot8 par Colette Jeudy et Jeannine Quillet, avant-propos de Bernard Guen8e (Sources d’histoire m8di8vale, publi8es par l’Institut de Recherche et d’Histoire des Textes), Paris 1979, S. 369 – 432; Marsilius von Padua, De translatione imperii, in: Goldast (Hg.), Monarchia, Bd. 2, S. 147 – 153; andere Drucke sind in der Edition, S. 64 – 72, mit einer Übersicht S. 471 verzeichnet.
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Einleitung
von Jeannine Quillet, die der Edition seitenparallel beigegeben ist, gibt es eine englische Übersetzung von Fiona Watson und Cary Nederman aus dem Jahr 1993.50 Den Defensor minor, dessen einzige überlieferte Handschrift erst Ende des 19. Jahrhunderts entdeckt wurde,51 hat 1922 Charles Kenneth Brampton erstmals herausgegeben.52 Auf dieser Ausgabe beruht auch die italienische Übersetzung von Cesare Vasoli von 1975.53 Auf die kritische Edition von Colette Jeudy und die beigegebene französische Übersetzung von Jeannine Quillet von 1979 folgte 1993 Cary Nedermans englische Übersetzung.54 Eine Übersetzung ins Deutsche ist ein Desiderat sowohl für De translatione imperii als auch für den Defensor minor. Urkundliche Quellen, die auch Briefe, Mandate, Privilegien, Dekrete und Gesetze umfassen, sind sowohl für Marsilius’ Lebensweg als auch für den Romzug Ludwigs des Bayern die wichtigste Quellengattung, da sie den direktesten Zugriff auf das Geschehen erlauben und die wichtigsten Aussteller als Quellenautoren auch die Hauptakteure sind, nämlich Papst Johannes XXII. und Ludwig der Bayer. Die päpstlichen Urkunden stellen die umfangreichste Quellengruppe dar, da die Kurie der bedeutendste Informationsempfänger und -verteiler war. Ein großer Teil dessen, was man über Marsilius weiß, vom Empfang der ersten päpstlichen Provision im Jahr 1316 bis zu seinem Tod 1342 oder 1343, ist nur aus den päpstlichen Schriftstücken und aus deren Sicht bekannt. Die Edition päpstlicher Urkundentexte in großer Zahl begann mit der von Kardinal Cesare Baronio im 16. Jahrhundert begründeten Kirchengeschichte Annales ecclesiastici, in der die Texte zahlreicher Papsturkunden aus den vati-
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Vgl. die kritischen Bemerkungen zur Edition von Jürgen Miethke, Die kleinen politischen Schriften des Marsilius von Padua in neuer Präsentation. Bemerkungen zu einer Edition und einem Kommentar, in: Mittellateinisches Jahrbuch 17 (1982), S. 200 – 211. La translation de l’empire, trans. Jeannine Quillet, in: Marsile de Padoue, Oeuvres mineures, ed. Jeudy/Quillet, 1979, S. 373 – 433; De translatione Imperii (On the Transfer of the Empire), trans. Fiona Watson/Cary J. Nederman, in: Marsiglio of Padua, Writings on the Empire. Defensor minor and De translatione imperii, ed. by Cary J. Nederman (Cambridge Texts in the History of Political Thought), Cambridge 1993, S. 65 – 82. Vgl. dazu unten S. 102 f. The Defensor Minor of Marsilius of Padua, now for the first time edited by Charles Kenneth Brampton, Birmingham 1922. Marsilio da Padova, Il Difensore Minore, a cura di Cesare Vasoli (Micromegas 4), Neapel 1975. Marsilius von Padua, Defensor minor, ed. Jeudy, in: Marsile de Padoue, Oeuvres mineures, ed. dies./Quillet, 1979, S. 169 – 310; wegen der Mängel der Edition ist für Lesarten heranzuziehen Hilary Seton Offler, Notes on the Text of Marsilius of Padua’s »Defensor minor«, in: Mittellateinisches Jahrbuch 17 (1982), S. 212 – 216; D8fenseur mineur, trans. Jeannine Quillet, in: Marsile de Padoue, Oeuvres mineures, ed. Jeudy/dies., 1979, S. 173 – 311; Defensor minor, trans. Cary Nedermann, in: Marsiglio of Padua, Writings on the Empire, ed. ders., 1993, S. 1 – 64.
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Quellenlage
kanischen Registern im Volltext oder in Auszügen wiedergegeben sind. Die von seinem bedeutendsten Nachfolger, Odorico Rinaldi, bearbeiteten Bände zum Pontifikat Johannes’ XXII. und seiner Nachfolger aus dem Jahr 1652 sind auch heute noch in vielen Fällen unentbehrlich.55 Ebensowenig kann auch heute noch auf die Sammlung der Mauriner Edmond MartHne und Ursin Durand verzichtet werden, die auf ausgedehnten Reisen durch Frankreich, die Niederlande und Deutschland Papsturkunden kopierten und im Jahr 1717 eine umfassende Zusammenstellung der päpstlichen Rechtsdokumente zur Auseinandersetzung zwischen Johannes XXII. und Ludwig dem Bayern erstellt haben.56 Die moderne Bearbeitung der vatikanischen Überlieferung im Hinblick auf die Geschichte Ludwigs des Bayern wurde von deutschen Gelehrten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begonnen. Augustin Theiner, der Präfekt des vatikanischen Archivs, fertigte vollständige Abschriften von über 2000 Einträgen der vatikanischen Register und Originalen eingelaufener Schriftstücke bis zum Jahr 1347, die er Joseph Hubert Reinkens 1868 in Rom zur Bearbeitung weitergab. Dieser stellte daraus Regesten her, zum größten Teil auf deutsch, die jedoch nur bis zum Jahr 1334 führen und deren Veröffentlichung er sich selbst nicht mehr widmen konnte. Da nach dem Tod Theiners 1874 die von ihm angefertigten Abschriften nicht mehr auffindbar waren, gab Wilhelm Preger zwischen 1880 und 1885 den größten Teil von Reinkens’ Regesten ungekürzt heraus,57 die auch heute noch von Nutzen sind.58 55 Odorico Rinaldi, Annales ecclesiastici. Ab anno 1198, ubi Baronius desinit, Bd. 15: 1305 – 1334, Bd. 16: 1334 – 1378, Rom 1652; Caesaris S. R. E. card. Baronii, Od. Raynaldi et Jac. Laderchii Annales ecclesiastici, neu hrsg. von Augustin Theiner, Bd. 24: 1313 – 1333, Bd. 25: 1334 – 1355, Bar-le-Duc 1872. 56 Edmond MartHne und Ursin Durand (Hgg.), Thesaurus Novus Anecdotorum, 5 Bde., Bd. 2: Urbani papae IV. epistolae LXIV, Clementis papae IV. epistolae DCCXI, Joannis XII. processus varii in Ludovicum Bavarum & ejus asseclas, Innocentii VI. registrum epistolarum anno MCCCLXI, aliaque plura de schismate pontificum Avenionensum monumenta, Paris 1717, (Essays in history, economics, and social science 26; Burt Franklin research and source works series 275), Ndr. Farnborough 1968, New York 1968. 57 Wilhelm Preger, Beiträge und Erörterungen zur Geschichte des deutschen Reiches in den Jahren 1330 – 1334 [Beilagen, S. 61 – 82: 30 Auszüge aus Urkunden des vatikanischen Archivs von Joseph Hubert Reinkens] (Abhandlungen der Historischen Classe der KöniglichBayerischen Akademie der Wissenschaften, 15. Bd., 2. Abteilung), München 1880; ders., Über die Anfänge des kirchenpolitischen Kampfes unter Ludwig dem Baier. Mit [Joseph Hubert Reinkens’] Auszügen aus Urkunden des vatikanischen Archivs von 1315 – 1324 (Abhandlungen der Historischen Classe der Königlich-Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 16. Bd., 2. Abteilung), München 1882; ders., Die Verträge Ludwigs des Baiern mit Friedrich dem Schönen in den Jahren 1325 und 1326. Mit Joseph Hubert Reinkens’ Auszügen aus Urkunden des vatikanischen Archivs von 1325 – 1334 (Abhandlungen der Historischen Classe der Königlich-Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 17. Bd., 1. Abteilung), München 1883; ders., Die Politik des Papstes Johann XXII. in Bezug auf Italien und Deutschland [mit Register zu den in Bd. 15 – 17 der Abhandlungen veröffentlichten Auszügen vatikanischer Urkunden von 1316 – 1334] (Abhandlungen der Historischen Classe der
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Einleitung
Nach der Öffnung des vatikanisches Archivs 1882 konnte Sigmund Riezler aufgrund eigener Forschung 1891 seine Vatikanischen Akten zur deutschen Geschichte in der Zeit Ludwigs des Bayern veröffentlichen, deren Inhalt in einigen Fällen als Volltext, überwiegend aber als Auszug oder lateinisches Kurzregest wiedergegeben wurde.59 Zuletzt hat 1932 Carl Erdmann diesem Gegenstand eine Edition vatikanischer Urkunden, überwiegend in Regestenform oder als Auszug, gewidmet.60 Die Pcole franÅaise de Rome unternimmt die große Aufgabe, die gesamten Urkunden der in Avignon residierenden Päpste auf der Grundlage der Register als Regesten zu veröffentlichen. Für Johannes XXII. sind zwischen 1904 und 1947 die Kommunregister vollständig bearbeitet worden.61 Im Rahmen dieses Editionsprojekts sind von dessen politisch wichtigeren Sekretregistern von 1900 bis 1972 bisher jedoch nur diejenigen bearbeitet worden, die Frankreich betreffen.62
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Königlich-Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 17. Bd., 3. Abteilung), München 1885. Über die Hintergründe dieser Editionsgeschichte klärt Preger, Verträge, 1883, S. 57 – 58, auf. Joseph Hubert Reinkens konnte wegen seines alle Arbeitskraft in Anspruch nehmenden Engagements gegenüber dem Ersten Vatikanischen Konzil – er wurde später der erste Bischof der Altkatholischen Kirche in Deutschland – die Arbeiten an Theiners Abschriften nicht selbst fortsetzen. Die Abschriften selbst seien nach Theiners Tod aus dessen Nachlaß »spurlos verschwunden« (Preger, Verträge, 1883, S. 58). Vgl. die ebenfalls noch nicht überholte Edition von Augustin Theiner (Hg.), Codex diplomaticus domini temporalis S. Sedis. Recueil des documents pour servir / l’histoire du government temporel des 8tats du Saint-SiHge. Extraits des archives vatican, 1. Bd.: 756 – 1334, Rom 1861, Ndr. Frankfurt am Main 1961. Eine ähnliches, zur selben Zeit begonnenes Unternehmen ist dagegen nur noch von geringer Bedeutung: Franz von Löher (Hg.), Vatikanische Urkunden zur Geschichte Kaiser Ludwigs des Bayern, in: Archivalische Zeitschrift 5 (1880), S. 236 – 273; 6 (1881), S. 212 – 243. Über die Grundlagen dieser lateinischen Kurzregesten zu den Jahren 1315 – 1331 sagt Löher, Vatikanische Urkunden, 1880, S. 236, selbst diskret, daß ihm »von hochverehrter Hand Auszüge zugestellt« worden seien. Diese Auszüge beruhen vermutlich lediglich auf den Indizes der Registerbände, wie Sigmund Riezler, Vatikanische Akten zur deutschen Geschichte in der Zeit Ludwigs des Bayern, Innsbruck 1891, Ndr. Aalen 1973, S. II, annimmt. Nur ein kleiner Teil der von Löher verzeichneten Stücke ist nicht bereits auch an anderer Stelle gedruckt oder verzeichnet. Riezler, Vatikanische Akten, 1891; vgl. Konrad Eubel, Nachträge zu den ›Vatikanischen Akten aus der Zeit Ludwigs des Bayern‹, in: HJb 13 (1892), S. 500 – 503. Carl Erdmann, Vatikanische Analekten zur Geschichte Ludwigs des Bayern, in: Archivalische Zeitschrift, 3. Folge, 8 (= 41) (1932), S. 1 – 47. Registres et lettres des Papes du XIVe siHcle (BibliothHque des Pcoles franÅaises d’AthHnes et de Rome, troisiHme s8rie), Bd. 1 (bis): Jean (Johannes) XXII (1316 – 1334), Lettres communes, analys8es d’aprHs les registres dits d’Avignon et du Vatican, herausgegeben von Guillaume Mollat, 17 Bde., Paris 1904 – 1947. Registres et lettres des Papes du XIVe siHcle (BibliothHque des Pcoles franÅaises d’AthHnes et de Rome, troisiHme s8rie), Bd. 1: Lettres secrHtes et curiales du pape Jean (Johannes) XXII (1316 – 1334) relatives / la France, publi8es ou analys8es d’aprHs les registres du Vatican par Auguste Coulon et Suzanne Cl8mencet, (bisher) 3 Bände, Paris 1900 – (1972); der Indexband fehlt noch. Vgl. zu den Sekretregistern Friedrich Bock, Über Registrierung von Sekretbriefen (Studien zu den Sekretregistern Johannns XXII.), in: QFIAB 28 (1937/38), S. 147 – 234, die
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Quellenlage
Insgesamt ist die durch Editionen vermittelte Kenntnis der päpstlichen Dokumente durchaus gut, wenn auch eine vollständige Verzeichnung der Schriftstücke zu diesem wichtigen Pontifikat noch fehlt und sie nur zum Teil im Volltext herausgegeben sind. Ähnlich verhält es sich mit der Editionslage der Urkunden Ludwigs des Bayern. Noch vor der Mitte des 19. Jahrhunderts hat Johann Friedrich Böhmer die ihm zugänglichen Urkunden Ludwigs des Bayern in Regestenform im Rahmen seiner Regesta imperii veröffentlicht, die auch Urkunden der Päpste und anderer politischer Akteure enthält, sofern sie für die Reichsgeschichte von Bedeutung sind.63 Böhmers Werk ist auch heute noch unentbehrlich, da in der Forschung im Verlauf der Zeit unterschiedliche Drucke einzelner Urkunden verwendet worden sind, was die Benutzung der älteren Literatur in vielen Fällen erheblich erschwert. Die Identifizierung eines Quellenstücks nach der Zählung von Böhmer, die auch in den MGH Constitutiones-Bänden summarisch als Verweis auf die vorhergehenden Drucke angegeben wird, trägt dazu bei, eine Konkordanz der verschiedenen Druckorte herzustellen. Mit den Bänden der Constitutiones-Reihe der MGH ist der entscheidende Fortschritt bei der Edition der für die Regierungszeit Ludwigs des Bayern wichtigen urkundlichen Quellen erreicht. Bisher führt die Edition bis zum Jahr 1335.64 Dabei ist in den älteren Bänden, die bis zum Jahr 1330 reichen und Replik von Carl Erdmann, Zu den Sekretregistern Johanns XXII., in: QFIAB 29 (1938/39), S. 233 – 248, und die Antwort von Friedrich Bock, Studien zur Registrierung der politischen Briefe und der allgemeinen Verwaltungssachen Johanns XXII., in: QFIAB 30 (1940), S. 137 – 188. 63 Johann Friedrich Böhmer, Regesta Imperii inde ab 1314 usque ad 1347. Die Urkunden Kaiser Ludwigs des Baiern, König Friedrichs des Schönen und König Johanns von Böhmen nebst einer Auswahl der Briefe und Bullen der Päpste und anderer Urkunden, welche für die Geschichte Deutschlands vorzüglich wichtig sind. In Auszügen, Frankfurt am Main 1839; ders., Additamentum primum ad Regesta Imperii inde ab anno 1314 usque ad annum 1347. Erstes Ergänzungsheft zu den Regesten Kaiser Ludwigs des Baiern und seiner Zeit. 1314 – 1347, Frankfurt am Main 1841; ders., Additamentum secundum ad Regesta Imperii inde ab anno 1314 usque ad annum 1347. Zweites Ergänzungsheft zu den Regesten Kaiser Ludwigs des Baiern und seiner Zeit. 1314 – 1347, Leipzig 1846; ders. und Julius Ficker, Additamentum tertium ad Regesta Imperii inde ab anno 1314 usque ad annum 1347. Drittes Ergänzungsheft zu den Regesten Kaiser Ludwigs des Baiern und seiner Zeit. 1314 – 1347, Innsbruck 1865. 64 MGH Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, Band V: Inde ab anno MCCCXIII usque ad annum MCCCXXIV (1313 – 1324), hrsg. von Jakob Schwalm, Hannover/ Leipzig 1909 – 1913, Ndr. Hannover 1981; Band VI, Teil 1: Inde ab anno MCCCXXV usque ad annum MCCCXXX (1325 – 1330), hrsg. von Jakob Schwalm, Hannover 1914 – 1927, Ndr. Hannover 1982; Band VI, Teil 2: Dokumente zur Geschichte des Deutschen Reiches und seiner Verfassung. 1331 – 1335, erste Lieferung (1331), bearb. von Ruth Bork, Weimar 1989; Band VI, Teil 2: Dokumente zur Geschichte des Deutschen Reiches und seiner Verfassung. 1331 – 1335, zweite Lieferung (1332), bearb. von Wolfgang Eggert, Hannover 1999; Band VI, Teil 2, Dokumente zur Geschichte des Deutschen Reiches und seiner Verfassung. 1331 – 1335, dritte Lieferung (1333 – 1335), bearb. von Wolfgang Eggert, Hannover 2003. Das Register konnte noch nicht erscheinen.
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Einleitung
zwischen 1909 und 1927 erschienen sind, zum einen durchgehend der Volltext der Urkunden gegeben und zum anderen sind auch andere Aussteller, vor allem Papst Johannes XXII., berücksichtigt worden. Das hat sich für die späteren Bände, die zwischen 1989 und 2003 unter teilweise widrigen Umständen erschienen sind, geändert, die oft lediglich Vollregesten oder auch nur Kurzregesten wiedergeben und sich dabei ganz überwiegend auf Aussteller aus dem Reich beschränken. Eine wichtige Quelle zur Reichsgeschichte hat Edmund Ernst Stengel seit 1921 herausgegeben, die erst 1976 von Klaus Schäfer zum Abschluß gebracht werden konnte: Die Sammlungen des Trierer Notars Rudolf Losse, in denen unter anderem Abschriften und Konzepte von Urkunden, Briefe, Denkschriften, Rechtsgutachten und Dokumente zu den Rekonziliationsverhandlungen Ludwigs des Bayern mit der Kurie überliefert sind, bieten eine vielfältige und sehr wertvolle Erweiterung der Quellenbasis zur Geschichte Ludwigs des Bayern.65 Die Neubearbeitung der Regesten Kaiser Ludwigs unter der Leitung Peter Achts hat seit 1991 zu ersten Veröffentlichungen geführt. In einem umfassenden Erfassungsprojekt werden alle Urkunden Ludwigs in Regestenform zunächst nach ihren Aufbewahrungsorten publiziert.66 Diejenigen Urkunden, deren Aufbewahrungsorte in Italien liegen und die besonders für den Romzug Bedeutung haben, sind zum Zeitpunkt der Drucklegung dieser Arbeit noch nicht regestiert worden. Diese Überlieferungen werden durch die Urkunden anderer Aussteller 65 Edmund Ernst Stengel (Hg.), Nova Alamanniae. Urkunden, Briefe und andere Quellen besonders zur deutschen Geschichte des 14. Jahrhunderts vornehmlich aus den Sammlungen des Trierer Notars und Offizials, Domdekans von Mainz Rudolf Losse aus Eisenach in der Ständischen Landesbibliothek zu Kassel und im Staatsarchiv zu Darmstadt, 1. Hälfte, Berlin 1921, 2. Hälfte, 1. Teil, Berlin 1930, 2. Hälfte, 2. Teil (unter Mitwirkung von Klaus Schäfer), Hannover 1976. 66 Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern (1314 – 1347). Nach Archiven und Bibliotheken geordnet. Österreichische Akademie der Wissenschaften – Regesta Imperii und Deutsche Kommission für die Neubearbeitung der Regesta Imperii bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, hrsg. von Peter Acht, Köln u. a. 1991 ff. Bisher erschienen: Heft 1: Die Urkunden aus den Archiven und Bibliotheken Württembergs, bearb. von Johannes Wetzel, 1991; Heft 2: Die Urkunden aus den Archiven und Bibliotheken Badens, bearb. von Johannes Wetzel, 1994; Heft 3: Die Urkunden aus Kloster- und Stiftsarchiven im Bayerischen Hauptstaatsarchiv und in der Bayerischen Staatsbibliothek München, bearb. von Michael Menzel, 1996; Heft 4: Die Urkunden aus den Archiven und Bibliotheken des Elsasses (D8partement Haut- und Bas-Rhin), bearb. von Johannes Wetzel, 1998; Heft 5: Die Urkunden aus den Archiven und Bibliotheken im Regierungsbezirk Schwaben (Bayern), bearb. von Michael Menzel, 1998; Heft 6: Die Urkunden aus den Archiven und Bibliotheken der Schweiz, bearb. von Johannes Wetzel, 2000; Heft 7: Die Urkunden aus den Archiven und Bibliotheken Ober- und Niederbayerns, bearb. von Michael Menzel, 2003; Heft 8: Die Urkunden aus den Archiven und Bibliotheken Österreichs, bearbeitet von Johannes Wetzel, 2008.
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Quellenlage
wertvoll ergänzt. Konrad Eubel hat 1893 den Registerband des von Ludwig in Rom eingesetzten Gegenpapstes Nikolaus’ V. in Regestenform veröffentlicht.67 Urkunden aus italienischen Archiven haben 1865 zunächst Julius Ficker und 1952 für einen größeren Zeitraum Theodor Mommsen herausgegeben.68 Ganz aus der Perspektive zeitgenössischer Beobachter sind die von Heinrich Finke zwischen 1908 und 1933 aus dem Kronarchiv in Barcelona herausgegebenen Briefe aus dem Schriftverkehr zwischen den Königen von Aragon und ihren Gesandten, besonders denen an der Kurie, entstanden.69 Die Darstellung der Editionsgeschichte der wichtigsten Urkundengruppen zeigt, daß viele wichtige Quelleneditionen erst entstanden sind, nachdem die grundlegenden, aus den Quellen erwachsenen Untersuchungen zum Romzug verfaßt worden waren. Auch wenn die Editionslage für die Lebenszeit von Ludwig dem Bayern und Marsilius von Padua noch nicht alle Wünsche erfüllt, haben sich andererseits bereits lange edierte Quellenstücke, besonders aus dem für den Romzug einschlägigen, seit 1927 abgeschlossenen Constitutiones-Band, als ergiebig erwiesen, die für das hier behandelte Thema noch kaum von der Forschung herangezogen worden sind. Nach Gerhard Weltziens Untersuchung italienischer Quellen zum Römerzug Ludwigs des Bayern 1327 – 1329 ist seit mehr als 120 Jahre keine einschlägige Quellenkunde zu Ludwigs Romzug erschienen.70 Der neuere Überblick von Michael Menzel über Quellen zu Ludwig dem Bayern nimmt den Romzug nur am 67 Konrad Eubel, Der Registerband des Gegenpapstes Nikolaus V. In Regestenform veröffentlicht, in: Archivalische Zeitschrift, N. F., 4 (=17) (1893), S. 123 – 212; Angelo Mercati, Sussidi per la consultazione dell’Archivio Vaticano, Bd. 3: Il »Bullarium generale« dell’Archivio Segreto Vaticano e supplementi al registro dell’Antipapa Niccolk V – Dall’Archivio dei SS. Gregorio e Siro di Bologna (Studi e Testi, Bd. 134), Citt/ del Vaticano 1947. 68 Julius Ficker (Hg.), Urkunden zur Geschichte des Römerzuges Kaiser Ludwig des Baiern und der italienischen Verhältnisse seiner Zeit, Innsbruck 1865, Ndr. Aalen 1966; vgl. zur damaligen Unmöglichkeit, Zugang zum vatikanischen Archiv zu erhalten, Fickers unterhaltsame Darstellung seiner Erfahrungen, S. XIII-XV. – Theodor E. Mommsen (Hg.), Italienische Analekten zur Reichsgeschichte des 14. Jahrhunderts (1310 – 1378) (Schriften der MGH, Bd. 11), Stuttgart 1952. 69 Heinrich Finke (Hg.), Acta Aragonensia. Quellen zur deutschen, italienischen, französischen, spanischen, zur Kirchen- und Kulturgeschichte aus der diplomatischen Korrespondenz Jaymes II (1291 – 1327), Band 1 – 2, Berlin/Leipzig 1908, Band 3, Berlin/Leipzig 1922; ders. (Hg.), Nachträge und Ergänzungen zu den Acta Aragonensia (I-III), 1. Teil (Sonderdruck aus den Spanischen Forschungen der Görresgesellschaft, Bd. 4), Münster (Westf.) 1933. 70 Gerhard Weltzien, Untersuchung italienischer Quellen zum Römerzug Ludwigs des Baiern 1327 – 1329, Diss. phil. Halle-Wittenberg 1882. Auch für die Zeit Ludwigs des Bayern kann in einigen Fällen Dietrich König, Kritische Erörterungen zu einigen italienischen Quellen für die Geschichte des Römerzuges Kaiser Heinrich’s VII., Diss. phil. Göttingen 1874, herangezogen werden. Ohne Wert für den Romzug Ludwigs des Bayern ist Oskar Knoll, Beiträge zur italienischen Historiographie im vierzehnten Jahrhundert, Diss. phil Göttingen, aus dem Nachlaß hrsg. von Johannes Heller, Göttingen 1876.
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Einleitung
Rande in den Blick.71 Dieses Defizit hat die Forschung zu Ludwigs Romzug gehemmt. Dabei ist das vorliegende Quellenmaterial reichhaltig. Unter den italienischen Chronisten ist zuerst der Florentiner Giovanni Villani (ca. 1275 – 1348) zu nennen, der eine umfangreiche Weltchronik im Florentiner Volgare seit der Zerstörung des Turmes zu Babel bis zur Geschichte Italiens im Jahr 1348 verfaßt hat, die für Ludwigs Romzug als beste Quelle gelten kann.72 Eine umfangreichere Darstellung der Rolle Marsilius’ in Rom bietet allein Albertino Mussato, der zu Marsilius lange Zeit ein enges freundschaftliches Verhältnis hatte, das sich auch in zwei Briefen an Marsilius widerspiegelt, die wichtige Quellen zu Marsilius’ Leben darstellen. Der Paduaner Notar, Frühhumanist und Geschichtsschreiber, Diplomat und Rechtskundige verfaßte ein als Ludovicus Bavarus (1327 – 1329) betiteltes Werk, das den Aufenthalt Ludwigs des Bayern in Italien von 1327 an bis zu Mussatos Tod 1329 behandelt, und in dem die durch die römischen Ereignisse verursachte politische Gegnerschaft zu Marsilius deutlich wird.73 Bereits vor seinem Werk über Ludwig den Bayern hat er histo71 Michael Menzel, Quellen zu Ludwig dem Bayern, in: ZBLG 60 (1997), S. 71 – 82. Auch Winfried Dotzauer (Bearb.), Quellenkunde zur deutschen Geschichte im Spätmittelalter (1350 – 1500), Darmstadt 1996, beschränkt sich auf die – allerdings reichhaltig dargebotenen – nordalpinen Quellen. 72 Giovanni Villani, Nuova Cronica. Edizione critica a cura di Giuseppe Porta, 3 Bde. (Biblioteca di Scrittori Italiani), Parma 1990 – 1991. Als Teilübersetzungen zum Romzug Ludwigs des Bayern liegen vor: Giovanni Villani, Chronik. Buch 10, in: Quellen zur Geschichte Kaiser Ludwigs des Baiern. Zweite Hälfte, übersetzt von Walter Friedensburg (GdV, Bd. 82 = 14. Jhdt., Bd. 4), Leipzig 1887, S. 35 – 167; Giovanni Villani, Chronik. 10. Buch, in: Geschichte Ludwigs des Bayern, Bd. 2: Italienische Quellen des 14. Jahrhunderts. Nach der Übersetzung von Walter Friedensburg neu bearbeitet und herausgegeben von Christian Lohmer (Historiker des deutschen Altertums), Stuttgart 1987, S. 63 – 216, die auf der Grundlage der Edition Cronica di Giovanni Villani. A miglior lezione ridotta coll’ajuto de’testi a penna con note filologiche di Ignacio Moutier e con appendici storico-geografiche compilate da Francesco Gherardi Dragomanni, 4 Bde. (Collezione di storici e cronisti italiani editi e inediti, Bd. 1 – 4), Florenz 1844 – 1845, Ndr. Frankfurt am Main 1969, hergestellt wurden und sich an dessen Buch- und Kapiteleinteilung orientieren, die von Portas Edition abweicht. Vgl. zu Person und Werk Weltzien, Untersuchung, 1882, S. 3 – 4; Lorenz/Goldmann, Deutschlands Geschichtsquellen, Bd. 2, 31887, S. 284 – 285; Balzani, Le chronache italiane, 1909, S. 323 – 329; Ernst Mehl, Die Weltanschauung des Giovanni Villani. Ein Beitrag zur Geistesgeschichte Italiens im Zeitalter Dantes (Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters und der Renaissance, Bd. 33), Leipzig/Berlin 1927, Ndr. Hildesheim 1973. 73 Albertini Mussati Ludovicus Bavarus 1327 – 1329, in: Johann Friedrich Boehmer (Hg.), Fontes rerum Germanicarum, Bd. 1: Johannes Victoriensis und andere Geschichtsquellen Deutschlands im 14. Jahrhundert, Stuttgart 1843, Ndr. Aalen 1969, S. 170 – 189; zuvor Albertino Mussato, Ludovicus Bavarus, in: RIS, Bd. 10, Mailand 1727, Ndr. Bologna 1989, Sp. 769 – 784. Das Werk blieb bisher ohne kritische Edition. Als Übersetzungen liegen vor Albertino Mussato, Ludwig der Baier, in: Quellen, zweite Hälfte, übersetzt von Friedensburg, 1887, S. 1 – 32; Albertino Mussato, Ludwig der Bayer, in: Geschichte, Bd. 2, hrsg. von Lohmer, 1987, S. 25 – 62; eine stärker am Wortlaut orientierte Übersetzung bietet Albertino Mussato, Ludwig der Bayer, in: Albertino Mussato 1261 – 1329. Ausgewählte Werke, deutsch von Rolf
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Quellenlage
rische Darstellungen verfaßt.74 Der Mailänder Dominikaner Galvano Fiamma hat zwei Geschichtswerke geschrieben, die über Ludwigs Romzug berichten: das von Muratori so genannte Opusculum de rebus gestis ab Azone, Luchino, Iohanne vicecomitibus, das über den Zeitraum von 1328 – 1342 berichtet, und einen Manipulus florum.75 Unter den italienischen Chronisten sind es diese drei Quellenautoren aus Florenz, Padua und Mailand, die Marsilius in ihren Chroniken erwähnen. Fast alle hier herangezogenen italienischen Chroniken sind guelfisch gesinnt, die italienische Geschichtsschreibung zum Romzug Ludwigs des Bayern bietet damit ein in der politischen Grundstimmung recht einheitliches Bild. Eine Ausnahme bildet Andrea Deis Chronik von Siena, eine zeitlich nah zu den Ereignissen und auf italienisch geschriebene Quelle, die im Unterschied zu fast allen anderen italienischen Chroniken Ludwig als Kaiser betitelt und anerkennt.76 Ebenfalls aus Siena stammen zwei weitere Chroniken. Die Cronaca
Engelsing, zweite, um ein Register vermehrte Ausgabe, Berlin 1983, S. 29 – 80. Vgl. zu Person und Werk Th. F. A. Wichert, Beiträge zur Kritik der Quellen für die Geschichte Kaiser Ludwigs des Baiern, in: Forschungen zur deutschen Geschichte 16 (1876), S. 27 – 82, bes. S. 70 – 82; Jakob Wychgram, Albertino Mussato. Ein Beitrag zur italienischen Geschichte des 14. Jahrhunderts, Leipzig 1880; Weltzien, Untersuchung, 1882, S. 31 – 35; Wolfgang Giese, Bemerkungen zu Albertino Mussatos Ludovicus Bavarus, in: ZBLG 60 (1997), S. 329 – 340; zusammenfassend Michelangelo Picone, Art. Mussato, Albertino, in: LexMA, Bd. 6 (1993), Sp. 971 – 972; s. v. Mussatus, Albertinus, in: Repertorium Fontium, Bd. 7 (1997), S. 647 – 649. 74 Albertino Mussato, De gestis Heinrici VII caesaris Historia Augusta libri 16, in: RIS, Bd. 10, Mailand 1727, Ndr. Bologna 1989, Sp. 1 – 568; Albertino Mussato, De gestis Italicorum post mortem Henrici VII caesaris historia, in: RIS, Bd. 10, Mailand 1727, Ndr. Bologna 1989, Sp. 569 – 768; Sette libri inediti del De gestis Italicorum post Henricum VII di Albertino Mussato. Prima edizione diplomatica a cura di Luigi Padrin (Monumenti storici pubblicati dalla R. deputazione Veneta di Storia Patria, Serie 3: Chronache e diarii, Bd. 3), Venedig 1903; Albertini Muxati De obsidione domini Canis Grandis de Verona ante civitatem Paduanum, hrsg. von Giovanna M. Gianola (Thesaurus mundi, bibliotheca scriptorum Latinorum mediae et recentioris aetatis, Bd. 27), Padua 1999. 75 Galvanei de la Flamma OP Opusculum de rebus gestis ab Azone, Luchino, et Iohanne Vicecomitibus ab a. 1328 usque ad a. 1342, hrsg. von Carlo Castiglioni (2RIS, Bd. 12/4), Bologna 1938; Galvaneus de la Flamma, Manipulus florum, sive Historia Mediolanensis ab origine Urbis ad annum circiter 1336 ab alio continuatore producta ad annum usque 1371, in: RIS, Bd. 11, 1727, Sp. 537 – 740; vgl. zudem Volker Hunecke, Die kirchenpolitischen Exkurse in den Chroniken des Galvaneus Flamma O. P. (1283 – ca. 1344). Einleitung und Edition, in: DA 25 (1969), S. 111 – 208. Vgl. zu Person und Werk Jörg W. Busch, Die Mailänder Geschichtsschreibung zwischen Arnulf und Galvaneus Flamma. Die Beschäftigung mit der Vergangenheit im Umfeld einer oberitalienischen Kommune vom späten 11. bis zum frühen 14. Jahrhundert (Münstersche Mittelalter-Schriften, Bd. 72), München 1997; s. v. Flamma, Galvaneus, in: Repertorium Fontium, Bd. 4, 1976, S. 463 – 465. 76 Cronica Sanese di Andrea Dei, continuata da Agnolo di Tura. Dall’anno 1186 fino al 1352, in: RIS, Bd. 15, Mailand 1729, Sp. 11 – 128; vgl. zu Person und Werk Weltzien, Untersuchung, 1882, S. 5 – 6; Lorenz/Goldmann, Deutschlands Geschichtsquellen, Bd. 2, 31887, S. 286; Paolo Bertolini, Art. Dei, Andrea, in: DBI, Bd. 36 (1988), S. 249 – 252.
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Einleitung
Sanese von Agnolo di Tura del Grasso,77 die für diese Zeit zwar von Villanis Chronik abhängig ist, aber durch ihre Wiedergabe auch zum Verständnis der zum Teil mehrdeutigen Darstellung Villanis beitragen kann. Schließlich kann eine knappere, ebenfalls im 14. Jahrhundert verfaßte anonyme Chronik von Siena herangezogen werden.78 Weitere wichtige historiographische Quellen sind die Chronik von Guglielmo Cortusi aus Padua79 und die Storie Pistoresi von einem unbekannten Chronisten aus Pistoja.80 Auf römische Geschichtsschreiber kann man nicht zurückgreifen. In der in der römischen Volkssprache geschriebenen Chronik des Anonimo Romano ist das Kapitel über Ludwigs Romaufenthalt nicht überliefert.81 Unter den deutschen Chroniken sind zunächst die Werke zur Reichsgeschichte zu nennen, die als Quellen für den Romzug Ludwigs des Bayern jedoch noch nicht hinreichend herangezogen wurden: Das »Buch der verbürgten Geschichten« des Zisterzienserabts Johann von Viktring,82 die Kaiser- und Papst77 Cronaca Senese [1300 – 1351], attribuita ad Agnolo di Tura del Grasso, detta la cronaca maggiore, in: Cronache senesi, a cura di Alessandro Lisini e Fabio Iacometti (2RIS, Bd. 15/6), Bologna 1939, S. 253 – 564; vgl. s. v. Cronaca senese detta la Maggiore, in: Repertorium Fontium, Bd. 3 (1970), S. 447. 78 Cronaca senese dei fatti riguardanti la citt/ e il suo territorio di autore anonimo del seculo XIV, in: Cronache senesi, a cura di Alessandro Lisini e Fabio Iacometti (2RIS, Bd. 15/6), Bologna 1939, S. 89 – 139; vgl. s. v. Cronaca senese di autore anonimo del secolo XIV, in: Repertorium Fontium, Bd. 3 (1970), S. 446 – 447. 79 Guillelmi de Cortusiis Chronica de novitatibus Padue et Lombardie, hrsg. von Beniamino Pagnin (2RIS, Bd. 12/5), Bologna 1941; vgl zu Person und Werk zusammenfassend J. Kenneth Hyde, Art. Cortusi, Guglielmo, in: DBI, Bd. 29 (1983), S. 806 – 807. 80 Storie Pistoresi [1300 – 1348], a cura di Silvio Adrasto Barbi (2RIS, Bd. 11/5), Citt/ di Castello 1907 – 1927; zuvor Annales Pistorienses sive Commentarii rerum gestarum in Thuscia, italice scripti. Ab anno MCCC usque ad annum MCCCXLVIII, auctore anonymi synchrono/Istorie Pistolesi, dall’anno MCCC al MCCCXLVIII, in: RIS, Bd. 11, Mailand 1727, Ndr. Bologna 1978, Sp. 359/367 – 530. Weltzien, Untersuchung, 1882, S. 35, läßt die Chronik zu unrecht nicht als Quelle zu Ludwigs Romzug gelten, »wegen ihrer grossen Unzuverlässigkeit und ihrer merfach hervortretenden Armseligkeit.« Ein Verdikt, das sich auch im Vergleich zu anderen Überlieferungen nicht bestätigen läßt; sie gehört vielmehr zu den wichtigsten chronikalischen Quellen. 81 Anonimo Romano, Cronica, Edizione critica a cura di Giuseppe Porta (Classici 40), Mailand 1979; zuvor Historiae Romane fragmenta (1327 – 1354), in: Ludovico Antonio Muratori (Hg.), Antiquitates Italicae Medii Aevi, Bd. 3, Mailand 1740, S. 259 – 302; vgl. Gustav Seibt, Anonimo romano. Geschichtsschreibung in Rom an der Schwelle zur Renaissance (Sprache und Geschichte, Bd. 17), Stuttgart 1992; s. v. Anonimo Romano, in: Repertorium Fontium, Bd. 2, 1967, S. 356; Massimo Miglio, Art. Anonymus Romanus, in: LexMA, Bd. 1 (1970), Sp. 674. – Nicht in Betracht kommt dagegen Ludovicus Monaldescus, Fragmenta annalium Romanorum (1328 – 1340), in: RIS, Bd. 12, Mailand 1728, Ndr. Bologna 1990, Sp. 529 – 542, die nach Lorenz/Goldmann, Deutschlands Geschichtsquellen, Bd. 2, 31887, S. 286, als späte Fälschung keine Beachtung verdienen; so auch s. v. Ludovicus Bonconte Monaldesco, in: Repertorium Fontium, Bd. 7, 1997, S. 359. 82 Iohannis abbatis Victoriensis Liber certarum historiarum, Bd. 1: Libri I-III, Bd. 2: Libri IVVI, bearbeitet von Fedor Schneider (MGH Scriptores rerum Germanicarum in usum
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Quellenlage
chronik Heinrich Taubes von Selbach,83 die Chronik Matthias’ von Neuenburg,84 die Chronik des Franziskaners Johann von Winterthur85 und die Weltchronik des niederdeutschen Dominikaners Heinrich von Herford.86 Die durch chronikali-
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scholarum, Bd. 36, 1 – 2), Hannover/Leipzig 1909 – 1910; zuvor Johannes Victoriensis. 1211 – 1343, in: Böhmer (Hg.), FRG, Bd. 1, 1843, S. 271 – 450; übersetzt als Das Buch gewisser Geschichten von Abt Johann von Victring, übersetzt von Walter Friedensburg (GdV, Bd. 86 = 14. Jhdt., Bd. 8), Leipzig 1888. Vgl. zu Person und Werk August Fournier, Abt Johann von Viktring und sein Liber certarum historiarum. Ein Beitrag zur Quellenkunde deutscher Geschichte, Berlin 1875; Eugen Hillenbrand, Der Geschichtsschreiber Johann von Viktring als politischer Erzieher, in: Helmut Maurer und Hans Patze (Hgg.), Festschrift für Berent Schwineköper zu seinem siebzigstem Geburtstag, Sigmaringen 1982, S. 437 – 453; Margit Kamptner, Die Darstellung der Zeitgeschichte bei Johann von Viktring, in: Urban Bassi/ dies., Studien zur Geschichtsschreibung Johanns von Viktring. Mit einem Vorwort von Winfried Stelzer (Das Kärntner Landesarchiv, Bd. 22), Klagenfurt 1997, S. 42 – 166; zusammenfassend Eugen Hillenbrand, Art. Johann von Viktring, in: 2VL, Bd. 4 (1983), Sp. 789 – 793. Das spätere Werk Johanns von Viktring, Cronica Romanorum, hrsg. von Alphons Lhotsky (Buchreihe des Landesmuseums für Kärnten, Bd. 5), Klagenfurt 1960, bricht bereits in der Spätantike ab. Die Chronik Heinrichs Taube von Selbach mit den von ihm verfassten Biographien Eichstätter Bischöfe, herausgegeben von Harry Bresslau (Scriptores rerum Germanicarum, Nova Series, Bd. 1), Berlin 1922, Ndr. München 1980. Als Übersetzung liegt vor Kaiser- und Papstgeschichte von Heinrich dem Tauben (früher Heinrich von Rebdorf), übersetzt von Georg Grandaur (GdV, Bd. 85 = 14. Jhdt., Bd. 7), Leipzig 1883, auf der Textgrundlage von Heinrici Rebdorfensis Annales imperatorum et paparum. 1294 – 1362, in: Johann Friedrich Böhmer und Alfons Huber (Hgg.), FRG, Bd. 4, Stuttgart 1868, Ndr. Aalen 1969, S. 507 – 568; vgl. zu Person und Werk zusammenfassend Katharina Colberg, Art. Taube, Heinrich, von Selbach, in: 2VL, Bd. 9 (1995), Sp. 628 – 631. Die Chronik des Mathias von Neuenburg. 1. Fassung B und VC. 2. Fassung WAU, hrsg. von Adolf Hofmeister (MGH Scriptores rerum Germanicarum, Nova Series, Bd. 4), Berlin 1924 – 1940, 2. unveränderte Auflage Berlin 1955, Ndr. München 1984; als Übersetzung liegt vor Die Chronik des Mathias von Neuenburg, übersetzt von Georg Grandaur. Mit Einleitung von Ludwig Weiland (GdV, Bd. 84 = 14. Jhdt., Bd. 6), Leipzig 1892, auf der Textgrundlage aller auch in der späteren Edition verwendeten Handschriften, aber orientiert an Handschrift B. Vgl. zu Person und Werk Rolf Sprandel, Studien zu Matthias von Neuenburg, in: Dieter Berg und Hans-Werner Goetz (Hgg.), Historiographia Mediaevalis. Studien zur Geschichtsschreibung und Quellenkunde des Mittelalters. Festschrift Franz-Josef Schmale zum 65. Geburtstag, Darmstadt 1988, S. 270 – 282; zusammenfassend Klaus Arnold, Art. Matthias von Neuenburg, in: 2VL, Bd. 6 (1985), Sp. 194 – 197. Die Chronik Johanns von Winterthur, in Verbindung mit Carl Brun herausgegeben von Friedrich Baethgen (MGH Scriptores rerum Germanicarum, Nova Series, Bd. 3), Berlin 1924, 2., unveränderte Auflage Berlin 1955, Ndr. München 1982. Als Übersetzung liegt vor: Die Chronik Johann’s von Winterthur. In’s Deutsche übersetzt von Bernhard Freuler, Winterthur 1866, auf der Grundlage von Johannis Vitodurani Chronicon. Die Chronik des Minoriten Johannes von Winterthur, nach der Urschrift herausgegeben von Georg von Wyß, Zürich 1856. Vgl. zu Person und Werk zusammenfassend Klaus Arnold, Art. Johannes von Winterthur, in: 2VL, Bd. 4 (1983), Sp. 816 – 818. Liber de rebus memorabilioribus sive Chronicon Henrici de Hervordia, hrsg. von August Potthast, Göttingen 1859. Vgl. zu Person und Werk Rolf Sprandel, Studien zu Heinrich von Herford, in: Gerd Althoff u. a. (Hgg.), Person und Gemeinschaft im Mittelalter. Karl Schmid zum fünfundsechzigsten Geburtstag, Sigmaringen 1988, S. 557 – 571; Klaus Peter Schumann, Heinrich von Hervord. Enzyklopädische Gelehrsamkeit und universalhistorische Konzep-
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Einleitung
sche Notizen verbundene Quellensammlung des Nicolaus Minorita ist von einem kaiserfreundlichen Standpunkt aus geschrieben und politisch reflektiert.87 Eine der wichtigsten Quellen ist die auch in der neueren Forschung noch kaum benutzte Chronik Wilhelms von Egmond.88 Diese Chronik kann auch deshalb als wertvolle Quelle charakterisiert werden, da ihr auch urkundliches Material beigegeben wurde. Der Priester Hugo Spechtshart von Reutlingen verfaßte vermutlich um 1350 eine Reimchronik, die fest auf der Seite des Kaisers stand, und zu der es auch eine Glosse in Prosa gibt.89 Ebenfalls kaiserfreundlich schreiben der anonyme Autor der zweiten bayerischen Fortsetzung der Sächsischen Weltchronik,90 der Straßburger Chronist Fritsche Closener,91 beide in
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tion im Dienste dominikanischer Studienbedürfnisse (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen, Bd. 44; Quellen und Forschungen zur Kirchen- und Religionsgeschichte, Bd. 4), Münster 1996; zusammenfassend Eugen Hillenbrand, Art. Heinrich von Herford, in: 2VL, Bd. 3 (1981), Sp. 745 – 749; Dieter Berg, Art. Heinrich von Herford, in: LexMA, Bd. 4 (1989), Sp. 2093. Nicolaus Minorita, Chronica. Documentation on Pope John XXII, Michael of Cesena and the Poverty of Christ with Summaries in English. A Source Book, edited by Gedeon G/l and David Flood, St. Bonaventure (New York) 1996; zuvor Excerpta ex libro Nicolai Minoritae de controversia paupertatis Christi. 1324 – 1338, in: Böhmer/Huber (Hgg.), FRG, Bd. 4, 1868, S. 588 – 608; vgl. zu Person und Werk Konrad Eubel, Zu Nicolaus Minorita, in: HJb 18 (1897), S. 375 – 386; Jürgen Miethke, Der erste vollständige Druck der sogenannten »Chronik des Nicolaus Minorita« (von 1330/1338). Bemerkungen zur Präsentation eines »Farbbuches« des 14. Jahrhunderts, in: DA 54 (1998), S. 623 – 642. Willelmi capellani in Brederode postea monachi et procuratoris Egmondensis Chronicon, hrsg. von Cornelis Pijnacker Hordijk (Werken uitgegeven door het Historisch Genootschap, 3. Serie, Bd. 20), Amsterdam 1904. Vgl. zu Person und Werk Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 166, Anm. 1; Lorenz/Goldmann, Deutschlands Geschichtsquellen, Bd. 2, 31887, S. 43; vor allem aber Matthias, Beiträge, 1908, S. 62 – 79. Die Chronik des Hugo von Reutlingen, hrsg. von Karl Gillert, in: FDG 21 (1881), S. 21 – 65 (Edition S. 27 – 65); die Glosse unter dem irrtümlichen Titel Excerpta ex expositione Hugonis de Rutlingen in chronicam metricam. 1218 – 1348, in: Böhmer/Huber (Hgg.), FRG, Bd. 4, 1868, S. 128 – 137; vgl. zu Person und Werk zusammenfassend Ulrike Bodemann, Art. Spechtshart, Hugo, von Reutlingen, in: 2VL, Bd. 9 (1995), Sp. 35 – 40; Birgit Gansweidt, Art. Spechtshart, Hugo, in: LexMA 7 (1995), Sp. 2086 – 2087; s. v. Hugo Spechtshart von Reutlingen, in: Repertorium Fontium, Bd. 5 (1984), S. 604 – 605. Zweite Bairische Fortsetzung der Sächsischen Weltchronik, in: Ludwig Weiland (Hg.), Deutsche Chroniken und andere Geschichtsbücher des Mittelalters, Bd. 2 (MGH Deutsche Chroniken. Scriptores qui vernacula lingua usi sunt, Bd. 2), Hannover 1877, S. 336 – 340. Fritsche Closener, Chronik, in: Die Chroniken der oberrheinischen Städte, Straßburg, Bd. 1, hrsg. von Carl Hegel (Die Chroniken der deutschen Städte, Bd. 8), Leipzig 1870, Ndr. Göttingen 1961, S. 15 – 151. Vgl. zu Person und Werk Klaus Kirchert, Städtische Geschichtsschreibung und Schulliteratur. Rezeptionsgeschichtliche Studien zum Werk von Fritsche Closener und Jakob Twinger von Königshofen (Wissensliteratur im Mittelalter, Bd. 12), Wiesbaden 1993; zusammenfassend Gisela Friedrich und Klaus Kirchert, Art. Klosener (Closener), Fritsche (Friedrich), in: 2VL, Bd. 4 (1983), Sp. 1225 – 1235; Karl Schnith, Art. Closener, Fritsche, in LexMA, Bd. 2 (1983), Sp. 2170.
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Quellenlage
deutscher Sprache, die anonymen Autoren der Chronik von den Herzögen von Bayern92 und der panegyrischen Chronik Kaiser Ludwigs IV.93 Kritisch stehen Ludwig die 1338 verfaßte Chronik Peters von Zittau, Abt des Zisterzienserklosters Königssaal in Böhmen,94 und die für kurze Notizen zu den politisch entscheidenden Momenten des Romzugs heranzuziehende Autobiographie von Ludwigs Nachfolger Karl IV.95 sowie die von einem anonymen Autor verfaßte Lebensbeschreibung des Erzbischofs Balduin von Trier gegenüber.96 Die in Frankreich verfaßte zweite Fortsetzung der Chronik des Guillaume de Nangis bietet für den Romzug gleichsam einen Blick von außen und enthält vor allem den umfangreichsten chronikalischen Bericht zur Ankunft von Marsilius und Johannes von Jandun am Hof Ludwigs des Bayern.97 Auch bei den erzäh92 Chronica de ducibus Bavariae, in: Georg Leidinger (Hg.), Chronicae Bavaricae Saeculi XIV. Bayerische Chroniken des 14. Jahrhunderts (MGH Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum), Hannover/Leipzig 1918, S. 139 – 175; zuvor gedruckt Chronicon de ducibus Bavariae. 1311 – 1372, in: Böhmer (Hg.), FRG, Bd. 1, 1843, S. 137 – 147; als Übersetzungen liegen vor Die Chronik von den Herzögen von Baiern. 1309 – 1372, in: Quellen, erste Hälfte, übersetzt von Friedensburg, 1898, 21941, S. 89 – 102, und Chronik von den Herzögen von Bayern, in: Geschichte, Bd. 1, hrsg. von Lohmer, 1987, S. 181 – 214. 93 Chronica Ludovici imperatoris quarti, in: Leidinger (Hg.), Chronicae Bavaricae Saeculi XIV, 1918, S. 105 – 138; zuvor Vita Ludovici quarti imperatoris. 1312 – 1347, in: Böhmer (Hg.), FRG, Bd. 1, 1843, S. 148 – 161; Übersetzungen sind Das Leben Kaiser Ludwig’s IV. 1282 – 1347, in: Quellen, erste Hälfte, übersetzt von Friedensburg, 1898, 21941, S. 103 – 119, und Chronik Kaiser Ludwigs IV., in: Geschichte, Bd. 1, hrsg. von Lohmer, 1987, S. 153 – 179. 94 Peter von Zittau, Die Königssaaler Geschichtsquellen mit den Zusätzen und der Fortsetzung des Domherrn Franz von Prag, herausgegeben von Johann Loserth (Fontes rerum Austriacarum, 1. Abt: Scriptores, Bd. 8), Wien 1875, Ndr. Graz 1970; die spätere Ausgabe Peter von Zittau, Chronicon Aulae Regiae, in: Josef Emler (Hg.), Fontes rerum Bohemicarum, Bd. 4, Prag 1884, S. 3 – 337, genügt wissenschaftlichen Ansprüchen dagegen nicht; vgl. zu Person und Werk zusammenfassend Volker Honemann, Art. Peter (Petrus) von Zittau, in: NDB, Bd. 20 (2001), S. 232 – 233; Bernhard Pabst, Art. Peter von Zittau, in: LexMA, Bd. 6, (1993), Sp. 1940. 95 Kaiser Karl IV., Vita Caroli quarti, hrsg. von Eugen Hillenbrand, Stuttgart 1971. Karl IV. verweist im Anschluß an seine knappe Darstellung der römischen Ereignisse ausdrücklich auf nicht näher bezeichnete »Chroniken der Römer« für einen ausführlicheren Bericht: »[…] prout in cronicis Romanorum plenius apparet« (Kap. 4, S. 88), die jedoch noch nicht identifiziert wurden. 96 Gesta Baldewini von Luszenburch [Erzbischof von Trier (1298 – 1353)], in: Gesta Trevirorum integra lectionis varietate et animadversionibus illustrata ac indice duplice instructa nunc primum ediderunt Joannes Hugo Wyttenbach et Michael Josephus Müller, 3 Bde., Trier 1836 – 1839, Bd. 2: Ab anno MCCLIX (1259) usque ad mortem archiepiscopi Richardi a Greifenclau MDXXXI (1531), Trier 1838, S. 179 – 271; Übersetzung Emil Zenz (Hg.), Die Taten der Trierer. Gesta Treverorum, 5. Band: Balduin von Luxemburg. 1307 – 1354, Trier 1961. 97 Continuationis chronici Guillelmi de Nangiaco pars altera (1317 – 1340), in: Chronique latine de Guillaume de Nangis de 1133 / 1300 avec les continuations de cette chronique de 1300 / 1368, nouvelle 8dition revue sur les manuscrits, annot8e et publi8e pour la Soci8t8 de l’histoire de France par Hercule G8raud, Bd. 2, Paris 1843, Ndr. New York 1965, S. 1 – 178.
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Einleitung
lenden Quellen zeigt sich, daß oft die kritischen Editionen erst nach den älteren Untersuchungen zum Romzug erschienen sind, und diese daher auf ältere Drucke angewiesen waren. Die vorliegende Untersuchung zum Romzug Ludwigs des Bayern kann sich auf eine größere Anzahl von Quellen als die ältere Forschung und auch überwiegend auf kritische Editionen stützen. Nicht wenige, vermeidbare Mißverständnisse bei der Diskussion von Quellenstellen vor allem in der älteren Forschung beruhten auch darauf, daß der Quellentext oft weder zitiert noch eine Übersetzung beigegeben wurde. Aus diesem Grund sollen in der vorliegenden Untersuchung Quellenzitaten und auch Übersetzungen, die immer auch eine zu verantwortende Festlegung auf eine Interpretation bedeuten, mehr Raum gegeben werden als in der Forschung meist üblich. Wenn Fehler so auch nicht auszuschließen sind, sind sie für den Leser doch leichter aufzufinden. Die oft mangelhaften Übersetzungen der erzählenden Quellen aus dem 19. Jahrhundert, die zudem meist noch nicht auf kritischen Editionen beruhen, bedurften häufig einer Nachbesserung. Viele Quellen haben noch gar keine Übersetzung erfahren, neben einigen historiographischen vor allem die publizistischen und die große Zahl der urkundlichen Quellen.98
98 Alle Übersetzungen in dieser Arbeit sind, soweit nicht anders angegeben, von mir. Wenn ich eine Übersetzung benutzt habe, dann habe ich sie mit der einschränkenden Formulierung »nach« angegeben, um darauf hinzuweisen, daß ich den Text der Übersetzung in vielen Fällen – aber in je unterschiedlichem Umfang – verändert habe.
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2 Das Leben des Marsilius von Padua vor dem Romzug
2.1
Die Studienzeit in Padua und Paris
Die ältesten schriftlichen Zeugnisse, die Marsilius erwähnen, sind zwei Urkunden der Pariser Universität, die beide am 12. März 1313 Beschlüsse einer Versammlung dokumentieren, die von dem Magister Marsilius von Padua als Rektor einberufen wurde. Der erste Beschluß regelte die Verwendung des Universitätssiegels, mit dem zweiten wurde der Modus der Rektorenwahl neu festgelegt.99 Der Rektor hatte eine Amtsperiode von einem Vierteljahr, die für Marsilius kurz vor Weihnachten 1312 begonnen hatte, so daß die Versammlung, die von Marsilius einberufen wurde und die durch die beiden Urkunden dokumentiert ist, etwa das Ende seiner Amtsperiode markieren.100 Das nur dreimonatige Amt des Rektors, das in der Regel von jungen Magistern der Artes bekleidet wurde, die zur selben Zeit selbst Studenten an einer der höheren Fakultäten waren, ist in seiner Bedeutung jedoch nicht zu hoch zu bewerten.101 99 Denifle/Chatelain, Chartularium, Bd. 2/1, 1891, Nr. 698, S. 158: »Honestati nostre ac tranquillitati totius studii diligentius attendentes, nos omnes et singuli magistri quatuor facultatum Parisiensis Universitatis ad congregationem generalem vocati per magistrum Marcilium de Padua, tunc nostre Universitatis rectorem«; Nr. 699, S. 158 – 159, hier S. 158: »Querentes que ad pacem sunt, nos omnes et singuli magistri quatuor facultatum Parisiensis Universitatis ad congregationem generalem vocati per magistrum Mersilium [sic!] de Padua, tunc nostre Universitatis rectorem«. Das zweite Dokument wurde in der Forschung bis heute meist übersehen. 100 Die vier Amtsperioden des Rektors wurden am 27. August 1266 vom Kardinallegaten Simon verordnet, Denifle/Chatelain, Chartularium, Bd. 1, 1899, Nr. 409, S. 449 – 458, hier S. 455, derselbe erließ diese Regelung in einer Verordnung vom 1. Oktober 1279 eigens dazu noch einmal, Denifle/Chatelain, Chartularium, Bd. 1, 1899, Nr. 492, S. 576 – 577, hier S. 576. – Marsilius’ Vorgänger im Amt des Rektors, Emmerich von Dänemark, ist als Rektor noch am 13. September 1312 bezeugt, Denifle/Chatelain, Chartularium, Bd. 2/1, 1891, Nr. 697, S. 157; am 6. Mai 1313 ist dann Nicholas von Vienne als Rektor der Pariser Universität bezeugt, Denifle/Chatelain, Chartularium, Bd. 2/1, 1891, Nr. 703, S. 161 – 166, hier S. 162. Vgl. Lagarde, Marsilie de Padoue, 21948, S. 17. 101 Zum Rektorenamt an der Universität Paris vgl. Leff, Paris and Oxford Universities, 1968,
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Das Leben des Marsilius von Padua vor dem Romzug
Über Marsilius’ vorangegangenen Studienverlauf sind nur Vermutungen möglich. Wann Marsilius den Magistergrad verliehen bekommen hat, ist unbekannt. Ob er ihn in Paris erworben hat102 oder an einer anderen Universität, gedacht wurde dabei an seine Heimatstadt Padua,103 ist umstritten. Allgemein wird jedoch angenommen, daß Marsilius sein Studium in Padua aufgenommen hat.104 Die Tatsache, daß sein Name nicht in den überlieferten Aufzeichnungen der Universität Padua zu finden ist, kann daran liegen, daß die Listen aus dieser Zeit unvollständig überliefert sind.105 Aber die Möglichkeit, daß Marsilius sein Studium erst in Paris aufgenommen hat, muß in Betracht gezogen werden.106 Die Zeit seines Rektorats kann möglicherweise auch dazu dienen, die Zeit von Marsilius’ Geburt zu bestimmen. Dolcini versucht, auf dieser Grundlage das Geburtsjahr genauer einzugrenzen. Die Statuten der Sorbonne schrieben vor, daß der Rektor mature sein müßte. Das hat Dolcini als Forderung nach Volljährigkeit verstanden, die nach dem römischen Recht bei 25 Jahren lag.107 Danach wäre Marsilius also nicht später als 1287 geboren.108 Zwischen dem Ende seiner Amtszeit als Rektor 1313 und dem Jahr 1315 muß Marsilius Paris verlassen haben und in seine Heimatstadt Padua zurückgekehrt sein. Denn am 24. Mai 1315 erscheint Marsilius als Zeuge des Glaubensbekenntnisses des Paduaner Arztes und Gelehrten Pietro d’Abano (1250 – 1315),109 das dieser anläßlich der Niederschrift seines Testaments in Padua abgegeben
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S. 60 – 66, zur Amtszeit von drei Monaten S. 65; Gieysztor, Management, 1992, S. 119 – 125; Verger, Patterns, 1992, S. 51. So jüngst Courtenay, University Masters, 2004, S. 209 – 210, der die Frage wieder neu angestoßen hat. So Valois, Jean de Jandun, 1906, S. 565. Nur als Beispiele seien angeführt Riezler, Widersacher, 1874, S. 30; Gewirth, Marsilius of Padua, Bd. 1, 1951, S. 20. Gewirth, Marsilius of Padua, Bd. 1, 1951, S. 20, Anm. 2. Brampton, Marsiglio of Padua, 1922, S. 505, vermutet, daß Marsilius außerdem an der Universität Orleans Recht studiert habe, was jedoch mit der von ihm herangezogenen Textstelle aus dem Defensor pacis nicht belegt werden kann, nämlich DP II, 18, § 6, ed. Scholz, 1932 – 1933, S. 379, Z. 27 – S. 380, Z. 5: »Sic eciam qui librum hunc in lucem deduxit, studiosorum universitatem Aureliani degentem vidit, audivit et scivit per suos nuncios et epistolas requirentem et supplicantem Parisiensi universitati, tamquam famosiori et veneraciori, pro ipsius habendis regulis, privilegiis atque statutis, cum tamen Parisiensi universitati nec ante nec post esset in auctoritate aliqua vel iurisdiccione subiecta.« Von der Forschung wurde dies einhellig zurückgewiesen, so vor Brampton bereits Valois, Jean de Jandun, 1906, S. 566, und danach ausführlich Battaglia, Marsilio da Padova, 1928, S. 33 – 36. Dolcini, Introduzione, 1995, S. 8; vgl. zum Mindestalter von 25 Jahren auch Gieysztor, Management, 1992, S. 120. Anders Riezler, Art. Marsilius von Padua, 1884, S. 441: um 1270; Brampton, Marsiglio of Padua, 1922, S. 501: 1278; Weitlauff, Art. Marsilius von Padua, 1990, S. 261, und Gewirth, Marsilius of Padua, Bd. 1, 1951, S. 20: zwischen 1275 und 1280; Miethke, Art. Marsilius von Padua, 1993, Sp. 332, und ders., Politiktheorie, 2008, S. 207: um 1290. Vgl. zusammenfassend zu seiner Person Loris Sturlese, Art. Petrus von Abano, in: LexMA, Bd. 6 (1993), Sp. 1959 – 1960.
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hat.110 Zu einem unbekannten Zeitpunkt schickte Marsilius Johannes von Jandun eine Kopie der von Pietro d’Abanos im Jahr 1310 in Padua abgeschlossenen Expositio zu den pseudo-aristotelischen Problemata nach Paris.111 Johannes von Jandun gab sie, vermutlich im Jahr 1315, mit eigenen Kommentaren versehen in Paris heraus und dankte dafür, nach der Überlieferung einer Handschrift, seinem »lieben Freund, dem Magister Marsilius«.112 Ein Anhaltspunkt für das Jahr, in dem Marsilius nach Paris zurückkehrte, läßt sich daraus nicht gewinnen. Sicher ist nur, daß Johannes von Jandun und Marsilius sich spätestens seit 1315 gekannt haben müssen. Es ist aber zu vermuten, daß sie sich bereits bei Marsilius’ erstem Aufenthalt in Paris kennengelernt haben. Wohl auch im Jahr 1315 verfaßte der Paduaner Poet und Geschichtsschreiber Albertino Mussato auf Wunsch des Marsilius, den er als »Philosoph der Langobarden in unserer Zeit« anspricht, eine Evidentia tragediarum Senece.113 110 Tiziana Pesenti, Per la tradizione del testamento di Pietro d’Abano, in: Medioevo 6 (1980), S. 533 – 542, Abdruck S. 538 – 542, hier S. 542: »[…] magistro Marsilio condam domini Bomathei de contrata Sancte Lucie de Padua«; zuvor abgedruckt auch von Pincin, Marsilio, 1967, Appendice, Nr. 2, A (Testament), S. 245 – 248, B (Glaubensbekenntnis), S. 248 – 249. Vgl. Lagarde, Marsile de Padoue, 21948, S. 20 – 21; Dolcini, Introduzione, 1995, S. 12. 111 Im Explizit von Pietro d’Abanos Werk heißt es, nach Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 26, Anm. 154: »Explicit expositio succinta compilationis probl. Arist. quam Petrus condidit Padubanus, ea nullo prius interpretante, incepta Parisius et laudabiliter Padue terminata anno legis christianorum MoCCCoXo cum laude Dei altissimi, cuius nomen sit benedictum per secula. Amen.« 112 Abgedruckt bei Valois, Jean de Jandun, 1906, S. 555, Anm. 1: »Et ego, Johannes de Genduno, qui, Deo gratias, credo esse primus inter Parisius regentes in philosophia ad quem predicta Expositio pervenit, per dilectissimum meum magistrum Marcilium de Padua, illorum Expositionem manibus propriis michi scribere dignum duxit, ne malorum scriptorum corruptiones dampnose delectationem meam in istius libri studio minorarent, librumque prenominatum, secundum illius gloriosi doctoris sententias propono, Deo jubente, scolaribus studii Parisiensis verbotenus explanare, et, si aliqua per diligentiam considerationis mee debilitati visa fuerint apponenda, vel declaranda, ea non scriptis dogmatibus apponere aut manifestare curabo.« Valois bemerkt, daß unklar ist, welches Subjekt duxit hat. Wäre es Marsilius, dann müßte sich qui auf Marsilius beziehen und vor illorum Expositionem stehen, wäre es Johannes, dann müßte es statt duxit richtig duxi heißen. Vgl. den geringfügig abweichenden und etwas kürzeren Abdruck bei Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 27, Anm. 155, mit Angabe der Handschriften und dem Hinweis, daß Johannes von Janduns Vorwort nur in einer Handschrift überliefert ist; das Jahr der Veröffentlichung in Paris, Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 27, Anm. 156. 113 Albertino Mussato, Evidentia tragediarum Senece, ed. Megas, 1967, S. 123 – 130, hier Z. 1 – 18, S. 123 – 124: »Interpelasti me, dum persepe in diuersoriis de moralium methodorum generibus inter nos sermo intercederet, Marsili, nostri temporis Langobardorum philosophe, ut de tragediarum materiis quicquam tibi traderem, de quibus precipue Anneus Seneca, Neronis preceptor, uolomine uno stili sublimis per metra ab Latinorum usu comuni sequestrata celebre opus studiose composuit, seu, puto, ut te inter philosophie naturalis frequentia obuersantem studia plerumque refocillares seu ut omne sub quoquam descriptum grammata oculis tuis subiectum ad mare tue auiditatis accederet. et habuit quippe quod me uerentem hesitantemque faceret tua hec postulatio, dum locuples aurum in uiridi
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Das Leben des Marsilius von Padua vor dem Romzug
Mit dem Datum 14. Oktober 1316 erhält Marsilius, wie viele andere Bewerber auch, vom neu gewählten Papst Johannes XXII. eine Exspektanz auf ein Kanonikat der Diözese von Padua.114 Der Charakter dieser Quelle, der auf einer eigenen Supplik Marsilius’ beruht, spricht auch dafür, daß hier der Familienname des Marsilius Mainardini am zuverlässigsten überliefert ist. Die Schreibweise Raymundini, die zwar bei dem väterlichen Freund des Marsilius, Albertino Mussato, in dessen Geschichtswerk über Ludwig den Bayern zu lesen ist,115 könnte auf der schlechten Überlieferung dieses Werkes beruhen. Auch wenn nur wenige der zahlreichen Anwartschaften zu einer tatsächlichen Übertragung der vorgesehenen Pfründe führten, so sind andererseits doch die weitaus meisten Pfründe in dieser Zeit über den Weg einer päpstlichen Provision besetzt worden und nicht über den ordentlichen Kollator wie den Bischof.116 Die päpstlichen Provisionen waren ein üblicher Weg, um Universitätslehrer wirtschaftlich zu versorgen. Es fällt aber auf, daß diese Provision keinen Hinweis auf eine Stellung Marsilius’ als lehrender Magister der Universität Paris enthält. queris arbore uel in me non minus moliaris quam oleum muncturus ex lapide. uerum, ut prorsus nichil abnegem quod tua quoque deposcit instantia, nonnulla a Louato, paduano uate, decerpsi quesite rei monimenta, que diu cum eo trutinata mee tandem adhesere memorie; ex quibus aliisque hinc et inde congestis et ego sub unius quasi tragedie figuralis ymagine Ecerinidem sub ea temeritate conscripsi, qua et hec plenitudini tue auctoritatis effundam.« Vgl. Dolcini, Introduzione, 1995, S. 10 – 11; Pincin, Marsilio, 1967, S. 26 – 28. 114 Überliefert sowohl in ASV Reg. Aven. 4, fol. 508r als auch in Reg. Vat. 64, fol. 248v, ep. 1714; eine Edition fehlt; ein kurzer (etwa das erste Fünftel des Textes umfassender) und ungenügender Auszug (nach Reg. Vat.) bei Antoine Thomas, Extraits des archives du Vatican. Pour servir a l’histoire litt8raire du moyen-.ge, in: M8langes d’arch8ologie et d’histoire 2 (1882), S. 113 – 135 und 435 – 460, hier S. 448: »Dilecto filio Marsilio, nato Bonmathei de Maynardino de Padua, canonico Paduano. Probitatis tue merita, super quibus laudabile tibi testimonium perhibetur, exposcunt ut ad personam tuam apostolice liberalitatis dexteram extendamus. Volentes itaque, premissorum consideratione et obtentu dilectorum filiorum nostrorum Jacobi, Sancti Georgii ad Velum Aureum, et Francisci, Sancte Marie in Cosmedin diaconorum cardinalium, apostolicam pro te gratiam implorantium in hac parte, personam tuam favore prosequi gratiose, canonicatum ecclesie Paduane cum plenitudine juris canonici apostolica tibi auctoritate conferimus et providemus de illo; prebendam vero (…). Datum Avinione II idus octobris, anno primo. In eundem modum venerabili fratri (…), episcopo Clugiensi, et dilectis filiis (…), abbati monasterii Cartatie, Paduane diocesis, ac magistro Guillelmo de Brixia, archidiacono Bononiensi.« Ein Regest bei Jean XXII, Lettres communes, ed. Mollat, Bd. 1, 1904, Nr. 1482, S. 142; zuvor ungenügend regestiert bei Denifle/Chatelain, Chartularium, Bd. 2/1, 1891, S. 158, Anm. 1, und bei Riezler, Vatikanische Akten, 1891, Nr. 6, S. 5. 115 Albertino Mussato, Ludovicus Bavarus, ed. Böhmer, 1843, S. 175. Allein Riezler, Widersacher, 1874, S. 30, Anm. 1, entscheidet sich, diesem Zeugen die bessere Kenntnis zuzusprechen. Sein Vorname wird meist in der latinisierten Form verwendet. In der angelsächsischen Forschung jedoch ist »Marsiglio« eine gängige Schreibweise, die zwar der heutigen italienischen Schreibweise entsprechen würde, aber von keiner zeitgenössischen Quelle verwendet wird. Villani, einer der wenigen Quellenautoren, der in der Volkssprache schrieb, sagt »Marsilio«, ebenso nennen ihn moderne italienische Historiker. 116 Meyer, Arme Kleriker, 1990, S. 1 mit Anm. 2 und S. 5.
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Die Studienzeit in Padua und Paris
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Weder wird sein Magistergrad noch die Universität erwähnt,117 auch wird in der Arenga nicht die übliche Formel für einen graduierten Petenten gewählt.118 Zudem fällt auf, daß Marsilius nicht wie viele andere Magister der Universität Paris, an der nur einen Monat später eingereichten, sehr erfolgreichen Sammelsupplik der Pariser Magister, dem Rotulus vom 13. November 1316, teilnahm,119 woraufhin auch Johannes von Jandun ein Kanonikat in Senlis erhielt.120 Marsilius hat sich in dieser Zeit also wohl nicht an der Universität Paris aufgehalten. Da der Text päpstlicher Provisionen an diesen Stellen auf den Angaben der Petenten beruhte, hat Marsilius vermutlich bewußt auf sie verzichtet. Das könnte möglicherweise darauf hindeuten, daß Marsilius zu dieser Zeit nicht beabsichtigte, wieder an eine Universität, sei es in Paris oder anderswo, zurückzukehren.121 Die Tatsache, daß seine Pfründenbewerbung sich auf eine Präbende im Bistum Padua bezog, spricht dafür, auch wenn keine Residenzpflicht bestand, daß Marsilius in jener Zeit in Padua lebte und vielleicht auch vorhatte, auf Dauer dort zu bleiben. Interessant sind die zwei Fürsprecher im Kardinalsrang, die sich für Marsilius eingesetzt haben. Die Kardinäle, die Marsilius’ Bewerbung unterstützt hatten, sind Giacomo Gaetani de’ Stefaneschi, Kardinaldiakon von San Giorgio in Velabro, und Francesco Gaetani, Neffe von Papst Bonifaz VIII., Kardinaldiakon von Santa Maria in Cosmedin.122 Der Ghibelline Giacomo Gaetani de’ Stefaneschi hat im Jahr 1323 zusammen mit anderen Kardinälen gegen Johannes XXII. opponiert, als dieser begann, den offenen Konflikt mit König Ludwig den Bayern zu suchen.123
117 Valois, Jean de Jandun, 1906, S. 567, Anm. 2, erklärt das mit der Nachlässigkeit eines Kanzleischreibers. 118 Vgl. Frenz, Papsturkunden, 22000, S. 48. 119 Das hat jüngst Courtenay, University Masters, 2004, S. 213 – 215, herausgestellt, vgl. allgemein zu dieser Quellengruppe dens. (Hg.), Rotuli Parisienses, Bd. 1, 2002. 120 Johannes von Jandun supplizierte im Rotulus als Magister der Artistenfakultät und erhielt unter diesem Datum eine päpstliche Provision, Courtenay (Hg.), Rotuli Parisienses, Bd. 1, 2002, S. 34; zuvor regestiert in Jean XXII., Lettres communes, ed. Mollat, Bd. 1, 1904, Nr. 1864, S. 177, und bei Denifle/Chatelain, Chartularium, Bd. 2, 1891, Nr. 730, S. 186; ein Auszug in A. Thomas, Extraits, 1882, S. 452. 121 Eine andere Erklärung bietet Courtenay, University Masters, 2004, S. 218, der argumentiert, daß Marsilius es für erfolgversprechender gehalten habe, seine Verbindung zu Padua und seine familiäre Herkunft statt seines akademischen Hintergrundes zu betonen, um die Erfolgsaussichten seiner Pfründenbewerbung zu erhöhen. 122 Courtenay, University Masters, 2004, S. 217 – 218; A. Thomas, Extraits, 1882, S. 450. 123 Finke, Acta Aragonensia, Bd. 1, 1908, Nr. 262, S. 393 – 396, hier S. 395: Giacomo Gaetani warnt vor dem furor Teutonicus, vom 4. Oktober 1323; Nr. 264, S. 396 – 398, hier S. 397: Giacomo ist einer der drei Kardinäle, die sich gegen die Prozesse gegen Ludwig aussprechen, nach dem 4. Oktober 1323; ähnlich Nr. 265, S. 398 – 401, hier S. 400, vom 11. Oktober 1323. Vgl. Ignaz Hösl, Kardinal Jacobus Gaietani Stefaneschi. Ein Beitrag zur Literatur- und
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Das Leben des Marsilius von Padua vor dem Romzug
Etwa eineinhalb Jahre später, am 5. April 1318, erhält Marsilius eine – ebenso unverbindliche – Reservation auf die erste freiwerdende Pfründe im Bistum Padua.124 Der Zeitpunkt von Marsilius’ zweiter Bewerbung um eine Pfründe scheint nahezulegen, daß Marsilius auch zu dieser Zeit noch nicht in Opposition zu Johannes XXII. gestanden hat, obwohl Johannes XXII. bereits am 31. März 1317 die Bulle Si fratrum erlassen hatte, mit der er das Reichsvikariat in Italien beanspruchte.125 Marsilius’ Engagement für die ghibellinische Sache begann sicher jedoch bald danach. Ein von der Forschung bisher zu wenig beachtetes Problem ist die Frage, wann und warum der aus dem guelfischen Padua stammende Marsilius zu einem exponierten Vertreter der ghibellinischen Sache wurde.126 Es ist vermutet worden, daß Marsilius’ Aufenthalt an der Kurie in Avignon, von dem er im Defensor pacis berichtet, seine Bewerbung um eine Pfründe zum Anlaß hatte. Sein Vergleich mit dem Traumbild Nebukadnezars127 und die Beschreibung der Kurie als ein Handelshaus und eine Räuberhöhle128 deuten darauf hin, daß Marsilius auch dadurch, daß er die Mißstände an der Kurie selbst kennengelernt hat, zu einem Kritiker der Kirche geworden ist.
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Kirchengeschichte des beginnenden vierzehnten Jahrhunderts (Historische Studien, Heft 61), Berlin 1908, Ndr. Vaduz 1965. Überliefert in ASV Reg. Vat. 67, fol. 284r, ep. 968; eine Edition liegt nicht vor; ein Regest bei Jean XII (1314 – 1334), Lettres communes, ed. Mollat, Bd. 2, 1905, Nr. 6849, S. 123; zuvor ungenügend regestiert bei Riezler, Vatikanische Akten, 1891, Nr. 100, S. 66. MGH Const. V, 1909 – 1913, Nr. 401, S. 340 – 341. Pointiert hat sich Courtenay, University Masters, 2004, S. 220, dazu geäußert, der annimmt, daß Marsilius sich Cangrande della Scala von Verona angeschlossen habe, nachdem dieser 1318 versuchte, das guelfische Padua einzunehmen. Als zukünftiger Herr der Stadt hätte Cangrande die Möglichkeiten gehabt, die Pfründen der Stadt zu vergeben. Marsilius hätte nicht aus Enttäuschung über die noch nicht erhaltenen Pfründen aus den päpstlichen Provisionen oder aus Abscheu gegenüber dem päpstlichen Provisionswesen im allgemeinen die Seiten gewechselt, sondern weil Cangrande besser geeignet schien, Marsilius zu versorgen. DP II, 24, § 17, ed. Scholz, 1932 – 1933, S. 464, Z. 14 – 22: »Qui vero vidi et affui, videre videor quam Danielis secundo Nabuchodonosor terribilem statuam in sompnio recitatur vidisse, caput siquidem habentem aureum, brachia vero et pectus argentea, ventrem autem et femora erea, tibias quidem ferreas pedumque partem unam ferream et reliquam fictilem. Quid enim aliud ingens hec statuta est, quam status personarum curie Romani seu summi pontificis, que olim perversis hominum terribilis, nunc vero cunctis studiosis orribilis est aspectu.« DP II, 24, § 16, ed. Scholz, 1932 – 1933, S. 463, Z. 21 – S. 464, Z. 1: »In quos siquidem, velut queso, fideles convertant lumina, quodam dudum honestatis sophistice plurimorum ex ipsis obumbrata velamine; cernent se ipsis limpide, qui Romane curie, imo verius, cum veritate dicam, domus negociacionis et ea que latronum horribilioris spelunce limina visitarunt, aut qui ab hac abstinuerunt, numerose fide dignorum multitudinis relacione discent, eam pene sceleratorum omnium et negociatorum tam spiritualium quam temporalium receptaculum esse factam. Quid enim aliud, quam simoniacorum undecumque concursus?«
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Die Studienzeit in Padua und Paris
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Am 29. April 1319 schrieb Papst Johannes an den Kronprinzen von Frankreich, Karl Graf de la Marche, den späteren König Karl IV. von Frankreich, um ihn vor zwei Gesandten der Ghibellinen, einem aus P8rigueux und einem anderen aus Italien, zu warnen, die ihm die Führung der ghibellinischen Liga gegen den Papst anbieten wollten.129 Am selben Tag schrieb Papst Johannes in einem Brief an seinen Vertrauten, den königlichen Amtsträger Bernard Jordain de l’Isle, daß er verstört sei, zu erfahren, daß dieser den Prior von Montfaucon und »jenem Italiener, der Marsilius genannt wird« bei Karl eingeführt habe.130 Marsilius war gemeinsam mit Hugues Morcelle131 im Auftrag der Ghibellinenführer Cangrande della Scala aus Verona und Matteo Visconti aus Mailand bei dem späteren König Karl IV. von Frankreich. Die Mission scheiterte jedoch.132 Cangrande della Scala und Matteo Visconti waren von Kaiser Heinrich VII. zu Reichsvikaren eingesetzt worden, aber am 6. April 1318 von Johannes XXII. exkommuniziert worden.133 Noch im Defensor pacis spricht Marsilius mit Hochachtung von dem 1322 verstorbenen Matteo Visconti.134 129 Lettres secrHtes et curiales du pape Jean XXII (1316 – 1334) relatives / la France, ed. Coulon/ Cl8mencet, Bd. 1, 1906, Nr. 859, Sp. 745 – 746: »Habet quidem rumor implacidus quod pro parte tirannorum partis gebeline Ytalie duo sunt proditionis filii, quorum unus est natione Petragoricensis et alter Ytalicus, ut tibi capitaneatum partis illius cum multis stipendiis offerant, et ad recipiendum te alliciant et inducant, ad tuam presentiam destinati, super quo attende, fili, prudenter, quesumus, et considera diligenter quid te deceat, quid tibi liceat et quid expediens videatur, et ne facti ignorantia seducaris, tuam volumus magnificenciam non latere quod prefati tiranni cum suis fautoribus, suis demeritis exigentibus, sunt excommunicationis innodati sententia, et eorum terre supposite ecclesiastico interdicto«. 130 Lettres secrHtes et curiales du pape Jean XXII (1316 – 1334) relatives / la France, ed. Coulon/ Cl8mencet, Bd. 1, 1906, Nr. 860, Sp. 746 – 747, hier Sp. 747: »Ceterum, fili, nosse te volumus nos, non absque turbatione grandi animi, percepisse quod virum illum nequam priorem Montis Falconi et illum Ytalicum qui dicitur Marcillo, ad presentiam dilecti filii nostri Caroli, clare memorie regis Francie filii, comitis Marchie, ad instantiam tirannorum partis gebeline Ytalie destinasti, ad tractandum quod idem comes capitaneatum partis gebeline Ytalie debeat acceptare, non attendens quod iidem tiranni sunt cum suis fautoribus, suis exigentibus demeritis, excommunicationis innodati sententia, et eorum terre supposite ecclesiastico interdicto, quodque carissimi filii nostri Roberti, regis Sicilie illustris, sunt hostes publici et notorii inimici, nec in consideratione deducto quod procurare talia nichil aliud est quam ipsum comitem, quod absit, nobis et regi predicto adversarium constituere et nos sibi, ipsumque inducere ad persequendum quos ejus progenitores fuerant hactenus prosecuti.« Diese Stelle ist auch in dem Teilabdruck von Previt8-Orton, Marsilius of Padua and the Visconti, in: EHR 44 (1929), S. 278 – 279, enthalten. Zuvor bereits vollständig gedruckt in Documents pontificaux sur la Gascogne d’aprHs les archives du Vatican, Pontificat de Jean XXII (1316 – 1334), Textes publi8s es annot8s pour la soci8t8 historique de Gascogne par l’abb8 Louis Gu8rard, Bd. 1, Paris/Auch 1896, Nr. 86, S. 135 – 137. Zu Bernard Jordain de l’Isle vgl. Courtenay, University Masters, 2004, S. 218 – 219. 131 Zu Hugues Morcelle vgl. Courtenay, University Masters, 2004, S. 219 – 220. 132 Vgl. Gewirth, Marsilius of Padua, Bd. 1, 1951, S. 21. 133 Preger, Anfänge, 1882, Nr. 41, S. 93 – 94. 134 DP II, 26, § 17, ed. Scholz, 1932 – 1933, S. 512, Z. 6 – 18: »Quorum tamen singularius per-
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Das Leben des Marsilius von Padua vor dem Romzug
In der Forschung wird allgemein angenommen, daß Marsilius sich nach dieser gescheiterten diplomatischen Mission von 1319 wieder in Paris aufhielt und dort auch – wohl ohne längere oder weitere Abwesenheiten, für die es keine Anhaltspunkte gibt – bis zur Abreise an den Hof König Ludwigs verblieb. Nicht auszuschließen ist jedoch, daß Marsilius bereits seit einiger Zeit zuvor wieder in Paris gelebt hat und von der ghibellinischen Partei über Gesandte oder Schreiben aufgefordert wurde, von dort den Kontakt zum Sohn des französischen Königs herzustellen. Es erscheint sogar wahrscheinlicher, daß er von Italien aus – wie meist angenommen wird – zu Karl aufbrach. Eine umfangreiche Quelle für Marsilius’ Biographie vor der Ankunft am Hof König Ludwigs ist ein freundschaftlicher Brief des Paduaner Gelehrten Albertino Mussato an Marsilius mit dem Titel »Ad magistrum Marsilium physicum Paduanum arguens eum de inconstantia«.135 Die in 101 daktylischen Hexametern abgefaßte Epistel ist bisher noch nicht vollständig untersucht worden, vor allem deshalb, weil die Sprache schwierig ist und die Andeutungen dunkel sind. Die Datierung ist unsicher und hängt von der Anfangspassage ab. Hier beschreibt Mussato Marsilius als einen mit einer Rüstung versehenen Soldaten, dem ein »deutsches Schwert« angegürtet wurde oder der sich selbst ein »deutsches Schwert« angegürtet habe.136 Diese Zuschreibung Mussatos hat, abhängig secutus est hactenus generosum, nobilem et illustrem virum catholicum, morum honestate ac gravitate inter ceteros Ytalicos singularem, bene recordacionis Matheum Vicecomitem, imperiali auctoritate Mediolanensem vicarium, cum plurima sibi adherencium multitudine fidelium populorum. Hunc enim, quamvis iniquissime, predictus episcopus suis profanis sermonibus et scripturis dampnate vite fuisse ac dampnate memorie fore pronunciat. Verum non ille Matheus, sed ipse per quem scandala veniunt plurima, et qui profert de sue thesauro malicie semper mala, dampnate presencie apud Deum et homines patenter habetur estque amplius ante mortem et post mortem futurus haberi«. Vgl. Bock, Reichsidee, 1943, S. 240. 135 Jetzt kritisch herausgegeben auf Grundlage der beiden Handschriften von Miethke, Briefgedichte, 2008, S. 61 – 63; zuvor ediert (nach nur einer Handschrift) bei Pincin, Marsilio, 1967, S. 37 – 40; davor gedruckt bei Haller, Lebensgeschichte, 1929, S. 195 – 197, nach einem älteren Druck. Der Text ist auf Deutsch wiedergegeben von Riezler, Widersacher, 1874, S. 31 – 32, und übersetzt in Albertino Mussato 1261 – 1329. Ausgewählte Werke, deutsch von Rolf Engelsing, zweite, um ein Register vermehrte Ausgabe, Berlin 1983, S. 117 – 122. 136 Mussato, Ad magistrum Marsilium phisicum Paduanum arguens eum de inconstantia, Vers 1 – 18, ed. Miethke, 2008, S. 61: »Vna micans Pataue pridem lux credita terre, / Predilecta Boni proles bene fausta Mathei, / Vera refer! Varie nunquid uox improba fame / Vera refert, quod tu studii de tramite sacri / Lapsus ad infandos hominum te uerteris actus? / Diceris ecce cauo contectus tempora ferro / Loricam perferre grauem mentoque premente / Suspensos alto uultus attollere celo. / Quidam aiunt tibi quod Germanus cingitur ensis / Quidam autem quod tu Germano accingeris ensi. / Altera formidat tali, uerum altera uerbo / Pars iocat arridens, sermo est de lite iocosa. / Nunc quoque ne fas sit uanis insistere nugis, / Dic age, si queri pateris, que causa, quis ullus / Mentis amor sacris egit te cedere ceptis. / Philosophia tibi dederat sublimis, in illa / Scibile quidquid erat, nec non iam cesserat herens / Ingenio natura tuo deprensa potenter.« Die Übersetzung »deutsches Schwert« bereits bei Valois, Jean de Jandun, 1906, S. 564; Brampton, Marsiglio of Padua, 1922, S. 504; Haller,
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von wörtlichen oder metaphorischen Interpretationen, zu drei verschiedenen Schreibanlässen und Datierungen dieses Briefes geführt. Die früheste Datierung ist verknüpft mit der Vermutung, daß Marsilius im Heer Kaiser Heinrichs VII. als Soldat diente, als dieser in den Jahren 1310 bis 1313 seinen Italienzug unternahm. Da diese Anfangspassage die causa scribendi darstellt und sich auf die Gegenwart des Abfassungszeitpunkts bezieht, wurde angenommen, daß Mussato seinen Brief an Marsilius 1311 oder 1312 geschrieben habe.137 Wenn der Brief auf diese Zeit datiert wird, läßt sich jedoch der weitere Inhalt des Briefes schwer mit den Informationen zu Marsilius’ Biographie, die aus anderen Quellen bekannt sind, in Deckung bringen. Die zweite Datierung bringt Mussatos Bild von Marsilius in Rüstung und Waffen mit seiner Tätigkeit für Cangrande della Scala und Matteo Visconti in Verbindung. Um das Jahr 1319, als Marsilius den Bruder des französischen Königs für die ghibellinische Liga gewinnen sollte, soll der Brief Mussatos geschrieben sein.138 Nach der dritten Interpretation ist die Rede vom »deutschen Schwert« allein metaphorisch zu verstehen und mit der Ankunft des Marsilius am Hof Ludwigs des Bayern zu verknüpfen. Mussatos Brief soll also wohl bald nach der Ankunft, die meist mit dem Jahr 1326, vereinzelt aber auch schon mit dem Jahr 1324 datiert wird, geschrieben worden sein.139 Collodo hat diese Datierung jüngst präzisiert. Sie sieht den Schreibanlaß des Briefes in den beiden diplomatischen Missionen des Albertino Mussato zu Gesandten Ludwigs des Bayern im Jahr 1325. Bei diesen Gelegenheiten, spätestens bei seiner zweiten Gesandtschaft im August 1325, soll Mussato von Marsilius’ Anwesenheit an Ludwigs Hof, wo dieser also »spätestens im Juni/Juli 1325« eingetroffen sein muß, erfahren haben. Der Brief sei demnach spätestens im November 1325, bevor Mussato aus Padua ins Exil gehen mußte, verfaßt worden.140 Mussato schildert in dem Brief, wie Marsilius ihn einst um Rat gefragt hat, welches Studienfach er wählen solle. Mussato erwägt die Vorteile und Nachteile der Medizin und Jurisprudenz und rät schließlich zum Studium der Medizin.
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Lebensgeschichte, 1929, S. 169 – 171; Gewirth, Marsilius of Padua, 1951, S. 20; Pincin, Marsilio, 1967, S. 40; Dolcini, Introduzione, 1995, S. 9 – 10; Piaia, Shadow of Antenor, 2004, S. 199. Valois, Jean de Jandun, 1906, S. 561 – 564; Brampton, Marsiglio of Padua, 1922, S. 503 – 504. Haller, Lebensgeschichte, 1929, S. 181; Gewirth, Marsilius of Padua, 1951, S. 20 – 21; dahin tendiert auch Miethke, Briefgedichte, 2008, S. 57 – 59, der sich jedoch nur auf das Jahr 1315 als terminus post quem festlegen möchte. Ob der Arzt und Magister Marsilius darüber hinaus in dieser Zeit tatsächlich selbst als Soldat diente, wie Brampton, Marsiglio of Padua, 1922, S. 504, meint, oder ob Marsilius eine militärische Karriere erwogen hat, wie Miethke, Politiktheorie, 2008, S. 208, für möglich, läßt sich wohl kaum entscheiden. PrevitH-Orton, Introduction zum Defensor pacis, 1928, S. IX, Anm. 5 (1326); Dolcini, Introduzione, 1995, S. 10 (1324). Collodo, Marsilio da Padova, 2005, S. 244.
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Das Leben des Marsilius von Padua vor dem Romzug
Marsilius nimmt diesen Rat an und verläßt seine Heimatstadt.141 Die Zeitangabe, die Mussato zu seinem Ratschlag macht, »Padue dum regna manerent«, wird seit Haller auf die Zeit der Anwesenheit Heinrichs VII. in Italien, genauer noch auf die Anwesenheit kaiserlicher Amtsträger in Padua, bezogen und ließe sich daher auf die Zeit zwischen dem 20. Juli 1311 und dem 15. März 1312 datieren, vom Einzug des kaiserlichen Reichsvikars Bischof Aimo von Genf bis zu seiner Vertreibung durch die Paduaner Bürger.142 Die Abreise von Marsilius aus Padua erscheint in Mussatos Darstellung ganz als ein erstmaliges Verlassen der Heimat. Diese Abreise aus Padua führt zu einer folgenschweren Begegnung mit wichtigen Ghibellinenführern Norditaliens.143 Marsilius hat dabei die Bekanntschaft mit Cangrande della Scala und Matteo Visconti,144 den Feinden der guelfischen Stadt Padua, gemacht;145 etwas, das Mussato Marsilius nicht ohne Kritik und Enttäuschung vorwirft. Die Unstetigkeit, die Mussato Marsilius vorwirft, ohne zu konkret zu werden, scheint in der 141 Mussato, Ad magistrum Marsilium phisicum Paduanum arguens eum de inconstantia, Vers 19 – 50, ed. Miethke, 2008, S. 62: »Me, bene si recolis, Padue dum regna manerent, / Consilii ignarum quamquam de pondere tanti / Quesisti, num te leges audire forenses / Maluerim medice pociusue intendere physi. / Respondi: Cor cerno tuum, tua uiscera torrent / Auri sacra fames et auaro uiuere questu. / Non hic finis erat studii, carissime, sacri, / Qui te felicem faceret. Te uendere uoces / Vna tuas coget strepitu pulmonis aneli, / Altera uenales operas ad corporis egri / Disponens curas, turpes uilescet in artes. / Mechus eris lucri causa uersatus in illa. / Verum sumpta tibi physis uirtutis amore, / Vt tu sponte uelis eius dignoscere uires / Morbosasque hominum causas illisque mederi, / Illa Deo est pariterque homini laudabilis omni. / Quantas fundet opes eciam acceptare neganti / Prodiga! Non tantas Venetum fert litus arenas. / Elige te dignam speculatricemque salutis / Humane, que pene deo te conferet ipsi. / Tu dulci affatu precibusque illectus amici / Visus es hoc gratum fixisse in pectore uotum, / Hauseris ut plenam diuini nectaris obbam. / Tu tecum et pingui patria suffultus amicis / Et patrum et populi dulci digressus amore / Comoda cum medicis portas alimonia libris. / I bone, tunc dixi, superum seruande fauore, / Macte tua uirtute. Sacris splendoribus esto / Clara lucerna tue mundo notissima terre. / Fers etenim tecum iam iam speculata repente / Tangere quae facient apices primordia summos / Nomen et eterne numquam delebile fame.« 142 Grundlegend dazu Haller, Lebensgeschichte, 1929, S. 172 – 173. 143 Mussato, Ad magistrum Marsilium phisicum Paduanum arguens eum de inconstantia, Vers 51 – 64, ed. Miethke, 2008, S. 62 – 63: »Carpis iter, sed proh! sors dira sub omine leuo. / Calle quidem primo devulsus ab ore Canino / Replesti facilis seuis hortatibus aures. / Inde repens, Ligures ut non migraueris oras, / Fama subit quod te seua mulcedine captum / Impleuit torta seuissima Vipera cauda. / Hoc est quod tragico declamat Persius ore / ›O hominum curas! O quantum in rebus inane est!‹ / Hoc quoque idem est quod garrit Horacius. ›Amphora cepit / Institui currente rota, cur urceus exit?‹ / Ceptaque depingi ›mulier formosa superne‹ / Artifice iratus queritur cur ›turpiter atrum / Desinat in piscem.‹ Quicquam si ceperis, imple! / ›Denique sit quod uis, dum simplex taxat et unum.‹« 144 Der mit dem Bild von der Schlange, dem Wappentier der Visconti, gemeint sein muß. 145 Haller, Lebensgeschichte, 1929, S. 177, vermutet dagegen den Herbst 1313, als Marsilius von Paris nach Padua zurückgekehrt sein soll, als die Zeit der Kontaktaufnahme mit den Ghibellinenführern. Previt8-Orton, Introduction zum Defensor pacis, S. X, spricht sich für die Jahre 1316 bis 1319 aus.
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darauf folgenden Zeit noch zugenommen zu haben.146 Deutlich ist jedoch Mussatos Angabe, daß Marsilius bei einem berühmten Lehrer Medizin studiert habe. Über die Identität dieses berühmten Lehrers gehen die Meinungen auseinander. Vermutet wurden vor allem Pietro d’Abano147 und der berühmte Mediziner Wilhelm von Brescia, der als Exekutor in den beiden Pfründenprovisionen für Marsilius genannt ist.148 Am nächstliegenden ist der Paduaner Pietro d’Abano. Mussato spricht ausdrücklich von einer Rückkehr des Marsilius, nämlich nach Padua. Wenn Marsilius bis zum Tod Pietro d’Abanos im Jahr 1315 oder 1316 für zwei Jahre dessen Schüler war, wie Mussato anzugeben scheint, dann muß er bereits 1313 oder 1314 von Paris nach Padua zurückgekehrt sein.149 Auch von den wiederaufgenommenen medizinischen Studien ist Marsilius bald abgekommen.150 Mussato bezieht sich zu Ende des Briefs wieder auf die Gegenwart, die Abfassungszeit des Briefs. Für die jüngere Vergangenheit scheint er auf Marsilius’ Bewerbungen um päpstliche Pfründenprovisionen anzuspielen. 146 Mussato, Ad magistrum Marsilium phisicum Paduanum arguens eum de inconstantia, Vers 65 – 85, ed. Miethke, 2008, S. 63: »Ad uarios actus hominum te per uaga postquam / Transtulit ambicio diuerso tramite multas / Isque redisque uias illas circumque pererras. / Ast ubi conatus non iuxta uelle secundos / Obtulerat fortuna, redis ad uota prioris / Consilii, rursus redit in precordia primus / Interruptus amor studii, quem mente gerebas. / Vadis ad egregium doctorem temporis huius / Teque locas lateri carptimque uolumina physis / Decurrens uno perhibes quae sumpseris haustu. / Quidquid uita breuis longe non sufficit arti, / Vafer ait, nostro studio repleta bienni. / Vidi ego qui studii plures a tempore cepti / Clamide sub rubra primo medicantur in anno, / Nunc pullos, nunc oua sinu, nunc uascula lactis / Pro merita mercede sua sub ueste reportant. / Naturale ferunt homini si decidit eger, / Si valeat, laudat medicum uox credula uulgi. / Quid locus est studio, possim dum uiuere laute / Atque ego, si non sim, dicar reputerue poeta / Publica neglecto dum presit opinio uero?« 147 Lagarde, Marsile de Padoue, 21948, S. 27; Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 27, Anm. 156a. 148 Haller, Lebensgeschichte, 1929, S. 179. Vgl. zu seiner Person zusammenfassend Thomas Holste und Gundolf Keil, Art. Wilhelm von Brescia (Guglielmo de’ Corvi), in: LexMA, Bd. 9 (1998), Sp. 165 – 166. Von Scholz, Einleitung, 1932/33, S. LVI, Anm. 1, wird Johannes von Jandun in Erwägung gezogen, der aber nicht in Frage kommt, weil er kein Arzt war. 149 Courtenay, University Masters, 2004, S. 210 – 211, nimmt ebenfalls an, daß Marsilius bei Pietro d’Abano in Padua studiert hat, setzt dieses Studium aber in die Zeit vor Marsilius’ erster Abreise nach Paris, die daher etwa im Jahr 1310 stattgefunden haben müsse. Dagegen vermutet Mindermann, »Der berühmteste Arzt der Welt«, 2001, S. 32, daß Marsilius in Paris bei Pietro d’Abano studiert habe, was allerdings nicht durch die in Anm. 71 von ihm angeführte Literatur gestützt wird und ein Irrtum ist, da Pietro d’Abano Paris bereits 1305 verlassen hat, vgl. Courtenay, ebenda, S. 211, und Sturlese, Art. Petrus von Abano, 1993, Sp. 1959; Mindermann folgend Postel, Communiter inito consilio, 2004, S. 20. 150 Mussato, Ad magistrum Marsilium phisicum Paduanum arguens eum de inconstantia, Vers 86 – 94, ed. Miethke, 2008, S. 63: »Forsitan est melius uite cessisse moderne, / Pellere Marte uiros tectis et uiuere rapto / Quodlibet ut liceat scripta quam uiuere lege. / Credita de summo sit queque potencia celo, / Iusta nec unius teneant nos uincula pape. / Quid prohibet multos hoc nostro tempore papas / Concessisse suis fundos et predia posse? / Accipiat sibi quisque libens, prouisus ut assit. / ›Nulla fides pietasque uiris qui castra secuntur.‹«
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Das Leben des Marsilius von Padua vor dem Romzug
Da Marsilius zu dieser Zeit bereits den politischen Anschluß an die ghibellinische Partei vollzogen hat, wirft Mussato dies Marsilius – ob scherzhaft oder nicht, bleibt unklar – als Untreue und Undankbarkeit gegenüber dem Papst vor. Mussato scheint aber auch darauf anzuspielen, daß Marsilius bereits zu dieser Zeit Kritik am Papsttum geäußert hat.151 In der Schlußformel schreibt Mussato Marsilius zu, in der Blüte der Jugend zu stehen.152 Es wurde zwar versucht, daraus einen Anhaltspunkt für das Geburtsjahr zu gewinnen, aber die Vagheit dieser Formel einerseits und die Unsicherheit der Datierung des Briefes andererseits lassen ein hinreichend zuverlässiges und konkretes Resultat kaum zu.
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Die Abreise aus Paris: eine Flucht?
Über Marsilius’ zweiten Parisaufenthalt weiß man zumindest, daß Marsilius sich seit etwa 1319 wieder dort aufhielt und daß er, nachdem er den Defensor pacis dort abgeschlossen hatte, gemeinsam mit Johannes von Jandun die Universitätsstadt verließ und sich nach Deutschland begab, wo er am Hof Ludwigs des Bayern Aufnahme fand. Soweit ist sich die Forschung einig. Noch nicht eingehend untersucht ist allerdings, zu welchem Zeitpunkt, unter welchen Umständen und aus welchen Motiven Marsilius und Johannes von Jandun Paris den Rücken kehrten. Trotzdem ist die Vermutung weitgehend akzeptiert, die Abreise der Pariser Gelehrten habe sich »ganz überstürzt« in Form einer Flucht ereignet.153 Diese These hat weitreichende Konsequenzen für die Beurteilung von Marsilius’ politischen Aktivitäten in der darauf folgenden Zeit. Die Beantwortung der Frage, ob Marsilius beabsichtigte, nach dem Abschluß des Verteidiger des Friedens dauerhaft in Paris zu verbleiben und nur aufgrund eines äußeren Zwangs flüchten und bei König Ludwig Schutz suchen mußte, oder ob Marsilius nicht vielmehr aus eigenem Antrieb und mit dem vorgefaßten Ziel, sich Ludwig 151 Riezler, Widersacher, 1874, S. 32, der Mussatos Brief viel früher datiert, interpretiert diese Stelle in dem Sinn, »daß Marsiglio an päpstlichen Dienst gedacht, aber schon damals die päpstliche Macht bestritten habe.« 152 Mussato, Ad magistrum Marsilium phisicum Paduanum arguens eum de inconstantia, Vers 95 – 101, ed. Miethke, 2008, S. 63: »Parce, fides loquitur, multum dilecte sodalis, / Si tecum his centum lusi sine crimine metris. / Iusta quidem semper, non euitabilis ulli, / Ludit in humanis diuina potencia rebus. / Auctorem comitatur opus nec regula fallit. / Fertile tempus habes pulcra florente iuuenta / Quo te restituas, si te regat insita uirtus.« 153 So zuletzt noch Miethke, Politiktheorie, 2008, S. 224; zuerst wohl von Brampton, Marsiglio of Padua, 1922, S. 508: »The flight of the authors to Germany on the completion of their task was hurried and unexpected«. Dagegen betrachtete die ältere Forschung Marsilius’ Abreise aus Paris (noch) keineswegs als Flucht, siehe etwa Riezler, Widersacher, 1874, S. 36; Müller, Bd. 1, 1879, S. 162 – 163; Sullivan, Marsiglio of Padua, 1896/97, S. 412; Valois, Jean de Jandun, 1906, S. 588 – 589; Hauck, Kirchengeschichte, Bd. V/2, 1911, 91958, S. 500 – 501.
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anzuschließen, Paris verließ, läßt wichtige Rückschlüsse auf das Ausmaß und die Richtung seiner praktischen politischen Ziele zu. Die Fluchtthese stützt sich nicht auf ein ausdrückliches Quellenzeugnis, sondern beruht auf einer ganzen Reihe von Annahmen. Ihr Ausgangspunkt ist die nahezu allgemeine Überzeugung, Marsilius und Johannes von Jandun hätten, nachdem der Defensor pacis bereits im Jahr 1324 abgeschlossen war, Paris erst im Jahr 1326 verlassen, also zwei Jahre später.154 Deswegen ist angenommen worden, daß sie nicht die Absicht hatten, aus Paris wegzugehen. Um zu erklären, warum sie nach zwei Jahren die Stadt dann doch verließen, wurde vermutet, daß sie aufgrund einer plötzlich aufgetretenen Gefahr flüchten mußten. Diese Gefahr sei für Marsilius, so die allgemeine Meinung, aufgrund der »Entdeckung seiner Verfasserschaft« am Defensor pacis entstanden.155 Von wem die Gefahr, nämlich eine Bedrohung oder Verfolgung, ausgegangen sein soll, wird selten expliziert. Nur vereinzelt wird in der Forschung ausdrücklich der bischöfliche Inquisitor von Paris vermutet.156 Um davon sprechen zu können, daß dieser oder die weltliche Gewalt »entdeckten«, daß Marsilius der Autor eines möglicherweise häretischen Werkes war, müssen mehrere, aber selten genannte Voraussetzungen gemacht werden. Zunächst muß angenommen werden, daß der Defensor pacis bereits in Paris bekannt war, gelesen und vielleicht verbreitet wurde, als Marsilius noch in der Stadt weilte. Zweitens muß dessen häresieverdächtiger Inhalt den kirchlichen oder weltlichen Instanzen bekannt geworden sein, solange sich Marsilius noch in Paris aufhielt. Drittens muß diesen bereits auf den Plan gerufenen Stellen aber zunächst noch verborgen geblieben sein, wer der Autor des verdächtigen Werkes war. Im folgenden werden die in der Forschung weithin vertretenen Annahmen, die die Grundlage für die Fluchtthese darstellen, überprüft. Das Interesse soll dabei vor allem der Zeit und den Umständen der Abreise und Marsilius’ Motiven gelten. Der darauffolgende Abschnitt widmet sich der Ankunft der beiden Pariser Magister an Ludwigs Hof. Es wird sich zeigen, daß die Quellen die Fluchtthese nicht stützen können und ihr in vielen Fällen vielmehr widersprechen. Stattdessen scheint vieles dafür zu sprechen, daß Marsilius von Padua und 154 Wirkungsmächtig nicht nur für die deutsche und angelsächsische Forschung Haller, Lebensgeschichte, 1929, S. 186 – 188, und Gewirth, Marsilius of Padua, Bd. 1, 1951, S. 21. Daß der Zeitpunkt der Abreise nicht präzise bestimmbar ist, meint Pincin, Marsilio, 1967, S. 149. 155 Zitat für viele andere bei Scholz, Einleitung, § 3, in: DP, ed. ders., 1932/33, S. LVII; Prinz, Marsilius von Padua, 1976, S. 50. Ähnlich, aber etwas vorsichtiger, vermutete Previt8Orton, Introduction, in Marsilius of Padua, Defensor pacis, ed. ders., 1928, S. XI, und ders., Marsilius of Padua, 1935, S. 142, daß die Entdeckung von Marsilius’ Autorschaft unmittelbar bevorstand. 156 Miethke, Art. Marsilius von Padua, 1992, S. 184, Z. 18 – 21; ders., Art. Marsilius von Padua, 1993, Sp. 332; jetzt aber vorsichtiger ders., Wirkungen, 1998, S. 178, Anm. 11; ders., Politiktheorie, 2008, S. 223, Anm. 681.
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Johannes von Jandun Paris freiwillig mit der Absicht verließen, sich König Ludwig anzuschließen, um ihn mit gelehrtem Rat in seiner Auseinandersetzung mit Papst Johannes XXII. zu unterstützen.
2.2.1 Zeit der Abreise Die Zeit der Abreise aus Paris läßt sich aufgrund sicherer Daten zunächst nur eingrenzen. Der terminus post quem kann aus dem Defensor pacis gewonnen werden. Nach dem Zeugnis von vier Handschriften hat Marsilius sein Werk im Jahr 1324 am Fest Johannes’ des Täufers abgeschlossen,157 also am 24. Juni 1324.158 Eine andere Handschrift gibt etwas weniger genau nur das Jahr 1324 an, nennt aber das Haus der Theologiestudenten in Paris als den Ort, an dem das Buch verfaßt und abgeschlossen wurde.159 Nach der Handschriftenüberlieferung des Defensor pacis läßt sich also sagen, daß Marsilius sich am 24. Juni 1324 noch in Paris befand. Der terminus ante quem ergibt sich aus der päpstlichen Bulle Quia iuxta doctrinam gegen Ludwig den Bayern vom 3. April 1327.160 Damit begann eine neue Phase päpstlicher Prozesse gegen Ludwig, nachdem seit dem vierten Prozeß vom 11. Juli 1324 eine fast dreijährige Prozeßpause eingetreten war. Ludwig wurde darin förmlich nach Avignon zitiert, um dort sein Urteil wegen des Vorwurfs der Häresie zu vernehmen. Quia iuxta doctrinam ist eine wichtige Quelle, weil sie die erste päpstliche Bulle ist, die Marsilius und Johannes von Jandun gemeinsam erwähnt, und sie den Auftakt für viele weitere päpstliche Mandate und Prozesse gegen die beiden Pariser Gelehrten darstellt. Aus ihr geht 157 DP III, 3, ed. Scholz, 1932 – 1933, S. 613, Z. 14 – 16: »Anno trecenteno milleno quarto vigeno / Defensor est iste perfectus festo baptiste. / Tibi laus et gloria, Christe!« Alle vier gehören zum deutschen Zweig der Überlieferung, drei Handschriften bereits in der Edition von Scholz (T=Tortosa, Bibl. Capitular 141; H=Wien, ÖNB, cpl 464, V=Freiburg i. Ue., Franziskanerkloster (RS), 28 [ohne Vers 3]), die vierte (Florenz, Bibl. Naz., Conventi soppressi E.3.379, fol. 180v) nach Miethke, Politiktheorie, 2008, S. 210, Anm. 634. 158 Vielleicht ist diese Datumsangabe aber (auch) metaphorisch zu verstehen. So wie Johannes der Täufer in der Heilsgeschichte ein Wegbereiter war, der auf den kommenden Christus verwies, so könnte auch Marsilius sich mit dem Verweis auf Johannes den Täufer als Wegbereiter für Ludwig den Bayern bezeichnen wollen. Diesen Hinweis verdanke ich PD Dr. habil. Wolfgang Beßner, Hamburg. 159 DP III, 3, ed. Scholz, 1932 – 1933, S. 613, Z. 23 – 25 (nach der Handschrift X=Ulm, Stadtbibliothek, 6706 – 6708, ebenfalls aus dem deutschen Zweig der Überlieferung): »Compositus et completus est liber iste Anno domini MCCCXXIIII Parisiis in vico Sorbona in domo studentium in sacra theologia ibidem.« Zu Marsilius’ Theologiestudium in Paris vgl. weiter unten. 160 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 274, S. 185 – 186; MartHne/Durand, Bd. 2, 1717, Sp. 682 – 684; Denifle/Chatelain, Chartularium, Bd. 2, 1891, Nr. 864, S. 301 – 303; Jean XXII, Lettres communes, ed. Mollat, Bd. 6, 1910 – 1912, Nr. 29701, S. 630; Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 53, S. 219.
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hervor, daß die Pariser Gelehrten bereits vor der Versammlung von Trient, die unmittelbar vor Beginn des Italienzugs Ludwigs des Bayern von Januar bis März 1327 abgehalten wurde, an Ludwigs Hof empfangen worden waren. Spätestens Ende 1326 müssen Marsilius und Johannes also bei Ludwig eingetroffen sein. Damit ist ihre Ankunftszeit zwar zuverlässig, aber zunächst noch recht weiträumig, innerhalb von etwa zweieinhalb Jahren eingegrenzt. Von der heutigen Forschung wird die Zeit der Abreise aus Paris nahezu einhellig mit dem Jahr 1326 angegeben. Teile der älteren Forschung mit Lorenz und Sullivan haben sich hingegen für das Jahr 1324 als Zeitpunkt der Abreise ausgesprochen,161 wofür sich auch Dolcini entschieden hat.162 Allerdings geben diese Autoren dafür entweder ungeeignete oder keine Quellenzeugnisse an.163 Für einen längeren Verbleib der beiden Magister in Paris bis zum Jahr 1326, an dem so viel hängt für die Bewertung ihrer Abreise, kann nur eine einzige Quelle herangezogen werden. Und deren Angabe verdient durchaus Zweifel. Es ist die zweite Fortsetzung der Chronik des Wilhelm von Nangis, die über den Zeitraum von 1317 bis 1340 berichtet.164 Ihr anonymer Verfasser behält die annalistische Darstellungsform der Chronik bei, die die zu einem Jahr zusammengestellten Nachrichten, häufig kaum miteinander verbunden, nacheinander mitteilt. Allerdings findet sich der Bericht über die Ankunft der Pariser Magister am Hof König Ludwigs – und das hat bisher kaum Aufmerksamkeit gefunden – nicht erst und allein zum Jahr 1326, wo er ausführlich und detailreich gestaltet wurde,165 sondern schon einmal sehr viel früher zum Jahr 1318. Zu diesem Jahr heißt es: »Um diese Zeit verließen zwei nichtsnutzige Menschen, Brut der Schlangen, die Universität Paris, nämlich Magister Johannes von Jandun, gallischer Abkunft, und Magister Marsilius von Padua, italienischer Abkunft, die viel falsches und irriges gegen die Kirche und deren Ehre erdacht haben, viel unheilvolles Gezänk ausstießen, sich der Gemeinschaft (contubernium) des Bayern anschlossen, ihn bewogen und antrieben, sich nicht zu scheuen vor anmaßenden Worten gegenüber dem Papst, doch die Rechte 161 Lorenz/Goldmann, Deutschlands Geschichtsquellen, Bd. 2, 31886/87, S. 349; Sullivan, Marsiglio of Padua, 1896/97, S. 412 und 593. 162 Dolcini, Introduzione, 1995, S. 9 – 10 und 72. Das hat jüngst Piaia, Shadow of Antenor, 2004, S. 201, dazu veranlaßt, an die Adresse Dolcinis gewandt, apodiktisch zu äußern: »[…] it is impossible to prove that Marsilius fled to Germany in 1324, the same year in which he had finished writing the Defensor pacis.« 163 Sullivan stützt sich auf zwei Chronisten, Heinrich Taube von Selbach und Giovanni Villani, deren Nachrichten zum Jahr 1324 jedoch nicht als Anhaltspunkte gelten können, vgl. dazu weiter unten. 164 Continuationis chronici Guillelmi de Nangiaco pars altera (1317 – 1340), in: Chronique latine de Guillaume de Nangis de 1133 a 1300 avec les continuations de cette chronique de 1300 a 1368, nouvelle edition, revue sur les manuscrits, annot8e e publi8e pour la Soci8t8 de l’histoire de France par Hercule G8raud, Bd. 2, Paris 1843, Ndr. New York 1965, S. 1 – 178. 165 Vgl. zu diesem zweiten, ausführlicheren Bericht des anonymen Fortsetzers unten den folgenden Abschnitt über die Aufnahme an König Ludwigs Hof.
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des Kaisertums nach der Sitte seiner Vorgänger auch gegen die Kirche männlich zu verteidigen, da doch die Rechte der Kirche mehr aus der Autorität des Kaisertums hervorgegangen wären als aus etwas anderem.«166
Handelt es sich hier um einen Bericht über eine ganz andere Ankunft der beiden Pariser Gelehrten am Hof Ludwigs, um eine Kontaktaufnahme, die sich schon viel früher ereignete? Wohl kaum. Die expliziten und impliziten Angaben dieser Darstellung sind für das Jahr 1318 offensichtlich anachronistisch. Der Konflikt zwischen Papst Johannes XXII. und König Ludwig war zu dieser Zeit noch auf Jahre hinaus nicht ausgebrochen, und Marsilius hatte weder den Defensor pacis noch den Tractatus de translatione imperii geschrieben, deren Grundgedanken hinsichtlich des Kaisertums hier in nuce durchaus zutreffend und kenntnisreicher als in jeder anderen zeitgenössischen Chronik wiedergegeben werden.167 Marsilius war zu dieser Zeit Pfründenbewerber, der nach allem, was wir wissen, noch nicht im Widerspruch zu Johannes XXII. stand, und er hielt sich vermutlich in Padua und nicht in Paris auf. Einen weiteren Anhaltspunkt bietet die Rezeptionsgeschichte der Chronik des Wilhelm von Nangis und ihren Fortsetzungen. Sie wurden benutzt von den Chroniques de St. Denis, wo sie in französischer Übersetzung wiedergegeben werden, und in der Fortsetzung der Chronik des Girard de Frachet. Diese beiden Kompilationen bleiben für die Nachricht über die Ankunft von Marsilius und Johannes von Jandun im Jahr 1326 ganz abhängig von ihrer Vorlage,168 auffällig ist aber, daß keine von beiden diesen Bericht ihrer Vorlage zum Jahr 1318 aufgenommen hat. Der Bericht zum Jahr 1318 paßt viel besser zu der Zeit unmittelbar nach dem Abschluß des Defensor pacis. Tatsächlich stimmt der Bericht zu 1318 inhaltlich, in seiner Anfangspassage teilweise sogar wörtlich, mit dem viel ausführlicheren Bericht zum Jahr 1326 überein und kann geradezu als Zusammenfassung des letzteren gelesen werden. Die redaktionellen Entscheidungen des anonymen Fortsetzers werden sich wohl nicht mehr nachvollziehen lassen, aber es scheint, 166 Continuationis chronici Guillelmi de Nangiaco pars altera (1317 – 1340), ed. G8raud, 1843, S. 14 – 15: »Circa ista tempora de Flore lilii Parisius studii exierunt duo filii nequam genimina viperarum, scilicet magister Johannes de Janduno, natione Gallicus, et magister Marsilius de Padua, natione Italicus, multa falsa et erronea mentientes contra Ecclesiam et ejus honorem, multos latratus pestiferos emittentes, Bavari contubernio sociati, moventes et excitantes non debere eum timere ad verba frivola Papae, quinimo jura imperii more praedecessorum suorum etiam contra Ecclesiam viriliter observare, quinimo jura Ecclesiae magis ex dignitate imperii processisse quam alibi.« 167 Das trifft in noch höherem Maße auf den zweiten Bericht zum Jahr 1326 zu, vgl. unten S. 80 ff. 168 Chroniques de Saint-Denis, depuis 1285 jusqu’en 1328, in: Recueil des Historiens des Gaules et de la France, Bd. 20, Paris 1840, S. 654 – 724, hier S. 721D – S. 722B, aber als Einschub nachgetragen; gekürzt wiedergegeben im Chronicon Girardi de Fracheto et anonyma ejusdem operis continuatio, in: Recueil des Historiens des Gaules et de la France, Bd. 21, Paris 1855, S. 1 – 70, hier S. 68A – E.
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daß der »kleine Ankunftsbericht« in der Chronologie verirrt ist und sich auf die zum Jahr 1326 mitgeteilte Ankunft der Pariser Magister bezieht. Möglicherweise haben auch die Verfasser der Chroniques de St. Denis und der Fortsetzung der Chronik des Girard de Frachet so geurteilt. Ein so offensichtlicher chronologischer Fehler an dieser Stelle läßt aber auch die zweite chronologische Einordnung derselben Ankunft, die der Fortsetzer der Chronik des Wilhelm von Nangis mit dem Jahr 1326 vorgenommen hat, zweifelhaft erscheinen. Einen Anhaltspunkt für eine nähere Datierung bietet die Papstbulle Quia iuxta doctrinam. Mit Bestimmtheit heißt es darin über »die zwei nichtswürdigen Männer, Söhne des Verderbens und Zöglinge der Verfluchung, deren einer sich Marsilius von Padua und der andere Johannes von Jandun sich nennen läßt«, daß sie »sich beeilt haben, zu besagtem Ludwig […] ihre Schritte zu wenden«, dem sie ihr häretisches Buch überreichten.169 Diese Formulierung ist mit der verbreiteten Annahme, sie seien nach dem Abschluß des Defensor pacis noch volle zwei Jahre in Paris geblieben, nur schwer zu vereinbaren. Vielmehr waren die Autoren der Bulle überzeugt, daß Marsilius und Johannes von Jandun sehr bald, nachdem das Werk beendet war, zu König Ludwig aufgebrochen sind. Möglicherweise bietet diese Bulle vom 3. April 1327 noch weitere Anhaltspunkte für eine Eingrenzung der Ankunftszeit. Es scheint, daß die Auflistung der Vorwürfe gegen Ludwig einer chronologischen Anordnung folgt. An erster Stelle bezieht sich die Bulle auf Ludwigs Sachsenhäuser Appellation vom 22. Mai 1324, die im vorangegangenen päpstlichen Prozeß vom 11. Juli 1324 noch nicht erwähnt worden war. Im sogenannten minoritischen Exkurs der Appellation vertritt Ludwig die franziskanische Position im theoretischen Armutsstreit gegen Papst Johannes XXII., worauf sich der in Quia iuxta doctrinam vorgetragene Vorwurf der Häresie gründet.170 An zweiter Stelle folgt die Aufnahme von Marsilius und Johannes von Jandun.171 Und schließlich, als letzte Verfehlung, die sich auf ein datierbares Ereignis bezieht, verurteilt die Bulle, daß Ludwig für die Vermählung seines zweitgeborenen Sohnes mit einem adligen Mädchen, deren verwandtschaftliche Beziehung zu eng für eine Eheschließung sei, den dafür notwendigen päpstlichen Dispens nicht beantragt habe.172 Zu 169 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 274, § 3, S. 185, Z. 38 – S. 186, Z. 7: »Adhuc cumulans mala malis, sicut dudum ad nostri apostolatus auditum multorum fidedignorum tam litteralis perduxit insinuatio quam verbalis, duos viros nequam perditionis filios et maledictionis alumpnos, quorum unus Marsilium de Padua et alter Iohannem de Ianduno se faciunt nominari […] ad Ludovicum predictum […] gressus suos properaverunt dirigere sibique librum quemdam quem composuerant erroribus profecto non vacuum, set plenum heresibus variis […] presentarunt«. 170 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 274, § 2, S. 185, Z. 15 – 37. Vgl. den minoritischen Exkurs in der Sachsenhäuser Appellation, MGH Const. V, 1909 – 1913, Nr. 909, § 28, S. 732 – 741. 171 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 274, § 3, S. 185, Z. 38 – S. 186, Z. 16. 172 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 274, § 5, S. 186, Z. 22 – 26: »Rursus ut se manifestaret
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dieser Vermählung ist es tatsächlich nie gekommen. Die Papstbulle bezieht sich vielmehr lediglich auf eine Vereinbarung, die Teil des Trausnitzer Vertrages vom 13. März 1325 zwischen Ludwig dem Bayern und seinem einstigen Widersacher und Gegenkönig Friedrich dem Schönen von Österreich war, nach der Ludwigs zweiter Sohn Stephan II. (1319 – 1375) und Elisabeth, der Tochter Friedrichs des Schönen, vermählt werden sollten.173 Die Verwandtschaft stellte ein bekanntes Ehehindernis dar, für das – so ein bemerkenswerter Zusatz – ein Dispens beim Heiligen Stuhl angestrebt werden sollte, »sobald dieser von einer solchen Person besetzt sein würde, von der man den Dispens gern erbitten und erhalten wollte.«174 Unter der Voraussetzung also, daß die Auflistung von Ludwigs Vergehen in dieser Bulle einer chronologischen Ordnung folgt – was nicht unwahrscheinlich ist – ließe sich die Abreise aus Paris und die Ankunft von Marsilius und Johannes von Jandun am Hof Ludwigs zeitlich auf die knapp neun Monate zwischen dem 24. Juni 1324, dem Abschluß des Defensor pacis, und dem 13. März 1325, dem Trausnitzer Vertrag, eingrenzen. Neben dem zweiten Fortsetzer der Chronik des Wilhelm von Nangis geben zwei weitere Chronisten der Ankunft von Marsilius und Johannes von Jandun bei König Ludwig eine zeitliche Zuordnung. Heinrich Taube von Selbach und Giovanni Villani verknüpfen in ihren Darstellungen die Anwesenheit der beiden Gelehrten am Hof des Königs mit Ereignissen des Jahres 1324. In seiner einzigen Erwähnung von Marsilius und Johannes von Jandun berichtet Heinrich Taube von Selbach: »Ebenso hat derselbe Papst einen gewissen Pariser Magister, Johannes von Jandun, und einen anderen, Marsilius von Padua, die einige unheilvolle und gegen die Ehre der Kirche gerichtete Bücher geschrieben hatten, wegen Häresie verurteilt, die der genannte Ludwig in seiner Hofgemeinschaft (familiaritas) behalten hat, auf deren Rat er [Ludwig] eine Berufung mit zahlreichen Artikeln gegen die päpstlichen Prozesse eingelegt hat«.175 evidentius canonum contemptorem, filio suo secundogenito quandam puellam nobilem eidem filio in gradu consanguinitatis prohibito attinentem contra interdicta canonum in uxorem, quantum in eo fuit, dedit dictumque matrimonium, immo potius incestuosam copulam inter eos sollenizari fecit in ecclesia publice ecclesiastico interdicto supposita, dispensatione super hoc non obtenta.« 173 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 29, S. 18 – 20, hier § 6. Vgl. Altmann, Römerzug, 1886, S. 37, Anm. 2; Angermeier, in: HBG, Bd. 2, 21988, S. 164. 174 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 29, § 6, S. 19, Z. 32 – 34: »Und sol der chunig und der hertzog die dispensation mit ein ander gewinnen von dem stule zu˚ Rome, swenn der stul e mit einer sotan personen besetzet wirt, von dem in die dispensation fugt ze biten und ze gewinnen.« 175 Heinrich Taube von Selbach, ed. Bresslau, 1922, Papae. Iohannes XXII., S. 22, Z. 14 – S. 23, Z. 1: »Item idem papa quendam magistrum Parysius, Iohannem de Ganduno, et alium, Marsilium de Padua, qui aliquos libros pestiferos et contra honorem ecclesie conpusuerant, de heresi condempnavit, quos predictus Ludwicus in sua familiaritate tenuit, de quorum consilio appellacionem contra processus pape interposuit, cui multos articulos inseruit.«
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Der Chronist berichtet über die päpstliche Verurteilung des Defensor pacis von 1327 und stellt dann die Verbindung der beiden Magister zu Ludwig dem Bayern her.176 Seine Nachricht über ihre Beratung Ludwigs bei einer Berufung gegen die päpstlichen Prozesse kann jedoch nicht zutreffen. Zur Zeit der umfangreichen letzten Berufung, nämlich der Sachsenhäuser Appellation vom 22. Mai 1324, hielten sich Marsilius und Johannes von Jandun noch in Paris auf. Heinrich Taubes irrtümliche Notiz kann nicht als Beleg für eine Ankunft im Jahr 1324 gelten. Möglicherweise beruht der Irrtum des Chronisten auf einer nur ungefähren Kenntnis der Chronologie und Inhalte der päpstlichen Prozesse dieser Jahre und amalgamierte die in Quia iuxta doctrinam aufeinanderfolgend aufgeführten Vorwürfe gegen Ludwig, nämlich seine Sachsenhäuser Appellation und die Aufnahme der Pariser Gelehrten, zu einer neuen Aussage. Giovanni Villani erwähnt Marsilius von Padua zweimal in seiner Chronik, die erste Erwähnung schließt auch Johannes von Jandun mit ein. Villani referiert den Inhalt der Prozeßbulle vom 11. Juli 1324, mit der Papst Johannes XXII. seinen vorerst letzten Urteilsspruch gegen Ludwig erlassen habe, womit er dessen Regierung für nichtig erklärte, weil er Häretiker beschützte, nämlich zum einen Matteo Visconti aus Mailand und zum anderen Johannes von Jandun und Marsilius von Padua.177 Die Prozeßbulle vom Juli 1324 enthält in Wirklichkeit jedoch noch keinen Hinweis auf die beiden Pariser Magister. Villanis irrtümliche Notiz ist also kein Beleg für deren Ankunft bei Ludwig im Jahr 1324. Wie Heinrich Taube scheint auch der Florentiner Chronist Inhalte aus Quia iuxta doctrinam beizumengen, wie seine weitere Wiedergabe zeigt. Villanis Angabe, daß Johannes XXII. Ludwig peremptorisch zum 1. Oktober nach Avignon vorgeladen habe,178 gehört zu Quia iuxta doctrinam und in das Jahr 1327, nicht in den Prozeß vom Juli 1324. Beide Chronisten setzten die Ankunft von Marsilius und Johannes von Jandun bereits in das Jahr 1324, indem sie deren Anwesenheit Vgl. die Übersetzung von Grandaur, Kaiser- und Papstgeschichte von Heinrich dem Tauben, 1899, S. 18. 176 Heinrich Taube von Selbach ist der einzige Chronist, der von mehreren häretischen Büchern spricht. Möglicherweise ist dies ein Hinweis darauf, daß der Chronist, der die erste Redaktion seines Werks bald nach 1343 abschloß, auch von späteren Schriften des Marsilius wußte. 177 Villani, Buch 10, Kap. 264, Überschrift, und Z. 1 – 9, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 439: »Come papa Giovanni scomunick Lodovico di Baviera eletto re de’ Romani: Nel detto anno [1324], a d' XIII [richtig: 11.] di luglio, papa Giovanni apo Vignone in Proenza diede ultima sentenzia contra Lodovico dogio di Baviera eletto re de’ Romani, dispognendolo d’ogni beneficio di lezioni d’imperio, s' come ribello di santa Chiesa, e fautore e sostenitore degli eretici di Milano in Lombardia, e di mastro Gian di Gandone, e di mastro Marsilio di Padova, grandi maestri in natura e astrolagi, ma di certo eretici in piF casi«. 178 Villani, Buch 10, Kap. 264, Z. 9 – 14, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 439: »[…] e comandk che innanzi calen di ottobre prossimo fosse venuto il detto Lodovico personalmente dinanzi da·llui a misericordia, e a·ffare penitenzia del misfatto, o dal termine innanzi proceder/ contra lui e’ suoi beni, s' come scismatico e eretico.«
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bei König Ludwig proleptisch mit Vorgängen oder Dokumenten aus diesem Jahr verbinden. Möglicherweise beruhen die Darstellungen der beiden Chronisten auf der Überzeugung, daß der Konflikt zwischen Johannes XXII. und König Ludwig von Anfang an mit den häretischen Ratgebern verbunden – und zu einem Teil von ihnen mitverschuldet war. Eine präzise Datierung der Ankunft von Marsilius und Johannes von Jandun bei Ludwig ist nach den Zeitangaben der Quellen nicht möglich. Die in der Forschung dominierende Jahresangabe 1326 kann mit der bisherigen Bestimmtheit jedoch kaum aufrechterhalten werden. Damit entfallen ein wichtiges Argument und der Ausgangspunkt für die Fluchtthese. Das päpstliche Dokument Quia iuxta doctrinam, das als erstes die beiden Pariser Magister bei Ludwig erwähnt, spricht ausdrücklich von einer Abreise bald nach dem Abschluß des Defensor pacis. Zudem scheint es nicht unwahrscheinlich, daß aufgrund der textlichen Anordnung dieses juristischen Schriftstücks die Abreise zwischen Sommer 1324 und März 1325 eingegrenzt werden kann. Die beiden Chroniken, die die Ankunft bei Ludwig mit dem Jahr 1324 verknüpfen, können jedoch nicht als eigenständige Quellenbelege für das Jahr 1324 gelten. Auch um über die Zeit der Abreise aus Paris ein besseres Urteil zu gewinnen, ist es nötig, die Umstände der Abreise zu untersuchen.
2.2.2 Äußere Ursachen? Zu den Umständen der Abreise von Marsilius und Johannes von Jandun gehört vor allem die Frage, ob es eine äußere Ursache dafür gab. Dabei soll die in der Forschung dominierende Ansicht überprüft werden, nach der Marsilius’ fluchtartige Abreise auf einer durch die Entdeckung seiner Verfasserschaft am Defensor pacis ausgelöste Verfolgung durch kirchliche oder weltliche Instanzen beruhte. Im einzelnen steht zur Diskussion, ob der Defensor pacis zu Recht als anonym gilt, ob er in Paris gelesen wurde und verbreitet war, und ob sich Anhaltspunkte zum einen für eine Bedrohung oder Verfolgung und zum anderen für Marsilius’ Absicht, dauerhaft in Paris zu verbleiben, finden lassen. Marsilius von Padua nennt zwar bekanntlich im Defensor pacis seinen Namen nicht, er gibt aber deutliche Anhaltspunkte auf seine Identität.179 Mehrmals verwendet er die erste Person Singular und gibt an diesen Stellen Hinweise zu seiner Person. Vor allem die Selbstbezeichnung als Nachkomme Antenors, des mythischen Gründers von Padua, weist den Weg zu Marsilius.180 Falls Marsilius 179 So jetzt auch nachdrücklich Miethke, Politiktheorie, 2008, S. 222 und 223, Anm. 681 (auf S. 224). 180 DP I, 1, § 6, ed. Scholz, 1932/33, S. 7, Z. 16 – 22: »Premissis itaque Christi, sanctorum atque
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in Paris Abschriften des Defensor pacis anfertigen ließ,181 die er vor seiner Abreise Universitätskollegen oder anderen Personen zur Lektüre überreichte, oder falls Abschriften entstanden, die unabhängig von seiner persönlichen Weitergabe »zirkulierten«,182 dann konnte in diesem Pariser Umfeld dem interessierten Abschriftenempfänger und Leser die Identität des Autors doch nicht verborgen bleiben. Aber Marsilius hat sich dafür entschieden, seinen Namen nicht ausdrücklich anzugeben, um nicht jeder Person, der eine Abschrift in die Hände fiel, seine Identität ohne weiteres zu offenbaren. Gerade dieser defensive Umgang mit seiner Verfasserschaft zeigt, daß Marsilius von Beginn an vorsichtig und sich der Gefahr bewußt war. Er bringt dies im Defensor pacis ausdrücklich zur Sprache, als er auf die Hindernisse aufmerksam macht, die der Verbreitung seines Werkes entgegenstünden: »[…] die Verfolgung durch die keinen Gewaltakt scheuende Macht der römischen Bischöfe und ihrer Helfershelfer. Das Werk nämlich und seine wahrhaftigen Verkünder werden sie mit allen Kräften zu vernichten suchen im Bewußtsein, daß diese unmittelbar ihre Absicht, weltliche Güter – ohne alles Recht – festzuhalten und zu besitzen, und auch ihrem glühenden Verlangen nach Herrschaft entgegentreten.«183
Marsilius’ Bewußtsein von der Gefahr, in die ihn sein Werk bringen würde, gibt Anlaß zu mehreren Vermutungen. Zunächst konnte ihn das Auftreten einer tatsächlichen Gefahr oder Bedrohung nicht überrascht haben. Es ist wichtig, hier festzuhalten, daß eine Voraussetzung der Fluchtthese, die Anonymität des Defensor pacis, im buchstäblichen Sinn zwar zutrifft, aber eben ein wesentliches Element der Fluchtthese, nämlich seine Überraschung durch eine Gefahr, nicht stützt, sondern ihr entgegensteht. Ferner spricht Marsilius’ ausgeprägte Vorsicht eher dagegen, daß er eine Verbreitung oder Weitergabe von Abschriften in Paris betrieben und eine unkontrollierbare Zirkulation seines Werkes in Kauf genommen hat, solange er sich selbst noch dort aufhielt. Schließlich erscheint es philosophorum monitis attendens et obsequens Anthenorides ego quidam ex intelligencie rerum harum, si qua mihi gracia credita est, spiritu quoque confidencie ministrato desursum, a quo, teste Iacobo, sue canonice primo capitulo: Omne datum optimum et omne donum perfectum, desursum descendens est a patre luminum«. Vgl. dazu Gregorio Piaia, »Anthenorides ego quidam«, Chiose al prologo del »Defensor pacis«, in: Il pensiero politico 27 (1994), S. 95 – 104. 181 Vgl. unten S. 90 f. die Diskussion zum sogenannten französischen Zweig der Handschriftenüberlieferung, die jedoch keinen Aufschluß darüber gibt, wann genau und wo die Stammhandschrift der französischen Gruppe hergestellt wurde. 182 So vermutet Miethke, Politiktheorie, 2008, S. 223. 183 DP II, 1, § 1, ed. Scholz, 1932 – 1933, S. 137, Z. 22 – S. 138, Z. 4: »[…] uno siquidem persecucione violente potestatis Romanorum episcoporum suorumque complicium. Ipsum etenim ipsiusque propalatores veridicos totis viribus nitentur destruere, tamquam directo adversantes ipsorum proposito detinendi et possidendi temporalia minus iuste, necnon eorum ardenti desiderio principatus.« Die Übersetzung nach Kunzmann, Bd. 1, 1958, S. 249.
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auch gerade unter diesem Gesichtspunkt unwahrscheinlich, daß er vorhatte, sich weiterhin und dauerhaft in Paris aufzuhalten. Den Zeitpunkt seiner Abreise sollte man aufgrund dieser Überlegungen eher früher als später annehmen. Die Frage der Veröffentlichung und Verbreitung des Defensor pacis in Paris wird von der päpstlichen Kurie in Quia iuxta doctrinam ausdrücklich angesprochen. Dort heißt es über Marsilius und Johannes von Jandun, daß sie »an der Universität Paris im Laufe mehrerer Jahre ihr Gehör von der Wahrheit abgewendet und ihre Studien, die – wie der Ausgang der Sache zeigt – hätten berichtigt werden müssen, erfundenen Geschichten zugewendet hatten und die sich, weil sie an dieser Universität, da dort die Autorität eines katholischen Fürsten wacht, und diese Universität durch die große Zahl rechtgläubiger Theologen und Kirchenrechtler geschützt ist, das Gift ihres Wahnsinns nicht von sich zu geben wagten«.184
Von einer Veröffentlichung und Verbreitung des Defensor pacis in Paris, für dessen gemeinsame Verfasser die Kurie Marsilius und Johannes hält, weiß man in Avignon nichts. Vielmehr stellt die Bulle ausdrücklich fest, daß dies nicht der Fall gewesen sei. Auch der Grund dafür wird genannt. Marsilius und Johannes hätten es nicht gewagt, sich mit einer Veröffentlichung in Paris in Gefahr zu bringen. In diese wären sie, so die Bulle, gebracht worden, zum einen durch die weltliche Gewalt des Königs von Frankreich und zum anderen durch die geistige und geistliche Instanz der Professoren der Theologie und des Kirchenrechts. Von einem bereits eingeleiteten Verfahren gegen sie oder einem Vorgehen des Pariser Inquisitors, dem sie sich dann – eben durch Flucht – entzogen hätten, sagt die Bulle nichts. Wenn es derartiges gegeben hätte, wäre es gegen Marsilius und Jandunus hier oder in späteren Bullen verwendet worden. Das ist aber nicht der Fall. Noch etwas deutet darauf hin, daß es vor der Abreise der beiden Gelehrten bei den für ein Inquisitionsverfahren zuständigen Instanzen in Paris noch keine genaue Kenntnis über den Defensor pacis gab und daher auch noch kein Verfahren gegen sie eingeleitet worden sein kann. In der päpstlichen Bulle, die über drei Jahre nach der Abfassung des Defensor pacis ausgestellt wurde, wird nicht nur Marsilius, sondern mit ihm auch Johannes von Jandun als Mitautor des ketzerischen Buches bezeichnet, der er jedoch nicht war.185 Das läßt vermuten, daß der Defensor pacis erst dann an der Kurie bekannt wurde, nachdem die beiden Philosophen gemeinsam an Ludwigs Hof Aufmerksamkeit erregt hatten. 184 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 274, § 3, S. 185, Z. 41 – S. 186, Z. 1: »[…] qui in Parisiensi studio annis pluribus a veritate suum avertentes auditum ad fabulas sua duxerant studia, sicut rei probat exitus, convertenda quique dum in eodem studio, cum in eo catholici principis auctoritas vigeat ac studium ipsum orthodoxorum theologorum et canonistarum copia sit munitum, vesanie sue virus effundere non auderent«. 185 Vgl. unten S. 89 f.
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Von Personen aus dem Umkreis von Ludwigs Hof hat die Kurie auch ihre Informationen über die beiden Magister, und eben nicht aus Paris. Die Tatsache, daß Johannes von Jandun gemeinsam mit Marsilius Paris verlassen und den Hof Ludwigs des Bayern aufgesucht hatte, um dort den Defensor pacis bekannt zu machen, verführte wohl die Zeitgenossen zu der Annahme, daß auch beide die Verfasser seien.186 Hätte es bereits vor der gemeinsamen Ankunft bei Ludwig ein Verfahren der Pariser Inquisition gegeben, dann wäre der von der Kurie nie korrigierte Irrtum von der Mitautorschaft des Johannes von Jandun nicht in die Welt gesetzt worden. Aufgrund von Quia iuxta doctrinam läßt sich festhalten: Als Marsilius und Johannes von Jandun Paris verließen, hat es dort keine Verfolgung oder Bedrohung durch Pariser Instanzen gegen sie gegeben, die zu dieser Zeit oder auch später der Kurie berichtet worden wäre.187 Die Frage nach den Umständen der Abreise der beiden Magister aus Paris hat die Kurie dagegen noch lange beschäftigt. Die päpstliche Inquisition hat – über ein Jahr nach Quia iuxta doctrinam – einen Studenten des Marsilius verhört.188 Diese Befragung fand also erst zu einer Zeit statt, als Marsilius bereits exkommuniziert war, der Defensor pacis schon als häretisch verurteilt worden war, und Marsilius wegen seines Einflusses auf Ludwig den Bayern den weiteren Zorn des Papstes auf sich gezogen hatte. Das Protokoll dieses Verhörs ist überliefert.189 Allerdings stellen die Interpretation und Auswertung dieses interessanten Dokuments in mancherlei Hinsicht kaum zu überwindende Probleme dar. Die Fragen des Inquisitors sind in der Form von Vorwürfen an den Befragten gerichtet. Dieser mußte antworten, ob die Vorwürfe zutreffen oder nicht. Inwieweit diese Vorwürfe begründet waren, dem Historiker also mitteilen, wovon der Inquisitor bereits überzeugt war, weil es auf vorhandenen Informationen beruhte, oder ob sie dazu dienen sollten, erst etwas in Erfahrung zu bringen, läßt sich kaum entscheiden. Problematisch sind auch die – durchweg verneinenden – Antworten des Befragten. Sein persönliches Schicksal hing schließlich davon ab, 186 Vgl. Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 34 – 35. 187 Auch an der Kurie wußte man nichts, wovon man Stellen in Paris unterrichten wollte. Das läßt sich heute mit Bestimmtheit sagen, da von der Pcole franÅaise de Rome diejenigen Sekretregister, die Frankreich betreffen, in Regestenform vollständig bearbeitet sind. Über Marsilius findet sich für die infrage kommenden Jahre 1324 bis 1326 nichts. 188 Ob es Befragungen von Personen auch aus dem Umfeld des Johannes von Jandun gegeben hat, ist nicht bekannt. 189 Marsilio da Padova, Defensor pacis nelle traduzione in volgare fiorentino del 1363, a cura di Carlo Pincin (Scrittori Italiani di politica, economia e storia), Turin 1966, Appendice, Nr. 1, S. 569 – 571, nach der Handschrift Paris, BibliothHque Nationale, Ms. lat. 4246, cc. 47 – 48. Pincin verwendet bei der Edition der Quelle eine fortlaufende Zeilennumerierung, daher wird im folgenden zuerst die Zeile und dann erst die entsprechende Seite angegeben. Zuvor gedruckt bei Etienne Baluze, Miscellanea, Bd. 2, neu hrsg. von Giovanni Mansi, Lucca 1761, S. 280a – 281a. Eine auszugsweise deutsche Wiedergabe findet sich bei Riezler, Widersacher, 1874, S. 37, Anm. 1.
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ob er die Vorwürfe zurückweisen konnte. Ob seine Einlassungen wahrheitsgemäß waren oder ob es sich um Schutzbehauptungen handelte, läßt sich heute ebenfalls kaum entscheiden, da die Inhalte der Vorwürfe nicht aus anderen Quellen verifiziert oder falsifiziert werden können. Die Niederschrift des Verhörs hält fest, daß am 20. Mai 1328 Francesco della Giovanna aus der Diözese Venedig-Castello einer Befragung unterzogen wurde, weil es dem Papst zu Gehör gekommen war, »daß Francesco […] eine Zeit lang im Dienst des treulosen Menschen Marsilius de Maynardino aus Padua gewesen sei, mit ebendiesem Marsilius viel Zeit in der Stadt Paris und anderenorts verbracht habe und sich bei verschiedenen und ungeheuerlichen Handlungen und vielen Exzessen, die Marsilius begangen hat, hinzugesellt, mitgewirkt und hingewendet habe.«190
Gasbert, der Erzbischof von Arles und Camerarius des Papstes, nahm daher diese gerichtliche Untersuchung vor, die in Avignon unterhalb des Papstpalastes abgehalten wurde.191 Auf diesen ersten, ganz allgemeinen Vorwurf antwortete Francesco unter Eid, »daß er niemals Diener des Marsilius gewesen sei, noch mit ihm viel Zeit in derselben Unterkunft verbracht habe, außer indem er ihm lediglich als Schüler gefällig war, gelegentlich, aber selten den Tisch bereitete und den Wein reichte, wie es auch einige andere italienische Schüler getan haben.«192 190 Marsilio da Padova, ed. Pincin, 1966, Appendice, Nr. 1, Z. 1 – 9, S. 569: »Anno a nativitate domini mcccxxviij die xxma mensis Maii. Cum ad audientiam sanctissimi patris et domini nostri domini Johannis divina providentia pape xxij pervenisset quod Franciscus filius dictus domine Johanne de Contrata sancte Marie matris domini de Veneciis Castellanensis diocesis hactenus fuisset in servicio perfidi hominis Massilii de Maynardino de Padua, et cum eodem Massilio moram traxisset diucius in Civitate Parisiensi et alibi, eundem Massilium associando, coadiuvando et dirigendo in diversis et enormibus actibus et excessibus multiplicibus com[m]issis per Massilium supradictum.« 191 Marsilio da Padova, ed. Pincin, 1966, Appendice, Nr. 1, Z. 39 – 47, S. 570: »Unde cum premissa non debeant impunita coniventibus occulis pertransire, dicto Francisco in presentia venerabilis patris domini Gasberti dei gratia Arelatensis Archiepiscopi memorati domini nostri pape Camerarii apud Avinionem infra palacium eiusdem domini nostri personaliter constituto, processit dictos [=dictus] dominus Camerarius virtute commissionis sibi facte, ut dixit, per prefatum dominum nostrum papam oraculo vive vocis ad inquirendum cum dicto Francisco super omnibus supradictis. Super quibus iuravit idem Franciscus dicere puram et simplicem veritatem quam sciret inquirere, sicut sequitur.« In dem Protokoll werden zunächst alle Vorwürfe aufgeführt, dann erst werden der Reihe nach die Antworten des Beschuldigten protokolliert. Zum besseren Verständnis werden hier die jeweiligen Antworten unmittelbar nach den einzelnen Vorwürfen wiedergegeben. 192 Marsilio da Padova, ed. Pincin, 1966, Appendice, Nr. 1, Z. 48 – 53, S. 570: »Primo interrogatus dictus Franciscus per prefatum dominum Camerarium super contentis in primo articulo, iuramento suo predicto, dixit se nunquam fuisse servitorem dicti Massilii, nec cum eo moram traxisse in eodem hospicio, nisi duntaxat serviendo sibi ut scolaris, parando mensam et dando vinum aliquosciens et raro, sicut et nonnulli alii scolares Italici faciebant.«
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Den Vorwurf, Diener des Marsilius gewesen zu sein, bestreitet Francesco, vielmehr sei er allein dessen Student gewesen, aber offenbar doch in einem recht nahen Verhältnis zu Marsilius, wie auch die weiteren Antworten vermuten lassen. Francesco muß wohl Philosophie bei Marsilius gehört haben. Dessen Lehrtätigkeit in der Philosophie ist auch durch einige von ihm für diesen Zweck angefertigte quaestiones und sophismata belegt.193 Zudem gibt es das Zeugnis eines anderen Studenten, der in einem späteren, dezidiert feindseligen Gedicht, das er etwa zur Zeit dieses Inquisitionsverfahrens verfaßt hat, davon spricht, bei Marsilius Naturphilosophie gehört zu haben.194 Mit dem zweiten Vorwurf wendet sich der Inquisitor dem Defensor pacis zu, jedoch ohne den Titel zu nennen: »Francesco und viele andere haben dem Marsilius und Johannes von Jandun treulos bei der Abfassung und Herstellung eines gewissen Buches, das mannigfaltige, verschiedene und zahlreiche Irrtümer gegen unseren Herrn Papst, die heilige römische Kirche und den katholischen Glauben enthält, geschickt, bewußt und berechnend in der Stadt Paris gedient, beraten und begünstigt.«195
Francesco erklärt, daß dies alles nicht wahr sei und fügt hinzu, »daß er, wenn er derartige Irrlehren gewußt hätte, sie dem Herrn Bischof von Paris offenbart hätte (revelasset).«196 Ungefragt und unaufgefordert beteuert Francesco, er hätte dem Pariser Bischof Marsilius’ Irrlehren »offenbart«, wenn er sie gekannt hätte. Francescos Anmerkung ist vor allem dann plausibel, wenn dem Bischof ohne Francescos »Offenbarung« eben nichts bekanntgeworden ist. Auch diese Quelle bestärkt die Annahme, daß ein Verdacht der kirchlichen Instanzen in Paris gegen Marsilius nicht geweckt worden ist, solange sich Marsilius noch in Paris aufhielt. Die Niederschrift fährt mit weiteren Bemerkungen Francescos noch zum zweiten Vorwurf fort: »Er hat weder gewußt noch gehört, daß irgendwelche anderen außer Marsilius und Johannes von Jandun an der Herstellung und Abfassung des besagten Buches beteiligt gewesen wären. Über diese Dinge hat er nach der Abreise (recessus) des Marsilius zwei 193 Vgl. unten S. 105 f. 194 Vgl. zum polemischen Gedicht De Bavari apostasia unten S. 379 f. 195 Marsilio da Padova, ed. Pincin, 1966, Appendice, Nr. 1, Z. 10 – 15, S. 569: »Item quod eidem Massilio et Johanni de Janduno perfidis in componendo seu compilando quendam libellum continentem errores varios et diversos ac multiplices contra prefatum dominum nostrum summum pontificem sanctamque Romanam ecclesiam et fidem catholicam ipse Franciscus et plures alii, ipso sciente et consenciente et ratum habente, serviverant, consuluerant et faverant in Civitate Parisiensi predicta.« 196 Marsilio da Padova, ed. Pincin, 1966, Appendice, Nr. 1, Z. 54 – 56, S. 570: »Item super contentis in secundo articulo interrogatus suo iuramento, negavit omnia in eo contenta fore vera, dicens quod si ipse errores huiusmodi scivisset, eos revelasset domino Episcopo Parisiensi«.
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Monate lang sagen hören, daß Marsilius und Johannes das besagte Buch allein verfaßt hatten. Und dies hatte er sagen hören von in Paris lesenden Magistern und von einigen [Augustiner]-Eremiten. Und darüber sagte er auch, daß es das allgemeine Gerede in Paris gewesen sei zu der Zeit, als Francesco dort war, nämlich nach der Abreise des Marsilius. In dieser Zeit wurde gesagt, daß das genannte Buch viele Häresien und Irrlehren gegen den katholischen Glauben enthalte. Aber was das Buch genau enthalten habe, davon, sagte er, weiß er nichts, noch habe er damals davon sagen hören, außer dem, was vorhin [vom Inquisitor] angegeben wurde.«197
Francesco weist zurück, etwas von dem Buch gewußt zu haben, solange Marsilius noch in Paris war. Eine Angabe, die kaum verifiziert werden kann, allerdings gibt auch der Inquisitor der Antwort nicht weiter nach. Die Vermutung der Forschung, Marsilius sei aufgrund einer bereits einsetzenden oder unmittelbar bevorstehenden kirchlichen Verfolgung zur Flucht gezwungen worden, ist nicht erkennbar. Zudem sprechen weder der Inquisitor noch der Angeklagte von einer »Flucht« des Marsilius aus Paris, vielmehr wird der neutrale Begriff »Abreise« (»recessus«) verwendet, der durchaus für ein freiwilliges Verlassen von Paris spricht.198 Im dritten Artikel wird Francesco vorgeworfen, daß er »Marsilius und Johannes bei der Veröffentlichung des Buches und der obengenannten Irrtümer geholfen habe, die, so sagt man, in Paris und außerhalb von Paris geschehen sei.«199 Das Protokoll hält Francescos verneinende Antwort und dessen an-
197 Marsilio da Padova, ed. Pincin, 1966, Appendice, Nr. 1, Z. 56 – 66, S. 570: »[…] nec scivit vel audivit aliquos interfuisse compositioni seu compilationi dicti libelli, exceptis dictis Massilio et Joahnne [sic!] de Janduno; de quibus audivit dici post recessum dicti Massilii per duos menses quod dicti Massilius et Johannes tantum compilaverunt dictum libellum. Et istud audiverat dici a magistris legentibus Parisius, et ab aliquibus religiosis heremitis. Et de hoc etiam dixit tunc esse famam publicam Parisius, tempore quo ipse Franciscus erat ibi, post recessum videlicet Massilii supradicti. Quo tempore dicebatur dictum libellum continere multas hereses et errores contra fidem catholicam. Sed quid in particulari seu speciali contineret libellus predictus, dixit se nichil scire nec dici audivisse tunc nisi quod supra asseruit.« 198 Die Zeitangabe von zwei Monaten nach der Abreise, die Francesco darüber macht, wann und wie lange er hat sagen hören, daß es allein Marsilius und Johannes von Jandun waren, die den Defensor pacis verfaßt haben (ähnlich Lorenz/Goldmann, Deutschlands Geschichtsquellen, Bd. 2, 31887, S. 351, Anm. 2; Valois, Jean de Jandun, 1906, S. 569, Anm. 1; Brampton, Marsiglio of Padua, 1922, S. 514), wurde in der Forschung irrtümlich mit anderen Bezügen versehen: Sie wurde so verstanden, daß der Defensor pacis in nur zwei Monaten abgefaßt wurde (Riezler, Widersacher, 1874, S. 36 und 37, Anm. 1, ihm folgend Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 368; Bock, Reichsidee, 1943, S. 239; Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 29, Anm. 169), daß der Defensor zwei Monate nach seiner Fertigstellung bekannt wurde (Previt8-Orton, Marsiglio of Padua, 1923, S. 4), oder daß Marsilius’ Abreise erst zwei Monate später bekannt wurde (Haller, Lebensgeschichte, 1929, S. 188). 199 Marsilio da Padova, ed. Pincin, 1966, Appendice, Nr. 1, Z. 16 – 19, S. 569: »Item quod ipse Franciscus dictum Massilium associasset, et eidem Massilio et Johanni de Janduno astitisset
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schließende Bemerkung fest, daß »er nicht glaube, wie er sagte, daß die genannten treulosen Männer es gewagt hätten, derartiges in Paris zu veröffentlichen.«200 Francesco weist hier nicht nur den an ihn selbst gerichteten Vorwurf zurück, sondern widerspricht auch der darin enthaltenen Unterstellung, nämlich daß der Defensor pacis überhaupt in Paris veröffentlicht wurde. Ebenso weist Francesco den anschließenden, vierten Anklagepunkt zurück, in dem der Inquisitor ihm vorwirft, Marsilius dadurch geholfen zu haben, »indem er das besagte Buch abschrieb und eine Kopie von demselben Buch für viele andere [Personen] herstellte.«201 Die Antworten Francescos zu seiner Rolle bei der in Frage stehenden Veröffentlichung und Verbreitung des Defensor pacis sind natürlich unter dem Vorbehalt zu lesen, daß er sich im Falle von zutreffenden Vorwürfen nicht selbst belasten wollen würde. Da wir nicht wissen, ob die Vorwürfe und die darin enthaltenen Unterstellungen über die Veröffentlichung und Verbreitung des Buches zutreffen oder nicht, können wir kein Urteil darüber treffen, ob Francescos Antworten den Tatsachen entsprechen oder unwahre Schutzbehauptungen sind. Jedoch offenbart der Verweis auf Hörensagen in der dritten Frage des Inquisitors, daß man an der Kurie auch 1328 noch keine verläßliche Information über eine Veröffentlichung in Paris besaß. Die Frage des Inquisitors und Francescos Antwort sind daher trotz des bestehenbleibenden Vorbehalts geeignet, eher die Annahme zu bestärken, daß Marsilius das Werk vor seiner Abreise aus Paris noch nicht veröffentlicht hat. Der fünfte Anklagepunkt spricht die Abreise des Marsilius an: »Ferner, daß er sich bei der Abreise (recessus) des Marsilius, als dieser von der Stadt Paris zu Ludwig von Bayern nach Deutschland gelangte, ihm angeschlossen habe und ihm Bücher und anderes getragen habe, besonders das Buch, das die obengenannten Irrtümer enthält.«202
in publicatione quam fecisse dicebantur de libello et erroribus supradictis in Civitate et extra Civitatem Parisiensem predictam.« 200 Marsilio da Padova, ed. Pincin, 1966, Appendice, Nr. 1, Z. 67 – 69, S. 570: »Item super contentis in tercio articulo interrogatus iuramento suo predicto, respondit ut proximo, non credens, ut dixit, quod dicti perfidi viri fuissent ausi in Civitate Parisiensi talia publicare.« 201 Marsilio da Padova, ed. Pincin, 1966, Appendice, Nr. 1, Z. 20 – 23, S. 569: »Item quod in predictis et circa predicta et in multis aliis et diversis excessibus per dictos Massilium et Johannem de Janduno enormiter perpetratis, presertim in transcribendo libellum predictum et de eodem libello copiam aliis pluribus faciendo, dederat eisdem auxilium, consilium et favorem.« Ebenda, Nr. 1, Z. 70 – 71, S. 570: »Item interrogatus per iuramentum suum super contentis in quarto articulo, negavit contenta in eo penitus vera esse.« 202 Marsilio da Padova, ed. Pincin, 1966, Appendice, Nr. 1, Z. 24 – 27, S. 569: »Item quod in recessu dicti Massilii, quando de Civitate Parisiensi dicitur ad Ludovicum de Bavaria accessisse in Alamanniam, associavit eundem Massilium et sibi libros portavit et alia, et specialiter libellum continentem errore supradictos.«
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Francesco bestritt alle Vorwürfe und »erklärte, daß er niemals einen der besagten, Marsilius und Johannes, außerhalb der Stadt Paris gesehen, erkannt oder sich ihnen sonst angeschlossen habe, jedoch hat er sich öfters dem Marsilius angeschlossen, aber nur zum Spazierengehen und auch beim Besuch einiger Patienten in Paris, da Marsilius der Medizin kundig war und zuweilen praktizierte.«203
Francesco geht auf die Frage der Abreise nicht weiter ein und bestreitet, die beiden Magister außerhalb der Stadt gesehen zu haben. Eine Ausnahme von dieser Aussage bezieht sich darauf, daß Marsilius seinen Arztberuf offenbar zwar nur unregelmäßig, aber auch außerhalb der Stadt ausübte. Welche Rolle in diesem Zusammenhang Francesco hatte, der einräumt, Marsilius auch öfters bei Spaziergängen begleitet zu haben, bleibt unklar. Gelegentlich wurde vermutet, Francesco sei der famulus des Marsilius gewesen.204 Nachdem Francesco im sechsten Artikel noch einmal im allgemeinen eine Schuld für gemeinsam mit Marsilius begangene Delikte angelastet wird,205 die er natürlich bestreitet,206 wendet sich der siebte Vorwurf der Zeit nach der Abreise und noch einmal ihren Umständen zu. Francesco wird vorgeworfen, »daß er viele Briefe geschrieben und dem Marsilius nach Deutschland geschickt hatte und in Paris, an der römischen Kurie und an verschiedenen anderen Orten von Marsilius viele Briefe empfangen hatte, wodurch er ihn begünstigte, und ihm auch Geld geliehen hat und viele Menschen kannte, die Marsilius Geld geliehen haben, und er bei anderen Gelegenheiten demselben und dem Jandunus und ihren Mittätern und Anhängern in den vorgenannten [Dingen] Hilfe, Rat und Gunst gewährt hatte.«207
203 Marsilio da Padova, ed. Pincin, 1966, Appendice, Nr. 1, 1966, Z. 72 – 77, S. 570 – 571: »Item interrogatus super contentis in v articulo, negavit etiam omnia contenta in eo fore vera, asserens se nunquam vidisse, cognovisse, vel alias associasse aliquem predictorum Massilii et Johannis extra Civitatem Parisiensem, tamen aliquosciens associavit dictum Massilium, tantum eundo videlicet spaciatum, etiam visitando aliquos infirmantes Parisius, quia idem Massilius sciebat in medicina et interdum practicabat.« 204 Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 28; Miethke, Wirkungen, 1998, S. 177, Anm. 9. 205 Marsilio da Padova, ed. Pincin, 1966, Appendice, Nr. 1, Z. 28 – 32, S. 569: »Item quod de premissis et multis aliis delictis et excessibus ipse Franciscus erat et fuerat principaliter culpabilis, et etiam adheserat Massilio et Johanni de Janduno predictis ac multis aliis complicibus eorumdem, et in compositione et compilatione libelli et errorum predictorum et publicatione eorum dederat eis auxilium, consilium et favorem.« 206 Marsilio da Padova, ed. Pincin, 1966, Appendice, Nr. 1, Z. 78 – 79, S. 571: »Item super contentis in Sexto articulo interrogatus iuramento suo, negavit omnia contenta in eo vera esse.« 207 Marsilio da Padova, ed. Pincin, 1966, Appendice, Nr. 1, Z. 33 – 38, S. 569 – 570: »Item quod multas litteras scripserat et miserat dicto Massilio in Alamanniam, et ab eodem Massilio plures litteras receperat in Civitate Parisiensi predicta et in Romana Curia et aliis locis diversis eidem favendo, et etiam sibi pecuniam mutuavit et multos sciebat homines qui dicto Massilio pecuniam mutuando et alias eidem et dicto Janduno et complicibus suis et
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Auf den siebten Vorwurf antwortet er, »daß er weder an Marsilius noch an Johannes jemals geschrieben noch von ihnen oder einem von beiden Briefe empfangen habe. Über das Borgen des Geldes sagte er, daß er Marsilius irgendwann einmal von seinem Geld anvertraut habe, nicht als Darlehen, sondern damit er es für ihn verwahre, und daher habe er ihm die Geldbörse gegeben, wie er ihm auch zuweilen einen oder zwei Gulden anvertraut habe, und Marsilius schulde Francesco jetzt in Anbetracht des anvertrauten Geldes 13 Pariser Solidi. Ferner sagte er, daß Marsilius, der hinterlistig (cautelose) vorgegeben (fingens) habe, daß er in Paris einen cursus in Theologie lesen werde, leihweise Geld von einigen seiner Freunde empfangen habe.«208
Die Grundlage der Fluchtthese besteht darin, daß Marsilius nicht vorhatte, Paris zu verlassen. Dafür ist neben der Annahme, daß er erst zwei Jahre nach Abschluß des Defensor pacis aus Paris abreiste, vor allem ein Argument angeführt worden: Es wurde angenommen, gestützt auf das Verhör des Francesco, daß Marsilius plante, in Paris einen cursus in Theologie zu geben. Wenn Marsilius beabsichtigte, so wird argumentiert, noch nach dem Abschluß seines Buchs eine Vorlesung zu halten, dann kann er kaum eine Abreise im Sinn gehabt haben.209 Von einer tatsächlichen Absicht des Marsilius, eine Lehrveranstaltung abzuhalten, kann bei genauerer Betrachtung der Quelle jedoch keineswegs gesprochen werden. Vielmehr spricht Francesco ausdrücklich davon, daß Marsilius diese Absicht seinen Kreditgebern gegenüber nur vorgegeben habe, und zwar »auf hinterlistige Weise«.210 Diese Behauptung gegenüber den Bekannten an der Universität, so ist Francesco zu verstehen, war lediglich ein Vorwand, um von ihnen die Darlehen zu erhalten.211 Marsilius wollte seinen Geldgebern den Eindruck vermitteln, daß mit seiner weiteren Anwesenheit in Paris, und damit auch einer sicheren Rückzahlung des Darlehens, gerechnet werden könne. Marsilius’ tatsächliche Absicht einer baldigen Abreise, das vermittelt Francesco, sollte dadurch verschleiert werden. Falls die Bekannten bereits einen – durchaus
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eisdem adherentibus in premissis dederat auxilium, consilium et favorem.« Baluze, Miscellanea, Bd. 2, 1761, S. 280b, hat ein weniger passendes dederant statt dederat. Marsilio da Padova, ed. Pincin, 1966, Appendice, Nr. 1, Z. 80 – 88, S. 571: »Item super contentis in vij articulo interrogatus, dixit se nunquam scripsisse alicui dictorum Massilii et Johannis nec ab ipsis etiam literas recepisse vel ab altero eorumdem. De pecunie mutuatione dixit quod ipse quandoque tradidit dicto Massilio de pecunia sua, non mutuando, sed ut eam sibi custodiret, et inde sibi bursas ministraret, sicut interdum sibi unum vel duos florenos tradebat; et adhuc idem Massilius tenetur dicto Francisco ratione dicti depositi in xiij solidis Parisiensibus. Item dixit quod dictus Massilius fingens cautelose se lecturum Parisius cursum in theologia recepit pecuniam mutuo a quibusdam amicis suis.« So zuletzt Miethke, Politiktheorie, 2008, S. 223. Zur Übersetzung des Adverbs »cautelose«, das Riezler, Widersacher, 1874, S. 37, Anm. 1, mit »behutsam« wiedergibt, vgl. s.v. »cautelose«, in: Du Cange, Bd. 2, Ndr. 1954, S. 243b, wo als Synonyme »vafre«, »fraudulenter« und »versute« angegeben werden. So schon Riezler, Widersacher, 1874, S. 38; ders., Art. Marsilius von Padua, 1884, S. 442; Brampton, Marsiglio of Padua, 1922, S. 515.
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naheliegenden – Verdacht hatten, sollte er durch die Ankündigung dieser Vorlesung zerstreut werden.212 Die Natur dieser Quelle läßt jedoch zwei Deutungen des Geschehens in Paris zu. Die eine Deutung ist, daß die von Francesco 1328 gegenüber der päpstlichen Inquisition vorgetragenen Umstände von Marsilius’ Abreise tatsächlich auf einer Lüge des Marsilius gegenüber seinen Bekannten beruht. Diese Lüge könnte wiederum mehrere, recht unterschiedliche Gründe gehabt haben, nämlich daß Marsilius ihnen nicht traute, daß er keine Absicht hatte, das Geld zurückzuzahlen, oder daß er sie nicht zu Mitwissern machen wollte, um sie zu schützen. Die andere Deutung ist, daß die Freunde in seinen Plan einer baldigen Abreise eingeweiht waren und ihn dabei unterstützen wollten. Francesco hat dann aber bei seinem Verhör 1328 als Schutzbehauptung eine Absichtserklärung des Marsilius erfunden, die ihn selbst, die Geldgeber und Freunde vom naheliegenden Verdacht der Mitwisserschaft und Unterstützung entlasten sollte.213 Francesco zählt auch namentlich auf, wer diese Freunde waren.214 Allerdings haben die Freunde, Roberto de Bardis, Student in Paris,215 Magister Andrea de Reate, Chirurg,216 Magister Pietro von Florenz, Arzt,217 und Andreas von Florenz, ein Magister des französischen Königs,218 die Marsilius Geld gegeben haben, offenbar keine Nachteile für ihre Karrieren erfahren. Aus Francescos Hinweis auf Marsilius’ angebliche Absicht, eine Theologievorlesung halten zu wollen, ist zu erfahren, daß Marsilius auch Theologie studiert hat. Das geht auch aus dem in einer Handschrift überlieferten Epilog des 212 Umstritten ist bei der Interpretation von Francescos Aussage, welcher Zusammenhang zwischen Marsilius’ Hinweis auf den theologischen Kurs und der Bereitschaft der Freunde, ihm das Darlehen zu gewähren, besteht. Es ist diskutiert worden, ob dieser Hinweis dazu dienen sollte, wegen der Kosten für ein erst noch anstehendes Examen eines baccalarius einen plausiblen Verwendungszweck anzugeben oder, wegen eines zu erwarteten Hörergelds für die Vorlesung, die Rückzahlung der Darlehen den Gläubigern gegenüber als gesichert darzustellen. Vgl. Haller, Lebensgeschichte, 1929, S. 182 mit Anm. 4 und S. 183. 213 Einen Schritt in diese Richtung geht auch Miethke, Politiktheorie, 2008, S. 224, Anm. 683, allerdings unter der Prämisse einer überstürzten Flucht des Marsilius, die auch zu Inquisitionsverfahren gegen die Darlehensgeber geführt haben soll. 214 Marsilio da Padova, ed. Pincin, 1966, Appendice, Nr. 1, Z. 88 – 93, S. 571: »Videlicet a domino Roberto de Bardis studente Parisius recepit ix florenos auri mutuo. Item a magistro Andrea de Reate sirurgico recepit x libras Parisienses. Item a magistro Petro de Florentia fisico x florenos vel x libras Parisienses. Item audivit dici quod dominus Andreas de Florentia magister Regis Francie mutuavit dicto Massilio pecuniam, tamen nescit summam.« 215 Vgl. zu seiner Person Courtenay, Parisian Scholars, 1999, S. 207 – 208; Thijssen, Censure, 1998, S. 76 und 83; Budinszky, Universität Paris, 1876, S. 202 – 203. 216 Vgl. zu seiner Person Wickersheimer, Dictionnaire biographique, Bd. 1, Paris 1936, S. 25b. 217 Vgl. zu seiner Person Courtenay, Parisian Scholars, 1999, S. 199; Wickersheimer, Dictionnaire biographique, Bd. 1, Paris 1936, S. 633a; Budinszky, Universität Paris, 1876, S. 201. 218 Die oben angeführten einschlägigen Werke haben über ihn keinen Eintrag.
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Defensor pacis hervor: Dort heißt es, das Buch sei abgefaßt und vollendet worden im Haus der Theologiestudenten in Paris.219 Marsilius’ Theologiestudium muß schon so weit fortgeschritten gewesen sein, daß glaubwürdig (von Marsilius in Paris oder von Francesco in Avignon) von der Ankündigung eines cursus gesprochen werden konnte. Ein cursus war eine zweijährige Vorlesung über die Bibel, in einem Jahr über ein Buch aus dem Alten und in dem anderen Jahr über eines aus dem Neuen Testament, deren Ableistung die Voraussetzung für den Erwerb des niedrigsten theologischen Grads eines baccalarius biblicus darstellte,220 den Marsilius wohl also noch nicht erworben hatte. Die Voraussetzung, um den Bibelkurs abhalten zu dürfen, war ein mindestens fünf Jahre langes Studium der Theologie.221 Marsilius müßte also, wenn die Zeit seiner geplanten Abreise der Sommer oder Herbst 1324 war, mindestens seit 1319 in Paris Theologie studiert haben, um die Angabe, einen cursus lehren zu wollen, glaubwürdig sein zu lassen. Der Inquisitor, durchaus nicht leichtgläubig, hakt zur Frage der Darlehen noch zweimal nach: »Befragt, ob die Genannten Marsilius das Geld bei seiner Abreise (recessus), nämlich von Paris nach Deutschland, geliehen haben, sagte er, daß er das nicht glaube, sondern daß es wohl einen oder zwei Monate vor der Abreise geschehen sei. Ferner befragt, wie er dies erfahren habe, sagte er, daß er es daher wisse, weil er diese Dinge von den Gläubigern hat sagen hören, die sich, als sie von der Abreise des Marsilius erfahren hatten, über ihn beklagt hätten und ihn öffentlich wegen des von ihm geliehenen Geldes in Verruf brachten.«222
Auch diese letzten Angaben vervollständigen den Eindruck, daß von einer »überstürzten Flucht« gar keine Rede sein kann. Marsilius hätte in einer solchen Situation wohl kaum noch Gelegenheit gehabt, von mehreren Personen Geld aufzutreiben. Francesco gibt zudem an, daß Marsilius das Geld bereits einen
219 DP III, 3, ed. Scholz, 1932/33, S. 613, Z. 23 – 25 nach der Handschrift X: »Compositus et completus est liber iste Anno domini MCCCXXIIII Parisiis in vico Sorbona in domo studentium in sacra theologia ibidem.« 220 Asztalos, Faculty of Theology, 1992, S. 418; Leff, Paris and Oxford Universities, 1968, S. 166, gibt als Voraussetzung für den cursus einen nicht weiter bestimmten baccalarius an, auf den als nächster Grad bereits der baccalarius sententiarius folge; Haller, Lebensgeschichte, 1929, S. 183, führt noch vor dem baccalarius biblicus als niedrigsten theologischen Grad einen baccalarius cursorius an, der die Voraussetzung dargestellt habe, den cursus zu lesen. 221 Asztalos, Faculty of Theology, 1992, S. 418; Leff, Paris and Oxford Universities, 1968, S. 164 – 166. 222 Marsilio da Padova, ed. Pincin, 1966, Appendice, Nr. 1, Z. 93 – 100, S. 571: »Item interrogatus quomodo sciebat predicta, dixit quod pro eo quia ea dici audiverat a dictis mutuantibus; qui dum sciverunt recessum ipsius Massilii, conquerebantur de ipso, ac eundem publice de predictis receptis per eum mutuo pecuniis diffamabant.«
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oder zwei Monate vor der Abreise erhalten habe. Auch das deutet viel eher auf eine sorgfältig geplante und nicht überhastete Abreise hin. Ein weiteres, von Teilen der Forschung zur Stützung der Fluchtthese verwendetes Argument stützt sich auf einen Vertrag, der am 19. Juni 1324, fünf Tage bevor Marsilius den Defensor pacis fertigstellte, in Paris bezüglich eines Hauses in der Rue Clo%tre-Saint-Beno%t, das der Universität Paris gehörte, unterzeichnet wurde.223 Dabei soll es sich um einen Mietvertrag gehandelt haben, den Johannes von Jandun als Vertragspartner und Mieter »auf Lebenszeit« abgeschlossen habe. Dies belege, daß Johannes von Jandun keine Absicht besessen habe, Paris zu verlassen.224 Aus diesem Grund gilt dieser Vertrag manchen als eine Quelle dafür, daß die Abreise von Marsilius von Padua und Johannes von Jandun eine durch äußere Umstände erzwungene Flucht gewesen sein müsse. Der Inhalt des Vertrags wird damit jedoch keineswegs zutreffend wiedergegeben. Nicht Johannes von Jandun, sondern der im Dienste des französischen Königs stehende Magister und ehemalige Rektor der Universität Nicholas de Vienne war der Vertragspartner der Universität. Nicholas de Vienne hat das Haus auch nicht gemietet, sondern vielmehr gepachtet, womit er in alle Ansprüche gegen den momentanen Mieter und Bewohner, Arnauld de Louans, eintrat. Johannes von Jandun kommt in dem Vertrag nur insofern vor, als die Vertragsparteien ihn als Nachpächter des Nicholas de Vienne benennen und akzeptieren, nämlich für die Zeit nach dessen Tod für den Fall, daß er Nicholas de Vienne überlebt.225 Dieser ist 1329, ein Jahr nach dem Tod Johannes von 223 Der Vertrag liegt bereits seit geraumer Zeit an einschlägiger Stelle ediert vor: Glorieux, Aux origines de la Sorbonne, Bd. 2, 1965, Nr. 423, S. 544 – 547. 224 Schmugge, Johannes von Jandun, 1967, S. 29 – 30; zuletzt Miethke, Politiktheorie, 2008, S. 223. 225 Glorieux, Aux origines de la Sorbonne, Bd. 2, 1965, Nr. 423, S. 544 – 545: »Notum facimus quod coram nobis propter hoc personaliter constituti viri venerabiles et discreti magister Hannibaldus de Cecano archidiaconus Attrabatensis et canonicus parisiensis, magister et provisor domus, magistrorum et scholarium de Serbona, ante palatium de Termis parisius, et magistri Johannes Alemannii et Egidius de Anguyneo socii et procuratores dicte domus, nominibus provisorio et procuratorio dictorum domus, magistrorum et scolarium et pro ipsis ex una parte, et vir venerabilis et discretus magister Nicolaus de Vienna alias dictus Danyel clericus domini Regis Francie pro se et suo nomine ex parte altera, asseruerunt dicti provisor et procuratores nominibus quibus supra quod ipsi quandam domum ipsorum domus, magistrorum et scolarium de Serbona sitam Parisius ultra parvum pontem in claustro Sancti Benedicti contiguam ex una parte domui quam ad presens tenet magister de Villa rosa et ex altera domui que dicitur ad Rosam, prout se comportat a parte anteriori et posteriori usque ad vicum Serbone desubtus scolas dicti magistri Hannibaldi, eidem magistro Nicolao ad vitam suam et magistro Johanni de Genduno canonico Silvanectensi consequenter si supervixerit eidem magistro Nicolao, similiter ad vitam ipsius magistri Johannis, utilitate dictorum domus, magistrorum et scolarium ut dicebatur pensata, tradiderunt, concesserunt tradunt et concedunt pro decem et octo libris paris. censualibus duntaxat seu annue pensionis reddendis et solvendis annis singulis a dicto magistro Nicolao
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Janduns, als Bewohner des Hauses nachgewiesen.226 Was immer das Motiv oder der Anlaß für Johannes von Jandun war, sich für eine unbestimmte Zeit in der Zukunft als Pächter für ein Haus in Paris vormerken zu lassen, wir wissen es nicht. Das entscheidende Argument gegen eine Abreise aus eigenem Antrieb, wie Teile der Forschung noch jüngst nachdrücklich meinten,227 läßt sich aus diesem Dokument allerdings nicht gewinnen. Johannes von Jandun war noch nicht lange zuvor erst nach Paris zurückgekehrt. Am 4. November 1323 hat er in Paris eine Schrift mit dem Titel De laudibus Parisius abgeschlossen, ein Loblied auf die Stadt Paris und ihre Universität mit vielen interessanten Beschreibungen im Detail.228 Darin schreibt er, daß er am 3. Juli 1323 in Senlis, wo er zu dieser Zeit lebte und ein Kanonikat erhalten hatte,229 einen Brief von einem »besonderen Freund« erhalten hat, der ihn be-
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quamdiu vixerit et a dicto magistro Johanne consequenter si eidem magistro Nicolao ut dictum est supervixerit, dictis procuratoribus dictorum domus, magistrorum et scolarium qui pro tempore fuerint, quatuor terminis Parisius consuetis in quolibet termino videlicet quatuor libras cum dimidia paris.; hoc acto inter dictas partes nominibus quibus supra quod dictus magister Nicolaus debet et tenetur infra annum a data presentium computandum, ponere et implicare in dicta domo triginta libras paris. in hunc modum, videlicet viginti libras in meliorationem dicte domus ad usus et consuetudines ville parisiensis, et decem libras paris. pro reparatione dicte domus. Cedentes idem provisor et procuratores, nominibus quibus supra, eidem magistro Nicolao in eumdem penitus transferentes omne ius omnemque actionem quod et quam dicti domus, magistri et scolares habent eisdem competunt adversus et contra magistrum Arnulphum de Louancio occasione dicte domus.« (Hervorhebung von mir.) Nicholas de Vienne ist im computus von 1329 noch als Bewohner des Hauses in der Rue du Clo%tre-de-St-Beno%t aufgeführt, Courtenay, Parisian Scholars, 1999, S. 218; das Dokument bereits gedruckt bei Denifle/Chatelain, Chartularium, Bd. 2, 1891, Nr. 1184, S. 661 – 670, hier S. 669a. Weitere biographische Angaben zu Nicholas de Vienne bei Courtenay, Parisian Scholars, 1999, S. 193 – 194. Gegen die von mir, The Philosopher as Political Actor, 2006, bereits auf engem Raum skizzierten Zweifel an der Fluchttheorie wird der Vertrag vom 19. Juni 1324, allerdings noch ohne Kenntnis der Edition und des tatsächlichen Inhalts, als unübergehbares und entscheidendes Argument hervorgehoben von Miethke, Rez. von »Gerson Moreno-RiaÇo (Hg.), The World of Marsilius of Padua (Disputatio 5), Turnhout 2006«, in: Church History and Religious Culture 87 (2007), S. 383 – 390, hier S. 384, und von Johannes, Neuerscheinungen zur spätmittelalterlichen politischen Theorie, in: Pensiero Politico Medievale 6 (2008), S. 25 – 48, hier S. 29, der, im Ton allerdings merkwürdig überspannt, Miethke an dieser Stelle im wesentlichen nachschreibt. Johannes von Jandun, Tractatus de laudibus Parisius, in: Antoine Jean Victor Le Roux de Lincy und Lazare Maurice Tisserand (Hgg.), Paris et ses historiens. Documents et 8crits originaux des XIVe et XVe siHcles (Histoire de Paris, Bd. 8), Paris 1867, S. 32 – 79 (mit seitenparalleler französischer Übersetzung), hier pars IV, S. 78: »Explicit tractatus de laudibus urbis urbium Parisius, cujus una pars est de utilitatibus Silvanecti, propinquitatis ad ipsam Parisius confinia gratulantis; scriptus complete, anno Verbi incarnati 1323o, 4a die Novembris, per Johannem de Genduno.« Vgl. zu diesem Werk Valois, Jean de Jandun, 1906, S. 558 – 559; Brampton, Marsiglio of Padua, 1922, S. 508; Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 23 – 25, an dem sich das Folgende orientiert. Vgl. oben S. 45.
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wogen hätte, nach Paris zurückzukommen.230 Ob es sich bei diesem besonderen Freund um Marsilius gehandelt hat, wie man gerne vermuten möchte,231 läßt sich nicht entscheiden. Allerdings unterscheidet sich in dieser Schrift vom Herbst 1323 Johannes von Janduns politische Hinwendung zum französischen Königtum noch durchaus von derjenigen, die Marsilius in seinen politischen Schriften vertritt und die beide Männer an der Seite Ludwigs des Bayern für den Rest ihres Lebens bestimmen wird. Johannes von Jandun widmet seine Schrift König Karl IV. von Frankreich.232 Und er vertritt darin die Auffassung, daß der König von Frankreich aufgrund der Vorzüge seines Landes auch zur Herrschaft über die ganze Welt berufen sei, und bietet Karl IV. sogar an, wenn dieser es wünsche, eine eigene Schrift zur Begründung dieser Ansprüche zu verfassen.233 Das kam den damaligen Ambitionen Karls IV. auf das Kaisertum durchaus entgegen.234 Karl IV. ging auf dieses Angebot jedoch nie ein, und so hat der spätere Ratgeber Kaiser Ludwigs des Bayern keine Schrift zur Begründung des französischen Anspruchs auf das Kaisertum verfaßt.235 Aus den Lebensumständen des Johannes von Jandun lassen sich keine Schlußfolgerungen über die Entscheidungen des Marsilius von Padua ziehen. Wir wissen nicht, wann Marsilius sich entschlossen hat, nach Deutschland aufzubrechen und wann er Johannes von Jandun in seine Pläne eingeweiht hat. Und wir wissen nicht, warum Johannes von Jandun sich entschlossen hat, Marsilius nach Deutschland zu folgen, und auch nicht, wann seine Entscheidung gefallen ist. Der Mietvertrag des Nicholas de Vienne kann die These von der überstürzten Flucht des Marsilius von Padua und Johannes von Jandun aus Paris nicht begründen helfen.
230 Johannes von Jandun, Tractatus de laudibus Parisius, edd. Le Roux de Lincy und Tisserand, 1867, pars IV, S. 74: »Noverint universi quod, anno Verbi Incarnati 1323, 3a die Julii, residenti michi in Silvanectensi urbe, unus ex specialibus amicis meis, vir utique magne probitatis et profunde sapientie, inter ceteras epistole clausulas, hunc sermonem conscripsit: ›Opinor te confiteri quod esse Parisius est esse simpliciter, esse alibi est esse non nisi secundum quid.‹« 231 So z. B. mit aller Vorsicht Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 23. 232 Johannes von Jandun, Tractatus de laudibus Parisius, edd. Le Roux de Lincy und Tisserand, 1867, Prolog, S. 32: »[…] ad gloriam magnificentie regni Francorum, cujus principativum locum, utpote medium, vel quasi, tenet urbs inclita Parisius«. 233 Johannes von Jandun, Tractatus de laudibus Parisius, edd. Le Roux de Lincy und Tisserand, 1867, pars II, cap. 9, S. 60: »Ex quibus non adulatione sed veritate compulsus hoc elicio, quod illustrissimis et precellentissimis Francie regibus monarchicum totius orbis dominium, saltem ex native pronitatis ad melius jure, debetur. Si quis autem michi opposuerit in hac parte, quod ego illam prerogativam de Gallicis predico, quam summus philosophorum Aristoteles suorum Politicorum septimo affirmavit de Grecis, huic objectioni, si et prout michi concesserit Deus, cum a domino rege michi impositum fuerit, respondere studebo.« 234 Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 25. 235 Ebenda.
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Die Abreise aus Paris: eine Flucht?
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2.2.3 Beweggründe Marsilius’ Beweggründe, Paris zu verlassen, kann man im Defensor pacis selbst erfahren. An mehreren Stellen macht Marsilius deutlich, daß er mit seinem theoretischen Werk praktische Taten bewirken will. Und zwar mit Hilfe der coactiva potestas principatuum, im besonderen derjenigen Ludwigs des Bayern.236 Er war der Adressat des Werkes, der in der Zeit, als Marsilius es fertigstellte, von den Prozessen des Papstes angegriffen wurde und exkommuniziert worden war, und nicht etwa die Universität Paris oder das französische Königshaus.237 Das wird in der Widmungsadresse, die sich an Ludwig den Bayern richtet, in besonderem Maße deutlich: »[…] aus dem Trieb zur Verbreitung der Wahrheit, aus glühender Liebe zu Vaterland und Brüdern, aus Mitleid mit den Unterdrückten und zu deren Schutz, aus dem Wunsche, die Unterdrücker und die, die das erlauben, von dem Abwege des Irrtums zurückzurufen, die jedoch, die dem entgegentreten sollen und können, anzufeuern, habe ich im folgenden die Hauptergebnisse meines Nachdenkens niedergeschrieben; ganz besonders auch im Blick auf Dich, der Du als Diener Gottes diesem Werk endgültige Erfüllung geben wirst, die, so wünscht es, ihm von außen zuteil werden soll, hochberühmter Ludwig, Römischer Kaiser ; Dir ist ja aus altem, geradezu ganz besonderem Recht des Blutes und ebenso infolge Deiner einzigartigen heldenhaften Natur und Deiner herrlichen Tatkraft eingeboren und gesichert der Trieb, die Ketzer auszurotten, die Wahrheit des rechten Glaubens und jede wissenschaftliche Lehre zu fördern und zu erhalten, die Laster auszutilgen, den Bemühungen um die Tugenden mehr Raum zu schaffen, die Streitigkeiten auszulöschen, Frieden und Ruhe überall zu verbreiten und zu nähren; im Blick auf Dich habe ich diese Hauptergebnisse nach einer Zeit sorgfältiger und angespannter Forschung niedergeschrieben in der Überzeugung, aus ihnen könne eine Art Hilfe erwachsen für Deine wachsame Majestät; deren Sorge ist es doch, auf die vorhin beschriebenen Irrungen und andere, die auftauchen, und die Interessen des Staates ihre Aufmerksamkeit zu richten.«238 236 Sternberger, Stadt, 1981, S. 90 – 91, formuliert pointiert: »Ja, noch mehr, er will zuerst und zuletzt zum Handeln aufrufen, er will mit all seinem philosophischen und theoretischen Rüstzeug, mit aller Umständlichkeit, auch Weitschweifigkeit der Argumentationen, selber Taten vorbereiten, sogar einleiten. Auf geradem Wege soll hier die Theorie in die Praxis übergehen, zur Praxis werden. Ich weiß nicht, ob die Epoche ein zweites Beispiel solcher Dringlichkeit kennt, wie sie Marsilius […] in den einleitenden Passagen und in der sogenannten Widmung an den Tag legt«. 237 Jüngst wurde der französische König als ursprünglicher Adressat des Defensor pacis vermutet, Courtenay, University Masters, 2004, S. 222 – 223. 238 DP I, 1, § 6, ed. Scholz, 1932 – 1933, S. 7, Z. 22 – S. 8, Z. 16: »[…] propalande veritatis amorem, patrie ac fratrum caritatis fervorem, oppressorum siquidem misericordiam et reservacionem, opprimencium vero ab erroris devio revocacionem, eaque permittencium, hiis tamen obviare debencium atque potencium excitacionem; in te quoque respiciens singulariter, tamquam Dei ministrum huis operi finem daturum, quem extrinsecus optat inesse, inclitissime Ludovice Romanorum imperator, cui sanguinis antiquo, speciali quasi
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Diese Handlungsaufforderung an Ludwig den Bayern wird noch verstärkt durch eine weniger oft herangezogene Passage, in der Marsilius von einem König spricht, der von Gott auserwählt worden sei, den Papst und die römische Kurie zu bekämpfen. Die Annahme, daß Marsilius dabei das Wort des Propheten Daniel auf Ludwig den Bayern bezieht, gründet sich auch darauf, daß der genannte König dasjenige Reich regiert, das nicht mehr weitergegeben wird, also in der mittelalterlichen Interpretation von Daniels Lehre der Weltreiche das Römische Reich.239 »Aber wie derselbe Prophet [Daniel] bezeugt, wird auf diese Statue ein Stein fallen, ohne Hände losgerissen vom Berge, das ist der König, den Gott aus der gesamten Menschheit durch seine Gnade auserwählen und erwecken wird, indem er ihm die Macht verleiht, und dessen Reich an keinen anderen weitergegeben wird. Dieser König, sag ich, wird mehr durch Kraft oder Gnade der Dreieinigkeit als durch Tat oder Gewalt menschlicher Hände erst den tönernen Teil dieser schrecklichen und schauerlichen und mißgestalteten Statue zertrümmern und zerschmettern, nämlich die Füße, auf denen sie zweckwidrig ruht. Er wird nämlich die falschen und ungerechten Begründungen (und die kahlen Vorwände, werde ich richtiger mit dem Dichter sagen) allen Völkern und Herrschern bekannt machen, indem er deren Trug enthüllt, mit menschlichen Beweisen bekämpft und durch Wahrheiten aus der Heiligen Schrift zunichte macht. Danach aber wird er ihr Eisen, nämlich ihre unheilvolle und gottlose Gewalt, bändigen. Dann wird er das Erz, nämlich das Recht zu schmähen, das der Papst sich gegen Herrscher und Völker herausgenommen hat, und den Lärm der angemaßten weltlichen Rechtsprechungen und folglich der Prozesse und Schikanen zum Schweigen und Verstummen bringen, auch dem Luxus der Vergnügungen und dem Pomp der eitlen Freuden ein Ende machen. Endlich aber wird er Silber und Gold, nämlich die Habsucht und Raubgier des römischen Pontifex und der obersten Glieder der römischen Kurie bändigen; auch den Gebrauch der zeitlichen Güter wird er ihr nur im rechten Maße gestatten. So werden gleicherweise nach dem Prophetenwort Eisen, Ton, Silber und Gold zertrümmert, nämlich alle Laster und Übergriffe der obengenannten Kurie vernichtet werden, als seien sie in die Spreu auf der sommerlichen Tenne verwandelt, und der Wind verwehte sie. Was nämlich der Natur, dem menschlichen und göttlichen Gesetz und aller Vernunft widerspricht, kann nicht lange Bestand haben.«240 quodam iure, nec minus singulari eroica tua indole ac preclara virtute insitus et firmatus est amor hereses extirpare, catholicam veritatem omnemque aliam studiosam disciplinam extollere atque servare, vicia cedere, studia propagere virtutum, lites extinguere, pacem seu tranquillitatem ubique diffundere ac nutrire: sequencium sentenciarum summas post tempus diligentis et intente perscrutacionis scriptire mandavi, ex ipsis arbitrans iuvamentum quoddam evenire posse tue vigili maiestati, prescriptis lapsibus atque contingentibus aliis reliquisque utilitatibus publicis providere curanti.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 23/25. Vgl. zur Diskussion über den Kaisertitel, den Marsilius Ludwig allein an dieser Stelle beilegt, zuletzt Miethke, De potestae papae, 2000, S. 221 – 222. Die Widmungsadresse ist in allen Handschriften so überliefert. 239 Kunzmann, 1958, S. 844, Anm. 1362; Scholz, S. 466, Anm. 2, bezieht den Text ausdrücklich auf Ludwig den Bayern. 240 DP II, 24, § 17, ed. Scholz, 1932/33, S. 465, Z. 26 – S. 466, Z. 25: »Verum eodem testante
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Daß der Defensor pacis den Charakter einer Aufforderung zum Handeln besitzt, besonders auch an Ludwig den Bayern, ist vom größeren Teil der Forschung akzeptiert.241 Weniger Aufmerksamkeit hat dagegen gefunden, daß Marsilius auch in eigener Person sein theoretisches Werk in der äußeren Welt zu Geltung bringen will. Im letzten Abschnitt der ersten Dictio des Defensor pacis sieht sich Marsilius gegenüber der Lehre von der päpstlichen plenitudo potestatis persönlich gefordert: Er hält »es für das Allernotwendigste, sie zurückzuwerfen, wie in der Einleitung gesagt, indem ich zunächst die Hülle von dem obengenannten Wahn als der Wurzel der schon eingetretenen und der künftigen Übel wegreiße, ferner, indem ich seine unwissenden oder unmoralischen Schutzherren oder Ertüfteler und hartnäckige Verteidiger, wenn nötig, mit äußerem Handeln im Zaum halte.«242
propheta, super hanc statuam casurus est lapis sine manibus abscissus de monte, id est rex, quem de hominum universitate per suam graciam electum suscitabit Deus, illi scilicet conferendo potestatem, et cuius regnum alteri non tradetur ; hic inquam rex magis virtute sive gracia trinitatis, quam opere seu potestate manuum hominum huius terribilis et orribilis ac monstruose statue primum conteret atque comminuet testeam partem, pedum videlicet, quibus inconvenienter innititur, falsas scilicet ac iniquas causas, et occasiones calvas verius dixero cum poeta, omnibus populis ac princibus ipsarum reserato sophismate ac humanis demonstracionibus impugnato et scripture sacre veritatibus annullato innotescere faciendo; deinde vero ferrum ipsius, scilicet atrocem et impiam potestatem, arcendo; es autem consequenter, id est maledicendi quam sibi presumpsit in principes et populos auctoritatem, secularium quoque iurisdiccionum usurpatarum et proinde causarum et vexacionum tumultum silere ac obmutescere faciet, luxus quoque voluptatum et pompas vanitatum cessare. Demum vero argentum et aurum, id est avariciam et rapinam Romani pontificis et superiorum membrorum curie Romane, compescet; temporalium quoque usum moderamine debito sibi concedet. Sicque pariter secundum prophetam conterentur ferrum, testa, argentum et aurum; omnia scilicet supradicte curie vicia et excessus extinguentur, quasi redacta in favillam estive aree, que rapta sunt vento. Quod enim tam contra naturam est, diu permanere non potest.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 845/847. 241 Nach Nederman, Community, 1995, S. 14, war das Werk als solches »a call to action«. Das Verhältnis zwischen Theorie und Praxis, und damit zwischen Marsilius und Ludwig, beschreibt Gewirth, Marsilius of Padua, Bd. 1, 1951, S. 22, so: »In this repetition of an old pattern Ludwig was able to make use of the antipapal doctrines of Marsilius, just as the latter saw in Ludwig their effective embodiment.« 242 DP I, 19, § 13, ed. Scholz, 1932/33, S. 136, Z. 14 – 20: »[…] ipsam repellere necessariissimum arbitror, quemadmodum prohemialiter dictum est. Primum quidem opinionis iam dicte, tamquam radicis iam factorum et futurorum malorum, involucrum reserando; deinde vero ipsius patronos seu inventores ignaros aut iniustos ac defensores pertinaces exteriori opera, si oporteat, cohibendo.« Kunzmann, Bd. 1, 1958, S. 244, Anm. 506, argumentiert überzeugend, daß das Subjekt des zweiten Satzes »ich« sein muß, zum einen wegen des vorangegangenen arbitror, zum anderen wegen der erneuten Aussage im »ich-Stil« nach dem Cicero-Zitat. Dagegen übersetzt Gewirth, Marsilius of Padua Bd. 2, 1956, S. 96, die Gerundiumformen in dem Satz unpersönlich.
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Im Anschluß an Ciceros Lehre, daß auch der Unrecht tut, der Unrecht verhindern kann, aber es nicht tut,243 rückt Marsilius seine eigene Person in den Mittelpunkt seiner Betrachtung: »Um nun wenigstens mich selbst nicht wegen wissentlicher Übertretung dieses Rechtsgebots schlecht nennen zu müssen, nehme ich mir vor, diese Pest von den christgläubigen Brüdern zunächst durch Belehrung und dann, so gut ich es vermag, durch die Tat abzuwehren. Denn wie ich ohne jeden Zweifel zu sehen glaube, ist mir von oben das Wissen um den Trugschluß und die Fähigkeit, ihn aufzudecken, gegeben – den Trugschluß, an dem die unhaltbare Meinung gewisser römischer Bischöfe und ihrer Helfershelfer bisher und in der Gegenwart, und zusammen damit vielleicht ein verderbtes Streben, die Quelle der oben erwähnten Ärgernisse, eine Stütze gefunden hat und sich immer wieder aufrechtzuerhalten sucht.«244
Aus dieser bemerkenswerten, aber selten herangezogenen Stelle schlußfolgert Sternberger mit Recht, daß Marsilius »in eigener Person von der Theorie zur Praxis fortzuschreiten gedenkt.«245 Nicht nur durch Belehrung, also durch die Abfassung eines Werkes, das die Mißstände aufdeckt und theoretisch bekämpft, und nicht nur durch Einwirkung auf politische Akteure wie Ludwig den Bayern, der als Herrscher über die zwingende Gewalt verfügt, die der Philosoph nicht besitzt, sondern auch selbst durch eigenes politisches Handeln will Marsilius wirken. Ob Marsilius diese Ankündigung und Selbstverpflichtung einlösen konnte, ob und unter welchen Umständen er seine politische Theorie auch in eigenes politisches Handeln umsetzte, soll ebenso der Gegenstand dieser Untersuchung sein wie Marsilius’ Einfluß auf das politische Denken und Handeln Ludwigs des Bayern. Mit den bei der Fluchttheorie gemachten Voraussetzungen kann diese Selbstverpflichtung des Marsilius kaum in Einklang gebracht werden, vielmehr zeigt sich ihre Einlösung bereits mit der baldigen Abreise aus Paris an den Hof Ludwigs des Bayern und bei seiner Aufnahme bei König Ludwig.
243 DP I, 19, § 13, ed. Scholz, 1932/33, S. 136, Z. 20 – S. 137, Z. 6. Zur Bedeutung von Ciceros politischer Ethik bei Marsilius vgl. Cary J. Nederman, The Union of Wisdom and Eloquence before the Renaissance. The Ciceronian Orator in Medieval Thought, in: Journal of Medieval History 18 (1992), S. 75 – 95, bes. S. 90 – 93. 244 DP I, 19, § 13, ed. Scholz, 1932/33, S. 137, Z. 6 – 15: »Quod ius ne siquidem scienter transgrediens ipse saltem mihi dicar iniustus, hanc pestem a fratribus Christi fidelibus doctrina primum et qua valuero exteriori consequenter opera propulsare propono. Quoniam, ut indubitanter videre videor, desuper mihi datum est nosse sophisma et reserandi potestas, in quo Romanorum episcoporum quorundam hactenus et in presenciarum suorumque complicium obliqua extimacio et cum hac perversa fortassis affeccio, scandalorum iam dictorum parens, hactenus innisa est, et continuo nititur sustentari.« 245 Sternberger, Stadt, 1981, Anm. 5, S. 107 – 108.
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Die Aufnahme an König Ludwigs Hof
2.3
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Die Aufnahme an König Ludwigs Hof
Die Papstbulle Quia iuxta doctrinam berichtet auch über die Aufnahme der beiden Pariser Magister am Hof König Ludwigs. Die Kurie habe erfahren, heißt in der Bulle, daß Marsilius und Johannes von Jandun Ludwig »ein gewisses Buch überreichten, das sie wahrlich nicht ohne Irrtümer, sondern voll verschiedener Häresien verfaßt hatten, wie viele glaubwürdige katholische Männer behaupten, die dieses Buch in vielen Artikeln untersucht hatten, und sie boten ihm an, daß sie bereit wären, den Inhalt desselben zu verteidigen und zu lehren, und dies hatten sie sich öffentlich in Gegenwart Ludwigs mit kühner Verwegenheit mehrmals zu machen erdreistet, wie auch das öffentliche Gerede lautet und der Bericht der Vorgenannten, daß dies in jenen Gegenden offenkundig ist, offenbart.«246
Die beiden Magister, die der Kurie gemeinsam als Verfasser des Defensor pacis galten, haben dem Bericht gewisser katholischer Männer zufolge ihre Aufnahme an Ludwigs Hof dazu genutzt, ihre politische und ekklesiologischen Grundsätze bekanntzumachen. Dazu haben sie Ludwig eine Abschrift des Defensor pacis übergeben und ihre Auffassungen in mündlichen Vorträgen vorgestellt. Ausdrücklich sollen sie die Absicht bekanntgegeben haben, den Inhalt des Buches öffentlich zu lehren und gegen Einwände zu verteidigen. Marsilius hat seine Selbstverpflichtung auf eine aktive Förderung der Wirkung seiner politischen Theorie auf diese Weise bereits eingelöst. Anschließend wendet sich der Text der Bulle der Reaktion Ludwigs auf die Ankunft der Pariser Gelehrten zu: »Und obwohl einige in den heiligen Schriften gelehrte, katholische Männer erklärt haben, daß jene Lehren häretisch seien und er dieselben als Ketzer bestrafen müsse, und ihm sagten, daß es gefährlich sei, diese in seine Hofgemeinschaft (familiaritas) 246 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 274, § 3, S. 185, Z. 38 – S. 186, Z. 10: »Adhuc cumulans mala malis, sicut dudum ad nostri apostolatus auditum multorum fidedignorum tam litteralis perduxit insinuatio quam verbalis, duos viros nequam perditionis filios et maledictionis alumpnos, quorum unus Marsilium de Padua et alter Iohannem de Ianduno se faciunt nominari, qui in Parisiensi studio annis pluribus a veritate suum avertentes auditum ad fabulas sua duxerant studia, sicut rei probat exitus, convertenda quique dum in eodem studio, cum in eo catholici principis auctoritas vigeat ac studium ipsum orthodoxorum theologorum et canonistarum copia sit munitum, vesanie sue virus effundere non auderent, ad Ludovicum predictum, (quem suis demeritis exigentibus velut hereticorum fautorem et persecutorem sancte Romane ecclesie ac plurium atrotium aliorum excessuum patratorem de fratrum ipsorum consilio privavimus iure, si quod ei ex electione predicta fuerat acquisitum), gressus suos properaverunt dirigere sibique librum quemdam quem composuerant erroribus profecto non vacuum, set plenum heresibus variis, sicut fidedignorum multorum catholicorum habet assertio, qui librum ipsum examinaverunt in multis articulis, presentarunt, offerentes se paratos contenta in eodem defendere ac docere, quod et facere publice dicto Ludovico presente ausu temerario pluries presumpserunt, sicut habet fama publica et praemissorum insinuatio hoc fore notorium in illis partibus manifestat.«
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aufzunehmen oder auch nur in den seiner Macht unterworfenen Ländern Unterhalt zu gewähren, hat er sie dennoch, wie wenn er den Häresien jener Männer glaubt, bei seinen Hofangehörigen (familiares) behalten, und zudem war Marsilius mit ihm in Trient, und Ludwig hat ihm erlaubt, die höchst augenscheinlichen und verdammenswerten Irrtümer zu verkünden. Daraus ist höchst ersichtlich, daß er ein Begünstiger und Verteidiger von Ketzern ist, ja sogar, daß er den Häresien dieser Männer glaubt.«247
Ludwig schien, dem Bericht zufolge, die Ankunft von Marsilius und Johannes von Jandun sehr gelegen zu sein. Selbst gegen den ausdrücklichen Rat einiger seiner Ratgeber nahm er sie in seine Hofgemeinschaft auf und gab Marsilius sogar die Erlaubnis, seine Ansichten öffentlich auch in Trient bekanntzumachen.248 Der Plan des Marsilius, König Ludwigs Gehör zu finden, hatte Erfolg. Eine umfangreichere Darstellung der Aufnahme der beiden Gelehrten an Ludwigs Hof bietet die zweite Fortsetzung der Chronik des Wilhelm von Nangis in ihrem »großen Ankunftsbericht« zum Jahr 1326. Der Quellenwert dieser Chronik war lange Zeit umstritten. Haller nannte den Bericht ein »unkontrollierbares Gerücht, das nicht viel innere Wahrscheinlichkeit hat«.249 Auch wenn die dort verwendete wörtliche Rede ein Mittel der literarischen Dramatisierung und kein zuverlässiges Protokoll ist, steht der ganze Bericht doch nicht im Widerspruch zu anderen Quellen250 und kann als »amplificatio« der Bulle Quia iuxta doctrinam verstanden werden.251 Die novellistische Form ist kein hinreichender Grund, am Inhalt zu zweifeln.252 »Etwa um diese Zeit waren zwei Söhne des Teufels, nämlich Magister Johannes von Jandun, gallischer Abkunft, und Magister Marsilius von Padua, italienischer Abkunft, von der Universität Paris nach Nürnberg zu Ludwig, dem Herzog Bayerns, der sich öffentlich König der Römer nannte, gekommen. Und weil sie in Paris in der Wissenschaft sehr berühmt gewesen waren, wurden sie von gewissen Mitgliedern des Hofs des Herzogs, die diese aus Paris gekannt hatten, ausfindig gemacht und wiedererkannt. Auf
247 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 274, § 3, S. 186, Z. 10 – 16: »Et licet nonnulli viri catholici sacris litteris eruditi eidem Ludovico exposuerint doctrinam illam hereticam ipsosque velut hereticos puniendos periculosumque sibi fore dixerint, tales ad familiaritatem suam admittere aut in terris sue dictioni [= dicioni] subditis sustinere, ipse tamen velut credens illorum hereses ipsos in familiares suos retinuit, et adhuc cum eo erat Marsilius in Tridento predictus, ipsosque errores manifestissimos et dampnatos publicare permisit, ex quibus se fautorem et defensorem hereticorum, immo credentem eorum hereses arguit vehementer.« 248 Vgl. eingehender dazu unten S. 201. 249 Haller, Lebensgeschichte, 1929, S. 187, Anm. 1. 250 Vgl. Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 32, Anm. 180. 251 Pincin, Marsilio, 1967, S. 149, Anm. 3. Die Abhängigkeit des Berichts von Quia iuxta doctrinam bemerkte bereits Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 163, Anm. 2. 252 Riezler, Widersacher, 1874, S. 38; Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 163, Anm. 2; Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 32; Miethke, Wirkungen, 1998, S. 181, Anm. 20.
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Die Aufnahme an König Ludwigs Hof
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deren Bericht hin wurden sie nicht allein am Hof, sondern schließlich auch in die Gunst des Herzogs aufgenommen.«253
Wer die Männer aus der Umgebung Ludwigs waren, die Marsilius und Johannes am Hofe Ludwigs einführten, ist unbekannt. Einige Spekulationen über deren Identität haben bisher zu keinem überzeugenden Ergebnis geführt.254 Festzuhalten bleibt jedoch, daß es Kreise in Deutschland gab, die an einem Kontakt zwischen den Pariser Magistern und König Ludwig interessiert waren. Ob Marsilius und Jandunus bereits vor ihrer Abreise aus Paris Kontakt zu diesen Bekannten am deutschen Hof gesucht haben, um ihre Ankunft vorzubereiten, ist nicht zu beantworten. Sullivan hält es sogar für wahrscheinlich, daß Ludwig selbst sie eingeladen habe, zu ihm zu kommen.255 Der weitere Bericht des Chronisten macht diese Vermutung jedoch unwahrscheinlich: »Und daher, sagt man, habe der Herzog sie folgendermaßen begrüßt: ›Bei Gott, wer hat euch bewogen, aus dem Land des Friedens und Ruhmes in dieses kriegerische Reich, voll Unruhe und Aufregung, zu kommen?‹ Sie antworteten, wie man sagt: ›Die Verirrung, die wir in der Kirche Christi erblicken und die wir nicht länger mit gutem Gewissen ertragen konnten, hat uns zu euch getrieben. Denn da euch von Rechts wegen das Kaisertum zukommt, ist es eure Sache, diesen Übelständen abzuhelfen.‹ Denn das Kaisertum ist, wie sie sagten, nicht der Kirche unterworfen, wie man behauptet, es bestand, bevor die Kirche Gewalt oder Herrschaft besaß; auch dürfen auf das Kaisertum die Gesetze der Kirche nicht angewendet werden, da sich findet, daß die Kaiser viele Papstwahlen vollzogen haben, Synoden berufen und denselben die Autorität, auch über diejenigen Entscheidungen, die den Glauben betrafen, aufgrund kaiserlichen Rechts verliehen haben. Wenn die Kirche also ihre Erlasse gegen das Kaisertum und dessen Freiheit richtete, hat sie nicht recht, sondern mit böswilliger und betrügerischer Anmaßung gehandelt. Diese Wahrheiten versicherten sie, gegen jedermann verteidigen und, wenn nötig, mit ihrem Leben dafür einstehen zu wollen.«256 253 Continuationis chronici Guillelmi de Nangiaco pars altera (1317 – 1340), ed. G8raud, 1843, S. 74 – 75: »Circa ista fere tempora ad Ludovicum ducem Bavariae se regem Romanorum publice nominantem, venerunt Nurembergh [in nomine Bereth] de Studio Parisius duo filii diaboli, videlicet magister Johannes de Gonduno natione gallicus, et magister Marsilius de Padua natione italicus; et cum fuissent Parisius in scientia satis famosi, a quibusdam de ducis familia, qui eos Parisius agnoverant, circumspecti et agniti, ad eorum relationem ad ducis non solum curiam, sed etiam gratiam finaliter admittuntur.« 254 So auch Riezler, Widersacher, 1874, S. 36; ders., Art. Marsilius von Padua, 1884, S. 442; Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 163, Anm. 1; Brampton, Marsiglio of Padua, 1922, S. 509. 255 Sullivan, Marsiglio of Padua, 1896/97, S. 412. 256 Continuationis chronici Guillelmi de Nangiaco pars altera (1317 – 1340), ed. G8raud, 1843, S. 75: »Unde et dicitur ducem praedictum eos esse taliter allocutum: ›Pro Deo, quis movit vos venire de terra pacis et gloriae ad hanc terram bellicosam, refertam omnis tribulationis et angustiae?‹ Responderunt, ut dicitur : ›Error quem in ecclesia Dei intuemur nos fecit hucusque exulare, et non valentes hoc amplius cum bona conscientia sustinere, ad vos confugimus; cui cum de jure debeatur imperium, ad vos pertinet errata corrigere, et male acta ad statum debitum revocare.‹ Non enim, ut dicebant, Imperium subest Ecclesiae, cum
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Das Leben des Marsilius von Padua vor dem Romzug
Auch die Reaktion des Königs beschreibt der Chronist ausführlich: »Dieser Ansicht, ja vielmehr diesem Wahnsinn, hat der Bayer gleichwohl nicht völlig beigepflichtet. Nachdem die in diesen Dingen Kundigen versammelt waren, fand er sogar heraus, daß dies eine gottlose und verderbliche Meinung sei, [und] wenn er dieser beipflichtete, er sich selbst, weil diese häretisch sei, von Rechts wegen des Kaisertums berauben und aus diesem dem Papst einen Weg eröffnen würde, durch den dieser gegen ihn selbst vorgehen könne. Und daher ist ihm geraten worden, daß er jene bestrafen solle, weil es dem Kaiser ansteht, nicht allein den katholischen Glauben und die Gläubigen zu schützen, sondern auch die Häretiker auszurotten. Darauf, wird gesagt, soll der Bayer so geantwortet haben: Es sei unmenschlich, Menschen zu bestrafen oder zu töten, die sein Lager aufgesucht und seinetwegen ihr eigenes Vaterland, ein günstiges Schicksal und Ämter aufgegeben hätten. Daher hat er ihnen zwar nicht beigestimmt, aber befohlen, ihnen immer beizustehen. Gemäß ihrer Stellung und seiner Hochherzigkeit hat er sie mit Geschenken und Ehren erhöht. Dieser Vorfall ist dem Herrn Papst Johannes nicht verborgen geblieben. Und nachdem er daher über diesen viele Prozesse dem rechtlichen Verfahren gemäß geführt hatte, hat er eine Exkommunikationssentenz gegen diese und den Bayern geschleudert, und diese nach Paris und gewissen anderen Orten geschickt, wo sie öffentlich verkündet wurden.«257
Bei allen Abstrichen, die man an der Zuverlässigkeit der chronikalischen Darstellung in den Einzelheiten machen muß, ist hier in jedem Fall kein Beleg für eine Flucht zu finden. Ludwig nahm, dem französischen Chronisten nach, nicht zwei Flüchtlinge an seinem Hof auf, die Schutz bei ihm suchten, sondern zwei esset Imperium antequam haberet Ecclesia quidquam dominii vel principatus; nec regulari debet Imperium per regulas Ecclesiae, cum inveniatur imperatores plures electiones summorum pontificum consummasse, synodos convocasse et auctoritatem eisdem, etiam de diffiniendis eis quae fidei erant, jure imperii concessisse. Unde si per aliqua tempora contra Imperium et imperii libertates aliquid praescripsit Ecclesia, hoc dicebant non rite et juste factum, sed malitiose et fraudulenter contra Imperium ab Ecclesia usurpatum: asserentes se hanc quam dicebant veritatem contra omnem hominem velle defendere, et, si necessitas esset, etiam pro ejus defensione quodcumque supplicium et mortem finaliter sustinere.« Die Übersetzung dieser Stelle ist angelehnt an Riezler, Widersacher, 1874, S. 38 – 39. 257 Continuationis chronici Guillelmi de Nangiaco pars altera (1317 – 1340), ed. G8raud, 1843, S. 75 – 76: »Cui tamen sententiae, quin potius vesaniae, Bavarus non totaliter acquievit; quinimo convocatis super hoc peritis, invenit hanc esse prophanam et pestiferam persuasionem, cui si acquiesceret, eo ipso, cum sit haeretica, jure imperii se privaret, et ex hoc viam Papae aperiret per quam contra ipsum procederet. Unde et persuasum est ei ut illos puniret, cum ad imperatorem pertineat non solum catholicam fidem et fideles servare, sed etiam haereticos exstirpare. Quibus dicitur sic Bavarus respondisse: inhumanum esse homines punire vel interficere sua castra secutos, qui propter eum dimiserunt propriam patriam, fortunam prosperam et honores. Unde eis non acquiescens, eos semper assistere praecepit; juxta eorum statum suamque magnificentiam eos donis et honoribus ampliavit. Quod tamen factum dominum papam Johannem non latuit; unde et super hoc factis multis secundum vias juris contra eos processibus, excommunicationis sententiam contra ipsos et Bavarum fulminavit, eamque mittens Parisius caeterisque locis solemnibus fecit publice proclamari.«
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Männer, die aus eigenem Antrieb in einer politischen Mission sein Gehör finden wollten. Interessant ist ferner die Nachricht über verschiedene Gruppen von Ratgebern an Ludwigs Hof. Während eine Gruppe darauf hinarbeitete, Marsilius und Johannes bei Ludwig Einfluß zu verschaffen, hat eine andere Gruppe eine deutliche Gegenposition bezogen. In dieser Gruppe können wohl die Informanten des Papstes erkannt werden, die Johannes XXII. in seiner Bulle erwähnt. Die Beschreibung von Ludwigs Position zu den Ankömmlingen bleibt etwas unklar. Er soll ihren Ansichten einerseits »nicht völlig« beigestimmt haben, andererseits hat er sie beschenkt und in seine Hofgemeinschaft aufgenommen. Die schwerwiegenden Einwände seiner Berater ließ er nicht gelten. Dabei läßt sich schwer feststellen, inwieweit der Bericht des Chronisten so zu lesen ist, daß Ludwigs öffentliche Ablehnung dieser Ansichten auf taktischer Rücksichtnahme gegenüber den Kritikern der beiden Pariser Gelehrten beruhte. Deutlich wird jedoch, daß Ludwig sich einen Vorteil von der Aufnahme Marsilius’ und Johannes von Janduns versprach. Es gibt aber noch einen weiteren Bericht über die Ankunft von Marsilius und Johannes von Jandun am Hofe Ludwigs, der von der Marsilius-Forschung bisher noch nicht wahrgenommen wurde. Diese chronikalische Nachricht liegt in mehreren Überlieferungen vor. Eine Überlieferung ist die von Hieronymus Pez 1721 herausgegebene annalistische Kompilation mit dem Titel »Cronica ab incarnatione Domini et gesta principum sacerdotum id est summorum pontificum nove legis et etiam imperatorum omnium Romanorum«, die von Christi Geburt bis zum Jahr 1343 reicht.258 Wegen mehrerer Lokalnachrichten zu Leoben in der Steiermark hat Pez den unbekannten Kompilator »Anonymus Leobiensis« genannt. Die verworrene Überlieferungsgeschichte dieser Kompilation und ihre große Bedeutung, weil nur in ihr auch die letzte Redaktion der Chronik Johanns von Viktring überliefert ist,259 haben zu einer wechselvollen Forschungsge258 Anonymi Leobiensis Chronicon libris VI comprehensum a Christo nato usque ad a. 1343 ex cod. ms. bibl. Claustroneob., in: Hieronymus Pez (Hg.), Scriptores rerum Austriacarum, Bd. 1, Leipzig 1721, Sp. 751 – 966. Pez gibt jedoch nur die Praefatio und die Chronik von dem Jahr 935 an wieder. 259 Walter Friedensburg machte zu seiner Übersetzung der letzten Redaktion von Johann von Viktrings Chronik eine Anmerkung, die auf die Erwähnung von Marsilius und Johannes bei dem Anonymus Leobiensis führt. In der früheren Fassung der Chronik Johanns von Viktring wird Marsilius von Padua namentlich als einer der Rechtsgelehrten erwähnt, die Kaiser Ludwig am Ende des Romzugs nach Deutschland mitbrachte (vgl. dazu ausführlich unten S. 414 ff.), während in der Schlußredaktion lediglich von Rechtsgelehrten gesprochen wird, ohne Namen zu nennen. Zu dieser Stelle bemerkt Friedensburg, Das Buch gewisser Geschichten von Abt Johann von Victring, übersetzt von Walter Friedensburg (GdV, Bd. 86), Leipzig 1888, S. 231, Anm. 5 (fortgesetzt auf S. 232): »Der Entwurf macht an dieser Stelle Marsilius von Padua namhaft. Hier sei mitgeteilt, was der Leobener Anonymus an einer früheren Stelle über die Lehren dieser literarischen Gegner des Papstthums mittheilt.« Es folgt eine Übersetzung der Darstellung des Pez’schen »Anonymus Leobiensis« über die
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schichte geführt.260 Ein Ergebnis ist, daß dieses Geschichtswerk nicht in Leoben, sondern vermutlich in Wien nach 1347/48 entstanden ist.261 Josef von Zahn meint, daß außer der letzten Redaktion der Chronik Johann von Viktrings lediglich eine weitere Vorlage für das fünfte und sechste Buch der Kompilation existiert, und glaubt, sie in einer Grazer Handschrift gefunden zu haben. Der ebenfalls unbekannte Autor dieser Grazer Handschrift verdiene, nach Zahn, viel eher als der spätere Pez’sche Kompilator »Anonymus Leobiensis« genannt zu werden, da die Leobener Lokalnachrichten der von Pez abgedruckten Kompilation ausnahmslos dieser Handschrift zu entstammen scheinen. Sie ist nur in einer Handschrift überliefert, die heute in der Universitätsbibliothek Graz aufbewahrt wird.262 Zahn legte eine Teiledition vor,263 die jedoch die Notiz über die Ankunft von Marsilius und Johannes von Jandun an König Ludwigs Hof nicht enthält. Die Chronik reicht bis 1336 und wurde vermutlich im Jahr 1337
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Ankunft Marsilius’ und Johannes von Janduns am Hof Ludwigs des Bayern, die auch für die unten folgende eigene Übersetzung herangezogen wurde. August Fournier, Abt Johann von Viktring und sein Liber certarum historiarum. Ein Beitrag zur Quellenkunde deutscher Geschichte, Berlin 1875; Carl Müller, Zur Quellenkunde des 14. Jahrhunderts, in: Forschungen zur Deutschen Geschichte 19 (1879), S. 499 – 520, Teil I: Eine Papstgeschichte bis auf Benedict XII. und deren Spuren in Heinrich von Hervord, Chronicon Sampetrinum, Anonymus Leobiensis, Werner von Lüttich und Vita 6 Benedicti XII., S. 499 – 514; Lorenz/Goldmann, Deutschlands Geschichtsquellen, Bd. 1, 31886/87, S. 253 – 254 und 257; Fedor Schneider, Studien zu Johannes von Victring, zweiter Theil, in: NA 29 (1904), S. 395 – 442; Ernst Klebel, Zu den Fassungen und Bearbeitungen von Johanns v. Viktring »Liber certarum historiarum«, in: MIÖG Ergänzungsband 11 (1929), S. 354 – 373; Lhotsky, Alphons, Zum Anonymus Leobiensis, in: Festschrift zu Ehren Richard Heubergers (Schlern-Schriften 206), Innsbruck 1960, S. 87 – 91, wiederabgedruckt (und danach zitiert) in: ders., Aufsätze und Vorträge, ausgewählt und herausgegeben von Hans Wagner und Heinrich Koller, Band 3: Historiographie, Quellenkunde, Wissenschaftsgeschichte, München 1972, S. 105 – 110; ders., Quellenkunde zur mittelalterlichen Geschichte Österreichs (MIÖG Ergänzungsband 19), Graz/Köln 1963, S. 301 – 304; Siegfried Haider, Untersuchungen zu der Chronik des »Anonymus Leobiensis«, in: MIÖG 72 (1964), S. 364 – 381; Winfried Stelzer, Studien zur österreichischen Historiographie im 14. Jahrhundert. I. Die Chronik des »Anonymus Leobiensis« und die Leobener Martins-Chronik, in: MIÖG 105 (1995), S. 369 – 391; Urban Bassi, Johann von Viktring und der Anonymus Leobiensis, in: ders. und Margit Kamptner, Studien zur Geschichtsschreibung Johanns von Viktring. Mit einem Vorwort von Winfried Stelzer (Das Kärntner Landesarchiv, Bd. 22), Klagenfurt 1997, S. 11 – 41; zusammenfassend Eugen Hillenbrand, Art. Anonymus Leobiensis, in: 2VL, Bd. 1 (1978), Sp. 371 – 372. Klebel, Fassungen, 1929, S. 360. Dagegen plädierte Haider, Untersuchungen, 1964, S. 377 und 381, für das Jahr 1379 oder später ; Haiders Spätdatierung wird von Stelzer, Studien, 1995, S. 378, jedoch zurückgewiesen. UB Graz Ms. 290, fol 15v-109, Anonymi Leobiensis Chronicon, Incipit: »Hic incipiunt gesta principum sacerdotum id est summorum pontificum nove legis et eciam imperatorum omnium Romanorum.« Anonymi Leobiensis Chronicon. Nach dem Originale herausgegeben von J[osef von] Zahn, Graz 1865; vgl. dazu die vorangegangene Untersuchung von Josef von Zahn, Über den Anonymus Leobiensis, in: Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen 1 (1864), S. 47 – 102; vgl. die Rezension von Wilhelm Wattenbach, in: HZ 16 (1866), S. 186 – 187.
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abgefaßt. Der Ort der Abfassung ist jedoch nicht Leoben, wie Zahn meinte, sondern das ebenfalls in der Steiermark liegende St. Lambrecht.264 Es hat bisher in der Forschungsliteratur nicht wenig zur Verwirrung beigetragen, daß es zwei Chroniken gibt, deren Autoren von den Herausgebern als »Anonymus Leobiensis« bezeichnet wurden, zumal keine von beiden tatsächlich in Leoben entstanden ist. Die Vermutung Zahns, die Grazer Handschrift sei die Vorlage für den Pez’schen Anonymus gewesen, wird heute jedoch von der Forschung zurückgewiesen. Vielmehr sind diese Werke voneinander unabhängig und beruhen vielmehr auf einer gemeinsamen Vorlage: eine im Dominikanerkloster in Leoben von einem ebenfalls unbekannten Autor verfaßte Fortsetzung der Chronik Martins von Troppau. Allein deren Verfasser dürfte mit Recht Anonymus Leobiensis genannt werden. Diese Leobener Martinschronik selbst ist jedoch verschollen.265 Im folgenden sollen nun die auf gemeinsamer Vorlage beruhenden Nachrichten über Marsilius und Johannes von Jandun in beiden Überlieferungen untersucht werden. Dabei ist der Wortlaut zum größten Teil identisch, nur in der ersten Passage weichen die Überlieferungen etwas voneinander ab. Im Abschnitt über die Vita Papst Johannes’ XXII. berichtet der St. Lambrechter Anonymus (Grazer Handschrift) im Anschluß an die Heiligsprechung des Thomas von Aquin: »In dieser Zeit, im Jahr des Herrn 1323, waren zwei Ketzer aufgetreten, Marsilius von Padua und Johann von Jandun, welche die Höfe solcher Fürsten aufsuchten, von denen sie wußten, daß dieselben der heiligen katholischen Mutterkirche feindselig gesinnt waren, damit sie von diesen beschützt werden und weil die Genannten öffentlich unter anderen fünf Irrlehren verfaßt hatten.«266
Die unzutreffende Angabe zum Jahr der Ankunft bezieht sich vielmehr auf die zuvor erwähnte Kanonisation des Thomas von Aquin. Der Pez’sche Anonymus läßt dagegen die Jahresangabe weg und hat dort eine Lücke, wo der St. Lambrechter Anonymus angibt, daß Marsilius und Johannes von Jandun Schutz an den Herrscherhöfen suchten.267 Welche der beiden Überlieferungen näher an der 264 Stelzer, Studien, 1995, S. 371. 265 Schneider, Studien, 1904, S. 430; vgl. das Stemma zur Leobener Martinschronik bei Haider, Untersuchungen, 1964, S. 374 und 379. 266 UB Graz Ms. 290, »Anonymi Leobiensis Chronicon«, fol. 130va: »Hujus tempore anno domini MCCCXIII surrexerunt duo heretici Marsilius de Padua et Johannes de Janduno qui intrantes curias principium quos cognoverunt contrariari sancte matri ecclesie katholice ut ab hiis tuerentur quia palam et isti predicti inter cetera V errores conscripserunt.« 267 »Anonymi Leobiensis Chronicon«, lib. V, cap. III, ed. H. Pez, Bd. 1, 1721, Sp. 916C-D: »Hujus tempore surrexerunt duo haeretici, Marsilius de Padua, et Johannes de Lauduno, qui intrantes curias Principum, quos cognoverunt contrariari S. Matri Ecclesiae Katholicae (…) quia palam inter caetera quinque errores conscripserunt.« Über die Auslassung bemerkt Pez, ebenda, Anm. 3: »desunt hic quaedam in Cod. MS.«
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Leobener Vorlage ist, läßt sich daher kaum entscheiden. Anschließend führen beide Überlieferungen die vom Papst verurteilten fünf Irrlehren auf.268 Dieser Teil des Textes muß also so auch bereits in der gemeinsamen Vorlage gestanden haben. Dem Autor der Vorlage muß die umfangreiche Verurteilungsbulle Licet iuxta doctrinam vorgelegen haben, da die Wiedergabe der fünf Häresien fast wörtlich mit der Bulle übereinstimmt.269 Da Licet iuxta doctrinam keinen Anhaltspunkt für die Fluchtthese bietet, spricht einiges dafür, daß der verschollene, ursprüngliche Text die Ankunft der beiden Häretiker bei Ludwig nicht als Schutzsuche charakterisiert. Interessant ist in jedem Fall, daß der ursprüngliche Text aus Leoben in St. Lambrecht 1337 oder später eine Überarbeitung erfahren hat. Vielleicht war den Schreibern daran gelegen zu betonen, daß die Ketzer Schutz vor der Reaktion des Papstes sehr nötig hatten. Daß die Handschrift, die Pez vorliegen hatte, gerade an dieser Stelle Lücken hat, verstärkt den Eindruck, daß hier eine Formulierung der Vorlage Anlaß zu Veränderungen durch den einen oder anderen Kompilator gab.
268 UB Graz Ms. 290, »Anonymi Leobiensis Chronicon«, fol. 103va: »Primo quod Christus solvit tributum Caesari sicut in Matthaeo legitur quando staterem sumptum ex ore piscis illis qui petebant didrachma iussit dari quod non fecit ex condescensione et liberalitate sue potestatis sed necessitate coactus ex hoc voluerunt concludere si Christus dedit tributum ergo papa et episcopus et omnis homo sit tributarius imperatoris. Item dixerunt quod beatus Petrus apostolus non fuit plus caput ecclesie quam quilibet aliorum apostolorum nec habuit plus auctoritatis quam habuerunt alii apostoli et quod Christus nullum caput dimisit ecclesie nec aliquem fecit vicarium suum. Item quod ad imperatorem spectat corrigere papam et punire ac instituere et destituere. Item quod omnes sacerdotes sive sit papa sive archiepiscopus sive sacerdos simplex quicunque sint equalis auctoritatis ac jurisdictionis ex institutione Christi, sed quod unus plus habeat alio hoc sit secundum quod Imperator concessit plus vel minus et sicut concessit, sic revocare possit. Item quod papa vel tota ecclesia simul sumpta nullum hominem quantumcunque sceleratum potest punire punitione coactiva nisi imperator daret illis auctoritatem.« Vgl. »Anonymi Leobiensis Chronicon«, lib. V, cap. III, ed. H. Pez, Bd. 1, 1721, Sp. 916D – 917A: »Primo, quod Christus solvit tributum Caesari, sicut in Matthaeo legitur, quando staterem sumptum ex ore piscis illis, qui petebant drachma, iussit dari: Quod non fecit ex condescensione et liberalitate suae potestatis, sed necessitate coactus. Ex hoc voluerunt concludere: Si Christus dedit tributum, ergo Papa, et Episcopus et omnis homo sit tributarius Imperatoris. Item dixerunt, quod beatus Petrus Apostolus non fuit plus caput Ecclesiae, quam quilibet aliorum Apostolorum: nec habuit plus auctoritatis, quam habuerunt alii Apostoli: et quod Christus nullum dimmisit [!] caput Ecclesiae, nec aliquem fecit Vicarium suum. Item, quod ad Imperatorem spectat corrigere Papam ac punire, et instituere ac destituere. Item, quod omnes Sacerdotes, sive sit Papa, sive Archiepiscopos, sive Sacerdos simplex quicunque, sint aequalis auctoritatis ac jurisdictionis, ex institutione Christi; sed quod unus plus habeat alio, hoc sit secundum quod Imperator concessit plus, vel minus: et sicut concessit, sic revocare possit. Item Papa, vel tota Ecclesia simul sumpta nullum hominem, quantumcunque sceleratum, potest punire punitione coactiva, nisi Imperator daret illis auctoritatem.« 269 Vgl. zu Licet iuxta doctrinam unten S. 206 – 211.
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Schließt man diese späteren Veränderungen aus, erscheint das Verhalten von Marsilius und Johannes von Jandun als aktive politische Betätigung. Auch deswegen, weil in beiden Überlieferungen nicht allein von Ludwigs Hof, sondern von den Höfen mehrerer Herrscher die Rede ist, die Marsilius und Johannes von Jandun aufgesucht haben sollen. Ob hier eine literarische Übertreibung die Gefährlichkeit der beiden Ketzer belegen soll, oder ob der ursprüngliche, Leobener Autor über die früheren politischen Aktivitäten des Marsilius im Dienste Matteo Viscontis und Cangrande della Scalas informiert war, läßt sich nicht entscheiden. Abschließend heißt es übereinstimmend in beiden Überlieferungen: »Dieses alles erklärten die erwähnten Männer und ihre Anhänger öffentlich zu glauben und versprachen, es gegen jeden Einwand zu beweisen. Allein der apostolische Vater Johannes berief seine Brüder, die Kardinäle und andere schriftkundige und erfahrene Männer zu sich und ließ an der Hand der Evangelien Gottes und der geheiligten Autorität der Heiligen alle jene Lehren als Irrlehren verwerfen und als ketzerisch verdammen und verfluchte die Ketzer mit allen ihren Beschützern und beraubte sie jeder Würde und Ehre. Und dieser Richterspruch der Exkommunikation erfolgte in einem anderen Jahre, nämlich dem zwölften seines Papsttums.«270
Das berichtete Engagement der Pariser Magister ähnelt dem Bericht der Fortsetzung der Chronik des Wilhelm von Nangis, auch wenn es weniger dramatisch ausfällt. Eine Abhängigkeit der beiden chronikalischen Berichte voneinander ist wohl auszuschließen, so daß der Eifer der beiden Gelehrten für ihre Sache als bekannte und berichtenswerte Tatsache angesehen werden kann. Zudem ist auch in diesem Bericht erkennbar, daß die Kurie erst dann aktiv wurde, als die Pariser Magister sich bei Ludwig aufhielten. 270 UB Graz Ms. 290, »Anonymi Leobiensis Chronicon«, fol. 130va-b: »Praedicti vero et alii adhaerentes illis profitebantur palam ista omnia credere et promiserunt ea ab omni impugnatione defendere. Johannes vero apostolicus convocatis fratribus cardinalibus et aliis litteratis et sapientibus per Dei ewangelia et sacras auctoritates sanctorum reprobavit omnes praedictos errores et pro haeresi condemnavit. Nec non et haereticos praedictos cum omnibus fautoribus eorum anathematizavit et ab omni principatu et honore destituit et haec sententia excommunicationis altero anno ab apostolico est fulminata videlicet anno sui pontificatus XII.« Vgl. »Anonymi Leobiensis Chronicon«, lib. V, cap. III, ed. H. Pez, Bd. 1, 1721, Sp. 917A – B: »Praedicti vero, et alii adhaerentes illis profitebantur palam ista omnia credere, et promiserunt ea ab omni impugnatione defendere. Johannes vero Apostolicus, convocatis Fratribus Cardinalibus et aliis litteratis et sapientibus, per Dei Ewangelia et sacras auctoritates Sanctorum, reprobavit omnes praedictos errores, et pro haeresi condemnavit: nec non et haereticos praedictos cum omnibus fautoribus eorum anathematizavit, et ab omni Principatu et honore destituit; et haec sententia excommunicationis altero anno ab Apostolico est fulminata, videlicet anno sui Pontificatus XII.« Die Angabe des (richtigen) Pontifikaljahres (nämlich zwischen dem 5. September 1327 und dem 4. September 1328) spricht auch dafür, daß der Chronist die mit dieser Datumszeile versehene Urkunde vorliegen hatte.
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Das Leben des Marsilius von Padua vor dem Romzug
Die Fluchtthese kann nach der Untersuchung der einschlägigen Quellen nicht aufrechterhalten werden. Zunächst steht die grundlegende Vermutung, daß Marsilius und Johannes erst 1326 zu Ludwig aufbrachen, auf unsicherer Quellengrundlage. Zudem sprechen mehrere Quellen dafür, daß sie sehr bald nach dem Abschluß des Defensor pacis Paris verlassen haben. Die päpstliche Bulle Quia iuxta doctrinam bietet sogar Anhaltspunkte dafür, daß die Abreise vor dem März oder April 1325 stattgefunden hat. Die wichtigere Frage nach dem Motiv der Abreise aus Paris muß ebenfalls anders als bisher beantwortet werden. Für eine erzwungene Flucht lassen sich in keiner Quelle Beweise finden. Im Gegenteil: Diejenigen Quellen, die sich über die Motive der Pariser Gelehrten äußern, lassen keinen Zweifel, daß diese mit einer politischen Intention Ludwigs Hof als Adressat ihrer politischen Anschauung ausgewählt haben. Um ihre Abreise zu erklären, benötigt man keine äußere Ursache, die sie dazu zwang; sie hatten ein Motiv, Paris zu verlassen. Das bisher wenig explizierte Bild von zwei Flüchtlingen, die – und das wird selten erwähnt – lediglich aus Zufall Ludwigs Berater wurden, muß dahingehend geändert werden, daß diese politischen Theoretiker planvoll den Einfluß auf die politische Praxis suchten.
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3 Die politischen Schriften des Marsilius von Padua
3.1
Der Defensor pacis
Der Defensor pacis ist in jeder Hinsicht das bedeutendste und bisher am meisten untersuchte Werk des Marsilius. Darin entwickelt er eine allgemeingültige, nicht auf bestimmte Verfassungen festgelegte Theorie, die sich auf alle politischen Gemeinwesen beziehen läßt und auch an alle adressiert ist.271 Marsilius wendet sich wenigstens an einer Stelle direkt an Ludwig den Bayern,272 jedoch sind ausdrückliche Bezüge seiner politischen Theorie zum römisch-deutschen Reich nicht sehr zahlreich.273 Er ist unter Marsilius’ Werken aus zwei Gründen der wichtigste Ausgangspunkt zur Beurteilung der Wirkung, die Marsilius auf die Politik Ludwigs des Bayern ausgeübt hat. Erstens ist nur bei dieser Schrift sicher, daß sie vor dem Romzug geschrieben wurde und damit vor den politischen Entscheidungen dieser Zeit als theoretisches Instrumentarium zur Verfügung stand. Und zweitens stellt der Defensor pacis aufgrund seines Umfangs, der Weite der angesprochenen Themen und der theoretischen Durcharbeitung mehr Argumente und Anknüpfungspunkte zur Verfügung als die beiden anderen politischen Schriften. Während der Tractatus de translatione imperii und der Defensor minor immer als alleinige Werke des Marsilius angesehen worden sind, hat die ältere 271 Nederman, Community, 1995, S. 20. Vgl. zu den Problemen und Fehlinterpretationen, die sich daraus ergeben, Marsilius’ »persistently non-committal terms« auf bestimmte politische Verhältnisse zu beziehen, Conal Condren, Democracy and the Defensor Pacis. On the English Language Tradition of Marsilian Interpretation, in: Il Pensiero Politico 13 (1980), S. 301 – 316 (Zitat S. 307). 272 Vgl. oben S. 75. 273 Auch wenn die Verfassungen der oberitalienischen Stadtstaaten als Vorbild für Marsilius’ politische Theorie gedient haben mögen, wie vor allem in der älteren Forschung betont wurde, finden sich im Defensor pacis doch keine expliziten Bezüge zu diesen, Walter Ullmann, Personality and Territoriality in the »Defensor pacis«. The Problem of Political Humanism, in: Medioevo 6 (1980), S. 397 – 410, hier S. 399 – 400; vgl. Koch; Dis-/Kontinuität, 2005, S. 180, Anm. 244.
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Die politischen Schriften des Marsilius von Padua
Forschung Johannes von Jandun als Mitverfasser des Defensor pacis betrachtet.274 Diese Annahme beruhte vor allem auf der Tatsache, daß Johannes von Jandun seinen Lebensweg mit dem des Marsilius verknüpfte, indem er ihm an den Hof Ludwigs folgte, und auf den – allein darauf basierenden – Angaben der päpstlichen Verurteilungen.275 Heute wird allgemein angenommen, daß Marsilius den Defensor pacis allein verfaßte.276 Mit 27 überlieferten Handschriften des 14. und 15 Jahrhunderts kann der Defensor pacis für diesen Zeitraum als weitverbreitet gelten.277 Wie viele Handschriften jedoch zu Marsilius’ Lebzeiten im Umlauf waren, ist unbekannt. Sicher ist nur, daß Marsilius selbst ein Exemplar von Paris an den Hof Ludwigs des Bayern mitnahm. Den Zeitgenossen wurde der Inhalt des Defensor pacis daher – soweit wir heute wissen – hauptsächlich nur auf zwei Wegen bekannt. Zum einen hat Marsilius ihn selbst, hauptsächlich mündlich, verbreitet und so für seine Verbreitung gesorgt. Auf welche Weise und bei welchen Gelegenheiten dies geschah, wird ein Gegenstand dieser Untersuchung sein. Zum anderen hat die Verbreitung der päpstlichen Verurteilungsbulle Licet iuxta doctrinam für die Bekanntmachung einiger Aussagen des Defensor pacis, und zwar in der Formulierung der Kurie, gesorgt.278 Man hat in der handschriftlichen Überlieferung einen deutschen und einen französischen Zweig unterschieden. Diese Unterscheidung beruht jedoch auf den heutigen Aufbewahrungsorten.279 Die älteste überlieferte Handschrift T ist die einzige überlieferte Handschrift, die sicher zu Lebzeiten des Marsilius entstanden ist. Sie enthält spätere Zusätze und wurde in dieser korrigierten Form vermutlich die Stammhandschrift für den deutschen Zweig der Überlieferung.280 Die Vorlage für den französischen Zweig beruht auf einer unkorrigierten Ab274 Bei No[l Valois, Jean de Jandun et Marsile de Padoue. Auteurs du Defensor pacis, in: Histoire litt8raire de la France, Bd. 33: Suite du 14. siHcle, Paris 1906, S. 528 – 623, wird das bereits im Titel deutlich. 275 Vgl. oben S. 62 f. 276 Scholz, Einleitung, in: Marsilius von Padua, Defensor pacis, ed. ders., 1932/33, S. V. Spätestens seit Alan Gewirth, John of Jandun and the Defensor pacis, in: Speculum 23 (1948), S. 267 – 272, wird allgemein anerkannt, daß Johannes von Jandun nicht Mitverfasser des Defensor pacis war. Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 95 – 119, bes. S. 119, stellt die Mitverfasserschaft des Johannes von Jandun jedoch wieder zur Diskussion. Dafür argumentiert er mit den weitgehend übereinstimmenden sozialtheoretischen Ansichten, wie sie im Vergleich der beiden Quaestionen zu Aristoteles’ Metaphysik sichtbar werden, die von Johannes von Jandun und von Marsilius verfaßt wurden. Vgl. zu den Metaphysikquaestionen unten S. 105 f. 277 Scholz, Einleitung, in: Marsilius von Padua, Defensor pacis, ed. ders., 1932/33, S. VI. 278 Vgl. unten S. 206 – 211. 279 Scholz, Einleitung, in: Marsilius von Padua, Defensor pacis, ed. ders., 1932/33, S. VI. 280 Scholz, Einleitung, in: Marsilius von Padua, Defensor pacis, ed. ders., 1932/33, S. XXIX mit vielen Überlegungen.
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Der Defensor pacis
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schrift des Defensor pacis. Es läßt sich jedoch nicht sagen, wann die Abschriften angefertigt wurden, die der französischen Überlieferung zugrunde liegen. Es wird zwar meist angenommen, daß bereits eine in Paris zurückgelassene Abschrift des älteren Textes des Defensor pacis die Textgrundlage für die französischen Handschriften darstellte. Es spricht aber nichts gegen die Annahme, daß erst nach der Abreise aus Paris, von Italien oder von Deutschland aus, eine Abschrift der noch unkorrigierten Fassung nach Frankreich gelangte.281 Der Defensor pacis wurde aber noch im 14. Jahrhundert ins Französische und ins Italienische übersetzt. 1363, etwa 20 Jahre nach dem Tod des Marsilius, wurde eine Übersetzung im florentinischen Volgare angefertigt, die nach eigenem Zeugnis auf einer französischen Fassung basiert.282 Eine französische Übersetzung des Defensor pacis ist jedoch nicht überliefert. Wann die Kirche erstmals auf die Existenz der französischen Übersetzung aufmerksam wurde, läßt sich nicht sagen. Sicher erst viele Jahre nach ihrer Erstellung, im Jahr 1375, wurde auf Veranlassung der Kurie unter den Theologen der Pariser Universität nach demjenigen gesucht, der die französische Übersetzung angefertigt haben soll.283 Dafür wurden zwischen dem 1. September und 31. Dezember an mehreren Tagen Befragungen von Angehörigen der theologischen Fakultät durchgeführt.284 In dem zur Beurkundung dieser Befragung aufgesetzten Notariatsinstrument wurde festgehalten, daß die versammelten Doktoren und Magister der theologischen Fakultät »berichten, daß ihnen neue Gerüchte zu Gehör gekommen sind und ihnen durch gewisse zuverlässige Gesandte, die zuvor von Seiten der theologischen Fakultät der Pariser Universität zu unserem obengenannten Herrn, dem Papst, wegen gewisser Verhandlungen der besagten Fakultät abgesandt worden waren, als sie nach Paris zurückgekehrt waren, berichtet haben, daß unser genannter Herr, der Papst, sich heftig beschwert hat und sich nicht ohne Grund unzufrieden gibt darüber, daß ein gewisses Buch, das einst vom Apostolischen Stuhl verurteilt wurde, nämlich das Buch der Magister Marsilius von Padua und Johannes von Jandun, aus der lateinischen in die französische oder eine solche [Volks]Sprache übersetzt wurde, weil es augenscheinlich zur Begünstigung und Gefälligkeit des Kaisers und gewisser weltlicher Fürsten und zu Entehrung und Mißfallen des besagten Herrn Papstes, des Stellvertreters unseres Herrn Jesu Christi, und zur Verachtung der Kirche gereichte, und weil man den Verdacht hat,
281 Scholz, Einleitung, in: Marsilius von Padua, Defensor pacis, ed. ders., 1932/33, S. XLVII. 282 Marsilio da Padova, Defensor pacis nella traduzione in volgare fiorentino del 1363, a cura di Carlo Pincin (Scrittori italiani di politica, economia e storia), Turin 1966. 283 Diese Untersuchug steht jedoch in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der italienischen Übersetzung von 1363, die wohl nie Aufmerksamkeit der Kurie gewonnen hat. 284 Marsilio da Padova, ed. Pincin, 1966, Appendice, Nr. 2, S. 571 – 577; Du Plessis, Collectio judiciorum de novis erroribus, Bd. I/1, 1728, S. 397a-400b; Auszüge bei Denifle/Chatelain, Bd. 3, 1894, Nr. 1406, S. 223 – 227.
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Die politischen Schriften des Marsilius von Padua
daß irgendein Theologe der Universität derjenige ist, der das besagte Buch übersetzt hat«.285
Die Kenntnisse der Kurie über eine Übersetzung des Defensor pacis waren 1375 also noch so gering, daß noch nicht einmal bekannt war, in welche Volkssprache das Werk übersetzt worden war.286 Bei der Befragung der zahlreichen Mitglieder der Fakultät kam heraus, daß lediglich einer der Befragten, Magister Richard Barbe, von der Existenz einer Übersetzung gehört hat. Nachdem er geschworen hatte, daß er selbst die Übersetzung nicht angefertigt und sie auch nie gesehen hat, vertraute er der Untersuchungskommission dennoch an, »daß er von gewissen Leuten hat sagen hören, daß der, der das Buch geschrieben hat, es auch ins Französische übersetzt hat, und daß er im Gespräch untersucht hat und darüber hinaus nach Vermögen und aufrichtig nachgeforscht habe, wer jener sei, und wenn er das gewußt hätte, hätte er es sobald als möglich mitgeteilt; und etwas anderes, hat er gesagt, wisse er nicht.«287
Bestätigt wird durch diese Untersuchung zwar, daß im Jahr 1375 etwas – zumindest gerüchteweise – von einer Übersetzung bekannt war, viel mehr läßt sich daraus aber nicht gewinnen. Selbst wenn das Gerücht wahr wäre, daß einer der beiden als Verfasser geltenden Pariser Philosophen auch eine Übersetzung an285 Marsilio da Padova, ed. Pincin, 1966, Appendice, Nr. 2, Z. 14 – 26, S. 572: »[…] asserentes ad eorum auditum nuper rumores devenisse et sibi per quosdam certos nuncios dudum pro parte facultatis theologie studii Parisiensis, ad dominum nostrum summum pontificem supradictum ob certa negocia dicte facultatis destinatos et inde Parisius reversos relatum extitisse predictum dominum nostrum papam graviter conqueri et non sine causa male contentari super eo, quod quidam liber dudum condempnatus per sedem apostolicam nuncupatus liber magistrorum Marsilii de Padua et Johannis de Janduno translatus extiterat de latino in gallicum seu tale idyoma quod in favorem et complacenciam imperatoris et quorumdam principum terrenorum et in dicti domini pape Jhesu Christi domini nostri vicarii dedecus et displicenciam ac contemptum ecclesie cedere videbatur quodque suspicio habebatur ne aliquis theologus de studio generali quisquis sit transtulisset dictum librum«. (Hervorhebung im Original.) 286 Das zeigt sich dann auch bei dem Fragenkatalog, der den Mitgliedern der Fakultät vorgelegt wurde, Marsilio da Padova, ed. Pincin, 1966, Appendice, Nr. 2, Z. 71 – 74, S. 573: »[…] utrum ipse dictum librum de latino in gallicum aut alias transtulisset, aut si aliquem sciret vel novisset aut loqui de aliquo audivisset vel suspicionem haberet de aliquo qui eundem librum transtulisset«. – »[…] ob er selbst das besagte Buch von der lateinischen in die französische oder andere [Sprachen] übersetzt habe oder ob er denjenigen kennt oder kennengelernt habe oder über denjenigen habe sprechen hören oder einen Verdacht hat über den, der das Buch übersetzt habe.« 287 Marsilio da Padova, ed. Pincin, 1966, Appendice, Nr. 2, Z. 101 – 108, S. 574: »Magister Richardus Barbe, juratus simili modo interrogatus et examinatus diligenter de premissis, respondit per suum juramentum se nunquam dictum librum transtulisse nec vidisse; attamen deposuit quod ipse dici audierat a quibusdam, quod illemet qui fecit librum transtulerat eundem in gallicum, quodque ipsemet loquens investigaret et inquireret ulterius pro posse et verius quis sit ille et si hoc sciret ipse quam cicius posset revelaret; et aliud dixit se nescire.«
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Der Defensor pacis
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gefertigt hätte – zu denken wäre dabei eher an den Franzosen Johannes von Jandun –, bleibt unklar, wann und wo der Defensor pacis übersetzt wurde.288 Die gelegentlich geäußerte Vermutung, es gebe Hinweise, daß an der Pariser Universität bereits 1330 eine französische Übersetzung bekannt war,289 beruht jedoch auf einer irrtümlichen Interpretation einer Textstelle in C8sar Egasse du Boulays Historia Universitatis Parisiensis von 1668.290 Sichere Hinweise, daß die französische Übersetzung noch zu Lebzeiten des Marsilius angefertigt wurde, gibt es also nicht. Im Jahr 1376, ein Jahr nachdem an der Universität Paris Untersuchungen über den Übersetzer des Defensor pacis angestellt wurden, entstand das Somnium viridarii, eine Kompilation aus zeitgenössischen Streitschriften,291 darunter auch der Defensor pacis.292 Zwei Jahre später wurde diese Schrift unter dem Titel Songe du Vergier ins Französische übersetzt.293 Bereits in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurden die Gedanken des Defensor pacis also auch in den Volkssprachen Französisch und Italienisch einer breiteren, nicht universitär gebildeten oder klerikalen Leserschaft zur Kenntnis gebracht. Für Marsilius’ Lebzeiten und noch eine gewisse Zeit darüber hinaus läßt sich konstatieren, daß die päpstliche Verurteilung die Verbreitung des Defensor pacis sicher behindert hat. Das zeigt sich nicht nur am überwiegend geringeren Alter der überlieferten Handschriften, sondern auch an der Klage des gelehrten Zeitgenossen Konrad von Megenberg, daß es ihm nicht möglich war, ein Exemplar des Defensor pacis zu erhalten.294 Auch Konrad, der sich in mehreren Schriften zu den häretischen 288 Daß vor der Abreise aus Paris eine Übersetzung ins Französische angefertigt worden sei, eventuell sogar von Marsilius oder Johannes von Jandun selbst, vermuten Riezler, Widersacher, 1874, S. 195, Anm. 2, und Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 29. 289 Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 40. 290 Caesar Egassius Bulaeus, Historia Universitatis Parisiensis, Band IV: Ab anno 1300 ad annum 1400, Paris 1668, S. 216: »Eademque cum accepisset Marsilii errores in Linguam Gallicanam ad contumeliam S. Sedis a nonnullis versos fuisse, conata est Autorem detegere, ut vel illum Censurae suae mucrone feriret, vel Iudicis secularis gladio feriendum denunciaret.« Die zuvor angegebene Jahreszahl 1330 bezieht sich jedoch auf die Verurteilung der Häresien des Marsilius durch die theologische Fakultät der Universität Paris und nicht auf den Zeitpunkt der Entdeckung, daß es eine Übersetzung des Defensor pacis ins Französische gab. 291 Somnium viridarii, hrsg. von Marion Schnerb-LiHvre, 2 Bde. (Sources d’histoire medi8vale), Paris 1993 – 1995; vgl. Jürgen Miethke, Art. Somnium viridarii, in: 3LThK, Bd. 9 (2000), Sp. 717 – 718. 292 Vgl. Jeannine Quillet, La philosophie politique du Songe du Vergier (1378). Sources doctrinales (L’eglise et l’etat au moyen .ge, Bd. 15), Paris 1977, zur Verwendung des Defensor pacis bes. S. 51 – 62. 293 Le songe du Vergier, 8d. d’aprHs le Ms. royal 19 C IV de la Brit. Libr. par Marion SchnerbLiHvre, 2 Bde., Paris 1982 (Sources d’histoire medi8vale); vgl. zusammenfassend Marion Schnerb-LiHvre, Art. Songe du Vergier, Le, in: LexMA, Bd. 7 (1995), Sp. 2045 – 2046. 294 Konrad von Megenberg, Yconomica, II, 3, 1, ed. Krüger, Bd. 2, 1977, S. 87: »Ipsorum
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Die politischen Schriften des Marsilius von Padua
Aussagen des Defensor pacis und zum Einfluß der als Verfasser geltenden Gelehrten auf das Zeitgeschehen geäußert hat,295 konnte sich allein an den – durch die päpstlichen Prozesse weithin bekanntgemachten – von der Kurie formulierten, häretischen Artikeln orientieren.
3.2
Der Tractatus de translatione imperii
Der Traktat De translatione imperii ist die zweite politische Schrift des Marsilius. Marsilius’ Traktat war recht weit verbreitet. Er ist in wenigstens 20 Handschriften überliefert. Davon stammt eine aus dem zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts und fünf aus der zweiten Hälfte. Überwiegend stammen sie aber aus dem 15. Jahrhundert und zum weitaus größten Teil aus Deutschland.296 Dabei bleiben die meisten Handschriften allerdings ohne Nennung des Autors.297 Der Traktat ist von weitaus geringerem Umfang als der Defensor pacis und richtet die Betrachtung ausschließlich auf das Römische Reich und das Kaisertum. Er ist unter seinen politischen Werken bisher am wenigsten untersucht.298 Marsilius hat im Defensor pacis eine eigene Schrift über die Translatio imperii bereits angekündigt. Als Anlaß nennt er die kuriale Theorie von der Translatio imperii, wie sie von Papst Johannes XXII. in dem Dekretale De iureiurando, das dieser als dahingehende Überarbeitung der Bulle Romani principes Papst Clemens’ V. vom 14. März 1314 in das Corpus iuris canonici aufnehmen ließ,299 und jüngst im ersten Prozeß gegen Ludwig vom 8. Oktober 1323300vertreten wurde:
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[Marsilii et Johannis] tamen motiva non vidi, quia licet precurrenti diligencia mea libellus eorum [Defensor pacis] ad me nunquam poterat pervenire.« Vgl. Miethke, Politiktheorie, 2008, S. 234 mit Anm. 723. Vgl. unten S. 380 f. Die handschriftliche Überlieferung der bis dahin bekannten 17 Manuskripte ist in der Ausgabe, S. 29 – 64, mit einer Übersicht, S. 468 – 470, verzeichnet; drei weitere Manuskripte aus dem 15. Jahrhundert machte Colette Jeudy, Trois nouveaux manuscrits du »De translatione imperii« de Marsile de Padoue, in: Medioevo 6 (1980), S. 501 – 522, bekannt. Vgl. ferner die kodikologischen Untersuchungen von Colette Jeudy, Signes de fin de ligne et tradition manuscrite: le »De translatione Romani Imperii« de Marsile de Padoue, in: Scriptorium 27 (1973), S. 252 – 262; dies., Signes de fin de ligne et origine du manuscrit Vatican Vat. lat. 4099, in: Scriptorium 28 (1974), S. 296 – 298. Miethke, Art. Marsilius von Padua, in: TRE, Bd. 22 (1992), S. 187. Vgl. zum Tractatus de translatione imperii vor allem Riezler, Widersacher, 1874, S. 171 – 179; Battaglia, Marsilio da Padova, 1928, S. 196 – 207; Pincin, Marsilio, 1967, S. 115 – 127; Dolcini, Introduzione, 1995, S. 40 – 41; jüngst John G. A. Pocock, Barbarism and Religion, Bd. 3: The First Decline and Fall, Cambridge 2003, Kapitel 7: The Historiography of the Translatio Imperii, zu Marsilius’ Traktat bes. S. 145 – 150; vgl. dazu die Kritik von Cary Nederman, Empire and the Historiography of European Political Thought: Marsiglio of Padua, Nicholas of Cusa, and the Medieval/Modern Divide, in: Journal of the History of Ideas 66 (2005), S. 1 – 15, hier S. 4 – 7. Corpus iuris canonici, ed. Friedberg, pars II, 1881, Clementinarum liber II, titulus 9, De
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Der Tractatus de translatione imperii
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»[…] vom Apostolischem Stuhl oder dem römischen Papst, entweder allein oder mit dem Kollegium seiner Kleriker, sei, wie es der Vernunft oder dem Recht entsprach, das Römische Reich von den Griechen auf die Deutschen (ad Germanos) in der Person Karls des Großen übertragen worden – das soll für den Augenblick unterstellt werden; über diese Übertragung nämlich, soweit sie tatsächlich vor sich gegangen ist, wollen wir in einer besonderen Abhandlung sprechen.«301
Im Proömium des Tractatus de translatione imperii verweist Marsilius auch ausdrücklich zurück auf den Defensor pacis: »Nachdem wir aber in der Abhandlung, die wir unter dem Titel Defensor pacis verfaßt haben, über die Einsetzung der römischen und jeder anderen Regierung, über eine neuerliche Translation oder jeder anderen Veränderung der Regierung gesprochen haben, durch wen und auf welche Weise dies gemäß der Vernunft und von Rechts wegen geschehen muß und kann, wollen wir nun im folgenden die Abhandlung über die Übertragung des kaiserlichen Sitzes berichtigend durchgehen (perstringere), die gewissenhaft aus gewissen Chroniken und Geschichtsdarstellungen von dem ehrwürdigen Landolfo Colonna, einem römischen Statthalter (satrapa), zusammengestellt wurde, weil unsere Ansicht in gewissen Dingen in seiner Schrift abweicht, besonders in iureiurando, cap. 1, Sp. 1147 – 1150, hier Sp. 1147: »Romani, principes, orthodoxae fidei professores, sacrosanctam Romanam ecclesiam, cuius caput est Christus redemptor noster, ac Romanum Pontificem eiusdem redemptoris vicarium, fervore fidei et clarae devotionis promptitudine venerantes, eidem Romano Pontifici, a quo approbationem personae ad imperialis celsitudinis apicis assumendae, nec non unctionem, consecrationem et imperii coronam accipiunt, sua submittere capita non reputarunt indignum, seque illi et eidem ecclesiae, quae a Graecis imperium transtulit in Germanos, et a qua ad certos eorum principes ius et potestas eligendi regem, in imperatorem postmodum promovendum, pervenit, adstringere vinculo iuramenti, prout tam mos observationis antiquae temporibus novissimis renovatae, quam forma iuramenti huiusmodi sacris inserta canonibus manifestant.« Der von mir hervorgehobene Text kennzeichnet den von Johannes XXII. veranlaßten Zusatz gegenüber dem Text der Bulle von Clemens V., MGH Const. IV/2, 1909 – 1911, Nr. 1165, S. 1207 – 1211, hier S. 1207, Z. 20 – 27. 300 MGH Const. V, 1909 – 1913, Nr. 792, S. 616 – 619, hier § 1, S. 616, Z. 36 – S. 617, Z. 4: »Dudum siquidem per obitum clare memorie Henrici Romanorum imperatoris imperio Romano vacante principes ecclesiastici et seculares, ad quos translato ab olim per sedem apostolicam predicto imperio de Grecis in personam magnifici Caroli in Germanos, futuri Romanorum regis in imperatorem postmodum promovendi electio pertinebat, votis eorum in diversa divisis duos sicut dicitur in discordia elegerunt, quibusdam eorum in dilectum filium magnificum virum Ludovicum Bavarie, quibusdam vero in dilectum filium Fredericum Austrie duces nominando et eligendo ipsos in Romanorum reges dirigentibus discorditer vota sua.« 301 DP II, 30, § 7, ed. Scholz, 1932/33, S. 599, Z. 20 – S. 600, Z. 2: »(Quod autem scribitur in 7o quarundam narracionum, quas decretales appellant, De Iureiurando et in epistola quadam vocati pape Romani ad inclitum Ludovicum ex Bavarie ducibus Romanorum regem assumptum,) per sedem apostolicam sive Romanam papam, vel solum aut cum suorum collegio clericorum, Romanum imperium a Grecis ad Germanos in persona Magni Karoli fuisse translatum racionabiliter sive iuste, supponatur ad presens; de hac enim translacione, quantum de facto processerit, dicturi sumus in altero quodam ab hoc tractatu seorsum.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 1081, Z. 24 – 31.
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Die politischen Schriften des Marsilius von Padua
den Fällen, in denen er gemäß seinem Vorhaben und ohne hinreichenden Beweis die Rechte des Kaiserreichs verletzt hat.«302
In dieser Schrift will Marsilius also auf der Grundlage seiner im Defensor pacis nach der Vernunft und dem Recht aufgestellten Grundsätze das Werk eines Vertreters der kurialen Translationstheorie einer Überprüfung und Richtigstellung unterziehen. Der Autor dieses Werkes, gegen das sich Marsilius richtet, ist Landolfo Colonna. Über ihn ist nur wenig bekannt. Er war seit 1290 Kanoniker des Kapitels von Chartres und von 1299 bis 1328 dort auch ansässig, wo er unter intensiver Benutzung der Bibliothek in Chartres seine Schriften verfaßte. Nach einem Konflikt mit dem dortigen Kapitel siedelte er 1329 nach Avignon über und starb 1331 vermutlich in Rom.303 Dem Werk, auf das sich Marsilius bezieht, gab Landolfo den Titel De statu et mutatione Romani imperii.304 Darin entwickelt Landolfo eine Geschichte des Römischen Reiches von Julius Caesar an, in der gemäß der kurialen Translationstheorie der Nachweis geführt werden soll, daß das römische Papsttum das Recht erworben hat und noch besitzt, den Sitz des Kaiserreichs festzulegen und zu übertragen. Als Quellen führt Landolfo zum einen das kanonische Recht und das Corpus iuris civilis und zum anderen zahlreiche Chroniken an, die er zum 302 DTI, Kap. 1, ed. Jeudy, 1979, S. 374: »Quoniam autem in eo, quem Defensorum pacis tractatu fecimus, de Romani et cuiuslibet alterius principatus institutione, nova translatione aut alia quavis circa principatum mutatione diximus, per quem et quomodo secundum rationem seu de iure fieri debet et potest, nunc autem in hiis perstringere volumus sermonem de sedis Imperialis translatione collectum diligenter ex cronicis et historiis quibusdam per venerabilem Landulphum de Columpna Romanum satrapam, quoniam eius scripturae in quibusdam nostra sententia dissonat, praesertim in quibus iura lesit Imperii secundum sententiam propriam absque probatione sufficienti.« Bei der Übersetzung des Verbs perstringere ist dem Vorschlag von Riezler, Widersacher, 1874, S. 173, zu folgen. Die Übersetzungen von Quillet »faire la critique« oder von Watson/Nederman »to sum up« geben das Vorgehen von Marsilius nicht genau genug wieder. 303 Vgl. zu seinem Werk und seiner Person Riezler, Widersacher, 1874, S. 171 – 178; Guiseppe Billanovich, Petrarch and the Textual Tradition of Livy, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 14 (1951), S. 137 – 208, bes. S. 151 – 171; ders., Gli umanisti e le chronache medioevali. Il »Liber pontificalis«, le »Decadi« di Tito Livio e il primo umanesimo a Roma, in: Italia Medioevale e Umanistica 1 (1958), S. 103 – 138, bes. S. 115 – 128; Eckhard Kessler, Petrarca und die Geschichte. Geschichtsschreibung, Rhetorik, Philosophie im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit (Humanistische Bibliothek, Reihe 1: Abhandlungen 25), München 1978; Andreas Rehberg, Kirche, 1999, S. 422; zusammenfassend Massimo Miglio, Art. Colonna, Landolfo, in: DBI, Bd. 27 (1982), S. 349 – 352; Fiorella Simoni Balis-Crema, Art. Colonna, Landolfo, in: LexMA, Bd. 3 (1986), Sp. 57; Ingrid Baumgärtner, Art. Colonna, Landolfo, in: 3LThk, Bd. 2 (1994), Sp. 1262 – 1263; vgl. zu seinen Schriften s. v. Columna, Landulphus de, in: RepFont, Bd. 3 (1970), S. 517. 304 Unter dem Autorennamen und Titel Radulphus de Columna, Tractatus de translatione imperii, gedruckt bei Goldast, Monarchia, Bd. 2, 1614, S. 88 – 95. Eine moderne Edition liegt nicht vor. In der Forschung hat Landolfos Traktat noch nicht viel Beachtung gefunden, auch von Goetz, Translatio imperii, 1958, wird er nicht erwähnt.
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Der Tractatus de translatione imperii
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großen Teil jedoch nicht selbst benutzt, sondern der 1317 abgeschlossenen Historia ecclesiastica nova des Tolomeo von Lucca entnommen hat.305 Landolfos Werk war weit verbreitet.306 Marsilius übernimmt die von Landolfo gemachten Quellenangaben, sofern es um chronikalische Quellen geht, läßt aber alle Berufungen auf das kanonische oder weltliche Recht weg. Dabei hat Marsilius keine der von Landolfo zitierten Quellen selbst benutzt, vielmehr hatte er allein Landolfos Traktat vorliegen.307 Selbständig zitiert Marsilius als einzige Geschichtsquelle eine Stelle der Papst- und Kaiserchronik Martins von Troppau.308 Marsilius bemüht sich nicht, die Faktizität der historischen Vorgänge zu bezweifeln, die Landolfo als Argument für die päpstliche Machtvollkommenheit anführt, er bestreitet allein ihre Gültigkeit im Sinne seiner politischen Theorie. Das ist vermutlich auch der Grund, warum Marsilius Rechtsquellen nicht als Argumente gelten lassen kann; ihre Gültigkeit ist es ja gerade, die in Frage steht. Marsilius führt sein Vorhaben, den Text Landolfos richtigzustellen, vor allem damit durch, daß er Modifikationen an dem Textbestand der Vorlage vornimmt. Diese reichen vom Auswechseln eines einzelnen Wortes bis zur Ersetzung von Passagen im Umfang mehrerer Sätze durch einen eigenen Text. Gelegentlich fügt Marsilius einen eigenen Satz oder Abschnitt an oder läßt Text von Landolfo weg, ohne ihn durch eigene Aussagen zu ersetzen. Wie eng sich Marsilius’ Traktat an den Text Landolfos anlehnt, sieht man an der Gleichheit ganzer Passagen im Wortlaut, der fast immer gleichen Kapiteltrennung,309 der Übernahme aller 305 Vgl. bereits die Zusammenstellung von Landolfos Quellen bei Riezler, Widersacher, 1874, S. 172 mit Anm. 1, und S. 177, Anm. 1, und die Ergänzungen von Miethke, Schriften, 1982, S. 205 und 203. Der Hinweis auf Tolomeo von Lucca als umfassende Vorlage für Landolfo bereits bei Guen8e, Avant-propos, in: Marsile de Padoue, ed. Jeudy/Quillet, 1979, S. 3. Für Tolomeos Schrift ist zurückzugreifen auf Ptolomaei Lucensis Historia ecclesiastica, in: RIS, Bd. 11, Mailand 1727, Sp. 753 – 1216; eine kritische Edition für die MGH war von Ludwig Schmugge geplant, vgl. Miethke, Schriften, 1982, S. 211, Anm. 88. 306 Zu den Handschriften, die – an manchen Orten in mehreren Exemplaren – in Prag, Berlin, Straßburg, Padua, Ravenna, Verona und Paris aufbewahrt werden, vgl. Riezler, Widersacher, 1874, S. 171, Anm. 1 (fortgesetzt auf S. 172); Giuseppe Billanovich, Gli umanisti, 1958, S. 119, Anm. 2; Pincin, Marsilio, 1967, S. 117, Anm. 4. 307 Mit Recht hebt das Miethke, Schriften, 1982, S. 211, hervor. 308 Vgl. dazu unten S. 144 f. Die Vermutung von L#szlj Havas, Zur Quellenfrage bei Florus und Marsilius Patavinus, in: Acta Antiqua Academiae Scientiarum Hungaricae 37 (1996/97), S. 115 – 116, Marsilius habe auch die Praefatio von Florus’ Geschichte Roms benutzt, beruht auf einem Irrtum. Nicht Marsilius hatte Florus vorliegen, sondern Landolfo, Kap. 1, ed. Goldast, 1614, S. 89, Z. 17 – 22. Zudem kürzte Marsilius, DTI, Kap. 1, ed. Jeudy, 1979, S. 378, die von Florus stammende Stelle gegenüber Landolfos Darstellung. Vgl. zu Florus Franz Brunhölzl, Art. Florus im Mittelalter, in: LexMA, Bd. 4 (1989), Sp. 577. 309 Marsilius teilt seinen Traktat in zwölf Kapitel ein, während der Landolfos nur zehn umfaßt. Marsilius stellt im Unterschied zu Landolfo dem ersten Kapitel eine Übersicht über den Inhalt voran und setzt seine Einleitung an den Anfang des ersten Kapitels. Danach entsprechen die beiden ersten Kapitel in Marsilius’ Abhandlung dem ersten Kapitel Landolfos, und das dritte und vierte Kapitel bei Marsilius entspricht dem zweiten Kapitel Landolfos.
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Die politischen Schriften des Marsilius von Padua
historischer Themen, obwohl sie für Marsilius’ Erkenntnisinteresse kaum einschlägig sind, und sogar der Übernahme des Ich-Stils. Mit Marsilius’ Text hat man also hinsichtlich des Wortbestands nicht einen eigenständigen Traktat des Marsilius vor sich, sondern vielmehr im wesentlichen den Traktat des Landolfo, der mit einigen Berichtigungen des Marsilius versehen ist. Die »nuancierenden Änderungen«, die Marsilius vornimmt, erklären sich nach Miethke als »Raisonnement« des Marsilius,310 Guen8e bezeichnet Marsilius’ Vorgehen als »toilette verbale«.311 Man könnte auch sagen, daß Marsilius eine Kontrafaktur von Landolfos Text hergestellt hat.312 Bei diesem Vorgehen stellt sich die Frage, ob Marsilius im Autograph seine Änderungen gegenüber Landolfo graphisch deutlich gemacht hat, z. B. durch ein anderes Schriftbild seiner Änderungen oder Hinzufügungen. Oder konnte Marsilius voraussetzen, daß Landolfos Traktat so weithin verfügbar war, daß seine Leser durch den Vergleich beider Werke seine Änderungen als solche erkennen konnten? Trotz des deutlichen Hinweises darauf, daß es sich bei seiner Schrift um eine Berichtigung von Landolfos Schrift handelt, sind in den überlieferten Abschriften die Änderungen nicht als solche erkennbar. Das wirft die Frage auf, ob Marsilius’ Änderungen als solche erkennbar sein sollten. Vielleicht war der Traktat von Marsilius ursprünglich nur an einen Leserkreis gerichtet, der Landolfos Abhandlung kannte. Jedoch versteht Andreas von Regensburg, der Marsilius’ Traktat in seiner Kaiser- und Papstchronik zu Beginn des 15. Jahrhunderts benutzt, dessen Traktat nicht als Streitschrift, sondern als »Cronica«, aus der er längere Passagen zitiert.313 Dabei wird nicht erkennbar, daß
310 311 312
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Von da an ist die Kapiteleinteilung bei Marsilius und Landolfo fast gleich: Die Kapitel 5 – 12 bei Marsilius entsprechen den Kapiteln 3 – 10 bei Landolfo, nur daß Marsilius den Übergang vom neunten zum zehnten Kapitel zwei Sätze später wählt als Landolfo den Übergang vom siebten zum achten Kapitel. Miethke, Schriften, 1982, S. 211. Guen8e, Avant-propos, in: Marsile de Padoue, ed. Jeudy/Quillet, 1979, S. 11. Vgl. zum Begriff der Kontrafaktur Peter Stocker, Art. Parodie, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 6 (2003), Sp. 637 – 649, hier Sp. 640; Johannes Rettelbach, Art. Kontrafaktur, in: Sachwörterbuch der Mediävistik, hrsg. von Peter Dinzelbacher, Stuttgart 1992, S. 444. Andreas von Regensburg, Chronica pontificum et imperatorum Romanorum, ed. Leidinger, 1903, S. 18, Z. 16 – S. 19, Z. 3: »Hic sciendum et diligenter attendendum, quod secundam cronicam Marsilii primitiva occasio translacionis Romani imperii de Grecis in Francos fuit discordia inter imperatorem Leonem III. et Romanam ecclesiam circa veneracionem ecclesiasticarum ymaginum. […] Fuit igitur huius pape Stephani tempore imperii Romani ad Francos ordinata translacio, quorum favorem et beneficia Romani clerici senciebant in multis.« Vgl. DTI, Kap. 5, ed. Jeudy, 1979, S. 396/398. Auch an früherer Stelle hat Andreas bereits die Schrift des Marsilius recht ausführlich benutzt, Chronica pontificum et imperatorum Romanorum, ed. Leidinger, 1903, S. 15, Z. 38 – S. 16, Z. 20: »Notandum, quod Marsilius in tractatu suo de translacione imperii capitulo 3. ponit causam, quare Orientales, videlicet Perse, Arabes, Chaldei et alie naciones confines, a dominio Romani imperii, recesserunt, in hec verba: Tenuitque Constantinus Magnus eiusque successores
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Der Tractatus de translatione imperii
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Andreas weiß, daß Marsilius sein Werk als polemisch-argumentative Bearbeitung der Schrift eines anderen angelegt hat. Marsilius’ Traktat kann daher nur in Kenntnis oder im Vergleich mit seiner Vorlage verstanden werden. Ein Vergleich der beiden Texte ist keine bloße Verbesserung der Interpretationsgrundlage, sondern in jedem Fall unverzichtbar. Die praktische Forderung daraus lautet, daß, so wie im folgenden Kapitel, Marsilius’ Traktat immer nur gemeinsam mit der entsprechenden Textstelle von Landolfo interpretiert werden kann.314 Ob Marsilius von Anfang an vorhatte, seine im Defensor pacis angekündigte Schrift zum Thema der Translatio imperii in der Form einer Kontrafaktur zu verfassen, und ob er Landolfos Traktat als Vorlage bereits ins Auge gefaßt hatte, läßt sich nicht sicher sagen. Eine Andeutung auf Landolfo oder seinen Traktat findet sich im Defensor pacis nicht.315 Dabei ist die von Landolfo vertretene Theorie von der dreifachen Translation des Imperiums eine bedeutende Abweichung von den herkömmlichen Darstellungen. Landolfo vertritt die Auffassung, daß nach der Übertragung des Kaiserreichs von den Römern auf die Griechen und von den Griechen auf die Franken oder Deutschen (Germani) in der Person Karls des Großen noch eine dritte Translatio imperii in der Person Ottos I. stattgefunden habe, und hebt damit die Übertragung auf die Deutschen nachdrücklich hervor. Weder in den Dekretalen und Prozessen Johannes’ XXII. noch im Defensor pacis ist jedoch von der dreifachen Translatio imperii die Rede. Zur Beantwortung der Fragen, ob Marsilius zur Zeit der im Defensor pacis gemachten Ankündigung bereits beabsichtigte, seine Schrift über die Translatio imperii in der Form einer Bearbeitung von Landolfos Traktat zu verfassen, und wann Marsilius frühestens mit seiner Arbeit begann, würde es helfen zu wissen, wann Landolfo seinen undatierten Traktat abgeschlossen hat. Seit in der Forschung bekannt ist, daß Landolfo die 1317 abgeschlossene Historia ecclesiastica nova des Tolomeo von Lucca benutzte, steht dieses Jahr als terminus post quem imperatores Romani pacifice dominium orientis usque ad 20. annum imperatoris Heradii, qui superius dictus est Heraclius, quo tempore omnes orientales populi a Latinorum dominio recesserunt, et modus, per quem recesserunt, communiter ignoratur. […] Hec ille.« Vgl. DTI, Kap. 3, ed. Jeudy, 1979, S. 386/388. 314 Bereits Miethke, Schriften, 1982, S. 205, hat darauf hingewiesen, daß der kritische Apparat der Edition die von Marsilius benutzten Quellen hätte angeben müssen, und zwar in der Weise, daß zuerst immer seine direkte und einzige Vorlage, nämlich Landolfo, angegeben wird, dann Landolfos direkte Vorlage für viele Quellen, nämlich Tolomeo von Luccas Historia ecclesiastica, und erst zuletzt die Quellen, die Tolomeo benutzt. Die Textstellen von Landolfo können jedoch nur unter Vorbehalt und behelfsweise verwendet werden, da von Landolfos Traktat bislang noch keine kritische Edition vorliegt, vgl. Bernard Guen8e, Avant-propos, in: Marsile de Padoue, ed. Jeudy/Quillet, 1979, S. 13 – 14. 315 Anders Scholz, Einleitung, in: DP, ed. ders, 1932/33, S. LXIV, der irrtümlich behauptet, Marsilius habe im Defensor pacis den »Traktat des Landulf von Colonna, De translatione imperii, [deutlich bezeichnet,] gegen den er eine Gegenschrift damals bereits plante.«
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Die politischen Schriften des Marsilius von Padua
für Landolfos Schrift fest, hilft zur Datierung von Marsilius’ Schrift aber nicht weiter. Ausgehend von der »stillschweigenden Voraussetzung«,316 daß Landolfos Schrift bereits zu der Zeit vorlag, als Marsilius 1324 ankündigte, sich dem Thema der Translatio imperii zu widmen, wurde dieses Jahr zum terminus ante quem für den Abschluß von Landolfos Traktat erklärt.317 Gerade diese gemachte Voraussetzung ist aber fraglich. Es ist noch nicht gelungen zu klären, wann Landolfo sein Werk niedergeschrieben hat, da auch der Anlaß für seine Schrift unbekannt ist.318 Denkbar wären die Überlegungen von Johannes XXII., das Kaiserreich auf die Franzosen zu übertragen, oder auch der erste Prozeß gegen Ludwig. Unklar bliebe aber weiterhin, ob Landolfos Schrift angeregt wurde durch das päpstliche Vorgehen, oder ob er an einer Diskussion teilnahm, die den päpstlichen Erlassen vorausging. Auch aus Landolfos Schrift selbst lassen sich keine Anhaltspunkte gewinnen.319 Merkwürdig ist auch, daß Marsilius einerseits den geplanten Inhalt der angekündigten Schrift, nämlich die Übertragung des Kaiserreichs bei der Kaiserkrönung Karls des Großen, durchaus bereits mehrmals im Defensor pacis behandelt. Warum Marsilius eine separate Abhandlung für ein Thema als nötig empfunden hat, das in der Argumentation des Defensor pacis bereits verwendet wurde, wird nicht recht klar. Eine mögliche Erklärung wäre, daß Marsilius doch bereits an eine Bearbeitung der Schrift des Landolfo gedacht hat, deren Inhalt zwar nicht, aber deren Form die argumentative Anlage des Defensor pacis in der Tat verlassen hat. Andererseits entspricht der Inhalt dieser Schrift nicht dem, was im Defensor pacis angekündigt wurde: Die Kaiserkrönung Karls des Großen, die allein im 7. Kapitel von Landolfos zehn Kapitel umfassenden Traktat be-
316 Miethke, Politiktheorie, 2008, S. 236, Anm. 734. 317 Guen8e, Avant-propos, in: Marsile de Padoue, ed. Jeudy/Quillet, 1979, S. 3; Quillet, Introduction [zum DTI], ebenda, S. 315, auf der Grundlage von Grundmann, Über die Schriften des Alexander von Roes, 1950, S. 195 mit Anm. 32; ebenso bereits Riezler, Widersacher, 1874, S. 173, der daher glaubt, daß Landolfos Traktat nicht nach 1324 geschrieben sein kann. Weniger explizit findet sich diese Annahme in fast allen Darstellungen. 318 Riezler, Widersacher, 1874, S. 173, nennt als mögliche Anlässe für Landolfos Schrift entweder den Romzug Heinrichs VII., dessen Konflikt mit dem Papst oder den Konflikt zwischen Ludwig und Johannes XXII. Wegen der Abhängigkeit Landolfos von Tolomeo, die Riezler noch unbekannt war, müssen seine an Heinrich VII. orientierten Vermutungen ausgeschieden und der Anlaß für Landolfos Schrift in der Zeit Johannes XII. und Ludwigs des Bayern gesucht werden. 319 Die Informationen, die Landolfo in der Widmung seiner Schrift gibt, konnten noch zu keiner genaueren Datierung verwendet werden, Landolfo Colonna, ed. Goldast, 1614, S. 88, Z. 53 – 55: »Multae venerationis et sapientiae viro, Domino Lamberto de Castello, Legum honorabili Professori, ac suo Patri charissimo; Radulphus de Columna Canonicus Carnotentis, salutem et eius, cui seruire regnare est, iugiter obsequiis inhaerere.«
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Der Tractatus de translatione imperii
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ziehungsweise nur im 9. Kapitel von zwölf Kapiteln des Traktats von Marsilius behandelt wird, nimmt quantitativ nur einen ausgesprochen geringen Anteil ein. Was hat Marsilius bewogen, den angekündigten Traktat, der in der älteren Forschung sogar Zweifel daran genährt hat, ob ein »so oberflächliches und gehaltloses Machwerk« überhaupt von Marsilius geschrieben sein konnte,320 als bloße Kontrafaktur zu verfassen? Die Form des Traktates könnte vielleicht dann einem Auftrag Ludwigs geschuldet sein oder, wenn Marsilius erst in Deutschland Kenntnis von Landolfos Traktat erhielt, erst dann entschieden worden sein.321 Vielleicht haben auch die Umstände am Hof des Königs ohne hinreichende Bibliothek dazu geführt, daß das Thema der Translatio imperii nicht anders zu bearbeiten war. Wo und wann hat Marsilius De Translatione imperii geschrieben? Noch in Paris, bald danach am Hof König Ludwigs, in Italien vor der Kaiserkrönung oder erst danach? Nederman grenzt die Zeit der Abfassung weiträumig zwischen 1324 und dem Tod Papst Johannes’ XXII. 1334 ein.322 Lorenz und Goldmann glauben, daß die Schrift vor dem Romzug Ludwigs entstanden ist.323 Riezler spricht sich genauer für München vor dem Beginn des Italienzuges aus.324 Miethke glaubt ebenfalls, die Schrift sei in München entstanden, jedoch erst nach dem Romzug.325 Scholz vermutet die Entstehung der Schrift in der Zeit des Kurvereins von Rhense 1338.326 Die älteste erhaltene Handschrift wird auf das zweite Viertel des 14. Jahrhunderts datiert,327 kann also zur genaueren Eingrenzung der Abfassungszeit nicht weiter helfen. Ebensowenig lassen sich sichere Anhaltspunkte 320 Riezler, Widersacher, 1874, S. 178. 321 Giuseppe Billanovich, Petrarch, 1951, S. 154, Anm. 1, gibt an, in der Handschrift clm 18100, die auch die älteste, zeitgenössische Überlieferung von Marsilius’ Traktat enthält, eine Abschrift von Landolfos Traktat gefunden zu haben. In der Beschreibung dieses Kodex in der Edition von Marsilius’ Traktat, S. 116 – 117, wird dies jedoch nicht erwähnt. Eine persönliche Einsichtnahme des Verfassers, um diese widersprüchlichen Angaben zu klären, muß einem späteren Zeitpunkt vorbehalten bleiben. Ob sich unter den überlieferten Handschriften von Landolfos Traktat auch diejenige befindet, die Marsilius benutzt hat, ist bisher noch nicht festgestellt worden. 322 Nederman, Editor’s Introduction, in: Marsiglio of Padua, Writings of the Empire, ed. Nederman, 1993, S. XII. 323 Lorenz/Goldmann, Deutschlands Geschichtsquellen, Bd. 2, 31887, S. 349. 324 Riezler, Widersacher, 1874, S. 173. 325 Miethke, Art. Marsilius von Padua, in: TRE, Bd. 22 (1992), S. 187, Z. 17; ähnlich Kusch, Einleitung, in: Marsilius von Padua, Der Verteidiger des Friedens, 1958, S. XVII; Weitlauff, Art. Marsilius von Padua, in: NDB, Bd. 16 (1990), Sp. 262. Dagegen spricht Miethkes Vermutung, daß Ludwig gegenüber seinen Beratern mit dem Beginn der Versöhnungsverhandlungen 1330/1331 ein »Schreibverbot« ausgesprochen haben soll. 326 Scholz, Marsilius von Padua und Deutschland, 1942, S. 16. 327 München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm. 18100, fol. 126 – 129. Dabei handelt es sich um die Abschrift eines dem Hof Ludwigs des Bayern angehörigen deutschen Kopisten, Quillet, Introduction g8n8rale, in: Marsile de Padoue, ed. Jeudy/Quillet, 1979, S. 32 – 33.
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Die politischen Schriften des Marsilius von Padua
für den Ort der Abfassung gewinnen. Die Aufbewahrungsorte der Handschriften in Deutschland und Italien, aber nicht in Frankreich, scheinen eher darauf hinzuweisen, daß die Schrift nicht in Paris verfaßt wurde. Als terminus ante quem muß der Romaufenthalt 1328 gelten. Gegen einen Abfassungszeitpunkt nach dem Romzug sprechen mehrere Argumente: 1. Marsilius hat diesen Traktat bereits 1324 im Defensor pacis angekündigt. Warum sollte er dann bis 1330 oder noch später warten, um diese, von ihm als politisch notwendig angesehene Schrift zu verfassen? 2. Die Form des Traktats wäre eine andere, wenn er nach dem Romzug abgefaßt worden wäre. Er hätte vermutlich eher eine Rechtfertigungsschrift der besonderen Kaiserkrönung Ludwigs des Bayern werden müssen. Es findet sich jedoch keine Reflexion dieser Kaiserkrönung in Marsilius’ Traktat.328 3. Nach dem Bericht der Chronik Johann von Winterthurs ist es wahrscheinlich, daß Marsilius’ Traktat über die Translatio imperii in Rom zur Zeit von Kaiser Ludwigs Aufenthalt bekannt gewesen war und daß er zur Rechtfertigung der Einsetzung eines neuen Papstes durch Ludwig herangezogen wurde.329 Nach dem heutigen Kenntnisstand kann man daher annehmen, daß Marsilius den Traktat vor den römischen Ereignissen des Jahres 1328 verfaßt hat. Wann genau und wo läßt sich danach nicht klären. Mit dem Defensor pacis gehört er aber zum Reservoir politischer Theorie, das Marsilius Ludwig dem Bayern während des Romzugs zur Verfügung stellen konnte.
3.3
Der Defensor minor
Der Defensor minor ist die einzige politische Schrift des Marsilius, die sicher am Hof Ludwigs des Bayern und nach dem Romzug geschrieben wurde.330 Sie ist in nur einer Handschrift des 15. Jahrhunderts überliefert, die neben dem Defensor 328 Vgl. etwas anders Riezler, Widersacher, 1874, S. 173: »[…] nachdem Ludwig die Kaiserkrone erlangt, die damit zusammenhangenden Plane aber gescheitert waren, wird man kaum mehr in der Stimmung gewesen sein dem Kaiserthume eine so abstrakt-historische Betrachtung zu widmen.« 329 Vgl. unten S. 364 f. 330 Zur noch nicht sehr umfangreichen jüngeren Forschungsliteratur vgl. Pincin, Marsilio, 1967, S. 201 – 233; in der italienischen Übersetzung von Cesare Vasoli (Hg.), Marsilio da Padova. Il Difensore Minore (Micromegas 4), Neapel 1975, bietet die Introduzione (S. 5 – 61) einen umfangreichen Kommentar ; Carlo Dolcini, Marsilio contro Ockham. Intorno a una recente edizione del Defensor minor, in: ders., Crisi di poteri e politologia in crisi. Da Sinibaldo Fieschi a Guglielmo d’Ockham (Il mondo medievale. Studi di storia e storiografia. Sezione di storia delle istituzione della spiritualit/ e delle idee, Bd. 17), Bologna 1988, S. 269 – 289; ders., Osservazioni sul Defensor Minor di Marsilio da Padova, in: ders., Crisi di poteri, 1988, S. 251 – 267; ders., Introduzione, 1995, S. 49 – 70; Cary Nederman, From Defensor Pacis to Defensor Minor. The Problem of Empire in Marsiglio of Padua, in: History of Political Thought 16 (1995), S. 313 – 329.
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Der Defensor minor
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minor auch den Defensor pacis, den Tractatus de translatione imperii und eine Denkschrift aus dem kaiserlichen Umfeld, Fidem catholicam aus dem Jahre 1338, enthält.331 Der Defensor minor wurde lange Zeit als eine Zusammenfassung des Defensor pacis verstanden.332 Nederman hat dagegen gezeigt, daß der Defensor minor als Anwendung der allgemeinen politischen Grundsätze des Defensor pacis auf das römisch-deutsche Reich zu verstehen ist.333 Ein »kleiner« Defensor pacis ist er also nicht nur wegen seines geringeren Umfangs, sondern auch wegen der Konzentration seiner Betrachtung auf eine politische Entität. Der Defensor minor wurde in einer anderen historischen Situation verfaßt als der Defensor pacis. Der im Defensor pacis implizit geforderte Italienzug war durchgeführt und Ludwig zum Kaiser gekrönt worden. Ein neuer Papst war in Rom eingesetzt worden, der sich inzwischen aber der avignonesischen Kurie unterworfen hatte und bereits verstorben war. Nach dem Romzug hatte Ludwig Versöhnungsverhandlungen mit den Päpsten Johannes XXII. und Benedikt XII. aufgenommen, die aber gescheitert waren. 1338 haben die Kurfürsten gemeinsam mit Kaiser Ludwig in reichsrechtlicher Form den Anspruch der Päpste auf Approbation des römisch-deutschen Königs zurückgewiesen. Aber das Interdikt lag noch auf Teilen des Reichs, Kaiser Ludwig und Marsilius waren noch immer exkommuniziert. Ausdrückliche Bezüge oder rückblickende Betrachtungen zum Romzug finden sich im Defensor minor jedoch nicht. Inkorporiert in den Defensor minor sind längere Auszüge aus Marsilius’ Schriften zur sogenannten Maultasch-Affäre. Nachdem Margarete Maultasch, die Gräfin von Tirol, 1340 ihren Gemahl Johann-Heinrich von Luxemburg verstoßen hatte, versuchte Kaiser Ludwig daraus einen Vorteil für sein Haus zu erreichen, indem er seinen verwitweten Sohn, Ludwig den Brandenburger, mit Margarete Maultasch vermählt sehen wollte. Diese Eheschließung wurde schließlich am 10. Februar 1342 vollzogen. Ihr standen jedoch zwei schwerwiegende rechtliche Hindernisse entgegen, die nach zeitgenössischem Rechtsverständnis nur der Papst beseitigen konnte: Die Ehe der Margarete mußte erst noch geschieden oder annulliert werden, und einer neuen Ehe mit Ludwig dem Brandenburger stand die für damalige Rechtsanschauung zu enge Blutsverwandtschaft im Wege. Beide Probleme hätte der Papst durch eine Annullierung und einen Dispens beseitigen können. In dieser politischen Situation war dies 331 Marsile de Padoue, Oeuvres mineures, ed. Jeudy/Quillet, 1979, S. 118. – Entdeckt haben den Defensor minor Sullivan, Marsilius of Padua, 1896/97, S. 413, Anm. 5, und ders., Manuscripts, 1905, S. 298 und 300, und unabhängig von diesem auch Valois, Jean de Jandun, 1906, S. 606, vgl. Brampton, Introduction, in: Defensor minor, ed. ders., 1922, S. V. – Zu Fidem catholicam vgl. unten S. 295 f. 332 Brampton, Introduction, in: Defensor minor, ed. ders., 1922, S. V; Weitlauff, Art. Marsilius von Padua, 1990, S. 262b. 333 Nederman, From Defensor Pacis, 1995, S. 315.
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Die politischen Schriften des Marsilius von Padua
für Ludwig den Bayern jedoch unmöglich zu erreichen. Marsilius von Padua und Wilhelm von Ockham verfaßten nun Traktate, die – mit recht unterschiedlichen Begründungen – das Recht des Kaisers vertraten, aus eigener Autorität die Ehe scheiden zu können und einen Dispens für die Neuvermählung zu erteilen. Ungeklärt ist bis heute, ob Ockham und Marsilius auf Geheiß des Kaisers oder aus eigenem Antrieb tätig wurden.334 Im 13. bis 15. Kapitel335 des Defensor minor ist der Tractatus de iurisdictione imperatoris in causis matrimonialis336 leicht bearbeitet wiedergegeben, im 16. Kapitel337 die Forma dispensationis super affinitatem consanguinitatis.338 Die ebenfalls in diesem Zusammenhang von Marsilius verfaßte Forma divorcii matrimonialis339 fand jedoch nicht den Weg in den Defensor minor. Die Schriften zur Maultasch-Affäre sind sicher nah zu den Ereignissen verfaßt worden und daher wohl auf das Jahr 1340 oder 1341 zu datieren. Wann jedoch der Haupttext des Defensor minor verfaßt wurde, läßt sich nicht genau sagen. Teile der Forschung vermuten, daß Marsilius mit dem eigentlichen Text des Defensor minor erst nach der Maultasch-Affäre begonnen hat und ihn in seinen letzten Le334 Der Beratung des Kaisers durch Marsilius und Wilhelm vom Ockham zur Neuvermählung der Margarete Maultasch werden seit geraumer Zeit Untersuchungen gewidmet, ohne jedoch alle Fragen klären zu können, vgl. Mario Grignaschi, Il matrimonio di Margarete Maultasch e il ›Tractatus de matrimonio‹ di Marsilio di Padova, in: Rivista di storia del diritto italiano 25 (1952), S. 195 – 204; Kenneth John Thomson, A Comparison of the Consultations of Marsilius of Padua and William of Ockham relating to the Tyrolese Marriage of 1341 – 1342, in: Archivum Franciscanum Historicum 63 (1970), S. 3 – 43; Hermann Nehlsen, Die Rolle Ludwigs des Bayern und seiner Berater Marsilius von Padua und Wilhelm von Ockham im Tiroler Ehekonflikt, in: Hermann Nehlsen und Hans-Georg Hermann (Hgg.), Kaiser Ludwig der Bayer. Konflikte, Weichenstellungen und Wahrnehmung seiner Herrschaft (Quellen und Forschungen aus dem Gebiet der Geschichte, N. F., Heft 22), Paderborn u. a. 2002, S. 285 – 328; Jürgen Miethke, Die Eheaffäre der Margarete »Maultasch«, Gräfin von Tirol (1341/42). Ein Beispiel hochadliger Familienpolitik im Spätmittelalter, in: Päpste, Pilger, Pönitentiarie. Festschrift für Ludwig Schmugge zum 65. Geburtstag, hg. von Andreas Meyer, Tübingen 2004, S. 353 – 392. 335 DM 13 § 2 – 15 § 4, ed. Jeudy, 1979, S. 264 – 296. 336 Die drei Schriften sind gemeinsam in einer kurz nach 1356 entstandenen Bremer Handschrift überliefert, die auch die Schriften Ockhams dazu enthält: Bremen, Staatsbibliothek, lat. 35, fol. 166 [bis] – 171; danach ediert bei Pincin, Marsilio, 1967, Appendice, Nr. 8 C, S. 268 – 283; danach abgedruckt (zum Vergleich mit dem Defensor minor) bei Marsile de Padoue, Oeuvres Mineur, ed. Jeudy/Quillet, 1979, S. 264, Anm. 1 (fortgesetzt auf S. 265 – 269); S. 282, Anm. 1 (fortgesetzt auf S. 283); S. 286, Anm. 1 (fortgesetzt auf S. 287 – 289); zuvor gedruckt bei Goldast, Monarchia, Bd. 2, 1614, S. 1386 – 1390. 337 DM 16 §§ 2 – 4, ed. Jeudy, 1979, S. 304 – 310. 338 Bremen, Staatsbibliothek, lat. 35, fol. 165 – 166v ; danach ediert bei Pincin, Marsilio, 1967, Appendice, Nr. 8 B, S. 264 – 268; danach (zum Vergleich mit dem Defensor minor) bei Marsile de Padoue, Oeuvres Mineur, ed. Jeudy/Quillet, 1979, S. 304, Anm. 1 (fortgesetzt auf S. 306 – 307). 339 Bremen, Staatsbibliothek, lat. 35, fol. 164 – 165; danach ediert bei Pincin, Marsilio, 1967, Appendice, Nr. 8 A, S. 262 – 264.
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Andere Schriften
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bensjahren verfaßt hat,340 andere glauben, daß er bereits vor den Schriften zur Maultasch-Affäre begonnen wurde.341 Miethke vermutet, der Defensor minor habe deshalb keine größere Verbreitung gehabt, weil er unvollendet geblieben sei, da Marsilius vor dem Abschluß der Schrift gestorben sei.342 Das Jahr 1338 mit der für Ludwig und seine Anhänger günstigen politischen Entwicklung stellt vermutlich den terminus post quem dar. Abhängig davon kann man den Defensor minor nur auf den weiten Zeitraum zwischen 1338 und Marsilius’ Tod spätestens 1343 datieren. Der Defensor minor ist insoweit zu berücksichtigen, als darin Ambiguitäten der beiden vorausgegangenen politischen Schriften aufgelöst werden, Aussagen klarer gefaßt werden und eine Reflexion der politischen Aussagen Marsilius’ vor dem Hintergrund des Romzugs erkennbar ist.
3.4
Andere Schriften
In jüngerer Zeit sind mehrere kleinere Schriften bekanntgeworden, die von Teilen der Forschung Marsilius von Padua zugeschrieben werden. Von den meisten dieser Werke liegen bis heute jedoch bestenfalls Teileditionen vor. Zum größten Teil handelt es sich um Schriften, die vermutlich an der Universität Paris entstanden sind und dem Unterricht an der Artes-Fakultät gedient haben. Das umfangreichste und interessanteste Werk sind Quästionen zu den ersten sechs Büchern der Metaphysik des Aristoteles, die im Codex Fesulano überliefert sind und von der Mehrheit der Forschung Marsilius zugeschrieben werden.343 Diese 340 Pincin, Marsilio, 1967, S. 203, und Quillet, Defensor minor. Introduction generale, in: Marsile de Padoue, Oeuvres Mineur, ed. Jeudy/Quillet, 1979, S. 151. 341 Defensor minor, ed. Brampton, 1922, S. VI-X; Miethke, Schriften, 1982, S. 206 – 210. 342 Miethke, Art. Marsilius von Padua, in: TRE, Bd. 22 (1992), S. 187. 343 Quaestiones super Metaphysicae libros I-VI, Florenz, Biblioteca Laurenziana, Codex Fesulano, fol. 1ra – 41va. Auf einem der vor die Metaphysikquaestionen gehefteten Blätter (fol. Ar) steht die Bemerkung: »Iste sunt questiones egregi doctoris Parigini domni Marsilii«, zitiert nach Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 97. Die Schrift umfaßt insgesamt 56 Quaestionen zu den ersten sechs Büchern der Metaphysik des Aristoteles, davon 13 zu Buch I, 7 zu Buch II, 3 zu Buch III, 8 zu Buch IV, 17 zu Buch V und 8 zu Buch VI, Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 96. Als Teileditionen liegen vor: Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 97 – 106 (Exzerpte); Piero di Vona, L’ontologia di Marsilio di Padova nelle »Quaestiones I-II super IVum librum Metaphysicae«, in: Atti dell’accademia di scienze morali e politiche di Napoli 89 (1978), S. 251 – 281; Jeannine Quillet, L’aristotelisme de Marsile de Padoue et ses rapports aves l’Averroisme, in: Medioevo 5 (1979), S. 81 – 142 (Text der ersten beiden Quaestionen zu Buch I der Metaphysik, S. 126 – 142); Roberto Lambertini und Andrea Tabarroni, Le »Quaestiones super Metaphysicam« attribuite a Giovanni di Jandun. Osservazioni e problemi, in: Medioevo 10 (1984), S. 41 – 106 (Text der 6. Quaestion zu Buch IV und der 8. Quaestion zu Buch VI, S. 70 – 85). Vgl. Jeannine Quillet, BrHves remarques sur les Questiones super Metaphysice Libros I-VI (Codex Fesulano 161 f8
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Die politischen Schriften des Marsilius von Padua
Schrift weist viele Übereinstimmungen mit den Metaphysikquästionen des Johannes von Jandun auf und stellt vielleicht Marsilius’ Redaktion von dessen Werk dar.344 Da Johannes von Janduns Metaphysikquästionen wahrscheinlich im Jahr 1315 geschrieben wurden,345 ließe sich auf diesem Weg ein terminus post quem für die Abfassungszeit ermitteln. Vielleicht ist Marsilius auch der Kompilator einer Sammlung von Exzerpten aus dem Corpus aristotelicum mit dem Titel Parvi flores,346 die wahrscheinlich ebenfalls zu Unterrichtszwecken erstellt wurde und vermutlich eine Bearbeitung einer vorgefundenen Kompilation darstellt.347 Ferner wurde diskutiert, ob Marsilius auch der Verfasser zweier Sophismata ist,348 eines mit dem Incipit Caius est universale349 und ein anderes mit dem Incipit Omne factum habet principum.350 Während letzteres vermutlich Marsilius zugeschrieben werden kann, ergeben sich bei Caius est universale Schwierigkeiten bei der Zuschreibung,351 die auch darauf beruhen, daß die dort vertretenen philosophischen Positionen im Widerspruch zu denen seiner Metaphysikquästionen stehen.352
344 345 346
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1ra – 41va) et leurs relations avec l’aristotelisme h8t8rodoxe, in: Albert Zimmermann und Gudrun Vuillemin-Diehm (Hgg.), Die Auseinandersetzungen an der Pariser Universität im XIII. Jahrhundert (Miscellanea Mediaevalia, Bd. 10), Berlin/New York 1976, S. 361 – 385. Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 107; zusammenfassend Miethke, Art. Marsilius von Padua, in: TRE, Bd. 22 (1992), S. 184 – 185. Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 127. Salamanca, Bibl. Univ. 2080, fol. 133r-176v. Edition: Jacqueline Hamesse, Les Auctoritates Aristotelis, un florilHge m8di8val. Ptude historique et 8dition critique (Philosophes m8di8vaux, Bd. 17), Louvain 1974, S. 111 – 335; vgl. ihre Bemerkungen ebenda, S. 32, S. 37 – 43, S. 106 – 107, und dies., Marsile de Padoue peut-il Þtre consid8r8 comme l’auteur de »Parvi flores«?, in: Medioevo, Bd. 6 (1980), S. 491 – 500. Miethke, Art. Marsilius von Padua, 1992, S. 185, Z. 2 – 5. Roberto Lambertini, The »Sophismata« Attributed to Marsilius of Padua, in: Stephen Read (Hg.), Sophisms in Medieval Logic and Grammar. Acts of the Ninth European Symposium for Medieval Logic and Semantics, held at St. Andrews, June 1990 (Nijhoff International Philosophy Series, Bd. 48), Dordrecht/Boston/London 1993, S. 86 – 102, der jedoch lediglich Auszüge in seinen Anmerkungen gibt. Zur Literaturgattung vgl. Gordon Leff, The Trivium and the Three Philosophies, in: Walter Rüegg (Hg.), A History of the University in Europe, Bd. 1: Hilde de Ridder-Symoens (Hg.), Universities in the Middle Ages, Cambridge et al. 1992, S. 307 – 336, hier S. 330 – 331; zusammenfassend Joke Spruyt, Art. Sophismata, in: LexMA, Bd. 7 (1995), Sp. 2052 – 2054. Codex Vaticanus Latinus 6768, fol. 221vb – 223va, Incipit: Caius est universale, Explizit: questio disputata per magistrum marsilium de padua. Sophisma universalium, Mantua, Biblioteca Comunale D III 19, fol. 1vb – 3ra. Lambertini, »Sophismata«, 1993, S. 94, Anm. 36: »Explicit sophisma universalium (fortasse pro: utilissimum) datum (fortasse pro: determinatum) Parigius a venerabili viro magistro Marsilio paduano.« Entgegen der Angabe des Kolophons glaubt Lambertini, S. 94 mit Anm. 38, daß die Diskussion des Sophismas nicht in Paris, sondern in Italien abgehalten wurde. Von diesem Sophisma gibt es eine zweite Überlieferung, Vat. lat. 3061, fol. 29rb – 31rb, in der ein Petrus de Colonia als Autor angegeben wird. Lambertini, »Sophismata«, 1993, S. 87 – 89, hält beide Überlieferungen für Abschriften eines Sophismas. Die Frage, wer der Autor sei, müsse daher zunächst offenbleiben, ebenda, S. 89.
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Andere Schriften
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Schließlich wurde in der älteren Forschung vermutet, daß Marsilius der Verfasser oder Mitverfasser einer Denkschrift aus dem Jahr 1331 mit dem Incipit Quoniam scriptura ist.353 Viel wahrscheinlicher wurde sie von in München lebenden Franziskanern angefertigt.354 Ziel der Schrift war es, Ludwig von seinem Plan abzuhalten, Versöhnungsverhandlungen mit dem Papst aufzunehmen.355 Im Rahmen dieser Untersuchung werden diese Schriften nicht herangezogen, da die Verfasserschaft des Marsilius bei den meisten Werken zweifelhaft oder wenigstens umstritten ist, und weil der Editionsstand der meisten dieser Schriften noch mangelhaft ist.
352 Nach Lambertini, Sophismata, 1993, S. 89 – 91, ergibt der Vergleich mit den Marsilius zugeschriebenen Metaphysikquaestionen wesentliche Unterschiede in den philosophischen Positionen, so daß Lambertini es für unwahrscheinlich hält, daß Metaphysikquaestionen und das Sophisma Caius est universale von demselben Autor stammen. Ausgehend von Zweifeln an der Autorschaft Marsilius’ an den Metaphysikquaestionen spricht sich Lambertini, S. 94, an dieser Stelle jedoch vorsichtig dafür aus, eher das Sophisma als die Metaphysikquaestionen Marsilius zuzuschreiben. 353 München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 17833 (aus dem 15. Jahrhundert), fol. 178vb – 181vb; gedruckt bei Preger, Beiträge, 1880, Beilagen, Nr. 30, S. 76 – 82; danach ediert von Carlo Dolcini, Marsilio e Ockham. Il diploma imperiale Gloriosus Deus, la memoria politica Quoniam scriptura, il Defensor minor, in: ders., Crisi di poteri e politologia in crisi. Da Sinibaldo Fieschi a Guglielmo d’Ockham (Il mondo medievale. Studi di storia e storiografia. Sezione di storia delle istituzione della spiritualit/ e delle idee, Bd. 17), Bologna 1988, S. 291 – 426, Edition: S. 415 – 426, mit den Lesarten von Preger ; vgl. auch ders., Marsilio e Ockham (1328 – 1331). Il diploma imperiale »Gloriosus Deus« per la deposizione di Giovanni XXII e la memoria politica »Quoniam Scriptura«, in: Medioevo 6 (1980), S. 479 – 489. 354 Dolcini, Marsilio e Ockham, 1988, S. 395, hält Ockham für den Autor und eine Mitarbeit des Marsilius für möglich. 355 Vgl. zum Beginn der Versöhnungsverhandlungen zwischen Ludwig dem Bayern und Johannes XXII. in den Jahren 1330 und 1331 unten S. 430.
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4 Zur politischen Theorie des Marsilius von Padua
4.1
Grundlagen: Gesetzgeber und Regierung in der politischen Gemeinschaft
Das Ziel der politischen Schriften des Marsilius von Padua bestand darin, die weltlichen Herrschaftsansprüche des Papsttums seiner Zeit zu bekämpfen. Diese Ansprüche beruhten vor allem auf der Doktrin von der plenitudo potestatis, der Fülle der Gewalt der Päpste. Die papalistische Ausweitung des Begriffs von der päpstlichen Vollgewalt über den kirchlichen Bereich hinaus auch auf weltliche Herrschaft ermöglichte es, deren Ausübung durch weltliche Herrscher als von der päpstlichen plenitudo potestatis abgeleitet zu verstehen, wenn sie legitim sein sollte. Über diesen Anspruch hinaus, der jede Art von weltlicher Herrschaft betraf, hat vor allem Papst Johannes’ XXII. auch den Anspruch auf die Approbation der deutschen Königswahl gegenüber dem römisch-deutschen Reich vertreten.356 Das päpstliche Approbationsrecht wurde mit zwei Argumenten begründet. Das erste Argument bestand in dem Recht des Papstes, den zum römisch-deutschen König gewählten Herrscher zum Kaiser zu krönen. Der daraus abgeleitete Anspruch, die idoneitas des Kandidaten prüfen zu dürfen, wurde schließlich auf die Königswahl vorverlegt. Die andere argumentative Grundlage basierte auf der kurialen Translationstheorie,357 nach der der Papst über die approbatio oder reprobatio eines zum römischen König Gewählten entscheiden könnte, weil die Päpste das Kaisertum auch als Institution von einem Volk auf ein anderes übertragen haben können, wie das bei der Kaiserkrönung Karls des Großen geschehen sei. Marsilius ging es bei der Zurückweisung dieser Ansprüche sowohl darum, die Unabhängigkeit der weltlichen 356 Vgl. Miethke, Art. Approbation der deutschen Königswahl, 1993, Sp. 888 – 891, der im Rahmen eines Lexikonartikels eine konzise und instruktive Darstellung bietet. 357 Vgl. das Standardwerk von Werner Goez, Translatio Imperii. Ein Beitrag zur Geschichte des Geschichtsdenkens und der politischen Theorien im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Tübingen 1958, bes. Kapitel 7 – 9, S. 137 – 198.
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Zur politischen Theorie des Marsilius von Padua
Herrscher vom Papsttum im allgemeinen zu verteidigen als auch darum, die Autonomie des Kaisers und der kaiserlichen Herrschaft im besonderen zu begründen. Dafür entwickelte er eine politische Theorie der gegenüber der kirchlichen Hierarchie souveränen politischen Gemeinschaft. Der Ausgangspunkt von Marsilius’ politischer Theorie ist das Gesetz. Nach Marsilius ist das von Menschen geschaffene Gesetz eine Vorschrift über das, was gerecht und ungerecht, nützlich oder schädlich ist, und »die zwingend ist, indem sie Strafe oder Belohnung in der gegenwärtigen Welt vergibt«.358 Die zwingende Wirkung, d. h. die Sanktionierung in der diesseitigen Welt, und der Ursprung im menschlichen Willen sind die beiden konstituierenden Elemente des menschlichen Gesetzes. Marsilius’ politische Theorie wendet sich in verschiedenen Zusammenhängen den daran anschließenden Fragen zu, wer die zwingende Gewalt des Gesetzes legitimieren und wer die Befolgung des Gesetzes durchsetzen kann. Zur Gesetzgebung stellt Marsilius zunächst in einer programmatischen Definition mit ausdrücklichem Rückgriff auf Aristoteles fest, wer allein sie legitim vornehmen darf: »[…] Gesetzgeber oder erste und spezifische bewirkende Ursache des Gesetzes ist das Volk (populus) oder die Gesamtheit der Bürger (civium universitas) oder deren gewichtigerer Teil (valencior pars), die durch ihre Wahl oder ihren Willen, der in einer allgemeinen Versammlung der Bürger durch eine Debatte zum Ausdruck gekommen ist, vorschreibt oder bestimmt, daß etwas in bezug auf die öffentlichen Handlungen der Menschen unter [Androhung von] Strafe oder zeitlicher Buße geschehen oder unterlassen werden soll«.359
Marsilius legt hier fest, wer – und zwar unabhängig von der politischen Verfaßtheit eines Gemeinwesens – die menschlichen Gesetze dem Ursprung nach nur geben kann. Entsprechend allgemein und umfassend ist auch der Gesetz358 DP I, 10, § 4, ed. Scholz, 1932/33, S. 49, Z. 28 – S. 50, Z: 5: »Et sic accepta lex dupliciter considerari potest: uno modo secundum se, ut per ipsam solum ostenditur quid iustum aut iniustum, conferens aut nocivum, et in quantum huiusmodi iuris sciencia vel doctrina dicitur. Alio modo considerari potest, secundum quod de ipsius observacione datur preceptum coactivum per penam aut premium in presenti seculo distribuenda«. 359 DP I, 12, § 3, ed. Scholz, 1932/33, S. 63, Z. 15 – 22: »Nos autem dicamus secundum veritatem atque consilium Aristotelis 3o Politic, capitulo 6o, legislatorem seu causam legis effectivam primam et propriam esse populum seu civium universitatem aut eius valenciorem partem, per suam eleccionem seu voluntatem in generali civium congregacione per sermonem expressam precipientem seu determinantem aliquid fieri vel omitti circa civiles actus humanos sub pena vel supplicio temporali«. Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 119, der valencior pars jedoch schlicht mit »Mehrheit« übersetzt. Ich habe valencior pars mit »gewichtigerer Teil« übersetzt, weil so deutlich wird, daß Marsilius sich nicht numerisch festlegen will, und er hinsichtlich der normativen und nicht-normativen Bedeutung ebenfalls offenbleiben will. Vgl. Annabel Brett, Notes on the Translation, in: Marsilius of Padua, The Defender of the Peace, übersetzt von ders., 2005, S. XL-LI, hier S. L-LI, die auch »decisive part« diskutiert und sich für »prevailing part« entscheidet.
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Grundlagen: Gesetzgeber und Regierung in der politischen Gemeinschaft
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geber als populus oder universitas civium bezeichnet. Damit werden zum einen alle, die von den Gesetzen betroffen sind, an der Gesetzgebung beteiligt und zum anderen keine besonderen Rechte für Gruppen zugelassen, die, wie der Klerus im allgemeinen oder der Papst im besonderen, Vorrechte bei der Regelungen von diesseitigen Angelegenheiten, die doch alle Gläubigen angehen, beanspruchen. Der spezifisch Marsilianische Begriff der valencior pars, der in der Forschung zahlreiche Deutungen und Übersetzungen erfahren hat, bleibt auffällig unbestimmt.360 Vermutlich läßt ihn Marsilius absichtlich ohne klare Definition, um sein politisch-taktisches Ziel, nämlich die Ansprache aller politischer Gemeinschaften im Abendland, unabhängig von ihrer jeweiligen politischen Ordnung, erreichen zu können.361 Eine mehrdeutige Definition erlaubt viel eher eine Adaption seiner politischen Theorie durch unterschiedlich verfaßte politische Gemeinschaften.362 Nach der Frage, wer die Gesetze macht, wendet sich Marsilius der Regierung zu, deren Aufgabe es ist, die Gesetze auszuführen und durchzusetzen, und der Frage, wer die Regierung einsetzt. Die Befugnisse, Gesetze zu geben und die Regierung einzusetzen, müssen nach Marsilius zusammengehören. Der Gesetzgeber, also die Gesamtheit der Bürger, hat die Gewalt, die Regierung einzusetzen und zu wählen, aber auch sie zu tadeln und sie abzusetzen, falls es für das Allgemeinwohl geboten sein sollte.363 Marsilius argumentiert mit Aristoteles, daß derjenige, der eine Form zu schaffen hat, auch dessen Träger bestimmen muß.364 Das heißt mit Bezug auf das politische Gemeinwesen: 360 DP I, 12, § 3, ed. Scholz, 1932/33, S. 63, Z. 22 – 24: »[…] valenciorem inquam partem, considerata quantitate personarum et qualitate in communitate illa super quam lex fertur«. – »[…] der gewichtigere Teil, sage ich – unter Berücksichtigung der Quantität und der Qualität der Personen –, in jener Gemeinschaft für die das Gesetz gegeben wird«. Auch diese anschließende Erläuterung bringt nicht viel mehr Klarheit, abgesehen davon, daß nicht eine bloß numerische Mehrheit gemeint ist. Ebenso wird nicht hinreichend deutlich – weder bei Marsilius selbst noch bei der Reflexion seiner Interpreten –, ob sich der »gewichtigere Teil« auf die Zusammensetzung des Abstimmungskörpers bezieht, der sich also von der Gesamtheit der Bürger unterscheidet und kleiner ist als diese, oder ob es um das Verfahren der Ergebnisfeststellung bei Abstimmungen der Gesamtheit der Bürger geht, die allein den Abstimmungskörper bilden dürfen, deren Ergebnisse also weder einstimmig noch mit numerischer Mehrheit erlangt werden müssen. 361 Conal Condren, Democracy and the Defensor Pacis. On the English Language Tradition of Marsilian Interpretation, in: Il Pensiero Politico 13 (1980), S. 301 – 316, hier S. 305 – 306. Ein Überblick über die in der Forschung gegebenen Übersetzungen des Begriffs bei Lagarde, Le Defensor pacis, 1970, S. 144 – 145 mit Anm. 163. 362 Nederman, Community, 1995, S. 86. 363 DP I, 15, § 2, ed. Scholz, 1932/33, S. 85, Z. 9 – 14: »[…] potestatem factivam institucionis principatus seu eleccionis ipsius ad legislatorem seu civium universitatem, quemadmodum ad eandem legumlacionem diximus pertinere 12o huius, principatus quoque correpcionem, quamlibet eciam deposicionem, si expediens fuerit propter commune conferens, eidem similter convenire.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 157. 364 DP I, 15, § 3, ed. Scholz, 1932/33, S. 86, Z. 2 – 4.
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Zur politischen Theorie des Marsilius von Padua
»Da es also der Gesamtheit der Bürger zusteht, die Form zu erzeugen, nach der alle bürgerlichen Handlungen geregelt werden sollen, nämlich das Gesetz, so wird es offenbar Aufgabe derselben Gesamtheit sein, die Materie oder den Träger dieser Form zu bestimmen, der nach dieser Form das bürgerliche Handeln der Menschen zu ordnen hat, nämlich den regierenden Bestandteil (pars principans).«365
Diese grundsätzliche Bindung der Regierung an den Willen der Gesamtheit der Bürger vollzieht sich durchaus in verschiedener Weise.366 Das stellt Marsilius ausdrücklich heraus, wobei er eine deskriptive und normative Darstellung vereinigt: »Das Verfahren der eben genannten Einsetzung oder Wahl wechselt vielleicht nach der Verschiedenheit der Länder. Aber bei allen Abweichungen im einzelnen ist in jedem Falle zu beachten, daß eine solche Wahl oder Einsetzung immer der Gesetzgeber vollzieht, als den wir die Gesamtheit der Bürger oder deren gewichtigeren Teil sehr oft bezeichnet haben.«367
In einer wenig beachteten Passage in De translatione imperii präzisiert Marsilius seine im Defensor pacis allgemein gehaltene Darstellung über die Absetzung und Wahl eines Königs. Marsilius diskutiert im Anschluß an Landolfo die Absetzung des Merowingers Childerich und die Wahl des Hausmeiers Pippin zum König der Franken. Zunächst stellt er die kuriale Auffassung vor, nach der Pippin von Papst Zacharias zur Herrschaft im Frankenreich erhoben und König Childerich von demselben abgesetzt wurde.368 Dem stellt Marsilius in Anlehnung an das 365 DP I, 15, § 3, ed. Scholz, 1932/33, S. 86, Z. 13 – 18: »Cum igitur ad civium universitatem pertineat generare formam, secundum quam civiles actus omnes regulari debent, legem scilicet, eiusdem universitatis esse videbitur huius forme determinare materiam seu subiectum, cuius, secundum hanc formam, est disponere civiles hominum actus, partem scilicet principantem.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 159. 366 Marsilius legt gemäß seiner generischen Theorie nicht normativ fest, wer zu den Bürgern zählen soll. Zirkulär definiert er mit Aristoteles, daß Bürger die politisch Berechtigten sind; wie immer eine politische Gemeinschaft dies bestimmt, DP I, 12, § 4, ed. Scholz, 1932/33, S. 64, Z. 19 – 22: »Civem autem dico, secundum Aristotelem 3o Politice, capitulis 1o, 3o et 7o, eum qui participat in communitate civili, principatu aut consiliativo vel iudicativo secundum gradum suum.« Zu Marsilius’ Bürgerbegriff vgl. ausführlicher Koch, Dis-/Kontinuität, 2005, S. 75 – 81. 367 DP I, 15, § 2, ed. Scholz, 1932/33, S. 85, Z. 18 – 23: »Modus autem conveniendi ad institucionem seu eleccionem predictam variatur fortasse secundum provinciarum varietatem. Verum qualitercumque diversetur, hoc in quolibet observandum, ut talis eleccio seu institucio semper fiat auctoritate legislatoris, quam civium universitatem aut eius valenciorem partem persepe diximus.« 368 DTI, Kap. 6, ed. Jeudy, 1979, S. 398, Z. 21 – S. 400, Z. 8: »Pipinus siquidem praedictus Karoli Martelli filius, vir in rebus bellicis strenuus, catholicus et universorum morum honestate praeclarus, secundum clericorum scripturas, sibi alienam auctoritatem usurpare quaerentium, legitur a Zacharia papa, de maiore domus in regni Francorum excellentiam sublimatus. Qui siquidem Zacharias, ut aiunt, regem Francorum Childericumi non tam pro suis iniquitatibus quam pro eo quod tantae potestati, erat inutilis, a regno deposuit et prae-
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Grundlagen: Gesetzgeber und Regierung in der politischen Gemeinschaft
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Zeugnis des Geschichtsschreibers Admonius, dessen Darstellung auch Landolfo wiedergibt, seine eigene Auffassung entgegen, nach der »Pippin rechtmäßig von den Franken (Franci) zum König gewählt und durch die Großen (proceres) des Reiches erhoben und auch durch Bonifazius, den Erzbischof von Reims, in Soissons im Kloster St. Medard gesalbt wurde.« Papst Zacharias habe den ins Kloster verbannten Childerich aber nicht abgesetzt, »sondern denen, die ihn abgesetzt haben, wie gewisse Leute sagen, vielleicht zugestimmt. Denn die Absetzung und Einsetzung eines Königs wegen eines vernünftigen Grunds steht keinem Bischof oder Kleriker und keiner Versammlung von solchen zu, sondern der Gemeinschaft der das Land bewohnenden Bürger (cives) oder Edlen (nobiles) oder deren gewichtigerem Teil, wie wir in unserem Defensor pacis gezeigt haben«.369
Marsilius wendet die Grundsätze des Defensor pacis konsequent auf den von Landolfo erwähnten Fall der Herrscherwahl und -absetzung an. Dabei fällt auf, daß Marsilius die Wähler hier konkreter benennt. Er macht nämlich – und zwar im Unterschied zu Landolfo – die proceres und die nobiles des Reiches namhaft. dictum Pipinum Karoli magni patrem in eius loco substituit omnesque Francigenas a iuramento fidelitatis, quo dicto Childerico tenebantur, absolvit.« Vgl. Landolfo, Kap. 4, ed. Goldast, 1614, S. 91, Z. 44 – 49: »Is siquidem Pipinus Caroli Martelli filius, vir in rebus bellicis strenuus, religione catholicus, et universa morum honestate praeclarus, a Zacharias Papa ad Maioris domus Francorum excellentiam extitit sublimatus. Qui quidem Zacharias, regem Francorum Hildericum non tam pro suis iniquitatibus quam pro eo quod tantae potestari erat inutilis, a regno deposuit, et praedictum Pipinum Caroli magni patrem in euis loco substituit: omnesque Francigenas a iuramento fidelitatis, quo dicto Hilderico tenebantur, absolvit, ut 15.q.6.alius.« 369 DTI, Kap. 6, ed. Jeudy, 1979, S. 400, Z. 9 – S. 402, Z. 7: »Sed Admonius in gestis Francorum scribit et verius Pipinum per Francos legitime regem electum et per regni proceres elevatum, per Bonifatium quoque Remensem archiepiscopum inunctum Suessioni in monasterio Sancti Medardi. Childericus vero qui tunc sub nomine regio in deliciis marcescebat et otio, extitit in monachum tonsoratus. Unde non ille Zacharias Childericum a regno deposuit, sed deponentibus ut quidam aiunt fortasse consensit. Nam talis depositio regis et alterius institutio, propter rationabilem causam, non tantummodo ad episcopum aut clericum aliquem aut ipsorum collegium pertinet, sed ad universitatem inhabitantium regionem, civium et nobilium vel ipsorum valentiorem multitudinem, quemadmodum in nostro Defensore pacis per demonstrationem ostendimus 12o 13o 15o et 18o primae dictionis. Unde Admonii recipiendus est sermo tamquam verus, clericorum vero scriptura in hoc reicienda, tamquam Francis praeiudicialis et falsa.« Vgl. Landolfo, Kap. 4, ed. Goldast, 1614, S. 91, Z. 49 – 57: »Sed Annonius in gestis Francorum scribit, Pipinum per Francos legitime fuisse electum in Regem et protectorem elevatum, et per Bonifacium archiepiscopum Remensem unctum Suessioni, id est, in tali loco, in monasterio sancti Medardi. Hildericus vero, qui tunc sub nomine regio, in deliciis marcebat ocio in monachum consecratus est. Hic ergo verbum Deposuit, positum in dicto capitulo, alius glossavit, id est, Deponentibus consensit. Sed qualitercuncque dicatur, sive ut praedicta Francorum narrat historia, sive ut alius supra allegatus, salva semper in omnibus veritate: credo autoritatem Papae in talibus omnibus negociis praesupponi, ex eo quod omnis potestas ex eo in hoc dependet, ut Papam Gelasium Imperatori Anastasio legimus rescripsisse, et ut clarius patebit.«
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Zur politischen Theorie des Marsilius von Padua
Jedoch hebt er auch die Bindung an das Volk als Ganzes hervor, wie es in den Bezeichnungen Franci und cives zum Ausdruck kommt. So hat Marsilius an verschiedenen Stellen seiner Schriften den Grundsatz der Ermächtigung eines Herrschers durch das ganze Volk und allein durch das Volk hervorgehoben, aber auch die Möglichkeit der Ausübung des Wahlrechts durch einen besonders gewichtigen Teil des Volkes, dessen valencior pars, im allgemeinen und konkret dargestellt. Die weiteren, über die eigentliche Wahl hinausgehenden Handlungen einer Herrschererhebung entwickelt Marsilius wiederum ausgehend vom Gesetz. Die Gesetze bedürfen keiner Bestätigung und keiner besonderen zeremoniellen Feierlichkeit, um gültig zu sein. Dies gilt auch für alle anderen Dinge, die durch Abstimmungen der Bürger entschieden werden.370 Damit wendet Marsilius sich bereits der Wahl der Regierung zu. Diese Wahl darf also nicht einer eigens vorgenommenen, externen Approbation unterzogen werden, die etwa die Päpste, an die Marsilius hier denkt, für sich beanspruchen. Darüber hinaus sind Feierlichkeiten wie Krönungen ebenfalls nicht notwendig für die Gültigkeit der Wahl. Marsilius plädiert damit aber keineswegs dafür, Krönungszeremonien abzuschaffen. Sie werden lediglich nicht benötigt, wie es bei ihm heißt, zum Sein der Wahl (»ad esse«), aber doch zum Gutsein (»ad bene esse«).
4.2
Das Kaisertum
4.2.1 Die Wahl des Kaisers Marsilius leitet seine Auffassung von der Wahl des Kaisers aus den Grundsätzen ab, die er für alle politischen Gemeinschaften aufgestellt hat. Für die Wahl des Kaisers muß Marsilius jedoch auf zwei Besonderheiten eingehen: zum einen auf den Anspruch des Papstes auf Bestätigung der Wahl und zum anderen auf die Ausübung der Wahl durch das siebenköpfige Kurfürstenkolleg. Marsilius geht auf beides ein, wenn er im Zusammenhang mit der Kaiserwahl im Grundsatz feststellt, daß die Wirkung einer Wahl »allein von dem Gesetzgeber, den der Herrscher regieren soll, oder von den Männern ausschließlich, denen dieser Gesetzgeber eine solche Ermächtigung erteilt hat«, abhängen darf.371 Damit wird
370 DP I, 12, § 3, ed. Scholz, 1932/33, S. 64, Z. 4 – 9: »Et dico consequenter huic, quod eadem auctoritate prima, non alia, debent leges et aliud quodlibet per eleccionem institutum approbacionem necessariam suspicere, quicquid sit de ceremoniis seu solempnitatibus quibusdam, que ad esse non exiguntur electorum, sed (ad) bene (esse), quibus eciam non factis nil minus eleccio valida foret.« 371 DP II, 26, § 5, ed Scholz, 1932/33, S. 492, Z. 5 – 7: »[…] a solo legislatore, super quem
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Das Kaisertum
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die Wahlhandlung der Kurfürsten in Marsilius’ Theorie eingeordnet. Marsilius führt die Befugnis der Kurfürsten, den Herrscher zu wählen, auf eine Ermächtigung durch den Gesetzgeber zurück, an dessen Stelle sie handeln. Auf die Frage, wie diese Delegation des Wahlrechts vorgenommen wurde, geht Marsilius jedoch weder hier noch anderswo ein. Marsilius hat mit diesem Grundsatz bereits in allgemeiner Form das Recht auf Mitwirkung an der Wahl von anderen als den vom Gesetzgeber autorisierten Wählern ausgeschlossen, womit auch jede Form einer Mitwirkung des Papstes ausgeschlossen ist. Den päpstlichen Anspruch auf Bestätigung der Wahl führt er mit einem weiteren Argument ad absurdum: »Denn wenn die Autorität des erwählten Königs von dem Willen des römischen Bischofs allein abhängt, so ist das Amt der Wähler null und nichtig; denn der von ihnen Erwählte ist weder König noch darf er den Königstitel führen, bevor er durch seinen Willen oder die Instanz, die der Papst Apostolischer Stuhl nennt, bestätigt wird; auch kann der so Erwählte keine Regierungshandlungen als König ausüben, vielmehr, was nicht nur zu ertragen, sondern sogar schon zu hören bedrückend ist, kein Erwählter darf ohne Genehmigung dieses Bischofs aus den Einkünften des Reiches die täglichen Unterhaltskosten entnehmen. Was erteilt ihm also die Wahl durch die Fürsten an Autorität anderes als die Nominierung, wenn nun ihre Entscheidung von dem Willen eines einzigen anderen Mannes abhängt? Soviel Autorität könnten nämlich sieben Bartscherer oder Triefäugige dem römischen König verleihen.«372
Die Wahl durch die Kurfürsten verleiht aber nicht nur das unbeschränkte Recht zur Ausübung der Regierungsgewalt des Königs der Römer, sondern darüber hinaus auch der des Kaisers. Daher betont Marsilius, Ludwig habe »sich seit seiner von den Kurfürsten vollzogenen und verkündeten Wahl beständig König der Römer, wie er das in Wahrheit war und ist, im schriftlichen und persönlichen Verkehr nennen lassen und tut es noch und übt auch alle kaiserlichen oder königlichen Funktionen (imperialia quoque sive regalia queque) in allen Dingen, wie es seine Pflicht und sein Recht ist, aus (administrat).«373 principans debet institui, vel ab hiis tantummodo, quibus idem legislator talem auctoritatem concesserit«. Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 891. 372 DP II, 26, § 5, ed Scholz, 1932/33, S. 491, Z. 9 – 22: »Nam si electi regis auctoritas penderet a solius Romani episcopi voluntate, inane penitus est officium elegencium, quoniam per ipsos electus neque rex est neque rex vocari debet, antequam per suam voluntatem sive auctoritatem, quam vocat sedem apostolicam, confirmetur ; neque regalem auctoritatem aliquam si electus exercere potest, quinimo, quod nedum pati, verum eciam audire onerosum est valde, nemini licebit electo ex proventibus imperii absque huius episcopi licencia cotidianos sibi sumere sumptus. Quid ergo aliud sibi tribuit auctoritatis principum eleccio quam nominacionem, ex quo ipsorum determinacio ab unius solius alterius voluntate dependet? Tantam enim septem tonsores aut lippi possent Romano regi auctoritatem tribuere.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 889/891. 373 DP II, 26, § 11, ed. Scholz, 1932/33, S. 498, Z. 1 – 5: »[…] ab eleccionis de se facte et publicate per electores tempore citra se regem Romanorum continuo, sicut secundum veritatem fuit et est, scribi ac nominari fecit et facit, imperialia quoque sive regalia queque, quod eciam de
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Zur politischen Theorie des Marsilius von Padua
Die Ausübung der kaiserlichen Aufgaben seit der Wahl geht aber noch nicht einher mit dem Besitz der kaiserlichen Würde. Marsilius wirft dem Papst mehrfach vor, dieser »hindere und verwehre, daß der ruhmreiche Ludwig, Herzog von Bayern, der zum römischen König erhoben (assumptus) ist, zu ruhigem Besitz (possessio) der hohen kaiserlichen Würde gelangt.«374 Marsilius differenziert hier also zwischen der kaiserlichen Amtsgewalt, die in vollem Umfang bereits mit der Wahl durch die Kurfürsten erworben werde, und der kaiserlichen Würde, die sich auch in der Verwendung des kaiserlichen Titels äußert. Die kaiserliche Würde besitzt König Ludwig auch nach Marsilius’ Auffassung noch nicht.375 Möglicherweise weist Marsilius’ Wortwahl, nach der Ludwig allein der »Besitz« der kaiserlichen Würde abgeht, auf eine juristische Begrifflichkeit und Unterscheidung hin. Der Gewählte hätte danach bereits das (Eigentums-)Recht an der Kaiserwürde, und die Kaiserkrönung hätte die Funktion der tatsächlichen Besitzergreifung. Eine ähnliche Auffassung ist bereits im von Hostiensis überlieferten Braunschweiger Fürstenweistum zur Wirkung der Königswahl von 1252 enthalten: »Der König der Römer hat daraus, daß er einmütig gewählt ist, dieselbe Amtsgewalt wie als Kaiser, und die Kaisersalbung gibt ihm nichts als den [kaiserlichen] Titel.«376 Aber Marsilius ist über diese Auffassung insofern hinausgegangen, als er zum einen auf die Forderung nach Einmütigkeit der Wahl verzichtet, und der Gewählte zum anderen aus der Wahl nicht nur eine Amtsgewalt »wie als Kaiser« besitzt, sondern die kaiserliche Amtsgewalt dem Ursprung nach erwirbt. Zu der auch im Mittelalter kontrovers diskutierten Frage, worin die kaiserliche Amtsgewalt im Unterschied zur königlichen besteht, antwortet Marsilius vor allem mit dem Hinweis auf die Befugnisse des Kaisers gegenüber der universalen Kirche. Ob Marsilius auch Herrschaftsrechte danach unterscheidet, ob sie an das deutsche regnum oder an das imperium Romanum gebunden sind, läßt sich nicht sicher entscheiden. Eine Äußerung könnte dahin verstanden werden, daß Marsilius, der Herrschaftsrechte des Kaisers über das Gebiet des imperium Romanum hinaus ablehnt,377 ein Anhänger der Theorie ist, nach der
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iure tenetur et potest, in omnibus administrat.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 899/ 901. DP II, 26, § 11, ed. Scholz, 1932/33, S. 497, Z. 19 – 21: »[…] impedit et prohibet incliti Ludovici, ex Bavarie ducibus Romanorum regis assumpti, processum ad possessionem quietam apicis imperatorie dignitatis.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 899. Eine Ausnahme bildet die Widmungsadresse des Defensor pacis an Ludwig den Bayern, in der Marsilius ihn als Kaiser anspricht, vgl. dazu oben S. 75. Zeumer, Reichsweisthum, 1905, S. 406: »Rex autem Romanorum ex quo electus est in concordia eandem potestatem habet quam et imperator, nec dat ei inunctio imperialis nisi nomen«. Vgl. dazu Becker, Kaisertum, 2002, S. 126 und 128; Schubert, König, 1979, S. 32. Zur Bedeutung von in concordia als einmütig im 13. Jahrhundert im Gegensatz zu einstimmig, vgl. Mitteis, Königswahl, 21944, S. 188 – 189. Vgl. unten den Abschnitt über das nicht-universale Kaisertum S. 137 – 140.
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Das Kaisertum
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das imperium die regna der Deutschen, Burgunder und Italiener umfaßt und überwölbt, und die Herrschaftsrechte über Burgund und Reichsitalien nicht dem deutschen König, sondern ihm als römischem Kaiser zustehen. Am Ende der ersten Dictio bezeichnet Marsilius zusammenfassend als Anlaß seiner Schrift das Streben der Päpste nach weltlicher Herrschaft als die Ursache der gegenwärtigen Unruhe und Zwietracht: »Diese [Ursache] nämlich – immer auf der Lauer, sich in alle Staaten einzuschleichen, wie es in der Einleitung hieß – hat durch ihr feindliches Wirken schon längst das Königreich Italien (Ytalicum regnum) heimgesucht und hat ihm Ruhe und Frieden verwehrt und verwehrt sie ihm weiterhin, indem sie die Erhebung (promocio) oder Einsetzung (institucio) des Regenten (principans), nämlich des römischen Kaisers (imperator Romanus), und dessen Regierungstätigkeit in dem genannten Kaiserreich (imperium) mit allen ihren Mitteln verwehrt.«378
Marsilius verteidigt die Grundlagen der Wahl des Kaisers und die aus ihr resultierenden Rechte gegen die von Johannes XXII. verschärft gefaßten päpstlichen Ansprüche. Die Wähler sind deswegen allein die sieben Kurfürsten, weil sie – durch eine Übertragung, die Marsilius nicht weiter ausführt – vom legislator dazu ermächtigt sind. Ihre Wahlhandlung ist autonom und erfordert keine Bestätigung. Die daraus unmittelbar resultierenden Rechte beziehen sich nicht nur auf die Regierungshandlungen als König, sondern auch als Kaiser. Diese umfassen – im Unterschied zur königlichen Herrschaft über Deutschland – auch die kaiserlichen Herrschaftsrechte in Burgund und namentlich Oberitalien. Die Wahl allein, ohne päpstliche Bestätigung oder Krönung, verschafft bereits auch alle kaiserlichen Rechte. Die Wahl durch die Kurfürsten kann daher als Kaiserwahl bezeichnet werden. Den Besitz der kaiserlichen Würde und den Titel eines Kaisers nimmt der Gewählte dagegen erst mit der Kaiserkrönung auf.
4.2.2 Der römische König und Kaiser als princeps Romanus Der gemeinsame Ursprung der königlichen und kaiserlichen Herrschaftsrechte in der Wahl durch die Kurfürsten soll sich auch in der Benennung, wenn auch nicht in der diplomatischen Titulatur des Gewählten ausdrücken. Im Defensor pacis führt Marsilius den funktionalen Begriff princeps Romanus oder princeps Romanorum, des »römischen Herrschers«, ein, der auch sprachlich verdeutli378 DP I, 19, § 12, ed. Scholz, 1932/33, S. 135, Z. 6 – 12: »Ipsa enim in omnia regna serpere prona, quemadmodum prohemialiter dicebatur, infesta sui accione dudum vexavit Ytalicum regnum, et a sui tranquillitate seu pace prohibuit prohibitque continuo principantis, scilicet imperatoris Romani, promocionem seu institucionem ipsiusque accionem in dicto imperio sui toto conanime prohibendo.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 243/245.
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Zur politischen Theorie des Marsilius von Padua
chen soll, daß es trotz der üblichen, differenzierenden Titel rex Romanorum und imperator Romanorum keine unterschiedlichen Regierungsrechte vor und nach der Kaiserkrönung gibt. Marsilius führt die neue Begrifflichkeit ganz beiläufig ein, wenn er zu der Bezeichnung princeps Romanorum mit einer Apposition erklärt, daß dieser imperator genannt werde.379 Marsilius’ Lehre von der Gleichheit der Regierungsrechte von rex Romanorum und dem zum Kaiser gekrönten imperator Romanorum soll mit einem gemeinsamen Oberbegriff verdeutlicht werden. Den Titel imperator verwendet Marsilius im Defensor pacis nur für den gekrönten Kaiser oder für die Kaiser der römischen Antike. Im später verfaßten Defensor minor verwendet Marsilius fast ausschließlich die Bezeichnung princeps Romanus. Der Begriff imperator kommt nur noch selten vor, und zwar nur in den inkorporierten Schriften zur Maultasch-Affäre, die sich an Kaiser Ludwig richten. In der im Defensor minor wiedergegebenen Forma dispensationis super affinitatem consanguinitatis wird princeps Romanus und imperator gleichgesetzt.380 Marsilius betont auch hier den Vorrang des Kaisers vor den anderen Herrschern, aber hier nun auch unter der Bezeichnung als princeps Romanorum, wenn er vom »höchsten Herrscher, [nämlich] dem der Römer, der Kaiser genannt wird«, spricht.381 Der Vorrang des römischen vor den anderen Herrschern wird auch an anderer Stelle deutlich, wo von dem »höchsten Regenten, dem Herrscher der Römer nämlich«, gesprochen wird.382 Auch im Tractatus de iurisdictione imperatoris in causis matrimonialis, der im Defensor
379 DP I, 19, § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 131, Z. 15 – 18: »[…] licet hoc non equaliter de omnibus exprimant nec explicite dicant, ut de principe Romanorum imperatore vocato et cunctis provinciis ac civitatibus et personis subiectis eidem«; DP II, 3, § 14, ed. Scholz, 1932/33, S. 157, Z. 9 – 14: »Ostenditur autem idem rursum in specie magis de Romanorum principe, imperatore vocato, quoniam ille superior est ad Romanorum principem secundum tercie significacionis iudicium, cuius est auctoritatis instituendi principatum hunc ipsumque de gente in gentem pro libito transferendi.« 380 DM 16, § 3, ed. Jeudy, 1979, S. 308, Z. 9 – 11: »De cuius siquidem legis praeceptis sive statutis dispensare solummodo pertinet ad auctoritatem imperatoris sive prinicipis Romanorum.« Vgl. Pincin, Marsilio, 1967, Appendice, Nr. 8B, S. 264 – 268, hier Z. 58 – 60, S. 266. 381 DM 16, § 4, ed. Jeudy, 1979, S. 310, Z. 27 – 29: »[…] factorum auctoritas et coactiva potestas sit universitatis civium, aut supremi principis Romanorum imperatoris vocati«. In der von Pincin edierten Forma dispensationis super affinitatem consanguinitatis ist dieser Passus nicht enthalten. Quillet übersetzt in Marsilie de Padoue, Oeuvres mineures, ed. Jeudy/dies., 1979, S. 311, Z. 31, etwas anders »prince s0preme appel8 Empereur des Romains«; ähnlich Nederman in Marsiglio of Padua, Writings of the Empire, ed. ders., 1993, S. 63: »the supreme ruler who is called the Roman Emperor«. 382 DM 16, § 2, ed. Jeudy, 1979, S. 306, Z. 7 – 9: »[…] talis prohibitio matrimonii inter consanguineos fieri habeat auctoritate legislatoris humani, aut eius principantis supremi, principis scilicet Romanorum.« Vgl. Pincin, Marsilio, 1967, Appendice, Nr. 8B, Z. 37 – 39, S. 265 (ohne scilicet).
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Das Kaisertum
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minor wiedergegeben wird, ist ähnlich vom »römischen Herrscher, dem höchsten, der Kaiser genannt wird«, die Rede.383 Eine begriffliche Neuschöpfung des Marsilius ist princeps Romanus jedoch nicht. Kaiser Heinrich VII. benutzte den Begriff Romanus princeps etwa in seiner Konstitution gegen Häretiker vom 29. Juni 1312, dem Tag seiner Kaiserkrönung.384 In der französischen Fassung dieser Konstitution ist als Übersetzung vielleicht deswegen »empereours Romains« gewählt.385 Auch von kurialer Seite wurde diese Bezeichnung gebraucht. Papst Clemens V. wählte sie als Eingangsworte in der Bulle Romani principes, die sich gegen die Kaisergesetze Heinrichs VII. richtete.386 Auch Dante verwendet den Begriff in der Form Romanus princeps in seiner Monarchia.387 Die Form Romanorum princeps benutzte der italienische Jurist Ugolino von Celle, der 1323 im Auftrag von Castruccio Castracane, Ludwigs wichtigstem Verbündeten während des Romzugs, ein Rechtsgutachten über die Rechte des römischen Herrschers vor dessen Krönung zum Kaiser erstellte.388 383 DM 13, § 9, ed. Jeudy, 1979, S. 280, Z. 7 – 9: »Est etiam similiter secundum legem humanam legislator, ut civium universitas aut eius pars valentior, vel Romanus princeps summus imperator vocatus.« Vgl. Pincin, Marsilio, 1967, Appendice, Nr. 8C, S. 268 – 283, hier Z. 232 – 233, S. 276 (supremus statt summus). Quillet übersetzt in Marsilie de Padoue, Oeuvres mineures, ed. Jeudy/dies., 1979, S. 281, Z. 10 – 11: »le prince s0preme, qu’on appelle Empereur«; Nederman übersetzt in Marsiglio of Padua, Writings of the Empire, ed. ders., 1993, S. 50: »the supreme Roman ruler who is called Emperor«. 384 MGH Const. IV/2, 1909 – 1911, Nr. 799, S. 799 – 800, hier S. 800, Z. 27 – 29: »Mandantes presenti nostra constitutione, ut seculares quecunque potestates constitutiones tam pontificum quam principum Romanorum contra tales sacrilegos editas observent et faciant arcius ab aliis observari.« 385 MGH Const. IV/2, 1909 – 1911, Nr. 800, S. 800 – 801, hier S. 801, Z. 25 – 27: »Mandanz par ceste nostre constitution, que touz seculers justiciers et poestes les constitutions des apostoiles et des empereours Romains encontres cieuz sacrileges faites guardent e facent estroitement estre guardees.« 386 MGH Const. IV/2, 1909 – 1911, Nr. 1165, S. 1207 – 1211, hier S. 1207, Z. 20. Vgl. zur Bulle oben S. 94 f. 387 Z. B. Dante, Monarchia, III, xiii, 1, ed. Ricci, 1965, Z. 1 – 6, S. 268,: »Amplius, si Ecclesia virtutem haberet auctorizandi romanum Principem, aut haberet a Deo, aut a se, aut ab Imperatore aliquo aut ab universo mortalium assensu, vel saltem ex illis prevalentium: nulla est alia rimula, per quam virtus hec ad Ecclesiam manare potuisset; sed a nullo istorum habet; ergo virtutem predictam non habet«; III, xv, 11, ed. Ricci, 1965, Z. 50 – 56, S. 274: »Et cum ad hunc portum vel nulli vel pauci, et hii cum difficultate nimia, pervenire possint, nisi sedatis fluctibus blande cupiditatis genus humanum liberum in pacis tranquillitate quiescat, hos est illud signum ad quod maxime debet intendere curator orbis, qui dicitur romanus Princeps, ut scilicet in areola ista mortalium libere cum pace vivatur«; III, xv, 17, ed. Ricci, 1965, Z. 79 – 83, S. 275: »Que quidem veritas ultime questionis non sic stricte recipienda est, ut romanus Princeps in aliquo romano Pontifici non subiaceat, cum mortalis ista felicitas quodammodo ad inmortalem felicitatem ordinetur.« 388 Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, 1. Teil, 1921, Nr. 123, S. 71 – 79, hier Prooemium, S. 72; Nr. 8, S. 74, und passim. Daß die Übereinstimmungen zwischen Ugolino und Marsilius in der Frage der kaiserlichen Rechte des römischen Königs vor der Kaiserkrönung auch dafür sprechen, daß Marsilius’ Aussagen auf denjenigen Ugolinos beruhen und Marsilius daher
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Zur politischen Theorie des Marsilius von Padua
Auch Kaiser Ludwig verwendete nach seiner Kaiserkrönung die Bezeichnung Romanus princeps, um seine kaiserlichen Amtsnachfolger auch vor ihrer Kaiserkrönung zu benennen, in der Urkunde, mit der er Johannes von Jandun zum Bischof von Ferrara ernannte.389 Sowohl bei Heinrich VII. als auch bei Clemens V. bezieht sich die Bezeichnung princeps Romanus als Oberbegriff auf den römischen Herrscher, sei es mit dem Titel »König« vor oder mit dem Titel »Kaiser« nach der Kaiserkrönung. Ob sich Ludwig der Bayer bei der Wahl dieser Bezeichnung für sein Herrscheramt lediglich an den Urkunden seines Vorgängers orientierte oder – was bei Johannes von Jandun als Empfänger zumindest möglich erscheint – doch der politischen Theorie des Defensor pacis Ausdruck verlieh, kann wohl nicht entschieden werden.390 Die für den Kaiser im Mittelalter übliche Bezeichnung imperator wird im Defensor pacis mit einer politischen Deutung des Begriffs verbunden: »In dieser Weise wählten sich auch die Krieger in Kriegszeiten einen Hauptmann, den sie in alter Zeit Kommandant oder Imperator zu nennen pflegten; indessen ist die Bezeichnung Imperator auf eine gewisse Form der königlichen Monarchie, die allerhöchste nämlich, übertragen worden, und so gebraucht man sie in unserer Zeit.«391
Der Rückgriff auf die ursprüngliche Bedeutung von Imperator als militärischer Befehlshaber wird begleitet von dem Hinweis, daß diejenigen, die seinem Befehl unterstanden, ihn dazu wählten. Damit spricht Marsilius zwei Parallelen zu seinem Verständnis vom Kaisertum seiner Zeit an: Jemand wird dadurch zum imperator, daß er gewählt wird, und er wird – allein – von denjenigen gewählt, die dem Befehlsbereich des Gewählten angehören. Die Abgrenzung zu anderen Formen der Herrschaft fällt vage aus: Unter allen Formen der königlichen Monarchie ist das Kaisertum die höchste Form. An dieser Stelle wird damit nur auch als Exponent der ghibellinischen Kaiseridee anzusehen ist, meint Bock, Reichsidee, 1943, S. 240 – 241. Über den Einfluß der ghibellinischen Denkschrift bereits auf die Appellationen Ludwigs vgl. ebenda, S. 210. 389 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 444, S. 366 – 368, hier § 6, S. 368, Z. 25 – 31: »Institutionem autem prefati episcopi, pastoris et administratoris per nos factam in persona supradicti magistri Iohannis volumus in robore continuo duraturam, nisi per nos immediate tantummodo aud successores nostros Romanos principes fuerit revocata, privilegia quoque, rescripta vel concessiones per predecessores nostros vel alios quoscumque iudices ecclesiasticos aud seculares in contrarium premisse institutionis factas per nostram auctoritatem, cleri et Romani populi ex certa causa et scientia tenore presentium per omnia revocantes.« (Hervorhebung von mir.) Vgl. ausführlich zu dieser kaiserlichen Bischofsernennung unten S. 403 – 407. 390 Zur These, daß seit dem Romzug einzelne Formulierungen und Motive des Defensor pacis gelegentlich in den Arengentext kaiserlicher Urkunden eingegangen sind, vgl. unten S. 421–430. 391 DP II, 15, § 7, ed. Scholz, 1932/33, S. 332, Z. 8 – 13: »Hoc eciam modo militantes in bellicis sibi eligunt capitaneum, quem preceptorem seu imperatorem antiquitus solebant dicere, quamvis nomen hoc, imperator scilicet, ad regalis monarchie modum quendam aut speciem aliarum quasi supremam translatum fuerit, et taliter hiis temporibus usitentur.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 607.
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Das Kaisertum
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ein Ehrenvorrang für das Kaisertum ausgesprochen; von Vorrechten ist an dieser Stelle nicht die Rede. Marsilius’ Ausführungen zur Bezeichnung des Kaisers lassen auch erkennen, daß er die Möglichkeit, das Kaisertum als Heerkaisertum zu legitimieren,392 entweder nicht kennt oder bewußt ausschlägt. Bei der Erörterung der akzidentiellen Eigenschaften und Unterschiede zwischen den Priestern393 führt Marsilius einen Brief des Hl. Hieronymus an, in dem dieser erläutert, wie die Priester der Diözese Alexandria einen aus ihrer Mitte zum Bischof wählen, nämlich auf die Weise, wie wenn »das Heer den Kaiser macht«.394 Marsilius fügt in das Zitat die Erläuterung ein: »[…] das heißt zum Kommandanten oder Hauptmann nach dem heutigen Sprachgebrauch, freilich nicht in dem Sinn, wie Imperator nach dem heutigen Sprachgebrauch eine Form des Monarchen meint«.395 Das Heerkaisertum kommt bei Marsilius also nicht vor. Marsilius will dieses spätantike Vorbild eines Kaisertums ohne Bezug zu Papst und zur christlichen Kirche, das der mittelalterliche Chronist Widukind im Fall Ottos des Großen für die Idee eines Heerkaisertums, das auch unabhängig von Rom ist, verwendet, nicht für einen Angriff auf die papalistische Idee des Kaisertums nutzen. Es hat keinen Platz in seiner politischen Theorie.
4.2.3 Die Kaiserkrönung Trotz der Bedeutung, die die Kaiserkrönung für die kuriale Kaisertheorie und den päpstlichen Approbationsanspruch besitzt, äußert sich Marsilius nur an einer Stelle im Defensor pacis explizit zur Kaiserkrönung: »Einige der römischen Herrscher (principes) hatten nämlich nach den Zeiten Konstantins den Wunsch, ihre vollzogene Wahl den römischen Päpsten freundschaftlich zu verkünden, um in deren Person Christus eine besondere Ehrerbietung zu erweisen und um von ihm durch Vermittlung der Päpste in reicherem Maße Segen und Gnade für ihre 392 Zum Heerkaisertum vgl. Edmund E. Stengel, Der Heerkaiser (Den Kaiser macht das Heer), Studien zur Geschichte eines politischen Gedankens, in: ders., Abhandlungen und Untersuchungen zur Geschichte des Kaisergedankens im Mittelalter, Köln/Graz 1965, S. 1 – 170; Schulze, Grundstrukturen, Bd. 3: Kaiser und Reich, 1998, S. 264 – 266. 393 Vgl. zu Marsilius’ Unterscheidung zwischen essentiellen und akzidentiellen Gewalten der Priester unten S. 148 f. 394 DP II, 15, § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 333, Z. 7 – 10: »Nam et in Alexandria a Marco evengelista usque ad Hercidam et Dionysium episcopos presbyteri semper unum de se electum et in excelsiori gradu collocatum, episcopum nominabant; quomodo, si exercitus imperatorem faciat«. 395 DP II, 15, § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 333, Z. 11 – 13: »[…] id est preceptorem seu capitaneum secundum modernum usum, non quidem secundum modernum quod imperator modum monarche dicit usu moderno«. Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 609.
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Zur politischen Theorie des Marsilius von Padua
Regierung des Kaiserreichs zu erhalten. Und in derselben oder fast gleichen Weise ließen sich einige (imperatores), wegen der Feierlichkeit und als Zeichen ihrer Inthronisation (inthronizacio) und um die Gnade Gottes in höherem Maße zu gewinnen, das königliche Diadem von den römischen Päpsten aufsetzen (imponere). Erteilt diese Krönung (impositio) dem römischen Pontifex mehr Macht über den römischen Herrscher (princeps) als dem Erzbischof von Reims über den König der Franken? Wer will das behaupten? Denn derartige Feierlichkeiten verleihen nicht die Autorität, sondern verkünden (significant) [vielmehr], daß sie [bereits] erworben oder verliehen wurde.«396
Marsilius geht es hier vor allem um die Bedeutung des Papstes für die Kaiserkrönung. Dessen Beteiligung als Koronator vermittele lediglich in höherem Maße, als andere Koronatoren es vermöchten, Gottes Gnade und diene einer besonderen Feierlichkeit. Damit macht Marsilius durchaus noch einen Unterschied zwischen der Kaiserkrönung und Königskrönungen, jene soll den höheren Rang des so Gekrönten ausdrücken. Der Papst wird aber als entbehrlich für die Krönung erklärt, seine Teilnahme zum bloßen liturgischen Dienst. Rechte sollen aus der Kaiserkrönung weder für den Gekrönten noch für den Koronator entstehen. In dieser Hinsicht soll die Kaiserkrönung an die rechtliche Funktion von Königskrönungen angeglichen werden. Marsilius’ rhetorische Frage, ob der Papst aus der Krönung des Kaisers mehr Rechte ableiten kann als der Erzbischof von Reims aus der Krönung des französischen Königs, enthält die Feststellung, daß die in den christlichen Reichen übliche Königskrönung dem Koronator keine Rechte verleiht, sondern vielmehr als dessen Pflicht angesehen wird. Im allgemeinen bewertet Marsilius die Krönung – in auffallend nominalistischer 396 DP II, 26, § 4, ed. Scholz, 1932/33, S. 489, Z. 28 – S. 490, Z. 13: »Voluerunt enim Romanorum principum quidam citra tempora Constantini eleccionem de se factam amicabiliter significare Romanis pontificibus, ut in eorum persona Christo singularem reverenciam exibentes ab eo per pontificum intercessionem ampliorem benediccionem et graciam ad suum gubernandum imperium obtinerent. Eodemque aut consimili quasi modo, propter sue intronizacionis solempnitatem et signum et ampliorem Dei graciam obtinendam, Romanorum quidam imperatores diadema regium imponi sibi fecerunt per Romanos pontifices. Quam siquidem imposicionem pontifici Romano plus auctoritatis tribuere super Romanum principem, quam Remensi archiepiscopo super regem Francorum, quis dicet? Non enim conferunt huiusmodi solempnitates auctoritatem, sed habitam vel collatam significant.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 887. Seine Übersetzung des letzten Satzes bleibt jedoch etwas unklar : »Denn derartige Feierlichkeiten verleihen keine Autorität, sondern sind (nur) Ausdruck für Besitz und Verleihung.« Besser ist die Übersetzung von Gewirth, Marsilius of Padua, Bd. 2, 1956, S. 346: »For such solemnities do not bestow authority ; they only signify that authority is had or that it has been bestowed.« Ganz ähnlich übersetzt Quillet, Marsile de Padoue, 1968, S. 471: »Car des solennit8s de ce genre ne confHrent pas d’autorit8, mais elles signifient que cette autorit8 est acquise ou reÅue.« Am deutlichsten übersetzt jedoch Marsilius of Padua, The Defender of the Peace, ed. Brett, 2005, S. 451: »For these kinds of solemn ceremonies do not confer authority, but are rather a sign of authority already held or conferred.«
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Das Kaisertum
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Sprechweise – nur als Zeichen, das zeigen soll, welche Amtsgewalt in einem anderen, einem bereits vorausgegangenen Akt erworben wurde. Die Frage stellt sich, wozu eine Kaiserkrönung noch benötigt wird, die dem Gekrönten dadurch keine weiteren Rechte verschafft. Marsilius sagt hier, daß die Kaiserkrönung die bereits erworbene Autorität verkünden oder demonstrieren soll. Als Fragen schließen sich an: wem und wozu? Auch wenn Marsilius sich auf alle Arten von Krönungen bezieht, kann hier doch gerade der Sinn der Kaiserkrönung erkannt werden. Die Kaiserkrönung in Rom soll der christlichen Öffentlichkeit im Abendland den besonderen Status vor Augen führen, der durch die Wahl in Frankfurt erworben wurde. Auch wenn nicht jeder gewählte Kaiser seine Kaiserkrönung in Rom durchgeführt hat oder durchführen wird, so dient die regelhafte Krönung in Rom doch dazu, das Herrscheramt als römisches Kaisertum zu stabilisieren. Dadurch daß der Kaiserkrönung einerseits die Übertragung von Rechten ganz abgesprochen wird, und andererseits ihre Bedeutung hauptsächlich in der Darstellung des mit der Wahl erworbenen Amtes und den damit verbundenen Rechten liegen soll, trägt die Kaiserkrönung – gleichsam zurückwirkend auf die Wahl – dazu bei, die Wahl durch die Kurfürsten über die Königswahl hinaus als vollgültige Kaiserwahl zu etablieren. Zur Zeremonie oder zum Verlauf einer Kaiserkrönung findet man im Defensor pacis keine detaillierte normative Äußerung. Aber in De translatione imperii gibt Marsilius eine eigene Darstellung der Kaiserkrönung Karls des Großen, die zumindest einige Schlußfolgerungen erlaubt, vor allem dann, wenn man sie mit Landolfos Darstellung vergleicht: »Am selben feierlichsten Tag der Geburt Christi nämlich, als der ruhmreichste König Karl sich während der Messe, die vor dem Märtyrergrab des heiligen Petrus gelesen wurde, demütig vom Gebet erhob, setzte Papst Leo [III.], nachdem er im voraus alle möglichen erforderlichen Dinge für eine solche Feierlichkeit angeordnet hatte, feierlich die kaiserliche Krone auf dessen Haupt, und von dem gesamten römischen Volk (cunctus populus Romanus) wurde akklamiert: ›Karl, dem Augustus, dem von Gott gekrönten, großen und friedenbringenden Kaiser, sei vom Himmel Leben und Sieg gegeben.‹ Diese Krönung aber durch Papst Leo und die Akklamation der Kaiserlaudes durch das Volk berichten alle Geschichtswerke. Danach aber ist er, nach Sitte der antiken Principes, von allen uneingeschränkt verehrt worden und, nachdem er den Titel des Patricius abgelegt hatte, ist er von allen Imperator Augustus genannt worden.«397 397 DTI, Kap. 9, ed. Jeudy, 1979, S. 420, Z. 1 – 12: »Ipsa siquidem celeberrima Nativitatis Christi die, cum rex Karolus gloriosissimus in missa ante confessionem beati Petri surgebat ab oratione devote, Leo papa sollemniter praeordinatis quibuslibet ad tantam sollemnitatem necessariis, coronam imperialem capiti eius imposuit, et a cuncto Romano populo acclamatum est: Karolo Augusto, a Deo coronato, magno et pacifico imperatori, vita et victoria de caelo subministretur. Hanc siquidem coronationem per Leonem papam et imperialium laudum acclamationem per populum, omnes historiae ponunt. Post praedicta vero, more
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Zur politischen Theorie des Marsilius von Padua
Marsilius verstärkt bei seiner Darstellung gegenüber Landolfo zwei Dinge: die Mitwirkung des römischen Volkes und die Akklamation als Bestandteil der Krönung. Marsilius’ zweite Erwähnung der Kaiserlaudes als acclamatio per populum ist für sich genommen nicht ungewöhnlich, Landolfo hat an dieser Stelle aber eine bloße exclamatio, die unspezifisch per plurimum vorgenommen wird,398 so daß Marsilius’ Abänderung von Landolfos Vorlage eine Verstärkung dieser beiden Elemente darstellt. Aber auch wenn Marsilius die Beteiligung des römischen Volkes gegenüber Landolfo betont, so ist sie aber doch auf die Laudes beschränkt. Dies ist die einzige Erwähnung des populus Romanus im Zusammenhang mit der Kaiserkrönung in Marsilius’ Werken. Es muß daher gegen Teile der Forschung festgehalten werden: Es ist nicht erkennbar, daß Marsilius dem römischen Volk eine weitergehende Beteiligung bei der Kaiserkrönungszeremonie zugesteht als in der Tradition der Kaiserkrönungen üblich. Auch in De translatione imperii gesteht Marsilius dem Kaiser den Titel erst durch die Krönung zu. Die Darstellung Landolfos ist so pointiert, daß Marsilius’ Verzicht auf eine Textänderung als Zustimmung gewertet werden muß. Marsilius findet sogar Gelegenheit, seiner Überzeugung, daß erst die Krönung den Titel verleiht, an anderer Stelle aus eigenem Antrieb Geltung zu verschaffen, indem er wiederum Landolfos Aussage durch eine Einfügung verändert: »Karl hat aber das römische Kaiserreich 14 Jahre lang regiert, zuvor hatte er auch die regna Francia und Germania regiert, [und zwar] 33 Jahre lang, während derer wir ihn in den Geschichtswerken allein als König und Patricius bezeichnet finden. Aber vom 33. Jahr an, nach [der Krönung mit] der Kaiserkrone, bezeichnen ihn alle Annalen, alle Gesta und alle Geschichtswerke, die ihn erwähnen, ohne irgendeine Abweichung als Imperator Augustus.«399 antiquorum principum, fuit ab omnibus universaliter adoratus et ablato Patricii nomine, Imperator Augustus est ab omnibus appellatus.« Vgl. Landolfo, Kap. 7, ed. Goldast, 1614, S. 94, Z. 9 – 17: »[…] ipsa die celeberrima nativitatis Domini. Cum rex Carolus in missa, ante confessionem Petri surgeret ab oratione devota, Leo Papa solenniter ordinatis omnibus ad tantam solennitatem necessariis, coronam imperialem capiti eius imposuit, et a cuncto populo Romano acclamatum est: Carolo Augusto a Deo coronato, magno et pacifico Imperatori, vita et victoria de coelo sibi ministretur. Hanc siquidem orationem, per Leonem Papam, et imperalium [sic!] laudum exclamationem, per plurimum omnes historiae canunt. Sed post praedicta, more antiquorum principum, fuit ab omnibus universaliter adoratus. Et ablato Patricii nomine Imperator Augustus est ab omnibus appellatus.« 398 Dies kann jedoch nur eine vorläufige Feststellung sein, da die Textgrundlage für Landolfos Traktat der unkritische und nicht fehlerfreie Druck bei Goldast ist. 399 DTI, Kap. 9, ed. Jeudy, 1979, S. 422, Z. 1 – 6: »Rexit autem praedictus Karolus Romanum Imperium 14 annis, regna quoque Franciae atque Germaniae rexerat ante, annis 33bus, quibus eum regem solum et patricium invenimus ab historiis nominari. Sed a 338 anno, post dictam imperialem coronam, ipsum Imperatorem Augustum, omnes annales, omnia gesta omnesque historiae, facientes mentionem de ipso, sine aliqua varietate describunt.« Vgl. Landolfo, Kap. 7, ed. Goldast, 1614, S. 94, Z. 17 – 20: »Rex autem praedictus Carolus, Romanum imperium XXXIIII annis tenuit. Post dictam imperialem coronam, ipsum Impe-
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Das Kaisertum
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Marsilius fügt an der Stelle, an der Landolfo die Herrschaftsdauer Karls des Großen erwähnt, eine Passage ein. Im Unterschied zu Landolfo unterscheidet Marsilius deutlich zwischen der Herrschaft Karls des Großen in der Zeit vor der Kaiserkrönung und danach. Während Landolfo davon spricht, daß Karl der Große bereits 33 Jahre lang das imperium Romanum regiert hatte, bevor er zum Kaiser gekrönt wurde, regierte Karl der Große in Marsilius’ Darstellung zunächst nur Königreiche und erst danach das römische Kaiserreich mit dem Titel eines Kaisers. In der Zusammenfassung seines Traktats kommt Marsilius noch einmal auf die Bedeutung der Kaiserkrönung und des Papstes als Koronator zurück: »Und danach, in der Zeit Gregors V., ist die Wahl des römischen Kaisers den sieben genannten Fürsten in Deutschland zugestanden worden, die bis in heutige Zeiten den Kaiser wählen, der zur [Erhöhung der] Feierlichkeit, aber nicht wegen irgendeiner Notwendigkeit, vom römischen Bischof zu krönen ist.«400
In der Forschung wurde diese Stelle meist so interpretiert, daß Marsilius soweit ginge, die Kaiserkrönung überhaupt für unnötig zu erklären. Das ist aber nicht der Fall. Marsilius spricht zunächst die verschiedenen Instanzen an, die an der Erhebung des Kaisers mitwirken. Es sind die sieben Kurfürsten, die ihn zum Kaiser wählen, und es ist der römische Bischof, der ihn krönt. Die Einschränkung, die Marsilius gegenüber Landolfo macht, bezieht sich nicht auf die Notratorem Augustum, omnes annales, omnia gesta, omnesque historiae, quae de ipso faciunt mentionem, sine aliqua varietate describunt.« 400 DTI, Kap. 12, ed. Jeudy, 1979, S. 430, Z. 23 – S. 432, Z. 1: »Et postmodum tempore Gregorii quinti, electionem Imperatoris Romani septem principibus Alamanniae praedictis fuisse concessam, qui usque ad moderna tempora Imperatorem eligunt ad sollemnitatem, non quidem propter necessitatem aliquam, per Romanum episcopum coronandum.« Vgl. Landolfo, Kap. 10, ed. Goldast, 1614, S. 95, Z. 24 – 26: »[…] ac postmodum per Gregorium quintum, electionem Imperii Romani septem principibus Alamanniae praedictis fuisse concessam, qui vique ad moderna tempora Regem Romanorum eligunt, per Romanum Pontificem coronandum.« Watson und Nederman, 1993, S. 81, übersetzen: »Later, in the time of Gregory V, the election of the Roman Emperor was granted to the seven German princes previously mentioned, who right up to modern times have selected the Roman Emperor, who is crowned by the Bishop of Rome for the sake of ceremony rather than on account of some necessity.« Jeudy, 1979, S. 431/433 übersetzt: »Par la suite, au temps de Gr8goire V, on d8cida de l’8lection de l’Empereur romain par les sept princes d’Allemagne; ce sont eux, jusqu’/ pr8sent, qui 8lisent l’Empereur que l’8vÞque de Rome couronne sollennellement, non certes en vertu d’une quelconque n8cessit8.« Zuvor hieß es schon, DTI, Kap. 11, ed. Jeudy, 1979, S. 428, Z. 14 – 16: »Fuit ergo institutum, ut septem proceres officiales Imperii Regem Romanorum eligerent, per romanum pontificem imperiali diademate coronandum […].« – »Es ist daher eingerichtet worden, daß sieben Fürsten als Amtsträger des Kaiserreiches den König der Römer wählen, der vom römischen Pontifex mit der kaiserlichen Krone zu krönen ist«. Vgl. Landolfo, Kap. 9, ed. Goldast, 1614, S. 95, Z. 4 – 6: »Fuit igitur per dictum Pontificem institutum, ut septem proceres officiales, Imperatorem Regem Romanorum eligerent, et per summum pontificem confirmandum, et imperiali diademate coronandum.«
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wendigkeit der Kaiserkrönung selbst – sie ist nötig, um den Besitz des Amts zu demonstrieren und um den Kaisertitel führen zu dürfen –, sondern auf die Beteiligung des römischen Bischofs an dieser Krönung. Die necessitas bezieht sich auf per Romanum episcopum und nicht auf coronandum. Anders als Landolfo bezeichnet Marsilius den Papst hier als römischen Bischof und nicht als römischen Pontifex, wie zuvor im Defensor pacis, wo er bereits eine ganz ähnliche Aussage trifft.401 Der Akzent scheint hier daher vor allem auf Romanum zu liegen. Damit würde Marsilius die Alternative zum Papst als Koronator andeuten. Daß die Kaiserkrönung traditionell vom römischen und nicht von einem anderen Bischof vollzogen wird, ist keiner unbedingten Notwendigkeit geschuldet, sondern erhöht lediglich die Feierlichkeit der Zeremonie gegenüber einer Kaiserkrönung, die von einem Bischof aus irgendeiner anderen Diözese vollzogen wird. Die Beteiligung des Papstes an der Kaiserkrönung ist insofern nicht notwendig, als auch ein anderer Koronator die Krönung durchführen könnte, ohne daß der Erwerb der kaiserlichen Würde und des Titels beeinträchtigt wäre. Ob – mit Blick auf die Kaiserkrönung Ludwigs des Bayern – auch Laien an die Stelle des Papstes treten dürften, bleibt im Defensor pacis und in De translatione imperii offen. Festzuhalten ist jedoch, daß Marsilius ausdrücklich nicht auf den göttlichen Segen, der durch die Krönung vermittelt wird, verzichten will. Die Beteiligung von Geistlichen ist bei der Krönungszeremonie daher unentbehrlich. Die Herrschergewalt hat auch bei Marsilius ihre causa remota in Gott.402 Allerdings sind traditionell neben dem Papst noch andere Bischöfe an der Kaiserkrönung beteiligt. Eine Kaiserkrönung, bei der die eigentliche Krönungshandlung durch Laien ausgeübt würde, müßte nicht auf die Beteiligung von Bischöfen verzichten, die die Weihe und die Salbung spenden.403 Ein weiteres interpretationsbedürftiges Element in dieser Passage ist das Gerundivum coronandum bei Landolfo und bei Marsilius. Es kann als Verpflichtung des zum Kaiser Gewählten verstanden werden, sich krönen zu lassen, oder als Verpflichtung des Koronators, den Gewählten zu krönen. Die Verwendung eines Gerundivums in diesem Zusammenhang geht auf die Bulle Venerabilem von Papst Innozenz III. im Jahr 1202 zurück, bei der die Formel rex in imperatorem promovendus mit den damit verbundenen Interpretationsmöglichkeiten eingeführt wurde.404 Bei Landolfo bedeutet die Verwendung des Gerundivums die Pflicht des Gewählten, sich vom Papst krönen zu lassen, um Kaiser sein zu können. Marsilius meint damit die Pflicht des Papstes, den Gewählten zu krönen, indem er eigens darauf hinweist, daß für diesen die Krönung 401 402 403 404
Vgl. oben S. 121 f. DP I, 9, § 2, ed. Scholz, 1932/33, S. 39 – 40, bes. S. 40, Z. 8. Vgl. unten die Ausführungen zum Krönungsordo S. 240 f. MGH Const. II, 1896, Nr. 398, S. 505 – 507. Zu den unterschiedlichen Interpretationen vgl. Schubert, Einführung, 1992, S. 218.
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durch den Papst keine Notwendigkeit bedeutet. Schließlich ändert Marsilius die Bezeichnung desjenigen, den die Kurfürsten wählen: Bei Marsilius wählen sie bereits den Kaiser, bei Landolfo nur den König. Marsilius will damit nicht den Erwerb des Kaisertitels mit der Kurfürstenwahl verbinden, genausowenig wie Landolfo, der an anderer Stelle ebenfalls von der Wahl des Kaisers spricht. Aber er will auch hier deutlich machen, daß zum Erwerb der kaiserlichen Gewalt nichts weiter erforderlich ist als die Wahl. Die Kaiserkrönung wird bei Marsilius ein Recht des zum Kaiser Gewählten, das der Kaiser mit Vorzug beim Papst einlösen sollte. Festzuhalten ist, daß Marsilius eine Krönung lediglich als konstitutives Element einer Herrschererhebung ablehnt, nicht aber die Zeremonie als solche. Auf die Krönungen soll nicht verzichtet werden. Krönungen haben die Funktion und ihre Berechtigung daher, daß sie bereits rechtmäßig erworbene Regierungs- und Herrschergewalt demonstrieren und den göttlichen Segen dafür einholen. Für den von den Kurfürsten gewählten Herrscher sind dies mehrere Regierungs- und Herrschergewalten. Sie werden mit den unterschiedlichen Krönungen in Aachen, in Rom und auch in Mailand demonstriert. Wenn Marsilius die Kaiserkrönung durch den Papst für entbehrlich erklärt, dann soll nicht die Kaiserkrönung als solche entbehrlich sein, sondern vielmehr, daß es der Papst ist, der sie durchführt oder autorisiert. Die Perspektive und Handlungsoption einer Kaiserkrönung mit einem anderen Koronator, der vom Kaiser bestimmt wird, wird hier deutlich.
4.2.4 Der populus Romanus Eine besondere Rolle im mittelalterlichen theoretischen Denken über das Kaisertum hat der Begriff des populus Romanus gespielt. Das römische Volk, verstanden als die Bürger der Stadt Rom, wurde in der römischen Theorie des Kaisertums als Träger oder als Quelle des Kaisertums postuliert, das im Sinne dieser Theorie von der Forschung auch als stadtrömisches Kaisertum bezeichnet wurde.405 Diese Auffassung vom stadtrömischen Kaisertum wurde im Laufe des 405 Vgl. Konrad Burdach, Rienzo und die geistigen Wandlungen seiner Zeit, zwei Hälften (Vom Mittelalter zur Reformation. Forschungen zur Geschichte der deutschen Bildung, 2. Bd.: Briefwechsel des Cola di Rienzo, erster Teil), Berlin 1913 – 1928; Ernst Schoenian, Die Idee der Volkssouveränität im mittelalterlichen Rom, Leipzig 1919; Paul Schmitthenner, Die Ansprüche des Adels und Volks der Stadt Rom auf Vergebung der Kaiserkrone während des Interregnums (Historische Studien, Heft 155), Berlin 1923; Folz, Concept, 1969, bes. S. 90 – 97, 121 – 131; Jürgen Strothmann, Kaiser und Senat. Der Herrschaftsanspruch der Stadt Rom zur Zeit der Staufer (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte, Heft 47), Köln/Weimar/Wien 1998; Hans K. Schulze, Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, Bd. 3: Kaiser und Reich, Stuttgart/Berlin/Köln 1998, S. 267, deutet in seinem Überblick über die
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Mittelalters mehrfach unter verschiedenen Umständen und von verschiedenen Instanzen zum Ausdruck gebracht. Im 12. Jahrhundert, nach der Neugründung des Senats, unterbreitete die Stadt Rom unter Führung von Arnold von Brescia Konrad III. und Friedrich I. jeweils Krönungsangebote, die von diesen jedoch zurückgewiesen wurden.406 Im 13. Jahrhundert, in der Zeit des Interregnums, bot König Manfred von Sizilien, der illegitime Sohn Kaiser Friedrichs II., den Bürgern Roms an, daß er sich von ihnen zum Kaiser krönen lassen wollte.407 Und in der Mitte des 14. Jahrhunderts, nachdem die Päpste bereits mehrere Jahrzehnte in Avignon verblieben waren, vertrat der Römer Cola di Rienzo die Idee, daß die Stadt Rom das Kaisertum zu vergeben habe.408 In der älteren Forschung erschienen die Päpste einerseits und das römische Volk andererseits als die natürliche Alternative bei der Begründung des Kaisertums.409 Im Hinblick auf den Romzug Ludwigs des Bayern ist vermutet worden, daß die Beteiligung von Repräsentanten der römischen Bürgerschaft an der Kaiserkrönung Ludwigs deswegen auf den Einfluß des Marsilius zurückzuführen sei, weil dieser die stadtrömische Theorie des Kaisertums vertreten habe, als deren Umsetzung Ludwigs Kaiserkrönung anzusehen sei.410 Tatsächlich verwendet Marsilius den Begriff populus Romanus in De translatione imperii im Zusammenhang mit der Kaiserkrönung Karls des Großen, allerdings folgt er darin weitgehend seiner Vorlage Landolfo.411 An anderen Stellen benutzt er diesen Begriff nur selten und mit marginaler Bedeutung. Allein im Defensor minor wendet Marsilius sich diesem Begriff zu, und zwar in dem besonderen Zusammenhang der Begründung der universalen Befugnisse des Kaisers im Hinblick auf das allgemeine Konzil und die Erhaltung der Glaubenseinheit der Christenheit. Da das Konzil selbst nach Marsilius keine zwingende Gewalt ausüben kann, bedarf es im Ursprung der Autorität des »höchsten menschlichen Gesetzgebers«, der es einberuft und seinen Beschlüs-
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»Verfassungs- und ideengeschichtlichen Erscheinungsformen des Kaisertums« die Ansprüche der Stadtrömer auf die Vergabe des Kaisertums jedoch nur kurz an; vgl. auch die Quellensammlung von Eugenio DuprH-Theseider, L’idea imperiale di Roma nella tradizione del medioevo (Documenti di storia e di pensiero politico, Bd. 17), Mailand 1942. Vgl. zu den Quellen Strothmann, Kaiser und Senat, 1998, S. 128 – 181; Folz, Concept, 1969, S. 94 – 97. Das Manifest Manfreds kritisch ediert in L’idea imperiale di Roma, ed Dupr8 Theseider, 1942, S. 216 – 229; zuvor in MGH Const. II, 1896, Nr. 424, S. 558 – 565; vgl. Strothmann, Kaiser und Senat, 1998, S. 422 – 435. Die Quellen sind ediert im Rahmen einer grundlegenden Untersuchung von Konrad Burdach und Paul Piur, Der Briefwechsel des Cola di Rienzo, 5 Teile (Vom Mittelalter zur Reformation. Forschungen zur Geschichte der deutschen Bildung, 2. Bd.), Berlin 1912 – 1929; vgl. Folz, Concept, 1969, S. 152 – 155. Eichmann, Kaiserkrönung, Bd. 1, 1942, S. 329. Vgl. die Diskussion unten S. 308 ff. Vgl. oben S. 123 f.
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sen Rechtskraft verleiht.412 Diesen definiert Marsilius im 12. Kapitel des Defensor minor, das den Kern von Marsilius’ Theorie des Kaisertums enthält, so: »[…] der höchste menschliche Gesetzgeber war, besonders seit der Zeit Christi bis zur gegenwärtigen Zeit, und vielleicht für einige Zeit zuvor, und ist und muß sein der [Gesetzgeber] der Gesamtheit der Menschen, die der Vorschrift des zwingenden Gesetzes unterworfen sein müssen, oder deren gewichtigerer Teil, in den einzelnen Gegenden (regiones) und Provinzen (provinciae). Und weil diese Gewalt und Autorität durch die Gesamtheit der Provinzen oder durch deren gewichtigeren Teil auf das römische Volk (populus Romanus) übertragen wurde, wegen der überlegenen Tugend desselben, hatte und hat das römische Volk die Autorität, Gesetze über alle Provinzen der Welt zu geben. Und insoweit dieses Volk die Autorität, Gesetze zu geben, an seinen Herrscher (suus princeps) übergeben hat, muß entsprechend gesagt werden, daß der Herrscher dieses Volks eine solche Gewalt besitzt, allerdings muß deren Autorität oder Gewalt, Gesetze zu geben, nämlich die des römischen Volkes und seines Herrschers, vernünftigerweise so lange andauern und wird so lange andauern, bis sie durch die Gesamtheit der Provinzen vom römischen Volk oder durch das römische Volk von dessen Herrscher zurückverlangt werden. Und wir fügen an, daß derartige Gewalten gebührend widerrufen sind oder zu widerrufen sind, sobald die Gesamtheit der Provinzen, selbst oder durch Syndici, oder das römische Volk gebührend versammelt gewesen sein wird, und sie oder es, oder ihr oder sein gewichtigerer Teil, einen entsprechenden Beschluß über den Widerruf gefaßt haben wird, wie wir im 12. Kapitel der ersten Dictio [des Defensor pacis] gesagt und gezeigt haben.«413
Marsilius löst damit das Problem, wie er ihm Rahmen seiner Theorie dem Kaiser die Befugnis zuerteilen kann, für die gesamte christliche Menschheit – allerdings allein zur Gewährleistung der Einheit des Glaubens – zwingende Gesetze zu erlassen. Diese kann nach den Grundsätzen, wie sie in dem angeführten Kapitel 412 Vgl. unten S. 157 ff. 413 DM 12, § 1, ed. Jeudy, 1979, S. 254, Z. 7 – 26: »[…] supremus legislator humanus praesertim a tempore Christi usque in praesens tempus, et ante fortassis per aliqua tempora, fuit et est et esse debet universitatis hominum, qui coactivis legis praeceptis subesse debent, aut ipsorum valentior pars, in singulis regionibus atque provinciis. Et quoniam haec potestas sive auctoritas per universitatem provinciarum, aut ipsorum [ipsarum] valentiorem partem, translata fuit in Romanum populum, propter excedentem virtutem ipsius, Romanus populus auctoritatem habuit et habet ferendi leges super universas mundi provincias, et si populus hic auctoritatem leges ferendi in suum principem transtulit, dicendum similiter ipsorum principem habere huiusmodi potestatem, quorum siquidem auctoritas seu potestas leges ferendi (scilicet Romani populi et principis sui) tam diu durare debet et duratura est rationabiliter, quamdiu ab eisdem per universitatem provinciarum a Romano populo vel per Romanum populum ab eius principe fuerint revocatae. Et intendimus debite revocatas aut revocandas esse tales potestates, cum provinciarum universitas per se vel per syndicos vel Romanus populus debite fuerint congregati, et talem deliberationem de revocando fecerint, aut eorum valentior pars, quemadmodum diximus et monstravimus 12 primae.« Hier und im folgenden sind die Emendationen von Offler, Notes, 1982, kursiv gesetzt hinzugefügt. – Was Marsilius mit der valencior pars der Provinzen meint, wird nicht klar.
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DP I, 12, dargestellt sind, nur auf einer Ermächtigung durch die Gesamtheit der Menschen beruhen, die diesen Gesetzen unterworfen sind. Da in Marsilius’ Gegenwart eine derartige Autorisierung nicht geschehen ist und kaum geschehen würde, verlegt Marsilius sie erstens in die Zeit, in der das Römische Reich so weit ausgedehnt war, daß seine Bewohner fast als die ganze Menschheit angesehen werden können, und in der der erste legitime Kaiser regierte, und schaltet zweitens den populus Romanus als sowohl unentbehrliches als auch dauerhaftes Zwischenglied ein. Der oberste menschliche Gesetzgeber umfaßt grundsätzlich die Gesamtheit der Menschen, die nicht nur in den provinciae, die als spätere Bestandteile des Römischen Reiches verstanden werden müssen, sondern auch in den außerhalb des Reiches gelegenen regiones leben. Auch wenn nur die Provinzen ihr Gesetzgebungsrecht ausdrücklich an den populus Romanus übertragen haben, kann diese Annäherung wohl insoweit ausreichen, als die Ausdehnung der Christenheit als weitgehend deckungsgleich mit der Ausdehnung des Römischen Reiches aufgefaßt wurde. Erst die Übertragung von Gesetzgebungsbefugnissen, die jede einzelne Provinz nur für sich selbst besitzt, an den populus Romanus, schafft die Instanz, die Gesetze für die »gesamten Provinzen der Welt« geben kann. Damit vertritt Marsilius aber nicht die Auffassung, daß die Gesamtheit der Gesetzgebungsbefugnisse der Provinzen an den populus Romanus übergeben wurden.414 Vielmehr wird hier eine Art Subsidiaritätsprinzip deutlich, nach dem es einen höchsten, aber auch niedrigere Gesetzgeber geben kann und gibt. Den Vorgang der Übertragung der Gesetzgebungsbefugnis stellt Marsilius im Einklang mit seiner politischen Theorie als freiwillige Einwilligung der Provinzen in die Herrschaft der Römer dar.415 Nach diesem Übertragungsakt an das römische Volk soll dieses wiederum die so erworbene Befugnis, Gesetze für die gesamte Menschheit zu geben, an seinen Herrscher, also den Kaiser, übertragen haben. Dabei betont Marsilius, daß der populus Romanus diese Autorität nicht nur hatte, sondern immer noch selbst hat. Darüber hinaus kann er die Übertragung dieser Gesetzgebungsgewalt an den römischen Herrscher auch widerrufen. Das wirft die Frage auf, wer der populus Romanus in Marsilius’ Zeit ist, worauf sich der Terminus populus Romanus also bezieht und was seine Bedeutung ist. Marsilius selbst expliziert den Begriff nicht. Obwohl einzelne Forscher dem 12. Kapitel des Defensor minor 414 Nederman, Defensor pacis, 1995, S. 327. 415 DM 12, § 3, ed. Jeudy, 1979, S. 258, Z. 2 – 9: »Quinimmo plures provinciae considerantes bonitatem regiminis Romanorum, tranquille atque pacifice vivere volentes, propter earum evidentem utilitatem, elegerunt se sponte subiicere atque custodire per Romanum populum et ipsius principem supradictos. Unde Machabaeorum primae (8) scribitur, de Iuda Machabaeo de fratribus eius et toto populo Iudaico, quod sponte subdiderunt se in amicitiam sive regnum Romanorum, quod similiter est de reliquis mundi provinciis aestimandum«.
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intensive Aufmerksamkeit gewidmet haben,416 wurde die Frage, mit welcher Bedeutung Marsilius den Terminus populus Romanus in diesem Zusammenhang verwendet, kaum thematisiert,417 und daher entweder ohne weiteres oder ausdrücklich auf die Bewohner der Stadt Rom bezogen.418 Der staatsrechtliche Terminus populus Romanus hat im politischen Denken des Mittelalters durchaus verschiedene Bezüge erhalten. Der ursprüngliche Bezug von populus Romanus allein auf die Bewohner der Stadt Rom wird ausdrücklich auch von politischen Theoretikern wie Ockham vertreten.419 Im Mittelalter hat aber auch die projizierte Bedeutung als das Weltvolk oder die Christenheit eine große Rolle gespielt.420 Eine dritte, seiner Ausdehnung nach in der Mitte liegende Bedeutung, wie sie Lupold von Bebenburg vertritt, bezieht sich auf die gesamten Bewohner des Römischen Reiches,421 so wie es sich aufgrund der Veränderungen durch die translationes imperii gestaltet. Eine ähnliche Auffassung wurde – allerdings ohne Verwendung des Terminus populus Romanus – in dem Wahldekret der Fürsten von 1237 anläßlich der Wahl Konrads IV. vertreten.422 416 Wilks, Problem, 1963, S. 111 – 113; Quillet, Philosophie politique, 1970, S. 84 – 85; Nederman, Defensor pacis, 1995, S. 323 – 325; Garnett, Marsilius of Padua, 2006, S. 71 – 72. 417 Eine Ausnahme ist Folz, Concept, 1969, S. 158. 418 Explizit interpretiert Wilks, Problem, 1963, S. 112, den populus Romanus bei Marsilius als die Bewohner der Stadt Rom. 419 Vgl. Folz, Concept, 1969, S. 158 mit Anm. 33. 420 Vgl. Wilks, Problem, 1963, S. 189. 421 Lupold von Bebenburg, De iuribus regni et imperii, Kap. 12, ed. Miethke/Flüeler, 2004, S. 356, Z. 8 – 10: »Posset tamen satis probabiliter dici, quod populus Romanus sumendo ipsum non tantum pro populo civitatis Romanae sed pro toto populo imperio Romano subiecto«; vgl. seine Konkretisierung auf die deutschen Fürsten, ebenda, Kap. 17, S. 402, Z. 3 – 5: »Et intelligo populum Romani imperii connumeratis principibus electoribus ac eciam alijs principibus, comitibus et baronibus regni et imperii Romanorum.« Vgl. Wilks, Problem, 1963, S. 191. 422 MGH Const. II, 1896, Nr. 329, S. 440, Z. 14 – 21: »Nam quamquam in Urbis initiis, post memorabile Troianorum exitium et deletam tam inclitam civitatem, apud illius nove congregationis patres summa regni potestas et imperialis creationis suffragium resideret, ex successivis tamen et continuis incrementis imperii, postmodum calescente virtute tante fortune fastigium apud unicam civitatem, licet pre ceteris regiam, non potuit continueri. Sed postquam etiam remotissimos terminos quadam girovaga peregrinatione lustravit, tandem apud Germanie principes non minus probabili quam necesaria ratione permansit, ut ab illis origo prodiret imperii, per quos eiusdem utilitatis et defensio procurantur.« Die Übersetzung in Weinrich (Hg.), Quellen, 1977, Nr. 124, S. 502 – 509, hier S. 505: »Denn obgleich in den Anfängen der Stadt Rom nach dem denkwürdigen Ende der Trojaner und der Zerstörung ihrer so erlauchten Stadt, bei den Vätern dieser neuen Gemeinde die oberste Herrschaftsgewalt und das Wahlrecht bei der Kaiserwahl ruhte, konnte dann jedoch bei dem folgenden und unaufhaltsamen Wachstum des Reiches, als späterhin die Kraft erglühte, die Würde solchen Glückes nicht bei einer einzigen Stadt – und war sie auch königlich vor den anderen – festgehalten werden. Sondern nachdem sie auch die entferntesten Gegenden in einer Art wandernder Pilgerschaft ringsum durchzogen hatte, blieb sie endlich für immer bei den Fürsten Deutschlands aus genauso zweckvollem wie notwen-
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Zur Klärung von Marsilius’ Begriff müssen zwei Ebenen unterschieden werden: Die eine Ebene ist sein Bezug oder seine Referenz, die Antwort auf die Frage, was er bezeichnet, und die andere Ebene ist seine Bedeutung, die Antwort auf die Frage, welche Funktion er hat. Offensichtlich ist bereits aus dem 12. Kapitel des Defensor minor, daß Marsilius den die ganze Menschheit umfassenden Begriff des römischen Volkes nicht verwendet, da es die universitas hominum oder der oberste menschliche Gesetzgeber ist, der seine Gesetzgebungsbefugnisse an das »römische Volk« überträgt.423 Während sich der Begriff populus Romanus in Marsilius’ früheren Werken, im Defensor pacis und in De translatione imperii, immer auf die Bewohner Roms bezieht, ist ein in der Forschung vermuteter ausschließlicher Bezug des Begriffes auf die Stadt Rom im Defensor minor jedoch nicht mit Marsilius’ theoretischen Grundsätzen vereinbar. Marsilius verweist im 12. Kapitel des Defensor minor ausdrücklich auf DP I, 12, wonach es der Gesetzgeber einer politischen Gemeinschaft ist, der den Herrscher dieser politischen Gemeinschaft wählt bzw. derjenige, der im Ursprung die Befugnis hat, den Herrscher zu wählen, auch der Gesetzgeber ist. Der princeps Romanus wird aber nicht von den Bürgern der Stadt Rom gewählt, sondern im Ursprung vom populus oder der universitas civium des römischdeutschen Reiches. Diese, und nicht die Bewohner der Stadt Rom, sind auch der legislator dieses Reichs. Die Annahme, daß die Bürger der Stadt Rom eine fortbestehende Autorität besitzen, den römischen Herrscher mit einer besonderen kaiserlichen Gesetzgebungsgewalt zu versehen, stünde im Widerspruch zu allen anderen Aussagen, die Marsilius im Zusammenhang mit dem Kaisertum digem Grund, auf daß von denen der Ursprung des Kaisertums hervorginge, durch die ihr Nutz und Schutz besorgt wird.« 423 Das zeigt sich bereits in De translatione imperii, wo Marsilius auf Distanz zu Landolfo geht, der schon vor Beginn der kaiserlichen Monarchie das römische Volk, das unaufhörlich seine Herrschaft vergrößert, als die ganze menschliche Gattung verstehen will. DTI, Kap. 1, ed. Jeudy, 1979, S. 378, Z. 9 – 15: »Nam Romanus populus, a rege Romulo in Caesarem Augustum per 700 annos, ita per universam orbem virtuose ac potenter arma circumtulit, et omnia regna mundi propria virtute contrivit [= contribuit?], ut qui eius magnifica gesta legunt, non unius populi sed totius humani generis facta legere videantur, sic etiam ut ad constituendum eius Imperium humana virtus atque fortuna contendisse credantur.« – »Denn das römische Volk hat über 700 Jahre, von König Romulus bis Kaiser Augustus, seine Armee so tugendhaft und machtvoll durch die ganze Welt umhergeschickt und alle Königreiche der Welt durch die eigene Tapferkeit vereinigt, daß die, die von dessen großartigen Taten lesen, nicht die Taten eines Volkes, sondern der ganzen menschlichen Gattung zu lesen scheinen mögen, und so auch glauben mögen, daß menschliche Tugend und Glück gewetteifert haben, um dieses Reich zu errichten.« Vgl. Landolfo, Kap. 1, ed. Goldast, 1614, S. 89, Z. 15 – 23: »Romanus enim populus a rege Romulo in Caesarem Augustum per septingentos annos ita per universum orbem virtuose et potenter arma circuntulit, ita omnia regna mundi propria virtute contrivit, ut qui eius magnifica gesta legunt, non unius populi, sed totius humani generis facta intelligere arbitrentur. Totque laboribus, tot periculis, fortunaque varia iactus est, ut constituendo eius imperium, contendisse simul Romana virtus et fortuna videantur.«
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geäußert hat. Dazu gehören Marsilius’ Anstrengungen, die Wahl durch die Kurfürsten als den einzigen notwendigen Erhebungsakt des römischen Herrschers zu begründen und die vollständige Herrschergewalt, auch die des Kaisers, allein an diese Wahl zu knüpfen. Im Defensor minor zeigt sich an anderen Stellen, daß Marsilius den Begriff populus Romanus nicht mit Bezug auf die Stadtrömer, sondern auf das Reichsvolk verwendet. An mehreren Stellen gebraucht er mit Bezug auf seine Zeit das Begriffspaar princeps et populus Romanus, das die Einheit einer politischen Instanz repräsentieren soll.424 Das kann aber vor dem Hintergrund seiner politischen Theorie nur so verstanden werden, daß der populus Romanus des Defensor minor der populus oder legislator des römisch-deutschen Reiches ist. Jede Bindung des princeps Romanus an eine andere oder gesonderte politische Instanz, die die Stadtrömer innerhalb des römisch-deutschen Reiches darstellten, würde Marsilius’ Grundsatz von einer einheitlichen obersten Regierungsund Gesetzgebungsgewalt innerhalb einer politischen Gemeinschaft widersprechen. Ausdrücklich sagt er im Defensor pacis mit Bezug auf Rom: »Denn Rom ist mit Mainz und den übrigen Städten zusammen ein Staat oder Kaiserreich, jedoch aus keinem anderen Grund, als weil jede von ihnen durch ihren Willen einer gemeinsamen obersten Regierung zugeordnet sind.«425
Dieser Grundsatz der Einheit der Regierung schließt eine separate und partikulare Instanz mit universaler Gesetzgebungsbefugnis aus. Im Defensor minor den Begriff des populus Romanus mit dem ausschließlichen Bezug auf die Stadtrömer zu versehen, würde nicht nur im Rahmen von Marsilius’ politischer Theorie inkonsistent erscheinen, sondern ist auch unter politischen Gesichtspunkten unwahrscheinlich. Als Marsilius um 1340 den Defensor minor verfaßte, kann er kaum den Römern, die Kaiser Ludwig im August 1328 aus Rom vertrieben und als ihren Herrscher längst wieder den papsttreuen König von Neapel 424 DM 7, § 3, ed. Jeudy, 1979, S. 214, Z. 28 – S. 216, Z. 2: »Sed si fieret talis transitus ultramarinus pro cogendis infidelibus ad obediendum principi et populo Romano in praeceptis civilibus, et tributis debitis exhibendis, quemadmodum de iure tenentur, talis transitus, ut puto, meritorius esset censendus, quoniam ad pacem et tranquillitatem omnium civiliter viventium ordinatus.« – DM 12, § 4, ed. Jeudy, 1979, S. 258, Z. 29 – S. 260, Z. 4: »Unde non debent schismatici iudicari, quamvis Romanus episcopus cum suorum fratrum seu cardinalium coetu, id est fortassis inutiliter dicere videantur, quod per Romanum populum et principem corrigi debet, et utrorumque tam Graecorum quam Latinorum concilium convocari, quemadmodum fecit primus Constantinus, ut per idem concilium tolleretur huiusmodi schisma seu apparens dissensio, et in unitatem Christi reduceretur ecclesia tam sententiae quam verborum.« 425 DP I, 17, § 11, ed. Scholz, 1932/33, S. 119, Z. 16 – 20: »Roma namque cum Maguncia et reliquis communitatibus sunt unum regnum seu imperium numero, non aliter tamen, nisi quia unaqueque istarum ordinata est per voluntatem ad unum numero principatum supremum.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 217.
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angenommen haben, das Recht auf Widerruf und anderweitige Vergabe der kaiserlichen Vorrechte zugeschrieben haben. Wenn Marsilius auch keine eindeutige Begriffsklärung vornimmt, so kann doch wahrscheinlich gemacht werden, daß er den Begriff im Defensor minor in der Bedeutung des jeweiligen legislator des Römischen Reichs in jeder Phase seiner Geschichte verwendet und ihn dabei in der Anfangsphase auf die Bürger der Stadt Rom und schließlich in seiner Zeit auf die universitas civium des römisch-deutschen Reiches bezieht. Die Bedeutung, die Marsilius im Defensor minor dem Begriff populus Romanus gibt, weist einen Zusammenhang zum Begriff des imperium Romanum auf, wie er ihn in De translatione imperii verwendet. Dort unterscheidet er ausdrücklich zwei verschiedene Bedeutungen von imperium Romanum.426 Zu Beginn der Darstellung heißt es bei Marsilius: »Zuvor jedoch ist es nötig, darauf zu achten, daß ›Römisches Reich‹ (Romanum Imperium) in einer seiner Bedeutungen manchmal lediglich die Monarchie oder die königliche Regierung über die Stadt Rom oder die römischen Bürgerschaft bezeichnet, so wie es seit ihrer Entstehung gewesen ist«.427
In einer anderen Bedeutung »bezeichnet ›Römisches Reich‹ die universale oder allgemeine Monarchie über die ganze Welt oder«, wie Marsilius im Unterschied zu Landolfo einschränkt, »wenigstens über die meisten Provinzen, so wie es die Stadt Rom und die römische Regierung im Verlauf ihres Wachstums gewesen ist. Eher gemäß dieser Bedeutung beabsichtigen wir auch die Übertragung des Römischen Reichs zu behandeln.«428 426 Allerdings ist die Übersetzung des Terminus Romanum imperium problematisch. Die folgenden Textstellen zeigen, daß hier eine Übersetzung mit Kaisertum oder Kaiserreich kaum möglich ist. Zudem fällt auf, daß Marsilius imperium nur in wenigen Fällen alleinstehend, sondern meistens nur in Verbindung mit Romanum verwendet. Am nächsten kommt vielleicht eine Übersetzung mit »römischer Herrschaft«, deren Bedeutungsfeld zudem verschiedene Bezüge zuließe, vgl. auch Goez, Translatio imperii, 1958, Exkurs II: Übersetzung der Formel »Translatio imperii«, S. 381 – 385, der S. 382 für die Wiedergabe von Romanum imperium mit »römischer Gewalt« das Beispiel einer deutschen Übersetzung aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts anführt. Im folgenden wird imperium nach allgemeinem Vorbild mit »Reich« übersetzt. 427 DTI, Kap. 1, ed. Jeudy, 1979, S. 376, Z. 1 – 4: »Ante tamen oportet attendere, quod Romanum Imperium in una sui significatione quandoque significat monarchiam seu regalem principatum Romanae Urbis sive civitatis tantummodo, qualis fuit ab origine sua, (quemadmodum ex sequentibus apparebit.)« Vgl. Landolfo, Kap. 1, ed. Goldast, 1614, S. 89, Z. 7 – 9: »Romanum imperium sub duplici significatione scriptores historiarum assumunt. Uno modo, ut sub appellatione Romani Imperii intelligamus ipsius Romanae urbis initium, ipsiusque primi dominii licet exigui fundamentum.« 428 DTI, Kap. 1, ed. Jeudy, 1979, S. 376, Z. 5 – 9: »In alia vero acceptione significat Imperium Romanum universalem sive generalem totius mundi vel plurium saltem provinciarum monarchiam, qualis fuit Romae urbis et principatus, in eius processu; secundum quam etiam acceptionem de ipsius translatione tractare propositum magis est nobis.« Vgl. Landolfo, Kap. 1, ed. Goldast, 1614, S. 89, Z. 23 – 26: »Alio quidem modo Romanum Imperium pro
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Gemäß der chronologischen Ordnung will Marsilius daher im folgenden »zuerst die Entstehung der Stadt Rom und der römischen Bürgerschaft und den Ursprung ihrer noch unbedeutenden Monarchie, darauf deren Vergrößerung oder das Wachstum zur Monarchie über die ganze Welt oder zur höchsten Regierung [erzählen]. Danach aber werden wir deren Übertragung von Sitz zu Sitz oder von Volk zu Volk (ex gente in gentem) dem Ablauf der Zeiten gemäß darstellen.«429
Aufmerksamkeit verdient dabei, daß Marsilius nicht nur eine Übertragung des Sitzes des Kaiserreichs, sondern auch eine Übertragung von einem Volk zu einem anderen hervorhebt, was Landolfo nicht tut. Dabei muß Marsilius so verstanden werden, daß damit auch die verschiedenen Völker die – jeweils neuen – Träger des Kaiserreiches sind. Das wird auch am Anfang des Traktats deutlich, wo Marsilius nicht erst – wie die meistens anderen Autoren von Abhandlungen zur translatio imperii – die Übertragungen von Volk zu Volk auf die Translation von den Griechen auf die Franken beschränkt oder mit ihr beginnen läßt, während die Übertragung des Reiches an die Griechen als bloße Verlegung der Hauptstadt des Römischen Reiches dargestellt wird. Marsilius sagt dagegen ausdrücklich – ebenfalls in einem Abschnitt, der keine Entsprechung bei Landolfo hat –, daß das Reich von den Römern an die Griechen übertragen wurde.430 Der Übertragungsakt verändert auch den Bezug und die Bedeutung des Begriffs »Römer«. Vor der Übertragung hat der politische Begriff »Römer« die Bedeutung von Reichsvolk und bezieht sich auf die Stadtrömer. Das Ergebnis der Übertragung ist jedoch, daß diese Zusammengehörigkeit zu existieren aufhört. »Römer« bezieht sich nur noch auf die Stadtrömer, da sie das Kaisertum von diesem Zeitpunkt an nicht mehr besitzen. Reichsvolk für das imperium Romanum im Sinne des umfassenden Reiches sind jetzt die Griechen, die in diesem Sinne als populus Romanus bezeichnet werden könnten. Auch der populus Romanus wurde also einer translatio unterzogen.431 Marsilius’ Begriff des populus quodam singulari e universali dominio urbis et orbis assumitur, quod universale dominium dicitur Monarchia. Quam Monarchiam cum primus Octavianus Augustus, deinde successores eius praeferrent, non uniformiter tenuerunt. Et sub hac appellatione de statu Romani Imperii tractare propono.« 429 DTI, Kap. 1, ed. Jeudy, 1979, S. 376, Z. 10 – 15: »A prioribus itaque secundum ordinem incipientes narrabimus primum Romanae urbis sive civitatis originem eiusque primordium exiguae monarchiae, deinde ipsius augmentum sive processum ad totius orbis monarchiam seu principatum supremum. Post haec autem, ipsius translationem ex sede in sedem, seu ex gente in gentem, secundum consequentia tempora describemus.« Bei Landolfo hat diese Passage keine Entsprechung. 430 DTI, Kap. 1, ed. Jeudy, 1979, S. 374, Z. 12 – 15: »Dicemus igitur primum de Imperialis Romanae sedis translatione, per quem vel quos et qualiter de facto processerit a Romanis in Graecos, deinde vero a Graecis in Gallicos sive Francos, novissime autem a Francis seu Gallicis in Germanos.« Bei Landolfo hat diese Passage keine Entsprechung. 431 So hat Mitteis, Königswahl, 21944, S. 124, Anm. 382, auch das oben angeführte Wahldekret von 1237 verstanden.
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Romanus, wie er ihn im Defensor minor einführt, kann auf den im Defensor pacis verwendeten Begriff des supremus legislator humanus Romani imperii bezogen werden. Auf ihm beruhten das Kaisertum und alle damit verbundenen Rechte, die der Kaiser zur Erhaltung der universalen Einheit der Gläubigen ausübt. Nur mit der Idee eines sich den wandelnden Bedingungen mehrerer translationes imperii anpassenden populus Romanus können dessen universale Befugnisse über die Zeiten erhalten werden. Der populus Romanus bezieht sich also auf dieselbe Instanz oder Personengruppe im römisch-deutschen Reich wie der supremus legislator humanus Romani imperii, damit ist gemeint »der höchste menschliche Gesetzgeber, nämlich der Gesetzgeber des Römischen Reiches«. Man könnte sagen, daß die universitas civium des römisch-deutschen Reiches die Eigenschaft und Funktion des populus Romanus besitzt. Das 12. Kapitel des Defensor minor hat jedoch auch andere Interpretationen erfahren. In der Forschung wurde gelegentlich mit unterschiedlichem Nachdruck die Meinung vertreten, daß Marsilius hier lediglich den altrömischen Rechtsgrundsatz der lex regia zum Ausdruck bringe.432 In den Institutiones Kaiser Justinians heißt es: »Aber auch das, was der Kaiser bestimmt, hat Gesetzeskraft, weil das Volk durch das ›königliche‹ Gesetz, das über die Herrschaft des Kaisers ergangen ist, diesem und auf diesen seine gesamte Herrschaftsgewalt übertragen hat.«433
Marsilius hat die lex regia aber in keinem seiner Werke erwähnt. An der Stelle, wo Marsilius das Recht des populus auf die Gesetzgebung und die Wahl des Regenten begründet, bezieht er sich vielmehr ausdrücklich auf Aristoteles.434 Auch als ein unausgesprochener Grundgedanke wäre die lex regia nicht mit Marsilius’ Theorie zu vereinbaren. Marsilius’ will kein Gesetzgebungsmonopol 432 So vor allem Wilks, Problem, 1963, S. 113 und S. 186: »[…] it should be emphasised that his [Marsilius’s] theory of government was basically only an elaboration of the lex regia idea«; Quillet, Philosophie politique, 1970, S. 84; Garnett, Marsilius of Padua, 2006, S. 73, Anm. 103; zurückhaltend Nederman, Defensor pacis, 1995, S. 324; dagegen Gewirth, Marsilius of Padua, Bd. 1, 1951, S. 253. 433 Institutionen, 1. Buch, 2. Titel: De iure naturali et gentium et civile, 6. Abschnitt (Inst. 1,2,6), in: CIC I, ed. Behrends et al., 1997, S. 4: »Sed et quod principi placuit, legis habet vigorem, cum lege regia, quae de imperio eius lata est, populus ei et in eum omne suum imperium potestatem concessit.« Vgl. Digesten, 1. Buch, 4. Titel: De constitutionibus principum, 1. Abschnitt (Dig. 1,4,1), in: CIC II, ed. Behrends et al., 1995, S. 117: »Ulpianus libro primo institutionum: Quod principi placuit, legis habet vigorem: utpote cum lege regia, quae de imperio eius lata est, populus ei et in eum omne suum imperium et potestatem conferat.« Vgl. ferner Constitutio »Deo auctore«, § 7, in: CIC II, ed. Behrends et al., 1995, S. 58: »Cum enim lege antiqua, quae regia nuncupabatur, omne ius omnisque potestas populi Romani in inperatoriam [!] translata sunt potestatem, nos vero sanctionem omnem non divididus in alias et alias conditorum partes, sed totam nostram esse volumus, qiud posset antiquitas nostris legibus abrogare?« 434 Vgl. oben S. 110.
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des Kaisers begründen, wie es die kaiserlichen Juristen des Mittelalters aus der lex regia ableiteten, da nach Marsilius die »Provinzen« durchaus weiter ihre eigene Gesetzgebungsbefugnis besitzen und besitzen sollen. Wer in Marsilius einen Vertreter der lex regia sieht, hat zudem meist seinen erweiterten Begriff des populus Romanus nicht im Blick und geht davon aus, daß Marsilius ebenso wie die lex regia die Bewohner der Stadt Rom meint. Bei Marsilius stellt nicht der populus Romanus den Ursprung der spezifisch kaiserlichen Gesetzgebungskompetenz dar. Vielmehr dient er nur als Zwischenglied, der die von Marsilius als notwendig erachtete Verbindung zwischen der Gesamtheit der Menschen, die der ursprüngliche Gesetzgeber ist, und dem christlichen Kaiser seiner Zeit herstellt. Auch handelt es sich bei Marsilius, im Unterschied zur verbreiteten Auffassung der mittelalterlichen Interpreten der lex regia, ausdrücklich nicht um einen einmaligen Übertragungsakt, durch den sich der populus Romanus seines Rechts auf Gesetzgebung entäußert hätte. Vielmehr besitzt er es, in seiner Bedeutung als universitas civium des römischdeutschen Reiches, weiterhin. Im 12. Kapitel des Defensor minor wird daher ausgehend von der Frage, wer ein Konzil einberufen darf, eine Theorie des Kaisertums sichtbar. Besonders das Widerrufsrecht der »Provinzen« wirft ein Licht auf Marsilius’ Auffassung von der Grundlage des Kaisertums. Nachdem Marsilius dem Zweck seiner politischen Schriften entsprechend damit deutlich gemacht hat, daß das Kaisertum nicht von den Päpsten vergeben wird, sind auch weitere Legitimationsmöglichkeiten des Kaisertums ausgeschlossen. Das Kaisertum ist weder von Gott eingesetzt noch besteht es als naturnotwendige, dem Menschen entsprechende Form der universalen politischen Gemeinschaftsbildung.435 Stattdessen vertritt Marsilius konsequent die Begründung dieser politischen Autorität aus der Einwilligung der Betroffenen. Dieses Kaisertum wird aber weder hier noch an anderer Stelle als Exponent einer universalen weltlichen Herrschaft verstanden, sondern allein auf seine kirchenpolitischen Aufgaben bezogen.
4.2.5 Das nicht-universale Kaisertum Marsilius wendet sich gegen eine Universalmonarchie und spricht sich für die Existenz mehrerer, voneinander unabhängiger Reiche in der Welt und in der Christenheit aus. In der ersten Dictio des Defensor pacis äußert er sich zurückhaltend, indem er es ausdrücklich ablehnt, die Universalmonarchie zu seinem Thema zu machen. Andererseits führt er Argumente für die Existenz mehrerer Regierungen an: 435 Nederman, Defensor pacis, 1995, S. 325.
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»Ob es aber für die gesamte zivilisierte Menschheit, und zwar auf der ganzen Erde, zweckmäßig ist, eine einzige höchste Regierung zu haben, oder ob es in einer bestimmten Zeit zweckmäßig ist, in den verschiedenen Landschaften der Welt, die durch die geographischen Verhältnisse geradezu notwendig getrennt sind, und vor allem in denen ohne Sprachgemeinschaft und mit sehr stark abweichenden Sitten und Lebensformen, verschiedene solche Regierungen zu haben, wobei außerdem auch vielleicht eine himmlische Ursache dahin wirkt, daß keine übermäßige Vermehrung der Menschheit eintritt, das verlangt eine vernünftige Untersuchung; die liegt jedoch dem gegenwärtigen Thema fern.«436
Ein weiteres Argument, daß die Existenz mehrerer Staaten und die gelegentlichen Auseinandersetzungen zwischen ihnen durchaus wünschenswert sein können, fügt er an: »Es könnte nämlich vielleicht manchem scheinen, als habe die Natur durch Kriege und Epidemien die Vermehrung der Menschen und der übrigen Lebewesen gehemmt, damit zu ihrer Ernährung die Erde genüge«.437
In der zweiten Dictio nimmt Marsilius das Thema einer universalen Monarchie jedoch auf und lehnt sie hier als grundsätzlich falsch ab: »Dieser Gedanke würde nämlich zu dem Schluß führen, in gleicher Weise müsse ein Verwalter in der gesamten Welt vorhanden sein; das ist aber weder zweckmäßig noch richtig. Zum ruhigen Zusammenleben der Menschen genügt es nämlich, so viele Regierungen wie Länder zu haben«.438
Damit entfernt Marsilius sich von dem gerade unter seinen Zeitgenossen in der politischen Philosophie vertretenen weltlichen Universalismus, wie er vor allem von Dante, aber auch von Engelbert von Admont und Wilhelm von Ockham vertreten wurde.439 Marsilius’ Position muß außerdem vor dem Hintergrund der über das Reich hinausreichenden Kaiseridee Heinrichs VII. betrachtet werden, 436 DP I, 17, § 10, ed. Scholz, 1932/33, S. 118, Z. 13 – 21: »Utrum autem universitati civiliter vivencium et in orbe totali unicum numero supremum omnium principatum habere conveniat, aut in diversis mundi plagis, locorum situ quasi necessario separatis, et precipue in non communicantibus sermone ac moribus, et consuetudine distantibus plurimum, diversos tales principatus habere conveniat tempore quodam, ad hoc eciam forte movente causa celesti, ne hominum superflua propagacio fiat, racionabilem habet perscrutacionem, aliam tamen ab intencione presenti.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 215. 437 DP I, 17, § 10, ed. Scholz, 1932/33, S. 118, Z. 21 – 25: »Videretur enim fortasse alicui naturam per pugnas et epydemias hominum et reliquorum animalium moderasse propagacionem, ut ad ipsorum educacionem arida sufficiat«. Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 215. 438 DP II, 28, § 15, ed. Scholz, 1932/33, S. 546, Z. 14 – 19: »Concluderent enim racio hec, pariter opertere unum numero esse yconomum in orbe universo, quod non est expediens neque verum. Sufficiunt enim ad convictum humanum quietum unitates numerales principatuum secundum provincias, (quemadmodum diximus 17o prime).« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 987. 439 Vgl. Gewirth, Marsilius of Padua, Bd. 1, 1951, S. 127 mit Anm. 1.
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die sich an den nach der Kaiserkrönung verfaßten Rundbriefen an andere Herrscher zeigte.440 Der Widerwillen gegen Heinrichs Kaiseridee bei den Königen von Frankreich und Neapel – letzterer hatte 1313 vom Papst gefordert, keinen deutschen König mehr zum Kaiser zu krönen441 – hätte bei einem Beharren auf dieser Konzeption den zukünftigen Kaiser geschwächt und die Institution des Kaisertums weiter in Gefahr gebracht. Mit einer nicht-universalen Kaiseridee konnte der Gefahr für die Existenz des Kaisertums begegnet werden und damit auch die Gemeinschaft der weltlichen Staaten gegenüber dem Papst gestärkt werden. Die weltlichen Machtansprüche des Papstes, die gegenüber dem imperium vorgebracht wurden, sollten als nicht wünschenswert für die anderen Könige deutlich werden, da auch sie, ähnlich dem Kaiser, Opfer derartiger Ansprüche werden würden. Dem gekrönten Kaiser werden gegenüber den anderen Königreichen keine weltlichen oder politischen Rechte zugestanden. Auch das Recht etwa, Privilegien für Empfänger außerhalb des Kaiserreichs auszustellen, das Lupold vom Bebenburg dem Kaiser als Rechtswirkung der Kaiserkrönung zugesteht,442 hat der Kaiser bei Marsilius 440 MGH Const. IV/2, 1909 – 1911, Nr. 801, S. 801 – 804; vgl. Hans K. Schulze, Grundstrukturen, Bd. 3, 1998, S. 236 – 238; Boockmann, Kaiser Heinrich VII. (1308 – 1313), 1984, S. 248. 441 MGH Const. IV/2, 1909 – 1911, Nr. 1253, S. 1369 – 1373, hier S. 1373, Z. 17 – 20: »Confirmacio itaque, consecracio et coronacio dicti regis, que pertinent ad veritatem iusticie, pro tot et tantis scandalis inter tantas personas et universitates probabiliter evitandis racionabiliter et eque omittenda et reliquenda est.« Vgl. Grundmann, Wahlkönigtum, 1970, S. 515 – 516. 442 Lupold von Bebenburg, De iuribus regni et imperii, Kap. 11, ed. Miethke/Flüeler, 2004, S. 340, Z. 3 – 14: »Dico enim salvo semper iudicio saniori, quod imperator post unctionem et coronacionem huiusmodi consequitur potestatem imperialem in omnibus regnis et provinciis presertim occidentalibus, que non erant sub potestate Karoli magni ante tempus translacionis predicte et que adhuc non sunt sub potestate imperii de facto, ita, quod potest in eis spurios legitimare quo ad temporalia, infames ad famam restituere, leges condere et hiis similia facere, que de iure sunt solis imperatoribus reservata. Item potest a regibus et princibus eorundem regnorum ac eciam provinciarum subiectionem exigere, quod ante unctionem et coronacionem imperialem facere non poterat nisi hiis provinciis et terris, que erant sub potestate et dominio dicti Karoli ante tempus eiusdem translacionis et que adhuc hodie subiecte sunt regno et imperio.« Lupold von Bebenburg, übersetzt von Sauter, 2005, S. 171 – 172: »Vielmehr sage ich immer vorbehaltlich eines klügeren Urteils, daß der Kaiser nach der Salbung und Krönung die kaiserliche Amtsgewalt in allen Königreichen und Provinzen, besonders des Abendlands, erlangt, die vor der Zeit der Übertragung nicht in der Gewalt Karls des Großen waren und die auch heute faktisch nicht der Gewalt des Kaiserreichs unterstehen, und zwar dahingehend, daß er in ihnen uneheliche Kinder in weltlichen Angelegenheiten legitimieren, Ehrlose in den Stand der Ehrbarkeit zurückführen, Gesetze erlassen und ähnliche Dinge tun kann, die von Rechts wegen allein den Kaisern vorbehalten sind. Ebenso kann er von den Königen und Fürsten dieser Königreiche und Provinzen Unterwerfung fordern, was er vor der Salbung und Krönung zum Kaiser nur in den Provinzen und Ländern tun konnte, die vor der Zeit der Übertragung in der Gewalt und unter der Herrschaft Karls waren und die noch heute dem König- und Kaiserreich unterstehen.«
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nicht. Marsilius beschränkt die weltliche Herrschaft des Kaisers auf das römisch-deutsche Reich in den Grenzen seiner Zeit. Diese Beschränkung bezieht sich allerdings ausdrücklich und ausschließlich auf die Herrschaftsrechte des Kaisers. Davon unabhängig will Marsilius dem Kaiser als dem höchsten Herrscher Gesetzgebungsbefugnisse zusprechen, die über die Grenzen dieses Reiches hinausgehen, sofern sie die Einheit der Christenheit betreffen.
4.2.6 Die translatio imperii Die zweite Basis der päpstlichen Machtansprüche gegenüber dem römischdeutschen Reich war neben der vom Papst durchzuführenden Kaiserkrönung die kuriale Lehre von der translatio imperii, nach der die Päpste die Übertragung des Kaisertums aufgrund ihrer eigenen Autorität vollzogen haben sollen. Marsilius widmet diesem kurialen Argument eine eigene Schrift, die sich nach seiner eigenen Ankündigung im Defensor pacis besonders auf die Übertragung des Kaisertums in der Person Kaiser Karls des Großen beziehen soll. In De translatione imperii stellt Marsilius zwar, Landolfos Disposition folgend, die Kaiserkrönung Karls des Großen dar,443 äußert sich aber nicht dazu, worin die translatio imperii bestanden hat und wer sie mit welcher Legitimation durchgeführt hat. Vielmehr verweist er im direkten Anschluß daran auf den Defensor pacis zurück: »Wieviel Geltung aber, wieviel Recht oder Gültigkeit es hatte, was damals hinsichtlich der Übertragung des Kaisertums gemacht worden ist, ist offenbar durch unseren Defensor pacis im letzten Teil und kann allen offensichtlich zugänglich sein.«444
Zur Rechtmäßigkeit der von der kurialen Theorie behaupteten päpstlichen Übertragung des Kaisertums führt Marsilius im Defensor pacis aus: »Man mag daher irgendwo lesen, mag jemand behaupten, der Papst oder eine andere Einzelperson oder ein Einzelkollegium eines Landes oder eines Reiches (provincia sive regnum) habe das Kaisertum übertragen oder eine andere Regierungsform oder einen Herrscher, der durch Wahl bestellt wird, eingesetzt – wenn diese Behauptung in Rede oder Schrift wahr, wenn eine solche Einsetzung oder Übertragung gültig oder rechtskräftig sein soll, dann muß sie geschehen oder geschehen sein durch den ersten Gesetzgeber (legislator primus) in der Provinz oder in den Provinzen, über die, von 443 Vgl. oben S. 123 f. 444 DTI, Kap. 9, ed. Jeudy, 1979, S. 422, Z. 7 – 9: »Quantum autem roboris, iuris aut firmitatis habuit, quod tunc de translatione Imperii factum fuit, per nostrum Defensorem pacis ultimo patet ac patere potest omnibus evidenter.« Vgl. Landolfo, Kap. 8, ed. Goldast, 1614, S. 94, Z. 23 – 24: »Quantum autem roboris habuerit, aut firmitatis, quidve tunc per Romanam ecclesiam factum fuerit de Imperio, patet, et patere potest omnibus evidenter.« Den Übergang von einem Kapitel zum nächsten wählt Marsilius hier nach dieser Passage, Landolfo davor.
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denen oder auf die die Einsetzung oder Übertragung erfolgen oder erfolgt sein soll. Wenn man daher in Rede oder Schrift behauptet, der römische Papst allein oder er mit seinem Klerikerkollegium allein habe rechtmäßig das römische Kaisertum übertragen oder einen Kaiser eingesetzt, und wenn eine derartige Behauptung in Rede oder Schrift wahr sein sollte, so müßte man verstehen: sie hätten die eben erwähnte Übertragung oder Einsetzung vollzogen aufgrund einer Vollmacht, die ihnen der höchste menschliche Gesetzgeber, nämlich der des Römischen Reiches (Romani imperii legislator humanus supremus), dafür mittelbar oder unmittelbar zugestanden hätte, oder sie hätten diese nicht schlechthin vollzogen, sondern nur in gewissem Sinne, nämlich sie veröffentlicht oder verkündet, doch kraft der vorhin genannten Vollmacht.«445
Ohne die von vielen Quellen berichtete päpstliche Beteiligung an der translatio imperii vollends zu bestreiten, hält Marsilius diesen Berichten sein Kriterium der Gültigkeit und Rechtmäßigkeit entgegen. Nur die oberste politische Autorität, nämlich der Gesetzgeber, kann diese Übertragung rechtmäßig vollzogen haben. Marsilius führt die ersten Gesetzgeber sowohl derjenigen Provinzen an, denen das Kaisertum übertragen wurde, als auch derjenigen, denen es genommen wurde.446 Dabei liegt der Verwendung des Begriffes Provinz vermutlich die Vorstellung zugrunde, daß die Übertragung des Kaisertums nur zwischen denjenigen politischen Gemeinschaften übertragen werden kann, die aus dem Römischen Reich hervorgegangen sind. Offensichtlich ist jedoch, daß Marsilius den Bürgern der Stadt Rom weder eine besondere Beteiligung an der Übertragung des Kaisertums zuweist noch eine besondere Befugnis dazu.447 Das Handeln des Papstes kann zum einen nur aufgrund einer Vollmacht des Gesetzgebers, als dessen Werkzeug der Papst handelte, geschehen sein. Zum anderen 445 DP II, 30, § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 600, Z. 16 – S. 601, Z. 8: »Propter quod ubicumque legatur et a quocumque dicatur translatum fuisse imperium, aut alter quicumque principatus vel princeps aliquis, qui per eleccionem assumitur, institutus per papam vel aliam personam singularem aut per collegium singulare aliquod provincie sive regni: si vera debeat esse scriptura vel sermo et valida seu iusta institucio sive translacio talis, oportet fieri aut factam esse auctoritate legislatoris primi in provincia vel provinciis, super quas, a quibus et ad quas debet institucio aut translacio fieri aut facta fore. Ideoque si translacio imperii Romani vel imperatoris alicuius institucio dicatur aut scribatur rite facta fuisse per papam Romanum solum aut per ipsum cum suo solo collegio clericorum, et verum sit huiusmodi dictum aut scriptum, oportet translacionem aut institucionem iam dictam per ipsos intelligere factam propter auctoritatem illis concessam ad hoc a Romani imperii legislatore humano supremo, per medium aut sine medio, vel ab eis quidem non factam simpliciter, sed modo quodam, ut publicatam vel pronunciatam, auctoritate tamen predicta.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 1083/1085. 446 Die Einwilligung derjenigen politischen Gemeinschaft, der das Kaisertum genommen wurde, zu erwähnen, ist bemerkenswert. Möglicherweise ist das auch ein Reflex auf die französischen und neapolitanischen Bestrebungen, den Deutschen das Kaisertum zu entziehen. Es soll deutlich werden, daß dies ohne deren Einwilligung nicht möglich sei. 447 Das unterscheidet ihn von Publizisten seiner Zeit, die sowohl das Recht auf Vergabe der Kaiserkrone als auch des Imperiums bei den Stadtrömern sahen, vgl. Wilks, Problem, 1963, S. 192.
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Zur politischen Theorie des Marsilius von Padua
kann es nur darin bestanden haben, den Willen des Gesetzgebers zu verkünden. Es stellt sich jedoch die Frage, warum der Papst überhaupt, und sei es auch nur als verkündendes Organ, an der Übertragung des Kaisertums beteiligt war. Marsilius erklärt das so: »Vielleicht hat nämlich der obengenannte Gesetzgeber bei der Übertragung des Kaisertums oder Einsetzung des Kaisers einen Akt vollzogen, dessen Verkündigung und Veröffentlichung er später allein dem römischen Papst als der ehrwürdigsten Person der gesamten Menschheit oder ihm mit seinen Priestern als dem geachtetstem Kollegium von Klerikern übertragen hat, was nicht wegen irgendeiner Notwendigkeit geschah oder geschehen mußte, sondern nur um die Feierlichkeit dieses Vorgangs zu erhöhen. Denn tatsächlich hängen die Übertragung einer Regierung, die Gesetzgebung und die Einsetzung von Herrschern, ebenso auch die der staatlichen Ämter als solche, was ihre Rechtskraft angeht, allein von der Wahl oder der Festsetzung des Gesetzgebers ab«.448
Die Entscheidung des Gesetzgebers, den Papst mit der Verkündung der translatio imperii zu beauftragen, ist also allein in der herausragenden Würde des Papstes begründet. Marsilius’ Anerkennung der Stellung des Papstes entspricht dabei der Bedeutung des Vorgangs, die es angemessen erscheinen läßt, daß der Gesetzgeber diese Aufgabe dem Geistlichen mit dem höchsten Rang überträgt. Auch hier im Defensor pacis verwendet Marsilius bereits – wie später im Zusammenhang mit der Kaiserkrönung in der Zusammenfassung von De translatione imperii – das Gegensatzpaar von Feierlichkeit und Notwendigkeit, wenn es um die Bewertung der Beteiligung des Papstes geht.449 An dieser Stelle erscheint noch klarer, daß Marsilius eine Aussage über die Beteiligung des Papstes und nicht über die Verkündung der translatio imperii selbst trifft. Die Beteiligung des Papstes war für die Rechtsgültigkeit der translatio imperii nicht notwendig, sie diente aber, wegen seines herausragenden Ranges, der Feierlichkeit der Verkündung. In De translatione imperii stellt Marsilius nach der Übertragung des Kaisertums in der Person Karls des Großen, der Darstellung Landolfos folgend, auch die Übertragung von den Franken auf die Deutschen dar. Im Anschluß an 448 DP II, 30, § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 601, Z. 8 – 20: »Transtulit enim fortasse aut instituit circa imperium aliquid legislator predictus, quod postmodum soli pape Romano tamquam reverenciori persone universitatis humane, vel sibi cum suis sacerdotibus velut venerabiliori clericorum collegio, pronunciandum et publicandum commisit, non quidem propter facti vel fiendi necessitatem, sed sollempnitatem tantummodo, quoniam translaciones principatus, legum et principancium instituciones, similiter et officia civilia reliqua inquantum huiusmodi, quantum et eorum robur, ex sola legislatoris iam dicti eleccione seu ordinacione dependent, (ut demonstratum est 12o et 13o prime ac 26o huius, parte 5a, cum declaracione quadam nec inutiliter repetitum).« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 1085. 449 Vgl. dazu oben S. 125 f.
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Das Kaisertum
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den Bericht über die von Papst Leo VIII. an Otto I. übertragenen Würden, die bereits Karl der Große von Papst Hadrian empfangen habe,450 heißt es bei Marsilius: »Nachdem eine Synode einberufen war und der Klerus und das Volk versammelt waren, setzten sie ihn überdies als Kaiser ein (constituerunt), ohne eine vorangegangene Wahl, die 40 Jahre später eingerichtet wurde, und so ist die Übertragung des Kaisertums von den Franken oder Galliern auf die Deutschen durchgeführt worden. Otto I. hatte nämlich aufgrund dieser erwähnten Einsetzung (ordinatio) das Kaisertum in friedlicher Weise inne. Auch sein Sohn und sein Enkel hatten nacheinander ohne Widerspruch das Kaisertum inne.«451
Marsilius verändert an dieser Stelle Landolfos Text auf geschickte Weise so, daß die Synode und die Versammlung von Klerus und Volk, die Landolfo in den Zusammenhang der Übertragung der Würden an Otto stellt, Subjekt des folgenden Satzes werden. Es sind also Klerus und Volk – nicht wie bei Landolfo Papst Leo VIII. –, die die Akteure bei der Einsetzung Ottos als Kaiser werden.452 Eine genauere Darstellung, wie sich diese Versammlung von Klerus und Volk zusammensetzte, gibt Marsilius jedoch nicht. Nachdem das Kaisertum auf diese Weise gültig übertragen worden war, wurde es nun auf andere Weise weitergegeben. Zuerst mittels Erbfolge, aber dann durch den Wahlakt einer eigens eingesetzten Wählergruppe: »Nach diesen Ereignissen aber, als Otto III. ohne Söhne starb, wurde Gregor V., deutscher Nation und aus der Verwandtschaft Ottos, als höchster Pontifex angenom450 Vgl. dazu unten S. 172 f. 451 DTI, Kap. 10, ed. Jeudy, 1979, S. 426, Z. 5 – 16: »(Et factus est tunc Ecclesiae Romanae pastor octavus Leo […] easdem dignitates Ottoni concessit, quas Karolo contulerat Adrianus;) factaque synodo et clero ac populo congregatis, insuper ipsum imperatorem constituerunt, nulla electione praecedente, quae post annos 40 fuit instituta sicque facta fuit Imperii translatio de Francis seu Gallicis in Germanos. Habuit siquidem hic Otto primus ex ordinatione praemissa pacifice Imperium. Habuerunt etiam Imperium successive, sine contra dictione, filius atque nepos.« Vgl. Landolfo, Kap. 8, ed. Goldast, 1618, S. 94, Z. 46 – 58: »(Factus tunc est Pastor universalis ecclesiae Leo octavus […] easdem dignitates Ottoni concessit, quas Carolo contulerat Adrianus,) facta Synodo, clero et populo congregatis, ut patet 61. dist. c. in Synodo. Insuper ipsum Imperatorem constituit, nulla praecedente electione, quae postea a XLI. annis instituta fuit. Et sic facta est translatio de Gallicis in Germanos. Patet ergo quod circa ordinationem imperii, habet Papa maximam potestatem, ut habuit. Siquidem hic Otto primus, ex ordinatione ecclesiae pacifice imperium habuit etiam succesive filius et nepos, qui etiam erga ecclesiam devotissimi extiterunt, ut de Ottone praedicto patet LXIII. dist. c. Tibi Domine. Patet igitur dispositionem et ordinationem summi Pontificis circa praedictos Imperatores fuisse legitimam: quia pro bono pacis, et statu fidei, et universalis ecclesiae, ad quae summus Pontifex praecipue debet intendere: quia sua interest, non tantum ex collatione imperialium iurium, quantum ex praeeminentia status, quae declaratur manifeste in c. Solitae. de maio. et obe.« 452 Tatsächlich krönte nicht Leo VIII., sondern sein Vorgänger Johannes XII., Otto I. zum Kaiser.
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Zur politischen Theorie des Marsilius von Padua
men. In der Zeit seines Pontifikats wurden die Wähler des Kaisers festgelegt, nämlich sieben Fürsten Deutschlands, vier Laien und drei Kleriker oder Prälaten, wie Martin schreibt. Weil nämlich die vorher erwähnten drei Ottonen nacheinander das Imperium quasi durch Erbrecht innegehabt hatten, wurde umsichtig und vorteilhaft für das Wohl des Zustands der Kirche Gottes und des christlichen Volkes geregelt, daß die Spitze aller Macht, die nicht dem Blut, sondern der Tugend geschuldet sein müsse, nicht durch den Weg der Nachfolge, sondern der Wahl zum Vorschein kommen solle, damit der Würdigste gefunden würde, der zur Würde des Imperiums regieren soll.«453
Marsilius weitet hier gegenüber Landolfo die Bedeutung der »Kaiserwahl«, wie auch Landolfo die Wahl der Kurfürsten bezeichnet, aus, indem er einfügt, daß dies zum Vorteil der Kirche und der Christenheit so eingerichtet worden sei. Damit wird die Bedeutung, die der Kaiser für die Kirche und die universale Christenheit besitzen soll, auf zwei Weisen hervorgehoben: Einerseits wird das Kaisertum auf seinen kirchlichen Aufgabenbereich hin geordnet und der Kirche damit übergeordnet, und andererseits wird es aus der Abhängigkeit gelöst, indem Marsilius die Behauptung des Landolfo, die Kurfürstenwahl sei durch Papst Gregor V. eingerichtet worden, entfernt.454 Um die Bedeutung der Kurfürsten zu betonen, zitiert Marsilius den bekannten Vers über die Kurfürsten, den er nicht von Landolfo, sondern von Martin von Troppau übernommen hat.455
453 DTI, Kap. 11, ed. Jeudy, 1979, S. 428, Z. 2 – 13: »Post haec autem mortuo tertio Ottone, sine filiis, Gregorius quintus natione Theotonicus, de parantela Ottonis in summum pontificem assumitur. Cuius pontificis tempore, imperatoris electores instituuntur, septem scilicet principes Alamanie, quatuor laici et tres clerici, sive prelati, ut Martinus scribit. Quia enim praedicti tres Ottones successive quasi haereditario iure obtinuerunt Imperium, fuit pro bono statu Ecclesiae Dei et populi christiani provide ac utiliter ordinatum, ut tantae potestatis fastigium, quae non debetur sanguini sed virtuti, non per viam successionis sed electionis procederet, ut dignissimus habeatur ad dignitatem Imperii gubernandam.« Vgl. Landolfo, Kap. 9, ed. Goldast, 1614, S. 94, Z. 61 – S. 95, Z. 4: »Post hoc mortuo Ottone tertio sine filiis, Gregorius quintus, natione Theutonicus, de parentela Ottonis, in summum pontificem assumitur. Cuius Pontificis tempore, Electores Imperatoris instituuntur septem, scilicet Principes Alemaniae, tres praelati, et quattuor laici, ut Martinus scribit. Quia igitur praedicti tres Ottones successive, et quasi haereditario iure obtinuerunt imperium, per Gregorium Papam quintum est provisum, et utiliter ordinatum, ut tantae sublimitatis ordinatio, quae non debetur sanguini, sed virtuti, non per viam successionis, sed electionem procederet: ut eligeretur dignus, et non nobili tantum, sed dignissimo donaretur.« 454 Die chronologisch unzutreffende Verortung der Entstehung des ausschließlichen Wahlrechts der Kurfürsten in der Zeit Ottos III. bei Marsilius beruht zum einen auf Landolfos Vorgabe und zum anderen auf einer theoretischen Notwendigkeit. Sie muß nämlich bald nach der letzten Übertragung des Kaisertums auf Otto I. stattgefunden haben. Damit einher ging die Übertragung des obersten menschlichen Gesetzgebers. Dies machte auch eine Regelung bezüglich derjenigen, die in seinem Auftrag den Regenten wählen, nötig. Daher muß die Festlegung der Wähler bald erfolgt sein. 455 DTI, Kap. 11, ed. Jeudy, 1979, S. 430, Z. 2 – 7: »Unde versus: Maguntinensis, Treverensis, Coloniensis, / Quilibet Imperii sit cancellarius horum. / Est Palatinus dapifer, dux portitor ensis, / Marchio praepositus camerae, pincerna Bohemus. / Hii statuunt Dominum cunctis
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Das Kaisertum
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Marsilius hebt die Rolle der Kurfürsten hervor, indem er mit diesem Vers an die reichsrechtliche Tradition appelliert. Dies ist Marsilius’ einziges Zitat aus der Geschichtsschreibung, das er selbst einfügt und nicht von Landolfo übernimmt. Die Frage, wer die Befugnis hatte, die Wähler des Kaisers zu bestimmen, nimmt Marsilius in De translatione imperii nicht noch einmal auf. Bereits im Defensor pacis hat sich Marsilius ausdrücklich dazu geäußert. Der höchste menschliche Gesetzgeber, nämlich der des Römischen Reiches, legt fest, auf welche Weise der Kaiser gewählt wird. Im unmittelbaren Anschluß an die Behandlung der translatio imperii heißt es dort: »So muß man auch in allen Stücken über die Einsetzung des Amtes der Fürsten denken, die den römischen Kaiser wählen; denn sie besitzen hier keine andere Vollmacht und haben sie von keinem anderen; und niemand sonst kann diese Vollmacht suspendieren oder sie ihnen wieder entziehen als der genannte höchste menschliche Gesetzgeber, der des Römischen Reiches.«456
Das vorläufige Ergebnis der Übertragungen des römischen Kaisertums ist, daß es sich nun bei den Deutschen befindet. Damit ist auch deren Gesetzgeber der höchste menschliche Gesetzgeber, der populus Romanus. Daher kann niemand außer diesem Gesetzgeber selbst das Kaisertum auf ein anderes Reich übertragen. Und niemand außer diesem höchsten Gesetzgeber kann den Kurfürsten das Recht, den höchsten Herrscher zu wählen, entziehen, verringern oder herabsetzen.
4.2.7 Zusammenfassung Marsilius verfolgt in seiner Theorie des Kaisertums vor allem das Ziel, die kaiserliche Regierung unmittelbar allein an den Gesetzgeber des Römischen Reiches zu binden und von allen anderen Faktoren, vor allem dem Papsttum, unabhängig zu machen. Dabei wählt Marsilius nicht eine Territorialisierung der kaiserlichen Herrschaft, sondern will kaiserliche Prärogative, wenn auch nur in geringem Umfang, aufrechterhalten. Allerdings beziehen sich diese Vorrechte – wie im nächsten Abschnitt gezeigt werden wird – allein auf die Aufgabe der Erhaltung der Glaubenseinheit der Christenheit. Marsilius entwickelt dazu eine Theorie des Kaisertums sui generis. per saecula summum.« Vgl. Martin von Troppau, Chronicon pontificum et imperatorum, lib. IV, cap. 90, ed. Weiland, 1872, S. 466, Z. 19 – 24. 456 DP II, 30, § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 601, Z. 21 – 25: »Sic quoque per omnia senciendum de institucione officii principum eligencium imperatorem Romanum; non enim aliam in hoc neque ab alio habent auctoritatem, neque ab ipsis per alterum suspendi vel revocari potest, quam a supremo imperii Romani humano legislatore predicto.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 1085.
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Zur politischen Theorie des Marsilius von Padua
Die Wahl des Kaisers steht seiner Theorie entsprechend dem legislator zu, der sein Wahlrecht an das Kurfürstenkolleg delegiert hat. Aus dieser Wahl gehen alle kaiserlichen Herrschaftsrechte hervor. Marsilius macht keinen Unterschied zwischen der königlichen und der kaiserlichen Herrschaft, die auch die Regierung der regna Italien und Burgund sowie die kaiserlichen Vorrechte umfaßt. Nur konsequent wählt Marsilius, unabhängig von der Titulatur im diplomatischen Verkehr, die Bezeichnung princeps Romanus, die dies verdeutlicht. Neue Wege geht Marsilius im Zusammenhang mit seiner Bewertung der Kaiserkrönung. Sie weicht in verschiedener Hinsicht von den Anschauungen der Zeit ab. Ihr wird keinerlei konstitutive Wirkung zugebilligt. So können kaiserliche Herrschaftsrechte von ihr unabhängig erklärt und daraus abgeleitete Ansprüche des Koronators ihrer Grundlage beraubt werden. Von besonderer Bedeutung ist Marsilius’ Aussage, daß trotz der hervorragenden Bedeutung des Kaisers nicht unbedingt der römische Bischof, auch wenn es wünschenswert wäre, als Koronator fungieren muß. Damit impliziert Marsilius, daß auch andere Bischöfe vollgültig die Kaiserkrönung vollziehen können. Dabei hält Marsilius an der Kaiserkrönung wie an Krönungszeremonien im allgemeinen fest. Auch wenn sie kein notwendiger, in diesem Sinne konstitutiver Bestandteil der Herrschererhebung sein sollen, so dienen sie doch als wichtige Demonstration. Und das gilt für die Kaiserkrönung in besonderem Maß. Mehr noch als andere Krönungen dient die Kaiserkrönung dazu, in einer Art konstitutiver Rückkoppelung das Wesen der ihr zugrundeliegenden Wahl aufzuzeigen. Die Wahl der Kurfürsten wird durch die zeitlich nachfolgende Kaiserkrönung als eine Wahl verdeutlicht, deren Wirkung über die einer Königswahl hinausgeht. Wenn nach der kurialen Theorie erst die Kaiserkrönung den königlichen Kandidaten zum Kaiser macht, Marsilius aber die Kaiserwerdung allein auf die Wahl basiert, dann ist die Aufrechterhaltung der Kaiserkrönung doch notwendig, um die Wahl der Kurfürsten als Kaiserwahl zu demonstrieren. Marsilius’ Begründung des Kaisertums, die Herstellung seiner legitimatorischen Basis, zeigt die Leistungsfähigkeit seiner politischen Theorie. Zunächst ist festzuhalten, wie Marsilius das ganze Spektrum möglicher und in seiner Zeit tatsächlich vertretener Begründungen des Kaisertums ablehnt. Am nachdrücklichsten lehnt er die kuriale Theorie des Kaisertums ab, wie sich gerade an seiner Darstellung der translatio imperii zeigt. Es wird auch erkennbar, daß Marsilius nicht die Idee des Heerkaisertums vertritt. Ebenso wird klar, daß Marsilius auch nicht die göttliche Einsetzung des Kaisertums akzeptiert, wie er auch nie vom sacrum imperium spricht. Auch die philosophische Begründung der kaiserlichen Herrschaft als eine der menschlichen Gattung angemessenste politische Einheit lehnt er ausdrücklich ab. Marsilius’ Begründung ist so originell wie konsequent. Die Einwilligung der ganzen Menschheit in die Übertragung der universalen Gesetzgebungsbefugnis an den römischen Herrscher
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Die Kirche in der politischen Gemeinschaft
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begründet die besondere kaiserliche Stellung. Allerdings hängt diese kaiserliche Befugnis an der perpetuierten funktionalen Instanz des populus Romanus, unter dem Marsilius den nach jeder translatio imperii neu formierten legislator des jeweiligen Römischen Reiches versteht. Mit dieser begrifflichen Bestimmung wird auch an dieser Stelle deutlich, daß er die stadtrömische Theorie des Kaisertums ablehnt. Bereits im Zusammenhang mit seinen Aussagen zur Kaiserkrönung und zur translatio imperii wurde deutlich, daß die Römer gegenüber der zurückgewiesenen Stellung des Papsttums nicht an Bedeutung gewinnen. Sie sind bei Marsilius legitimatorisch nicht von Belang. Die universale Gesetzgebungsbefugnis des römischen Herrschers und des neuen römischen Volks ist allerdings auch eingeschränkt, da sich die Völker der Welt weder vollständig noch dauerhaft ihrer Fähigkeit zur Gesetzgebung entäußert haben. Nur diejenigen Gesetzgebungsbereiche, die eine universale Instanz benötigen, sind in die Verantwortung des universalen Gesetzgebers gefallen. Es sind die Bereiche, die die christlichen Völker als notwendig zur Erhaltung der Glaubenseinheit ansehen. Um sie soll es im folgenden Abschnitt gehen.
4.3
Die Kirche in der politischen Gemeinschaft
4.3.1 Die gläubigen Gesetzgeber und die Priesterschaft Marsilius begegnet der Frage, welche Rechte eine politische Gemeinschaft gegenüber der Priesterschaft besitzen, mit zwei verschiedenen Argumentationen. Die eine Argumentation ist die rationalistische staatstheoretische Überlegung, die Marsilius in der ersten Dictio des Defensor pacis entwickelt. Marsilius bestimmt mit Aristoteles die Priesterschaft als einen der sechs Berufsstände, die die Bestandteile des Staates bilden. Danach besteht eine politische Gemeinschaft aus einem bäuerlichen, einem handwerklichen, einem militärischen, einem handeltreibenden, einem priesterlichen und schließlich einem richtenden oder beratenden Bestandteil. Drei davon, nämlich der priesterliche, der kämpfende und der richtende oder beratende, seien im engeren Sinne Bestandteile des Staates, die auch als Oberschicht (honorabilitas) bezeichnet werden könnten. Die drei anderen Stände seien nur im weiteren Sinne Bestandteile des Staates. Die große Anzahl der Menschen, die diesen Ständen angehören, werde als Volk (multitudo vulgaris) bezeichnet.457 Ausgehend von der grundlegenden Befugnis 457 DP I, 5, § 1, ed. Scholz, 1932/33, S. 20, Z. 12 – 21: »[…] partes seu officia civitatis sunt sex generum, ut dixit Aristoteles 7o Politice, capitulo 6o : agricultura, artificium, militaris, pecuniativa, sacerdocium et iudicialis seu consiliativa. Quorum tria, videlicet sacerdocium, propugnativa et iudicialis, simpliciter sunt partes civitatis, quas eciam in communitatibus
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Zur politischen Theorie des Marsilius von Padua
des Gesetzgebers, die Regierung des Staates einzusetzen,458 argumentiert Marsilius, daß der Gesetzgeber auch die Berufsstände als die übrigen Bestandteile des Staates einzusetzen hat. Dabei ist der Gesetzgeber selbst als die primäre Ursache dieser Einsetzung, die Regierung aber als das tatsächlich ausführende Organ anzusehen.459 Die Wahl des Berufs darf im Interesse der Gemeinschaft nicht vom einzelnen allein entschieden werden, vor allem nicht beim Kriegerstand und der Priesterschaft. Mit Bezug auf diese lautet Marsilius’ Schlußfolgerung: »Vielmehr muß der Regent (principans) diese Personen bestimmen, und auch die Quantität und Qualität dieser Bestandteile oder Berufe hinsichtlich ihrer Anzahl und ihrer Macht und der übrigen Dinge, damit sich der Staat nicht wegen ihrer zügellosen Exzesse auflöst.«460
Marsilius’ zweite Argumentation, die er in der zweiten Dictio des Defensor pacis entwickelt, geht weiter ins einzelne. Sie soll den Widerspruch auflösen zwischen Marsilius’ Auffassung, nach der die Einsetzung des priesterliche Berufsstands durch den menschlichen Gesetzgeber vorgenommen werden muß, und der kirchlichen Lehre, nach der die Priester von Christus eingesetzt worden sind, der aber selbst nicht menschlicher Gesetzgeber im Sinne des Marsilius war.461 Marsilius unterscheidet zwei Arten der priesterlichen Gewalt, um das Problem zu lösen: Die eine Gewalt nennt er essentiell, intrinsisch und unabtrennbar, die andere akzidentiell, extrinsisch und abtrennbar.462 Die essentielle und unabtrennbare Gewalt resultiert unmittelbar aus dem priesterlichen Amt und umfaßt vor allem das Spenden der Sakramente;463 nach Marsilius ist sie bei allen Priestern und Bischöfen im gleichen Maß vorhanden.464 Die akzidentielle und
458 459 460
461 462 463 464
civilibus honorabilitatem dicere solent. Reliqua vero dicuntur partes large, ut quia sunt officia necessaria civitati secundum Aristotelis sentenciam 7o Politice, capitulo 7o. Et solet horum multitudo dici vulgaris.« Vgl. allgemein zu den Bestandteilen des Staates DP I, 4 – 7, ed. Scholz, 1932/33, S. 16 – 36. DP I, 15, §§ 2 – 3, ed. Scholz, 1932/33, S. 85, Z. 7 – S. 86, Z. 25. DP I, 15, § 4, ed. Scholz, 1932/33, S. 86, Z. 26 – S. 87, Z. 19. DP I, 15, § 10, ed. Scholz, 1932/33, S. 92, Z. 5 – 15: »Propter quod nec licitum est alicui pro libito sibi assumere officium in civitate, maxime adveniens. Non enim debet nec racionabiliter potest pro voto quilibet se convertere ad militare vel sacerdocium exercendum, neque debet hoc permittere principans; nam ex hoc contingeret insufficiencia civitati eorum que per alia officia procurari necesse est. Verum ad talia debet principans determinare personas, parcium quoque seu officiorum ipsorum quantitatem et qualitatem secundum numerum et potenciam et huiusmodi reliqua, ne propter ipsarum excessum invicem immoderatum contingat policiam solvi«. Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 169. Vgl. DP II, 8, § 9, ed. Scholz, 1932/33, S. 230, Z. 14 – 20. DP II, 15, § 1, ed. Scholz, 1932/33, S. 325, Z. 19 – S. 326, Z. 7. Das ist das Thema von DP II, 15, ed. Scholz, 1932/33, S. 325 – 336, vgl. zum Folgenden Gewirth, Marsilius of Padua, Bd. 1, 1951, S. 270 – 271. DP II, 15, § 2 und 4, ed. Scholz, 1932/33, S. 327, Z. 1 – 8, und S. 328, Z. 16 – 21. DP II, 15, § 4 – 5, ed. Scholz, 1932/33, S. 328, Z. 21 – S. 331, Z. 9.
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Die Kirche in der politischen Gemeinschaft
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abtrennbare Gewalt, wie etwa die kirchliche Jurisdiktion, stellt allgemein die Gewalt dar, die essentielle priesterliche Gewalt gegenüber einer bestimmten, zugewiesenen Gruppe von Menschen, etwa in einem Pfarrsprengel oder einer Diözese, auszuüben.465 Diese abtrennbare Gewalt besitzen Priester, in der erweiterten Bedeutung des Marsilius, abhängig von ihrer Stellung in der Hierarchie, also im unterschiedlichen Maß. Nur die essentielle, unabtrennbare Gewalt ist vermittels der Priesterweihe göttlichen Ursprungs und wird durch eine primäre Einsetzung erworben.466 Die akzidentielle, abtrennbare Gewalt ist dagegen allein menschlichen Ursprungs und wird durch eine sekundäre Einsetzung zugewiesen.467 Marsilius unterscheidet drei historische Phasen, nach denen sich die sekundäre Einsetzung der Priester unterscheidet. In der ersten Zeit wurden die Apostel selbst durch Christi Offenbarung oder durch einen gemeinsamen Beschluß untereinander bestimmten Völkern oder Provinzen zugewiesen.468 In der zweiten Phase, noch zu Lebzeiten der Apostel, wurden die ersten Nachfolger der Apostel von allen oder mehreren Aposteln oder auch nur von einem von ihnen eingesetzt. Dabei haben die Apostel sowohl die primäre als auch die sekundäre Einsetzung vorgenommen. Die Gemeinde der Gläubigen wurde noch nicht mit der Wahl eines Bischofs betraut, weil sie noch ungebildet und unerfahren darin war. Allerdings war es nützlich, wenn der Apostel das Volk wegen des Charakters desjenigen befragte, der mit einem Amt versehen werden sollte.469 Erst in der darauffolgenden Zeit, nach dem Tod der Apostel, waren es alle Gläubigen, die an der Einsetzung der priesterlichen Amtsträger mitwirkten: »[…] nach der Zeit der Apostel und der apostolischen Väter, die ihnen ganz dicht im Amte nachgefolgt sind, und zwar besonders in den schon vollkommenen Gemeinschaften der Gläubigen (communitates fidelium perfecte), ist oder soll sein die unmittelbare bewirkende Ursache dieser Einsetzung oder Bestimmung eines Vorstehers (sei es eines höheren, den man Bischof nennt, sei es der niederen, die man SeelsorgeGeistliche nennt, und in ähnlicher Weise auch die übrigen niederen) die Menge der Gläubigen (fidelium multitudo) dieser Gegend durch ihre Wahl oder ausdrückliche Willensäußerung oder jener oder jene, dem oder denen die eben genannte Menge die Vollmacht zu dieser Einsetzung übertragen hat. Zu derselben Machtbefugnis gehört es, einen jeden der eben genannten Amtsträger auf gesetzliche Weise von derartigen Ämtern zu entfernen oder ihn abzusetzen und auch zur Ausübung seines Amtes zu nötigen, wenn es vorteilhaft erscheint.«470 465 466 467 468 469
DP II, 15, § 9, ed. Scholz, 1932/33, S. 335, Z. 1 – S. 336, Z. 2. DP II, 15, § 2 und 10, ed. Scholz, 1932/33, S. 326, Z. 15 – 32, und S. 336, Z. 3 – 10, Z. 17 – 26. DP II, 15, § 6 und 10, ed. Scholz, 1932/33, S. 331, Z. 10 – 25, und S. 336, Z. 11 – 16, Z. 27 – 31. DP II, 17, § 5, ed. Scholz, 1932/33, S. 358, Z. 29 – S. 359, Z. 1, und S. 359, Z. 16 – 23. DP II, 17, § 5, ed. Scholz, 1932/33, S. 359, Z. 1 – 7, und II, 17, §§ 6 und 7, S. 359, Z. 24 – S. 362, Z. 9. 470 DP II, 17, § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 362, Z. 10 – 23: »(Hiis consequenter ostendere volo,
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Zur politischen Theorie des Marsilius von Padua
Die Gemeinde selbst muß nun über die sekundären Einsetzungen entscheiden. Hinsichtlich der primären Einsetzung bleibt Marsilius etwas undeutlich, wenn er zwar jedem Priester das Recht zugesteht, andere zu Priestern zu weihen, aber als Regulativ für dessen Entscheidung nur die Bindung an das göttliche und menschliche Gesetz anführt, nach dem kein Unzulänglicher die Priesterweihe empfangen darf.471 Die entscheidende und bis in Marsilius’ Gegenwart andauernde Änderung trat ein, als sich die politischen Gemeinschaften, in denen Christen lebten, zu vollkommenen Gemeinschaften der Gläubigen entwickelten. Eine vollentwikkelte Gemeinschaft besteht dann, wenn sowohl der Gesetzgeber als auch der Regent gläubig sind, wenn die universitas fidelium fast oder ganz identisch mit der universitas civium ist und damit die Kirche mit dem legislator identisch ist.472 Das zeigt sich im folgenden: »[…] in den bereits vollkommenen Gemeinschaften der Gläubigen steht es ausschließlich dem menschlichen Gesetzgeber zu oder der gläubigen Menge dieses Orts, über den der künftige Diener der Kirche die Aufsicht führen soll, die Personen zu wählen (eligere), zu bestimmen (determinare) und vorzuschlagen (presentare), die zu den kirchlichen Weihen erhoben werden sollen; und keinem Priester oder Bischof für seine Person oder einem Kollegium von ihnen allein ist es gestattet, beim Empfang derartiger Weihen mitzuwirken ohne die Erlaubnis des menschlichen Gesetzgebers oder dessen, der kraft Ermächtigung durch ihn regiert.«473
Marsilius zieht für die Beteiligung aller Gläubigen an der Auswahl derjenigen, die zur Priesterweihe zuzulassen sind, als Argument heran, daß die Wahl durch die gläubige Gemeinde vermag, was einzelne nicht vermögen, nämlich ein quod) post temporum apostolorum et priorum patrum, sibi quasi prope succedencium in officio, et precipue communitatibus fidelium iam perfectis, huius institucionis seu determinacionis presidis sive maioris, quem vocant episcopum, sive minorum, quos curatos sacerdotes appellant, similiter et reliquorum minorum causa factiva immediata sit seu esse debeat universa eius loci fidelium multitudo per suam eleccionem seu voluntatem expressam, aut ille vel illi, cui vel quibus iam dicta multitudo harum institucionem auctoritatem concesserit; et quod eiusdem auctoritatis sit, unumquemque iam dictum officialem ab huiusmodi officiis licite amovere sive privare ac ad illius exercicium compellere, si expediens videatur.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 661/663. Vgl. DP II, 17, § 5, ed. Scholz, 1932/33, S. 359, Z. 8 – 15. 471 DP II, 17, § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 362, Z. 24 – S. 363, Z. 4. 472 Gewirth, Marsilius of Padua, Bd. 1, 1951, S. 291. 473 DP II, 17, § 9, ed. Scholz, 1932/33, S. 363, Z. 21 – 29: »(Ex hiis amplius per necessitatem inferre volo, quod) in communitatibus fidelium iam perfectis ad legislatorem humanum solummodo seu fidelem multitudinem eius loci, super quam intendere debet promovendus minister, pertineat eligere, determinare ac presentare personas promovendas ad ecclesiasticos ordinis; et quod nemini sacerdoti vel episcopo singulariter neque ipsorum soli collegio cuiquam cooperari liceat ad huiusmodi suscipiendos ordines absque legislatoris humani vel ipsius auctoritate principantis licencia.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 665.
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besseres Urteil über den Charakter und die Lebensführung des Kandidaten zu fällen.474 Das Recht des menschlichen Gesetzgebers, Geistliche in ihr Amt einzusetzen, ist umfassend und bezieht sich auf die primäre und sekundäre Einsetzung. Marsilius will zeigen, »daß die Wahl und Zulassung eines jeden, der in den heiligen Stand erhoben werden soll, dem Richter in der dritten Bedeutung zusteht, nämlich der Entscheidung des menschlichen Gesetzgebers in den bereits vollkommenen Gemeinschaften der Gläubigen; und dazu zugleich dessen sekundäre Einsetzung, durch die ein Bischof oder Pfarrer für ein gläubiges Volk und in einem bestimmten Gebiet zum Vorsteher bestellt wird, und ebenso bei den anderen niederen kirchlichen Ämtern; auch die Entfernung aus dem Amt oder die Amtsentsetzung, endlich das Recht, die Diener der Kirche nötigenfalls zur pflichtgemäßen Ausübung des Amtes zu zwingen. Weiter soll gezeigt werden, wem es zukommt, die zeitlichen Güter der Kirche, Benefizien genannt, zu verteilen.«475
Für beide Arten der Einsetzung von Priestern durch den Gesetzgeber wendet Marsilius in Analogie die Argumentform an, mit der er auch gezeigt hat, daß die Gesetzgebung und die Wahl der Regierung allein dem Gesetzgeber zusteht.476 Hinzu kommt an dieser Stelle die Befugnis zur Amtsenthebung von Priestern. 474 DP II, 17, § 10, ed. Scholz, 1932/33, S. 364. 475 DP II, 17, § 11, ed. Scholz, 1932/33, S. 365, Z. 10 – 21: »(Nunc autem racione probabili, si necessarium probabile liceat dicere, ostendere volo,) promovendi cuiuslibet ad sacrum ordinem eleccionem atque approbacionem pertinere ad iudicem tercie significacionis, sentenciam scilicet humani legislatoris in communitatibus fidelium iam perfectis; et cum hoc simul secundariam eius institucionem, qua scilicet fideli populo alicui et in certo loco preficitur episcopus aut curatus, sicque in reliquis minoribus ecclesiasticis officiis; ab ea quoque remocionem seu privacionem, ad exercicium eciam secundum eam ecclesiasticos, si oporteat, arcere ministros. Deinde vero monstrabitur, ad quem vel quos ecclesiastica temporalia, vocata beneficia, distribuere pertineat.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 667. – Marsilius gibt im Defensor pacis in einem eigenen Abschnitt über die Bedeutung der zentralen Begriffe seines Werks auch eine Unterscheidung von drei Bedeutungen der Bezeichnung »Richter«. Die dritte von ihm gegebene Bedeutung von »Richter« bezieht er auf den Regenten (principans), »zu dessen Zuständigkeit es gehört, über das Gerechte und Nützliche nach den Gesetzen oder Gewohnheitsrechten zu urteilen und die von ihm gefällten Entscheidungen mit zwingender Gewalt für rechtskräftig zu erklären und zu vollstrecken«; DP II, 2, § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 151, Z. 17 – 21: »Rursum vero dicitur hoc nomen iudex de principante, et hoc nomen iudicium de principantis sentencia, cuius siquidem auctoritas est iudicare de iustis et conferentibus secundum leges aut consuetudines latasque per ipsum sentencias precipiendi et exequendi per potenciam coactivam«. Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 273. 476 DP II, 17, § 11, ed. Scholz, 1932/33, S. 365, Z. 22 – S. 366, Z. 4: »Primum quidem convinci potest eisdem aut consimilibus demonstracionibus, qualibus 12o, 13o et 15o prime ad universitatem civium legumlacionem principancium institucionem ostendimus pertinere, sola demonstracionum mutata extremitate minori, ut videlicet eleccio seu persone ad ordinem sacrum promovende approbacio, ipsiusque institucio seu determinacio ad certe plebis atque provincie presidatum, eiusque privacio seu remocio ad eisdem propter delictum vel
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Marsilius’ Unterscheidung zwischen der Wahl der Priester einerseits, also der Auswahl der Personen, die mit der essentiellen, unabtrennbaren Gewalt der Priester versehen werden sollen,477 und der Einsetzung als Pfarrer oder Bischöfe, also die Übertragung eines kirchlichen Amtes mit akzidentiellem und abtrennbaren Charakter andererseits wird auch an anderer Stelle, nämlich bei der Auseinandersetzung mit dem päpstlichen Provisionsrecht, deutlich.478 Dieser Unterschied ist bedeutsam, weil er zeigt, wie konsequent Marsilius die zweifache racionabilem alteram causam assumantur in demonstracionibus pro termino legis aut principantis.« Vgl. oben S. 110 ff. 477 DP II, 28, § 28, ed. Scholz, 1932/33, S. 573, Z. 11 – 27: »Et quod singulariter concludere volunt, ad Romanum episcopum solum aut cum suo solo clericorum collegio pertinere auctoritatem instituendi personas ad ecclesiastica officia et pro illis temporalia sive beneficia conferendi, dicendum, quod si per officia ecclesiastica intelligantur sacri ordines et caracteres, qui cum hiis imprimuntur in anima velut habitus quidam, hec inquam officia per solos episcopos sive presbyteros posse conferri sive a Deo per ministerium eorum tantummodo et nullius alterius collegii vel singularis persone; et hoc credendum de necessitate salutis vel non ipsius oppositum, quia sic ordinatum reperitur lege divina, non quidem quoniam sic statutum est per humanas aliquas decretales sive decreta; quamvis tamen, ut diximus 17o huius, personarum habilitatis ad hec suscipienda officia examen et determinacio non sine legislatoris fidelis auctoritate vel eius principantis fieri debeat, ut ubi supra monstravimus et 15o prime.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 1035: »Wenn [diese Dekretalen] insbesondere den Schluß ziehen wollen, dem römischen Bischof allein oder allein mit seinem Klerikerkollegium stehe die Befugnis zu, Personen in die kirchlichen Ämter einzusetzen und zu ihren Gunsten zeitliche Güter oder Benefizien zu verleihen, so ist zu sagen: Wenn unter ›kirchlichen Ämtern‹ die heiligen Weihen und der Charakter verstanden werden, der damit der Seele als ein Habitus eingeprägt wird, so können, sage ich, allein die Bischöfe oder Priester diese Ämter verleihen oder Gott ausschließlich durch deren Amtshandlung und nicht durch die eines Kollegiums oder einer Einzelperson; und das ist zu glauben als heilsnotwendig und nicht das Gegenteil davon, weil es sich im göttlichen Gesetz so angeordnet findet, nicht weil es durch menschliche Dekretalen oder Dekrete so festgesetzt ist; indessen darf doch nach II 17 die Prüfung der Personen, ob sie zur Übernahme dieser Ämter geeignet sind, und deren Auswahl nicht ohne die entscheidende Mitwirkung des gläubigen Gesetzgebers oder seines Herrschers erfolgen, wie wir an der oben angeführten Stelle und in I 15 gezeigt haben.« 478 Vgl. DP II, 28, § 28, ed. Scholz, 1932/33, S. 573, Z. 27 – S. 574, Z. 8: »Si vero per officia ecclesiastica intelligantur determinaciones sei instituciones presbyterorum et aliorum iam dictorum officialium ad curas animarum maiores aut minores, in certis locis et ad certos populos gubernandos, talia instituere officia sive personarum ad hec determinaciones facere ac pro hiis ecclesiastica temporalia distribuere seu conferre, ad fidelium legislatorem pertinet, secundum quem modum diximus 17o huius, idque generaliter et ubique nullius unici episcopi aut collegii sacerdotum auctoritatis ess non expedire, quemadmodum 17o et 21o huius ostensum est.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 1035: »Wenn aber unter ›kirchlichen Ämtern‹ die Einsetzung der Priester und der anderen eben genannten Amtsträger in bestimmte höhere oder niedere geistliche Stellen an bestimmten Orten oder zur Leitung bestimmter Völker verstanden wird, so kommt [die Befugnis], solche Ämter einzurichten oder Personen dafür zu bestimmen und an diese zeitliche Güter zu verteilen oder zu verleihen, dem gläubigen Gesetzgeber zu in der Form, wie wir sie in II, 17 angegeben haben; das gehört also grundsätzlich nirgends zur Befugnis eines Bischofs oder Priesterkollegiums, noch wäre das zweckmäßig, wie in II, 17 und II, 21 gezeigt worden ist.«
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Natur des Priesteramtes verfolgt, und weil er zeigt, auf welche Weise, mit welchen Stufen, Marsilius die Erhebungen von Geistlichen begründet sehen will. Die Stufen der Übertragung eines kirchlichen Amtes sind daher : 1. Zulassung oder Auswahl geeigneter Personen durch die Gemeinde der Gläubigen, den gläubigen Gesetzgeber oder den ermächtigten Regenten zur Priesterweihe. 2. Die Weihe durch jeden anderen Priester. 3. Einsetzung mit den dazugehörigen zeitlichen Benefizien durch den gläubigen Gesetzgeber oder regelhaft durch den dazu ermächtigten Regenten in ein erstes sekundäres Amt und auch in alle eventuell später übertragenen sekundären Ämter.479 Zur weiteren Verdeutlichung und begrifflichen Schärfung stellt Marsilius noch einmal die kirchliche Ordnung in der Zeit der noch nicht vollentwickelten Gemeinschaften dar : »Denn wo ein ungläubiger Gesetzgeber und kraft Ermächtigung durch ihn ein ungläubiger Regent vorhanden wäre, wie es in den meisten und fast allen Gemeinschaften der Urkirche der Fall war, dort würde Zulassung oder Ablehnung der Personen, die zu den kirchlichen Weihen erhoben werden sollen (nebst den übrigen eben erwähnten Amtseinsetzungen und Amtsausübungen), dem Priester oder Bischof [im Zusammenwirken] mit dem vernünftigeren Teil der Gemeinde des Sprengels zukommen, oder dem Bischof allein, wenn es ein einziger wäre, würde diese Vollmacht zustehen ohne Einwilligung oder Wissen des Regenten, damit durch eine derartige Form der Rangerhöhung oder der Einsetzung der höheren Geistlichen oder Seelsorger der Glaube an Christus und die Heilslehre verbreitet würde; das würde durch die Autorität, Bemühung oder Anordnung eines ungläubigen Gesetzgebers oder Gesetzeshüters nicht gefördert, sondern vielmehr gehemmt.«480
Gegen die verbreitete Meinung, daß Marsilius die »Trennung von Staat und Kirche« vertreten habe, ist an dieser Stelle festzustellen, daß Marsilius diese Trennung bei den gläubigen Gemeinschaften, um die es ihm geht, eben nicht vertritt, sondern vielmehr die – weitgehende – Identität der Mitglieder der politischen Gemeinschaft mit den Gläubigen in dieser Gemeinschaft betont. Allein unter der Bedingung der politischen Minorität der Gläubigen in einer politi479 Diese Reihenfolge auch bei Garnett, Marsilius of Padua, 2006, S. 89; Löffelberger, Marsilius von Padua, 1992, S. 234, vertritt weniger überzeugend folgende Stufen: »Wahl – Einsetzung in Amt und Besitz (= sekundäre Einsetzung) – Weihe (= primäre Einsetzung).« 480 DP II, 17, § 15, ed. Scholz, 1932/33, S. 370, Z. 12 – 24: »Nam in quo loco legislator et eius auctoritate principans infideles existerent, quemadmodum erat in communitatum plurimis et quasi omnibus circa statum ecclesie primitive, personarum promovendarum ad ecclesiasticos ordines approbacio vel reprobacio, cum reliquis institutionibus iam dictis et officiorum exerciciis, sacerdoti vel episcopo cum saniori parte fidelis multitudinis existentis ibidem aut illi soli, si solus esset, auctoritas hec conveniret absque consensu vel sciencia principantis, ut ex huiusmodi promocione ac prelatorum seu curatorum institucione fides Christi et doctrina salutaris divulgaretur : que legislatoris infidelis aut legis custodis auctoritate, studio vel precepto non fierent, sed magis prohiberentur.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 675/677.
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schen Gemeinschaft verweist Marsilius auf so etwas wie Trennung von Staat und Kirche,481 Autonomie von Religion und Kirche482 oder Autonomie der Gemeinschaft der Gläubigen in der politischen Gemeinschaft. Als Gegenbegriff zum ungläubigen Gesetzgeber wird erst an dieser Stelle der für Marsilius’ kirchenpolitische Theorie zentrale Begriff des »gläubigen Gesetzgebers« (legislator fidelis) eingeführt.483 Marsilius hat im allgemeinen gezeigt, daß in den christlichen Gemeinschaften denjenigen, die jeweils Gesetzgeber sind, zukommt zu entscheiden, welche Personen das Priesteramt bekleiden sollen. Bezogen auf eine bestimmte politische Gemeinschaft ist es derselbe legislator, der für die politischen, weltlichen Angelegenheiten zuständig ist. Verbunden mit dem Recht, Priester in ihr sekundäres Amt einzusetzen und gegebenenfalls auch abzusetzen, hat auch allein der gläubige Gesetzgeber die Aufgabe, die Geistlichen bei der Ausübung ihres Amtes zu disziplinieren und gegebenenfalls dazu zu zwingen. In der 40. Konklusion hält Marsilius fest: »Der gläubige Gesetzgeber oder wer kraft Ermächtigung durch ihn regiert, kann in seinem Land die Bischöfe wie die übrigen Diener des Evangeliums, die mit Nahrung und Kleidung ausreichend versorgt sind, dazu zwingen, Gottesdienst zu halten und die kirchlichen Sakramente zu spenden«.484
Damit erscheinen im Defensor pacis die seelsorgerischen und sakramentalen Aufgaben von Kirche und Priestern als Auftrag der gläubigen politischen Gemeinschaft, die der weltliche Herrscher durchzusetzen hat. 481 Vgl. Kunzmann, 1958, S. 676, Anm. 969. 482 Gewirth, Marsilius of Padua, Bd. 1, 1951, S. 296. 483 DP II, 17, § 15, ed. Scholz, 1932/33, S. 370, Z. 30 – S. 371, Z. 3: »Ubi tamen legislator fidelis et legis custos talia volunt fieri, dico ipsorum esse auctoritatem secundum iam dictum modum propter assignatas causas seu probaciones, tam ex scriptura, quam ex humana, probabili et necessaria racione.« – »Wo jedoch ein gläubiger Gesetzgeber und ein Hüter des Gesetzes dergleichen [Aufgaben] durchgeführt haben wollen, dort, sage ich, kommt ihnen diese Vollmacht in der eben genannten Form zu aus den hervorgehobenen Gründen oder Beweisen, sowohl aus der Heiligen Schrift als auch aus menschlichen, wahrscheinlichen und notwendigen Beweisen.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 677. 484 DP III, 2, § 40, ed. Scholz, 1932/33, S. 610, Z. 29 – S. 611, Z. 3: »Legislatorem fidelem aut eius auctoritate principantem in subiecta sibi provincia compellere posse tam episcopos quam reliquos evangelicos ministros, quibus de sufficiencia victus et tegmenti provisum est ad divina officia celebranda et sacramenta ecclesiastica ministranda«. Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 1101. Im Zusammenhang mit dem Problem sittlich verdorbener und böser Priester heißt es an anderer Stelle, DP II, 17, § 12, ed. Scholz, 1932/33, S. 368, Z. 16 – 20: »Sic eciam propter periculum cogendus est et racionabiliter per humanum legislatorem aut principem cogi potest ecclesiasticus minister ad exhibenda et ministranda sacramenta, que sunt de necessitate salutis, ut baptismum, si perversus existens hoc facere recusaret.« – »Daher muß auch wegen der Gefahr und kann aus Vernunftgründen der menschliche Gesetzgeber oder der Herrscher den Diener der Kirche zwingen, die Sakramente zu reichen und zu spenden, die für die ewige Seeligkeit notwendig sind wie die Taufe, wenn einer aus Bosheit das verweigern sollte.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 673.
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Die Kirche in der politischen Gemeinschaft
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Der gläubige Gesetzgeber hat auch die Aufgabe, Priester mit zeitlichen Gütern zu versorgen, und die Befugnis, sie ihnen auch wieder zu entziehen.485 Der gläubige Gesetzgeber kann über die Erträge der Temporalien verfügen, aber auch die Benefizien selbst veräußern.486 Seine Verpflichtung ist es jedoch, die »Diener des Evangeliums mit geziemender Nahrung und Kleidung zu versorgen, womit sie zufrieden sein müssen«.487 Wenn dieser notwendige Bedarf der Priester gedeckt ist, auch die Kosten für die Gottesdienste und der Bedarf der Armen, dann kann der Gesetzgeber die Temporalien der Kirchen für die Zwecke der politischen Gemeinschaft, wie etwa die Verteidigung, verwenden.488 Es ist sogar die Pflicht des Gesetzgebers, darauf zu achten, daß die Einnahmen der Priester, aus Zehnten etwa, diesen Bedarf nicht übersteigen.489 Damit hat Marsilius im Grundsatz die Temporalien der Kirche der Verfügungsgewalt der politischen Gemeinschaft zugeordnet. Der, unter bescheidenen Maximen,490 nicht benötigte Anteil der Einkünfte und Güter der Kirche soll der politischen Gemeinschaft übereignet werden, und das, was der Priesterschaft verbleibt, soll unter der Kontrolle weltlicher Instanzen stehen. Ein weiterer wichtiger Punkt im Verhältnis von politischer Gemeinschaft und Priesterschaft ist die Gerichtsbarkeit. Ausgehend von dem Grundsatz, daß in einer politischen Gemeinschaft nur eine Regierungsgewalt und nicht mehrere existieren darf,491 kann es auch nur eine zwingende Rechtsprechung geben. »Keiner Einzelperson, welcher Würde oder Rangstufe auch immer, noch einem Kollegium kommt eine Regierungsgewalt oder eine zwingende Rechtsprechung über jemand in dieser Welt zu, außer wenn ihm die Befugnis dazu der göttliche oder menschliche Gesetzgeber unmittelbar übertragen hat.«492 485 DP III, 2, § 23, ed. Scholz, 1932/33, S. 607, Z. 12 – 15: »Ecclesiastica officia separabilia solius fidelis legislatoris auctoritate debere conferri et similiter auferri posse, sic quoque beneficia et propter pias causas reliqua constituta«. 486 DP II, 17, § 16, ed. Scholz, 1932/33, S. 371, Z. 4 – 30. 487 DP II, 17, § 16, ed. Scholz, 1932/33, S. 371, Z. 26 – 29: »[…] hiis tamen semper adiciendo, secundum omnem eventum fidelem populum lege divina obligari, si potens fuerit, ad evangelicorum ministrorum sustentacionem in victu et tegmento decenti, quibus contenti debent esse«. 488 DP III, 2, § 27, ed. Scholz, 1932/33, S. 608, Z. 3 – 8: »Ecclesiasticis temporabilibus, expleta sacerdotum et aliorum evangelii ministrorum, et hiis que ad cultum divinum pertinent, ac impotentum pauperum necessitate, licite ac secundum legem divinam pro communibus seu publicis utilitatibus aut defensionibus uti posse legislatorem simplciter et in parte«. 489 DP II, 21, § 14, ed. Scholz, 1932/33, S. 417, Z. 6 – 25. 490 Vgl. Marsilius’ Kapitel zum Armutsstreit, DP II, 13 und 14, ed. Scholz, 1932/33, S. 275 – 325. 491 DP I, 17, ed. Scholz, 1932/33, S. 112 – 121. 492 DP I, 17, § 13, ed. Scholz, 1932/33, S. 120, Z. 27 – 31: »[…] nulli persone singulari, cuiuscumque dignitatis aut status existat, neque collegio cuipiam convenire principatum sei iurisdiccionem aliquam cuiusquam in hoc seculo coactivam, nisi per legislatorem divinum aut humanum immediate sibi tradita fuerit auctoritas ista.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 219.
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Zur politischen Theorie des Marsilius von Padua
Priester und andere geistliche Personen dürfen daher keine zwingende Gerichtsbarkeit ausüben, weder über Laien noch über Geistliche.493 Die geistliche Gerichtsbarkeit wird damit aufgehoben. Vielmehr unterliegen alle Priester in umfassender Weise der zwingenden Rechtsprechung der politischen Gemeinschaft. Für die Frage, ob jemand die menschlichen Gesetze übertritt, argumentiert Marsilius, ist es unerheblich, ob er Priester ist oder nicht.494 »Also muß jeder Priester oder Bischof, wenn er das menschliche Gesetz übertritt, von dem Richter zur Rechenschaft gezogen werden, dem in dieser Welt die zwingende Gewalt gegenüber den Übertretern des menschlichen Gesetzes zukommt. Nun ist das der weltliche Herrscher als solcher, nicht der Priester oder Bischof […]. Also müssen die Priester oder Bischöfe alle, wenn sie das menschliche Gesetz übertreten, vom Herrscher bestraft werden.«495
Alle Menschen, auch Geistliche, und zwar auch in der Ausübung ihres Amtes, sind der weltlichen Rechtsprechung unterworfen.496 Ein Geistlicher darf also nur dann als Richter amtieren, wenn der weltliche Herrscher ihn als weltlichen Richter autorisiert. Mit diesen Grundsätzen hat Marsilius bereits eine politische Theorie von der Rolle der Kirche und eine Ekklesiologie entwickelt, die bisher jedoch nur auf die Ordnung in den einzelnen politischen Gemeinschaften angewandt wurden.
493 DP II, 4, § 1, ed. Scholz, 1932/33, S. 159, Z. 2 – 8; DP II, 9, § 3, ed. Scholz, 1932/33, S. 234, Z. 5 – 13; DP II, 9, § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 239, Z. 3 – 6. Zusammenfassend formuliert Marsilius als 14. Konklusion, DP III, 2, § 14, ed. Scholz, 1932/33, S. 605, Z. 24 – 27: »Principatum seu iurisdiccionem coactivam supra quemquam clericum aut laicum, eciam si hereticus extet, episcopum vel sacerdotem inquantum huiusmodi nullam habere«. 494 DP II, 8, § 7, ed. Scholz, 1932/33, S. 226, Z. 12 – 18. 495 DP II, 8, § 7, ed. Scholz, 1932/33, S. 226, Z. 19 – 26: »Debet ergo sacerdos seu episcopus quilibet humane legis transgressor iustificari et arceri per iudicem, cuius est in hoc seculo transgressorum humane legis coactiva potestas. Hic autem est seculi princeps inquantum huiusmodi, non presbyter aut episcopus, (ut demonstratum est 15o et 17o prime, 4o huius et 5o.) Ergo per principem presbyteros seu episcopos omnes humane legis transgressores oportet arceri.« 496 DP III, 2, § 15, ed. Scholz, 1932/33, S. 605, Z. 28 – S. 606, Z. 3: »Super omnem sigularem personam mortalem cuiuscumque condicionis existat, atque collegium laicorum aut clericorum, auctoritate legislatoris solummodo principantem iurisdiccionem, tam realem quam personalem, coactivam habere«. Vgl. auch DP II, 9, § 9, ed. Scholz, 1932/33, S. 240, Z. 15 – 18.
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4.3.2 Der höchste gläubige Gesetzgeber und das allgemeine Konzil Bei Marsilius’ Konzilslehre geht es um die Anwendung seiner ekklesiologischen Grundsätze auf die universale Kirche. Ausgehend von der Forderung nach der Einheit des Glaubens aller Christen und ihrer beständigen Bewahrung,497 stellt Marsilius die Bedeutung von allgemeinen Konzilien für die Christenheit heraus. In der Disposition seines »Konzilstraktats«498 (DP II, 18 – 22) bestimmt er in fünf Punkten ihre Befugnisse und Merkmale. Allein ein allgemeines Konzil aller Gläubigen oder derjenigen, die die Ermächtigung durch alle Gläubigen haben, soll die Befugnis haben, die einheitliche Auslegung des göttlichen Gesetzes und der evangelischen Lehre festzulegen.499 Das Konzil soll aus bevollmächtigten Personen zusammengesetzt sein, die die Gesamtheit der Gläubigen repräsentieren, »dabei sollen alle Länder der Erde oder die ansehnlichen Gemeinschaften nach der Entscheidung ihres menschlichen Gesetzgebers, sei es eines einzigen, sei es mehrerer, und entsprechend der Zahl und Bedeutung der Personen gläubige Männer wählen, Priester zuerst und dann Nicht-Priester«,
die an einem bestimmten Ort der Erde zusammenkommen, um Regelungen über den christlichen Glauben oder den kirchlichen Ritus zu treffen.500 Die Einberufung des allgemeinen Konzils steht aber nicht einer anderen geistlichen Instanz zu, wie etwa dem Papst. Marsilius bestimmt vielmehr, daß »ein allgemeines Konzil einzuberufen und gegebenenfalls durch zwingende Macht (coactiva potentia) zusammenzubringen, allein dem gläubigen menschlichen Gesetzgeber, der keinen höheren über sich hat (humanus fidelis legislator superiore carens), 497 DP II, 18, § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 381, Z. 25 – S. 382, Z. 1. 498 Sieben, Konzilsidee, 1984, S. 372 und passim. 499 DP II, 18, § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 382, Z. 1 – 11. Zu den weiteren Ausführungen zum ersten Punkt vgl. DP II, 20, § 1 – 5. 500 DP II, 20, § 2, ed. Scholz, 1932/33, S. 393, Z. 13 – S. 394, Z. 4: »(Huic consequenter ostendo, quod huius determinacionis auctoritas principalis, mediata vel immediata solius sit generalis concilii Christianorum aut valencioris partis ipsorum vel eorum, quibus ab universitate fidelium Christianorum auctoritas hec concessa fuerit;) sic videlicet, ut omnes mundi provincie seu communitates notabiles secundum sui legislatoris humani determinacionem, sive unici sive pluris, et secundum ipsarum proporcionem in quantitate ac qualitate personarum viros eligant fideles, presbyteros primum et non presbyteros consequenter, (idoneus tamen, ut vita probaciores et in lege divina periciores, qui tamquam iudices secundum iudicis significacionem primam, vicem universitatis fidelium representantes, iam dicta sibi per universitates auctoritate concessa conveniant ad certum orbis locum, comvenienciorem tamen secundum plurime partis ipsorum determinacionem, in quo simul ea que circa legem divinam apparuerint dubia, utilia, expediencia et necessaria terminari, diffiniant, et reliqua circa ritum ecclesiasticum seu cultum divinum, que futura sint eciam ad quietem et tranquillitatem fidelium, habeant ordinare.)« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 717.
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zusteht, nicht aber irgendeiner einzelnen Person oder irgendeinem einzelnen Kollegium, welcher Würde oder welchen Ranges auch immer, falls nicht der obenerwähnte Gesetzgeber die Vollmacht dazu ihm oder ihnen übertragen hat.«501
Analog zur Definition des Gesetzes wird im Zusammenhang mit dem Konzil nach derjenigen Instanz gesucht, die die erforderliche zwingende Macht ausüben kann. Dazu werden mehrere neue Begriffe des Gesetzgebers eingeführt. Nachdem in der bisherigen Betrachtung die einzelnen politischen Gemeinschaften behandelt wurden, verlangt die universale Instanz eines Generalkonzils ein universales, mit zwingender Gewalt ausgestattetes Organ. Der legislator, der im Zusammenhang mit den einzelnen politischen Gemeinschaften bereits mit humanus und fidelis qualifiziert wurde, wird nun weiter qualifiziert mit superiore carens, supremus und universalis. Der Begriff des humanus fidelis legislator superiore carens bleibt im Defensor pacis ohne theoriegeleitete Erläuterung.502 Marsilius holt sie erst im Defensor minor nach, wo der gleichdeutende Begriff des supremus legislator mit ausdrücklichem Bezug auf seine Befugnis, ein Konzil einzuberufen, als Gesetzgeber des Römischen Reiches bestimmt wird.503 Anstelle des Gesetzgebers kann der von ihm ermächtigte römische Herrscher handeln. Marsilius führt mehrere aus der Sammlung des Pseudo-Isidor entnommene Beispiele dafür an, daß Kaiser Konstantin und dessen Nachfolger Konzilien einberufen haben. Dabei nimmt Marsilius auf den Kaiser selbst als legislator Bezug und resümiert: »Beachte, daß sich die Bischöfe und Priester auf Befehl des Gesetzgebers auf dem obengenannten Konzil versammelt haben.«504 Die Gleichsetzung von höchstem Ge501 DP II, 18, § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 382, Z. 12 – 19: »Deinde ostendam secundum legem divinam et racionem rectam, quod generale concilium convocare idque si expediat per coactivam potenciam congregare, ad solius humani fidelis legislatoris superiore carentis auctoritatem pertineat, non autem ad personam aliquam aut collegium aliquod singulare, cuiuscumque dignitatis aut condicionis existant, nisi eidem aut eisdem per supradictum legislatorem auctoritas concessa foret.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 697/699. Zu den weiteren Ausführungen zum zweiten Punkt vgl. DP II, 20, § 6 – 12, und 21, § 1 – 3. – Der Begriff gläubiger menschlicher Gesetzgeber, der keinen höheren über sich hat, auch DP II, 21, § 1, S. 402, Z. 20, und II, 21, § 4, S. 405. Vgl. Löffelberger, Marsilius von Padua, 1992, S. 221 – 223, der diesem Begriff einen eigenen – so betitelten – Abschnitt widmet. 502 Vielleicht ist Marsilius hier politisch-taktisch motiviert. Die allgemeine Ansprache des Defensor pacis an alle Herrschaftsformen soll nicht beeinträchtigt werden durch die Zuweisung einer Suprematie an eine europäische Macht. In der politischen Situation des Jahres 1324, in der dem römisch-deutschen Reich das Kaisertum unsicher geworden war, konnte die Zuweisung als supremus humanus legislator weniger geeignet erscheinen als nach der Kaiserkrönung, als der Defensor minor geschrieben wurde. 503 Vgl. oben S. 135 f. 504 DP II, 21, § 2, ed. Scholz, 1932/33, S. 403, Z. 14 – 15: »Ecce quod iussu legislatoris congregati fuerunt episcopi et sacerdotes in concilio supradicto.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 735.
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setzgeber und Kaiser praktiziert Marsilius mit Selbstverständlichkeit in seinen Schriften. Als dritten Punkt nennt Marsilius, daß allein das Generalkonzil die Befugnis besitzt, verbindliche Regeln für den Ritus der Kirche und das diesseitige Handeln der Gläubigen aufzustellen. Allerdings erstrecken sich die Autorität des höchsten Gesetzgebers und die Notwendigkeit seiner Mitwirkung an einem allgemeinen Konzil auch auf die Inkraftsetzung der Konzilsbeschlüsse: »[…] eine Anordnung über den kirchlichen Ritus und das menschliche Handeln, die alle Menschen unter einer Strafe für die gegenwärtige oder künftige Welt zur Befolgung verpflichtet, kann allein ein allgemeines Konzil oder der höchste gläubige Gesetzgeber (supremus legislator fidelis) erlassen, entweder unmittelbar oder kraft einer von ihm dazu vorher erteilten Ermächtigung.«505
Marsilius argumentiert zudem historisch, daß die Anordnung der Konzilsbeschlüsse den Kaisern immer schon, und sogar auf den ausdrücklichen Wunsch der römischen Bischöfe, zustand.506 Marsilius konkretisiert, was unter den Begriff des kirchlichen Ritus fällt, das nur von einem allgemeinen Konzil selbst oder aufgrund einer Vollmacht vom ersten gläubigen Gesetzgeber oder einem von ihm ermächtigten Regenten (principans) per Dekret erlassen werden kann: »[…] und nichts kann festgesetzt werden über andere Fragen des menschlichen Handelns wie Fasten, Fleischessen, Enthaltsamkeit, Heiligsprechungen und Heiligenverehrungen, Verbote von mechanischen oder irgendwelchen anderen Arbeiten oder Befreiungen davon, Eheschließungen unterhalb bestimmter Verwandtschaftsgrade, und niemand kann Orden oder Vereinigungen von frommen Männern zulassen oder ablehnen oder sonst etwas dergleichen, was das göttliche Gesetz zuläßt oder erlaubt, unter irgendeine schwere Kirchenstrafe stellen, wie die des Interdikts oder der Exkommunikation oder einer anderen ähnlichen größeren oder kleineren Strafe, umso weniger kann er jemand zur Unterlassung des Erlaubten verpflichten unter Androhung 505 DP II, 18, § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 382, Z. 20 – 25: »Amplius ostendam per certitudinem, nihil statui posse circa ecclesiasticum ritum et humanos actus, quod omnes homines ad observacionem obliget sub aliqua pena pro statu presentis seculi vel venturi, nisi per solum generale concilium seu supremum legislatorem fidelem immediate aut inde sumpta prius auctoritate.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 699. Zu den weiteren Ausführungen zum dritten Punkt vgl. DP II, 21, § 4 – 9. – Der Begriff des supremus legislator fidelis, der gleichbedeutend mit dem humanus fidelis legislator superiore carens verwendet wird, fehlt in den älteren Handschriften des Defensor pacis, erst in der korrigierten Handschrift T’ steht er am Rande nachgetragen, in den späteren Handschriften ist er dann in den Text eingeflossen, vgl. Scholz, DP, 1932/33, S. 382, Anm. e) und Anm. 1 (fortgesetzt auf S. 383). Hier hat vielleicht die im Defensor minor reflektierte Begrifflichkeit zurück auf den Defensor pacis gewirkt. 506 DP II, 21, § 6, ed. Scholz, 1932/33, S. 408, Z. 6 – 29, vgl. auch DP II, 21, § 4, ed. Scholz, 1932/ 33, S. 405, Z. 1 – 10, wo die Konzilsteilnehmer nur als Richter in der ersten Bedeutung bezeichnet werden, ihnen also keine zwingende Gewalt zustehen soll.
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einer Strafe an Gut oder Person, die in der gegenwärtigen Welt vollstreckt werden soll, ohne Ermächtigung durch den eben genannten Gesetzgeber ; er hat ja das Recht, solche Strafen zu verhängen und zu vollstrecken«.507
Diese Liste ist bemerkenswert, da gerade auch die umstrittenen Fragen der Zeit aufgeführt werden wie die Zulassung von Ordensgemeinschaften, hier ist etwa an die Franziskanerspiritualen zu denken, und die Befugnis, ein Interdikt oder eine Exkommunikation auszusprechen. Marsilius entzieht damit dem Papst diejenigen Befugnisse, die in den politischen Auseinandersetzungen der Zeit seine stärksten Waffen waren. Über die Fragen zu naher Verwandtschaft bei Eheschließungen hat Marsilius im Zusammenhang mit der Neuvermählung der Margarete Maultasch selbst den Tractatus de iurisdictione imperatoris in causis matrimonialis und zur Verwendung durch den Kaiser eine Forma dispensationis super affinitatem consanguinitatis verfaßt.508 Allerdings ist festzuhalten, daß Marsilius bei der Befugnis, die Dekrete über den kirchlichen Ritus zu erlassen, nicht allein an den Kaiser denkt. Das Recht, Strafen zu verhängen, steht dem Kaiser nicht außerhalb des römisch-deutschen Reiches zu, vielmehr sind alle christlichen Regenten gemeint. Marsilius weist darauf auch mit seinem Sprachgebrauch von dem Regenten statt dem Herrscher und von dem ersten Gesetzgeber, den Marsilius immer im Zusammenhang mit den einzelnen Reichen verwendet, hin.509 Eine Befugnis des Gesetzgebers, über universale Angelegenheiten der Kirche Anordnungen zu geben, hebt Marsilius hervor: »Nicht nur über die Befolgung der Glaubenssätze, die das Konzil festgelegt hat, steht dem menschlichen Gesetzgeber oder dem, der kraft Ermächtigung durch ihn regiert, zu, ein zwingendes Dekret zu erlassen, sondern auch die Form und Art der Besetzung des römischen Apostolischen Stuhls oder der Wahl des römischen Papstes anzuordnen (statuere).«510 507 DP II, 21, § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 410, Z. 26 – S. 411, Z. 11: »[…] nisi per generale concilium immediate aut inde sumpta prius auctoritate, ad hec eciam fidelis humani legislatoris primi aut eius auctoritate principantis interveniente decreto; nihilque circa humanos actus alios, velut ieiunia, esus carnium, abstinencias, sanctorum canonizaciones ac veneraciones, operum mechanicorum aut aliorum quorumcumque prohibiciones seu vacaciones, matrimoniorum copulas infra certos cognaciones gradus, ordines quoque sive collegia religiosorum approbare vel reprobare, reliqua que similia lege divina licita seu permissa statuere sub aliqua ecclesiastica censura, ut interdicti vel excommunicacionis aut alterius pene consimilis maioris aut minoris, eoque minus ad ea quemquam obligare posse sub pena reali vel personali in statu presentis seculi exigenda, absque iam dicti legislatoris auctoritate; cuius siquidem licita solius potestas est infligere ac exigere tales penas«. Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 749. 508 Vgl. zu den Schriften oben S. 104 f. 509 Zur Rolle der ersten Gesetzgeber bei den translationes imperii vgl. oben S. 140 f. und zur Hierarchie der Gesetzgeber vgl. oben S. 130. 510 DP II, 21, § 5, ed. Scholz, 1932/33, S. 406, Z. 28 – S. 407, Z. 4. »Nec solum de observandis hiis,
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Auch das Verfahren der Papstwahl muß der menschliche Gesetzgeber oder an dessen Stelle der Kaiser anordnen. Dabei wird nicht ganz klar, ob Marsilius die Anordnung des Gesetzgebers abhängig vom Willen und Beschluß des Generalkonzils macht und nur mit Rechtskraft versieht, oder ob er die Befugnis, über das Papstwahlverfahren zu entscheiden, bereits im Ursprung zum menschlichen Gesetzgeber verlagert. An späterer Stelle im Defensor pacis fordert Marsilius die Mitwirkung der Herrscher auf einem Konzil, um die Verfahren zur Einsetzung des Papstes und auch der Kardinäle zu regeln.511 Auch Marsilius’ vierter Punkt wendet sich auf der universalen Ebene gegen eine vor allem vom Papst beanspruchte Befugnis, nämlich Provisionen und Pfründenvergaben in der ganzen abendländischen Christenheit vorzunehmen: »Keinem einzigen Bischof oder keinem Bischof allein oder keiner einzigen anderen Einzelperson oder keinem einzigen Sonderkollegium kommt die Befugnis zu, in alle kirchlichen Ämter der Welt Personen einzusetzen, noch zu ihren Gunsten die Erträge der zeitlichen Güter der Kirche, Benefizien genannt, zu verteilen oder ihnen zu verleihen, sondern die Befugnis hierzu gehört allein dem Stifter oder Schenker oder dem universalen gläubigen Gesetzgeber (universalis legislator fidelis) oder dem oder denen, denen dieser Schenker oder Gesetzgeber – und zwar in der von ihm festgelegten Form und Art – jene Gewalt überlassen hat.«512
que per concilium diffinita fuerant, coactivum ferre decretum ad humanum legislatorem seu ipsius auctoritate principantem pertinet, verum eciam formam et modum Romanam sedem apostolicam ordinandi seu Romanum eligendi pontificem statuere.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 741. 511 DP II, 24, § 9, ed. Scholz, 1932/33, S. 457, Z. 7 – 14: »Et quod amplissima omnium admiracione ac attencione dignum et per principes, tamquam Dei ministros, ad formam debitam reducendum in concilio generali, est de summi pontificis et suorum fratrum, cardinalium scilicet, institucione, quos caput et principaliores ceteris constituendos diximus, principaliter ad fidei veritatem et unitatem servandam atque docendam, iuxta determinacionem concilii supradict.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 831: »Was die höchste Verwunderung und Aufmerksamkeit aller verdient und von den Herrschern als Gottes Dienern auf einem allgemeinen Konzil in die richtige Form gebracht werden muß, das ist die Einsetzung des obersten Pontifex und seiner Brüder, der Kardinäle, die, wie gesagt, als Haupt und Führung für die übrigen eingesetzt werden müssen, vor allem um Wahrheit und Einheit des Glaubens zu erhalten und zu lehren nach der Bestimmung des obengenannten Konzils.« 512 DP II, 18, § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 383, Z. 1 – 9: »Deinde monstrabitur evidenter, ad nullius unici sivi solius episcopi vel alterius unice singularis persone aut particularis unici collegii cuiusquam auctoritatem pertinere, in cunctis mundi ecclesiaticis officiis personas instituere, neque pro eisdem ecclesiastica temporalia, vocata beneficia, distribuere seu conferre; sed auctoritatem hanc solius esse fundatoris seu donatoris vel universalis legislatoris fidelis aut eius vel eorum, cui vel quibus et secundum quam formam et modum idem donator aut legislator hanc concesserit potestatem.« Kunzmann, 1958, S. 699, übersetzt universalis legislator fidelis irreführend mit »Gesamtheit der Gläubigen als Gesetzgeber«. Zu den weiteren Ausführungen zum vierten Punkt vgl. DP II, 21, § 11 – 15.
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Marsilius lehnt damit eine universal vorgenommene Amtseinsetzung und Pfründenvergabe nicht grundsätzlich ab, sondern verlagert sie lediglich, sofern keinem Stifter der Vorrang gebührt, auf die Instanz des universalen Gesetzgebers. Ebenso will Marsilius den Päpsten und anderen Bischöfen die Verfügungsgewalt über diejenigen Ämter entziehen, die ein Machtmittel auch gegenüber der weltlichen Gemeinschaft darstellen und gerade deshalb der öffentlichen Kontrolle, der des Gesetzgebers, unterstellt werden müssen. Dabei weist Marsilius vor allem auf die Lehrbefugnis an Universitäten hin.513 Besonders die Kontrolle der Bischöfe über die Universitäten aufgrund der Regelungen weltlicher Regenten sei nicht mehr rechtmäßig, da sich die Gelehrten aus Angst um ihre berufliche Stellung und ihre akademischen Titel heute in den Dienst der Kirche gegen die weltlichen Herrscher stellten und dabei ein besonders wirksames Machtmittel bildeten.514 Marsilius will die Kontrolle über die Universitäten und andere für die politische Gemeinschaft wichtige Ämter dem Gesetzgeber unterstellen: 513 DP II, 21, § 15, ed. Scholz, 1932/33, S. 418, Z. 15 – 22: »Propter eandem quidem igitur causam conferendi licencias in disciplinis iam dicto episcopo et alteri cuicumque presbytero ac ipsorum soli collegio debet ac licite potest revocari potestas. Est enim hoc humani legislatoris aut eius auctoritate principantis officium, quoniam hec ad commune civium commodum aut incommodum cedere possunt pro statu presentis seculi, quemadmodum demonstratum est 15o prime.« 514 DP II, 21, § 15, ed. Scholz, 1932/33, S. 419, Z. 6 – 20: »Rursum, quoniam hac sibi temporibus antiquis per legislatorem auctoritate concessa propter ipsorum vite sanctitatem et doctrine sufficienciam, ut ex sciencia civilium actuum evidenter apparet, in oppositas temporibus hiis qualitates conversi literatorum collegia sibi subiciunt et seculi principantibus subtrahunt, ipsisque tamquam non modicis instrumentis, quinimo maximis in suis acquirendis et defendendis usurpacionibus adversus seculi principantes utuntur episcopi supradicti. Nolentes enim aut dubitantes viri literati suorum magisteriorum titulos perdere appetitu commodi et glorie consequentis, hosque sibi episcoporum Romanorum aut aliorum auctoritate advenisse, non aliunde, credentes, votis horum assequuntur et quam arbitrantur eorum auctoritati contradicentibus adversantur tam seculi principibus quam subiectis.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 763/765: »Ferner, der Gesetzgeber hat ihnen diese Gewalt in alter Zeit wegen der Lauterkeit ihres Lebenswandels und wegen der Tiefe ihrer Gelehrsamkeit überlassen, wie sich aus dem Zivilrecht deutlich ergibt; obwohl aber die obengenannten Bischöfe in heutiger Zeit die entgegengesetzten Eigenschaften angenommen haben, unterwerfen sie sich noch immer die Universitäten und entziehen sie den weltlichen Herrschern und gebrauchen sie als keineswegs schwache, vielmehr höchst wirksame Werkzeuge bei dem Durchsetzen und der Verteidigung ihrer widerrechtlichen Ansprüche gegen die weltlichen Fürsten. Die Gelehrten haben nämlich keine Lust, ihre Titel als Magister zu verlieren, aber befürchten das, auch streben sie nach dem daraus folgenden Vorteil und Ruhm und sind der Meinung, diese Würden und Stellungen seien ihnen durch die römischen oder anderen Bischöfe zuteil geworden, nicht woandersher; daher fügen sie sich deren Wünschen und treten den weltlichen Fürsten wie deren Untertanen entgegen, wenn diese der Machtbefugnis widersprechen, die die Gelehrten den Bischöfen zuschreiben.«
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»Aber eine derartige Befugnis, die Lehrerlaubnis zu erteilen, steht dem menschlichen Gesetzgeber oder dem durch ihn ermächtigten Regenten zu; um daher nicht die Gunst der gebildeten und klugen Männer zu verlieren, sondern ihre Gunst, die höher als alle äußeren Hilfen einzuschätzen ist, wenn es um Festigung und Verteidigung der Regierungen und Verfassungen geht, sich zu erwerben und zu erhalten, müssen und können sie allein zulässigerweise kraft eigenen Rechts die obenerwähnten Genehmigungen für Übernahme von Notariaten erteilen und die Rechtstitel der übrigen Magistrate und bürgerlichen Ämter verleihen.«515
Dabei ist es nicht der Kaiser, der seit den Anfängen der Universitäten und Notariate im mittelalterlichen Europa mit dem Papst über ihre Kontrolle und Vergabe in Konkurrenz stand, sondern es sind die Gesetzgeber und Regenten der einzelnen Länder, die an die Stelle der kirchlichen Instanzen treten müssen. Auffällig ist hier die herausragende Rolle, die Marsilius gerade den Universitätsgelehrten und universitär Gebildeten für die »Festigung und Verteidigung« der politischen Gemeinschaften und die auf geistiger Ebene ausgetragene und auszutragende Auseinandersetzung zwischen weltlichen Herrschern und Kirche zuschreibt. Die Gruppe der Universitätsgelehrten hat für diese besondere politische Aufgabe eine Bedeutung, die über die der Ratgeber im Staat noch hinausgeht.516 Marsilius appelliert hier geradezu an die Regenten, sich der Universitätsabsolventen anzunehmen und sie mit Ämtern zu versehen. Die Entscheidungsbefugnis des Gesetzgebers über die Erteilung oder Ablehnung der Lehrerlaubnis muß wohl auch das Recht, akademische Grade zu vergeben, umfassen.517 Damit hat Marsilius die Befugnis zur Einsetzung in Ämter, die bisher von der Kirche vergeben wurden, auf die weltlichen Regenten verlagert und dabei die Universitätsabsolventen als Empfänger dieser Ämter besonders im Blick. Mit dem fünften Punkt behandelt Marsilius das Papstamt, dessen Berechtigung und geeigneten Sitz, die Anforderungen an den Amtsinhaber und dessen Aufgaben in Abgrenzung zum allgemeinen Konzil: »Einen einzigen Bischof und eine einzige Kirche als Führung (principalior) oder Oberhaupt der anderen einzusetzen, ist sinnvoll; auch zu bestimmen, welche dazu einzusetzen sind und von wem. Dieser Bischof soll mit seiner Kirche die Aufgabe 515 DP II, 21, § 15, ed. Scholz, 1932/33, S. 419, Z. 20 – 28: »Verum quia eiusmodi auctoritas conferendi disciplinarum licencias est humani legislatoris aut illius auctoritate principantis, ne literatorum et sapientum favore careant, sed hunc, qui super auxilia extrinseca queque ad suos stabiliendos et defendendos principatus et policias preponderandus est, acquirant et servent, iam dictas soli debent et licite possunt auctoritate propria conferre licencias notariatuum et reliquorum magistratuum sive officiorum civilium titulos.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 765. Vgl. die Schlußfolgerungen zu den Notaren und Universitäslehrern DP III, 2, §§ 24 und 25, ed. Scholz, 1932/33, S. 607, Z. 17 – 24. 516 Zur Bedeutung der Ratgeber vgl. unten den Abschnitt über »Gelehrte Ratgeber und politische Gemeinschaft«. 517 Sieben, Konzilsidee, 1984, S. 383.
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haben, an alle übrigen Bischöfe und Kirchen weiterzuleiten, was die allgemeinen Konzilien über den kirchlichen Ritus oder das menschliche Handeln zum gemeinsamen Nutzen der Gläubigen und zu ihrer Ruhe verordnet haben und was als verordnenswert erscheint.«518
Marsilius tritt zwar ausdrücklich dafür ein, die Stellung eines führenden Bischofs zu erhalten, die Macht dieses hier im Zusammenhang mit dem Konzil definierten Papstamts vermindert er aber auch an dieser Stelle deutlich. Vor dem Hintergrund der kirchenrechtlichen Entmachtung des Papstes verstärkt die Hervorhebung des Rechts auf Weiterleitung der Konzilsbeschlüsse nur den Eindruck von seiner Machtlosigkeit. Die Frage, wer Papst sein soll, teilt Marsilius in zwei Teilfragen: zum einen, wie beschaffen die Person des höchsten Bischofs sein soll, und zum anderen, welchem Ort und welcher Diözese die Führung in der Christenheit zukommen soll. Zur Beschaffenheit der Person heißt es, daß der geeignet sei, »der vor allen anderen durch Lebensführung und theologische Gelehrsamkeit hervorragt, wobei jedoch die sittliche Höhe des Lebenswandels stärker zu betonen ist.«519 Damit wird, wie an vielen anderen Stellen im Defensor pacis, noch einmal gegen die Mißstände der Zeit die Forderung formuliert, daß die kirchlichen Amtsinhaber theologisch und charakterlich gebildet sein müssen, der sittlichen Lebensführung räumt Marsilius allerdings den Vorrang ein. Die Antwort auf die Frage nach der Diözese ist, daß dies im allgemeinen derjenige Ort sein soll, dessen Priesterschaft die meisten Männer mit sittlichem Lebenswandel und theologischer Gelehrtheit besitzt. Unter sonst gleichen »oder nicht sehr verschiedenen« Bedingungen gebührt aber Rom, »solange der Ort bewohnbar ist«, der Vorrang,520 wofür Marsilius eine ganze Reihe von Argumenten anführt: wegen des ersten Bischofs, sei es Petrus gewesen oder Paulus 518 DP II, 18, § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 383, Z. 10 – 17: »(Deinde vero monstrabitur, quod) unicum episcopum et ecclesiam, quales et quorum auctoritate aliarum principaliorem sive caput conveniens est instituere; cuius quidem cum ipsius ecclesia sit insinuare reliquis omnibus episcopis et ecclesiis ea, que per generalia concilia circa ritum ecclesiasticum et alios humanos actus ad communem fidelium utilitatem et quietem ordinata fuerint et appareant ordinanda.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 699. Zu den weiteren Ausführungen zum fünften Punkt vgl. DP II, 22, § 1 – 11. 519 DP II, 22, § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 427, Z. 15 – 20: »Quem vero episcopum et qualem cuiusque provincie sive diocesis ecclesiam sic caput aliarum instituere magis conveniat, qualem primum assignantes, dicamus secundum veritatem eum, qui ceteris vita et sacra doctrina cunctis prepollet, in quo tamen est bone vite pocius attendendus excessus.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 779. 520 DP II, 22, § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 427, Z. 20 – 26: »Cuius autem loci sive provincie ceteris ecclesia preferri debeat, dicendum eam, cuius sacerdotale sive clericorum collegium pluribus et ut plurimum honestioris vite ac lucidioris doctrine sacre viris habundat; quamvis ceteris paribus aut non multum distantibus Romanus episcopus aut ipsius ecclesia, quamdiu locus habitabilis extet, pluribus congruenciis videatur meruisse preferri«.
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oder beide, und wegen des Glanzes der Stadt, ihres lange bestehenden Vorranges und des Reichtums an berühmten, heiligen und gelehrten Männern und ihrer Sorge für den Erhalt des Glaubens.521 Auch ein interessantes politisches Argument spricht für Rom als Sitz des führenden Bischofs, nämlich: »[…] auch wegen der einstigen Weltherrschaft und zwingenden Machtfülle ihres Volkes und Herrschers (princeps) über alle anderen Regenten (principantes) und Völker der Erde. Jene allein konnten über die Wahrung des Glaubens und Befolgung der von den allgemeinen Konzilien beschlossenen Glaubenslehren allen eine zwingende Vorschrift geben und ihre Übertreter überall strafen und taten das auch und sie erhoben die Kirche aus geringem Umfang zu gewaltiger Größe«.522
Den römischen Bischofssitz soll man also deswegen als den führenden anerkennen, weil in Rom derjenige weltliche Herrscher seinen Sitz hatte, der die Macht hatte und gebrauchte, um die Kirche als Ganzes mit seiner koaktiven Gewalt zu unterstützen. Schließlich führt Marsilius als Argument die Gewöhnung der Gläubigen an den Vorrang des römischen Bischofssitzes an.523 Nach der Aufzählung der Argumente für Rom muß geklärt werden, wer berechtigt ist, diese Entscheidung zu treffen: »Wer hat aber die Befugnis, diese führende Stellung (prioritas) zu schaffen? Darauf ist zu sagen: das allgemeine Konzil oder der gläubige menschliche Gesetzgeber, der keinen höheren über sich hat. Diesen kommt auch zu, jene oberste Körperschaft oder Gruppe von Klerikern zu bestimmen; in Übereinstimmung mit diesem Verfahren wird man der Stadt Rom, solange sie existiert und ihr Volk dem keinen Riegel vorschiebt, wegen der Verehrung des seligen Petrus und seligen Paulus und wegen der vorhin erwähnten Gründe mit Recht dauernd die erwähnte führende Stellung in Bischof und Kirche vorbehalten können und müssen.«524
Für diese Befugnis des gläubigen menschlichen Gesetzgebers führt Marsilius ein historisches und ein systematisches Argument an. Historisch argumentiert er 521 DP II, 22, § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 427, Z. 26 – S. 428, Z. 4. 522 DP II, 22, § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 428, Z. 4 – 11: »[…] eciam propter sui populi ac principis generalem tunc monarchiam et auctoritatem coactivam super reliquos omnes mundi principantes et populos, qui de observacione fidei et eorum que per generalia diffiniebantur concilia soli poterant omnibus coactivum ferre preceptum et illius ubilibet transgressores arcere, sic quoque fecerunt et ecclesiam ex modico in rem magnam auxerunt«. Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 781. 523 DP II, 22, § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 428, Z. 13 – 20. 524 DP II, 22, § 9, ed. Scholz, 1932/33, S. 428, Z. 21 – 29: »Cuius autem sit auctoritas instituendi prioritatem hanc, dicendum, quod generalis concilii aut fidelis legislatoris humani superiore carentis. Ad quos eciam pertinet determinare primum illum clericorum cetum sive collegium, secundum quem modum Romane urbi, quamdiu extiterit obicemque ad hoc non apposuerit populus ille, propter beatorum Petri et Pauli reverenciam et quas pridem diximus conveniencias poterit licite ac debebit iam dicta principalitas in episcopo et ecclesia continue reservari.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 781.
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mit der Konstantinischen Schenkung und beruft sich auf die Passage, in der Kaiser Konstantin dem römischen Bischof den Vorrang vor den vier (anderen) Patriarchen wie auch allen anderen Priestern zugesprochen hat.525 Auch an dieser Stelle wird der Kaiser ohne weiteres mit diesem Gesetzgeber gleichgesetzt. Als systematisches Argument dafür, daß die »Befugnis zu dieser Einsetzung dem gläubigen menschlichen Gesetzgeber oder dem, der kraft Ermächtigung durch ihn regiert, nach Beschluß und Entscheidung des allgemeinen Konzils zukommt«, führt Marsilius die Argumentform an, die er für die Befugnis zur Einberufung des Konzils verwendet hat.526
Daraus folge, »daß es zu seiner Befugnis auch gehört, zulässigerweise den eben erwähnten obersten Bischof (episcopus principalis) und seine Kirche oder sein Kollegium zurechtzuweisen, sie zu suspendieren und ihres Amtes zu entheben oder sie abzusetzen, wenn es aus vernünftigen Erwägungen zweckmäßig erscheinen sollte.«527
Diese Rechte beziehen sich sowohl auf den gewährten Vorrang des römischen Bischofssitzes, der eben auch wieder entzogen werden kann, als auch auf die Personen der römische Kirche, die Päpste und Kardinäle, die zurechtgewiesen und des Amtes enthoben werden können. Die konkreten Tatbestände, die eine Amtsenthebung rechtfertigen würden, bleiben jedoch über die »vernünftigen Gründe« hinaus unausgesprochen. Bisher an keiner Stelle hat Marsilius ausdrücklich die Frage behandelt, wer das Recht hat, den Papst zu wählen oder in sein Amt einzusetzen. Marsilius spricht dieses Recht hier weder dem gläubigen menschlichen Gesetzgeber noch einem von ihm ermächtigten Regenten, auch nicht aufgrund eines Beschlusses oder einer Entscheidung eines allgemeinen Konzils, noch dem Generalkonzil selbst ausdrücklich zu. Erst im Rahmen seiner historischen Argumentation, die explizit auf den römischen Kaiser abhebt, kommt Marsilius zu einer Klärung der Papstwahl, die im nächsten Abschnitt behandelt wird. 525 DP II, 22, § 10, ed. Scholz, 1932/33, S. 429, Z. 1 – S. 430, Z. 8; vgl. Fuhrmann (Hg.), Das Constitutum Constantini, 1968, Z. 171 – 187, S. 82 – 84. 526 DP II, 22, § 11, ed. Scholz, 1932/33, S. 430, Z. 9 – 17: »Huius autem rursum institucionis auctoritatem esse fidelis legislatoris humani aut eius auctoritate principantis iuxta consilium et determinacionem generalis concilii, convinci potest eisdem racionibus et auctoritatibus, quibus ostensum est 21o huius ad ipsius auctoritatem pertinere generale concilium convocare, rebelles ad conveniendum sacerdotes et nonsacerdotes omnes ac ordinatorum per concilium transgressores licite per coactivam arcere potenciam, sola racionum mutata extremitate minori.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 783/785. 527 DP II, 22, § 11, ed. Scholz, 1932/33, S. 430, Z. 17 – 21: »Ex quibus eisdem per necessitatem sequitur, eiusdem fore auctoritatis iam dictum episcopum principalem et ecclesiam sive collegium corrigere, ab officio suspendere ac privare seu deponere licite, si visum fuerit racionabiliter expedire.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 785.
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Während die weltliche Universalmonarchie von Marsilius abgelehnt wird, hält Marsilius die Einheit der Christenheit auf geistlichem Gebiet für unverzichtbar. Dabei kann jedoch nicht ein für alle Gläubigen zuständiger geistlicher Amtsträger, ein universaler Bischof, die Einheit der Christen wahren, sondern nur ein weltlicher Herrscher, ein universalis princeps: »Daß aber ein zwingender Richter für die ganze Menschheit vorhanden sei, ist wohl noch nicht als notwendig für das ewige Heil nachgewiesen worden, obwohl doch dieser unter den Gläubigen notwendiger zu sein scheint als ein universaler Bischof; denn ein universaler Herrscher kann die Gläubigen eher in der Einheit erhalten als ein universaler Bischof.«528
Nur ein weltlicher Herrscher kann also die Glaubenseinheit der Christen erhalten, indem er Befugnisse besitzt, die die gesamte Christenheit betreffen, ohne aber in die weltlichen Angelegenheiten der christlichen Länder einzugreifen.
4.3.3 Kaiser und Papst So wenig wie das Verhältnis der beiden Gewalten nach Marsilius auf Gleichrangigkeit beruht, so wenig gilt das für das Verhältnis ihrer Spitzen. Die römischen Bischöfe, die Päpste, müssen den Kaisern untergeordnet sein. Marsilius führt dafür mehrere historische Argumente an. Diese Unterordnung zeige sich vor allem daran, daß christliche Kaiser de facto in der Vergangenheit Päpste zum einen abgesetzt und zum anderen auch eingesetzt hätten. Für die Absetzungen von Päpsten durch Kaiser führt Marsilius zwei Beispiele an: »[…] Johannes XII. ist vom römischen Kaiser Otto I., weil sein Vergehen das erforderlich machte, unter Zustimmung des ganzen Volks, der Geistlichkeit wie der Laien, der päpstlichen Würden entkleidet worden. So liest man auch in dem Abschnitt über Benedikt IX. in der Chronik des Martin [von Troppau] von zweien, die in strittiger Wahl gewählt und nach kaiserlicher Prüfung von Heinrich [III.], dem damaligen Herrscher der Römer, abgesetzt worden sind. Es ist nämlich das Recht derselben Autorität, etwas festzusetzen und, wenn zweckmäßig, aufzuheben; da nun jeder Bischof vom Herrscher und vom ganzen Volk gewählt werden muß, kann er auch von ihnen seiner Macht entkleidet oder abgesetzt werden«.529 528 DP II, 28, § 15, ed. Scholz, 1932/33, S. 546, Z. 19 – 24: »Unum autem esse iudicem coactivum omnium, nondum demonstratum videtur esse de necessitate salutis eterne, cum tamen huius amplior videatur necessitas inter fideles, quam nius universalis episcopi, eo quod universalis princeps magis in unitate potest conservare fideles, quam universalis episcopus.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 987. 529 DP II, 25, § 6, ed. Scholz, 1932/33, S. 472, Z. 24 – S. 473, Z. 8: »(Et quod amplius est,) Iohannes Duodecimus per Ottonem Primum, Romanum imperatorem, suis exigentibus demeritis, consenciente omni populo, tam clero quam laicis, a papatu depositus est. Sic eciam ubi de Nono Benedicto agitur in cronica Martini, legitur de duobus electis conten-
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Marsilius stellt zunächst die historischen Beispiele dafür vor, daß Kaiser Päpste abgesetzt haben, und argumentiert erst dann, daß dieses Vorgehen sich mit seiner Theorie decke. Aber bereits die Darstellung der Papstabsetzung durch Kaiser Otto I. hebt die Übereinstimmung mit seiner Theorie hervor, indem die Zustimmung des Volkes, das auch die Geistlichkeit umfaßt haben soll, erwähnt wird. Historisch begründete Einwände gegen das Recht der Kaiser, an der Wahl von Päpsten mitzuwirken, begegnet Marsilius mit grundsätzlichen Argumenten aus seiner Theorie. Papst Hadrian III., referiert Marsilius das gegnerische Argument, habe nach der Chronik des Martin von Troppau bestimmt, daß kein Kaiser sich in die Papstwahlen einmischen dürfe. Das weist Marsilius mit dem Argument zurück, Hadrian III. habe als Papst keine gesetzgeberische Kompetenz besessen und daher auch keine Befugnis gehabt, eine derartige Bestimmung zu erlassen.530 Als historisches Beispiel für die kaiserliche Einsetzung von Päpsten diskutiert Marsilius Martin von Troppaus Darstellung der Einsetzung Leos IX. durch Kaiser Heinrich III.: »Martin behauptet zwar, wo von Leo X. [Leo IX.] die Rede ist: Die Römer erbaten auf Grund eines verkehrten Gewohnheitsrechts vom Kaiser, ihnen einen Pontifex zu geben, und räumt damit das Gewohnheitsrecht ein – wir gestehen, darin hat er recht –; wenn er es jedoch zugleich aus eigener Machtvollkommenheit als verkehrt bezeichnet und damit, so gut er kann, die obengenannten Anmaßungen der römischen Bischöfe rechtfertigt und die Rechte der Kaiser oder des menschlichen Gesetzgebers verdunkelt, in dem Streben, mehr einem Menschen als Gott und der Wahrheit zu gefallen, so sagt er nicht die Wahrheit, sondern beweist nur, daß Ursprung und Geheimnis dieser Sache ihm verschlossen war.«531
Das Recht des römischen Herrschers, den Papst einzusetzen, vertritt Marsilius zwar gegen den dominikanischen Chronisten, schränkt es im direkten Anschluß ciose atque depositis imperiali censura per Henricum, tunc principem Romanorum. Eiusdem enim auctoritatis prime est aliquid statuere ac id cum expediens fuerit destituere; cum igitur episcopus quilibet per principem et omnem populum eligi debeat, ipsorum auctoritate destitui sive deponi potest, (quemadmodum certificatum est 17o huius.)« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 857/859. 530 DP II, 25, § 7, ed. Scholz, 1932/33, S. 474, Z. 18 – 24: »Statuit [papa Adrianus III.] enim, ut nullus imperator se intromitteret de eleccione pape, ut dicti Martini verbis utamur. Quod siquidem statutum omnino nullum, eo quod a carente tali auctoritate, legislativa scilicet, emanavit. Apertum eciam inconveniens continebat, quemadmodum ex 17o huius ostensum est, fueratque illius oppositum longa et laudabili consuetudine roboratum.« 531 DP II, 25, § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 474, Z. 25 – S. 475, Z. 7: »Quamvis enim dicat Martinus, ubi legitur de Leone Decimo, quod Romani ex prava consuetudine petebant ab imperatore pontificem sibi dari, consuetudinem confessus, quod verum concedimus, pravam tamen auctoritate propria dicens illam, quantum potens iustificans usurpacione predictas Romanorum pontificum et iura principum sive humani legislatoris obfuscans, magis homini quam Deo et veritati placere nisus, non verum dicit; sed huius rei ortum et misterium sibi clausum fuisse demonstrat.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 861/863. Marsilius’ wörtliche Wiedergabe von Martin hier wie in der Edition kursiv.
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aber auch explizit ein. Die Formulierung dieser Einschränkung hat nicht viel Aufmerksamkeit in der Forschung gefunden, sie ist jedoch Marsilius’ einzige Darstellung des Rechts des Kaisers, den Papst einzusetzen. Aufmerksamkeit verdient, wie zurückhaltend einerseits und wie konkret andererseits Marsilius diese Befugnis darstellt: »Denn es kommt zwar dem Herrscher (princeps) oder einer anderen Einzelperson als solcher nach göttlichem oder menschlichem Recht oder einem löblichen Gewohnheitsrecht nicht zu, allein gemäß seinem Verlangen eine Person in irgendein Amt einzusetzen oder dafür zu bestimmen, am wenigsten für den römischen Bischofsstuhl, wie in I 15 und II 17 und II 22 zur Genüge gezeigt worden ist, aber wenn dem Kaiser (princeps) die Ermächtigung dazu durch den menschlichen Gesetzgeber zugestanden war, konnte ihm doch in einer bestimmten gesetzlich festgelegten Form und Art mit vollem Recht die Einsetzung des römischen Pontifex zustehen, z. B. wenn er sich verpflichtete, den Rat eines Kollegiums von Priestern und anderen klugen und tüchtigen Männern einzuholen und dem Beschluß ihres gewichtigeren Teils Vertrauen zu schenken.«532
Das Recht des römischen Herrschers, den Papst einzusetzen, erscheint hier im Vergleich zur zusammenfassenden Darstellung in der 41. Konklusion in einer eingeschränkteren Form.533 Zum einen betont Marsilius hier besonders die Ermächtigung durch den menschlichen Gesetzgeber und zum anderen erwähnt er in singulärer Weise die Mitwirkung von Priestern und gelehrten Laien. Zudem fällt auf, daß Marsilius’ Überlegungen soweit konkretisiert sind, daß er von einem besonderen Kollegium von Geistlichen und Laien spricht, dessen gewichtigere Mehrheit über den künftigen Papst beschließen soll. Allerdings soll der Beschluß dieses Kollegiums nur den Charakter eines Ratschlags haben, die 532 DP II, 25, § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 475, Z. 7 – 19: »Nam licet ad principem aut alteram personam singularem, inquantum huiusmodi, non conveniat divino vel humano iure nec aliqua laudanda consuetudine, secundum ipsius solius impetum, ad officium aliquod instituere seu determinare personam, maxime ad Romanum episcopatum, quemadmodum 15o prime ac 17o et 22o huius sufficienter ostensum est; ad principem tamen auctoritate legislatoris humani sibi concessa secundum certam formam et modum determinatum a lege, ut videlicet usuro collegii sacerdotalis et aliorum sapientium et studiosorum consilio ipsorumque valencioris partis determinacioni credituro, potuit licite valde Romani pontificis institucio pertinere.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 863. 533 DP III, 2, § 41, ed. Scholz, 1932/33, S. 611, Z. 6 – 11: »Episcopum Romanum et alium quemlibet ecclesiasticum seu templi ministrum secundum legem divinam per solum fidelem legislatorem aut eius auctoritate principantem vel fidelium generale concilium ad officium ecclesiasticum separabile promoveri debere, ab eodem quoque suspendi atque privari exigente delicto«. Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 1101: »Den römischen Bischof und jeden anderen Diener der Kirche oder eines Tempels darf nach dem göttlichen Gesetz allein der gläubige Gesetzgeber oder wer kraft Ermächtigung durch ihn regiert oder ein allgemeines Konzil der Gläubigen zu einem abtrennbaren kirchlichen Amt erheben, ebenso sie suspendieren oder des Amtes entkleiden, wenn ein Vergehen es erforderlich macht«.
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Autorität der Entscheidung ruht beim Kaiser, der durch den menschlichen Gesetzgeber ermächtigt ist. Auf das von Martin von Troppau als verkehrt bezeichnete Gewohnheitsrecht kommt Marsilius zurück. Das Recht, den Papst einzusetzen, soll durch das ganze römische Volk, nämlich den Bischof, die Geistlichkeit und andere weltliche Personen, sowohl Karl dem Großen als auch Otto I., der anachronistisch als König der Deutschen bezeichnet wird, übertragen worden sein.534 Marsilius führt dafür den Wortlaut des Beschlusses einer angeblich von Papst Leo VIII. 964 einberufenen Synode zugunsten Kaiser Ottos I. an, der dieses Recht bestätigt habe, das bereits Papst Hadrian gegenüber Kaiser Karl dem Großen zugestanden haben soll. Bei diesem angeblichen Synodalbeschluß handelt es sich um eine der vermutlich in Ravenna hergestellten Fälschungen von Investiturprivilegien zugunsten der Kaiser aus der Zeit des Investiturstreits.535 Dieser Text geht auf das sogenannte Privilegium minus, das Papst Leo VIII. zugeschrieben wurde, zurück. Bei Marsilius heißt es: »Auch ich, Leo, Knecht der Knechte Gottes, Bischof, mit der gesamten Geistlichkeit und dem gesamten römischen Volk setzen Wir fest, bestätigen, bekräftigen, gestehen kraft Unserer Apostolischen Autorität zu und verleihen dem Herrn Otto I., dem König der Deutschen, und dessen Nachfolgern in diesem Königreich Italien für immer die Berechtigung, sich einen Nachfolger zu wählen wie den Pontifex des höchsten Apostolischen Stuhls zu ordinieren und damit die Erzbischöfe und Bischöfe, so daß sie von ihm ihre Investitur erhalten, die Weihe aber von der Stelle, der sie zukommt, mit Ausnahme derjenigen, die der Kaiser dem Papst und den Erzbischöfen zugestanden hat. Und niemand soll in Zukunft, welche Würde oder welche Frömmigkeit er besitzen möge, das Recht haben, den Patricius oder den Pontifex des höchsten Apostolischen Stuhles zu wählen oder irgendeinen Bischof zu ordinieren ohne Zustimmung des Kaisers selbst; diese soll jedoch erfolgen ohne jede Zahlung, er selbst soll Patricius und König sein. Sollte aber die Geistlichkeit einen Bischof wählen, der von dem obengenannten König nicht anerkannt und investiert ist, so darf er nicht geweiht werden.«536 534 DP II, 25, § 9, ed. Scholz, 1932/33, S. 476, Z. 3 – 11: »Unde tamen venit sermo prius, non prava neque illaudabilis consuetudo fuit per imperatores, ut diximus, ecclesie Romane pastores institui. Hanc enim auctoritatem et ampliori modo iam dicto legimus, et concedunt qui tecum, Martine, veritati huic adversari nituntur, per omnem Romanum populum, ut per episcopum, clerum et alias seculares personas, Karolo Magno et Ottoni Primo, regi Theutonicorum et Romanorum imperatori, postmodum fuisse concessam.« 535 Vgl. zu ihnen allgemein Ingrid Heidrich, Ravenna unter Erzbischof Wibert (1073 – 1100). Untersuchungen zur Stellung des Erzbischofs und Gegenpapstes Clemens III. in seiner Metropole (Vorträge und Forschungen, Sonderband 32), Sigmaringen 1984, bes. Kapitel 10 (Zu den Ravennater Fälschungen), S. 119 – 147. 536 DP II, 25, § 9, ed. Scholz, 1932/33, S. 476, Z. 17 – S. 477, Z. 10: »Ego quoque Leo, servus servorum Dei, episcopus, cum cuncto clero ac populo Romano constituimus, confirmamus et corroboramus, et per nostram apostolicam auctoritatem concedimus atque largimur domino Ottoni Primo, regi Theutonicorum, eiusque successoribus huius regni Ytalie in perpetuum tam sibi facultatem eligendi successorem, quam summe sedis apostolice pon-
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Auch wenn der Inhalt dieses Erlasses Marsilius’ Auffassung entgegenzukommen scheint, weist er ihn als Rechtsgrundlage für die Befugnis des Kaisers, Bischöfe einzusetzen, zurück: »An diesem Edikt ist besonders bemerkenswert, daß dieses Investiturrecht, das der römische Bischof mit dem gesamten Volk dem Kaiser übertrug, soweit es von seiten des Papstes kam, einen gewissen Verzicht des Kaisers bedeutete; denn das Recht hierzu gehörte und gehört ursprünglich dem Herrscher oder dem menschlichen Gesetzgeber – der hatte dieses Recht, Bischöfe und Erzbischöfe zu investieren, schon dem Papst zugestanden –, weil alle zeitlichen Güter, wer sie auch immer auf irgendeine Kirche übertragen haben mochte, in dieser Beziehung dem menschlichen Gesetzgeber der Provinz, in der sie liegen, unterstellt waren und unterstellt sind. Auf jenes Zugeständnis wird in dem obenerwähnten Erlaß hingewiesen, wo es heißt: mit Ausnahme derer, die der Kaiser dem Papst und den Erzbischöfen zugestanden hat. So gehört es auch zur Gewalt des römischen Herrschers und Volkes, den Pontifex des Apostolischen Stuhls einzusetzen, wie in II 17 gezeigt worden ist. Von diesem Volk ist natürlich die Geistlichkeit nicht ausgeschlossen; sie ist ja ein Teil von ihm. Wenn es bereit war, diese Gewalt oder Befugnis auf den Herrscher uneingeschränkt oder mit einer gesetzlichen Einschränkung zu übertragen, so hat sie der römische Herrscher mit vollem Recht übernommen, und sie konnte ihm durch ein Dekretale oder ein Gesetz irgendeines römischen Pontifex ohne Volksbeschluß von Rechts wegen nicht wieder entzogen werden.«537 tificem ordinandi ac per hoc archiepiscopos seu episcopos, ut ipsi ab eo investituram suscipiant, consecracionem autem unde debent, exceptis hiis quos imperator pontifici et archiepiscopis concessit. Et nemo deinceps, cuiuscumque sit dignitatis vel religiositatis, eligendi vel patricium sive pontificem summe sedis apostolice vel quemcumque episcopum ordinandi habeat facultatem absque consensu ipsius imperatoris, qui tamen fiat absque omni pecunia; et ut ipse sit patricius et rex. Quod si a clero quis episcopus eligatur, nisi a supradicto rege laudetur et investiatur, non consecretur.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 865. Vgl. das Privilegium minus Leonis VIII. papae, in: Märtl (Hg.), Die falschen Investiturprivilegien, 1986, S. 148 – 153, hier Z. 25 – 45, S. 151 – 153: »[…] nos quoque Leo servus servorum Dei episcopus similiter cum cuncto clero et universo populo Romano omnibusque ordinibus huius almae urbis, sicut in ipsis conscriptis apparet, constituimus, confirmamus et corroboramus et per nostram apostolicam auctoritatem concedimus atque largimur domno Ottoni primo Theutonico regi, dilectissimo spirituali in Christo filio nostro, eiusque successoribus huius regni Italie in perpetuum tam sibi facultatem successorem eligendi quam summae sedis apostolicae pontificem ordinandi ac per hoc archiepiscopos seu episcopos, ut ipsi tamen ab eo investituram accipiant et consecracionem recipiant, undecumque pertinuerit, excepits his, quos imperator pontifici et archiepiscopis concessit. (4) Ita demum asserimus, ut nemo deinceps cuiusque gradus vel conditionis aut dignitatis sive religiositatis eligendi regem vel patricium sive pontificem summae sedis apostolicae aut quemcumque episcopum vel ordinandi habeat facultatem, sed soli regi Romani imperii hanc reverentiae tribuimus facultatem, absque omni pecunia haec omnia superius disponenda et ut ipse sit rex et patricius. (5) Quodsi a clero et a populo quis eligatur episcopus, nisi a supradicto rege laudetur et investiatur, non consecretur.« 537 DP II, 25, § 9, ed. Scholz, 1932/33, S. 477, Z. 19 – S. 478, Z. 10: »Ex hoc autem edicto singulariter notandum est, quod auctoritas hec, quam de investituris Romanus episcopus cum universo populo in imperatorem transtulit, quantum erat ex parte pape, fuit renun-
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In seiner späteren Schrift De translatione Imperii hat Marsilius Gelegenheit, ein weiteres falsches Investiturprivileg zu behandeln, das den Kaisern das Recht gibt, den Papst einzusetzen. Im Anschluß an die von Landolfo übernommene Darstellung über ein Konzil, das Karl dem Großen das Recht gab, den Papst zu wählen und den Titel eines Patricius zu führen, heißt es: »Damals hat der besagte Papst Hadrian, der durch die zeitlichen Benefizien des besagten Herrschers verführt worden war, ein Konzil von 153 Bischöfen und Äbten in Rom versammelt; und dort übertrug er mit der allgemeinen Synode dem ruhmreichen Kaiser Karl das Recht und die Gewalt, den römischen Pontifex zu wählen und den Apostolischen Stuhl zu bestellen, auch hat er ihm die Würde des Patriziats zugestanden, der einst dem Herrscher wie ein Vater schien.«538
Der Ursprungstext ist im sogenannten Decretum de investuris, das Papst Hadrian I. zugeschrieben wurde, zu finden.539 Weiter heißt es, daß es das Recht des Kaisers sein soll, die Bischöfe und Erzbischöfe zu investieren:
ciacio quedam; quoniam auctoritas huius prima fuit et est principis sive legislatoris humani, qui hanc auctoritatem, investiendi scilicet episcopos et archiepiscopos, iam pape concesserat, eo quod omnia temporalia, per quemcumque translata fuerint in quamvis ecclesiam, quantum ad hoc subiecta fuerant et sunt legislatori humano provincie, in qua sita sunt. Signatur autem hoc ex edicto predicto, ubi dicitur : exceptis hiis, quos imperator pontifici et archiepiscopis concessit. Sic eciam sedis apostolice pontificem instituere pertinet ad Romani principis et populi potestatem, ut 17o huius ostensum est. A quo siquidem populo non excluditur, sed includitur clerus, cum pars sit illius. Quam quidem potestatem seu auctoritatem, si transferre voluerunt in principem aut simpliciter aut cum determinacione legali, eam princeps Romanus licite sumpsit, nec ab ipso per decretalem sive legem cuiusquam Romani pontificis absque decreto populi potuit licite revocari.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 867. 538 DTI, Kap. 8, ed. Jeudy, 1979, S. 410, Z. 11 – 16: »Tunc dictus pontifex Adrianus beneficiis temporalibus dicti principis allectus .153. episcoporum et abbatum Romae concilium congregavit; ibique cum universa synodo, glorioso principi Karolo ius et potestatem tribuit eligendi Romanum pontificem et sedem apostolicam ordinandi, dignitatem quoque patritiatus eidem concessit, qui olim quasi pater principis videbatur.« Vgl. Landolfo, Kap. 6, ed. Goldast, 1614, S. 93, Z. 3 – 9: »Tunc dictus summus Pontifex Adrianus, mature considerans beneficia tanti principis, ecclesiae Romanae collata, centum quinquaginta trium Episcoporum et Abbatum Romae concilium congregavit, ibique Adrianus cum universa Synodo, glorioso Carolo hanc tribuit dignitatem: videlicet, ius et potestatem eligendi Romanum Pontificem, et Apostolicam sedem ordinandi: Dignitatem Patriciatus quoque ecclesiae concessit, qui olim quasi patres Principis videbantur : ut Institution. libr. primo Titulo duodecimo quibus modus ius patr. potest. Solvitur. § fil. insuper.« Der Plural patres bei Landolfo ist vermutlich ein Überlieferungsfehler. 539 Hadriani I. decretum de investuris, in: Märtl (Hg.), Die falschen Investiturprivilegien, 1986, S. 137 – 147, hier Z. 54 – 58, S. 145: »(6) Ad hoc quoque exemplum praefatus Adrianus cum omni clero et populo et universa sancta synodo tradidit Karolo augusto omne suum ius et potestatem eligendi pontificem et ordinandi apostolicam sedem, dignitatem quoque patriciatus similiter concessit.« Die Zahl von 153 Teilnehmern wird an anderer Stelle genannt, ebenda, Z. 42.
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»Überdies setzte er für die einzelnen Provinzen fest, daß die Bischöfe und Erzbischöfe von diesem die Investitur empfangen. Und daß, wenn ein Bischof nicht vom König anerkannt und investiert wurde, er von niemandem geweiht werden solle, und er verfluchte alle durch das Anathem, die gegen diese Regelungen handeln, und befahl, wenn sie nicht Vernunft annehmen wollen, daß deren Güter konfisziert werden.«540
Auch hier ist das Hadrianum als textliche Grundlage erkennbar.541 Marsilius fügt dem hinzu: »Aber der genannte Pontifex hatte keine Vollmacht diese Dinge zu erlassen oder zu machen, noch hatte sie ein anderer Bischof oder Kleriker, außer vielleicht nur auf Anordnung und im Auftrag des römischen Volkes.«542 Konsequent wendet Marsilius auch hier seine theoretische Position an. Für ihn ist der Beschluß einer Synode, nach dem der Kaiser das Recht erhält, den Papst einzusetzen, lediglich eine historische Episode. Für die kurialen Autoren des 14. Jahrhunderts stellt sie dagegen ein schwerwiegendes Problem für ihre Argumentation dar, das sich auch daran zeigt, daß Autoren wie Landolfo es nicht wagten, es unerwähnt zu lassen. Für Marsilius ist dieses historische Argument für sich genommen jedoch wertlos. Der Ursprung dieses kaiserlichen Rechts darf nicht auf der Autorität des Papstes oder einer kirchlichen Versammlung allein basieren. Erst die Anordnung oder der Auftrag des Volkes dieser Diözese konnte und kann dem Beschluß dieser Synode die Autorität verleihen, die ihn zum geltenden Recht macht. Denn wenn man, so müßte man Marsilius’ Ausführungen ergänzen, die förmliche Entscheidung über ein kaiserliches Recht – auch wenn es ein Recht gegenüber der Kirche betrifft – einer kirchlichen Versammlung überläßt, dann erkennt man einer derartigen Versammlung auch das Recht zu, dieses kaiserliche Recht wieder aufzuheben. Dem begegnet Marsilius 540 DTI, Kap. 8, ed. Jeudy, 1979, S. 410, Z. 17 – 21: »Insuper episcopos et archiepiscopos, per singulas provincias, ab eo investituram accipere diffinivit. Et ut nisi a rege laudaretur et investiretur episcopus, a nemine consacretur omnesque contra praedicta facientes anathemate maledixit et nisi resipiscerent, bona eorum publicari mandavit.« Vgl. Landolfo, Kap. 6, ed. Goldast, 1614, S. 93, Z. 9 – 12: »Episcopos et Archiepiscopos per singulas provincias ab eo investituras accipere diffinivit: ut nisi a rege laudaretur et investitetur episcopus, a nemine consecraretur, omnesque contra facientes, anathemate condemnavit: ut haec omnia plenius habentur Sexagesim. distinctione cap. Adrianus.« 541 Hadriani I. decretum de investuris, in: Märtl (Hg.), Die falschen Investiturprivilegien, 1986, S. 137 – 147, hier Z. 59 – 67, S. 145 – 146: »(7) Insuper archiepiscopos, episcopos per singulas provincias ab eo investituram accipere definivit. Post haec consecrationem suscipiant, unde pertinet, ita tamen, ut abolita sit veterum sententia moresque in posterum, quatenus nemo per cognationem vel per amicitiam aut per pecuniam sibi eligat episcopum; sed soli regi huiusmodi reveranda tribuatur facultas. Verumtamen quamvis a clero et a populo aliqua praesumptione vel religionis causa eligatur episcopus, nisi a rege laudetur et investiatur, a nemine consecratur.« 542 DTI, Kap. 8, ed. Jeudy, 1979, S. 410, Z. 21 – S. 412, Z. 3: »Quorum nullam concedendi aut faciendi auctoritatem habuit pontifex supradictus, aut alter episcopus vel clericus, nisi demum fortasse de ordinatione Romani populi atque mandato.«
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mit einer rekonstruierten, allein aus seiner politischen Theorie abgeleiteten Mitwirkung der Römer. Gegen diese falschen Investiturprivilegien ist im Mittelalter bald mit der Rechtsfigur der Renuntiation argumentiert worden: Da weder Karl der Große noch seine Nachfolger das Recht auf die Wahl und Bestellung des Papstes ausgeübt hätten, hätten sie auf dieses Recht verzichtet. Auch Marsilius referiert dieses Argument. Erstaunlicherweise widerspricht nicht allein Marsilius diesem Rechtsverzicht, sondern bereits Landolfo, der angibt, nirgendwo gefunden zu haben, daß Karl der Große auf dieses Recht verzichtet hätte.543 Zusammenfassend läßt sich sagen, daß Marsilius das Recht des princeps Romanus auf Wahl des Papstes mit einer gewissen Zurückhaltung und Vorsicht behandelt. Im Rahmen seiner Theorie kann das kaiserliche Recht auf Einsetzung des Papstes nur abgeleitet werden aus der Verbindung des Rechts auf Bischofseinsetzungen im allgemeinen mit der grundsätzlichen Befugnis, einem Bistum eine führende Stellung einzuräumen – expliziert wird das von Marsilius jedoch nicht. Erst in Kapitel II, 25 des Defensor pacis, in dem es um die päpstliche Anmaßung von Rechten gegenüber der weltlichen Gewalt geht, geben die angeführten – echten und unechten – historischen Dokumente ein Maß an Konkretheit, das bis dahin fehlt. Diese Zurückhaltung ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, daß Marsilius ein Papstwahlverfahren bekämpfen will, das im Laufe der Jahrhunderte ein Maß an Akzeptanz erreicht hat, an dessen Stelle man mit Aussicht auf Erfolg nur schwer etwas anderes setzen konnte.
4.3.4 Zusammenfassung Der Grundgedanke von Marsilius’ Überlegungen zur Organisation von Kirche und Priesterschaft ist die Einordnung in die verschiedenen politischen Gemeinschaften, sofern sie gläubige Gemeinschaften sind, wenn also ihre Bürger 543 DTI, Kap. 8, ed. Jeudy, 1979, S. 412, Z. 4 – 13: »Prima siquidem concessione, potestate videlicet Romanum pontificem eligendi et sedem apostolicam ordinandi, non fuit usus Karolus memoratus. Quod forte fuit, quia pauci summi pontifices fuerunt tempore sui regiminis, a concessione praedicta, quod fuit spatium .408. annorum. Soli enim praedictus Adrianus et Leo tertius, praedicto temporis spatio Romani pontifices extiterunt et .44. annis et mensibus aliquibus Romanae Ecclesiae praefuerunt. Verum nec ipsum Karolum tali iuri sibi competenti, ex concessione praefata renuntiasse seu cessisse ab aliquo reperitur.« Vgl. Landolfo, Kap. 6, ed. Goldast, 1614, S. 93, Z. 12 – 18: »Prima siquidem concessione, scilicet potestate eligendi summum Pontificem, et sedem Apostolicam ordinandi, non fuit usus Carolus memoratus: quod ideo fuit, quia pauci summi Pontifices fuerunt tempore sui regiminis a concessione praedicta, quod fuit spacio sexaginta annorum. Solus enim praedictus Adrianus et Leo tertius, praedicti temporis spacio Romani pontifices extiterunt, qui quadraginta et novem annis Romanae ecclessiae praefuerunt: sed nec ipsum Carolum iure competenti, circa praedicta, expressione, memorata, cessisse seu renunciasse reperio.«
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Christen sind. Regelungen und Entscheidungen, die die Priester betreffen, werden von Marsilius als politische, die Gemeinwesen betreffende Entscheidungen definiert. Auf dieser Grundlage kann Marsilius den gläubigen menschlichen Gesetzgebern die Aufgabe zuweisen, sowohl die Weihekandidaten für das Priesteramt auszuwählen als auch deren Einsetzung in ein sekundäres Amt zu entscheiden und vorzunehmen, sei es bald nach der Priesterweihe für ein niederes Amt oder für das Bischofs- oder ein anderes höheres Amt zu einem späteren Zeitpunkt. Dabei legt Marsilius die Befugnis zur sekundären Einsetzung regelhaft in die Hände der von den jeweiligen Gesetzgebern dazu ermächtigten Regenten. Damit hat Marsilius die Entscheidung über Rekrutierung, Anzahl und Aufgabenbereich der Priester, ihre wirtschaftliche Versorgung, Gerichtsbarkeit und Disziplinierung vollständig der autonomen Regelung der kirchlichen Hierarchie entzogen. Auf der universalen Ebene nimmt Marsilius eine umfassende Entmachtung des Papstes zugunsten des allgemeinen Konzils und vor allem des höchsten menschlichen Gesetzgebers, an dessen Stelle der Kaiser handelt, vor. Dem Papst wird dabei nicht nur jede weltliche Macht abgesprochen, sondern auch innerhalb der Kirche eine Rolle lediglich als Moderator zwischen den Bischöfen der Christenheit und als Primus inter pares zugewiesen. Das Konzil wird dem Papst übergeordnet. Dem Konzil wird nicht nur die Entscheidung in Glaubensfragen, sondern auch in vielen Bereichen, die unter den weitgefaßten Begriff des kirchlichen Ritus fallen, eingeräumt. Aber es ist die Aufgabe des höchsten menschlichen Gesetzgebers, das heißt praktisch ohne Einschränkung des Kaisers, den Beschlüssen des Konzils Rechtskraft zu verleihen. Er beruft es ein und ordnet an, was auf der universalen Ebene Rechtskraft haben soll. Allerdings ist nicht alles, wofür im Ursprung das allgemeine Konzil zuständig sein soll und das an den menschlichen Gesetzgeber delegiert wurde, auch eine Aufgabe des höchsten Gesetzgebers oder des Kaisers. Viele Gegenstände sind auch von den Gesetzgebern oder Regenten der einzelnen christlichen Länder zu regeln, da nur diese in ihren Ländern die direkte zwingende Gewalt besitzen. Dabei werden auch Rechte, die im Mittelalter als Prärogative des Kaisers gegenüber den anderen Königen des Abendlands angesehen wurden, wie etwa die Legitimierung unehelicher Kinder oder die Einrichtung öffentlicher Notariate, den Regierungen der einzelnen Länder zugestanden. Fragen, die die Christenheit als Ganzes angehen, müssen jedoch vom Kaiser verordnet werden. Dazu gehört die führende Rolle des Bischofs von Rom, die Marsilius zufolge nicht zwingend aus der christlichen Tradition vorgegeben ist und nur auf der Festsetzung des höchsten Gesetzgebers beruht. Allerdings vertritt Marsilius aus zahlreichen Gründen diese besondere Rolle Roms. Zur Befugnis des Kaisers gehört es daher auch, das Verfahren der Papstwahl zu regeln, den Papst einzusetzen oder die Absetzung eines Papstes vorzunehmen.
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Zur politischen Theorie des Marsilius von Padua
Ohne Zusammenhang mit dem Konzil und durchaus detailliert behandelt Marsilius die Papstwahl. Es ist der Kaiser, der den Papst einsetzt, weil er die Ermächtigung des höchsten menschlichen Gesetzgebers besitzt. Das Verfahren erfordert jedoch ein besonderes Wahlkollegium. Seine Mitglieder bestehen zu einem Teil aus Geistlichen, die Marsilius mit dem Gattungsbegriff »Priester« bezeichnet. Von den Kardinälen spricht Marsilius dabei nicht, ausdrücklich ausgeschlossen sind sie allerdings nicht. Zum anderen Teil bestehen die Kollegiumsmitglieder aus gelehrten und weisen Laien. Damit werden einerseits Laien an der Papstwahl beteiligt und andererseits werden bemerkenswerterweise Gelehrte als wichtige Instanz bei der Papstwahl hinzugezogen. Nicht ausdrücklich als Papstwähler genannt werden dagegen Klerus und Volk von Rom. Das fällt auf, weil Marsilius sich für die historische Herleitung der Bischofswahl im allgemeinen auf Klerus und Volk als elektive Instanz bezieht, und weil Klerus und Volk von Rom bis zur Regulierung der Papstwahl 1059 die Papstwähler waren. Marsilius macht also deutlich, daß es ihm nicht nur um die Entmachtung des Kardinalskollegiums geht, sondern um die Ermächtigung des Kaisers. Wegen der großen Bedeutung der Papstwahl ist zur Beratung seiner Entscheidung ein Kollegium aus Geistlichen und gelehrten Laien zu etablieren, das mit seiner gewichtigeren Mehrheit über die Kandidaten abstimmt und daher als Wahlkollegium bezeichnet werden kann, auch wenn das Wahlergebnis lediglich die Form eines Ratschlags gegenüber dem Kaiser besitzen soll. Um die Rolle der Gelehrten in den politischen Gemeinschaften soll es im folgenden Abschnitt gehen.
4.4
Gelehrte Ratgeber und politische Gemeinschaft
Marsilius reflektiert im Defensor pacis in besonderem Maße, wenn auch nicht mit systematischer Anlage, über die Rolle von Ratgebern in der politischen Gemeinschaft. Seine Überlegungen sind auch wegen seiner eigenen Rolle als Ratgeber am Hof Ludwigs des Bayern von besonderem Interesse. Im Rahmen seiner politischen Theorie nimmt die gelehrte Politikberatung eine außerordentliche Bedeutung ein. In der von Aristoteles entlehnten Lehre von den sechs Bestandteilen des Staates gibt es neben dem landwirtschaftlichen, dem handwerklichen, dem militärischen, dem vermögenden und dem priesterlichen auch einen, den Marsilius als den richterlichen oder beratenden Bestandteil des Staates bezeichnet (pars iudicialis seu consiliativa).544 Hier bleibt zunächst noch
544 DP I, 5, § 1, ed. Scholz, 1932/33, S. 20, Z. 12 – 15: »[…] partes seu officia civitatis sunt sex generum, ut dixit Aristoteles 7o Politice, capitulo 6o : agricultura, artificium, militaris, pe-
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Gelehrte Ratgeber und politische Gemeinschaft
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unklar, was Marsilius unter der pars consiliativa versteht. Da er an dieser Stelle ausdrücklich angibt, worauf er sich in der Politik des Aristoteles beruft, kann ein Vergleich mit Aristoteles’ Text einerseits und dessen mittelalterlicher Übersetzung ins Lateinische durch Wilhelm von Moerbeke andererseits, auf der Marsilius’ Kenntnis allein beruht, zur Klärung beitragen. Marsilius schließt sich recht eng an Aristoteles’ Darlegung im 8. Kapitel des siebten Buchs der Politik an, weicht aber bei der Bestimmung des sechsten Bestandteils des Staates von Aristoteles ab, der hier nicht Berater oder Ratgeber anführt, sondern vielmehr von denjenigen spricht, die die politischen Entscheidungen im Staat fällen.545 Daß es sich nicht um Ratgeber, sondern um diejenigen handelt, die die politischen Entscheidungen treffen, ist an dieser Stelle auch in Wilhelm von Moerbekes Übersetzung unmißverständlich.546 Im anschließenden 9. Kapitel wird Aristoteles noch deutlicher, indem diejenigen, die die politischen Entscheidungen treffen, als Mitglieder der Boul8 (bo¼k´), der Ratsversammlung der Polis, erkennbar werden.547 cuniativa, sacerdocium et iudicialis seu consiliativa.« Vgl. zu den Bestandteilen des Staates oben S. 147 f. 545 Aristoteles, Politik, Buch VII, Kap. 8, 1328b 5 – 15, ed. Ross, 1957, 91988, S. 225: »pqytom l³m owm rp²qweim dei tqov´m, 5peita t´wmar (pokkym c±q aqc²mym deitai t¹ fgm), tq¸tom d³ fpka (to»r c±q joimymoumtar !macjaiom ja· 1m artoir 5weim fpka pqºs te tµm !qw¶m, tym !peiho¼mtym w²qim, ja· pqºs to»r 5nyhem !dijeim 1piweiqoumtar), 5ti wqgl²tym tim± e»poq¸am, fpyr 5wysi ja· pqºs t±r jah’ a¼to»r wpe¸ar ja· pqºs pokelij²r, p´lppom d³ ja· pkytom tµm peq· t¹ heiom 1pil´keiam Dm jakousim Reqate¸am, 5jtom d³ t¹m !qihm¹m ja· p²mtym !macjaiºtatom jq¸stim peq· tym sulveqºmtym ja· tym dija¸om tym pqºs !kk¶kour.« Übersetzung Schütrumpf, Teil IV, 2005, S. 25, Z. 3 – 14: »Zunächst muß Nahrung zur Verfügung stehen, danach die sachkundigen Fertigkeiten (t8chne¯), denn das Leben ist auf viele Hilfsmittel angewiesen; drittens braucht man Waffen, denn die Mitglieder der Gemeinschaft müssen einmal nach innen zur Durchsetzung der Herrschaft gegen die, die sich nicht fügen wollen, dann zur Abwehr ungerechter Angriffe von außen Waffen besitzen; außerdem muß es ein bestimmtes Vermögen an Gütern sowohl für den eigenen als auch für die bei Kriegen entstehenden Bedürfnisse geben; fünftens und an erster Stelle muss es den Dienst am Göttlichen geben, den man Priesteramt nennt; an sechster Stelle und am unerlässlichsten von allen die Entscheidung über nützliche Angelegenheiten und darüber, was in den Beziehungen untereinander gerecht ist.« 546 Aristoteles, Politik, übersetzt von Moerbeke, ed. Susemihl, 1872, S. 274, Z. 3 – 12: »Primo quidem igitur oportet existere alimentum: deinde artes (multis enim organis indiget id, quod est vivere), tertio autem arma (communicantes enim necessarium et in ipsis habere arma et ad principatum inobedientium gratia et ad conantes iniusta inferre extrinsecus), adhuc pecuniarum aliquam abundantiam, quatenus habeant et opportunitates quae secundum se ipsos et ad bellicas, quinto autem et praecipue eam quae circa divinum curam, quam vocant sacerdotium, sextum autem numero et omnium necessariissimum iudicium de conferentibus et iustis ad invicem.« 547 An drei Stellen im 9. Kapitel wird das deutlich, Aristoteles, Politik, Buch VII, Kap. 9, 1328b 24 – 27, ed. Ross, 1957, 91988, S. 225 – 226: »Diyqisl´ym d³ to¼tym koip¹m sj´xashai pºteqom pasi joimymgt´om p²mtym to¼tym (1md´wetai c±q to»r aqto»r ûpamtar eWmai ja· ceyqco»r ja· tewm¸tar ja· to»r boukeuol´mour ja· dij²fomtar)«; Übersetzung von Schütrumpf, Teil IV, 2005, S. 25, Z. 26 – 30: »Nach diesen Bestimmungen bleibt noch zu untersuchen, ob alle
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Die Boul8 war das zentrale Verfassungsorgan im antiken Athen. Der von Kleisthenes begründete Rat der Fünfhundert war repräsentativ aus den Bewohnern Athens mit Bürgerrecht und aufgrund eines Losverfahrens zusammengesetzt, tagte täglich und hatte Befugnisse, die in der athenischen Demokratie denen einer Regierung noch am ehesten entsprachen. Der Rat empfing ausländische Gesandte, beaufsichtigte und kontrollierte die Beamten, übte Gerichtsfunktionen aus, nahm Anträge für die Volksversammlung entgegen, der gegenüber er das alleinige Initiativrecht hatte, er formulierte die Vorlagen, setzte die Tagesordnung fest und übte im allgemeinen für die Volksversammlung eine vorberatende, probuleutische Funktion aus. Er war das Zentrum des Staates und der politischen Willensbildung.548 »Beratung« bedeutete in der Boul8, daß die Ratsherren sich untereinander über etwas berieten, das sie in vielen Fällen selbst beschlossen. Dieser Bezug wird in Wilhelm von Moerbekes Übersetzung des 9. Kapitels nicht mehr so eindeutig, indem er mit »consiliativum« und »consiliarii« übersetzt.549 Damit ist der Begriff der »Beratung« mehrdeutig geworden und ergemeinsam alle diese Aufgaben wahrnehmen sollen – es ist ja möglich, daß die gleichen Männer alle das Land bebauen, eine sachkundige Fertigkeit ausüben, politische Entscheidungen treffen (boukeuol´mour; bouleuom8nos) und zu Gericht sitzen.« Noch deutlicher ist die Übersetzung bei Susemihl/Tsouyopoulos/Grassi, 1994, S. 312: »Mitglieder des Rats«, oder bereits zuvor bei Susemihl, 1879, S. 417: »Mitglieder der beratenden und beschließenden Versammlungen«. – Ähnlich heißt es weiter, Aristoteles, Politik, Buch VII, Kap. 9, 1329a 2 – 5, ed. Ross, 1957, 91988, S. 226: »1pe· d³ ja· t¹ pokelij¹m ja· t¹ boukeuºlemom peq· tym sulveqºmtym ja· jqimom peq· tym dija¸ym 1mup²qwei ja· l´qg va¸metai tgr pºkeyr l²kista emta«; Übersetzung Schütrumpf, Teil IV, 2005, S. 26, Z. 13 – 15: »Es finden sich (im Staat) aber auch die Kriegerschicht und Männer, die über nützliche Maßnahmen beraten (boukeuºlemom; bouleujmenon) und über Rechtsansprüche urteilen und sie sind offensichtlich am ehesten seine Teile.« – Weiter unten wird noch einmal ähnlich formuliert, Aristoteles, Politik, Buch VII, Kap. 9, 1329a 30 – 31, ed. Ross, 1957, 91988, S. 227: »1pe· d³ di-qgtai t¹ pokitij¹m eQr d¼o l´qg, tout’ ´st· t¹ te bpkitij¹m ja· t¹ boukeutij¹m«; Übersetzung Schütrumpf, Teil IV, 2005, S. 27, Z. 9 – 11: »Nun ist aber die Bürgerschicht in zwei Gruppen unterteilt, die Krieger und diejenigen, die politische Entscheidungen treffen (boukeutij¹m; bouleutikjn)«. 548 Zum Rat der Fünfhundert vgl. Bleicken, Die athenische Demokratie, 41995, S. 224 – 240. Aristoteles selbst beschreibt die Boul8 ausführlich in seiner Beschreibung der athenischen Verfassung, die jedoch nicht Bestandteil des Corpus aristotelicum war, sondern erstmals Ende des 19. Jahrhunderts aufgrund einer neu gefundenen (fast) vollständigen Handschrift ediert werden konnte: Aristoteles, Ahgma_ym pokite_a (Athenaion politeia), ed. Chambers, 1986, Kap. 21: Errichtung des Rats der Fünfhundert als Teil der Reformen des Kleisthenes, S. 18 – 19, und Kap. 43 – 49: systematische Darstellung von Zusammensetzung und Aufgaben der Boul8 in der Zeit des Aristoteles, S. 39 – 45; Aristoteles, Staat der Athener, übersetzt von Chambers, 1990, Kap. 21, S. 29 – 30; Kap. 43 – 49, S. 47 – 53. 549 Die erste Stelle heißt bei Moerbeke, Aristoteles, Politik, übersetzt von Moerbeke, ed. Susemihl, 1872, S. 275, Z. 9 – 12: »[…] determinatis autem hiis reliquum considerare, utrum omnibus communicandum omnis haec (contingit enim eosdem omnes esse et agricolas, artifices et consiliarios et iudicantes)«; die zweite Stelle, ebenda, S. 277, Z. 1 – 3: »[…] quoniam autem quod bellicum et quod consiliativum de conferentibus et iudicans de iustis
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möglicht eine Interpretation im Sinne von »jemand anderen beraten«.550 Die mittelalterliche Wirklichkeit von beständigen oder gelegentlichen Ratgebern, die aufgrund ihrer Stellung oder Sachkenntnis auf die Politik und die Entscheidungen eines Herrschers Einfluß nehmen, hat Wilhelm von Moerbeke sicher bei seiner Übersetzung bestimmt. Die Frage ist nun, welche Bedeutung Marsilius den Ratgebern zuweist, denen er so viel Gewicht gegeben hat, indem er sie als consiliativa pars zum unentbehrlichen Bestandteil jedes Staates erhoben hat. Sowohl Wilhelm von Moerbeke bei der Anfertigung der Übersetzung als auch Marsilius bei deren Verwendung und inhaltlicher Umdeutung ist entgegenzuhalten, daß auch die anderen Passagen in der Politik, bei denen von der Boul8 beziehungsweise dem consilium oder ihren sprachlichen Derivaten die Rede ist, kaum mit der Vorstellung von einer lediglich abstrakten Gesamtheit von bloßen Ratgebern in Einklang zu bringen sind. Bei Aristoteles’ Diskussion der verschiedenen Arten von Ratsinstitutionen wird, und zwar auch in Wilhelm von Moerbekes Übersetzung, deutlich, daß es sich nicht nur um bloße Funktionen des Staates, sondern um konkrete Institutionen, nämlich Ratskörperschaften, handelt. Bei Marsilius findet sich dies jedoch nicht wieder. Marsilius steht auch dann nicht im Einklang mit Aristoteles, der den sogenannten vorberatenden Rat mit der Regierungsform der Oligarchie verbindet und das consilium mit der Demokratie,551 wenn er consilium und seine inexistit et videntur maxime esse partes civitatis«; die dritte Stelle, ebenda, S. 279, Z. 3 – 4: »[…] quoniam autem divisum est id quod civile in duas partes, hoc est in id quod armorum et in consiliativum«. (Die Hervorhebungen von mir.) 550 Eine bessere Wahl wäre deliberatio, deliberativum gewesen. Der originale Text von Aristoteles beeinflußte wohl die Übersetzung des Defensor pacis von Gewirth, Marsilius of Padua, Bd. 2, 1956, S. 15: »[…] the agricultural, the artisan, the military, the financial, the priestly, and the judicial or deliberative.« Bewußt an Aristoteles orientiert ist die Übersetzung von Brett, Marsilius fo Padua, The Defender of the Peace, 2005, S. 22. »[…] agriculture, manufacture, the military, the financial, the priesthood, and the judicial or councillor.« Ebenda, S. 22, Anm. 2, weist auch Brett bereits auf die boul8 hin. 551 Aristoteles, Politik, Buch IV, Kap. 15, 1299b 30 – 1300a 1, übersetzt von Moerbeke, ed. Susemihl, 1872, S. 445, Z. 3 – S. 446, Z. 1: »Non solum sed et singulares quidam sunt, velut qui praeconsulum: hic enim non democraticus, consilium autem democraticum. Oportet quidem enim esse aliquid tale, cui cura erit populi praeconsiliari, quatenus non vacans erit, hoc autem, cum pauci numero sint, oligarchicum: praeconsules autem paucos necessarium esse multitudine, quare oligarchicum. Sed ubi ambo eidem principatus, praeconsules instituuntur super consiliarios: consiliarius quidem enim demoticum, praeconsul autem oligarchicum. Dissolvitur autem et consili potentia in talibus democratiis, in quibus ipse populus conveniens tracta de omnibus«; Buch VI, Kap. 8, 1322b 12 – 17, übersetzt von Moerbeke, ed. Susemihl, 1872, S. 491, Z. 11 – S. 492, Z. 5: »Praeter omnes autem hos principatus qui maxime dominans omnium est: idem enim saepe habet finem et ephoriam, qua praesidet multitudini, ubi dominans est populus: oportet enim esse congregans quod dominans politiae. Vocantur autem hic quidem praeconsules propter praeconsiliarii, ubi autem multitudo est, consilium magis«; Buch VI, Kap. 8, 1323a 6 – 9, übersetzt von Moerbeke, ed. Susemihl, 1872, S. 494, Z. 8 – 12: »Tribus autem existentibus principatibus, secundum quos eligunt quidam principatus principales, scilicet custodibus legum, prae-
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sprachlichen Derivate zur Bezeichnung der Beratung eines Monarchen verwendet. Der hohe Stellenwert, den Aristoteles in seiner politischen Theorie der Boul8 zuweist, ist sicher gerechtfertigt. In Marsilius’ Adaption dieser Lehre ist ein beratender Bestandteil, den Marsilius ganz im Unterschied zu Aristoteles gegen den regierenden Bestandteil abgrenzt,552 als – unentbehrliche – Funktion eines Staates jedoch erklärungsbedürftig. Etwas deutlicher wird Marsilius’ Begriff des beratenden Bestandteils, als er die causa materialis der Bestandteile des Staates bestimmt, die in der natürlichen Disposition der Menschen zu unterschiedlichen Fertigkeiten besteht.553 »Manche [Menschen] hat sie [die Natur] mit der Anlage zur Klugheit geschaffen – denn aus den Klugen (prudentes) im Staate muß man den richterlichen und beratenden Bestandteil bilden –, manche mit Kraft und Kühnheit –, denn aus solchen wird zweckmäßig der Kriegerstand geschaffen.«554
Marsilius hat damit einen Beraterstand eingeführt, dessen Mitglieder die natürliche Disposition zur Beratung im Staat besitzen müssen. Zur Personengruppe der prudentes, die allein den Beraterstand bilden dürfen, äußert sich Marsilius noch an anderer Stelle, wo er ihnen eine zentrale Rolle für das Funktionieren der politischen Gemeinschaft zuweist. Ein Kennzeichen der noch wenig entwickelten Staaten ist es, daß die Zahl der prudentes noch gering ist: »Nachdem die Dörfer sich vervielfacht hatten und eine umfassendere Gemeinschaft entstanden war – was infolge der Volksvermehrung eine Notwendigkeit war –, regierte sie immer noch ein einziger, entweder weil es an Klugen (prudentes) fehlte oder aus einem bestimmten anderen Grund, wie in Politik Buch III, Kapitel 9, steht«.555
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consulibus, consilio, qui quidem legum custodes aristocraticum, oligarchicum autem qui praeconsules, consilium vero demoticum.« DP I, 12, § 4, ed. Scholz, 1932/33, S. 64, Z. 19 – 22: »Civem autem dico, secundum Aristotelem 3o Politice, capitulis 1o, 3o et 7o, eum qui participat in communitate civili, principatu aut consiliativo vel iudicativo secundum gradum suum.« DP I, 7, § 1, ed. Scholz, 1932/33, S. 34, Z. 20 – 26. DP I, 7, § 1, ed. Scholz, 1932/33, S. 35, Z. 12 – 16: »Quosdam ergo genuit aptos prudencie, quoniam ex prudentibus in civitate statui debet iudicialis pars et consiliativa; quosdam vero ad robur et audaciam, quoniam ex talibus convenienter statuitur militaris.« Übersetzung nach Kunzmann, Bd. 1, 1958, S. 71. DP I, 3, § 4, ed. Scholz, 1932/33, S. 15, Z. 11 – 13: »Multiplicatis autem vicis et facta communitate ampliori, quod oportuit crescente propagacione, adhuc regebantur uno, vel propter defectum pluralitatis prudentum aut aliam quandam alteram causam, ut scribitur 3o Politice, capitulo 9o«. Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 35. Marsilius verweist auf die Abhandlung über das Königtum bei Aristoteles, Politik, III, Kap. 14, 1284b 35 ff., etwas weiter unten Buch III, Kap. 15, 1286b 4 – 13, nennt Aristoteles als Ursache für die Königsherrschaft jedoch den Mangel nicht an klugen, sondern an tugendhaften Männern und als die bestimmte andere Ursache für die Herrschaft von Königen die Wohltaten, die die Könige dem Volk zukommen ließen.
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Dieser Mangel ließ noch keine Regierungsform zu, die auf einer größeren Anzahl von politisch Mitwirkenden beruht wie etwa die Aristokratie. Aber auch die Monarchie leidet unter dem Mangel an Klugen, weil bei einer Wahlmonarchie deshalb Uneinigkeit unter den Wählern vorkommt, die das Gemeinwesen der Gefahr der Spaltung aussetzt, und auch weil die Wähler mit schlechter Gesinnung einen schlechten Herrscher wählen können. Bei einer Erbmonarchie, bei der ursprünglich ein König und mit ihm auch seine Nachkommen gewählt werden, wirkt sich das noch bedrohlicher aus, »weil in der Entstehungszeit der Staaten die Zahl der Klugen sehr klein ist. Ein Irrtum, der infolge ihres geringen Einflusses bei der Wahl vorkommen kann, wird den Staat sehr schädigen, weil er länger nachwirkt.«556 Die Aufgabe der Klugen im Staat richtet sich bei Marsilius zum einen auf die politische Gemeinschaft als Ganzes, auf die Gesamtheit der Bürger, und zum anderen auf den Regenten als Einzelperson. Die politische Mitwirkung gegenüber dem Staat ist vor allem bei der Gesetzgebung notwendig, und ihre Rolle kann hier besonders deutlich als beratende Instanz im Staat erkannt werden.557 Eine der Aufgaben der Klugen im Staate ist es, Gesetzesvorlagen zu entwerfen. »Deswegen ist es zweckmäßig und sehr nützlich, wenn die Gesamtheit der Bürger es den Klugen (prudentes) und Erfahrenen (experti) überläßt, für das im staatlichen Leben Gerechte und Nützliche und für das Unbequeme oder die öffentlichen Lasten und ähnliches mehr Gesetzesentwürfe, künftige Gesetze oder Satzungen zu suchen oder zu finden und zu prüfen, entweder so, daß gesondert jeder der ersten Bestandteile des Staates, wie sie I 5 § 1 aufgeführt sind – jedoch im Verhältnis zu seiner Stärke –, einige Vertreter wählt, oder so, daß die Volksversammlung alle erfahrenen oder klugen eben genannten Männer wählt.«558
Die Klugen sind hier also nicht aufgrund eigener Ermächtigung oder allein aufgrund ihrer überlegenen geistigen Fähigkeiten dazu berechtigt, die Vorlagen für die Gesetzgebung auszuarbeiten, sondern aufgrund eines Wahlaktes, dem Marsilius so viel Aufmerksamkeit widmet, daß er unterschiedliche Wahlver556 DP I, 16, § 19, ed. Scholz, 1932/33, S. 107, Z. 3 – 6: »[…] eo quod circa policiarum originem minor est prudentum pluralitas; ex quorum siquidem debilitate contingens error in eligendo, multum ledet policiam, quoniam diuturnius.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 193/195. 557 So jüngst Koch, Dis-/Kontinuität, 2005, S. 121. 558 DP I, 13 § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 76, Z. 12 – 21: »Et propterea iustorum et conferencium civilium et incommodorum seu onerum communium et similium reliquorum regulas, futuras leges sive statuta, querendas seu inveniendas et examinandas prudentibus et expertis per universitatem civium committi conveniens et perutile est; sic ut vel seorsum ab unaquaque primarum parcium civitatis, enumeratarum 5o huius, parte 1a, secundum tamen uniuscuiusque proporcionem, eligantur alique, vel ab omnibus simul congregatis civibus omnes eligantur experti seu prudentes viri predicti.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 141/143.
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fahren diskutiert. Die Entscheidung über Annahme oder Ablehnung einer Gesetzesvorlage, über Zusätze oder Streichungen, obliegt allen, die Gesetzgeber sind. Denn das Wissen über das, was gerecht und nützlich ist, meint Marsilius mit Aristoteles, ist jedem Bürger möglich, »mag auch das Forschen danach zweckmäßiger sein und besser zum Ziel kommen aus den Beobachtungen derer, die sich Zeit nehmen können, der Älteren und im praktischen Leben (in agibilibus) Erfahreneren, die die Klugen (prudentes) genannt werden«.559
Die gemeinte Qualifikation ist das praktische politische Leben, in dem die prudentes Erfahrungen erworben haben. Marsilius scheint sich mit diesem Begriff nicht nur auf Aristoteles zu beziehen, sondern auch auf die politische Rolle der juristisch ausgebildeten prudentes und sapientes in den italienischen Kommunen seiner Zeit anzuspielen, wie gemeint wurde.560 Allerdings weist der Gebrauch des Begriffes sapientes, den Marsilius auch im Zusammenhang mit der Gesetzgebung verwendet, auf eine allgemeinere Bedeutung als »Weise« hin. Marsilius stellt an einer Stelle mögliche Einwände gegen seine Theorie von der Gesetzgebung durch die Gesamtheit der Bürger vor. Der dritte der vorgestellten Einwände lautet, in scholastischer Darstellung, daß es nur wenige Weise (sapientes) und Gelehrte (docti) in einer Gemeinschaft gebe (Obersatz), es aber besser ist, wenn diese die Gesetze geben als ungebildete Menschen (Untersatz), daß deswegen nur wenige die Gesetze geben sollen und nicht viele oder alle (Schlußfolgerung).561 Dieser Einwand wird von Marsilius auf zwei Wegen zurückgewiesen, einmal durch die Unterscheidung zwischen der Vorbereitung von Gesetzesvorlagen und der Beurteilung derselben, dann dadurch, daß, ganz im Sinne von Aristoteles, das Volk nicht nur aus den Ungebildeten besteht, sondern eben auch die Weisen umfaßt: »Dem steht nicht entgegen, was gesagt wurde: Die Weisen (sapientes), die wenige sind, können Fragen des Handelns, die zu Gesetzesvorlagen führen sollen, klarer beurteilen als das übrige Volk. Denn mag das auch wahr sein, so folgt daraus doch nicht, daß die 559 DP I, 12, § 2, ed. Scholz, 1932/33, S. 62, Z. 21 – S. 63, Z. 4: »Ad quam siquidem ingredientes dicamus, quod legem sumptam quasi materialiter er secundum terciam significacionem, videlicet scienciam iustorum et conferencium civilium, invenire potest ad quemlibet civem pertinere, licet inquisicio hec conveniencius fieri possit et compleri melius ex observacione potencium vacare, seniorum et expertorum in agibilibus quos prudentes appellant, quam ex mechanicorum consideracione, qui ad acquirenda vite necessaria suis operibus habent intendere.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 119. 560 So Scholz, DP, 1932/33, S. 63, Anm. 1, und Gewirth, Marsilius of Padua, Bd. 2, 1956, S. 44, Anm. 3. 561 DP I, 13, § 1, ed. Scholz, 1932/33, S. 70, Z. 3 – 8: »Rursum in qualibet communitate civili sunt pauci sapientes et docti, respectu alterius multitudinis indocte. Cum igitur per sapientes et doctos utilius lex feratur quam per indoctos et rudes, videtur quod ipsarum lacionis auctoritas ad paucos pertineat, non ad plures aut omnes.«
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Weisen die Vorlagen besser zu beurteilen verstünden als das ganze Volk, in dem sie selbst einbegriffen sind zusammen mit den übrigen weniger Gebildeten.«562
Marsilius gebraucht die Begriffe prudentes, sapientes und docti in einem allgemeinen Sinn und meint diejenigen, deren Urteilsvermögen aufgrund von Erfahrung, Begabung oder Bildung höher ist als das der meisten anderen Bürger. Ihnen wird nicht zugestanden, aufgrund dessen selbst politisch wirken zu dürfen, sondern allein im Auftrag der politischen Instanzen eine – allerdings unentbehrliche – unterstützende Funktion auszuüben. Ein weiteres Beispiel der gelehrten Politikberatung stellt Marsilius am Beispiel der Vorberatungen zu einem Gerichtsurteil des Regenten wegen Häresie dar. In dem Kapitel über die Befugnis, Ketzer mit zwingender Gewalt zu bestrafen, die ausschließlich der weltliche Herrscher besitzt, unterscheidet Marsilius genau zwischen den verschiedenen Untersuchungen bis zur Verurteilung eines Ketzers oder anderen Straftäters. Danach muß zuerst geklärt werden, ob die als Häresie angeklagte Tat oder Äußerung tatsächlich ketzerisch ist. Dann muß geklärt werden, ob diese Tat durch ein menschliches Gesetz verboten ist. Drittens ist festzustellen, ob der in diesem Fall Angeklagte das Verbrechen begangen hat. Schließlich folgt als zwingender Rechtsspruch die Verurteilung oder der Freispruch.563 »Bei der ersten dieser Fragen muß sich der Regent durch die Sachkundigen (periti) des betreffenden Bereichs zuverlässig unterrichten lassen, deren Aufgabe es ist, das Wesen oder die Natur dieser Äußerung oder Tat an sich zu erwägen, die dem Angeklagten zur Last gelegt wird; denn diese sind Richter in der ersten Bedeutung über dergleichen, wie wir II 2 gesagt haben, und deren Wesen zu kennen, sind sie verpflichtet; denn ihnen hat der Regent die Vollmacht gegeben, solche Dinge im Staat zu lehren oder auszuführen«.564 562 DP I, 13, § 4, ed. Scholz, 1932/33, S. 72, Z. 26 – S. 73, Z. 1: »Nec obstat, quod dicitur : sapientes, qui pauci sunt, magis possunt agibilia statuenda discernere reliqua multitudine: quoniam esto sic verum, non tamen ex hoc sequitur, quod sapientes sciant statuenda discernere magis tota multitudine, in qua comprehenduntur ipsi cum reliquis minus doctis.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 137. Ähnlich äußert sich Marsilius etwas weiter unten in direkter Entgegnung zum dritten Einwand, DP I, 13, § 6, ed. Scholz, 1932/33, S. 75, Z. 5 – 13: »Instancia vero tercia ex iam dictis facile repelli potest; quoniam etsi per sapientes melius possint leges ferri quam per minus doctos, non tamen ex hoc concluditur, quod per solos sapientes ferantur melius quam per universam multitudinem civium, in qua eciam includuntur sapientes predicti. Verum horum omnium congregata multitudo discernere potest et velle amplius commune iustum et conferens harum parcium quacumque seorsum accepta, quantumcumque prudentum.« 563 DP II, 10, § 4, ed. Scholz, 1932/33, S. 248, Z. 1 – 19. 564 DP II, 10, § 5, ed. Scholz, 1932/33, S. 248, Z. 20 – 27: »De primo quidem horum certificari debet principans per eos, qui periti sunt secundum unamquamque disciplinam, quorum est considerare per se quiditatem seu naturam eius dicti vel operis, quod accusato imponitur, quoniam hii sunt iudices prime significacionis talium, quemadmodum diximus 2o
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Die erste Bedeutung von Richter (iudex) bezieht sich auf das Beurteilen und Erkennen. »In diesem Sinne ist der Geometer ein Richter und urteilt über Figuren und deren Eigenschaften, der Arzt über Gesunde und Kranke, der Kluge (prudens) über Tun und Lassen, der Baumeister über die Bauart der Häuser. So heißt auch jeder Kenner (sciens) oder Fachmann (expertus) Richter und urteilt über das auf seinem Gebiet Wissensmögliche oder Ausführbare.«565
Marsilius unterscheidet die Richterbegriffe – ähnlich wie bei den verschiedenen Begriffen von Gesetzen – also danach, ob der als Richter bezeichnete die Befugnis zu zwingender Gewalt besitzt.566 Das bildet nicht nur den Unterschied zwischen dem gelehrten Ratgeber und dem Regenten bei Marsilius, sondern auch zwischen Marsilius’ Begriff vom Berater und dem Ratsmitglied bei Aristoteles. Den Klugen und Sachverständigen fehlt es an zwingender Gewalt, während es den Regenten an Sachkenntnis mangelt, die sie nicht selbst besitzen müssen, aber verpflichtet sind, sie von denen einzuholen, die sie besitzen: »Solche Dinge zu kennen, ist nämlich der Regent als solcher nicht gehalten, doch ist er durch die Gesetzgebung, wenn das Gesetz vollkommen ist, verpflichtet, sich durch die Lehrer (doctores) oder Praktiker (operatores) der Sachgebiete über das Wesen der Äußerungen, Erzeugnisse und Tätigkeiten zuverlässig unterrichten zu lassen.«567
Das gilt auch bei Gerichtsurteilen: »Dieser [Regent als Richter] muß jedoch wegen der zur Last gelegten Makel, Verbrechen oder Sünden und wegen deren Natur nach der Bestimmung des Gesetzes, wenn es davon spricht, was bei einem vollkommenen Gesetz der Fall sein wird, oder eigener Klugheit, wenn das im Gesetz ausgelassen ist, das Urteil der Sachkundigen (periti) in den Fachgebieten (disciplinae), die das Wesen solcher Erzeugnisse, Handlungen oder huius; et ipsorum naturam scire tenentur, quibus docendi aut operandi talia in civitate per principantem data est auctoritas«. Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 445. 565 DP II, 2, § 8, ed. Scholz, 1932/33, S. 150, Z. 29 – S. 151, Z. 8: »Dicitur autem in una sui significacione iudex de omni discernente seu cognoscente, maxime secundum habitum aliquem speculativum aut operativum; et hoc nomen iudicium de cognicione seu discrecione talium. Quo modo geometer iudex est et iudicat de fuguris et ipsarum accidentibus, et medicus de sanis et egris, et prudens de agendis et fugiendis, et domificator de domibus qualiter construendis. Sic quoque omnis sciens at expertus dicitur iudex et iudicat de scibilibus aut operabilibus suis.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 273. Vgl. dazu auch DM 13, § 7, ed. Jeudy, 1979, S. 274, Z. 19 – 22: »Et rursum quoniam duplex est iudex, unus quidem doctor solummodo et fortassis etiam de aliquibus operator, sicuti videre est secundum quamlibet disciplinam«. 566 Gewirth, Marsilius of Padua, Bd. 1, 1951, S. 227. 567 DP II, 10, § 5, ed. Scholz, 1932/33, S. 249, Z. 6 – 10: »Talia enim principans, inquantum huiusmodi, non tenetur cognoscere, quamvis secundum legislacionem, si lex perfecta fuerit, debeat certificari de natura sermonem, operum et actuum per disciplinarum doctores aut operatores.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 445/447.
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Reden behandeln, heranziehen und ihm Glauben schenken, wie die Ärzte über die Aussätzigen oder Nicht-Aussätzigen urteilen, die Theologen über die Schuldbeladenen, die durch die Aussätzigen in der Heiligen Schrift nach der Auslegung der Heiligen sinnbildlich dargestellt werden.«568
Marsilius äußert sich aber auch zu Beratern und Ratgebern als denjenigen, die einem Regenten, also im Falle einer monarchischen Regierungsform, Rat bei der Ausübung der Regierung geben. Dabei hat die Funktion der Ratgeber eine wichtige Bedeutung bei der Entscheidung der Frage, ob eine Erbmonarchie oder eine Wahlmonarchie vorzuziehen sei. Der Prüfstein für die Beantwortung dieser Frage ist, Marsilius zufolge, in welcher Form der Monarchie der Herrscher besser durch seine Ratgeber gelenkt werden kann. Als Argument für die Erbmonarchie referiert Marsilius die Meinung, daß es nützlich sei, »den Charakter des Herrschers zu kennen, der durch manchen Ratschlag (per consilium) beraten werden muß und der zu leiten ist, wie klug er auch sein mag.«569 Da der Charakter eines einzelnen Herrschers, der durch Erbfolge zur Herrschaft bestimmt und bereits vor dem Herrschaftsantritt bekannt ist, leichter zu erkennen sei als der Charakter von vielen Kandidaten, die lediglich möglicherweise durch Wahl zu Herrschern werden,570 sei nach dieser Ansicht eine Erbmonarchie wünschenswerter. Marsilius lehnt diese Ansicht ab.571 Hätte der Monarch einen bösen Charakter, so dürften ihm die Berater doch nicht empfehlen, was seinem Charakter entspricht oder was er erstrebt.572 »Wenn aber ein Monarch angenommen wird, wie er nach unseren Voraussetzungen und einwandfreien Beweisen wünschenswert ist, so müssen die klugen und tüchtigen Männer (prudentes et studiosi), wie sie mit uns der Gegner als künftige Ratgeber (consiliarii) des Monarchen voraussetzt, ihm schlechthin empfehlen, was dem Staat oder dem allgemeinen Besten dient.«573 568 DP II, 10, § 9, ed. Scholz, 1932/33, S. 252, Z. 24 – 31: »Qui tamen de impositis maculis, criminibus seu peccatis et ipsorum natura iuxta legis determinacionem, si de hoc dixerit, quod erit, si fuerit lex perfecta, vel per suam prudenciam, si lege omissum fuerit, uti debet et credere iudicio peritorum in disciplinis que talium operum, actuum aut sermonum tractant naturam, ut medici de leprosis aut non leprosis, theologi de criminosis, qui per leprosos figurantur in sacra sciptura, secundum sanctorum exposicionem.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 453. 569 DP I, 16, § 6, ed. Scholz, 1932/33, S. 98, Z. 5 – 7: »Principis vero, cui per consilium aliquid suaderi oportet ipsumque dirigere, quantumcumque prudentem, expedit morem agnoscere.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 179. 570 DP I, 16, § 6, ed. Scholz, 1932/33, S. 97, Z. 24 – S. 98, Z. 5. 571 DP I, 16, § 20, ed. Scholz, 1932/33, S. 108, Z. 1 – 4: »Que vero fuit obieccio, quoniam facilius et cercius bene consulendo dirigitur monarcha succedens ex genere, quam nova semper eleccione vicissim assumptus, fantasiam modicam habet.« 572 DP I, 16, § 20, ed. Scholz, 1932/33, S. 108, Z. 4 – 6. 573 DP I, 16, § 20, ed. Scholz, 1932/33, S. 108, Z. 6 – 11: »Verum monarcha supposito, qualem
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Zur politischen Theorie des Marsilius von Padua
Für die Ratgeber kann angenommen werden, daß sie wissen, was dem Staat oder dem allgemeinen Besten dient, da sie politische Klugheit besitzen.574 Die Qualität der politischen Beratung ist aber auch ihrerseits davon abhängig, wie der Herrscher auf den Thron gelangt und welches seine charakterlichen Eigenschaften sind. Dem Herrscher, der durch Erbfolge auf den Thron gelangt und der manchmal verderbt ist, »fügen sich die Helfer oder Ratgeber (assistentes seu consiliarii) eher und wagen ihn weniger zu schelten oder zu tadeln, weil seine Nachkommen einmal herrschen werden.«575 Die Beratung des Herrschers muß im Staatsinteresse auch in Kritik bestehen können und auf einer gewissen Unabhängigkeit der Ratgeber beruhen. Schließlich nimmt Marsilius zum Einfluß von »bösen Ratgebern« Stellung: »Ferner – und das darf man auch nicht mit Stillschweigen übergehen –, wir erleben sehr oft, daß ein Monarch, wenn er nicht tugendhaft ist, zumeist mehr den Ratschlägen der bösen als der tugendhaften Ratgeber folgt; deswegen muß ein Monarch durch eine neue Wahl eingesetzt werden, denn so besteht eher Sicherheit, daß er tugendhaft ist.«576
Die Abhilfe auch für dieses Problem besteht in der Wahlmonarchie, da sie sicherer für einen tugendhaften Herrscher sorgt, der sich von tugendhaften Ratgebern beraten läßt. Die Gefahr, die in dem Einfluß böser Ratgeber auf die Gemeinschaft liegt, und darin, daß der Herrscher die Verantwortung für seine Politik »bösen Ratgebern« zuweist, ist in Wahlmonarchien vermindert.577 Marsilius reflektiert die gelehrte Politikberatung auf vielfältige Weise. Seine auf der fehlerhaften Übersetzung der Politik des Aristoteles beruhende Hervorhebung eines »beratenden Bestandteils des Staates« berichtigt er trotz weitergehender Kenntnis der aristotelischen Schrift nicht. Vielmehr stellt Marsilius in verschiedenen Hinsichten die Unentbehrlichkeit von Politikberatung für das Gemeinwesen dar. In neuzeitlichen Kategorien ließe sich zusammenfassend sagen, daß Marsilius gelehrte Politikberatung im legislativen, judikativen und
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expedire in supposicionibus et veris probacionibus diximus, que ad policiam seu commune conferens sunt, debent prudentes et studiosi, quales nobiscum supponit disputans futuros principantis consiliarios, illi simpliciter suadere.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 197. DP I, 16, § 20, ed. Scholz, 1932/33, S. 108, Z. 14 – 15: »Hoc autem sufficienter norunt habentes politicam prudenciam«. DP I, 16, § 20, ed. Scholz, 1932/33, S. 108, Z. 27 – 31: »Unde eciam attendendum, quod succedenti monarche per genus quandoque perverso, magis obtemperant assistentes seu consiliarii, minusque increpare audent aut illius correpcionem temptare, propter futuram principari posteritatem ipsius.« Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 197. DP I, 16, § 20, ed. Scholz, 1932/33, S. 109, Z. 6 – 10: »Adhuc, quod nec pretereundum silencio, et evenire videmus persepe, monarcham, si non studiosus extiterit, perversorum magis quam studiosorum plerumque sequi consilia; propter quod ipsum, quoniam cercius studiosum, per eleccionem novam sumendum.« Übersetzung nach Kunzmann, Bd. 1, 1958, S. 197/199. Nederman, Community, 1995, S. 111.
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Gelehrte Ratgeber und politische Gemeinschaft
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exekutiven Bereich verankern will. Die Hinzuziehung von Experten, Fachleuten oder Sachverständigen bildet die Grundlage rationaler politischer Entscheidungen. Allerdings betont Marsilius, daß diese beratenden Tätigkeiten keine eigene Autorität begründen. Die große Bedeutung, die Marsilius der Herrscherberatung beimißt, zeigt sich an der Entscheidung der Frage, ob eine Wahloder eine Erbmonarchie wünschenswerter sei: Diejenige Form der Thronfolge ist die bessere, die den Ratgebern eine stärkere und bessere Wirksamkeit ermöglicht. Gelehrte Politikberatung für das Gemeinwesen und gegenüber dem Herrscher ist für Marsilius nicht nur selbstverständlich, sondern unverzichtbar.
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5 Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
5.1
Der Aufbruch nach Italien
Wann sich Ludwig zum Italienzug entschloß, welche Motive für seine Entscheidung ausschlaggebend waren und welche Vorstellungen von seiner Kaiserkrönung im seinem Umfeld zu Beginn des Italienzugs entwickelt wurden, ist noch kaum geklärt. Ludwigs Entschluß, sich trotz des Konflikts mit dem Papst zum Kaiser krönen zu lassen, läßt sich bereits einige Jahre vor dem Romzug in einigen Quellen fassen. In Ludwigs ersten beiden Appellationen vom 18. Dezember 1323 und vom 5. Januar 1324 gegen den ersten Prozeß des Papstes vom 8. Oktober 1323 weist er darauf hin, daß er die potestas und das ius, das regnum und das imperium zu regieren bereits besitze, und er »nur noch mit der kaiserlichen Krone zu krönen ist«.578 Aber erst die Aussöhnung mit Friedrich dem Schönen ermöglichte es Ludwig, einen Italienzug zu planen. Mit Friedrich wurde in der sogenannten Trausnitzer Sühne am 13. März 1325 ein Frieden geschlossen.579 Am 1. September 1325 schlossen Ludwig und Friedrich einen Ausgleichsvertrag, in dem auch festgelegt wurde, daß einer von beiden die Königsherrschaft in Deutschland ausüben sollte, wenn der andere ad partes Gallicas seu Latinas aufbricht.580 Dies ist als Regelung für einen geplanten Italienzug 578 Es heißt in der zweiten Appellation vom 5. Januar 1324, MGH Const. V, 1909 – 1913, Nr. 836, S. 655 – 659, hier cap. 15, S. 657, Z. 36 – 41: »Et quia ex premissis et per evidenciam operis patet, quod sacri regni regimen gubernamus, prorsus a veritate discrepat, quod dicit imperium nunc vacare et eiusdem ad se regimen pertinere. Ex quo enim rex sumus et iura regni administramus ut rex et in possessione regendi regnum Romanum sumus et fuimus multis annis, non poterit dici vacare, quod habet regem regentem et regendi regnum et imperium ius et potestatem habentem, solis dumtaxat infulis imperialibus coronandum.« Die erste Appellation vom 18. Dezember 1323 enthält an dieser Stelle den Begriff ius noch nicht, ist aber ansonsten weitgehend gleichlautend, MGH Const. V, 1909 – 1913, Nr. 824, S. 641 – 647, hier cap. 15, S. 645, Z. 20 – 25. 579 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 29, S. 18 – 20. 580 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 101, S. 69 – 70, hier cap. 5, S. 70, Z. 1 – 4: »Et si ibit eorum unus ad partes Gallicas seu Latinas, tunc sit alius in terris Theutonicis vel aliter, sicut eis
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
– und zwar Ludwigs – zu verstehen. Bereits in einem Schreiben vom 1. Oktober 1325 an die Ghibellinen Genuas, die von den Guelfen ihrer Heimatstadt ins Exil nach Savona vertrieben worden waren, teilte Ludwig die Aussöhnung mit Friedrich dem Schönen und seine Absicht mit, zur Kaiserkrönung einen Italienzug zu unternehmen.581 Der Auslöser für Ludwigs Romzug war nach dem Bericht des florentinischen Chronisten Villani, daß Herzog Karl von Kalabrien, der Sohn König Roberts von Neapel, der von Papst Johannes XXII. zum Reichsvikar von Italien ernannt worden war, im Juli 1326 mit großen Truppenkontingenten das guelfische Florenz verstärkte.582 Aus diesem Anlaß baten die Ghibellinen der Toskana und der Lombardei im Januar 1327 Ludwig um eine Zusammenkunft in Trient, um seine Unterstützung gegen die neapolitanischen und päpstlichen Heere zu gewinnen.583 Auch Wilhelm von Egmond berichtet, daß die bedrängten Ghibellinen bei Ludwig um Unterstützung nachsuchten. Die Ghibellinen sowohl Roms als auch Norditaliens baten Ludwig in Briefen, er möge ihnen einen Ort bestimmen, an dem sie sich treffen könnten.584 Wilhelm von Egmond ist jedoch der einzige
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videbitur expedire secundum iura Romane sedis et imperii. Et eleccio de remanendo in Alamannia vel eundi extra apud regem predictus residebit.« Ähnlich heißt es in der am 5. September in deutscher Sprache beurkundeten Einigung, MGH Const. VI/I, 1914 – 1927, Nr. 105, S. 72 – 74, hier cap. 5, S. 73, Z. 29 – 30: »Vert unser einer ein gein Waelischen landen, dem sol der ander seinen gewalt hin ein geben und jener disem hie auz lazzen volliclich.« MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 120, S. 85, hier Z. 27 – 30: »Et iam cum eo [Friedrich] et aliis princibus et nobilibus Alamannie nostrum in Ytaliam instauramus introitum ad imperialibus dyadematis infulas assumendam, ad pacificandam cristianitatem et fideles nostros imperiali clemencia reducendos, quominus consueta fidelitatis servicia exibere recusent.« Vgl. Chroust, Römerzug, 1887, S. 50. Villani, Buch 11, Kap. 1 und 2, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 521 – 524. Villani, Buch 11, Kap. 18, Z. 1 – 12, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 540: »Negli anni di Cristo MCCCXXVI [=MCCCXXVII], del mese di gennaio, per cagione della venuta del duca di Calavra in Firenze i Ghibellini e’ tiranni di Toscanae di Lombardia di parte d’imperio mandarono loro ambasciadori in Alamagna a sommuovere Lodovico duca di Bavera eletto re de’ Romani, accik che potessono resistere e contastare a la forza del detto duca e de la gente della Chiesa, ch’era in Lombardia; e con grandi impromesse il detto Lodovico con poca gente condussono col duca di Chiarentana insieme a uno parlamento a Trento a’ confini de la Magna di l/ da Verona«. Wilhelm von Egmond, ed. Hordijk, 1904, S. 182: »Eodem anno Ludovicus, qui rex Alemannie dicitur, cujus ad imperium transitus causis hactenus variis et precipue pape contrariis prepeditur, miro supra modum ordine Alpes aggreditur, cujus materia, licet nobilis multumque spectabilis, propter summi pontificis displicentiam breviatur. Notandum itaque quod, cum guerrarum copia Italicos pro tempore interficeret, dictum quoque, si fas est facere, regem ipsis pro principe electum multorum inopia retardaret, fiunt Italicis pocul dubio varia consilia, quomodo ut hostibus, pape adjutorio fortissimis, tutius resisterent, ducem ad propugnatorem invenirent. Mittuntur itaque dicto superius Ludovico tam Romanis quam Italicis quedam sub silentio littere, rogantes ipsum quasi furtive paucisque familiaribus quodam signato ipsorum procuratoribus loculo comparere. Quorum petitioni Ludovicus modica deliberatione annuit; qui sua Deo committens, L se vix equitibus dictorum nobilibus presentavit.«
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Der Aufbruch nach Italien
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Chronist, der berichtet, daß auch die Römer bereits an Ludwigs Einladung mitwirkten. Der Paduaner Guelfe Albertino Mussato schildert ebenfalls ausführlich, daß die Initiative für Ludwigs Italienzug bei den lombardischen Ghibellinen lag. Sie verbündeten sich und beschlossen, Ludwig, »den sie als römischen König ansahen«, nach Italien zu rufen, weil sie gegen die päpstliche Übermacht zu unterliegen drohten. Der oberitalienische Machtkampf wurde so zu einer Auseinandersetzung der beiden höchsten Gewalten der Christenheit, »indem sie [die Ghibellinen] der Majestät der Kirche die des hochheiligen Kaisertums entgegenstellten und einen Zusammenstoß der beiden Machtgebiete herbeiführten, der die gesamte Christenheit in Mitleidenschaft zöge; diese Gewaltherren gingen also darauf aus, die Macht der Kirche mittels einer anderen Macht zurückzuweisen, in diesen Kampf die altehrwürdige Partei des Kaisertums hineinzuziehen und mit verschiedenen Mitteln alles mit Unfrieden zu erfüllen.«585
Nach der Darstellung Mussatos haben die Ghibellinen ohne weiteres ein Recht Ludwigs auf das Kaisertum unabhängig vom Willen des Papstes anerkannt. Es ging ihnen, nach Mussato, vor allem um militärische Unterstützung, die allerdings auch kaum von anderer Seite hätte kommen können. Zudem lag den Ghibellinen auch an der Legitimierung ihrer eigenen Herrschaften, die vom Papst grundsätzlich bestritten wurden; der römische König als weltlicher Herr Reichsitaliens war das natürliche Oberhaupt, an das man appellieren konnte und dessen Rechte ebenfalls verletzt wurden. Allerdings erscheinen bei Mussato allein die Ghibellinen als Akteure, welche Rolle Ludwig bei diesen Vorgängen hatte, erfährt man nicht. Die Initiative der Ghibellinen ist historiographisch auch sonst gut bezeugt. Sowohl italienische als auch nordalpine Chronisten berichten darüber : Cortusio,586 die Storie Pistoresi,587 Matthias von Neuen585 Mussato, ed. Böhmer, 1843, S. 172: »Ioanne XXII papa rebelles Lombardorum tyranni, ut vix iam sacrosancte ecclesie fortissimum robur sustinere possent, accersiri Ludovicum Bavarie ducem, tamquam Romanorum regem ex Alemannia iurata simul pactione decrevere, ut imperii sacrosancti maiestatem interiectis dissidiis obicerent ecclesie maiestati, eorumque marchiarum collisionem facerent, qua universi Christicole concertarent, ut scilicet tyranni iidem ecclesie vires alienis subsidiis ab se retunderent, et ad eandem factionem antiquatas imperii partes undecunque et diversis studiis complicarent.« Die Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, Kap. 3, S. 28. 586 Cortusio, III, Kap. 10, ed. Pagnin, 1941 – 1975, S. 47, Z. 35 – S. 48, Z. 2: »Rebelles Ecclesie Romane timentes adventum unici filii regis Roberti, qui Florentiam venerat, ut legato subveniret, qui erat Bononie viribus Ecclesie congregatis in unum, deliberato consilio miserunt in Alemaniam suos legatos ut Ludovicus rex Romanorum, quam citius posset, ad partes descenderet Lombardie pro imperio contra ecclesiam pugnaturus.« 587 Storie Pistoresi, Kap. 65, ed. Barbi, 1907 – 1927, S. 111, Z. 37 – S. 112, Z. 3: »Vedendo messer Cane e li altri tiranni di Lombardia esser cos' fortemente perseguitati dalla gente della Chiesa e che il legato promovea loro adosso tanti signori e communi e la grande guerra che facea loro fare alle gente sua e la grande potenza ch’elli avea s' dalla Chiesa e s' dall’altre terre
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
burg588, Heinrich Taube von Selbach589 und Peter von Zittau.590 Johann von Viktring591 und Johann von Winterthur592 berichten allerdings über Ludwigs Eintritt in Italien, ohne die Einladung der Ghibellinen zu erwähnen. Am 24. Dezember 1326 ist Ludwig urkundlich noch in München nachweisbar,593 aber schon bald danach muß er nach Innsbruck aufgebrochen sein. Um die Jahreswende von 1326 auf 1327 hat Ludwig von Innsbruck aus einen Brief an den Herzog von Brabant verschickt, in dem er ihn zunächst über die Verhandlungen mit Friedrich dem Schönen unterrichtete, die zu keinem neuen Bündnis
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di Lombardia di Romagna della Marca e di Toscana; ordinarono di parlamentare insieme: e presa l’ordine, n’andarono alla citt/ di Trento.« Matthias von Neuenburg, Kap. 52, Rec. B, ed. Hofmeister, 1924 – 1940, S. 131, Z. 10 – S. 132, Z. 3: »Iverat autem illis diebus Ludovicus Lombardiam, quem Goleaceus Mediolanensis sumptuose traduxit; quem tamen post magnam datam sibi pecuniam Romam quasi captivum traduxit, Wilhelmo de Monteforti Medyolanum committens. Qui non imperii, set sua facta agens et pecuniam ad partes transmittens imperium negligebat; propter quod, quamvis estimaretur in virilibus gestis valencior homo mundi, non extitit nimium commendatus.« Danach folgt eine größere Lücke, so daß in dieser Fassung auch keine Nachricht über Ludwigs Romaufenthalt überliefert ist. Der Text in Rec. WAU, S. 367, Z. 15 – 21, stimmt wörtlich mit Rec. B überein. Heinrich Taube von Selbach, ed. Bresslau, 1922, Papae. Iohannes XXII., S. 23, Z. 13 – 20: »Anno Domini MCCCXXVI predictus Ludwicus non obstantibus processibus pape intravit Ytaliam cum paucis armatis primo, deinde cum adiutorio rectorum quorundam tunc Ytalie, videlicet Canis de Verona, Galeacii prediciti de Mediolano, Castruccii de Lucca, episcoporum Castellani de Veneciis et Aretinensis ac suorum, collectis et supervenientibus multis stipendiariis cum potencia transivit Ytaliam«; Reges. Ludovicus IV., S. 36, Z. 4 – S. 37, Z. 9: »[…] idem Ludwicus ingressus est Alpes, terram ducis Karinthie, civitatem Tridentinam, ubi ad eum sollempnes ambasatores miserunt rectores Lombardie, videlicet Galeacius de Vicecomitibus, dominus tunc Medyolanensis, dominus Canis de Scala, dominus tunc Veronensis, Passerinus dominus Mantuanus, Castrucius dominus Lucanus et alii Ytalici Gibelini, qui diversas pressuras sustinuerant a legatis cardinalibus pape Iohannis XXII et a stipendariis ecclesie missis et conductis in Lombardiam, supplicantes eidem, ut pro defensione eorum Ytaliam dignaretur intrare.« Peter von Zittau, Kap. 19, ed. Loserth, 1875, S. 450 – 451: »Hoc anno mense Martio Ludovicus per sedem apostolicam reprobatus, a vulgo vero imperator et rex Romanorum nuncupatus ad partes Italiae proficiscitur, ad quas per quendam virum potentem, qui canis de Verona dicitur, praecipue invitatur. Paucorum principum Alemanniae usus est Ludovicus consilio in hoc facto.« Johann von Viktring, Buch 5, Kap. 7, Rec. A, ed. Schneider, Bd. 2, 1910, S. 92, Z. 20 – S. 93, Z. 3: »Anno MoCCCoXXVIo Ludewicus disposito regno, post se adversantes aliquos non relinquens, multis mirantibus Ythaliam est ingressus, spectabili et eximia militum stipatus nacionis Theutonice comitiva. Et transiens per vallem Tridentinam terram Heinrici ducis Karinthie et comitis Tyroliensis, quondam regis Bohemie, subintravit«; ebenda, Rec. B. D. A2, S. 132, Z. 4 – 7: »Anno Domini MCCCXXVIII [sic!] Ludewicus per vallem Tridentinam Italiam introivit. Et dum Heinrici ducis Karinthie terminos, comitatum scilicet Tyrolis, subintrasset«. Johann von Winterthur, ed. Baethgen, 1924, S. 85, Z. 15 – 17: »Tempore quo Fridricus solo nomine in austria aput suos regnavit, Ludwicus Bawarus prenominatus cum paucis galeatis se transtulit in Langobardiam anno Domini MCCCXXVII«. MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 234, S. 153.
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Der Aufbruch nach Italien
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geführt hätten.594 Nun aber richte Ludwig dem Rat des Herzogs von Brabant gemäß seine Schritte nach Trient, wohin Ludwig die Anhänger des Kaisertums bestellt habe, um über seinen Einmarsch nach Italien zu beraten.595 Das für den 9. Februar 1327 in Nürnberg geplante Treffen596 mit dem Herzog von Brabant, dem Erzbischof von Trier und Ludwigs Schwiegervater, Wilhelm von Holland, verschob Ludwig auf den 8. März 1327 und kündigte an, auch an die beiden anderen Fürsten Briefe mit Erklärungen zu senden.597 In Innsbruck schrieb Ludwig auch an Castruccio Castracane, seinen wichtigsten Verbündeten im weiteren Verlauf des Italienzuges, und lud ihn ein, an der Versammlung in Trient teilzunehmen. Als Gegenstand der Verhandlungen wird auch hier Ludwigs Einmarsch nach Italien genannt.598 594 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 241, S. 158, hier Z. 11 – 13: »Quemadmodum nuper a te recessimus, sic cum fratre nostro (…) duce Austrie convenimus et pluribus diebus super nostris et imperii negociis stetimus in Inspruka nec ad ligam aliquam novam aut unionem secum processimus ista vice.« Böhmer, RI. Additamentum secundum, 1846, Ludwig der Baier, Nr. 2961, S. 319. Auch der Chronist Heinrich Taube weiß zu berichten, daß die Verhandlungen nicht zu einem Erfolg führten, Heinrich Taube, ed. Bresslau, 1922, Reges. Ludovicus, S. 36, Z. 1 – 4: »Anno regni suo duodecimo cum colloquium haberet cum predicto Friderico iam demisso adhuc vivente in Yspruka et in eodem colloquio non multum amice se ab invicem separarent«. 595 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 241, S. 158, Z. 14 – 21: »Nos vero iuxta consilium tuum gressus nostros dirigimus in Tridentum et ad eandem civitatem omnes prefectos, nobiles et civitatum sacri imperii fidelium ambassiatores vocavimus et cum istis super introitu nostro in Italiam et super aliis nobis, imperio et fidelibus nostris incumbentibus deliberare et providere intendimus ac proficue convenire, sic quod istam conventionem et parlamentum, quod cum eisdem celebrabimus, ad honorem nostrum, gloriam imperii, commodum et exaltacionem tuam ac omnium fidelium nostrorum cedere speramus ac in relevationem omnium subiectorum.« 596 Die ältere Forschung hat in diesem verabredeten Treffen (terminus) einen Hoftag oder sogar Reichstag sehen wollen, tatsächlich ist nur von einer Zusammenkunft dieser drei Fürsten mit Ludwig die Rede, vgl. bereits Chroust, Romfahrt, 1887, S. 64, Anm. 1. 597 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 241, S. 158, Z. 21 – 30: »Quare terminum videlicet octavam purificationis sancte Marie [= 9. Februar], ad quem te accedendum nos in Nurnberch iam invitaveramus, nos opertebit usque in dominicam Reminiscere [= 8. März] prorogare. Quare sinceritatem tuam affectuosa instantia requirimus et rogamus, quatinus eiusdem termini prorogatio tibi displicentiam aliquam non pareat et quod omnibus impedimentis semotis in dictis Dominica et loco nobiscum tibi placeat convenire ad unionem indissolubilem diebus nostris tecum et cum venerabili Baldwino archiepiscopo Treverensi principe et secretario nostro ac spectabili Wylhelmo comite Hollandie socero nostro celebrandam et ad aperiendum ea, que cum Lombardis tractabimus in Tridento, ac etiam tractatus et pacta inter nos et fratrem nostrum (…) ducem Austrie, que hucusque secreta fuerant et sub silentio latuerunt.« An Wilhelm von Holland hat Ludwig am 13. März geschrieben, siehe unten S. 197 ff. 598 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 242, S. 158 – 159, hier S. 159, Z. 6 – 8: »Scias quod usque ad VI dies certitudinaliter personaliter erimus in Tridento, ubi parlamentum celebrabimus pro factis et negotiis imperii et fidelium suorum et principaliter ac potissime pro introitu nostro in Italiam ordinando.«
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
Ludwig erreichte Trient etwa Mitte Januar 1327 und blieb dort etwa zwei Monate bis zum 14. März 1327. Über die Verhandlungen mit den Ghibellinen berichtet der Chronist Wilhelm von Egmond: In Trient baten die Ghibellinen Ludwig um Hilfe und argumentierten, daß dies Ludwigs Pflicht sei, da »Gott ihn zum Kaisertum ausersehen habe« und ihn zum »Hirten und Beschützer« seiner Untertanen in Italien gesetzt habe. Er habe daher Italien und den Kaiserthron in Besitz zu nehmen, damit er die Ghibellinen, »die armen Schäflein, bewacht und schirmt«. Ludwig wurde aber auch gewarnt, sollte er zögern oder ablehnen, würde nicht nur er »den Sitz zu Rom«, sondern auch die Deutschen dauerhaft die Herrschaft in Italien verlieren.599 Ludwig gab, dem Bericht des Chronisten zufolge, nach einer Bedenkzeit die Antwort, daß er gerne nach Italien kommen wolle, ihm aber Soldaten, Geld und Ortskenntnis fehlten. Die Zusage der Ghibellinen, für alles zu sorgen, so der Chronist, bewegte Ludwig, wiederum nach einer Bedenkzeit, ihrer Bitte nachzukommen.600 599 Wilhelm von Egmond, ed. Hordijk, 1904, S. 182 – 183: »Cujus adventu vel presentia dictorum maiores ipsi pro viribus tam honestis personis quam notariis fato prius loculo occurentes gavisi sunt, qui commissa sibi negotia decenter et brevibus hoc modo vel simili retulerunt: ›Gloriosissimo necnon serenissimo principi Ludovico, Romanorum rege semper augusto, Tuscie, Calabrie, Romanie et quasi totius Italie presides semper et in omnibus mandatis et monitis obedire. Cum voce dominica pastoris absentia oves dispergantur hujusque desidia infinita gregibus pericula luporum insidiis generentur, rogamus humiliter et hortamur – cum Deus personam vestram ad imperii regimen elegerit vosque nobis, qui cotidie tamquam oves a lupis inimicis affligimur, pastorem ac propugnatorem ordinaverit –, quatinus obmissis apud Germaniam negotiis spretisque periculis propter has oves custodiendas, tondendas, fetas quoque, si necesse fuerit, deportandas, ad Italiam, vestram videlicet provinciam, velitis tendere necnon imperatorum palatia possidere. Quorum petitioni sanctissimos pontifices notariosque clarissimos quasi pro testimonio preesse decrevimus, vestris quoque responsionibus interesse, videlicet ut nobis illas referant sufficientique tam sigillorum quam signorum testimonio conscribant. Sciat autem vestra imperialis majestas quod, si hac vice vel amplius tardaveritis aut nobis subvenire, ut tenemini, rennueritis, quod non solum vestra persona Romana sede proscribitur, verum omnis Theutonicorum successio, que vobis in eternum possit fieri, eadem privatur.‹« Die Wiedergabe folgt der Übersetzung von Matthias, Beiträge, 1908, S. 11 – 13. 600 Wilhelm von Egmond, ed. Hordijk, S. 183 – 184: »Quorum nuntia cum Ludovicus tam verbis quam scriptis attenderet, responsionibus ex arrupto deficeret, hora, licet modica, ad deliberandum petitur ; qua concessa, quid melius respondeat, disputatur. Qui saltem rediens dixisse traditur necnon hoc modo vel simili respondisse: ›Sanctissimi patres ac domini. Vestras vestrorumque petitiones jam audivimus, quarum effectui impedimentis cessantibus corde et animo comparemus. Verum cum nobis tria regibus summopere necessaria, videlicet armatorum familia, necessariorum copia per cuncta deficiant, viarum quoque semite se abscondant, que ordine, quod a vobis petitur, valemus perficere sive ad sanctissima Romanorum limina pervenire?‹ Hec autem cum Ludovicus diceret nec alias excusandi causas protenderet, responderunt subito circumstantes, Italicorum videlicet nuntii sollempnes, hiis de causis nullam debere moram fieri; certum est enim hec omnia per Italicos affluenter, dummodo ejus personam habeant exiberi. Quorum auctoritate Ludovicus modico habito consilio nuntiis jungitur, per quos omni procul obstaculo Mediolanensibus, sibi videlicet fidelissimis, presentatur.«
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Der Aufbruch nach Italien
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Ob Ludwig tatsächlich mit der Absicht nach Trient gekommen ist, zunächst erst einmal wieder nach Deutschland zurückzukehren, und sich erst während der Zusammenkunft von Trient entschlossen hat, unverzüglich nach Italien zu marschieren und sich in Rom zum Kaiser krönen zu lassen, ist in der Forschung umstritten. In der älteren Forschung wurde Ludwigs Aufbruch nach Italien nach der Versammlung in Trient als ungeplant bezeichnet.601 Pauler, der sich gegen diese Ansicht der älteren Forschung wandte, argumentiert, daß keine Chronik berichte, daß Ludwig vorgehabt hätte, von Trient wieder nach Deutschland zurückzukehren.602 Es ist aber gerade ein italienischer Chronist, Villani, der in unverdächtiger Beiläufigkeit Ludwigs ursprüngliche Absicht, nach Deutschland zurückzukehren, erwähnt.603 Für diese Absicht scheint auch zu sprechen, daß Ludwig nur mit geringem Gefolge aufgebrochen war.604 Ende Februar teilte Ludwig von Trient aus diesen Entschluß in mehreren Briefen sowohl deutschen als auch italienischen Empfängern mit. Ludwig schrieb am 24. Februar 1327 an König Johann von Böhmen, daß die Ghibellinen ihn gewarnt hätten, daß, wenn er zurück nach Deutschland ginge, sie der Bedrängung durch die Truppen des päpstlichen Legaten und seiner guelfischen Verbündeten nicht länger standhalten könnten.605 Nach den Zusagen der Ghi601 Chroust, Romfahrt, 1887, S. 63. 602 Pauler, Könige, 1997, S. 146. 603 Villani, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 541, Buch 11, Kap. 18, Z. 25 – 32: »Apresso, a d' XVI di febbraio, il detto eletto re de’ Romani, il quale volgarmente Bavero era chiamato da coloro che non voleano essere scomunicati, s' promise e giurk nel detto parlamento di passare in Italia, e venire a Roma sanza tornare in suo paese; e’ detti tiranni e ambasciadori de’ Comuni ghibellini gli promisono di dare CLM fiorini d’oro come fosse a Milano«. (Hervorhebung von mir.) Die Übersetzung von Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 77, von »ambasciadori de’ Comuni ghibellini« mit »die Gesandten der Ghibellinen Roms« ist nicht gerechtfertigt. Es gibt keinen Hinweis darauf, daß die römischen Ghibellinen bereits während der Versammlung in Trient durch Gesandte Kontakt mit Ludwig aufgenommen haben. 604 Johann von Winterthur, ed. Baethgen, 1924, S. 85; Wilhelm von Egmond, ed. Hordijk, 1904, S. 182. 605 Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, Bd. 1, 1921, Nr. 173, S. 93 – 95, hier § 4, S. 94: »Quam responsionem nostram audita persona tua, in qua specialiter sunt confisi, gratam habebant et inde gracias referebant, verum tamen in contrarium uno ore et animo allegebant, quod, si retro in Alamanniam rediremus, vita eis fieret supplicium et mors solacium, eo quod fideles et amici pre dolore diffisi de reditu eciam quacunque caucione prestita desperarent et perfidi inimici pre timore iam territi respirarent et fierent forciores; immo cum refugium ammodo non haberent, cogerentur necessario pro sui salvacione querere dominium alienum; protestantes aperte, quod ipsi in culpa non essent vel causa si subverteretur status imperii, ex quo, quod in eis erat, fecerint et adhuc parati sint facere toto posse; imponendo nobis culpam et princibus electoribus et aliis principibus et subditis imperii et Theutonicis universis ac exinde trahentes suspiria ac spiritu ingementes de iuramento, quod pro conservando statu imperii et fidelium suorum prestitimus, nos acerrime monuerunt contestando personam nostram sub debito fidei, quo sibi et ipsi imperio obligamur, ne diverteremus ab itinere divinitus iam incepto, cum hoc in eius et eorum destructionem et
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
bellinen, ihn bei seinem Italienzug zu unterstützen, würde er mit Zutrauen vorwärts schreiten, um die Krone des heiligen Reiches zu empfangen.606 König Johann wurde aufgefordert, die geplante Zusammenkunft in Nürnberg am 15. März 1327 ohne Ludwig abzuhalten, wohin er Graf Berthold von Henneberg und Burggraf Friedrich von Nürnberg mit weiteren Informationen schicken werde.607 Auch Ludwigs italienische Verbündete wandten sich eigens in einem Schreiben an König Johann, in dem sie ihm mitteilten, daß Ludwig auf ihre Veranlassung nach Italien einmarschieren werde und nicht zu dem Fürstentreffen nach Deutschland zurückkehren könne.608 Die Kaiserkrönung in Rom erwähnte Ludwig zum ersten Mal am 23. Februar 1327 in einem Schreiben an den Grafen Giovanni di Chiaramonte.609 Einen Tag später schrieb er ähnlich an Friedrich, den König von Sizilien, und an Peter, dessen Sohn, er habe sich entschlossen, »Romae sacras imperiales infulas re-
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ultimum exterminium vergeret et ruinam; adicientes, quod certis scirent indiciis et probabilibus coniecturis, quod tu puta, cuius domus novum sit restauracionis sacri imperii fundamentum cuiusque dive recordacionis pater felicissimus zelo ipsius imperii vitam pro morte dederit, eius sequens vestigia in memoriale eternum tui nominis tuum ad hoc conferas adiuvamen.« Zu den weiteren Gründen vgl. unten das noch nachdrücklichere Schreiben Ludwigs an Wilhelm von Holland vom 13. März. Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, Bd. 1, 1921, Nr. 173, § 5, S. 94: »Hiis auditis sermonibus et lamentis commoti spiritu animum non potuimus continere, sed tanta fide tantaque devotione ac tot devicti precibus et instanciis eorum votis annuimus et parabolum dedimus in dei nomine, per quem sumus, vivimus et regnamus et in quo omnem spem nostram posuimus, cum fiducia progredimur ad recipiendum loco et tempore sacri imperii dyadema.« Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, Bd. 1, 1921, Nr. 173, § 6, S. 94 – 95: »Cumque tam urgens necessitas et evidens utilitas ac preces et instancie suprascripte et conveniendo tecum et amicis nostris prefatis in termino condicti inter nos colloqui legittime nos excuset, sinceritatem tuam obnixius deprecamur, quatenus nos habens circa huiusmodi de regia benevolencia excusatos nichilominus cum predictis archiepiscopo, comite et aliis amicis nostris, quos venturos credimus, convenies in Nuremberg dominica ›Oculi mei semper‹ [=15. März], ubi regina aderit, cogites, deliberes, ordines, facias et statuas cum eisdem, quecunque sciveris ad nostrum communiter honorem, commodum et profectum ac ipsius sacri imperii bonum statum utiliter proficuum, ad quem terminum et locum spectabiles viros Bertoldum comitem de Hennenberg et Fridericum burgravium de Nuremberg sufficienter de intencione nostra informatos de omnibus certitudinaliter dirigemus.« Vgl. die Vollmachten, Privilegien und Mandate, die Ludwig Berthold von Henneberg erteilte, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 257 – 263, S. 167 – 171. In der Sammlung des Rudolf Losse sind auch zwei wahrscheinlich in der Kanzlei Johanns von Böhmen entstandene Entwürfe überliefert, die Ludwigs Ernennung Johanns von Böhmen zum Reichsvikar für Deutschland während seiner Abwesenheit und den von Johann von Böhmen zu leistenden Treueid enthalten, Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, Bd. 1, 1921, Nr. 175, S. 98 – 99, und Nr. 176, S. 99 – 100. Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, Bd. 1, 1921, Nr. 174, S. 95 – 98. MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 254, S. 165 – 166, hier S. 166, Z. 5 – 7: »[…] quod in Italiam in presenti progredimur absque quolibet intervallo ad coronam imperialis culminis Rome cum gloria et reverentia assumendam.« Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 923, S. 54.
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cepturi.«610 Von der ursprünglichen Absicht, zunächst nach Deutschland zurückzukehren, ist in diesen Briefen jedoch nicht explizit die Rede. Aber Ludwig erwähnt, daß seinem Italienzug nichts im Wege stünde, da in Deutschland alles ruhig und friedlich sei.611 Auf welche Weise und mit welcher Legitimation die Kaiserkrönung vollzogen werden sollte, bleibt in diesen Briefen unausgesprochen. Daß Ludwig sich auf das Volk von Rom stützen wollte, kann nicht ohne weiteres angenommen werden, da Rom zu diesem Zeitpunkt noch von dem mit dem Papst verbündeten König Robert von Neapel beherrscht wurde. Selbst nach einem militärischen Sieg über diesen konnte Ludwig nicht davon ausgehen, daß das Volk von Rom seine Kaiserkrönung – mit welcher politischen und legitimatorischen Dimension auch immer – unterstützen würde. An seinen Schwiegervater, Wilhelm von Holland, ließ Ludwig am 13. März 1327 in Trient einen Brief verfassen,612 in dem Ludwig die Umstände seines Entschlusses, nach Italien weiterzumarschieren, und seine Motive in der umfangreichsten Weise mitteilte: »Als ich, in der Absicht, nach Deutschland zurückzukehren, in Trient anlangte, kamen mir alle Getreuen der kaiserlichen Krone aus Städten und Burgen entgegen. Sie klagten mir die unzähligen Leiden, welche die Bekenner des kaiserlichen Namens nicht länger ertragen könnten. Mit Tränen und Schluchzen flehten sie mich an und beschworen mich bei dem Eide, mit welchem ich die Reichsrechte zu erhalten gelobt hatte, ich möchte zur Erleichterung ihrer unerträglichen Lasten in ihr Land herabsteigen, um nach gewohnter Sitte das Diadem der Cäsaren und den Hauptsitz des Reiches an mich zu nehmen, die seit den Zeiten meines erhabenen Vorgängers Kaiser Heinrichs durch Frechheit und Anmaßung nichtswürdiger Empörer beschimpft und beschmutzt fast an den Rand des Verderbens und zu schmachvoller, kaum wieder gutzumachender Verödung heruntergebracht worden sind. Sie boten mir ihre Personen und die Macht von neunzehn Bistümern und unzähligen Festen und Burgen und sehr viel Geld an. Sie erklärten, als sie mich ihren Forderungen abgeneigt fanden, in feierlichster Weise, wenn ich nicht sofort nach Italien vorrückte, um sie zu befreien und den Namen des 610 Der Brief an Friedrich, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 255, S. 166, das Zitat Z. 31; Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 924, S. 54. Der Brief an Peter, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 256, S. 166 – 167, das gleichlautende Zitat S. 167, Z. 4 – 5; Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 925, S. 55. 611 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 255, S. 166, Z. 25 – 27: »Specialiter tamen hoc vobis duximus intimandum, quod Deo favente firmum, pacificum et felicem statum habemus Alemannie et tam principes quam ceteri alii ad nostra beneplacita sunt intenti.« MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 256, S. 166, Z. 39 – S. 167, Z. 1: »Ut intentione nostram et statum felicem quem habemus favente Deo vestra serenitas excipiat et cognoscat, amicitiam vestram scire volumus ex fiducia speciali, quod bene ordinatis circa nos que sunt in Alemannia, ubi tam principes quam alii inferiores parent nostris beneplacitis et mandatis, Lombardiam attigimus in Tridento.« 612 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 266, S. 173 – 175; Wilhelm von Egmond, ed. Hordijk, 1904, S. 184 – 187; Briefe Ludwig des Baiern, in: Böhmer (Hg.), FRG, Bd. 1, 1843, 6. Brief, S. 197 – 199; Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 932, S. 55.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
Reiches aufrechtzuerhalten, würden sie sich von ihm lossagen; sie müßten dann ihren angestammten Herren verlassen und sich fremder Knechtschaft unterwerfen, zum Schaden, Schimpf und ewiger Schande, nicht nur meiner Person, sondern auch meines bayrischen Hauses und des ganzen deutschen Volkes; sie seien daran unschuldig vor Gott und den Menschen.«613
Anschließend stellt Ludwig die Gründe für seinen Meinungsumschwung dar : »Als ich dies alles hörte, ergriff es mich wie Gottes Wille, und ich überwand alle Hindernisse, damit nicht zu meiner Zeit meine persönlichen Rechte, die des bayrischen Fürstengeschlechtes und des deutschen Volkes in verderblicher Weise vernichtet werden, damit die Rechte der Kurfürsten, zu denen auch ich und meine Nachkommenschaft gehören, nicht verdammungswürdig verlorengehen. Ferner will ich verhüten, daß fremde, auf den Vorrang der Deutschen neidische Völker die Weltherrschaft (regnum mundi), die mit so vielem edlen deutschen Blute gewonnen ist, in blinder Raubgier an sich reißen. Ja wahrlich, besser ist es dann zu sterben, als länger so zu leben und diesen Schimpf mit ansehen zu müssen. Und so vertraue ich mich denn der Barmherzigkeit jenes an, durch welchen die Herrscher herrschen und in dessen Händen unser Herz ist, unseres Herren Jesus Christus, zu Lob und Ehre des allmächtigen Gottes selbst und der heiligen Apostel Petrus und Paulus, und unserer Mutter, der römischen Kirche, nicht jedoch ihres gegenwärtigen Oberhauptes. Auf den Rat der Fürsten und Weisen, zur Erhöhung meines Namens und zum dauernden und lang
613 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 266, § 1, S. 174, Z. 1 – 23: »Licet quemadmodum alias sinceritati tue patefecimus, ob causas quasdam speciales sacro imperio ac corona nostre fidelibus necessarias, animo tamen redeundi in Alemanniam venerimus in Tridentum, omnes nobiles civitatum, castellorum et castrorum imperialis corone fideles nobis obviam occurrerunt, exponentes afflictiones et attritiones suas innumerabiles, quibus professores imperialis nominis amplius resistere non valerent, cum lacrimis nobis et amaris singultibus supplicantes, personas suas et posse decem et novem episcopatuum, castellorum et castrorum quodammodo innumerabilium cum pecunia maxima offerentes et personam nostram sub sacramento per nos de conservandis iuribus imperii prestito obtestantes et quod sicut ex debito eiusdem imperialis gubernaculi assumpti et devinitus nobis crediti tenemur, ad relevanda ipsorum onera importabilia descenderemus et ad assumendum dyadema cesareum more solito et sedem imperii principalem, que iam attrita et polluta nefandis rebellium ausibus a temporibus divine et clare memorie quondam imperatoris Henrici predecessoris nostri pene usque ad ultimum exitium et usque irrecuperabilis desolationis obprobrium sunt deducta. Protestationes suas, sicut nos duros suis senserunt postulationibus, coram nobis publice in presentia nostri consilii, multorum sapientum Lombardie ac notariorum publicorum, quos de conficiendis instrumentis super eisdam interpellabant, facientes et cum cordis amaritudine proponentes, quod nisi absque processu retrogradu in Italiam procederemus ad liberandum eos et nomen imperii sustinendum, quod ex hoc nunc renuntiarent fidei eidem et quod de necessitate naturali dominio relicto ipsos se oporteret peregrine committere servituti in non modicum nostrum, principum electorum, domus nostre Bavarie et totius nationis Alemannie obprobrium et verecondiam perhennalem et quod deinceps apud Deum et homines de hoc deberent teneri in perpetuum excusati.« Die Übersetzung dieser und der folgenden Quellenstelle folgt der nicht ganz wörtlichen Übersetzung von Matthias, Beiträge, 1908, S. 13 – 14.
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ersehnten Vorteil aller Freunde bin ich herabgestiegen, um den Stand des Reiches nach Kräften zu wahren und die Kaiserkrone aufzunehmen (assumenda).«614
Deutlich erkennbar wird in dem Schreiben auch, wie ernst von Ludwig die Gefahr gesehen wurde, daß das Kaisertum von den Deutschen auf ein anderes Volk übertragen werden könnte. Die Kaiserkrönung – mit oder ohne Papst – sollte auch dazu dienen, den Anspruch der Deutschen auf das Kaisertum aufrechtzuerhalten. Mit den »auf den Vorrang der Deutschen neidischen Völker« waren sicher die Franzosen und Neapolitaner gemeint. Dem französischen König Karl IV. war im August 1326 vom Papst in Aussicht gestellt worden, zum römischen König gewählt zu werden und das Kaisertum übertragen zu bekommen,615 und König Robert von Neapel hatte 1313 die Abschaffung des Kaisertums überhaupt gefordert.616 Auf welche Weise Ludwig seine Kaiserkrönung durchführen wollte, sagt er auch in diesem Brief nicht. Unterstützung durch die deutschen Fürsten hat Ludwig nur zu einem geringen Teil erhalten. Zwar bekam er Zuzug durch deutsche Ritter, aber der wichtigere Teil der Fürsten blieb fern. Auch sein Schwiegervater, der mehrfach gebeten worden war, Zuzug zu leisten, kam nicht nach Italien.617 Von den Kurfürsten waren nur er selbst und sein Sohn Ludwig der Brandenburger dabei. Namentlich Erzbischof Balduin von Trier, der an dem Romzug Kaiser Heinrichs 614 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 266, S. 174, Z. 24 – 37: »Nos vero hiis auditis multis que nos, sicut Deo placuit, tetigerunt adversitatibus superatis, ne nostris temporibus persone et domus nostre Bavarie ac totius Theutonie et specialiter ne iura principum Romanum principem eligentium, de quorum propagine et nos processimus et in quorum etiam cum nostra posteritate numero sumus, sic dampnabiliter obsorberentur et per indirectum occuparentur per nationes alienas et frequenter antecessui Alemannico invidentes et regnum mundi multo generoso Alemannorum sanguine acquisitum ad eosdem deduceretur exteros et raptores, de consilio procerum et sapientum nostrorum ante mori quam vivere et huiusmodi exspectare improperia eligimus, illius misericordie nos committentes, per quem reges regnant et principes dominantur et cuius manibus cor nostrum est, videlicet domini nostri Ihesu Christi, ad laudem et honorem ipsius Dei omnipotentis et beatorum apostolorum Petri et Pauli ac sancte matris nostre ecclesie Romane, non tamen iam presidentis, et ad exaltationem nostri nominis perpetuumque ac desiderabile commodum omnium fidelium amicorum ad statum imperii pro viribus conservandum descendimus et ad imperialia dyademata assumenda.« 615 Der Venezianer Marino Sanudo der Ältere schreibt 1327 in einem Brief: »Familiariter retulit michi, quod principes Alamanie contentabantur dare coronam imperii prediciti regi Francie solum in vita sua et hoc faciebant, ut imperium aliquod bonum haberet principium«; MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, abgedruckt als Anm. 1 zu Nr. 206, S. 138 – 139, hier S. 138, Z. 43 – 45. Die Briefe des Papstes an König Karl IV. vom 24. August 1324 beziehen sich vermutlich auf diesen Plan, MGH Const. VI/1, Nrrn. 206 und 207, S. 138 – 139. Vgl. zum päpstlichen Plan, den französischen König von den Kurfürsten zum römischen König wählen zu lassen, Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 106 – 131; Stengel, Avignon, 1930, S. 37 und S. 81 – 82. 616 MGH Const. IV/2, 1909 – 1911, Nr. 1253, S. 1369 – 1373; vgl. oben S. 139. 617 Matthias, Beiträge, 1908, S. 45, Anm. 2.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
VII. teilgenommen hatte und zu den Wählern Ludwigs gehörte, begleitete Ludwig nicht. So kommentiert auch der Autor der Vita von Erzbischof Balduin, daß Ludwig ohne Einvernehmen mit den Kurfürsten nach Rom gezogen sei.618 Es war eine Sache für die deutschen Fürsten, die für Ludwig Partei ergriffen, sich gemeinsam mit Ludwig den Prozessen des Papstes zu widersetzen, aber etwas ganz anderes, an einem Italienzug persönlich teilzunehmen, der auf eine militärische Auseinandersetzung mit der päpstlichen Partei in Italien und auf eine Kaiserkrönung gegen den Willen des Papstes hinauslaufen mußte. Ludwigs Absicht, nach Rom zu ziehen, ist schon lange vor 1327 erkennbar. Sie ist zwar noch nicht notwendig aus den Äußerungen seiner Herrschaftsansprüche über Reichsitalien ab 1323 abzuleiten, die ja den Anlaß für den Ausbruch des Konflikts mit dem Papst bildeten, aber spätestens aus den Vereinbarungen zwischen Ludwig und seinem Mitkönig Friedrich dem Schönen seit dem Vertrag von Trausnitz, wie schon häufiger in der Forschung hervorgehoben wurde.619 Dennoch wurde lange vermieden, die Begriffe Romzug und Kaiserkrönung zu verwenden. Erst nach der Versammlung von Trient wagte Ludwig, diese Begriffe zu gebrauchen, das erste Mal am 23. Februar 1327.
5.2
Die neuen päpstlichen Prozesse
Anfang April erließ Papst Johannes XXII., fast drei Jahre nach dem letzten Prozeß gegen Ludwig den Bayern, fünf neue Bullen gegen Ludwig und seine Anhänger. Am 3. April 1327 ergingen zwei Prozesse gegen ihn. In Divinis exemplis sprach ihm Johannes XXII. nicht nur alle Lehen der Kirche und des Reiches, sondern auch das ererbte Herzogtum Bayern ab.620 Mit der Zitationsbulle Quia iuxta doctrinam, in der auch erstmals von Marsilius von Padua und Johannes von Jandun die Rede ist,621 zitiert der Papst Ludwig peremptorisch nach Avignon, wo er sich bis zum 1. Oktober 1327 einfinden solle, um sich der Anklage wegen Häresie zu stellen.622 Der Florentiner Chronist Giovanni Villani kommentiert, wenn auch nicht ganz zuverlässig,623 diesen päpstlichen Prozeß.624 618 Gesta Baldewini, lib. III, cap. 5, (caput 254 des ganzen Werkes), ed. Wyttenbach/Müller, 1838, S. 245: »Et anno Domini millesimo trecentesimo vicesimo sexto Ludowicus rex fuerat Romam pacifice ingressus absque electorum suorum consilio«. 619 Zuletzt etwa Pauler, Könige, 1997, S. 139 – 140. 620 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 273, S. 178 – 184; Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 53, S. 219. 621 Vgl. oben S. 57 f. 622 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 274, S. 185 – 186. 623 Vgl. oben S. 59 f. 624 Villani, Buch 10, Kap. 264, Überschrift und Z. 1 – 14, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 439: »Come papa Giovanni scomunick Lodovico di Baviera eletto re de’ Romani: Nel detto anno [1324], a d' XIII [richtig: 11.] di luglio, papa Giovanni apo Vignone in Proenza diede ultima
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Die neuen päpstlichen Prozesse
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Villani wirft hier den päpstlichen Prozeß vom 11. Juli 1324 mit Quia iuxta doctrinam zusammen. Aber deutlich wird daraus seine Einschätzung der Bedeutung von Marsilius und Johannes von Jandun, die Villani hier lange vor dem Romzug einführt und als »große Meister der Natur und Astronomie, aber sicher noch größere Häretiker« vorstellt. Das Verhältnis Ludwigs des Bayern zu Papst Johannes XXII. ist, für den Guelfen Villani, unvermeidlich durch diese Häretiker beeinträchtigt. Nach dem Zeugnis von Quia iuxta doctrinam war Marsilius gemeinsam mit Ludwig Anfang des Jahres 1327 in Trient, wo ihm von Ludwig erlaubt wurde, seine Ansichten öffentlich vorzutragen.625 Der Hinweis auf Marsilius’ Wirken in Trient läßt vermuten, daß er bereits von Anfang an zu der kleinen Gruppe von Begleitern des Königs gehörte und gemeinsam mit Ludwig von München aufgebrochen war. Dies und Ludwigs Bereitschaft, Marsilius in der Öffentlichkeit – und das heißt, vor allem vor den in Trient versammelten italienischen Verbündeten – reden zu lassen, deutet darauf hin, daß sich die politischen Ziele von Ludwig und Marsilius im Projekt des Italienzuges verbunden haben. Es ist gelegentlich vermutet worden, daß Ludwigs Entschluß, nach Italien und nach Rom zu ziehen, auch auf Marsilius’ öffentliche Reden in Trient zurückzuführen ist.626 Es spricht vieles dafür, der Schreibanlaß und das Ziel des ganzen Defensor pacis und im Rückblick die von Marsilius eingenommene wichtige Rolle während des Italienzugs, daß Marsilius diese Forderungen der Ghibellinen mit aller Kraft unterstützt hat. Die Rolle des Marsilius in Trient wird aber auch die eines Fürsprechers des Königs gegenüber den Italienern gewesen sein. Die Inhalte von Marsilius’ Reden waren vermutlich auch seine Ansichten zur Souveränität der weltlichen Herrschaft, der Unabhängigkeit des Kaisertums vom Papsttum und zu den kaiserlichen Rechten gegenüber dem Papst. Vielleicht beruht die Nachricht des Florentiner Chronisten Villani, nach der Papst Johannes XXII. bereits in Trient für abgesetzt erklärt wurde,627 auf Marsilius’ Propagierung des kaiserlichen Rechts auf Absetzung des Papstes. Von einer sentenzia contra Lodovico dogio di Baviera eletto re de’ Romani, dispognendolo d’ogni beneficio di lezioni d’imperio, s' come ribello di santa Chiesa, e fautore e sostenitore degli eretici di Milano in Lombardia, e di mastro Gian di Gandone, e di mastro Marsilio di Padova, grandi maestri in natura e astrolagi, ma di certo eretici in piF casi; e comandk che innanzi calen di ottobre prossimo fosse venuto il detto Lodovico personalmente dinanzi da·llui a misericordia, e a·ffare penitenzia del misfatto, o dal termine innanzi proceder/ contra lui e’ suoi beni, s' come scismatico e eretico.« 625 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 274, § 3, S. 186, Z. 14 – 15: »[…] adhuc cum eo [Ludovico] erat Marsilius in Tridento predictus, ipsosque errores manifestissimos et dampnatos publicare permisit«. 626 Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 35, meint, daß dort neben den italienischen Ghibellinen vor allem Marsilius Ludwig zu einen Romzug mit dem Ziel der Kaiserkrönung ohne und gegen den Papst geraten habe. 627 Villani, Buch 11, Kap. 18, Z. 34 – 52, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 541 – 542.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
tatsächlichen Absetzungserklärung ist aus anderen Quellen nichts bekannt, auch Ludwigs Absetzungsurteil vom 18. April 1328 verweist nicht auf eine ähnliche vorangegangene Maßnahme, aber vielleicht wurde die Möglichkeit, den Papst abzusetzen, bereits in Trient öffentlich erwogen. Albertino Mussato, der langjährige väterliche Freund des Marsilius und Autor der mit Ludovicus Bavarus betitelten Chronik des Romzugs, hat in dieser Zeit einen weiteren Brief an Marsilius verfaßt. Der Brief ist entweder noch vor oder zur Zeit der Versammlung in Trient geschrieben worden,628 als noch nicht sicher war, ob Ludwig in Italien einziehen würde. In diesem Brief spricht Mussato – anders als in der später verfaßten Chronik – noch enthusiastisch von Ludwig als einem Retter aus dem Parteitreiben Italiens.629 Mussato bittet Marsilius darin, ihm Notizen über den Verlauf des erwarteten Italienzuges zugehen zu lassen: »So hat dich denn dein Weg an den kaiserlichen Hof geführt, und nach so verworrenen Geschicken wirst du jetzt vielleicht kommen, um deinem Vaterland Hilfe zu bringen. Man sagt, daß du durch Rat und Ermunterung beim König auf den Gang der Ereignisse wirkst. Nun mögen sich die Paduaner freuen, daß ihr Mitbürger zu so hohen Ehren gelangt ist. Dieser Schutzherr wird aber gewiß ein ganz zuverlässiger sein, einer, der uns durch Zaudern alles zurückbringen wird. Leb wohl! Gott leite dich und jenen König, den sich die ganze Welt wünscht! Um eines aber bitte ich dich, mein Lieber, wenn du dem kaiserlichen Feldlager folgst, daß du dann die Fortschritte, die Begebenheiten und tapferen Taten verzeichnest, damit ich sie einst in das Buch aufnehmen kann, worin ich den Namen dieses Königs verewigen will.«630 628 Brampton (Hg.), Defensor minor, 1922, S. 74, datiert den Brief auf das Jahr 1327; zwar legt sich Brampton nicht genau fest, ordnet den Brief aber in die Zeit nach der Krönung in Mailand im Mai des Jahres ein. 629 Jakob Wychgram, Albertino Mussato. Ein Beitrag zur italienischen Geschichte des 14. Jahrhunderts, Leipzig 1880, S. 63; Weltzien, Untersuchungen, 1882, S. 31, Anm. 4. 630 Mussato, Ad magistrum Marsilius phisicum Paduanum [zweiter Brief], ed. Miethke, Briefgedichte, 2008, S. 64 – 65: »Quo te, care, pedes an que uia duxit ad aulas / Cesareas. Veros perhibet si fama relatus, / Venisti patrie forsan succurrere terre / Post uarios casus et tot discrimina rerum. / Hic motus nobis utinam bene cedat. Et ipse / Secludor patria, quia sors omnia versat. / Diceris hortator series et pondera rerum / Consilijs stabilire tuis et sistere regi. / Gaudeat his Patave quisquis confinia terre / Incolit erectum summa ad prelustria ciuem. / Hic patronus erit uere certissimus, hic est / Unus qui nobis cunctando restituet rem. / Ergo uale bene fauste, deus te dirigat atque / Regem illum, sibi quem totus desiderat orbis. / Vnum oro, dilecte mihi, si castra sequaris / Progressus actusque notes et fortia facta / Que mandare meo possim distincta libello: / Nunc specto tendoque chelim plectrumque liramque / Si donante deo uirtus exegerit huius / Regis perpetuum nomen laturus in euum.« Übersetzung nach Riezler, Widersacher, 1874, S. 43 – 44. Zuvor auch gedruckt bei Pincin, Marsilio, 1967, S. 150, Anm. 3 (zu S. 149). Die Zeile »unus qui nobis cunctando restituet rem« geht auf Vergil, Aeneis, Buch 6, Vers 846, ed. Conte, 2009, S. 193, zurück. Für den freundlichen Hinweis darauf danke ich Jürgen Miethke. Vergil spricht damit Quintus Fabius Maximus an, der 217 v. Chr. als Diktator durch hinhaltendes Operieren, wofür er den Beinamen Cunctator (der Zauderer) erhalten hat, den Vormarsch Hannibals aufhielt (Vergil. Werke in einem Band, übers. Ebener, 1983, S. 692). Im Anschluß
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Ob dieser Brief Marsilius erreicht hat, und ob Marsilius derartige Notizen angefertigt hat und sie Mussato zukommen ließ, wissen wir nicht.631 Nach Padua sind Ludwig und Marsilius während des Italienzugs nicht gekommen. Das Buch, das Mussato in seinem Brief Marsilius ankündigte, hat Mussato noch vor dem Ende des Italienzugs abgeschlossen, aber bereits der Titel zeigt, daß Mussato sein Urteil über Ludwig geändert hat. In dem vor der Kaiserkrönung geschriebenen Brief ist vom »kaiserlichen« Lager die Rede, während Mussato in seinem nach der Kaiserkrönung verfaßten Buch Ludwig nicht nur nicht als Kaiser, sondern mit der herabsetzenden Bezeichnung der Kurie als »den Bayern« bezeichnet. Es wird sich zeigen, daß dieser Wandel in der Bewertung Ludwigs einhergeht mit einem Wandel in der Beurteilung seines ehemaligen Paduaner Freundes und Mitbürgers Marsilius. Bereits sechs Tage nach Divinis exemplis und Quia iuxta doctrinam, am 9. April 1327, erließ Johannes XXII. drei weitere Prozesse. Dudum propter notorios richtete sich gegen die geistlichen Parteigänger Ludwigs des Bayern.632 Unter den Prälaten und geistlichen Personen werden besonders die Bischöfe Emmich von Speyer und Gebhard von Eichstätt genannt und nach anderen auch Marsilius und Johannes von Jandun, die undankbar gegenüber den angenommenen Benefizien der Kirche den Rücken zugekehrt und dem von der Kirche exkommunizierten Ludwig Hilfe, Rat und Gunst erwiesen hätten. Marsilius und Johannes von Jandun wird im besonderen vorgeworfen, gegenüber Ludwig und anderen Personen Irrlehren verkündet zu haben. Alle Genannten werden daher ihrer Ämter suspendiert, exkommuniziert und ihrer Benefizien enthoben.633 Es daran folgen die berühmten Römerverse Vergils, die den Weltherrschaftsanspruch Roms poetisch formulieren: »Tu regere imperio populos, Romane, momento (hae tibi erunt artes) pacique imponere morem, parcere subiectis et debellare superbos«, Vergil, Aeneis, Buch 6, Strophe 851 – 853, ed. Conte, 2009, S. 194. 631 Riezler, Widersacher, 1874, S. 44, glaubt das nicht, während Wychgram, Albertino Mussato, 1880, S. 63, es für möglich hält: »So ist vielleicht der grosse Staatsrechtslehrer [scil. Marsilius] Quelle geworden für ein Werk, das auf das Entschiedenste seine Tendenzen verurtheilt.« 632 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 277, S. 192 – 196; zuvor gedruckt bei MartHne/Durand, Bd. 2, 1717, Sp. 692 – 698; Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 57, S. 219. 633 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 277, § 3, S. 195, Z. 19 – S. 196, Z. 6: »Sane cum nonnulli prelati et alie persone ecclesiastice et specialiter Emicho Spirensis et Gebehardus Eystetensis episcopi necnon Hermanus dictus Humele de Lechtemberch scolasticus ecclesie Spirensis et Henricus de Gundvinchen preceptor Hospitalis sancte Marie Theotonicorum per Alamaniam et Rudgerus de Amberg prepositus ecclesie sancte Catherine in Openheym Maguntin. dioc. et Marsilius de Padua ac Iohannes de Ianduno tanquam acceptorum benefitorum immemores et ingrati, terga non faciem vertentes ecclesie ac fidelitatem qua tenentur eidem in perfidiam non absque suarum animarum periculis et plurimorum scandalis commutare non verentes, prefatis nostris processibus et contentis in eis obedire temerariis ausibus contempserint, prefato adherendo Ludovico post publicationem eorundem processuum ac super hiis, que ad regni seu imperii Romani regimen pertinent, parendo et obediendo et eum pro rege tenendo sibique tanquam regi reverentiam exhi-
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ist kaum in der Forschung wahrgenommen worden, daß Marsilius und Johannes von Jandun bereits mit dieser Bulle und nicht erst mit der Verurteilung als Häretiker in Licet iuxtam doctrinam am 23. Oktober 1327 exkommuniziert worden sind.634 Die genannten Bischöfe und geistlichen Personen sowie Marsilius und Johannes von Jandun werden schließlich peremptorisch nach Avignon zitiert. Innerhalb von vier Monaten sollen sie sich persönlich dort einfinden, um sich zu rechtfertigen.635 Keine der zitierten Personen ist dieser Aufforderung jedoch bendo et aliter assistendo et prestando eidem contra tenorem dictorum processuum auxilium, consilium et favorem eosdemque processus publicare contumaciter dicti prelati videlicet omittendo et nichilominus eodem Ludovico, sicut predicitur, diversis excommunicationum sententiis innodato presente et in locis etiam ecclesiastico suppositis interdicto ipsorum videlicet aliqui divina celebrare seu potius quantum in eis est prophanare offitia non sine divine maiestatis contumelia et contemptu clavium presumpserint sepius et presumant, sicut fama publica notoriat et rei evidentia manifestat, predicti etiam Marsilius et Johannes tam prefato Ludovico quam pluribus aliis dampnatos hereses et errores publicare, predicare ac dogmatizare dampnabiliter presumpserint, que omnia adeo sunt notoria, quod nulla possint tergiversatione celari, nos nolentes excessus horribiles et inobedientias et contumatias execrandas huiusmodi absque correctione debita preterire, ne inobedientes ipsi de sua valeant malicia ex eisdem horrendis excessibus gloriari, episcopos ac personas ecclesiasticas superius nominatos et omnes alios et singulos tam prelatos quam alios, cuiuscumque sint preminentie, dignitatis, ordinis, conditionis et status, etiamsi pontificali vel quavis alia premineant dignitate, que dictis processibus parere, sicut premittitur, contempserunt, suspensionis ab offitio et beneficio et excommunicationis sententias contra tales in eisdem processibus promulgatas declaramus de dictorum fratrum consilio incurrisse ipsosque tanquam excommunicatos fore preter casus expressos in iure ab omnibus evitandos. Prefatosque Hermannum scolasticum ac Henricum preceptorem et Rudigerum prepositum dicte ecclesie in Openheym ac Marsilium et Iohannem omnibus beneficiis ecclesiasticis, etiam dignitatibus, personatibus et offitiis cum cura vel sine cura, que ubilibet obtinent, quibus propter excessus predictos notorios ac contemptus, contumatias et inobedientias supradictos se reddiderunt indignos, sententiando privamus.« 634 Valois, Jean de Jandun, 1906, S. 592, sagt das klar, während Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 33, von der bloßen »Androhung der Exkommunikation« spricht. 635 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 277, § 4, S. 196, Z. 7 – 24: »Et licet contra dictos epicopos ad privationem dignitatum possemus procedere propter predictos eorum excessus notorios iusticia exigente, nos tamen iusticiam ipsam volentes oleo misericordie temperare et agere mitius cum eisdem, ipsos episcopos per hoc edictum publicum hac presente multitudine copiosa fidelium necnon dictos scolasticum, preceptorem, prepositum ac Marsilium et Iohannem citamus peremptorie, ut infra quatuor mensium spatium, quod eis et eorum cuilibet de dictorum fratrum consilio pro peremptorio termino prefigimus ac etiam assignamus, apostolico conspectui personaliter se presentent super predictis excessibus et delictis ut prefertur notoriis iustam dante Domino sententiam audituri ac responsuri, facturi et recepturi, quod iusticia suadebit, ac mandatis et beneplacitis apostolicis humiliter parituri. Eisdem apertius predicentes, quod sive infra predictum terminum coram nobis comparuerint sive non, nos ad privationem dignitatum predictorum episcoporum et aliarum personarum ecclesiasticarum nominatarum superius, inhabilitationem ac alias penas, de quibus expedire videbimus, absque monitione et citatione alia procedemus eorum absentia non obstante. Non intendentes nos astringer quoquo modo, quominus contra prelatos et alias personas ecclesiasticas inobedientes quomodolibet in hac parte
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gefolgt. Von den deutschen Bischöfen wurden in der Bulle lediglich Gebhard von Eichstätt, der einige Monate später auf dem Italienzug, am 14. September 1327 vor Pisa, verstarb,636 und Emmich von Speyer aufgeführt. Letzterer war zwar dem Papst schon länger als Anhänger Ludwigs des Bayern bekannt, auf dem Romzug war er jedoch nicht dabei.637 Kein Mitglied des deutschen Episkopats erreichte also gemeinsam mit Ludwig Rom. Spätestens Anfang April 1327 wird Papst Johannes XXII. klar, daß König Ludwig nicht allein zur Sicherung und Ausübung seiner Herrschaft in Reichsitalien aufgebrochen ist, sondern auch um seine Kaiserkrönung durchzuführen. In Ad speculatoris vom 9. April 1327 fordert Johannes XXII. Ludwig auf, Italien zu verlassen, und wirft ihm vor, »daß er nicht nachläßt, Wege zu suchen, durch die er vielleicht de facto, aber nicht de iure den Thron der kaiserlichen Würde besteigen kann«.638 Die neuen Prozesse des Papstes kamen spät. Johannes XXII. hatte mit Ludwigs Aufbruch nach Italien noch lange nicht gerechnet.639 Nachdem weder Ludwig der Bayer noch Marsilius von Padua und Johannes
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singulariter et nominatim, coniunctim vel divisim super predictis et ea tangentibus procedere, quanto et quotiens nobis expedire videbitur, valeamus.« Heinrich Taube von Selbach, ed. Bresslau, 1922, Reges. Ludovicus IV, S. 38, Z. 5 – 7: »Ubi [vor Pisa] pestilencia gravis multos homines interemit, inter quos fuit Gebhardus de Graispach episcopus Eystetensis«. Dazu der Nachtrag in der Handschrift B 1 (ebenda, Z. 11 – 12): »Hic Gebhardus obiit anno Domini MCCCXXVII in die exaltacionis sancte crucis [14. September].« Heinrich Taube gibt auch einen Bericht über Gebhards Tod in seinen Vitae Episcoporum Eichstetensium, ed. Bresslau, 1922, S. 125, Z. 13 – 24: »Hic pius et mansuetus dominum Ludwicum inperatorem se scribentem in Ytaliam est secutus, per consiliarios suos inductus, et in obsidione Pisane civitatis, quam predictus Ludwicus cum Castrucio domino Lucane civitatis fecit, in pestilencia magna, que tunc ibidem viguit, anno Domini MoCCCoXXVIIo in festo exaltacionis sancte crucis obiit et in civitate Lucane in monasterio sancti Fridiani apud sanctum Richardum, patrem sancti Willibaldi, est sepultus. Hic excommunicatus fuit denunciatus per papam Iohannem XXIIdum ex eo, quia adhesit Ludwico inperatori prescripto et ipsum in Ytaliam, ut supra scribitur, est secutus.« Während Bischof Gebhard von Eichstätt während des Romzugs als Zeuge einer Urkunde Ludwigs des Bayern vom 25. Juli 1327 nachgewiesen ist (MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 320, S. 230 – 233, hier S. 232, Z. 18), findet sich kein Nachweis über eine Teilnahme Emmichs von Speyer am Romzug. Vielmehr starb er in Speyer am 20. April 1328, Iohannis Seffried de Mutterstadt Chronica praesulum Spirensis civitatis, in: Böhmer/Huber (Hgg.), FRG, Bd. 4, 1868, S. 327 – 351, hier S. 346: »Emicho de Leiningen ecclesie Spirensis episcopus l. resedit in ea annis xiiii. Nam anno domini m.ccc.xx.viii. pontificatus sui xv. feria quarta ante Georgii [apr. 20] obiit Spire.« Vgl. Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 288. MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 275, S. 187 – 189, hier S. 187, Z. 15 – 16: »[…] quod vias non cessans querere, per quas de facto saltem, cum de iure nequat, ad imperialis possit conscendere solium dignitatis«; Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 55, S. 219. Vgl. Altmann, Römerzug, 1886, S. 38. Schließlich wird Markgraf Ludwig von Brandenburg, der Sohn Ludwigs des Bayern, in Olim contra vom Papst seiner Herrschaft über Brandenburg enthoben, die Ludwig ihm nicht hätte übertragen dürfen, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 276, S. 190 – 192; Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 56, S. 219. Dafür spricht wohl das Schreiben des Papstes an Karl, den Sohn König Roberts von Neapel, vom 15. Februar 1327, Preger/Reinkens, Verträge, 1883, Nr. 317, S. 109 mit Anm. 1.
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von Jandun der päpstlichen Vorladung nach Avignon gefolgt waren, verurteilte Johannes XXII. sie als Häretiker. Am 23. Oktober 1327 erließ der Papst die Bulle Dudum volentes gegen Ludwig.640 Die Vorwürfe aus der Zitationsbulle Quia iuxta doctrinam wurden in Dudum volentes leicht gekürzt als Begründung angeführt, darunter als einer der Hauptgründe die Aufnahme der beiden Ketzer Marsilius und Johannes von Jandun.641 Am selben Tag erließ Johannes XXII. gegen Marsilius und Johannes von Jandun die Bulle Licet iuxta doctrinam, in der fünf Aussagen des Defensor pacis als häretisch und die beiden Gelehrten als Ketzer verurteilt wurden.642 Die Informationen über den Inhalt des Defensor pacis erhielt die Kurie von Personen aus der Umgebung Ludwigs des Bayern. Wie es dazu kam, daß diese Männer der Kurie über die beiden Pariser Gelehrten an Ludwigs Hof und den Defensor pacis berichteten, wird in der Narratio vorausgeschickt: »Diesen [Marsilius und Johannes von Jandun] gegenüber haben zwar einige Katholiken, die sich zur Verteidigung des Glaubens widersetzten, offen kundgegeben, daß jene Lehre irrig und häretisch war, wie auch der evangelischen und apostolischen Wahrheit entgegengesetzt, und haben denselben zugeredet, daß sie von einer so verwerflichen Lehre ablassen, und diese wollten den Ermahnungen dieser [Männer] nicht bei640 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 361, S. 264 – 268; MartHne/Durand, Bd. 2, 1717, Sp. 698 – 704; Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 62, S. 220. 641 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 361, cap. 2, S. 265, Z. 42 – S. 266, Z. 13: »[…] et insuper cumulans mala malis duos viros nequam perditionis filios ac maledictionis alumpnos, quorum unus Marsilium de Padua et alter Iohannem de Ianduno se faciunt nominari, ad eundem Ludovicum, quem suis demeritis exigentibus velut hereticorum fautorem et persecutorem sancte Romane ecclesie ac plurium atrocium aliorum excessuum patratorem de fratrum ipsorum consilio privaveramus iure, si quod sibi ex electione predicta fuerat acquisitum, gressus suos propere dirigentes sibi librum quendam erroribus plenum et variis heresibus non vacuum, sicut multorum fidedignorum catholicorum habebat assertio, presentarant, quos errores et hereses in terra ipsius Ludovici et in eius presentia docere sepius presumpserant publice, sicut habebat insinuatio eorundem, quodque licet nonnulli viri catholici sacris litteris eruditi eidem Ludovico dicerent doctrinam illam hereticam ipsosque Marsilium et Iohannem fore velut hereticos puniendos periculosumque sibi fore, tales ad sui familiaritatem admittere aut in terrris sue ditioni subditis sustinere, ipse tamen non acquiescens eorum salutaribus monitis velut credens illorum hereses ipsos in suos familiares retinuerat, errores predictos ac hereses publice dogmatizare permittens«. Das entspricht MGH Const. VI/1, Nr. 274, § 3. 642 Rinaldi, ad a. 1327, § 28 – 35, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 322b-329a; MartHne/Durand, Bd. 2, 1717, Sp. 704 – 716; Charles Duplessis d’Argentr8, Collectio iudiciorum de novis erroribus, Bd. I/1, Paris 1728, Ndr. Brüssel 1963, S. 304a-311b; Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 63, S. 220. Schwalm, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, S. 264, Anm. 1, teilt mit, daß er auf einen Abdruck verzichtet, weil das Schriftstück zu lang sei, auch sonst liegt keine kritische Edition dieses wichtigen Dokumentes vor. Der Text der drei angegebenen Drucke weicht geringfügig voneinander ab. Eine Zusammenfassung der fünf Irrtümer bei Heinrich Denzinger, Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen. Enchiridion symbolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum, 37. Auflage, verbessert, erweitert, ins Deutsche übertragen und unter Mitarbeit von Helmut Hoping hrsg. von Peter Huenermann, Freiburg (Br.) u. a. 1991, Nr. 941 – 946, S. 398 – 399.
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pflichten, sondern mit der Verkündung ihrer Irrlehren fortfahren. Endlich haben sowohl die Genannten als auch viele Prälaten und auch andere katholische Männer es als ungehörig und allzu gefährlich angesehen, daß so verderbliche Häresien öffentlich vor Katholiken gelehrt werden, daß einige dafür sorgten, Uns gewisse aus dem besagten Buch exzerpierte Artikel zu schicken und selbst auf irgendeine Weise zu überreichen und flehten noch eifriger, daß Wir dafür sorgen sollten, der heiligen Kirche Gottes geeignete Abhilfe zu verschaffen.«643
Die Verurteilung des Defensor pacis durch die Kurie beruhte also nicht auf eigener Kenntnis des Werkes, nicht auf dem Besitz einer Abschrift, sondern allein auf den Informationen, die von einigen Personen aus der Umgebung Ludwigs nach Avignon geschickt wurden. Wer diese Personen waren und worin ihr Motiv, das sicher nicht nur aus der Verpflichtung, den Glauben zu schützen, sondern auch aus politischen Gründen bestanden hat, ist unbekannt. Bei den verurteilten Artikeln in Licet iuris handelt es sich daher auch keineswegs um wörtliche Exzerpte aus dem Defensor pacis, wie die Verurteilungsbulle behauptet und wie es für das Verfahren vorgeschrieben war.644 Das ist auch deswegen auffällig, weil Marsilius in der dritten Dictio seine Thesen und Maximen bereits in Artikelform gleichsam handlich vorformuliert hat, ohne daß sie in dieser Form Eingang in die Verurteilungsbulle gefunden hätten. Licet iuxta doctrinam gibt lediglich in zusammenfassender Form Gedanken des Defensor pacis wieder. Und diese Wiedergabe ist nicht einmal zutreffend.645 Marsilius hat seine politischen Grundsätze als generische Theorie entwickelt, die auf alle politischen Gemeinschaften und alle Verfassungsformen applizierbar sein sollte. Gleichzeitig sollte damit das politisch-praktische Ziel seiner Schrift erreicht werden, als Adressaten uneingeschränkt alle politischen Gemeinschaften und Regenten der Christenheit anzusprechen und gegenüber den weltlichen Herrschaftsansprüchen der Päpste seiner Zeit zu wappnen. Die Wiedergabe in Licet iuxta doctrinam weicht jedoch immer an derselben, ent643 Rinaldi, ad a. 1327, § 28, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 323a: »[…] quibus licet nonnulli Catholici, se pro defensione fidei opponentes, ostendissent aperte, quod illa doctrina erat erronea et haeretica, velut contraria Evangelicae et Apostolicae veritati, et ut a tali doctrina desisterent suasissent eisdem, ipsique eorum nollent acquiescere monitis, sed in publicandis suis erroribus perdurarent; tandem tam praefati quam plures praelati, necnon et alii viri Catholici per perniciosas haereses inter Catholicos dogmatizari publice indecens et periculosum nimium reputantes, nobis certos articulos excerptos de libro praedicto curaverunt nonnulli mitterre, ac per seipsos aliqui praesentare, supplicantes attentius, ut super praemissis curaremus sanctae Dei Ecclesiae de optimo [MartHne/Durand besser : opportuno] remedio providere«. 644 Vgl. Koch, Irrtumslisten, 1930, bes. S. 325 mit Anm. 2. 645 Die folgenden Ausführungen werden mit größerer Ausführlichkeit behandelt in Frank Godthardt, The Condemnation of Marsilius of Padua’s Defensor Pacis: Its Preparation, Propaganda Use, and Political Value, in: The Political Use of the Accusation of Heresy, hg. von Thomas Izbicki, Catholic University of America Press (in Vorbereitung).
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scheidenden Stelle von Marsilius’ politischer Theorie ab. Immer da, wo Marsilius im Defensor pacis in größtmöglicher Allgemeinheit vom gläubigen Gesetzgeber spricht, erscheint in der Verurteilungsbulle nur ein einziger Regent: der Kaiser. Damit wurde in Licet iuxta doctrinam Marsilius’ generische politische Theorie und seine provinzialisierte Ekklesiologie zur imperialen politischen Doktrin und cäsaropapistischen Kirchenlehre verbogen. Mit dieser Darstellung in der Verurteilungsbulle konnte die Kurie einem publizistischen und politischen Erfolg des Defensor pacis, vor allem außerhalb des römisch-deutschen Reiches, entgegenwirken. Zum einen verbot sie, das häretische Buch zu lesen und zu kopieren, und zum anderen vermittelte sie, mit der Verbreitung von Licet iuxta doctrinam das Bild einer exklusiv-imperialen Kirchendoktrin des Marsilius in die Bistümer der Christenheit.646 Aufgrund dieses Verbreitungsmonopols und der praktischen Deutungshoheit über den Defensor pacis war der Erfolg dieses Propagandacoups für das öffentliche Bild von Marsilius ungeheuerlich. Fast alle historiographischen und publizistischen Quellen der Zeit, die Marsilius erwähnen und seinen Einfluß auf Ludwig bewerten, orientieren sich allein an dem, was Licet iuxta doctrinam über Marsilius verbreitet hat.647 Nicht gemessen werden kann der Einfluß, den diese Bulle auf die politische Haltung anderer Regenten zu Ludwig dem Bayern und dessen Politik in Italien hatte. Ein Hemmnis für die Entstehung politischer Sympathien war sie ganz sicher. An welcher Stelle bei der Vermittlung der Inhalte des Defensor pacis wurden diese Veränderungen, die sich schließlich in der Verurteilungsbulle zeigen, vorgenommen? Wir können vermutlich vier Schritte der Vermittlung unterscheiden. Zunächst war es Marsilius selbst, der seine Lehren mündlich am Hof Ludwigs des Bayern vortrug und den ersten Vermittlungsschritt ausgehend von seinem Buch vornahm. Die Informanten der Kurie konnten nur das, was sie hörten, verschriftlichen und nach Avignon senden. Von einer eigenen Lektüre des Defensor pacis berichtet die Verurteilungsbulle nichts. Schriftliche Aufzeichnungen der Informanten, die zweite Stufe der Vermittlung der Inhalte des Defensor pacis, sind nicht überliefert. Die erste schriftliche Niederlegung, und damit bereits der dritte Vermittlungsschritt, ist eine von der Kurie erstellte Liste von sechs häresieverdächtigen Artikeln, die mehreren Theologen zur Begutachtung zugestellt wurden.648 Sie ist uns aus einem der Gutachten vollständig 646 Zur Versendung von Licet iuxta doctrinam in zahlreiche Bistümer der Christenheit vgl. Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 32. 647 Eine Ausnahme bildet der zweite Fortsetzer der Chronik des Wilhelm von Nangis, der in der Rede, die er Marsilius vor Ludwig halten läßt, durchaus weitergehende Aussagen aus Marsilius’ Schriften wiedergibt, vgl. oben S. 81. 648 Vgl. zuletzt zu den kurialen Gutachten gegen die inkriminierten Artikel Thomas Turley, The Impact of Marsilius: Papalist Responses to the Defensor pacis, in: Gerson Moreno-RiaÇo
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bekannt. Diese kuriale Liste erschien dann, im vierten Vermittlungsschritt, um einen Vorwurf, der sich unter die anderen subsumieren ließ, vermindert, aber sonst im Grundsatz unverändert in Licet iuxta doctrinam. Auch wenn Marsilius bei seinen mündlichen Darlegungen am Hof Ludwigs des Bayern das für den römisch-deutschen Herrscher besonders wichtige seiner Theorie hervorhob, so ist doch nicht mit einer Verfälschung durch Marsilius selbst zu rechnen. Die Informanten mögen manches Gehörte zugespitzt haben, aber kaum einen Grund gehabt haben, den Inhalt nur verändert weiterzugeben. Erst an der Kurie, bei der Herstellung der Vorlage für die Begutachtungen, gab es den Anlaß und die Gelegenheit, den Inhalt des Defensor pacis so wiederzugeben, daß der Text der Verurteilungsbulle die Verbreitung und den Erfolg des Buches nicht noch befördert, sondern hemmt. Die beanstandeten Sätze werden in der Bulle zunächst einzeln angeführt und ihnen nacheinander die kurialen Anschauungen als Widerlegungen entgegengestellt. Am Ende der Bulle werden die verurteilten Artikel noch einmal zusammenfassend aufgeführt. Der erste Artikel bezieht sich auf die Steuerpflicht der Kirche gegenüber den politischen Gemeinschaften. Dabei ist im weiteren Sinne auch an das Eigentum der politischen Gemeinschaften an den Temporalien der Kirche zu denken und an die Kontrolle, die sie über deren Verwendung ausüben sollen: »Zum ersten erdreisten sich nun diese verwerflichen Männer zu lehren, daß jenes, was man von Christus im Evangelium des seligen Matthäus [Mt 17,27] liest, [nämlich] daß er dem Kaiser Steuer gezahlt habe, als er jenen, die eine Doppeldrachme verlangten, einen aus dem Maul eines Fisches genommenen Staters zu geben hieß, das tat er nicht gnädig aus der Freigiebigkeit seiner Frömmigkeit, sondern durch Notwendigkeit gezwungen.«649
Im zweiten Artikel geht es um Marsilius’ Lehre vom Papsttum als einer nicht von Christus, sondern vom höchsten menschlichen Gesetzgeber eingerichteten Institution: »Zweitens haben diese Söhne des Teufels sich erdreistet zu lehren, daß der selige Apostel Petrus nicht mehr Autorität hatte, als die anderen Apostel hatten. Ferner, daß (Hg.), The World of Marsilius of Padua (Disputatio 5), Turnhout 2006 [erschienen 2007], S. 47 – 64. 649 Rinaldi, ad 1327, § 29, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 323a: »In primis itaque isti viri reprobi dogmatizare praesumunt, quod illud, quod de Christo legitur in Evangelio beati Matthaei [Mt 17,27], quod ipse solvit tributum Caesari, quando staterem, sumptum ex ore piscis, illis qui petebant didrachma jussit dare [MartHne/Durand: dari], hoc fecit non condescensive e liberalitate suae pietatis; sed necessitate coactus.« Übersetzung nach Denzinger, Kompendium, 371991, Nr. 941, S. 398. Vgl. DP II, 4, §§ 10 – 11, ed. Scholz, 1932/33, S. 168 – 172. Vgl. auch oben S. 155.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
Christus der Kirche kein Haupt hinterließ, noch daß er jemanden zu seinem Stellvertreter machte«.650
Der dritte Artikel gibt knapp, aber zutreffend Marsilius Ansicht zur Amtseinsetzung des Papstes durch den Kaiser wieder : »Drittens scheuen sich diese Söhne des Teufels nicht zu behaupten, daß es dem Kaiser zusteht, den Papst einzusetzen und abzusetzen und zu bestrafen.«651
Der vierte Artikel bezieht sich auf die allgemeine Befugnis der gläubigen Gesetzgeber der verschiedenen politischen Gemeinschaften, alle geweihten Geistlichen in ihr sekundäres Amt einzusetzen: »Viertens sagen jene prahlerischen oder vielmehr lügnerischen Männer, daß alle Priester, ob es der Papst sei, ein Erzbischof oder ein beliebiger einfacher Priester, aufgrund der Anordnung Christi von gleicher Autorität und Rechtsvollmacht sind. […] Was aber einer mehr als der andere habe, das entspricht dem, was der Kaiser dem einen oder dem anderen mehr oder weniger gewährt hat; und so, wie er es jemandem gewährt hat, so kann er es auch widerrufen.«652
Der fünfte Artikel bezieht sich auf die Abschaffung der geistlichen Gerichtsbarkeit und auf die Zuständigkeit der politischen Gemeinschaften und ihrer Gerichte auch für alle Geistlichen und deren Angelegenheiten:
650 Rinaldi, ad a. 1327, § 30, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 323b: »Secundo, isti filii Belial, dogmatizare praesumunt, quod beatus Petrus Apostolus non plus auctoritatis habuit, quam alii Apostoli habuerunt, nec aliorum Apostolorum fuit caput. Item quod Christus nullum caput dimisit Ecclesiae, nec aliquem vicarium suum fecit«. Übersetzung nach Denzinger, Kompendium, 371991, Nr. 942, S. 398. Vgl. DP II, 15, §§ 3 – 4, ed. Scholz, 1932/33, S. 327 – 329; DP II, 16, §§ 5, 8, 9, S. 340 – 346; DP II, 22, § 5, S. 423 – 424; DP II, 28, S. 528 – 575. Vgl. oben S. 163 – 166. 651 Rinaldi, ad a. 1327, § 31, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 324b: »Tertio isti filii Belial asserere non verentur, quod ad imperatorem spectat, papam instituere et destituere ac punire«. Übersetzung nach Denzinger, Kompendium, 371991, Nr. 943, S. 398. Vgl. zum Recht des Gesetzgebers, alle Priester so wie auch Laien zu bestrafen und zurechtzuweisen, DP II, 8, §§ 7, 9, ed. Scholz, 1932/33, S. 225 – 231; zur Einsetzung des Papstes DP II, 21, § 5, S. 407 – 409; zu institutio, corrigere, punire und deponere des Papstes DP II, 22, § 11, S. 430; DP III, 2, § 41, S. 611. Vgl. oben den ganzen Abschnitt über »Kaiser und Papst«. 652 Rinaldi, ad a. 1327, § 32, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 326a: »Quarto dicunt isti vaniloqui, imo falsiloqui quod omnes sacerdotes, sive sit papa, sive archiepiscopus, sive sacerdos simplex, sunt ex institutione Christi auctoritatis et juridictionis aequalis. […] Quod autem unus plus alio habeat, hoc est secundum quod imperator concedit uni vel alii plus vel minus: et sicut concessit alicui, sic potest illud etiam revocare.« Übersetzung nach Denzinger, Kompendium, 371991, Nr. 944, S. 398 – 399. Vgl. DP II, 15, § 4, ed. Scholz, 1932/33, S. 328 – 329; DP II, 16, § 5, S. 340 – 342; DP III, 2, § 17, S. 606. Vgl. oben den ganzen Abschnitt über »Die gläubigen Gesetzgeber und die Priesterschaft«.
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Ludwigs Königskrönung in Mailand
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»Fünftens sagen jene gotteslästerlichen Männer zudem, daß die ganze Kirche zusammengenommen keinen Menschen mit zwangsweiser Bestrafung bestrafen kann, außer wenn der Kaiser dies zugesteht«.653
Diese Auswahl an lediglich fünf Irrtümern muß vor dem Hintergrund einer späteren Untersuchung des Defensor pacis während des Pontifikats Benedikts XII. durch Kardinal Pierre Roger, den späteren Papst Clemens VI., gesehen werden, durch die mehr als 240 Irrlehren im Defensor pacis festgestellt wurden.654 Die fünf hier verurteilten Irrlehren beziehen sich ausschließlich auf das Verhältnis von geistlicher und weltlicher Macht und auf die Hierarchie innerhalb der Kirche.655 Es wird sich zeigen, daß die Auswahl der verurteilten Irrlehren insofern treffend war, als jeder dieser fünf häretischen Grundsätze, wenn auch in ganz unterschiedlicher Ausprägung, im Laufe des Romzugs unter der persönlichen Beteiligung des Marsilius von Padua von Ludwig dem Bayern in der Praxis verwirklicht wurde.
5.3
Ludwigs Königskrönung in Mailand
Von Trient zog Ludwig der Bayer über Como, wohin ihm seine Gemahlin Margarete aus Bayern nachgefolgt war, nach Mailand. Am Pfingstsonntag, dem 31. Mai 1327, wurde Ludwig in Mailand mit der Eisernen Krone der Lombardei gekrönt. Die Krönung wurde jedoch nicht vom Erzbischof von Mailand vorgenommen, der der traditionelle Koronator war. Der papsttreue Erzbischof Aicardo da Camodeia hatte Mailand bereits vor Jahren verlassen, das wegen seines exkommunizierten Herrschers Matteo Visconti unter dem päpstlichen Interdikts lag. Ludwig der Bayer ließ sich daher von den vom Papst abgesetzten 653 Rinaldi, ad a. 1327, § 33, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 327b: »Quinto adhuc isti blasphemi dicunt, quod tota Ecclesia simul juncta nullum hominem punire potest punitione coactiva, nisi concedat hoc imperator«. Übersetzung nach Denzinger, Kompendium, 371991, Nr. 945, S. 399. Vgl. DP II, 5, §§ 4 – 6, ed. Scholz, 1932/33, S. 182 – 192; DP III, 2, §§ 7, 14 – 16, 18, 30, S. 604 – 608; auch DP I, 19, § 12, S. 135 – 136. Vgl. auch oben S. 155 f. 654 Papst Clemens VI. sagte am 10. April 1343 im Konsistorium über Ludwig den Bayer: »Fuit etiam condempnatus de fautoria hereticorum. Ipse enim Marsilium de Padu et Johannem de Janduno heresiarchas et de heresi condempnatos sustinuit et secum tenuit usque ad mortem eorum; et audemus dicere quod vix nunquam legimus peiorem hereticum illo Marsilio. Unde de mandato Benedicti predessoris nostri de quodam eius libello plus quam ducentos et quadraginta articulos hereticales extraximus«, Offler, Political »Collatio«, 1955, S. 130 – 144, hier Z. 174 – 180, S. 136. 655 Otto, Marsilius von Padua, 1925, S. 207 – 208, weist darauf hin, daß die interessanten Kapitel Dictio II, Kapitel 23, 24 und 26, »das Kernstück des ganzen Defensor« (S. 207), der Verurteilungsliste nicht zugrunde lagen. Otto bewertet dies als Beleg für seine These, daß diese Abschnitte des Defensor pacis erst bei einer 1327 vorgenommenen Überarbeitung, die Otto annimmt, verfaßt wurden.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
Bischöfen von Arezzo und von Brescia krönen.656 Mit dieser Krönung in Mailand demonstrierte Ludwig seine königliche Herrschaft über Reichsitalien, aber auch den Besitz der kaiserlichen Amtsgewalt und den Anspruch auf die kaiserliche Würde. Das wird auch in vielen historiographischen Quellen deutlich gemacht. Galvano Fiamma und die Storie Pistoresi heben hervor, daß die Krönung mit der Eisernen Krone ein Privileg der Kaiser war, auch wenn Ludwig diese Krönung, nach der Meinung von Galvano Fiamma, nicht rechtmäßig erhalten habe.657 Mussato erwähnt bei seiner Schilderung von Ludwigs Aufenthalt in Mailand die Krönung mit keinem Wort, nennt sie aber doch im Resümee am Ende seines Werks als eines der Argumente, die dafür sprechen könnten, Ludwig als rechtmäßigen Kaiser anzusehen.658 Wie wichtig die Mailänder Krönung genommen wurde, zeigt sich auch daran, daß mehrere deutsche Chronisten trotz mangelhafter Kenntnisse einen Bericht über sie geben wollten.659 656 Villani, Buch 11, Kap. 19, Z. 1 – 15, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 542 – 543: »E poi a d' XXXI di maggio, anni di Cristo MCCCXXVII, il d' della Pentecosta, quasi all’ora di nona, si fece coronare in Milano il detto Bavero della corona del ferro nella chiesa di Santo Ambruogio per mano di Guido de’ Tarlati disposto vescovo d’Arezzo, e per mano di … di quegli di casa Maggio disposto vescovo di Brescia, e scomunicati; e gi/ l’arcivescovo di Milano, a cui pertenea la coronazione, non vi volle essere in Milano. E a la detta coronazione fu messer Cane signore di Verona con VIIC cavalieri, e’ marchesi da Este ribelli della Chiesa con IIIC cavalieri, e ’l figliuolo di messere Passerino signore di Mantova con IIIC cavalieri, e piF altri caporali di parte d’imperio e Ghibellini di Italia vi furono; ma perk piccola festa v’ebbe.« – Gullielmus Cortusius, lib. III, cap. 10, ed. Pagnin, 1941 – 1975, S. 48, Z. 19 – 22: »[…] Ludovicus die XIV Martii Tridento tetendit Mediolanum, ubi coronatus fuit corona ferrea per episcopum Aretinum et episcopum Brixiensem, rebelles Ecclesie. Ad hoc spectaculum convenerunt omnes rebelles Ecclesie, inter quos dominus Canis cum mille militibus interfuit honorifice. Fuit coronatus eodem anno, die ultimo Madii.« – Vgl. zur Krönung August Kroener, Wahl und Krönung der deutschen Kaiser und Könige in Italien (Lombardei), Diss. phil. Freiburg (Br.) 1901, bes. S. 82 – 85. 657 Galvano Fiamma, Manipulus Florum, cap. 365, in: RIS, Bd. 11, 1727, Sp. 731B-C: »Postea Mediolanum cum Regina die Dominico XVII Maji ingreditur. Venit et Canis de la Scala cum D militibus. Recipitur autem Ludovicus a Secularibus, et baldachinum more Imperatorum super caput portatur; sicque ad Palatium Communitatis adducitur. Hi petiit Corona Ferrea coronari. Quia vero Frater Aycardus Archiepiscopus Mediolanensis, ad quem coronatio Imperatoris de jure pertinebat, exulabat, per … quondam Episcopum Aretinum in Festo Pentecostes sequenti, quae fuit die ultimo Maji, Corona Ferrea coronatur in Regem totius Italiae, Normandiae, et Saxoniae. Regina vero Corona Aurea coronata fuit. Sicque Episcopus depositus Imperatorem depositum injuste perunxit. Fueruntque donati ei pro coronatione sua L M florenorum auri.« – Storie Pistoresi, cap. 65, ed. Barbi, 1907 – 1927, S. 112, Z. 27 – 29: »[…] e condussonlo a Melano, dove lo feciono coronare della corona del ferro, secondo l’usanza praticata per li altri imperadori.« 658 Mussato, ed. Böhmer, 1843, S. 188: »Rursusque et ipsum strenuo animo Alpes transisse, Mediolani coronam ferream suscepisse«. 659 Johann von Viktring, Buch 5, Kap. 7, Rec. A, ed. Schneider, Bd. 2, 1910, S. 93, Z. 10 – 11: »Et veniens Veronam, Mediolanum reliquasque imperii civitates honorifice suscipitur«; ebenda, Buch V, Kap. 7, Rec. B. D. A2, S. 132, Z. 9 – 11: »Venit autem Veronam, deinde Mediolanum; ubi in die sancto pentecostes corona ferrea coronatur.« Die Angabe Veronas
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Ludwigs Königskrönung in Mailand
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Die Bedeutung der Mailänder Krönung für das Kaisertum stellt besonders Heinrich von Herford heraus, auch wenn sein Bericht hinsichtlich des Krönungsorts und des Koronators fehlerhaft ist: »Auch wurde König Ludwig in diesem Jahr in Monza gekrönt. Freilich bereitete Ludwig den Übergang und den Marsch nach Italien vor, nachdem er Friedrich besiegt hatte und ihm allein das Königtum zugefallen war. Dort angekommen, wurde er von Giovanni Visconti, dem Erzbischof von Mailand, in Monza auf das Freudigste mit großer Würde zum König der Langobarden (Lombardi) gekrönt, gemäß dem Statut Karls des Großen, das von dessen Zeiten seitdem immer unverletzt beachtet wurde.«
Nachdem Karl der Große nämlich den letzten Langobardenkönig Desiderius besiegt hatte und ihm dessen Reich nach Eroberungsrecht zugefallen war, verband und vereinte er, der der Abstammung nach Deutscher war, »das ehemalige Reich der Langobarden, das aber von nun an seines war, mit dem Reich der Deutschen, und danach, als er Kaiser der Römer war, beide Reiche mit dem Reich der Römer.«660 ist irrtümlich. – Johann von Winterthur, ed. Baethgen, 1924, S. 85, Z. 18 – S. 86, Z. 2: »[Ludwicus] eodem anno in civitate Chumis corona ferrea coronatus est. Postea potencia sua roborata et augmentata venit Mediolanum«. – Matthias von Neuenburg, Kap. 52a, Rec. WAU, ed. Hofmeister, 1924 – 1940, S. 367, Z. 22 – 25: »Fuit autem Ludowicus Medyolani in ecclesia sancti Ambrosii a Iohanne archiepiscopo Medyolanensi in festo penthecostes cum Margareta uxore sua anno regni sui XIII corona ferrea coronatus.« – Heinrich Taube, ed. Bresslau, 1922, Reges. Ludovicus IV, S. 37, Z. 10 – 11: »[…] venit Medyolanum, ubi honorifice susceptus est et coronatus secunda corona argentea.« In der Papstchronik wird die Mailänder Krönung nicht erwähnt. – Chronica Ludovici imperatoris quarti, ed. Leidinger, 1918, S. 129, Z. 27 – S. 130, Z. 6: »Insuper et coronatus est in Mediolano corona ferrea et hoc in multa gloria, quia, sicut ferrum domat cetera metalla, sic ipse tenetur sua potencia domare et corrigere, dissipare, evellere et destruere ceteros reges et alios, qui sunt contrarii fidei christiane et nolentes legibus subiacere, quia potestas a Deo.« Die Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 1, 1987, Kap. 14, S. 168: »Hier ließ er sich mit der eisernen Krone ruhmvoll krönen, denn wie das Eisen die übrigen Metalle besiegt, so erwartet man, daß der Gekrönte durch seine Macht die übrigen Könige und alle anderen, die der christlichen Lehre feind sind und sich dem Gesetz nicht beugen, besiege und zurechtweise, zerstreue, ausmerze und vernichte, denn seine Gewalt ist von Gott.« 660 Heinrich von Herford, ed. Potthast, 1859, S. 245: »Item hoc anno Lodewicus rex apud Modoeciam coronatur. Sane Lodewicus, victo Friderico et ad se solum regno devoluto, transitionem et expeditionem in Ytaliam meditatur. Quo veniens, per Johannem de Vicecomitibus archiepiscopum Mediolanensem apud Modoeciam in regem Lombardorum jocundissime cum fastu magno coronatur, secundum statutum Karoli Magni, quod a temporibus ejus in antea semper fuit inviolabiliter observatum. Siquidem ecclesia Romana per reges Lombardorum a temporibus multis jam in totum desolata et in temporalibus ad solum et in nichilum quasi redacta, Karolus Magnus, natione Germanus, ut semper erat pius et misericors, Ytalicam potenti manu subintrans – quod potuit, quia fuit rex Francorum – ultimum regem Lombardorum Desiderium obsidionibus multis et preliis asperrimis plurimis tandem vicit et interfecit, regnum Lombardorum totum ad se rapiens et jure belli sibi vendicans, omnia vero et singula, que ad ecclesiam Romanam donatione vel approbatione principum Romanorum diversorum pertinuisse videbantur, devote restituit eidem, insuper et ut alter Constantinus omnia de novo donavit, privilegia quoque singula
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
Ludwig selbst äußerte sich über die Mailänder Krönung in einem weiteren Brief an Wilhelm von Holland, in dem er die Festlichkeit der Krönung, die mit den vorgeschriebenen und gewohnten Feierlichkeiten (solemnitatibus debitis et consuetis) begangen worden sei, und die Teilnahme der Großen, die ihm den Treueid geschworen hätten, betonte.661 Ludwigs Festhalten am Hergebrachten und an den Vorschriften zum Krönungsablauf sollten auch bei seiner Kaiserkrönung in Rom eine große Rolle spielen. Nach der Mailänder Krönung hielt Ludwig eine große Versammlung mit seinen italienischen Verbündeten ab, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Sie beschlossen, daß Ludwig mit seinen italienischen Verbündetennach Rom ziehen würden, wo Ludwig sich in St. Peter mit der Kaiserkrone krönen lassen würde.662
5.4
Marsilius als Verwalter des Erzbistums Mailand
Während seines längeren, bis Mitte August andauernden Aufenthalts in Mailand nutzte Ludwig der Bayer den verwaisten Zustand der Erzdiözese, um einige bemerkenswerte kirchliche Neuerungen einzuführen. Dabei lassen sich einige der Grundsätze, nach denen Ludwig die Verwaltung des Mailänder Erzbistums ordnete, auf die kirchenpolitischen Lehren des Marsilius zurückführen. Zudem sincere renovavit, nova multa superaddens, quecumque visa fuissent oportuna, regnum autem quondam Lombardorum, sed nunc jam suum, regno Theutonicorum, et post, cum imperator Romanorum esset, utrumque regnum regno Romanorum conjungens et uniens.« 661 MGH Const. VI/1, Nr. 310, S. 219 – 220, hier S. 220, Z. 1 – 7: »Nam coronationem nostram in die Pentecostes nunc preterito Mediolani cum multa festivitate peregimus et celebravimus exhibitis omnibus solemnitatibus debitis et consuetis. In qua nobis adstiterunt multi principes seculares et ecclesiastici necnon comites, barones ac universi nobiles totius Italie et Tuscie et aliarum provinciarum et multarum terrarum et civitatum solemnes ambassiatores, qui nobis multas honorantias tempore dicte coronationis nostre impenderunt, homagia fidelitatis prestiterunt, sua et se reddiderunt nostris monitis et voluntati semper benevolos et paratos.« Wilhelm von Egmond, ed. Hordijk, 1904, S. 192 – 193. Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 939, S. 56. Vgl. Matthias, Beiträge, 1908, S. 19, Anm. 2. 662 Storie Pistoresi, cap. 65, ed. Barbi, 1907 – 1927, S. 112, Z. 31 – S. 113, Z. 6: »E apresso fece raunare a parlamento tutti li signori di Lombardia e di Toscana li quali allora erani con lui, e domandk consiglio del modo che avea a tenere a ’ndare a Roma a orendere la corona dell’oro in San Piero: nel quale parlamento fue consigliato, ch’elli andasse a Roma senza indugio a coronarsi, perk che presa la corona sarebbe piF e meglio ubidito da ogni persona; e ordinarono che lo vescovo d’Arezzo e Castruccio e li altri signori toscani che v’erano tornasse ciascuno a casa sua, e fornissesi ciascuno di gente come piF potesse per accompagnare lo ’mperadore quando andasse a Roma; e similemente ordinarono quanta gente li dovesse dare ciascuno signore di Lombardia alla sua compagnia quando andasse alla detta sua coronazione.« – Villani, Buch 11, Kap. 33, Z. 7 – 12, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 559: »Per la qual cosa il detto Bavero ordink di fare uno parlamento generale a uno castello di bresciana che si chiama Lirorci [=Orzinuovi?], e fece sommuovere e richiedere tutti i corporali di parte d’imperio di Lombardia e di Toscana a detto parlamento«.
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Marsilius als Verwalter des Erzbistums Mailand
215
ernannte Ludwig, wie der Forschung durch Alberto Cadili jüngst bekannt wurde, schließlich Marsilius selbst zu einem der Amtsträger in der neugeordneten Erzdiözese.663 Mit einem bemerkenswerten Erlaß vom 4. Juli 1327 enthob Ludwig aufgrund seiner Autorität als verus gubernator et rector des Heiligen Römischen Reiches zunächst den amtierenden, aber abwesenden Erzbischof Aicardo seines Amtes, mit der Begründung, daß dieser ein Feind des Kaiserreiches sei.664 Dies ist der erste Nachweis für eine Bischofsabsetzung, die Ludwig der Bayer vornahm. Die aufgeführte Begründung, das weitere kirchenpolitische Handeln Ludwigs und die Rolle, die Ludwig bereits in Mailand Marsilius zugestand, läßt es wahrscheinlich erscheinen, daß Ludwig hier Marsilius’ Grundsatz von dem Recht der Regierung einer politischen Gemeinschaft, Geistliche ihres »abtrennbaren« Amtes zu entheben, in die Praxis umsetzte.665 Jedoch setzte Ludwig, aus Gründen, die nicht zutage treten, keinen neuen Erzbischof ein. Stattdessen machte er in demselben Erlaß Giovanni Visconti, einen Mailänder Geistlichen, zum iudex ordinarius, ein Amt, das die Mailänder Erzdiözese bis dahin nicht kannte. Dieses Amt sollte alle jurisdiktionellen Rechte umfassen, die ein Erzbischof oder Generalvikar hatte. Giovanni Visconti war damit eine Art Administrator oder Verweser des vakanten Erzbistums. Die Natur dieser Amtseinsetzung stellte Ludwig der Bayer noch dadurch heraus, daß er den Amtsinhaber von seiner Autorität und seinem Wohlgefallen abhängig erklärte.666 Damit war Giovanni Visconti aus der kirchlichen Hierarchie ausgenommen.667 Seine Aufgabe als Richter der Geistlichkeit sollte jedoch, so lautet eine weitere bemerkenswerte Bestimmung, nur in enger Zusammenarbeit mit den weltlichen Richtern ausgeübt werden.668 König Ludwigs Bestimmungen zeigen nicht nur den Anspruch auf Eingriffe in kirchliche Angelegenheiten, sondern lassen auch erkennen, worin dieser Anspruch besteht. Ludwig hat insbesondere die Rechtsprechung von Geistlichen über Geistliche geregelt. Der Geistliche, der 663 Die Kenntnis über eine bedeutende, bisher unbekannte archivalische Quelle zu Marsilius’ Rolle in Mailand und weitere Einsichten zur Kirchengeschichte des Erzbistums in den Jahren von Ludwigs Romzug verdankt die Forschung Alberto Cadili, Marsilio da Padova amministratore della Chiesa ambrosiana, in: Pensiero politico medievale 3/4 (2005/2006), S. 193 – 225, an dem die weitere Darstellung sich orientiert. 664 MGH Const. VI/1, Nr. 312, S. 222 – 224, hier § 1, S. 223, Z. 6 – 11: »Ne igitur pro defectu pastoris seu archiepiscopi ecclesie Mediolanensis, qui eandem ecclesiam propria temeritate, videlicet non recognoscendo ius nostrum et sacri Romani imperii, cuius tamen nos sumus verus gubernator et rector, constituens se nostrum et dicti Romani imperii hostem publicum et rebelllem tanquam repudiatam demisit, et multo tempore ipsi debite consolationis et refrigerii umbram subtraxit«. Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 941, S. 56. 665 Vgl. oben S. 147 – 154. 666 MGH Const. VI/1, Nr. 312, § 1, S. 223, Z. 12 – 22; vgl. Eubel, Gegenpapst, 1891, S. 295; ders., Hierarchia catholica, 21913, S. 17, Anm. 4. 667 Cadili, Marsilio da Padova, 2005/2006, S. 199. 668 MGH Const. VI/1, Nr. 312, § 1, S. 223, Z. 23 – 34.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
mit dem Amt eines geistlichen Richters betraut wurde, erhält dieses Amt aufgrund einer Einsetzung durch den Regenten der politischen Gemeinschaft. Seine Rechtsprechung sollte zudem aber auch auf die Zusammenarbeit mit weltlichen Richtern angewiesen sein. Auf Amtseinsetzungen im seelsorgerischen Bereich hat Ludwig in diesem Erlaß allerdings verzichtet. Die Parallelen zu Marsilius’ Lehren von der Verantwortung des Regenten einer politischen Gemeinschaft für die »sekundäre« Einsetzung von Geistlichen und von der originär weltlichen Gerichtsbarkeit über Geistliche sind so auffällig,669 daß man in diesem Erlaß einen Einfluß seiner politischen Theorie erkennen kann. Allerdings hatte Ludwigs Bündnis mit den Visconti von Mailand keine lange Dauer. Der Bruch mit den Visconti verlief unter nicht ganz geklärten Umständen. Ludwig ließ den Stadtherrn Galeazzo Visconti und seine Brüder, den bereits erwähnten Giovanni, der von Ludwig zum iudex ordinarius eingesetzt worden war, und einen anderen, Luchino, wegen Verschwörung festnehmen und setzte als Stadtherrn und Reichsvikar für die Lombardei Graf Wilhelm von Montfort ein.670 Wer in der unmittelbar darauffolgenden Zeit die Aufsicht über die Kleriker des Erzbistums geführt hat, ist nicht bekannt. Spätestens vom 17. August an scheint Giacomo Visconti die Verwaltung des Erzbistums innegehabt zu haben, jedoch weist ein Dokument ihn bereits am 10. November 1327 wieder nur als einfachen Kanoniker aus.671 Ein bedeutender Quellenfund von Alberto Cadili im Archivio dell’Ospedale Maggiore in Mailand erweitert nicht nur das Wissen über die weitere Entwicklung in der Erzdiözese Mailand, sondern präzisiert auch das Bild von Ludwigs Kirchenpolitik und Marsilius’ Rolle darin.672 Es handelt sich dabei um einen Urteilsspruch des Gerichts der Erzdiözese vom 30. Januar 1329, in dem alle Akten, die während des Prozesses entstanden sind, zitiert werden, beginnend mit dem Jahr 1327.673 Im Jahr 1327 hat sich der Maestro des Ospedale Nuovo di Milano mit drei Laien im Streit um eine Decima befunden. An einem unbekannten Datum nach dem 14. September 1327 hat der Prokurator der drei Laien deren Klageschriften bei Bonolo da Rho, dem Vikar des Administrators der Erzdiözese, nämlich Magister Marsilius von Padua, eingereicht:
669 Vgl. oben S. 155 f. und als Thesen DP III, 2, §§ 14 – 15, ed. Scholz, 1932/33, S. 605, Z. 24 – S. 606, Z. 3. 670 Vgl. Pauler, Könige, 1997, S. 149. 671 Cadili, Marsilio da Padova, 2005/2006, S. 200. 672 Zum Zeitunkt der Einreichung meiner Dissertationsschrift hatte ich noch keine Kenntnis von Cadilis aufregendem Quellenfund. Einige Annahmen konnten dadurch nachdrücklich bestärkt werden, wie etwa zur vicarus in spiritualibus-Legende und der allgemeinen Einschätzung von Marsilius’ Rolle in Ludwigs Kirchenpolitik. 673 Archivio dell’Ospedale Maggiore di Milano, Origine e dotazione, Aggregazione, Ospedale Nuovo, cart. 7, Liti (30. Januar 1329), vgl. Cadili, Marsilio da Padova, 2005/06, S. 201 mit Anm. 36.
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Marsilius als Verwalter des Erzbistums Mailand
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»[…] coram domino Bonolo de Raude, iudice et vicario venerabilis viri domini magistri Marsilii de Padua, iudicis clericorum et administratoris archiepiscopatus Mediolani in temporalibus pro regia maiestate«.674
Marsilius scheint eine ganz ähnliche Stellung eingenommen zu haben wie vor ihm Giovanni Visconti. Eine Ernennungsurkunde wie die vom 4. Juli 1327 ist jedoch nicht überliefert, so daß wir nichts über die einzelnen Bestimmungen der Amtseinsetzungen erfahren können. Die Gerichtsakte nennt Marsilius einen iudex clericorum, etwas abweichend von Giovanni Visconti, der als iudex ordinarius tituliert wird. Marsilius übte ein Amt aus, das die höchste Rechtsprechung über die Geistlichen der Erzdiözese umfaßte und damit den Aufgaben des Giovanni Visconti wohl ungefähr entsprach. Im Unterschied zu diesem ist Marsilius ein weiteres Amt übertragen worden, das der Vakanz des Erzbistums auch in der Bezeichnung voll Rechnung trug. Marsilius war auch dem Titel nach der Administrator, der Verweser des Erzbistums. Allerdings mit der Einschränkung, daß sich seine Gewalt als administrator in temporalibus allein auf die Temporalien, die Güter und Benefizien, des Erzbistums erstrecken sollte. Für die liturgischen und sakralen Aufgaben des Erzbischofs, für die Spiritualien, war Marsilius nicht zuständig.675 Das unterscheidet ihn von seinem Nachfolger, wiederum Giovanni Visconti, der nach seiner Rückkehr nach Mailand, vermutlich am 10. Februar 1329, als administrator in spiritualibus et in temporalibus des Erzbistums amtierte.676 Ob 1327 an Marsilius’ Seite auch ein administrator in spiritualibus ernannt wurde, ist nicht bekannt. Die Gerichtsakte vom 30. Januar 1329 enthält noch einen interessanten Zusatz zu den Amtsbezeichnungen des Marsilius: Der zu Amt, Macht und Würden gekommene Pariser Philosoph übte seine Ämter pro regia maiestate aus, in Statthaltung der königlichen Gewalt. Mit der Amtseinsetzung des Marsilius scheint eine neue Auffassung von diesen eigentlich kirchlichen Ämtern und Aufgaben einhergegangen zu sein. Die politische Aussage in diesem Zusatz zu Marsilius’ Titel ist weitreichend: Diese Ämter und Aufgaben dürfen nicht nur vom Regenten besetzt werden, sondern gehören vielmehr sogar zur königlichen Prärogative, zum weltlichen Herrschaftsauftrag. Tatsächlich findet sich im Defensor pacis nicht nur die Rechtsprechung über Geistliche als Aufgabe der weltlichen Gewalt, sondern auch die Verfügung über die Benefizien und Güter der Kirche als Aufgabe der politischen Gemeinschaft.677 Mit diesen Ämtern hat Marsilius einen 674 Archivio dell’Ospedale Maggiore di Milano, Origine e dotazione, Aggregazione, Ospedale Nuovo, cart. 7, Liti (die vorhergehenden Akten wurden ohne Datum in das Urteil inseriert), zitiert nach Cadili, Marsilio da Padova, 2005/06, S. 201 mit Anm. 37. 675 Cadili, Marsilio da Padova, 2005/06, S. 202, vermutet, nicht ganz befriedigend, als Grund dafür, daß Marsilius noch keine Bischofsweihe besaß. 676 Cadili, Marsilio da Padova, 2005/06, S. 203 – 204. 677 Vgl. oben S. 155. Mit dieser Amtseinsetzung des Marsilius wurden gleich drei der fünf in
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
ersten Höhepunkt an Einfluß auf Ludwig den Bayern, auf dessen politisches Handeln und die diesem zugrundeliegende politische Auffassung erreicht. Zudem zeigt sich bereits in Mailand Marsilius’ Streben nach Ämtern und praktisch-politischer Macht, dem auch Erfolg beschieden war. Der Nachricht eines Mailänder Chronisten, des Dominikaners Galvaneo Fiamma, zufolge, soll Marsilius ein noch höheres Amt erhalten haben. Galvano Fiamma vermeldet in seinem Manipulus florum: »Dieser [Papst Nikolaus V.] machte zum Erzbischof von Mailand einen gewissen Marsilius aus Padua und ernannte viele Bischöfe in anderen Städten.678 Ausgeübt hat Marsilius das Amt eines Erzbischofs von Mailand ganz sicher nicht.679 Allem Anschein nach handelt es sich um eine terminologische Ungenauigkeit des Chronisten, die darauf beruht, daß Marsilius als Verweser des Erzbistums die Funktionen eines Erzbischofs ausgeübt hat.680 Ein weiterer, aber vor dem Hintergrund der Bischofsernennungen, die der Gegenpapst aussprach, konsequenter Irrtum besteht darin, daß Galvaneo Fiamma den Gegenpapst als denjenigen nennt, der Marsilius das Amt eines Erzbischofs übertragen haben soll. Diese ungenaue Quellennotiz kann daher im besten Fall als ein Beispiel für die Wahrnehmung der wichtigen Funktion, die Marsilius von Padua in der Erzdiözese Mailand ausübte, gelten.681
678 679
680 681
Licet iuxta doctrinam verketzerten Lehren in die Praxis umgesetzt, nämlich die erste, vierte und fünfte, vgl. oben S. 209 ff. Allerdings ist in der Gerichtsakte von der königlichen, nicht der kaiserlichen Majestät die Rede. Galvano Fiamma, Manipulus Florum, cap. 366, in: RIS, Bd. 11, 1727, Sp. 732B: »Hic [Nicolaus V.] dedit in Archiepiscopum Mediolanensem quemdam Marsilium Paduanum, multosque Episopos in aliis Civitatibus fecit.« Allerdings hat ein Teil der älteren Forschung (Riezler, Widersacher, 1874, S. 55 mit Anm. 2; ders., Art. Marsilius von Padua, 1884, S. 444; Otto, Politik, 1911, S. 178, Anm. 4; Eubel, Hierarchia catholica, 21913, S. 332, Anm. 7) den Quellenbericht insofern ernst genommen, als zumindest der Akt der Ernennung zum Erzbischof für möglich gehalten wurde, wenngleich diese Ernennung nie zu einer tatsächlichen Amtsausübung geführt hat, da das kaiserliche Gefolge nach dem Romaufenthalt nicht mehr nach Mailand gekommen ist. Die von Kaiser Ludwig im Januar 1329 wieder in ihre angestammten Positionen eingesetzten Visconti haben schon im Monat darauf zur päpstlichen Partei gewechselt. Die von Ludwig daraufhin angeordnete, über mehrere Monate andauernde Belagerung Mailands hat zu keinem Erfolg der kaiserlichen Truppen geführt. An früherer Stelle (Godthardt, Philosopher, 2006, S. 44 – 46), noch ohne Kenntnis von Cadilis Entdeckung, habe ich es ebenfalls für denkbar gehalten, daß Marsilius in der Zeit zwischen Mai 1328 und Januar 1329 diesen – wenn auch in der Praxis wirkungslosen – Vertrauensbeweis des Gegenpapstes erhalten hat. Die von Teilen der älteren Forschung gegen diese Ernennung angeführten Argumente hatten sich als irrig herausgestellt, und andere Überlegungen ließen es glaubwürdig erscheinen, daß Marsilius in Mailand ein kirchliches Amt angestrebt und erhalten hatte. Schon Chroust, Romfahrt, 1887, S. 82, Anm. 2, hat vermutet, daß Marsilius bereits 1327, als Ludwig in Mailand gekrönt wurde, zum »Verweser des Erzbistums« ernannt worden war. Dabei hat der Dominikaner Galvano Fiamma auch an dem Inquisitionstribunal in Bologna gegen die Anhänger Ludwigs des Bayern mitgewirkt, nämlich bei der Befragung von Zeuge 7 am 31. Januar 1330, Bock, Studien, 1935/36, S. 70 – 71, vgl. Volker Hunecke, Die kirchenpolitischen Exkurse in den Chroniken des Galvaneus Flamma O.P. (1280 – ca. 1344).
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Marsilius als Verwalter des Erzbistums Mailand
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Über Marsilius’ propagandistisches Wirken in Mailand, aber nicht über die ihm übertragenen Ämter, erfahren wir etwas aus der Unterwerfungserklärung, die die Mailänder dem Papst durch Gesandte am 2. Juni 1331 unterbreiteten. Bereits Anfang 1329 hatten sich die Mailänder unter der Führung von Azzo Visconti gegen den aus Rom zurückkehrenden Ludwig gestellt. Eine Belagerung der Stadt durch Ludwig von Mai bis Juni 1329 blieb erfolglos und konnte den Parteiwechsel der Mailänder nicht mehr rückgängig machen. Da wegen ihrer früheren Parteinahme für Ludwig das Interdikt auf der Stadt lastete, war eine förmliche Unterwerfung vor der Wiederaufnahme in die Kirche nötig. Die Mailänder sagten sich in ihrer Erklärung von Ludwig und dem Gegenpapst los und nahmen auch mehrmals zu ihrem Verhältnis zu dem Häretiker Marsilius von Padua Stellung.682 Im sechsten Artikel des Bekenntnisses reinigen sich die Mailänder von dem Verdacht, den Häresien des Marsilius angehangen zu haben und erklären, daß sie sich die Irrlehren des Marsilius oder der anderen, hier namentlich nicht genannten Häretiker, niemals zu eigen gemacht hätten.683 Galeazzo Visconti hätte 1327 Ludwig, dessen Heer und den Ketzer Marsilius nur gezwungen durch deren Übermacht in die Stadt gelassen, entschuldigen sich die Mailänder im zehnten Artikel.684 Im zwölften Artikel heißt es: »Er [Ludwig] hat sogar angeordnet, daß vieles und verkehrtes, falsches und gottloses gegen Eure Heiligkeit und viele Irrtümer sowohl durch den genannten Marsilius als auch durch viele andere zu verschiedenen Zeiten verkündet und verleumderische Schriften (libelli) verfaßt, bekannt gemacht und in der Öffentlichkeit in der Stadt und Diözese ausgehängt wurden.«685
682
683 684
685
Einleitung und Edition, in: DA 25 (1969), S. 111 – 208, hier S. 115. Zu dem Inquisitionstribunal und den Zeugenaussagen zu Marsilius vgl. unten S. 412 f. Eine Paraphrase der gesamten Erklärung in italienischer Sprache bei Biscaro, Le relazioni, 1919, S. 198 – 204; ein kurzer Auszug bei Rinaldi, ad a. 1332, § 14 – 16, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 494b-496a (allerdings mit irrtümlicher Zuordnung zum Jahr 1332), vgl. Erdmann, Vatikanische Analekten, 1932, Nr. 62, S. 27 mit Anm. 60 – 61. Nur eine knappe Inhaltsangabe des Schreibens bei Riezler, Widersacher, 1874, S. 47 mit Anm. 1, und Valois, Jean de Jandun, 1906, S. 591 mit Anm. 5. Biscaro, Le relazioni, 1919, S. 198: »[…] clero, popolo, e communt/ hanno sempre in tutti i tempi professata la fede cattolica e creduto in uno sola Chiesa, santa ed apostolica, e non hanno fatto mai propri gli errori di Marsilio da Padova o di altri eretici«. Biscaro, Le relazioni, 1919, S. 199: »Geleazzo [Visconti], alla morte della padre, […] dubitando fortemente di non potere resistere a colore che ponevano ogni sforzo per giungere alla sua espulsione dal dominio, introdusse a Milano il Bavero seguito da un grosso esercito di cavalieri e di fanti, e dall’eretico Marsilio«. Rinaldi, ad a. 1332, § 15, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 495b: »Quinimo multa et mendosa, falsa et nefanda contra sanctitatem vestram, multaque erronea tam per dictum Marsilium quam plures alios diversis temporibus praedicari, et libellos diffamatorios conscribi, divulgari et in publico appendi in civitate et dioecesi praedictis mandavit.« Vgl. Biscaro, Le relazioni, 1919, S. 200.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
Marsilius hat demnach in Mailand nun auch schriftlich und im großen Umfang seine Lehren verbreitet. Dafür scheint er seine Stellung als Administrator des Erzbistums, die in der Unterwerfungserklärung der Mailänder an keiner Stelle erwähnt wird, für die wirkungsvolle Distribution seiner Schriften genutzt zu haben. Bei diesen libelli ist wohl an »Flugblätter« und kürzere Propagandaschriften zu denken.686 Vielleicht läßt sich bei den Schriften, die in Mailand erst verfaßt wurden und weniger umfangreich waren, auch an den Traktat über die Translatio imperii denken.687 Deutlich wird in jedem Fall, welche wichtige Rolle die Propaganda gespielt hat, und zwar nun gegenüber einer im Grundsatz unbeschränkten Öffentlichkeit. Weiter geht aus dem Bekenntnis der Mailänder hervor, daß Marsilius diese Propagandatätigkeiten nicht in eigener Verantwortung, sondern im Auftrag König Ludwigs entfaltet hat. Zu dieser Zeit hat Marsilius also, der auch seine Mailänder Ämter als Bevollmächtigter des Königs ausübte, eine in verschiedenen Quellen faßbare Vertrauensstellung beim König erreicht. Diese Stellung ging offenkundig einher mit einer erstaunlich erfolgreichen Vermittlung der eigenen politischen und ekklesiologischen Grundsätze, die Ludwig der Bayer bereit war, sich wenigstens in gewissem Maße zu eigen zu machen, indem er ihre Verbreitung förderte und in einigen erkennbaren Elementen in die Praxis umsetzte. In all diesen Dingen tritt Marsilius hervor, Johannes von Jandun wird von den Mailändern nicht erwähnt.688 Auch über eine Übertragung von Ämtern auf Johannes von Jandun ist nichts bekannt. Sowohl in Trient als auch in Mailand, wo die wichtigsten Entscheidungen auf dem Weg nach Rom getroffen wurden, war Marsilius derjenige von beiden, der stärker in der Öffentlichkeit wirkte. Marsilius, und mit ihm wohl auch Johannes von Jandun, verblieb noch recht lange in Mailand. In einer Quelle, dem Explizit einer astronomischen Tafel, heißt es, daß der Magister Marsilius diese dem Magister Simon de Moronis am 17. November 1327 in Mailand übergeben hat, und daß sie ein Magister Johannes in Paris im Jahr 1321 angefertigt hatte.689 Marsilius ist danach also noch 686 Otto, Marsilius von Padua, 1925, S. 200, bewertet diese Quelle als Beleg für seine Vermutung von einer Überarbeitung des Defensor pacis, die Marsilius in Mailand vorgenommen haben soll. 687 Vgl. zur Abfassungszeit des Traktats oben S. 101 f. 688 Das betonte bereits Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 35. 689 Bologna, Biblioteca Universitaria, Ms. Lat. 1369 (2614), fol. 1 – 8v, hier Explicit: »Explicit canon super tabula magistri Iohannis acta Parisius anno Christi 1321 et comunicata Mediolan. per magistrum Marxilium de Padua magistro Symoni de Moronis 1327 die 17 novembris deinde comunicato fratri Augustino 1337 die 17 novembris deinde comunicato de este 1343 die 27 martii deinde comunicato mihi Bonio. 1344 die iovis 18 martii«, zitiert nach Lynn Thorndike: A History of Magic and Experimental Science. Volumes III and IV: Fourteenth and Fifteenth Centuries, Volume III, New York/London 1934, 41966, S. 260, Anm. 15. Gegen die Annahme, daß es sich bei diesem Magister Johannes um Johannes von
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Verhandlungen um die Kaiserkrönung
221
ein Vierteljahr nach der Abreise Ludwigs, der die Stadt bereits am 13. August Richtung Rom verlassen hatte und sich zu dieser Zeit in Lucca aufhielt, in Mailand bezeugt.
5.5
Verhandlungen um die Kaiserkrönung
Nach der Mailänder Krönung und wahrscheinlich noch von Mailand aus schickte König Ludwig eine Gesandtschaft an Papst Johannes XXII. nach Avignon, die seine Bitte vortragen sollte, daß der Papst nach Rom komme und ihn dort zum Kaiser kröne.690 Ludwigs Initiative wird jedoch in vielen einschlägigen Untersuchungen übergangen,691 obwohl sie von zahlreichen Quellen berichtet wird. Die ausführlichste Quelle dazu ist die Chronik des Dominikaners Heinrich von Herford: »Es ist festgesetzt worden durch das Gesetz, das für alle Zeiten andauern wird, daß der König von Deutschland auch König der Lombarden und der Römer sein soll, und für Deutschland in Aachen, für die Lombardei in Monza und als Kaiser der Welt in Rom gekrönt werden soll. Daher wurde Ludwig in Monza gekrönt und plante für die folgende Krone nach Rom zu marschieren, nachdem er wiederholt Legaten nach Avignon zu Papst Johannes geschickt hatte, um ihm aufrichtig darzulegen, daß er sich die Krone des Kaiserreiches von ihm aufsetzen lassen wolle, daher schrieb und drängte er ihn, daß er dies täte nach dem Beispiel der anderen ruhmreichen Könige der Römer, seiner Vorgänger, von denen viele, wenn auch sich gewisse darum nicht gekümmert oder es gering geschätzt haben mögen, dennoch von hochheiligen katholischen Bischöfen, und am liebsten von den römischen Päpsten, ergebener und demütig gewollt hätten, daß solches in bezug auf sie geschehe. Der Papst las es, war empört, lehnte ab und weigerte sich, ihn zu krönen, wenn sich nicht zuerst, wie er auch bereits gefordert hatte, Ludwig selbst in Avignon einfinden würde, sich einer Untersuchung der römischen Kurie überließe und nach den Statuten der Väter der römischen Kirche und den anderen Jandun gehandelt habe könnte, hat sich überzeugend Siraisi, Arts, 1973, S. 91, ausgesprochen. Möglicherweise geht Giovanni Villanis (Buch 10, Kap. 264, Z. 8, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 439) Titulierung der beiden Gelehrten als »große Meister der Natur und der Astronomie« auch auf Nachrichten über Marsilius’ Wirken in Mailand zurück, vgl. oben S 200 f. Vgl. aber auch unten S. 379 f. das Gedicht des normannischen Geistlichen, der darin andeutet, als Student in Paris naturphilosophische Vorlesungen bei Marsilius und Johannes von Jandun gehört zu haben. 690 Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 174, Anm. 6; Altmann, Römerzug, 1886, S. 41 – 43; Chroust, Romfahrt, 1887, S. 87 – 88; Lindner, Geschichte, 1890, S. 368; Bock, Reichsidee, 1943, S. 243 – 244; Hundt, Ludwig der Bayer, 1989, S. 185. Bereits der von der älteren Forschung vielbenutzte Rinaldi, ad a. 1327, § 3, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 313a, berichtet darüber. 691 Gregorovius, Geschichte, Bd. 6, 1867; Riezler, Widersacher, 1874; Tesdorpf, Römerzug, 1885; Matthias, Beiträge, 1908; Dupr8 Theseider, Roma, 1952; Benker, Ludwig der Bayer, 1980; Berg, Italienzug, 1987; Thomas, Ludwig der Bayer, 1993; Pauler, Könige, 1997. Daß Ludwig mit der Kurie über die Kaiserkrönung nicht verhandelte, meint explizit Jürgen Miethke, Art. Ludwig IV., in: TRE, Bd. 21 (1991), S. 482 – 487, hier S. 483, Z. 52.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
Kirchen von allem Genugtuung leiste. Darüber hinaus und um das auszuführen lud er ihn wiederum peremptorisch vor. Ludwig ignorierte dies und gab nicht auf, noch ergebener zu fordern, dennoch vom Papst gekrönt zu werden. Der Papst verweigerte es immer wieder.«692
Dieser interessante Quellenbericht ist bisher kaum gewürdigt worden, obwohl er sich auch wegen der guten Kenntnisse der päpstlichen Prozesse als zuverlässig erweist. Ludwig hat danach also den Papst während des Romzugs mehrmals um seine Kaiserkrönung gebeten, trotz der päpstlichen Prozesse, die auf ihm lasteten. Der weitere Bericht des Inhalts dieser Gesandtschaften gibt eine bemerkenswerte Darstellung von Ludwigs Auffassung von der Kaiserkrönung. Ludwig gibt, diesem Bericht nach, deutlich zu verstehen, daß er es als keineswegs notwendig ansieht, die Kaiserkrone vom Papst zu empfangen. Wenn Ludwig lediglich einem »Beispiel« seiner Vorgänger folgen möchte, dem er »am liebsten« folgen möchte, dann will er seinem Adressaten damit vermitteln, daß dies für ihn eine rechtlich unerhebliche Tradition ist. Der Hinweis auf eine fiktive und nicht weiter konkretisierte Tradition früherer Kaiserkrönungen, die von gewöhnlichen Bischöfen vorgenommen worden sein sollen, zeigt, daß Ludwig ein Monopol des Papstes auf die Durchführung der Kaiserkrönung nicht anerkennt. Die hier vom Chronisten wiedergegebene Auffassung entspricht der knapp formulierten Position des Marsilius, wonach die Beteiligung des römischen anstelle eines anderen Bischofs an der Kaiserkrönung zwar besonders feierlich, aber keineswegs notwendig ist. Aber noch andere theoretische Äußerungen aus späterer Zeit sind auffällig kongruent mit der von dem Chronisten berichteten Position zur Kaiserkrönung. Im Zusammenhang mit den reichsrechtlichen Beschlüssen der Jahre 1338 und 1339 entstanden die Denkschrift Subscripta videntur und ein wahrscheinlich darauf beruhender und von kaiserlicher Seite vorbereiteter Entwurf eines Kurfürstenweistums, die inhaltlich den von Heinrich von Herford berichteten Positionen der kaiserlichen Gesandtschaft von 692 Heinrich von Herford, ed. Potthast, 1859, S. 245: »Sanxivit lege temporibus perpetuis duratura, ut rex Theutonie rex etiam esset et Lombardorum et Romanorum, et pro Theutonia Aquisgrani, pro Lombardis apud Modoeciam, et ut imperator mundi Rome coronetur. Sic igitur Lodewicus Modoecie coronatus et Romam pro sequenti corona proficisci cogitans, missis legatis sollempnibus in Avinionem ad papam Johannem, coronam imperii per ipsum sibi superponi sincerius exposcebat, scribens et insinuans eidem, hoc se facere gloriosissimorum regum Romanorum aliorum, antecessorum suorum, exemplo, quorum etsi quidam non curaverint hoc vel neglexerint, plures tamen per sacrosanctos episcopos catholicos, et maxime per pontifices Romanos, talia circa se fieri devotius et humiliter voluissent. Papa legit, indignatur, reprobat et coronare recusat, nisi prius, ut etiam jam exegerat, in Avinione Lodewicus ipse compareat, examinationem de se curie Romane dimittat, et secundum statuta patrum ecclesie Romane dicte et aliis ecclesiis de omnibus satisagat. Insuper et ad hoc faciendum ipsum iterato peremptorie citat. Lodewicus dissimulat, coronari tamen per papam devotius expostulare non cessat. Papa in negativa perseverat.«
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Verhandlungen um die Kaiserkrönung
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1327 entsprachen.693 Auf der Grundlage dieser Positionen gab Ludwig dem Papst deutlich zu verstehen, daß er seine Kaiserkrönung auch ohne diesen abhalten würde. Der Papst wurde so vor die Alternative gestellt, entweder an Ludwigs Kaiserkrönung einwilligend mitzuwirken oder eine Kaiserkrönung ohne seine Beteiligung hinzunehmen. Auch die Reimchronik Hugo von Reutlingens belegt Ludwigs Initiative.694 Jakob Twinger von Königshofen vermerkt im Anschluß an den Bericht über Ludwigs Einzug in Rom: »Der bobest war vor gebetten, das er von Avion gein Rome keme und den künig zu keyser krönete oder aber ieman den gewalt empfühle, den künig zu krönende. das wolte der bobest nüt tun.«695 Wilhelm von Egmond weiß zwar offenbar sogar Näheres, geht aber nicht weiter darauf ein: »Was aber Ludwig dem Papst geschrieben hatte oder wie er diesen gebeten hatte, nach Rom zu kommen, um seine Krönung zu vollziehen […] soll hier übergangen werden.«696 Die Kontaktaufnahme Ludwigs wird noch durch weitere Quellen belegt. Der Venezianer Marino Sanuto der Ältere697 schreibt 1327 dem päpstlichen Legaten für Toskana, Bertrand du Poujet, er habe »von einigen aus dem Rat des Bayern erfahren, daß er unserem Herrn, dem Papst, sehr gern jede Ehrerbietung erweisen wolle, die seiner Heiligkeit und Hoheit zustünde.«698 In 693 Vgl. unten S. 296 – 299. 694 Hugo von Reutlingen, ed. Gillert, 1881, Buch I, Vers 660 – 664, S. 43: »Papaque tunc Roma non est, sed in Aviniona./Rex pergit Romam, dimittens Avinionam,/Imperii claram sibi connectendo coronam/Per quendam gratum sibi pontificem sociatum,/Nomen cesareum sibi qui tribuit venerandum«. Nur eine implizite Information über Ludwigs Gesandtschaft an den Papst berichtet die Glosse zu Hugo von Reutlingen, ed. Böhmer/Huber, FRG, Bd. 4, 1868, S. 133: »Et quia prefatus papa Johannes manens in Avinione noluit venire Romam, idcirco Ludwicus imperator factus, licet hoc factum fuerit contra voluntatem pape, cum consensu et iussu Romanorum quendam ordine fratrum Minorum papam novum creavit, quem Nycolaum vocavit.« 695 Jakob Twinger von Königshofen, Kapitel 2 (über die Kaiser und römischen Könige), ed. Hegel, 1870, S. 469, Z. 11 – 13. Ähnlich in Kapitel 3 (über die Päpste), ed. Hegel, 1871, S. 583, Z. 14 – 16: »[Papst Johannes XXII.] wart ouch gebetten, daz er künig Ludewig von Peyern hiesse zu keyser krönen. daz wolte der bobest nüt tun.« 696 Wilhelm von Egmond, ed. Hordijk, 1904, S. 189: »Quid autem Ludovicus pape scripserit vel qualiter ipsum Romam ad ejus coronationem faciendam venire petierit […] breviatur.« – Eine wahrscheinlich von einem Florentiner Zeitgenossen Ludwigs des Bayern geschriebene Chronik berichtet etwas abweichend von einer Bitte Ludwigs an den Papst um Erlaubnis zur Kaiserkrönung. Es ist in dieser Chronik jedoch nicht ausdrücklich davon die Rede, daß ein Legat oder der Papst selbst die Kaiserkrönung vornehmen soll: Ludwig »erbat sich vom Papst die Erlaubnis, nach Rom zur Krönung seiner Würde zu gehen, damit er als Kaiser regieren könne.« Gedruckt bei Höfler, Urkundliche Beiträge, 1839, S. 111 – 113, hier S. 111: »[…] petit a papa sibi licentiam veniendi Romam ad coronationem sue dignitatis prout arte imperatoris regnaret.« Die Informationen zu dieser Chronik ebenda, S. 108. 697 Vgl. Lorenz/Goldmann, Deutschlands Geschichtsquellen, 31886/87, Bd. 2, S. 280; Ugo Tucci, Art. Sanudo, Marin, d. Ä., in: LexMA, Bd. 7 (1997), Sp. 1373 – 1374. 698 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Anm. 1 zu Nr. 206, S. 138 – 139, hier S. 138, Z. 46, und S. 139, Z. 33 – 34: »Et postea scivi ab aliis qui sunt de consilio istius Bavari, quod vellet libentissime
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
diesem Sinne sind auch einige päpstliche Schreiben zu lesen. Am 31. Juli 1327 ließ Papst Johannes XXII. ein Rundschreiben verfassen, in dem er sich veranlaßt sah zu dementieren, daß es mit Ludwig zu einer Versöhnung gekommen sei: »Ludwig ließ sowohl durch seine falschen und erlogenen Briefe als auch in ähnlicher Weise durch falsche [päpstliche] Nuntien verkünden, daß er Unser und des Apostolischen Stuhls Wohlwollen gesucht hätte und diese Gunst erlangt hätte.«699
Ähnlich wurden schon zuvor die Kölner in einem Schreiben vom 21. Juli 1327 gewarnt, den Lügen des Bayern zu glauben.700 Die Quellenberichte über Ludwigs Aufforderung an den Papst, zu seiner Kaiserkrönung nach Rom zu kommen, werden in der Forschung ganz unterschiedlich beurteilt. Müller und Chroust auf der einen Seite zögern, den Quellenberichten über Ludwigs Krönungsbitte an den Papst überhaupt zu glauben.701 Bock auf der anderen Seite meint, erst die Ablehnung des Papstes habe Ludwigs Entschluß zu einer Kaiserkrönung ohne Papst bewirkt.702 Die Erfolglosigkeit der Gesandtschaft nach Avignon habe eine Wende in Ludwigs Politik hervorgerufen. Gegen Bocks These allerdings spricht zum einen bereits, daß Ludwig, nachdem er durch die Prozesse vom 3. April 1327 nun auch seines Herzogtums entsetzt und wegen Häresie angeklagt worden war, es selbst kaum für möglich halten konnte, daß der Papst den exkommunizierten und abgesetzten Bayern bereitwillig zum Kaiser krönen würde. Zum anderen bezeugt die Alternative, die die Gesandtschaft Johannes XXII. unterbreitete, bereits die Androhung einer Kaiserkrönung ohne Papst. Nach dem Bericht Heinrichs von Herford war es bereits geplant, daß die Kaiserkrönung im Falle einer Ablehnung des Papstes mit einem anderen Koronator durchgeführt werden sollte. Bereits Altmann und Lindner haben daher vermutet, daß Ludwigs »Friedensgesuch« lediglich ein »diplomatischer Schachzug« war, der nicht ernst gemeint war, sondern auf der Erwartung einer ablehnenden Antwort des Papstes basierte. Diese wollte Ludwig dann dafür verwenden, in dieser Zeit noch unentschiedene Italiener auf seine Seite zu ziehen.703
699
700 701 702 703
facere omnem reverentiam domino nostro summo pontifici, que sue sanctitati et magnificentie conveniret.« Zuvor bei Bongars, Gesta Dei per Francos, Bd. 2, 1611, ep. 17, S. 307 – 310, hier S. 310, Z. 12 – 15. In einem anderen Brief vom März 1326 ruft Marin Sanudo den Papst auf, er möge sich mit Ludwig versöhnen, Bongars, Bd. 2, 1611, ep. 16, S. 304 – 307, hier S. 305 und 306. Vgl. Riezler, Widersacher, 1874, S. 47, Anm. 2. MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 319, S. 229 – 230, hier S. 230, Z. 15 – 17: »[…] tam per suas falsas et fictitias litteras quam per nuncios falsos similiter fecit in nonnullis partibus publicari, quod ipse nostram et apostolice sedis benevolentiam captaverat et gratiam fuerat assecutus«; das Schreiben an die Römer bei Preger/Reinkens, Verträge, 1883, Nr. 367, S. 131 – 132 (S. 233 – 234). MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 317, S. 227; Preger/Reinkens, Verträge, 1883, Nr. 362, S. 129 – 130 (S. 231 – 232). Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 174, Anm. 6; Chroust, Romfahrt, 1887, S. 88. Bock, Reichsidee, 1943, S. 243 – 244. Altmann, Römerzug, 1886, S. 43; ähnlich Lindner, Deutsche Geschichte, 1890, S. 368.
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Ludwigs Gesandtschaft an den Papst ist in den Quellen gut bezeugt, auch wenn ein schriftliches Dokument Ludwigs oder eine Antwort des Papstes, wenn es eine gab, nicht überliefert sind. Das Ziel von Ludwigs Gesandtschaft ist sicher vor allem in ihrem propagandistischen Wert zu sehen. Dabei spielt es nicht nur eine Rolle, daß der Papst in eine defensive Situation gedrängt werden sollte, sondern auch, daß Ludwig seine Auffassung vorbereitend publik machen konnte, daß es sein Recht war, vom Papst die Krönung zu verlangen. Nicht nur zögernde italienische Verbündete mußten von der Notwendigkeit einer so außergewöhnlichen Kaiserkrönung überzeugt werden, auch für das Urteil aller anderen Zeitgenossen konnte jede Maßnahme, die als Argument für Ludwigs kühne Entscheidung dienen konnte, sich ohne Papst zum Kaiser krönen zu lassen, nützlich sein. Für den weiteren Verlauf und den Erfolg von Ludwigs Romzug spielte vor allem der Aufstand der Römer gegen die Herrschaft des mit dem Papst verbündeten König Robert von Neapel eine große Rolle. Dieses Ereignis konnte Ludwig in Trient, als er den Entschluß zum Romzug gefaßt hat, noch nicht vorhergesehen haben. Villani berichtet, daß die Römer die Angehörigen derjenigen Adelsfamilien aus Rom vertrieben, die mit König Robert von Neapel verbündet waren. Das Volk wählte Sciarra Colonna zu ihrem Capitano del popolo, der die Stadt gemeinsam mit einem Rat aus 52 nicht-adligen Mitgliedern, vier aus jedem der dreizehn Stadtbezirke, regierte.704 Der Zeitpunkt des Umsturzes in Rom wird vom unbekannten Autor der Notae historicae von Verona auf den 7. April 1327 datiert.705 Bereits am 3. Mai ist in einem an König Jakob II. von Aragon gerichteten Schreiben von dem Umsturz in Rom zugunsten Ludwigs die Rede. Sciarra Colonna und Giacomo Savelli werden darin als Stadtherren erwähnt.706 Villani berichtet im Anschluß an den Umsturz in Rom: »Sodann schickten sie [die Römer] Gesandte nach Avignon in der Provence zu Papst Johannes, um diesen zu bitten, daß er mit seinem Hof nach Rom kommen möge, wie es
704 Villani, Buch 11, Kap. 20, Z. 1 – 14, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 543: »Per la venuta del detto Bavero eletto re de’ Romani, incontanente, e in quello medesimo tempo, si commosse quasi tutta Italia a novitade; e’ Romani si levarono a romore e feciono popolo, perch8 nonnaveano la corte del papa n8 dello ’mperadore, e tolsono la signoria a tutti i nobili e grandi di Roma e le loro fortezze; e tali mandarono a’ confini: cik fu messer Nepoleone Orsini e messer Stefano de la Colonna, i quali di poco per lo re Ruberto erano fatti cavalieri a Napoli, per tema che non dessono la signoria di Roma a re Ruberto re di Puglia; e chiamaro capitano del popolo di Roma Sciarra della Colonna che reggesse la cittade col consiglio di LII popolani, IIII per rione«. 705 Notae historicae Veronae, in: Böhmer (Hg.), FRG, Bd. 1, 1843, S. 169. 706 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 299, S. 211; Finke, Acta Aragonesia, Bd. 1, 1908, Nr. 284, S. 428 – 429.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
von Rechts wegen sein solle; käme er aber nicht, so würden sie als ihren Herrn den König der Römer, Ludwig von Bayern, annehmen.«707
Nicht nur die Römer, sondern auch die Lombarden sandten Boten zu Papst Johannes XXII. nach Avignon mit der Bitte, er möge nach Rom kommen.708 Am 10. Juni verfaßte Johannes XXII. bereits ein ausführliches ablehnendes Antwortschreiben an die Römer.709 Die Gesandtschaft der Römer traf am 7. Juli in Avignon ein. Am 11. Juli ließ Johannes XXII. seine letzte und endgültige abschlägige Antwort verfassen.710 Wie ernstgemeint diese Initiative der Römer war, läßt sich nicht genau beurteilen, da die Chronisten eine durchaus unterschiedliche Darstellung von dem Vorgehen der Römer geben. Nach Villani war die Ablehnung des Papstes offenbar eine ausgemachte Sache für die Römer, da sie die Antwort des Papstes gar nicht erst abwarteten: »Zugleich aber schickten sie eine andere Gesandtschaft ab, um Ludwig den Bayern ebenfalls nach Rom zu ziehen.«711 Mussato dagegen stellt die Gesandtschaft der Römer an Ludwig als eine Reaktion auf die ablehnende Antwort des Papstes dar :
707 Villani, Buch 11, Kap. 20, Z. 14 – 18, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 543 – 54: »[…] e mandarono loro ambasciadori a Vignone in Proenza a papa Giovanni, pregandolo che venisse colla corte a Roma, come dee per ragione; e se cik non facesse, riceverebbono a signore il loro re de’ Romani, detto Lodovico di Baviera«. Die Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 80. Vgl. auch den Bericht von Mussato, ed. Böhmer, 1843, S. 173 – 174, und das Schreiben bei Finke (Hg.), Acta Aragonesia, Bd. 1, 1908, Nr. 288 (vom 12. August 1327), S. 431 – 432, hier S. 432: »E si lo papa noy venia, ey venia lemperador, que eyls lacuylirien, que no voliens tots semps esser orffers de papa et demperador«. 708 Schreiben Bernhard Lullis an Bernhard de Aversone, Avignon, 29. Mai 1327, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 301, S. 212, Z. 15 – 19: »Eri et hodie ambaxatores diverssarum civitatum Ytalie bene septem tenuerunt eum occupatum et ipsis tantum dedit introytum (…) Omnes ambaxatores prefati inter alia ut dicitur petunt, quod dominus papa vadat Romam et in hoc omnes Ytalici concordant. Ambaxatores Romani nondum venerunt, set ut dicitur iam receserunt de Urbe.« Zuvor bei Finke (Hg.), Acta Aragonesia, Bd. 1, 1908, Nr. 286, S. 430. – Schreiben desselben an König Jakob II. vom 3. Juni 1327, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 302, S. 212, Z. 29 – 31: »Dicti ambaxatores de Ytalie ut dicitur inter alia capitula petunt, quod dominus papa vadat ad sedem suam et concordant in hoc quasi omnes Ytalici. Ambaxatores Romanorum nondum venerunt.« Zuvor bei Finke (Hg.), Acta Aragonesia, Bd. 1, 1908, Nr. 287, S. 430 – 431. 709 Preger/Reinkens, Verträge, 1883, Nr. 346, S. 123 – 124 (S. 225 – 226). 710 Preger/Reinkens, Verträge, 1883, Nr. 353, S. 126 – 127 (S. 228 – 229). Bereits vor der Ankunft Ludwigs in Italien, unter noch anderen Umständen also, hatten die Römer den Papst ohne Erfolg aufgefordert, nach Rom zurückzukehren. Die beschwichtigende, aber ablehnende Antwort des Papstes vom 20. Januar 1327 bei Rinaldi, ad a. 1327, § 4, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 313b; Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 52, S. 219. 711 Villani, Buch 11, Kap. 20, Z. 18 – 20, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 543 – 44: »[…] e simile mandarono loto ambasciadori a sommuovere il detto Lodovico chiamato Bavero«. Die Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 80.
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Verhandlungen um die Kaiserkrönung
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»Sie schickten daher Boten an Ludwig und ließen ihm melden: Er möge nach Rom kommen und ungehindert die Huldigung der Römer und das Kaisertum, das ihm zustehe, entgegennehmen; sie würden ihm unter allen Umständen unbedingten Gehorsam leisten. Ludwig ließ diese Gelegenheit zu so großen Erfolgen nicht vorübergehen; er brach alsbald von Mailand auf«.712
Wie sich die Entwicklungen in Rom für Ludwig darstellten, läßt sich recht gut an seinen Berichten darüber in den Briefen ablesen, die er nach Deutschland senden ließ. Am 10. April verfaßte Ludwig in Como einen zweiten Brief an Wilhelm von Holland und einen fast gleichlautenden an den Bischof von Utrecht, in denen er noch lediglich davon sprach, daß seine Partei in Rom groß genug sei, daß er die Kaiserkrönung ohne Schwierigkeiten würde durchführen können.713 In seinem drittem Brief an seinen Schwiegervater vom 20. Juni 1327 schreibt Ludwig dann schon mit mehr Enthusiasmus über die Einladung der Römer : »Über dies alles hinaus ruft Uns das römische Volk einträchtig nach Rom, um dort Unsere Krone anzunehmen (accipienda), und lädt uns ein und wünscht Unsere Ankunft unter so vielen Seufzern und Leidenschaften, daß Wir gewiß unsere Schritte mit großer und starker Macht unmittelbar nach Rom lenken werden, das Wir bereits sicher haben und Uns gleichsam als Unsere und des heiligen Reiches getreue Braut unaufhörlich erwartet, um die kaiserliche Krone in Besitz zu nehmen.«714
Von einem Anerbieten der Römer, Ludwig die Kaiserwürde zu übertragen oder ihn zum Kaiser zu krönen, wie vereinzelt gemeint wurde,715 ist hier jedoch nicht die Rede, auch wenn Ludwig die Bindung des Kaisertums an die Stadt Rom mit der Brautmetapher deutlich ausspricht.716 Ludwig berichtet lediglich über die
712 Mussato, ed. Böhmer, 1843, S. 175: »Romani iis frustrationibus, ut a papa illusi, communi assensu ad Ludovicum nuntios miserunt: Romam veniat; Romanis, imperioque suo libere potiatur, cui se parituros ferro igni omnibus obsequiis spondebant. Mox Ludovicus prosperarum rerum successum non renuens, Mediolanum egressus«. Die Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 33. 713 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 289, S. 205 – 207, hier S. 206A, Z. 21 – 25: »[…] quod tanta est nobis pars in urbe Romana, quod quasi pro certo credimus, quod in coronatione nostra imperiali in ipsa Urbe nullus nobis possit difficultates et impedimenta ingenio aliquo procurare«; Wilhelm von Egmond, ed. Hordijk, 1904, S. 190 – 192; Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 935, S. 56. – MGH Const. VI/1, Nr. 290, S. 205 – 206, hier S. 206B, Z. 21 – 26. 714 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 310, S. 219 – 220, hier S. 220, Z. 8 – 13: »Ultra hec omnia populus Romanus ad Urbem pro accipienda corona nostra ibidem nos concorditer evocat et invitat et ipsum adventum nostrum sic multis suspiriis et affectibus desiderat, quod ad ipsam Urbem, quam pro certo iam habemus et nos tanquam fidelis nostra et sacri imperii sponsa continue expectat, pro apprehendendo diademate imperiali immediate gressus nostros cum magna et forti potentia certitudinaliter dirigemus.« 715 Thomas, Ludwig der Bayer, 1993, S. 200 – 201. 716 Vgl. zu Rom als Braut des Imperiums Burdach, Mittelalter, Bd. 2, 1, 1, S. 46 – 51.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
Bereitschaft der Römer, ihn in Rom aufzunehmen, um dort seine Kaiserkrönung abhalten zu können. Auch wenn der Wortlaut der Schreiben der Römer an den Papst und an Ludwig nicht überliefert ist, scheint es weder wahrscheinlich noch gibt es einen Anhaltspunkt, daß die Römer gegenüber Papst Johannes XXII. eine ähnliche Drohung ausgestoßen haben wie noch 1305, als die Römer Papst Clemens V. drohten, sie würden selbst einen Kaiser erheben, wenn er nicht nach Rom zurückkomme.717 Auch mit den Krönungsangeboten der Römer aus der Zeit Arnolds von Brescia gegenüber Konrad III. und Friedrich I. hat diese Einladung an Ludwig nichts gemein.718 Ein Anspruch der Römer auf die Vergabe des Kaisertums wird in keiner Quelle sichtbar. Da die herangezogenen Chroniken entweder über die Verhandlungen der Römer mit dem Papst und Ludwig berichten oder über Ludwigs Gesandtschaft an den Papst, läßt sich nicht sagen, ob Ludwig seine Gesandtschaft noch vor der Kontaktaufnahme der Römer zu ihm oder erst danach an den Papst schickte. Festgestellt werden muß an dieser Stelle jedoch, daß keine Quelle von Verhandlungen mit den Römern berichtet, die von Ludwig ausgingen. Über eine Initiative Ludwigs, die Römer für seine Kaiserkrönung zu gewinnen, ist nichts bekannt. Auch in Schreiben nach Deutschland gegen Ende seines Aufenthalts in Mailand, in denen Ludwig um militärische Unterstützung bat, äußert Ludwig sich nicht anders über seine Kaiserkrönung in Rom.719 Am 4. Dezember 1327 bezeugt 717 Der Italiener und Bürger Barcelonas Dinus Silvestri berichtet am 29. Dezember 1305 aus Barcelona an König Jakob II.: »Item ma fet saber lo dit frare meu, que de Roma e de Toscana venen enbaxadorsval sant pare, per dir a el, que deia anar a Roma a la sua sedia, et que tengra aqui cort. E si non vol fer, quels Romans faran emperador«, Finke (Hg.), Acta Aragonensia, Bd. 2, 1908, Nr. 341, S. 511 – 512, hier S. 512. Vom Herausgeber wird S. 512, Anm. 4, allerdings die Frage gestellt, ob die Römer und Toskaner die Gesandtschaft an den Papst tatsächlich abgeschickt haben. 718 Zur Idee des stadtrömischen Kaisertums vgl. oben S. 127 f. 719 An den Grafen von Montfort: MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 324, S. 236 – 238. – An Berthold von Henneberg: MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 326, S. 238 – 239, hier S. 239, Z. 14 – 15: »Quare cum duce Domino, cuius gracia regimus et regnamus, Alpes transiverimus Lombardie et feliciter progrediamur Romam imperiales infulas solempniter recepturi«. Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 943, S. 56. – An die geistlichen und weltlichen Herren in Sachsen: MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 327, S. 239 – 240, hier S. 240, Z. 17 – 19: »Quare cum duce Domino, cuius gratia regimus et regnamus, Alpes transiverimus Lombardie et feliciter progrediamur Romam imperiales infulas potenter et sollempniter assumpturi«. Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 944, S. 56. – An die Stadt Lübeck: MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 328, S. 240 – 241, hier S. 241, Z. 4 – 5: »Sic a retroactis temporibus est servatum et est debitum, quod Rom(anis) regibus transeuntibus Alpes Lomb(ardie) ad recipiendum Rome imperialis culminis dyadema vos eosdem sequi et ipsis obsequi tenemini iuxta decentiam ipsorum et vestram armatorum equitum comitiva.« Böhmer/Ficker, RI. Additamentum tertium, 1865, Ludwig der Baier, Nr. 3241, S. 357. – An Städte in Sachsen: MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 329, S. 241 – 242.
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Verhandlungen um die Kaiserkrönung
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schließlich ein in Pisa ausgestelltes Mandat, daß der Kaiserkrönung in Rom nichts mehr im Wege stand.720 Die Haltung der Römer war jedoch nicht einheitlich. Villani weiß von drei verschiedenen Gruppen in Rom zu berichten: »Als der Bayer im genannten Jahr 1327 nach Viterbo gelangt war, entstand zu Rom im Volke und namentlich unter den 52 guten Männern (buoni uomini), die, vier aus jedem Bezirk, zur Obhut über das römische Volk aufgestellt worden waren, ein großer Streit, wobei ein Teil den Bayern als ihren Herrn durchaus einzulassen wünschte, während dies anderen übel geraten schien, da es wider die heilige Kirche sei; noch andere wollten mit ihm paktieren, ehe er in Rom eingelassen würde. Dieser letzten Ansicht schloß man sich in der Öffentlichkeit an, um das Volk zufriedenzustellen, und gedachte eine feierliche Gesandtschaft zu senden, um mit ihm in Verhandlung zu treten.«721
Die römische Gesandtschaft erreichte Ludwig in Viterbo. Insgeheim verhandelten die Führer der ghibellinischen Partei, Sciarra Colonna, Giacomo Savelli und Tibaldo di Sant’Eustachio, mit Ludwig über einen bedingungslosen Einlaß nach Rom. Ludwig ließ die Gesandten des römischen Volkes festnehmen und marschierte so unverzüglich nach Rom.722 720 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 364, S. 272, Z. 15 – 22: »Cum versus Urbem divina prestante clementia properemus presentialiter iter nostrum et cupiamus vos inter alios nostros imperiique fideles imperiali coronationi adesse, devotam fidelitatem vestram requirit, mandat et commonet regia plenitudo, quatinus omni mora postposita conveniatis cum aliis nostris fidelibus requisitis in civitate Viterbii, ita quod sitis ibidem ante festum nativitatis Domini per duos dies vel unum, cum illic esse Deo suum nobis prebente auxilium intendamus in festo iam dicto, nos sotiaturi ad Urbem et interfuturi tempore imperialis diadematis assumendi, sicut prestite fidelitatis devotio et iuris dispositio instruunt von teneri.« 721 Villani, Buch 11, Kap. 55, Z. 1 – 11, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 581 – 582: »Nel detto anno MCCCXXVII, essendo il Bavero giunto in Viterbo, in Roma nacque grande questione tra ’l popolo, e spezialmente tra’ LII buoni uomini, chiamati IIII per rione a la guardia del popolo romano, che parte di loro voleano liberamente la venuta del Bavero s' come loro signore, e parte di loro parendo mal fare e contra santa Chiesa, e parte voleano patteggiare co·llui anzi ce si ricevisse in Roma; e a questo terzo consiglio s’apresono nel palese per contentare il popolo, e mandargli solenni ambasciadori a·ccik trattare.« Die Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 112 – 113. 722 Villani, Buch 11, Kap. 55, Z. 11 – 44, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 582 – 583; vgl. Storie Pistoresi, cap. 67, ed. Barbi, 1907 – 1927, S. 115, Z. 13 – S. 116, Z. 2: »Lo Bavaro e Castruccio cavalcaronoverso Roma per la via di Marema. Quando furono presso a Roma, e li Romani li Mandarono a dire che no andasse piF oltre, chH nol voleano ricevere. Questo dispiacque forte al Bavaro, e raunk lo consiglio suo, e disse loro quello che avea da’ Romani; della qual cosa lo consiglio tutto si maravilgik forte. Ed H vero che in Roma avea una gente che volea che fosse ricevuto, cioH li Colonesi e’ loro seguaci: li Orsini e loro amici non voleano che vi entrasse. Lo consiglio del Bavaro diliberk che Castruccio abdasse a Roma per ambasciadore del Bavaro: e questo si fece per consiglio d’alquanti grandi cittadini romani, i quali molto desideravano l’andata del Bavaro, e questi erano li Colonesi, per abbattere li Orsini. Giuntu Castruccio a Roma e sposta l’ambasciata a’ senatori, subito li sanatori feciono raunare in Camidoglio tutti li maggiori e megliori cittadini di Roma, dove Castruccio spuose l’ambasciata sua: e quivi si diliberk che ’l Bavaro fosse ricevuto in Roma; e cos' fue risposto a
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5.6
Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
Ludwigs römische Volksversammlung auf dem Kapitol
Ludwig der Bayer brach am 5. Januar von Viterbo auf und erreichte am 7. Januar 1328 Rom, wo ihn die Römer jubelnd empfingen, wie der Chronist Villani schreibt. Ludwig bezog zunächst bei St. Peter Quartier und betrat erst nach vier Tagen das eigentliche römische Stadtgebiet, wo er sich bei Santa Maria Maggiore niederließ.723 Ludwigs freundlicher Empfang durch die Römer wird auch in vielen anderen erzählenden Quellen betont. Besonders hebt es Albertino Mussato hervor : »Das römische Volk jauchzte ihm entgegen, als wenn Gott selbst von seinem himmlischen Throne zu ihnen käme, und nahm ihn frohlockend und festlich auf.«724 Ähnlich stellen Ludwigs Empfang durch die Römer auch die Storie Pistoresi,725 Marcha di Marco di Battagli da Rimini,726 Heinrich Taube von Selbach,727 Johann von Winterthur728 und die zweite bayerische Fortsetzung der Sächsischen Weltchronik dar.729 Am 11. Januar ließ König Ludwig das römische Volk auf dem Kapitol versammeln. Diese römische Volksversammlung hat für Teile der Forschung eine wichtige Rolle für die Auffassung gespielt, daß Ludwig der Bayer seine Kaiser-
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Castruccio, il quale subito si part' a Roma e tornk al Bavaro con la risposta de’ Romani.« Vgl. Chroust, Romfahrt, 1887, S. 111 – 112, mit Anm. 3. Villani, Buch 11, Kap. 55, Z. 44 – 53, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 583: »E cos' si part' il detto Bavero con sua gente de la citt/ di Viterbo martid' a d' V di gennaio, e giunse in Roma il giuovid' vegnente, d' VII di gennaio MCCCXXVII, nell’ora di nona, e con sua compagnia bene IIIIM cavalieri, sanza contasto niuno, com’era ordinato per gli detti capitani, e da’ Romani fue ricevuto graziosamente, ed ismontk ne’ palazzi di Santo Pietro, e l/ dimork IIII giorni; poi passk il fiume del Tevero per venire ad abitare a Santa Maria Maggiore«. Zu Ludwigs Bevorzugung von Quartieren in der Nähe von den Patriarchalbasiliken vgl. Bernhard Schimmelpfennig, Ludwig der Bayer (1314 – 1347). Ein Herrscher zwischen Papst und Kurfürsten, in: Kramp (Hg.), Krönungen, Bd. 2, 2000, S. 460 – 468, hier S. 465. Mussato, ed. Böhmer, 1843, S. 174: »Populus Romanus, ut Deo ab excelsis veniente gavisus, illum magnis alacritatibus preconiorumque applausibus excepit«. Die Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 33. Storie Pistoresi, cap. 67, ed. Barbi, 1907 – 1927, S. 116, Z. 2 – 3: »Lo Bavaro cavalck a Roma, e fue graziosamente ricevuto e con grande onore«. Marcha di Marco di Battagli da Rimini, ed. Mass8ra, 1912 – 1913, S. 43, Z. 19 – 20: »[…] versus Romam cum magno exercitu militavit: quem romanus populus et magnates cum gaudio honorifice receperunt.« Heinrich Taube von Selbach, ed. Bresslau, 1922, Papae. Iohannes XXII., S. 23, Z. 20 – S. 24, Z. 2: »[…] venit ad urbem Romanam, ubi receptus est benivole a populo Romano et per illos Romanos nobiles de Columpna et principaliter a Serra de Columpna supra nominato«, und im Abschnitt Reges. Ludovicus IV., S. 40, Z. 6 – 10: »Anno XIII. regni sui cum magna potencia vocatus a populo Romano et maxime per quosdam nobiles de Columpna, inter quos fuit quidam Serra de Columpna, qui, ut supra scribitur, interfuit capcioni pape Bonifacii, intravit Urbem et ibidem honorifice susceptus est.« Johann von Winterthur, ed Baethgen, 1924, S. 86, Z. 17 – 18: »[…] venit Romam, ubi a Romanis civibus gratanter receptus«. Zweite Bairische Fortsetzung der Sächsischen Weltchronik, ed. Weiland, 1877, S. 338, Z. 19: »[…] kom er gen Rom mit grozzen eren«.
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Ludwigs römische Volksversammlung auf dem Kapitol
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würde legitimatorisch auf das römische Volk, verstanden als die Bewohner der Stadt Rom, gründete. Aufgrund dieser Versammlung findet sich bis in die Handbücher die Einschätzung, Ludwig habe sein Kaisertum »aus der Legitimation des Volkes von Rom« erhalten,730 oder die Überzeugung, Ludwig habe seine Kaiserwürde einer Wahl durch das römische Volk zu verdanken.731 Die Hauptquelle für die Versammlung vom 11. Januar 1328 ist Giovanni Villanis Chronik: »Am folgenden Montag begab er [Ludwig der Bayer] sich auf das Kapitol, und hier hielt er eine große Versammlung ab, der die ganze Bevölkerung von Rom beiwohnte, und zwar diejenigen, die seiner Herrschaft zugeneigt waren, und auch die anderen. Hier führte der Bischof von Aleria, ein Augustiner, in seinem Auftrag mit großer Emphase das Wort, dankte dem römischen Volke für die Ehre, die es jenem erwiesen hatte, und erklärte und verhieß, daß der Bayer die Absicht habe, das römische Volk zu leiten und zu erhöhen und in allem zu fördern; was denn den Römern nicht wenig gefiel, so daß sie riefen: ›Es lebe unser Herr, der König der Römer!‹ Und in dieser Versammlung setzte er seine Krönung auf den kommenden Sonntag fest, und das Volk von Rom ernannte ihn in dieser Versammlung zum Senator und Capitano del popolo auf ein Jahr.«732
Der Hauptakteur dieser Versammlung ist König Ludwig und nicht etwa das römische Volk: Er beruft die Versammlung ein, er läßt eine Rede an das Volk halten und er bestimmt den Termin für seine Kaiserkrönung.733 Seitens der versammelten Römer ist, dem Bericht Villanis zufolge, von der Kaiserkrönung nicht die Rede. Sie zeigen ihre Zustimmung zu seiner Kaiserkrönung insofern, als sie Ludwig ehrenhalber zum Senator und Capitano del Popolo von Rom ernennen.734 Eine Übertragung des Kaisertums durch das römische Volk in
730 Moraw, Verfassung, 1985, S. 233. 731 Grundmann, Wahlkönigtum, in: Gebhardt, Bd. 1, 1970, S. 528, so vor ihm bereits Riezler, Widersacher, 1874, S. 48 – 49, und Schoenian, Idee, 1919, S. 97. 732 Villani, Buch 11, Kap. 55, Z. 53 – 66, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 583: »[…] e il lunid' vegnente sal' in Campidoglio, e fece uno grande parlamento, ove fu tutto il popolo di Roma, ch’amava la sua signoria, e degli altri; e in quello il vescovo d’Ellera dell’ordine degli agostini disse la parola per lui con belle autoritadi, ringraziando il popolo di Roma dell’onore che gli aveano fatto, dicendo e promettendo com’egli avea intenzione di mantenergli e innalzargli, e di mettere il popolo di Roma in ogni buono stato, onde a’ Romani piacque molto, gridando: ›Viva, viva il nostro signore e re de’ Romani!‹. E nel detto parlamento s’ordink la sua coronazione la domenica vegnente, e nel detto parlamento il popolo di Roma il feciono sanatore e capitano del popolo per un anno.« Die Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 114 – 115. 733 Daß Ludwig und nicht das römische Volk den Termin für die Kaiserkrönung festsetzte, sagte – gegen die ältere Forschung – schon Matthias, Beiträge, 1908, S. 22. 734 Die Ernennungen können nur als Ehrungen ohne eigentliche politische Bedeutung angesehen werden, da Ludwig in seinen Urkunden nie so titulierte, der Quellenautor auf diese Ämter in seinem weiteren Bericht nie zurückkommt, und die vormaligen Inhaber der
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
dieser Versammlung berichtet Villani nicht. Die Zurufe der Römer richten sich ihm zufolge auch ausdrücklich an einen König, nicht aber an einen Kaiser der Römer. Auch eine Kaiserproklamation oder eine vorgezogene Akklamation ist hier also nicht zu erkennen.735 Dabei ist eine Absicht des Chronisten, die Rolle der Römer in seiner Darstellung zu verringern, unwahrscheinlich, da er ihre Rolle in seiner Darstellung der späteren Kaiserkrönung eher überbetont, etwa indem er dafür die Überschrift »Krönung durch das römische Volk« wählt.736 In der Forschung wurde diese Versammlung auf dem Kapitol jedoch bislang anders beurteilt. Die ausführlichste Darstellung der römischen Versammlung stammt von Gregorovius. Ihm zufolge berief Ludwig am 11. Januar ein »Parlament« ein, vor dem Ludwig als »Kandidat der Kaiserkrone vor dem Volk« erschienen sei, und von dem der Bischof von Aleria in Ludwigs Namen die »Kaiserkrone durch das Volk« begehrt habe. Darauf habe das Volk Ludwig als »Cäsar hochleben« lassen, und das »Parlament erteilte ihm durch Plebiszit die Kaiserkrone«.737 Gregorovius’ Darstellung ist mit Villanis Bericht jedoch offensichtlich nicht zu belegen. In der Tat konnte Gregorovius nur zu dieser Auffassung kommen, weil er sich nicht allein auf Villani stützte. Er zog mit gleicher Gewichtung die 1636 verfaßte Historia bavarica sive Ludovicus IV. imperator des aus den spanischen Niederlanden stammenden Nicolaus Burgundus (1586 – 1649) als historische Quelle heran, nach der das römische Volk Ludwig auf dieser Versammlung das Kaisertum übertragen habe und in der die von Gregorovius angeführten Einzelheiten berichtet werden.738 Diese frühneuzeitliche Abhandlung über Ludwig den Bayern, die Gregorovius zudem nur aus
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zweistelligen römischen Senatur und Sciarra Colonna in ihren Ämtern ohne weiteres verbleiben. Vgl. Eichmann, Kaiserkrönung, Bd. 1, 1942, S. 301, der meint, daß Ludwig von der Volksversammlung zum Kaiser ausgerufen worden sei. Siehe unten S. 242. Gregorovius, Geschichte, Bd. 6, 1867, S. 143. Das Resümee aus diesem Vorgang lautet für Gregorovius (ebenda): »Die Zeit hatte sich gründlich verändert; das alte, erhabene Kaisertum demokratisierte sich.« Möglich soll dies auch deshalb geworden sein, weil das »alte Kaiserwahlrecht der Republik [sic!] in Rom nie vergessen worden« sei. Nicolaus Burgundus, Historia bavarica, sive Ludovicus IV. imperator, Ingolstadt 1636 (Erstdruck), danach Nicolaus Burgundus, Historia bavarica, ed. Iustus Christophorus Böhmer, Helmstedt 1705, S. 105: »Deinde Caesar habito cum primoribus consilio Capitolium ascendit; quo populum convocari praeceperat ad concionem. Receptusque in solium per constipatam multitudinem Elleramum episcopum Augustiniani Ordinis iussit assurgere. Is a laudibus Caesaris honora oratione exorsus, desiderium eius esse exposuit, ut Senatus populusque Romanus Imperii diadema petenti deferret. Ad haec verba secutus est ingens plausus, vivat Caesar acclamantium. Fuere qui dubitarent an invito Pontifice haec ita rite agerentur : caeterum populus Romanus e contra contendebat suas esse partes Imperium conferre, Pontificis autem consecrare iisdem auspiciis. Carolum enim Magnum tunc demum coronatum esse postquam populus Romanus imperare eum iussisset. Hodierni autem Pontificis turbulentum ingenium atque iniusta in Caesarem odia obesse sibi non debere.« Zum Werk vgl. Neumaier, Ius publicum, 1974, S. 150 – 159.
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Ludwigs römische Volksversammlung auf dem Kapitol
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zweiter Hand kannte,739 kann natürlich nicht als Quelle für die Ereignisse des Jahres 1328 dienen, eher für die publizistischen Auseinandersetzungen des frühen 17. Jahrhunderts. Nicolaus Burgundus, der bayerischer Hofjurist an der Universität Ingolstadt war, wandte sich neben anderen Gelehrten im Dienste der bayerischen Kurfürsten gegen die päpstlich orientierte Kirchengeschichtsschreibung des polnischen Dominikaners Abraham Bzovius, der – wie ebenfalls Odorico Rinaldi – die von Kardinal Cesare Baronio begründeten Annales ecclesiastici bis ins 14. Jahrhundert fortsetzte und ein entschieden negatives Bild des Wittelsbachers zeichnete.740 Gregorovius’ Darstellung von Ludwigs Volksversammlung auf dem Kapitol war prägend für die nachfolgende Geschichtsforschung. Ohne selbst Nicolaus Burgundus als eigentliche Grundlage für ihre Auffassung zu nennen, beschreiben Riezler und Tesdorpf die versammelten Römer als die Akteure, die Ludwig die Kaiserkrone übertragen hätten.741 Andere stellen zwar Ludwig als den Hauptakteur dar, der aber erklärt haben soll, »er wolle vom römischen Volk die Kaiserkrone erhalten.«742 Auch das verbreitete Mißverständnis, die Römer hätten anstelle von Ludwig in dieser Versammlung den Termin der Kaiserkrönung bestimmt,743 führte zu einer Überbewertung der Rolle der Römer in dieser Versammlung und im Hinblick auf die Kaiserkrönung.
739 Gregorovius, Geschichte, Bd. 6, 1867, S. 143, Anm. 1, zitiert Burgundus nach der Wiedergabe bei Michael Conradus Curtius, Commentarii de senatu Romano post tempore reipublica liberae, Halle 1768, S. 395. 740 Abraham Bzovius, Annalium ecclesiastici post Caesarium Baronium tomus XIV: Ab anno 1300 usque ad annum 1378, Köln (Bötzer) 1618. Vgl. Andreas Kraus, Die Annales ecclesiastici des Abraham Bzovius und Maximilian I. von Bayern, in: Erwin Iserloh und Konrad Repgen (Hgg.), Reformata Reformanda. Festgabe für Hubert Jedin, Bd. 2, Münster 1965, S. 253 – 303, und ders., Das Bild Ludwigs des Bayern in der bayerischen Geschichtsschreibung der frühen Neuzeit, in: ZBLG 60 (1997), S. 5 – 69; Alois Schütz, Geschichtsschreibung am Hofe Kurfürst Maximilians I. von Bayern, in: Wittelsbach und Bayern II/1: Um Glauben und Reich. Kurfürst Maximilian I. Beiträge zur Bayerischen Geschichte und Kunst 1573 – 1657, München/Zürich 1980, S. 330 – 340; Hans Härtl, Der publizistische Kampf um die Rehabilitierung Ludwigs des Bayern, in: Wittelsbach und Bayern II/2: Um Glauben und Reich. Kurfürst Maximilian I. Katalog der Ausstellung in der Residenz in München 12. Juni – 5. Oktober 1980, München/Zürich 1980, S. 218 – 221. 741 Riezler, Widersacher, 1874, S. 47; Tesdorpf, Römerzug, 1885, S. 40: »In derselben Versammlung erteilt ihm das Volk die Kaiserkrone«; ähnlich Kölmel, Regimen christianum, 1970, S. 557: Ludwig sei vom römischen Volk zum Senator und Stadtherrn ernannt worden, »nachdem er zugestimmt hatte, sich vom römischen Volk krönen zu lassen«. 742 Bock, Reichsidee, 1943, S. 253: »Ludwig ließ seinen Willen, die Krone von dem römischen Volk in Empfang zu nehmen, bei der Versammlung auf dem Kapitol durch den Bischof von Aleria mitteilen«; Berg, Italienzug, 1987, S. 169; Hundt, Ludwig der Bayer, 1989, S. 189; Miethke, Art. Ludwig IV., in: TRE 21 (1991), S. 484, Z. 8 – 9; Pauler, Könige, 1997, S. 155. 743 Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 178; Chroust, Romfahrt, 1887, S. 114; Thomas, Ludwig der Bayer, 1993, S. 206.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
Dabei stellen auch andere Chronisten die Versammlung im wesentlichen so dar wie Villani. Die Übereinstimmungen der zeitlich nah an den Ereignissen geschriebenen Chronaca Sanese von Andrea Dei mit Villanis Chronik sind sehr groß; im Unterschied zu Villani, und damit nicht notwendigerweise falsch, datiert Andrea Dei die Versammlung auf den 15. Januar (Freitag) und läßt die Römer Ludwig zum Signore anstatt zum Capitano del popolo machen.744 Die übereinstimmenden Angaben dieser beiden hochrangigen Quellen verdienen daher Glaubwürdigkeit. Auch die Storie Pistoresi berichten lediglich davon, daß die Römer Ludwig die Stadtherrschaft übertragen haben.745 Albertino Mussato nennt zwar die näheren Umstände der Versammlung nicht und stellt den Einzug Ludwigs in Rom so dar, als ob er direkt zum Kapitol, dem Ort der Volksversammlung, geführt hätte. Aber auch nach Mussato bereiteten die Römer Ludwig einen begeisterten Empfang, und wie bei Villani galten ihre Zurufe bei seiner Ankunft auf dem Kapitol ausdrücklich dem König der Römer und nicht einem Kaiser: »So nahm denn Ludwig unter den Hochrufen des Volkes, das den Namen und Titel des römischen Königs pries und ihn jauchzend hochleben ließ, mit seiner Gemahlin seinen Sitz auf dem Kapitol; dem Volk aber, ob vornehm oder einfach, gestand er zu, über die Angelegenheiten des Reiches zu beraten und das Erforderliche zum Wohl des Staatswesens auszuführen.«746
Der Frühhumanist Mussato betont auch an dieser Stelle stärker als andere die Bedeutung der Römer für Ludwigs Politik. Zum Abschluß seines Ludovicus Bavarus diskutiert Mussato die Rechtmäßigkeit von Ludwigs Kaiserwürde, die er im Ergebnis bestreitet, und nennt unter den Gründen, die dafür sprechen könnten, daß Ludwig rechtmäßig Kaiser sei, daß Ludwig von einer Versammlung des römischen Volkes gebilligt und anerkannt worden sei.747 Ludwig der Bayer selbst hat diese Versammlung in keinem Dokument er744 Cronica Sanese di Andrea Dei, in: RIS, Bd. 15, 1729, Sp. 79D: »A d' 7. di Gennaro l’Imperadore entrk in Roma con tutta sua gente con grande onore; e a d' 15. di Gennaro tenne parlamento in Campidoglio, e ine si levk il Vescovo d’Allera di Corsica, e disse belle e grandi parole per parte dello Imperadore, e ine fu fatto Signore, e Sanatore di Roma per lo Popolo di Roma, nissuno discordante.« 745 Storie Pistoresi, cap. 67, ed. Barbi, 1907 – 1927, S. 116, Z. 5 – 6: »Come lo Bavaro fu in Roma, fue per li Romani messo nel palagio di Campidglio per lo piF bello, piF forte, e piF honorato luogo di Roma, & incontenente hebbe la Signoria di tutto«. 746 Mussato, ed. Böhmer, 1843, S. 174 – 175: »Sicque Ludovici Romanorum regis nomen ac titulum, vociferante populo, illum vivere ac regnare, in Capitolium ipse reginaque pariter consedere, concessa populo plebique Romanorum de rebus imperii potestate consulendi, efficiendique quicquid ad statum reipublice pertineret«. Die Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 33 – 34. 747 Mussato, ed. Böhmer, 1843, S. 188: »[…] populi Romani concione laudatum approbatum fuisse«.
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Ludwigs römische Volksversammlung auf dem Kapitol
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wähnt. Aber Papst Johannes XXII. äußerte sich in zwei Bullen darüber. In seinem achten Prozeß gegen Ludwig, Dudum per facti vom 31. März 1328, erklärte Johannes XXII. die Unrechtmäßigkeit der Kaiserkrönung und mißbilligte darin auch, daß die Römer Ludwig die Stadtherrschaft und die Senatur übertragen hätten. Johannes XXII. stellte aber keinen Zusammenhang zwischen der Versammlung vom 11. Januar und Ludwigs Kaisertum oder Kaiserkrönung her.748 Ähnlich äußerte er sich im Prozeß Quamquam nobis molestum gegen die Römer vom selben Tag.749 Indem das römische Volk Ludwig zum Senator der Stadt ernannte, demonstrierte es, daß es über die Stadtherrschaft verfügte, die der Papst für sich beanspruchte. Das Recht auf die Ernennung von römischen Senatoren hatten sich die Päpste zudem seit Nikolaus III. ausdrücklich vorbehalten. Im Zusammenhang mit der Versammlung vom 11. Januar hat Johannes XXII. allein dies in seinen Prozessen als Anmaßung der Römer verurteilt. Die Römer selbst haben in den Versöhnungsverhandlungen mit dem Papst nach dem Abzug Ludwigs aus Rom ebenfalls lediglich bekannt, Ludwig die Senatur und die Stadtherrschaft übertragen zu haben.750 Von einer Handlung, die als Übertragung des Kaisertums hätte gelten sollen, war keine Rede. Wenn es einen solchen Akt gegeben hätte, mit dem die Römer so schwerwiegend gegen die Ansprüche des Papsttums verstoßen hätten, wäre es kaum möglich gewesen, ihn weitere zwei Jahre zu verbergen. Zusammenfassend ist festzustellen, daß Annahmen, nach denen die versammelten Römer Ludwig dem Bayern am 11. Januar 1328 in einer förmlichen oder rechtlich relevanten Weise kaiserliche Rechte oder die Kaiserwürde übertragen oder diese legitimiert hätten oder sie ihn mit dem Anspruch, es rechtlich oder politisch zu vermögen, sogar förmlich zum Kaiser gewählt hätten, durch die Quellen nicht bestätigt werden können. Diese Annahmen sind auch nicht mit Ludwigs früheren Aussagen in Einklang zu bringen, in denen er seine kaiserlichen Rechte und seinen Anspruch auf die kaiserliche Würde und den Titel auf die Wahl durch die Kurfürsten zurückführt. In den Schreiben, die Ludwig auf dem Weg nach Rom verfaßt hat, finden sich ebenfalls keine Hinweise auf eine 748 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 427, S. 328 – 334, hier § 5, S. 331, Z. 45 – 47: »Dominium insuper, senatum seu regimen civitatis eiusdem eidem Ludovico tanquam regi seu imperatori usque ad annum donavit et concessit seu ad illum eundem Ludovicum assumpsit populus antedictus«. 749 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 428, S. 335 – 337, hier S. 335, Z. 43 – S. 336, Z. 7. 750 Das Schuldbekenntnis ist überliefert als Insert in dem Schreiben Papst Johannes’ XXII. an die Römer vom 15. Februar 1330, in dem er ihnen mitteilt, daß sie wieder in die Kirche aufgenommen werden, gedruckt bei Theiner, Codex Diplomaticus, Bd. 1, 1861, Nr. 746, S. 570a-573a, hier S. 570b: »Ad hec recognoverunt dicti Ambaxiatores et Syndici vestro quo supra nomine, et confessi fuerunt ulterius, quod vos dicto L[udovico] heretico de facto, cum de iure non possetis, Senatum et dominium Urbis ad certum tempus concessistis«. Im Auszug bei Rinaldi, ad a. 1330, Nr. 40 – 42, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 450a-451b.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
besondere, eine legitimierende oder konstituierende Rolle, die Ludwig den Römern zugedacht oder zugebilligt hätte. Vielmehr beruhte Ludwigs Entscheidung, die Römer in die Ausgestaltung seiner Kaiserkrönung einzubeziehen, vor allem auf praktischen politischen Motiven. Die Römer waren nun anstelle des Papstes oder des in dessen Auftrag regierenden König Roberts von Neapel die Stadtherren. Als solchen mußte Ludwig ihnen gegenübertreten. Sie waren vor allem auch, anstelle des Papstes, die Gastgeber für seine Kaiserkrönung. Ein gutes Einvernehmen mit ihnen mußte für Ludwig erwünscht sein, gerade vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die sein Vorgänger Heinrich VII. sechzehn Jahre zuvor mit einem ihm mehrheitlich feindlich gegenüberstehenden römischen Volk gemacht hatte. Das galt für den vom Papst exkommunizierten und als unrechtmäßig erklärten König Ludwig umso mehr. In seiner politischen Lage mußte Ludwig sich jedes Verbündeten versichern, der sich ihm anbot. Diese gemeinsame Gegnerschaft von Ludwig dem Bayern und seinen Anhängern und der römischen Faktion, die erfolgreich gegen Robert von Neapel rebelliert hatte, zu Papst Johannes XXII., machte deren Bündnis möglich.
5.7
Der Verlauf der Kaiserkrönung
Auch bei der Kaiserkrönung selbst zeigt sich, wie Ludwig der Bayer die Römer in seine Politik einbezieht. Die der Krönung zeitlich nächste Quelle ist ein Brief Castruccio Castracanes, des wichtigsten Verbündeten Ludwigs in Italien.751 Mit dem Datum des Krönungstages gibt Castruccio in einem Rundschreiben an die Städte Oberitaliens bekannt, »daß der hochweise Fürst und unser Herr, der Herr Ludwig, begünstigt durch göttliche Barmherzigkeit Kaiser der Römer und allzeit Mehrer des Reiches, und die erlauchte Kaiserin der Römer an diesem Sonntagmorgen durch das römische Volk nach altem Brauch (iuxta ritum antiquum) in der Basilika des heiligen Petrus von Rom mit dem wunderbaren Kultus der Verehrung und Ehrerweisung mit den kaiserlichen Diademen gekrönt wurden«.752 751 Zum Leben und zur Bedeutung Castruccio Castracanes vgl. Friedrich Winkler, Castruccio Castracani, Herzog von Lucca (Historische Studien 9), Berlin 1897, Ndr. Vaduz 1965; Theodor E. Mommsen, Castruccio Castracane and the Empire, übers. von Eugene and Charlotte Rice, in: ders., Medieval and Renaissance Studies, hrsg. von Eugene F. Rice, Ithaca/New York 1959, S. 19 – 32; Louis Green, A Study on the Origins and Character of a Fourteenth-Century Italian Despotism, Oxford 1986; Das Leben Castruccio Castracanes aus Lucca, beschrieben von Niccolk Machiavelli und zugeeignet seinen besten Freunden Zanobi Buondelmonti und Luigi Alamanni, übersetzt und mit einem Essay – Zur Ästethik der Macht – herausgegeben von Dirk Hoeges, München 1998. 752 Finke, Nachträge, 1933, Nr. 34, S. 476 – 478, hier S. 477: »Ea propter sinceritati vestre ad
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Der Verlauf der Kaiserkrönung
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Castruccio nennt in seiner Benachrichtigung keine weiteren Einzelheiten. Der Leser erfährt nichts genaueres über Ludwigs Koronatoren, nur daß das »römische Volk« an der Krönung beteiligt wurde. Castruccio betont jedoch, daß die Kaiserkrönung iuxta ritum antiquum vollzogen worden sei. Was ist damit gemeint und worauf genau bezieht sich Castruccios Hinweis? In der Forschung sind zwei unterschiedliche Antworten gegeben worden. Die eine Interpretation lautet, daß die Kaiserkrönung im Grundsatz einem mittelalterlichen Krönungsordo folgte.753 Die Vertreter der anderen Interpretation sehen darin hingegen einen Hinweis auf eine Wiederaufnahme antiker römischer Kaisererhebungen. Danach wäre Castruccio so zu lesen: Ludwig sei vom römischen Volk, wie es antiker Brauch war, gekrönt worden.754 Gemeint seien mit ritus antiquus »nicht bestimmte Zeremonien, sondern allgemein die Tatsache, daß wie in alten Zeiten nicht der Papst, sondern das Volk den Kaiser krönt.«755 Diese Textinterpretation, die weitreichende Folgen für die Bewertung der Kaiserkrönung und Ludwigs Auffassung vom Kaisertum hätte, kann jedoch kaum angemessen sein. Zunächst wäre für einen mittelalterlichen Autor ungewöhnlich, antiquus mit der Bedeutung »antik«, im Sinne der modernen historischen Epocheneinteilung also auf das Altertum bezogen, zu verwenden. Von Kaisererhebungen in der Form einer Krönung kann das antike Rom auch kein Beispiel geben, auch das mittelalterliche Geschichtsbild über diese Zeit enthielt eine solche Vorstellung nicht. Dagegen erwähnt Castruccio unter den wenigen Einzelheiten gerade solche, die die Befolgung des mittelalterlichen Krönungsbrauchs belegen, nämlich die rechte Krönungszeit (am Sonntagmorgen) und den rechten Krönungsort (in St. Peter). Die »alte Brauch« bezieht sich daher, wie es auch philologisch näherliegend ist, auf den nachfolgenden Teil des Satzes, nämlich auf St. Peter als Krönungsort, und nicht auf die vorangestellte römische. Mit dem rechten Krönungsort wurde wieder an den alten Krönungsbrauch angeknüpft, der bei Ludwigs Vorgänger, Kaiser Heinrich VII., der in San Giovanni in Lateiocunditatis cumulum nonciamus, quod serenissimus princeps et dominus noster dominus Ludovicus divina favente clemencia Romanorum imperator et semper augustus et inclita Romanorum imperatrix isto dominico mane per Romanum populum iuxta ritum antiquum in basilica sancti Petri de Urbe cum mirifico veneracionis et honorifficencie cultu imperiali sunt diademate coronati«. Schon bei Winkelmann, Acta imperii, Bd. 2, 1885, Nr. 1131, S. 794 – 795, und wiederabgedruckt in MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 383, S. 285 – 286, aber nach einer fehlerhaften Handschrift des 15. Jahrhunderts. Finke benutzt eine ältere Handschrift aus dem 14. Jahrhundert, die besser als Winkelmanns ist, wenngleich auch nicht fehlerlos. 753 Chroust, Romfahrt, 1887, S. 116; Matthias, Beiträge, 1908, S. 23. 754 Dupr8 Theseider, Roma, 1952, S. 468; Thomas, Ludwig der Bayer, 1993, S. 206, übersetzt antiquus mit »antik« und stellt den Satz in seiner Übersetzung um, womit er ihm einen anderen Sinn gibt: Der Kaiser und die Kaiserin seien »in der Basilika des hl. Petrus nach antikem Ritus durch das römische Volk« gekrönt worden. 755 Sperling, Studien, 1918, S. 47.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
rano gekrönt wurde, nicht befolgt wurde. Castruccio läßt die Beteiligung des römischen Volkes also nicht als dem alten Brauch gemäß erscheinen. Castruccio setzt seine Darstellung der Krönung noch mit einer bemerkenswerten, oft übersehenen Notiz fort: »[…] unter den verwendeten Feierlichkeiten waren sowohl solche, die in jetzigen Zeiten angemessen sind, als auch solche, die man in früheren Zeiten zu befolgen pflegte.«756 Die Verwendung von »Feierlichkeiten früherer Zeiten« korrespondiert mit der Befolgung des »alten Brauchs«.757 Während also die in früheren Zeiten befolgten Bräuche die Kaiserkrönungstraditionen des Mittelalters bis zu Heinrich VII. sind, sieht Castruccio mit der Kaiserkrönung Ludwigs neue Zeiten anbrechen, die sich im veränderten Zeremoniell erkennbar und angemessen niederschlagen. Keine andere Quelle weist so ausdrücklich auf die neuen Elemente in der Kaiserkrönung Ludwigs des Bayern hin. Worin genau diese neuen Elemente bestanden, abgesehen von der Beteiligung des römischen Volks, teilt Castruccio den Pisanern und uns nicht mit. Ebenfalls unausgesprochen bleibt, in welchem Verhältnis neue und alte Elemente der Kaiserkrönung zueinander standen.758 Überliefert sind auch zwei Briefe der Kaiserin über ihre und Ludwigs Kaiserkrönung an den Abt von Egmond und ihre Mutter. Auch sie betont die Verwendung der herkömmlichen Zeremonien bei der Kaiserkrönung. Auf die abweichenden Elemente weist sie im Unterschied zu Castruccio jedoch nicht hin. Sie berichtet dem Abt von Egmond am 14. März, »daß wir in Rom am 17. Januar, nämlich an dem Sonntag, an dem das ›Omnis terra‹ gesungen wird, unter vielen Ehrerbietungen, hohen Würden, Jubel und den vielen übrigen Bräuchen, wie Flötenspiel und festlichem Schmuck, die dabei besonders beachtet werden und üblich sind, in der Kirche des heiligen Petrus mit dem kaiserlichen Diadem prachtvoll gekrönt worden sind.«759 756 Finke, Nachträge, 1933, Nr. 34, S. 477: »[…] servatis solennitatibus tam hiis, que modernis temporibus conveniunt, quam hiis, que pristinis consueverunt temporibus observari.« 757 Diese Korrespondenz sieht auch Dupr8 Theseider, Roma, 1952, S. 468, der jedoch die »Feierlichkeiten früherer Zeiten« wie den »ritus antiquus« auf die Antike bezieht. In den »Feierlichkeiten jetziger Zeiten« sieht er eine Anspielung auf die Krönung Heinrichs VII. von 1312. 758 Kaufhold, Galdius spiritualis, 1994, S. 104, gibt Castruccios Brief mit den Worten wieder, er habe in der Krönung »einen ausgeglichenen Tribut an die Erfordernisse der Modernität wie an die einer alten Tradition« erkannt. 759 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 422, S. 325 – 326, hier S. 326, Z. 15 – 22: »[…] quod in Urbe XVII. die Ianuarii mensis videlicet Dominica qua cantatur ›Omnis terra‹ multis honoribus et dignitatibus, tripudiis, cerimoniis et ceteris quam plurimis fistulis et ornatibus ad hoc spectantibus specialiter et consuetis, in ecclesia beati Petri cesareo et imperiali dyademate fuimus magnifice coronate.« Zuvor gedruckt in: FRG, Bd. 1, ed. Böhmer, 1843, Briefe Ludwigs des Bayern, Nr. 9, S. 202 – 203; Wilhelm von Egmond, ed. Pijnacker Hordijk, 1904, S. 232 – 233; Böhmer/Ficker, RI. Additamentum tertium, 1865, Reichssachen, Nr. 421, S. 416.
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Der Verlauf der Kaiserkrönung
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In dem weitgehend gleichlautenden, aber etwas kürzeren Brief der Kaiserin an ihre Mutter erwähnt sie die »gebotenen und gewohnten« Zeremonien,760 was ebenso dafür spricht, daß Margarete die Ausrichtung an der traditionellen Form der Kaiserkrönung betonen und mitteilen wollte. Dasselbe Begriffspaar hatte Ludwig verwendet, um in dem Brief vom 20. Juni 1327 an seinen Schwiegervater die Feierlichkeit seiner Krönung in Mailand zu beschreiben.761 Noch weniger als Castruccio sagt die Kaiserin über die Koronatoren. Sie werden von ihr – wie von vielen anderen Quellenautoren auch – gar nicht erwähnt. Auch in einigen erzählenden Quellen wird explizit darauf hingewiesen, daß die Kaiserkrönung mit der gewohnten Feierlichkeit vollzogen wurde. Deutlich wird in der zweiten bayerischen Fortsetzung der Sächsischen Weltchronik (1315 – 1348) über Ludwig gesagt: »[…] kom er gen Rom mit grozzen eren und in sand Peters muenster .n alle arbait und ward da gewaicht zu kaiser, als ein kaiser zu recht gewaicht solt werden.«762 Auch zwei italienische Chroniken äußern sich ähnlich. In der Sieneser Chronik des Andrea Dei heißt es: »Und am Sonntag, den 17. Januar, krönte man den Kaiser und die Kaiserin mit großer Festlichkeit und alter Feierlichkeit«.763 In den Storie Pistoresi wird gesagt: »Wenige Tage darauf nahm der Bayer die goldene Krone in St. Peter, wie es von den Kaisern dem Brauch gemäß zu tun ist; bei dieser Krönung ehrten die Römer ihn sehr.«764 Und der Fortsetzer der Chronik des Wilhelm von Nangis schreibt: »Als die römischen Bürger das hörten [daß Ludwig nach Rom kommen würde], waren sie über alle Maßen erfreut und liefen Ludwig bei dessen Einzug mit Prunk und ungeheuer großer Freude entgegen. Sowohl der Klerus als auch das Volk geleiteten ihn mit Hymnen und Gesängen bis zur Kirche des heiligen Petrus; mit Zustimmung aller wurde er imperator semper Augustus genannt. Und so geleiteten sie ihn, nachdem das ganze Geheimnis vollbracht war, das bei der Krönung der Kaiser zu geschehen pflegt, zum kaiserlichen Palast.«765 760 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 423 (ohne Datum), S. 325 – 326, hier S. 326, Z. 8 – 13: »[…] quod in urbe Romana XVII. die mensis Ianuarii multis dignitatibus, tripudiis, cerimoniis et quam plurimis ornatibus ad hoc debitis et consuetis in ecclesia beati Petri fuimus imperiali diademate coronate.« 761 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 310, S. 219 – 220, hier S. 220, Z. 1 – 3: »Nam coronationem nostram in die Pentecostes nunc preterito Mediolani cum multa festivitate peregimus et celebravimus exhibitis omnibus solemnitatibus debitis et consuetis.« 762 Zweite Bairische Fortsetzung der Sächsischen Weltchronik, ed. Weiland, 1877, S. 338, Z. 19 – 21. 763 Cronica Sanese di Andrea Dei, in: RIS, Bd. 15, 1729, Sp. 79D: »E la domenica a d' 17. Gennaro si coronk l’Imperadore, et l’Imperadrice con grande festa, e sollenit/ antiche«. 764 Storie Pistoresi, ed. Barbi, 1907 – 1927, (2RIS, Bd. 11/5), S. 116, Z. 9 – 11: »Inde a pochi d' lo Bavaro prese la corona dell’oro in San Piero, come H d’usanza farsi per l’imperadori; nella quale coronazione li Romani l’onorarono molto.« 765 Continuationis chronici Guillelmi de Nangiaco pars altera (1317 – 1340), ed. G8raud, 1843, S. 86 – 87: »Quod audientes cives Romani ultra modum gavisi sunt, et eidem venienti cum
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
Auch in diesen Quellen geht die Betonung der Beachtung der gewohnten Feierlichkeiten damit einher, die Koronatoren nicht zu nennen. Der Nachdruck, den so viele Quellenautoren darauf legen, daß die gewohnten Zeremonien befolgt wurden, rechtfertigt die Frage, inwieweit man sich bei Ludwigs Kaiserkrönung an einen Kaiserkrönungsordo gehalten hat.766 Becker vermutet den von Reinhard Elze sogenannten Ordo XVII767 als wahrscheinliche Grundlage der Krönungshandlungen,768 der ebenfalls – mit Änderungen wegen der Abwesenheit des Papstes – als Grundlage für die Kaiserkrönungen Heinrichs VII. 1312 und Karls IV. 1355 diente.769 Im folgenden soll – soweit es die Quellen zulassen – untersucht werden, wieweit bei Ludwigs Kaiserkrönung dieser Ordo und andere Traditionen eingehalten und inwiefern davon abgewichen wurde.770 So wie feierliche Handlungen, insbesondere Krönungen, im Mittelalter dazu dienten, »Ideen und Rechtsbegriffe sinnlich darzustellen«,771 so weisen Änderungen am Zeremoniell von Krönungen auch auf die Änderungen von politischen Ideen und rechtlichen Vorstellungen hin und lassen diese gegebenenfalls erkennen. Eine ideelle Kaiserkrönung nach Ordo XVII enthält – in ausgewählter und knapper Darstellung – die folgenden Stationen und Elemente: Der zum Kaiser bestimmte König und seine Gemahlin werden bei ihrem Einzug in die Stadt vom römischen Klerus eingeholt und in einem feierlichen Krönungszug zum Platz vor der Petersbasilika geleitet, wobei der römische Stadtpräfekt das Schwert des künftigen Kaisers trägt. Auf dem Platz geleiten ihn die römischen Senatoren, sein Pferd am Zügel führend, bis zu den Stufen der Peterskirche.772 Auf dem obersten Absatz der breiten Treppe vor St. Peter erwartet der Papst, auf einem Thron sitzend, den König. Der König entbietet dem Papst kniend den Fußkuß und wird daraufhin zu gegenseitigem Kuß und Umarmung empfangen.773
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apparatu et ingenti gaudio ocurrerunt. Quem cum hymnis et canticis usque ad ecclesiam sancti Petri tam clerus quam populus perducentes, assensu omnium, imperator semper Augustus est nominatus: et sic consummato toto mysterio quod in coronatione imperatorum consuetum est fieri, eum ad imperiale palatium perduxerunt.« Vgl. Sperling, Studien, 1918, S. 47. Elze (Hg.), Ordines, 1960, S. 61 – 69. Becker, Kaisertum, 2002, S. 122 – 123 mit Anm. 10. Mit den Weisungen des Papstes für die Kaiserkrönung Heinrichs VII. in MGH Const. IV/1, Nr. 644, S. 606 – 613, mit Übersetzung in Weinrich, Quellen, 1983, S. 245 – 251 (nicht ganz vollständig). Ein Vergleich wurde bisher nicht durchgeführt. Gregorovius, Geschichte, Bd. 6, 1867, S. 146, geht mit seinem Vertrauen auf die Anwendung des Ordos allerdings ungerechtfertigterweise so weit, bei seiner Darstellung von Ludwigs Krönung die Berichte der Quellen anhand der Vorschriften der Ordines zu ergänzen. Johannes Haller, Die Formen der deutsch-römischen Kaiserkrönung, in: QFIAB 33 (1944), S. 49 – 100, hier S. 49. Ordo XVII, § 1 – 2, ed. Elze, 1960, S. 62, Z. 10 – 20. Ordo XVII, § 3 – 4, ed. Elze, 1960, S. 62, Z. 21 – 34.
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Dann ziehen Papst und König zunächst in die Kapelle Sancta Maria in Turribus, die sich im Eingangsbereich des vor der Hauptkirche befindlichen Atriums befand, wo der König dem Papst die Eide leistete. Deren Inhalt war zum einen der Schutz des Papstes und der römischen Kirche und zum anderen der Verzicht auf Eingriffe in deren Besitzungen und Rechte.774 Der Papst schreitet nun zum Hochaltar von St. Peter voran, während der König in der Kapelle von den Kanonikern in das Kapitel von St. Peter aufgenommen wird. Danach wird er vom Pfalzgraf vom Lateran und vom Primicerius der römischen Richter zu den verschiedenen Stationen der Weihegebete und der Salbung in der Basilika begleitet. Die Konsekratoren sind die drei ranghöchsten Kardinäle, die suburbikarischen Kardinalbischöfe von Albano, Porto und Ostia, die in dieser Reihenfolge die Weihegebete für den Kaiser sprechen. Dem ranghöchsten unter ihnen, dem Kardinalbischof von Ostia, fällt zudem die Salbung des Kaisers zu, die am kleineren, an der Seite befindlichen Mauritiusaltar vorgenommen wird.775 Nun beginnt die Messe, die der Papst zelebriert. Nach der Epistellesung und vor dem Evangelium findet die Übergabe der Krönungsinsignien statt, die Krönungszeremonie im engeren Sinne. Der Papst als Koronator setzt dem König zunächst die geistliche Mitra und darauf die Krone aufs Haupt und übergibt dann die weiteren Insignien, nämlich das Zepter, den Reichsapfel und nach den übrigen Insignien schließlich das Reichsschwert.776 Nach dem Ende der Messe empfängt der Kaiser den Segen des Papstes und eilt ihm dann voraus, um ihm den Steigbügeldienst zu leisten. Sie reiten gemeinsam bis zur Kirche Santa Maria in Transpondina unweit der Engelsburg, wo sie sich nach einem gegenseitigen Kuß nicht im Herzen, wie der Ordo mahnt, sondern nur körperlich voneinander trennen.777 Unter den vielen zeitgenössischen Chroniken, die die Kaiserkrönung Ludwigs des Bayern erwähnen, gibt es nur vier Chroniken,778 die auch Einzelheiten über den Verlauf der Krönungsfeierlichkeiten berichten: An erster Stelle steht die Chronik des Florentiners Giovanni Villani, dazu heranzuziehen ist die von ihr völlig abhängige Chronik von Siena, die Agnolo di Tura del Grasso zugeschrieben wird. Diese Chronik hat deswegen ihren Wert, weil Villani in manchen 774 Ordo XVII, § 5 – 6, ed. Elze, 1960, S. 62, Z. 35 – S. 63, Z. 19. 775 Ordo XVII, § 7 – 17, ed. Elze, 1960, S. 63, Z. 20 – S. 65, Z. 32. Die Mitwirkung von drei Bischöfen – neben dem Papst – entspricht den Vorschriften der Kaiserkrönungsordines seit dem 10. Jahrhundert. Vgl. Eichmann, Kaiserkrönung, Bd. 1, 1942, S. 287, und Bd. 2, 1942, S. 221. 776 Ordo XVII, § 18 – 27, ed. Elze, 1960, S. 65, Z. 33 – S. 67, Z. 8. 777 Ordo XVII, § 31, ed. Elze, 1960, S. 68, Z. 16 – 23. 778 Die Chronik des Anonimo Romano, in der vielleicht ein genauerer Bericht zu erhoffen gewesen wäre, ist gerade an dieser Stelle Fragment.
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Punkten etwas unklar bleibt, die Chronik Agnolo di Turas aber gelegentlich eine klarere Darstellung liefert, die mit Gewinn für das Verständnis von Villanis Text herangezogen werden kann. Die dritte historiographische Quelle ist die von Andrea Dei verfaßte Chronik aus Siena. Schließlich soll die aus Bayern stammende Chronica Ludovici imperatoris quarti untersucht werden. Villani berichtet: »Wie Ludwig von Bayern sich durch das römische Volk zu dessen König und Kaiser krönen ließ: Im genannten Jahr, am 17. Januar 1327, wurde der erwählte römische König, Herzog Ludwig von Bayern, zu St. Peter in Rom unter großen Ehren und lautem Jubel, wie wir nachher gleich noch erzählen werden, gekrönt, nämlich in folgender Weise: Des Morgens brachen er und seine Gemahlin und sein ganzes Kriegsvolk von Santa Maria Maggiore, wo er bis dahin residierte, auf und zogen nach St. Peter. Voran ritten je vier Römer von jedem Stadtbezirk als Bannerträger, die Pferde mit kostbaren Tüchern behangen, und viel anderes fremdes Volk. Alle Straßen aber waren rein gefegt und voll von Myrten und Lorbeeren, und vor jedem Haus hingen mancherlei Kostbarkeiten, Zierat und die schönsten Tücher, die die Bewohner besaßen, herab.«779
Der Krönungszug Ludwigs des Bayern wird von dem Guelfen Villani als festliches Ereignis beschrieben. Allerdings fallen sogleich die Unterschiede zum Ordo auf, da nicht der Klerus der Stadt dem Krönungszug voranschritt, wie es der Ordo forderte,780 sondern 52 Bannerträger aus den 13 Stadtbezirken Roms.781 Der größte Teil des Klerus von Rom hatte die Stadt bei Ludwigs Ankunft verlassen, da Rom seitdem unter dem Interdikt des Papstes lag.
779 Villani, Buch 11, Kap. 56, Überschrift und Z. 1 – 12, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 584: »Come Lodovico di Baviera si fece coronare per lo popolo di Roma per loro re e imperadore. Nel detto anno MCCCXXVII, domenica d' XVII gennaio, Lodovico duca di Baviera eletto re de’ Romani fu coronato a Santo Pietro di Roma con grandissimo onore e trionfo, come diremo appresso; cioH ch’egli e la moglie con tutta sua gente armata si partirono la mattina di Santa Maria Maggiore, ove allora abitava, vegnendo a Santo Pietro, armeggiandogli innanzi IIII Romani per rione con bandiere, coverti di zendado i loro cavagli, e molto altra gente forestiera, essendo le vie tutte spazzate e piene di mortella e d’alloro, e di sopra a ciascuna casa tese e parate le piF belle gioie e drappi e ornamenti che avessono in casa.« Die Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 115 – 116. 780 Ordo XVII, § 1, ed. Elze, 1960, S. 62, Z. 10 – 15: »Cum rex in imperatorem electus pervenerit ad portam Collinam, que est iuxta castellum Crescentii, recipiatur honorifice a clero urbis cum crucibus et thuribulis, et processionaliter deducatur usque ad gradus basilice sancti Petri, cantantibus universis ›Ecce mitto angelum meum‹ etc.« 781 Gregorovius, Geschichte, Bd. 6, 1867, S. 146, spricht von 56 Bannerträgern; Wüstenfeld, Beiträge, 1883, Nr. 85, S. 657, gibt 40 Bannerträger an. Vgl. zu den rioni Christian Hülsen, Le chiese di Roma nel medio evo. Cataloghi ed appunti, Florenz 1927, Ndr. Hildesheim/New York 1975, S. 26, zitiert einen Turiner Katalog von circa 1320: »In Urbe sunt tredecim regiones, que corrupto et vulgari vocabulo dicuntur Rioni«; Richard Krauthammer, Rome. Profile of a City. 312 – 1308, Princeton 1980, S. 156.
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Villani fährt fort: »Wie er gekrönt wurde und wer ihn krönte, werden wir gleich sehen: Sciarra Colonna, der Volkskapitän gewesen ist, Buccio di Proresso und Orsino (…), die Senatoren gewesen sind, und Pietro di Montenero, ein römischer Ritter, waren in goldbestickte Gewänder gehüllt; außerdem waren, ihn zu krönen, die 52 Vertreter des Volkes dort und der Präfekt von Rom, der stets vor ihm her schritt, wie es seine Würde mit sich bringt; sein Roß wurde geführt von den vier genannten Kapitänen, Senatoren und Rittern und von Giacopo Savelli und Tibaldo di Santo Stazio und vielen anderen römischen Baronen. Auch ließ er vor sich einen rechtsgelehrten Richter schreiten, der den Kaiserordo (ordine dello ’mperio) im Auszug mit sich führte. Und mit diesem Ordo wurde er zu seiner Krönung geleitet.«782
Villani verwendet das Verb »krönen« hier in weitem Sinne. Die Krönung im engeren Sinne, nämlich die Übergabe der kaiserlichen Insignien, wird von Villani tatsächlich nirgends erwähnt und auch nicht, wer sie als Koronator ausführte. Die Verknüpfung der genannten Personen mit Ämtern läßt die Absicht Villanis vermuten, die Führungsschicht der Stadt als an der Krönung repräsentativ beteiligt darzustellen.783 Dabei nimmt Sciarra Colonna als Capitano del popolo die führende Stellung ein. Die namentlichen Angaben, die Villani zu den beteiligten zwei Senatoren macht, müssen jedoch bezweifelt werden.784 Die 782 Villani, Buch 11, Kap. 56, Z. 12 – 25, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 584 – 585: »Il modo come fu coronato, e chi il coronk, furono gl’infrascritti: Sciarra de la Colonna, ch’era stato capitano di popolo, Buccio di Proresso, e Orsino (…) stati sanatori, e Pietro di Montenero cavaliere di Roma, tutti vestiti a drappi ad oro; e co’ detti a coronarlo s' furono de’ LII del popolo, e ’l prefetto di Roma sempre andandogli innanzi, come dice il titolo suo, ed era adestrato da’ sopradetti IIII capitani, sanatori e cavalieri, e da Giacopo Savelli, e Tibaldo di Santo Stazio, e molti altri baroni di Roma; e tuttora si facea andare innanzi uno giudice di legge, il quale avea per istratto l’ordine dello ’mperio. E col detto ordine si giudk alla sua coronazione.« Die Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 116. Vgl. die Cronaca Senese di Agnolo di Tura del Grasso, ed. Lisini/Iacometti, 1939, S. 466, Z. 31 – 38: »Il modo come fu coronato e chi el coronk, cioH, apresso diremo. Sciara de la Colonna che era stato capitano di popolo, Buccio di Proresso e Orsino stati sanatori di Roma, e Pietro di Montenero cavaliere di Roma tutti vestiti a drapi a ore, e co’ li detti a coronarlo vi fu 52 del popolo. El prefetto di Roma senpre andandoli dinanzi, come dice il titulo suo, ed era adestrato senpre da’ sopradetti capitani e cavalieri e da Jacobo Savelli e da Tibaldo di Santo Statio e da molti altri baroni di Roma, e continuo si faceva andare inanzi uni giudice di legie, il quale avea per stratto l’ordine de lo ’nperio e col detto ordine si guidk a la sua coronatione.« 783 Dupr8 Theseider, Roma, 1952, S. 466. 784 Gregorovius, Geschichte, Bd. 6, 1867, S. 146, Anm. 1, behauptet, daß ein »Buccius Proce« und ein »Ursus de filiis Ursi« im »Capitolischen Register« zum Jahr 1324 als Senatoren verzeichnet seien und identifiziert sie mit den von Villani bei dem Krönungszug genannten Senatoren. Wüstenfeld, Beiträge, 1883, S. 657, hält »eben gewesene Senatoren« für besonders geeignet für die Teilnahme an Ludwigs Krönungszug. Diese oder ähnliche Namen finden sich für diese Zeit jedoch weder bei Wüstenfeld, Beiträge, 1883, noch bei Alain de Boüard, Le r8gime politique et les institutions de Rome au moyen .ge (1252 – 1347) (BibliothHque des Pcoles franÅaises d’AthHnes et de Rome, Bd. 118), Paris 1920, noch bei
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amtierenden Senatoren waren seit August 1327 Sciarra Colonna und Giacomo Savelli.785 Der Ritter, den Villani unter den vier durch ihre Kleidung hervorgehobenen Teilnehmern am Krönungszug erwähnt, ist allerdings im Ordo nicht vorgesehen. Die 52 Volksvertreter sind möglicherweise identisch mit den zuvor aufgeführten 52 Bannerträgern aus allen 13 Rionen,786 nur daß Villani sie hier noch einmal in einer anderen Funktion erwähnt. Auffällig ist, daß Villani unter Betonung von dessen besonderer Würde den Präfekt zwar erwähnt, aber nicht berichtet, daß dieser, wie es der Ordo vorschreibt, das Schwert des Kaisers vor sich hertrug.787 Zusätzlich zu den Senatoren, die nach dem Ordo als addextratores das Pferd des Kaisers als Servitium erhalten,788 nennt Villani auch die beiden anderen Personen der zuvor hervorgehobenen Vierergruppe und zwei weitere adlige Römer, die diesen zeremoniellen Dienst ausüben. Der Richter, der dem Krönungszug voranschreitet, könnte der Primicerius der römischen Richter gewesen sein, der im Ordo genannt wird und dessen Aufgabe es ist, gemeinsam mit dem Pfalzgrafen vom Lateran den Kaiser in St. Peter zu den Stationen der Weihe und der Salbung zu geleiten.789 Über die Identität des Buches, das dieser Richter dem Krönungszug vorantrug, gibt es verschiedene Meinungen. Es ist in der Forschung von einer »Reichsordnung«790, einem »Buch der Reichsgesetze«791 oder auch dem Codex
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Alfonso Salimei, Senatori e statuti di Roma del medio evo, Bd. 1: I Senatori. Cronologia e bibliographia dal 1144 al 1447 (Biblioteca storica di fonti e documenti, Bd. 2), Rom 1939, oder bei Sandro Carocci, Baroni di Roma. Dominazioni signorili e lignaggi aristocratici nel duecento e nel primo trecento (Collection de l’8cole franÅaise de Rome 181; Istituto storico italiano per il medio evo, nuovi studi storici 23), Rom 1993. Nach einer Urkunde aus Santa Maria in Via Lata, Gregorovius, Geschichte, Bd. 6, 1867, S. 138 mit Anm. 2; Wüstenfeld, Beiträge, 1883, S. 655. Villani weiß von Sciarra Colonna und Giacomo Savelli als Senatoren nichts. Auch über die 52 Volksvertreter sagt Villani, daß sie sich aus vier Vertretern je Stadtbezirk zusammensetzen. Villani, Buch 11, Kap. 20, Z. 13 – 14, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 543: »[…] consiglio di LII popolani, IIII per rione«; Buch 11, Kap. 55, Z. 3 – 5, S. 581: »[…] LII buoni uomini, chiamati IIII per rione a la guardia del popolo romano«; vgl. auch oben S. 225 und 229. Ordo XVII, § 1, ed. Elze, 1960, S. 62, Z. 16: »[…] prefecto urbis gladium preferente«. Gregorovius, Geschichte, Bd. 6, 1867, S. 146, vermutet deswegen, daß der Präfekt dies auch tat. Ordo XVII, § 2, ed. Elze, 1960, S. 62, Z. 17 – 20: »Cum autem pervenerit ante basilicam in plateam, que Cortina vocatur, dextrandus est a senatoribus usque ad gradus predictos, ubi eo descendente tradendus est equus, cui rex insederat, illis.« Vgl. Eichmann, Kaiserkrönung, Bd. 2, 1942, S. 253. Ordo XVII, § 8, ed. Elze, 1960, S. 63, Z. 26 – 30: »Qui precedentibus illis canonicis et cantantibus ›Petre amas me‹ etc., cum ad ostium basilice principis apostolorum pervenerit, que porta argentea nuncupatur, deducentibus eum hinc inde comite Lateranensis palatii et primicerio iudicium romanorum«. So übersetzen Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 116; Hundt, Ludwig der Bayer, 1989, S. 190. Denselben Ausdruck übersetzen Friedensburg und Lohmer anschließend jedoch mit »in dieser Anordnung«.
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Iustiniani792 die Rede gewesen. Tatsächlich handelte es sich aber um einen Krönungsordo,793 wie die folgende Passage bei Villani ergibt: »Und es fand sich kein Mangel [bei der Krönung], abgesehen von dem üblichen Segen und der Bestätigung des Papstes, der nicht da war, und von dem Pfalzgrafen vom Lateran, der sich aus Rom entfernt hatte, während er gemäß dem Kaiserordo (secondo l’ordine dello ’mperio) den Kaiser stützen muß, wenn er am Hauptaltar von St. Peter das Chrisam nimmt, und die Krone empfängt, wenn sie abgenommen wird; weshalb der Bayer die Vorkehrung traf, Castruccio, dem Herzog von Lucca, den betreffenden Pfalzgrafentitel vorher zu verleihen. Zunächst aber schlug er Castruccio unter großen Feierlichkeiten zum Ritter, hing ihm eigenhändig das Schwert um und legte ihm die Halskette um den Hals. Auch schlug er dann noch viele andere zu Rittern, indem er sie nur mit dem goldenen Stab berührte, und Castruccio schlug sieben aus seinem Gefolge zu Rittern.«794
Villani sagt hier ausdrücklich, daß Ludwigs Krönung gemäß dem Ordo vor sich ging. Nur zwei Mängel, von ganz unterschiedlichem Gewicht, merkt er an: zum einen die Abwesenheit des Papstes, die an dieser Stelle lediglich notiert wird, und zum anderen die weniger schwerwiegende Abwesenheit des amtierenden Pfalzgrafen. Der Inhaber dieser Würde war Benedetto Gaetani, ein Guelfe, der bei Ludwigs Ankunft in Rom die Stadt verlassen hatte. Das war Anlaß für Ludwig den Bayern, einem anderen dessen Aufgaben bei der Kaiserkrönung und auch das Amt zu übertragen. Das zeigt, daß Ludwig der Bayer den Krönungsordo – soweit es unter dem Umstand der Abwesenheit des Papstes möglich war – befolgen wollte, was auch der Guelfe Villani so sah. Villanis Angabe, wonach Castruccio bereits vor Ludwigs Krönung zum Pfalzgrafen des Laterans ernannt worden sei, kann jedoch nicht zutreffen.795 Castruccio selbst berichtet in diesem Rundschreiben, daß er zum Pfalzgrafen ernannt worden sei, nachdem Ludwig gekrönt worden war.796 Dafür sprechen auch die anderen Angaben Villanis. Er 791 792 793 794
Gregorovius, Geschichte, Bd. 6, 1867, S. 146. Thomas, Ludwig der Bayer, 1993, S. 207; Becker, Kaisertum, 2002, S. 122. Matthias, Beiträge, 1908, S. 37, meint, es sei eigens ein »neuer [Ordo] ausgefertigt« worden. Villani, Buch 11, Kap. 56, Z. 25 – 37, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 585: »E non trovando niuno difetto, fuori la benedizione e confirmazione del papa, che non v’era, e del conte del palazzo di Laterano, il quale s’era cessato di Roma, che secondo l’ordine dello ’mperio il doveva tenere quando prende la cresima a l’altare maggiore di Santo Pietro, e ricevere la corona quando la si trae, si providde, innanzi si coronasse, di fare conte del detto titolo Castruccio detto duca di Lucca. E prima con grandissima sollecitudine il fece cavaliere cignendogli la spada colle sue mani, e dandogli la collata; e molti altri ne fece poi cavalieri pur toccandogli co la bacchetta dell’oro, e Castruccio ne fece in sua compagnia VII.« Die Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 116 – 117. 795 So bereits Matthias, Beiträge, 1908, S. 33, und Dupr8 Theseider, Roma, 1952, S. 468. 796 Finke, Nachträge, 1933, Nr. 34, S. 477: »Corona vero suscepta princeps prefatus erga nos magnificencie sue manum aperiens de comitatu sacri Latarani palacii nos et successores nostros imperpetuum [in perpetuum] insignivit, jure cuius dignitatis ipsum ad sanctam
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
verbindet die Ernennung Castruccios zum Pfalzgrafen mit dessen vorausgegangener Erhebung zum Ritter und den anderen Ritterschlägen, die Ludwig und schließlich Castruccio selbst erteilten. Die Ritterschläge finden traditionell jedoch erst nach der Krönung statt.797 Und auch Castruccio berichtet in seinem Schreiben über die Ehre, nach der Krönung als erster von Ludwig zum Ritter geschlagen worden zu sein, und davon, daß er selbst Ritterschläge erteilte.798 Andere Chronisten berichten ebenfalls über die Ritterschläge nach der Krönungszeremonie.799 Es spricht also viel dafür, daß Ludwig nach der Krönung – als Kaiser – die Ritterschläge erteilte und Castruccio erst nachträglich zum Pfalzgrafen vom Lateran ernannte, wenngleich dieser die Rechte und Aufgaben eines Pfalzgrafen bereits bei der Krönungszeremonie ausübte. Villanis macht sehr bestimmte Angaben über die Aufgaben und Rechte des Pfalzgrafen bei der Kaiserkrönung, die sich in keinem Ordo finden, nämlich der Stützung des Kaisers bei dessen Salbung am Mauritiusaltar und das Halten der Krone, wenn der Kaiser sie vorübergehend abnimmt. Der Kaiser soll nach dem Ordo XVII die Krone und den Mantel ablegen, wenn er von seiner Sitzbank aus zum Hauptaltar geht, um dort barhäuptig die Kommunion zu empfangen. Nach der Kommunion soll er die Krone und den Mantel wieder an sich nehmen.800 Der
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uncionem deduximus, suscipientes et tenentes imperiale diadema, quociens fuit de ipsius capite deponendum. Et sic perpetuo hoc ius eiusdem comitatus decrevit competere dignitati et sic in publico promulgavit.« Eichmann, Kaiserkrönung, Bd. 1, 1942, S. 300, S. 303, S. 322; Bd. 2, 1942, S. 40. Finke, Nachträge, 1933, Nr. 34, S. 477: »Preterea supradictus dominus, sicut predixit ante, voluit, quod essemus primus, quem post suam coronacionem milicia decoraret. Cuius in hoc, prout et in omnibus aliis tamquam fidelissimus eius, adquiescentes beneplacito de manu eius militare decus recepimus. Et post modum nos eundem honorem milicie certis nobilibus duximus conferendum.« Agnolo di Tura del Grasso, der auch hier weitgehend Villanis Darstellung übernimmt, berichtet im Unterschied zu diesem auch noch von Ritterschlägen nach der Krönung, ed. Lisini/Iacometti, 1939, S. 467, Z. 12 – 15: »Ma come fu coronato fe’ molti cavalieri di suo paese e Taliani, e fe’ cavalieri molti Sanesi, cioH misser Nicolk di misser Filippo Buonsignori e misser Bartolomeo suo zio de’ nobili di Siena, e molti altri de’ quali non so il nome, che erano Sanesi. Misser Castruccio, poichH fu fatto cavaliere, fe’ sette cavalieri di sua conpagnia.« Cronica Sanese di Andrea Dei, in: RIS, Bd. 15, 1729, Sp. 79D-E: »E fece in quella Festa e Solennit/ grande Cavaliere Castruccio, el quale si fe’ uno vestire di cremisi per lo quale molti de’ Baroni ne mormorano, parendo lo’, che tale vestire non sadesse a lui; e fece ancora l’Imperadore in quella Festa altri Cavalieri Italiani assai, e di Siena gente in grande quantit/. E allora fu fatto Cavaliere Misser Nicolk di Misser Filippo Buonsignori e Misser Bartolomeo suo Zio, e moltri altri.« Ordo XVII, §§ 29 – 30, ed. Elze, 1960, S. 68, Z. 7 – 15: »(29.) Post hec evangelio decantato, imperator corona et manto depositis accedat ad summum pontificem et offerat ad pedes eius aurum quantum sibi placuerit. (30.) Ipsoque pontifice descendente pro perficiendis missarum misteriis ad altare, imperator more subdiaconi offerat ei calicem et ampullam, et stet ibi, donec pontifex ad sedem reversus communicet, sacramque communionem de manu eius suscipiat cum osculo pacis, et sic ad thalamum rediens in ambone resumat mantum pariter et coronam.«
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Pfalzgraf wird hier nicht erwähnt. Und bei seiner Erwähnung als Geleitperson bei der Prozession zu dem Altar, an dem die Salbung stattfinden soll, sieht der Ordo keine weitere Handlung für ihn vor. Villanis Bericht wird aber bestens bestätigt durch Castruccios eigenes Schreiben vom Tag der Kaiserkrönung, in dem er über seine Ernennung zum Pfalzgrafen vom Lateran und seine Mitwirkung am Krönungszeremoniell berichtet,801 und zudem durch Ludwigs Bestätigung dieser Ernennung vom 14. März 1328, die auch im Einzelnen dessen Rechte und Aufgaben aufführt.802 Möglicherweise sind die Rechte und zeremoniellen Aufgaben, die Ludwig Castruccio übertragen hat, durch Gewohnheit überliefert, vielleicht handelt es sich aber auch um neue, die die Stellung des Pfalzgrafen vom Lateran erhöhen sollten. In jedem Fall hat Kaiser Ludwig dieses päpstliche Amt zu einem kaiserlichen Amt gemacht.803 Und das sollte es nach dem Willen Ludwigs, der dieses Amt an Castruccios Nachfahren vererbt sehen wollte, auch bleiben. Ludwigs Bemächtigung der Kaiserkrönung zeigt sich auch in einer weiteren Abweichung vom Ordo. Villani berichtet, daß die Salbung Kaiser Ludwigs am 801 Finke, Nachträge, 1933, Nr. 34, S. 477: »Corona vero suscepta princeps prefatus erga nos magnificencie sue manum aperiens de comitatu sacri Latarani palacii nos et successores nostros imperpetuum [in perpetuum] insignivit, jure cuius dignitatis ipsum ad sanctam uncionem deduximus, suscipientes et tenentes imperiale diadema, quociens fuit de ipsius capite deponendum.« Matthias, Beiträge, 1908, S. 33 – 34, zieht Castruccios Brief irrtümlich als Beleg dafür heran, daß der Verlauf von Ludwigs Kaiserkrönung sich deutlich von der im Ordo festgelegten Weise unterschieden habe: Castruccio habe in seinem Schreiben vom Krönungstag mitgeteilt, daß er nach der Insignienübergabe zum Pfalzgrafen ernannt worden sei und, so Matthias, danach Ludwig zur Salbung geführt habe. Auch Kaiser Ludwigs Bestätigung der Ernennung läßt keine andere Annahme zu, als daß ganz nach dem Ordo – also Weihe, Salbung und Insignienübergabe – verfahren wurde, siehe dazu die folgende Anmerkung. 802 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 415, S. 316 – 317, hier S. 317, Z. 9 – 21: »Declarantes exnunc per hoc nostre serenitatis indultum tibi et predictis successoribus tuis ex predicta comitatus dignitate competere ius assistendi perpetuo benedictioni, sacri unccioni et coronationi successorum nostrorum principum Romanorum et omnibus et singulis ipsius coronationis sollempnitatibus et precipue sociandi et deducendi ipsos Romanos principes tempore coronationis fiende de eis ad sacram unctionem de ipsis fiendam et eosdem Romanorum imperatores successsores nostros tenendi et iuvandi in ipsa sacra unccione et acta ipsius et eadem unccione perfecta eos reducendi et sociandi ad altare et thalamum, prout et quotiens principes expedierit redire. Item ius levandi et tenendi imperiale dyadema de nostro et successorum nostrorum Romanorum principum capite tempore quo imperialis coronationis solempnia celebrantur et etiam quocumque alio tempore, quotiens publice ipsum dyadema expedierit elevari de capite nostro et successorum nostrorum Romanorum principum et reponi«; Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 972, S. 59. Auch in der Bestätigung, die Ludwig Castruccio über dessen Herzogtum Lucca am 15. Februar 1328 ausstellt, wird Castruccio bereits als Pfalzgraf vom Lateran bezeichnet, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 401, S. 300 – 303, hier S. 300, Z. 37. 803 Dies stellt bereits Julius Ficker, Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens, Bd. 2, Innsbruck 1869, Ndr. Aalen 1961, Nr. 265, S. 113, heraus.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
Hauptaltar von St. Peter vorgenommen wurde, und nicht, wie der Ordo vorsieht, am kleineren Mauritius-Altar.804 Am Hauptaltar der Peterskirche empfängt allein der Papst bei seiner Krönung die Weihe.805 Wenn Villanis Angaben zutreffen, hätte Ludwig der Bayer also diesen liturgischen Rangunterschied zwischen Kaiserweihe und Papstweihe zu seinen Gunsten nivelliert. Nach den Ausführungen über Castruccios Ernennung zum Pfalzgrafen vom Lateran wendet sich Villani den liturgischen Krönungsfeierlichkeiten zu: »Darauf ließ sich also der Bayer zum Kaiser weihen (consecrare) und zwar, an Stelle des Papstes oder dessen Kardinallegaten, von Schismatikern und Gebannten, nämlich dem Bischof von Venedig, einem Neffen des Kardinals aus Prato, und dem Bischof von Aleria. In ähnlicher Weise wurde seine Gemahlin zur Kaiserin gekrönt (coronato).«806
Zum einen spricht Villani hier von der Weihe des Kaisers und zum anderen von der Krönung der Kaiserin. Es ist festzuhalten, daß Villani die eigentliche Krönung Ludwigs, nämlich die Übergabe der Insignien, nicht erwähnt, hier nicht und auch nicht an anderer Stelle.807 Indes hat Heinz Thomas 1993 in seiner Biographie Ludwigs des Bayern eine Neuinterpretation dieser Quellenstelle vorgelegt: Ludwig der Bayer sei nicht, in welcher Form auch immer, von »den Römern« zum Kaiser gekrönt worden, wie Villani mehrmals an anderen Stellen sagt, sondern von den zwei hier genannten Bischöfen.808 Thomas’ Neuinterpretation hatte durchschlagenden Erfolg, fast alle neueren Publikationen sind dieser Auffassung gefolgt.809 Allerdings hat diese Abkehr von der bisherigen communis opinio nicht zu einer neuen Erörterung der Quellengesamtheit zu Ludwigs Kaiserkrönung oder des Wortlauts bei Villani geführt. Dabei ist Villanis 804 Ordo XVII, §§ 15 – 18, ed. Elze, 1960, S. 65, Z. 1 – 35. 805 Haller, Formen, 1944, S. 58. 806 Villani, Buch 11, Kap. 56, Z. 37 – 43, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 585 – 586: »E cik fatto, si fece consecrare il detto Bavero come imperadore, in luogo del papa o de’ suoi legati cardinali, a sismatici e scomunicati, al vescovo che fu di Vinegia nipote che fu del cardinale del Prato, e al vescovo d’Ellera; e per simile modo fu coronato la sua donna come imperadrice.« Die Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 117. Vgl. Cronaca Senese di Agnolo di Tura del Grasso, ed. Lisini/Iacometti, 1939, S. 466, Z. 46 – 49: »E cik fatto si fe’ consignare il detto Bavaro come inperadore in luogo del papa e del suo legato cardinale a scismatici e scomunicati, al vescovo che fu di Vinezia, nipote che fu del cardinale da Prato, e al vescovo d’Ellera, e per simile modo fu coronata la sua donna inperadrice«. 807 Gleichwohl haben Übersetzer diese Passage damit wiedergegeben, daß Ludwig von den Bischöfen gekrönt worden sei. Friedensburg, Quellen, zweiter Teil, 1887, S. 82; Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 117, hat in seiner Bearbeitung der Übersetzung von Friedensburg dessen Übersetzung auch hier nicht korrigiert. 808 Thomas, Ludwig der Bayer, 1993, S. 207 – 208. Zur Identität und Rolle der von Villani erwähnten Bischöfe vgl. unten S. 254 – 264. 809 Kaufhold, Gladius spiritualis, 1994, S. 104; Renate Wedl-Bruognolo, in: Angelika Mundorff und dies. (Hgg.), Kaiser Ludwig der Bayer, 1997, S. 163; Menzel, Ludwig der Bayer, 2001, S. 113; Becker, Kaisertum, 2002, S. 122. Dagegen allein – soweit ich sehe – Miethke, Politiktheorie, 2008, S. 229, Anm. 697, aber ohne Diskussion dieser Quelle.
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Der Verlauf der Kaiserkrönung
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Wortgebrauch kaum mißverständlich allein auf Ludwigs Weihe bezogen (consecrare). Eine andere, freiere Interpretation seiner Wortwahl, etwa pars pro toto für die Gesamtheit der Krönungsfeierlichkeiten, die also die Krönung im engeren Sinne einschlösse, schließt Villani selbst aus, indem er für die anschließend erwähnte Krönung der Kaiserin zur Unterscheidung das Verb coronare wählt. Von einer Weihe oder Salbung der Kaiserin ist bei Villani auch nicht die Rede.810 Das entspricht ebenfalls ganz dem Ordo, der zwar eine Krönung, aber keine Weihe und Salbung der Kaiserin vorsah.811 Von einer Einkleidung des Kaisers in der der Basilika vorgelagerten Kapelle Sancta Maria in Turribus durch die Kanoniker und der Aufnahme in das Domkapitel von St. Peter vor der Weihe, die der Ordo vorsah,812 erfahren wir aus den Quellen nichts.813 Der Bericht des Chronisten Andrea Dei über den Krönungszug scheint einer Einkleidung zu widersprechen: Ludwig und seine Gemahlin seien mit vollkommen weißen Gewändern bekleidet gewesen und auf Schimmeln, die mit weißen Decken bedeckt gewesen seien, von Santa Maria Maggiore nach St. Peter geritten, wo sie so bekleidet gekrönt worden seien.814 Villani berichtet weiter, direkt anschließend an Ludwigs Weihe und die Krönung der Kaiserin: »Als nun der Bayer gekrönt war, ließ er drei kaiserliche Dekrete verlesen, eines über den katholischen Glauben, sodann eines, das besagt, die Geistlichen zu ehren, endlich ein drittes über die Fürsorge für die Witwen und Waisen, ein heuchlerisches Spiel, das den Römern sehr zusagte.«815 810 Dagegen behauptet Paul Krull, Die Salbung und Krönung der deutschen Königinnen und Kaiserinnen im Mittelalter, Diss. phil. Halle-Wittenberg 1911, S. 84, daß Kaiserin Margarete von den Bischöfen Jakob von Venedig und Gherardo von Aleria gesalbt worden sei. Sciarra Colonna soll sie gekrönt haben. Für beide Behauptungen gibt es keinen Quellenbeleg. 811 Ordo XVII, §§ 32 – 37, ed. Elze, 1960, S. 68 – 69. Allerdings deutet Villanis Darstellung darauf hin, daß die Rolle des Papstes bei Ludwigs Krönung von römischen Laien übernommen wurde, während dessen Rolle bei Margaretes Krönung von den Bischöfen ausgeübt wurde. 812 Ordo XVII, § 7, ed. Elze, 1960, S. 63, Z. 24 – 25. 813 Gregorovius, Geschichte, Bd. 6, 1867, S. 146, meint, daß »ohne Zweifel« so verfahren wurde. 814 Cronica Sanese di Andrea Dei, in: RIS, Bd. 15, 1729, Sp. 80 A: »E fu incoronato essendo in questo abito: cioH, che si part' da Santa Maria Maggiore per andare a Santo Pietro per ricevere la Corona vestito d’uno Sciamito tutto bianco, e il cavallo bianco, e coverto di bianco, e con lui l’Imperadrice sua Donna; e con questo abito in Santo Pietro furo incoronati«; die Nachricht über die Bekleidung des Kaiserpaars hat auch die Chronik von Siena des Agnolo di Tura del Grasso, ed. Lisini/Iacometti, 1939, S. 466, Z. 49: »e lui e lei erano vestiti di sciamito bianco, a cavallo.« 815 Villani, Buch 11, Kap. 56, Z. 43 – 48, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 586: »E come il Bavero fu coronato, si fece leggere tre decreti imperiali, prima della cattolica fede, il secondo d’onorare e reverire i cherici, il terzo di conservare le ragioni delle vedove e pupilli, la quale ipocrita dissimulazione piacque molto a’ Romani.« Die Übersetzung nach Friedensburg/ Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 117.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
Nach der nicht weiter beschriebenen Krönungshandlung, der Insignienübergabe, erließ Kaiser Ludwig der Tradition entsprechend einige Dekrete. Zum einen, wie Gregorovius meint, um »seine Rechtgläubigkeit darzutun«,816 zum anderen aber auch, um seine neue Würde als Kaiser mit einer ersten Amtshandlung zu demonstrieren. Der Text dieser Dekrete ist nicht überliefert, Villanis Inhaltsangabe zeigt jedoch, daß Ludwig als Kaiser nicht nur ein Schutzherr der Schwachen sein wollte, sondern auch der Vogt der Kirche.817 Sein Dekret über die Geistlichkeit sollte vielleicht der Tatsache Nachdruck verleihen, daß die in Rom verbliebenen Kleriker, die trotz des päpstlichen Interdikts Gottesdienste hielten und Sakramente spendeten, nach seinem kaiserlichen Willen handelten. Die geforderte Ehrerbietung gegenüber dem geistlichen Stand konnte der Guelfe Villani daher nur als heuchlerisch verurteilen. Über den weiteren Fortgang der Krönung schreibt Villani: »Hierauf ließ er [Ludwig] eine Messe singen, die den Abschluß der Feierlichkeiten bildete. Man brach dann von St. Peter auf und zog zum Platz von Santa Maria in Aracoeli, wo das Krönungsmahl bereitet war. Da jedoch die Feier sich sehr in die Länge gezogen hatte, so wurde es bereits Abend, ehe man speiste; der Kaiser aber übernachtete auf dem Kapitol.«818
Villanis Angabe zum zeitlichen Verhältnis von Insignienübergabe und Messe entspricht nicht der Vorgabe des Ordos. Die Messe bildet nach dem Ordo den Rahmen der Krönung: Zu Beginn der Messe, nämlich zwischen Graduale und Evangelienlesung, sollen dem Kaiser die Insignien überreicht werden.819 Wenn Villanis Bericht den Tatsachen entspricht, dann ließe sich hier die Absicht Ludwigs erkennen, die Insignienübergabe, die eigentliche Krönung, außerhalb einer liturgischen Handlung und unabhängig von einem geistlichen Zusammenhang zu vollziehen. Zur Messe bemerkt Villani eigens, daß Ludwig sie abhalten ließ. Nicht der Papst oder der von Villani nicht genannte Zelebrant ist die dominierende oder bestimmende Figur, sondern der Kaiser selbst, auf dessen Willen die Kaiserkrönung durchgeführt und ausgestaltet wurde. Der Marschall- und Bügeldienst, den der Kaiser dem Papst dem Ordo gemäß nach der Messe erweisen sollte,820 fiel hier natürlich weg; daß Ludwig diese Ehrenbezeugung einem anderen erwiesen habe, berichtet keine Quelle. Das 816 Gregorovius, Geschichte, Bd. 6, 1867, S. 149. 817 Dupr8 Theseider, Roma, 1952, S. 468. 818 Villani, Buch 11, Kap. 56, Z. 48 – 53, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 586: »E cik fatto fece dire la messa; e compiuta la detta solennitade, si partirono di Santo Pietro, e vennono nella piazza di Santa Maria dell’Ariacelo dov’era apparecchiato il mangiare; e per la molta e lunga sollennit/ fue sera innanzi ch si mangiasse; e la notte rimasono a dormire in Campidoglio.« Die Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 117. 819 Ordo XVII, §§ 23 – 29, ed. Elze, 1960, S. 66 – 68. 820 Ordo XVII, § 31, ed. Elze, 1960, S. 68.
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Krönungsmahl fand auf dem Platz von Santa Maria in Aracoeli statt, und Ludwig bezog sein Nachtquartier schließlich auf dem benachbarten Kapitol. Traditionell endet der Krönungszug des Kaisers jedoch am Lateran, der Kathedralkirche Roms und Sitz des Papstes. Vermutlich war die Wahl des Nachtlagers von der Tatsache bestimmt, daß die Gastgeber für Ludwigs Kaiserkrönung die Römer mit ihrem eigenen Stadtregiment waren, deren Sitz sich auf dem Kapitol befand.821 Am nächsten Tag verließen Kaiser und Kaiserin jedoch den Kapitolshügel bereits wieder, nachdem Ludwig Castruccio Castracane zum römischen Senator und zu seinem Stellvertreter als Stadtherr mit Sitz auf dem Kapitol ernannt hatte, und nahmen ihr Quartier bei San Giovanni in Laterano,822 vermutlich im päpstlichen Palast.823 Neben dem Bericht des Italieners und Guelfen Giovanni Villani gibt es nur eine andere Quelle, die die Krönungsfeierlichkeiten in ähnlicher Ausführlichkeit darstellt: Die von einem in Bayern ansässigen Anhänger Ludwigs verfaßte Chronica Ludovici imperatoris quarti. Sie soll hier zum Vergleich mit Villani herangezogen werden. Der Autor der Chronik Kaiser Ludwigs IV. unterscheidet nicht zwischen dem Einzug Ludwigs in Rom und dem Krönungszug, der erst einige Tage später abgehalten wurde: »Als man aber von Ludwig und seinen ruhmvollen Siegen vernahm, empfingen alle übrigen Städte und Landschaften ihn auf das freudigste, und auch die Römer selbst leisteten auf diese Kunde hin keinen Widerstand, sondern gingen ihm jubelnd entgegen, indem sie Abgeordnete über fünf Meilen voraussandten, die ihn feierlich einluden, die Stadt zu betreten, von der er Namen und Titel entlehnte. Sie legten bunte Teppiche auf den Weg und streuten Gold und Silber aus, gleichwie dem Herrn geschah. Als sie ihn nun herankommen sahen, traten sie ihm jauchzend entgegen und riefen ihm ein freudiges ›Es lebe der König!‹ zu. Unter feierlichen Chorgesängen und dem Schall der Hörner und Pauken, verschiedener Saiteninstrumente und der Blasinstrumente, führten sie ihn dann über die Tiberbrücke in die Stadt, die alle anderen Könige nur mit bewaffneter Hand betreten hatten, und ließen an seinem Weg den freudigen Gesang erschallen: ›Du bist erschienen als der Erwünschte, den wir als unseren Herrn erwarteten, denn du bist die Hoffnung für die Verzweifelten und ein gewaltiger Trost der Gequälten.‹ Er trug auf seiner Hand einen Adler, und viele streuten deshalb den Kriegern Münzen, Teppiche und Zierat auf den Weg. Die ganze Bevölkerung, Männer 821 Gregorovius, Geschichte, Bd. 6, 1867, S. 149, spricht dagegen von einem »Krönungszug zum Kapitol«, »wie es einem Kaiser von Volkes Gnaden geziemte«. 822 Villani, Buch 11, Kap. 56, Z. 53 – 56, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 586: »E la mattina appresso fece sanatore e suo luogotenente Castruccio duca di Lucca, e lasciollo in Campidoglio; ed egli e la moglie se n’andarono a San Giovanni Laterano.« Die Übersetzung nach Friedensburg/ Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 117 – 118. 823 Vom 27. Januar bis 8. Februar urkundete Ludwig im Lateran, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 386 – 389 und Nr. 393 – 395; in Nr. 387 heißt es sogar »Rome in imperiali palatio Laterani«. Die Listen von Berg, Italienzug, 1987, S. 170, Anm. 117, und Pauler, Könige, 1997, Anm. 194 (auf S. 264), sind nicht ganz genau.
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wie Frauen, kam im festlichen Schmuck dem Herrscher entgegen, der unter lauten Gesängen der gesamten Geistlichkeit in die Kirche geführt und unter dem Rufe ›Siehe, er ist da, der Herrscher, der Herr, und in seiner Hand liegt das Reich, die Macht und das Kaisertum‹, mit seiner Gattin auf den Altar gehoben wurde.«824
Zur Krönung selbst berichtet der Chronist: »Hier krönten sie [nämlich die Römer] beide mit der Kaiserkrone, nachdem eine Messe festlich begangen war, legten das Zepter und den goldenen Reichsapfel in seine Hände und zeigten ihn allem Volke, indem sie jauchzend ausriefen: ›Dies ist der König der Könige und der Beherrscher der Herrschenden in aller Welt!‹ Und nachdem das Gebet gesprochen war, wurden er und seine Gemahlin Margarete in Prunkgewänder gehüllt. Dann führte man ihn, das Zepter und den goldenen Apfel in seinen Händen, hoch zu Roß, unter einem Baldachin durch die ganze Stadt, durch alle Straßen und über alle Plätze, während Chorgesänge unter Flötenspiel und Paukenhall ertönten und der Weg mit seidenen Teppichen belegt und mit goldenen und silbernen Münzen besät war, und jubelnd rief alles: ›Schauet den König der Könige und den Beherrscher der Herrschenden, den Kaiser und allezeit Mehrer des Reichs!‹ So führten sie ihn unter Jubelrufen glorreich in seinen Palast, veranstalteten ihm vielerlei Ergötzlichkeiten, die überall erzählt werden, und ernannten ihn zum Herrn der Welt für immerdar. Die Festfreuden aber währten acht Tage lang. Auch bot man ihm unzählige kostbare Geschenke dar und beging so in Freude und Glanz die größten Festlichkeiten. Dies alles fand im Jahr 1328 statt.«825 824 Chronica Ludovici imperatoris quarti, ed. Leidinger, 1918, S. 130, Z. 7 – S. 131, Z. 3: »Ubi audita est fama ipsius et victoria cum gloria, omnes cetere civitates et confinia advenientes suscipientes illum cum gaudio. Ipsi quoque Romani hec intelligentes non resistebant, sed letanter occurrebant et ipsi plusquam V miliaria premittentes nuncios sollempnissime invitabant, ut veniret, unde nomen haberet sive tytulum, sternentes viam variis vestibus, auro, argento, quemadmodum Domino factum est venienti Iherosolimam. Ipsumque scientes appropinquare exierunt obviam cum gaudio; leti dicebant: ›Vivat rex!‹ Clangentis tubis, tympanis et choris et zitharis, liris et organis, transducebant per pontem Tyberis valenter, ubi nunquam aliquis regum nisi armata manu veniebat, cantantes illi obviam leti et cum gaudio: ›Advenisti desiderabilis, quem expectabamus pro domino, quia tu factus es spes desolatis et magna consolacio hiis, que sunt in tormentis‹, portante in manu sua aquilam, hinc inde multis militibus, sternentes in via denarios, vestes et ornatus varios, et omnis populus virorum et mulierum occurrit illi ornantes se decentissime, et universus clerus clamabat valenter, introducentes eum in templum et statuentes eum super altare cum uxore sua, dicentes: ›Ecce, advenit dominator dominus, et regum in manu eius et potestas et imperium!‹« Die Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 1, 1987, S. 169. 825 Chronica Ludovici imperatoris quarti, ed. Leidinger, 1918, S. 131, Z. 3 – 22 : »Et celebratis missarum sollempniis coronabant eum una cum coniuge sua corona imperiali dantes in manu sua ceptrum et pomum aureum, ostendentes eum omni populo, clamantes et cum iubilo dicentes: ›Hic est rex regum et dominus dominancium per universum mundum!‹ Et oratia facta vestitus est veste pulcherrima cum sua coniuge Margareta suscepto sceptro et pomo aureo in manibus eius, tenentes celum super caput eius, equitando ducentes per totam civitatem et vicos et plateas cum fistulis et tympanis et choris, sternentes viam vestibus sericeis et denariis aureis et argenteis spargentes viam, et clamabant iubilando, dicentes: ›Ecce, rex regum et dominus dominancium, imperator semper augustus!‹ et
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Die Bedeutung dieses Berichts ist umstritten. Von Chroust wird er als »Phantasien eines begeisterten Anhängers Ludwigs« abgetan,826 dagegen hält Bock es für möglich, daß er auf der Augenzeugenschaft des Chronisten selbst oder auf dem Bericht eines Augenzeugen beruhe.827 Es ist auch vermutet worden, daß diese Darstellung mit Hilfe von »Berichten über das allgemeine Krönungsceremoniell« verfaßt wurde828 oder direkt auf dem Krönungsordo beruht.829 Es ist jedoch unwahrscheinlich, daß der Chronist einen Krönungsordo gleichsam als Vorlage für seine Darstellung verwendet hat. Die häufigen in seine Darstellung eingelegten Jubelrufe der Römer stammen nicht aus den Krönungsordines,830 wie vermutet wurde.831 Stattdessen handelt es sich dabei ausnahmslos um Bibelzitate.832 Die angeführten Musikinstrumente stammen aus Einholungsberichten des Alten Testaments, die Gewandausbreiter aus dem Neuen Testament.833 Darüber hinaus erscheint der Bericht als stilisierte Darstellung des Herrschereinzugs, wie ihn der Chronist auch zu König Ludwigs Einzug in Regensburg im Jahr 1322 sehr ähnlich verwendete.834 Daß der Bericht des anonymen Chronisten auf eigener oder fremder Augenzeugenschaft beruht, scheint eher unwahrscheinlich. Die Darstellung ist dafür zu unspezifisch. Namen von beteiligten Personen werden im Unterschied zu anderen Chroniken nicht genannt. Die wenigen konkreten Informationen, etwa über den Wortlaut der Gesänge, treffen wohl kaum zu. Hack ist daher zuzustimmen, daß diese Darstellung als »historischer Bericht sicher völlig
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introducentes eum in palacium suum cum iubilo et gloria, ostendentes sibi multa gaudia, que sunt per universum enarrabilia, statuentes mundi dominum per secula. Et duravit hoc gaudium usque ad diem octavium, offerentes ei infinita munera preciosa et sic celebrantes maxima sollempnia in gaudio et pompa. Acta sunt hec anno Domini MCCCXXVIII.« Die Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 1, 1987, S. 169 – 170. Chroust, Romfahrt, 1887, S. 114. Bock, Reichsidee, 1943, S. 252. Lorenz/Goldmann, Geschichtsquellen, Bd. 1, 31886/87, S. 204 – 205. Matthias, Beiträge, 1908, S. 24, Anm. 5, und S. 37. Vgl. Elze (Hg.), Ordines, 1960, Verzeichnis der Gebets- und Formelanfänge, S. 187 – 191. Matthias, Beiträge, 1908, S. 37. Vgl. Leidingers Anmerkungen, Chronica Ludovici imperatoris quarti, ed. ders., 1918, S. 131. Vgl. Hack, Empfangszeremoniell, 1999, S. 375 mit Anm. 18 und 19. Chronica Ludovici imperatoris quarti, ed. Leidinger, 1918, S. 128, Z. 21 – S. 129, Z. 2: »Hiis auditis inclytus rex Ludwicus, ut semper erat mitis, humilis et pius, prudens, circumspectus, assumpsit Fridericum et duxit Ratisponam. Et circa horam nonam omnes habebat obvios com ymnis et laudibus et tympanis et plausibus cantantes: ›Ecce advenit hic vere mundi dominus‹. Alii clambant: ›Gloria et honore hunc coronasti, Domine!‹ Tercii dicebant: ›Ecce, in manu eius potestas et imperium‹! Quarti dicebant: ›Hunc Dominus amavit, quem sic potenter exaltavit; nam hostes suos subiecit Dominus omnes sub pedibus eius. O quale nobis gaudium per universum mundum! Nunc facta est pax et concordia per universa secula.‹ Et facta est leticia magna in populo. Benedicamus Domino.« (Die Interpunktion folgt der Vorlage.)
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wertlos« ist.835 Interessant ist jedoch, inwiefern Ludwigs Kaisertum mit diesen literarischen Mitteln als legitim dargestellt wird. Das geschilderte Ausmaß an Zustimmung der Römer muß als Gegensatz zum Verhalten der Römer gegenüber Heinrich VII. verstanden werden. Die Abwesenheit des Papstes wird nicht einmal erwähnt. Dieser Mangel wird ausgeglichen durch einen Empfang Ludwigs, der ähnlich dem Einzug Christi in Jerusalem dargestellt wird. Ludwigs Recht auf das Kaisertum wird jedoch keineswegs mit der Kaiserkrönung begründet, vielmehr erhält Ludwig mit dieser Feierlichkeit lediglich das, was ihm zusteht.
5.8
Die Konsekratoren und Koronatoren
5.8.1 Die päpstlichen Prozesse als Quellen Die meisten historiographischen Quellen zu Ludwigs Kaiserkrönung enthalten keine Informationen über den Verlauf der Krönungszeremonie. Und sie geben nur unvollständig Auskunft über die Hauptbeteiligten an der Kaiserkrönung, nämlich die Konsekratoren und Koronatoren, die ausführenden Personen von Ludwigs Weihe, seiner Salbung und der Insignienübergabe. Die Handlung der an der Krönung beteiligten Personen wird in den Chroniken fast ausschließlich und ohne Unterschied, ob es sich dabei um Bischöfe oder römische Laien handelt, als »krönen« bezeichnet. Allein in den päpstlichen Prozessen und Schreiben wird deutlich unterschieden, wer für Ludwigs Salbung und wer für seine Krönung im engeren Sinne verantwortlich war. Sie bilden die Grundlage für die Interpretation anderer urkundlicher und der erzählenden Quellen. Am 31. März 1328, am Gründonnerstag, erläßt Johannes XXII. mehrere Prozesse: einen allgemein gegen Ludwigs Kaiserkrönung (Dudum per facti),836 den achten Prozeß gegen Ludwig, und zwei weitere gegen die Hauptbeteiligten, nämlich die Römer (Quamquam nobis)837 und Bischof Giacomo von Castello (Dudum fama).838
835 Hack, Empfangszeremoniell, 1999, S. 376. 836 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 427, S. 328 – 334; MartHne/Durand, Bd. 2, 1717, Sp. 727 – 736; Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 72, S. 221. Die Lesarten einer anderen Handschriftenüberlieferung gibt Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, Bd. 1, 1921, Nr. 189, S. 106. 837 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 428, S. 335 – 337; MartHne/Durand, Bd. 2, 1717, Sp. 736 – 742; Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 71, S. 221. 838 MartHne/Durand, Bd. 2, 1717, Sp. 746 – 748; ein kurzer Auszug auch in MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, S. 308, Anm. 1 (zu Nr. 408); Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 70, S. 221.
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Die Konsekratoren und Koronatoren
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In Dudum per facti erklärt Papst Johannes XXII. sowohl Ludwigs Krönung in Mailand als auch die Kaiserkrönung und Salbung in Rom für ungültig und nichtig.839 Über die Beteiligten an der Kaiserkrönung sagt er : Ludwig »hat sich nicht gescheut, in Rom von bestimmten Bürgern der Stadt, die, wie man sagt, vom Volk abgeordnet wurden, die kaiserliche Krone de facto anzunehmen, obwohl er nicht würdig war, noch demselben Volk, auch wenn er wahrhaft zum König der Römer gewählt und vom Apostolischen Stuhl approbiert worden wäre, das Recht, diese [Kaiserkrone] zu verleihen, zustand, und auch die Salbung oder vielmehr Verfluchung von einem gewissen Schismatiker anzunehmen.«840
Für die Krönung im engeren Sinne werden also mehrere Römer verantwortlich gemacht. Es werden zwar keine Namen genannt, aber es wird deutlich, daß es sich nicht um die Römer im allgemeinen handelt, sondern um »bestimmte« Römer, die, herausgehoben aus der Masse des Volkes, Ludwig die Krone übergeben haben. Hier wird viel deutlicher als bei Villani die Rolle des römischen Volks sichtbar. Die Römer übernahmen bei der Kaiserkrönung die Rolle des Papstes, indem ihre Stellvertreter Ludwig die Krone übergaben. Allerdings liegt in diesem päpstlichen Prozeß der Akzent auf Ludwig, der von ihnen die Krone genommen hat, und nicht auf den Römern. Von der Insignienübergabe deutlich unterschieden wird die Salbung Ludwigs, für die eine nicht namentlich genannte, aber mit der Bezeichnung Schismatiker als dazu nicht autorisierte geistliche Person erkennbar, verantwortlich gemacht wird. An anderer Stelle ist von »einigen Bischöfen« die Rede, über die aber nur gesagt wird, daß sie an der Krönung beteiligt gewesen sein sollen. Sie werden exkommuniziert und ihrer Ämter enthoben.841 Die Mitwirkung Castruccio Castracanes an der Kaiserkrö839 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 427, § 6, S. 332, Z. 34 – 40: »Et nichilominus quicquid circa ipsum Ludovicum per inunctionem seu potius exsecrationem et coronationes, quas in Mediolano et in Urbe predictis de facto recipere seu verius usurpare presumpsit, quas constat utique nullas esse velut ab illo receptas, qui prorsus indignus erat et inhabilis, et ab illis collatas, quibus nequaquam ius impendendi talia competebat, cassa, nullas et irritas declaramus ac ipsas in quantum de facto processerunt cassamus et irritamus ac viribus peniter vacuamus.« 840 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 427, § 5, S. 331, Z. 40 – 45: Ludovicus »in eadem [Urbe] a certis civibus dicte Urbis deputatis ut fertur a populo coronam imperialem de facto recipere, cum ad illam non esset ydoneus nec ipsi populo, etiamsi verus in regem Romanorum electus per sedem apostolicam aprobatus existeret, ius ipsam competeret conferendi, iunctionem quoque, immo verius execrationem a quodam scismatico recipere non expavit.« 841 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 427, § 9, S. 333, Z. 28 – 35: »Rursus quia nonnulli episcopi coronationi et execrationi dicti Ludovici causa honorandi eundem ei assistendo et favendo interfuisse dicuntur, de eorumdem fratrum consilio declaramus eos in excommunicationis et suspensionis ab officio et beneficio penas et sententias incidisse ipsosque excommunicatos et suspensos ab officio et beneficio nuntiamus ac eos ab omni episcopali dignitate et sacerdotali offitio suisque episcopatibus et dignitatibus de eorundem
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
nung wird nicht eigens erwähnt, ihm werden jedoch die von Ludwig übertragenen Ämter eines Herzogs, des Pfalzgrafen vom Lateran und römischen Senators abgesprochen.842 Seine Teilnahme an der Krönung in der Rolle des lateranensischen Pfalzgrafen ist daher sicher an der Kurie bekannt gewesen. Im Prozeß gegen die Römer Quamquam nobis vom selben Tag werden »sämtliche Mitbürger« für das Aufsetzen der Kaiserkrone verantwortlich gemacht.843 Die Römer werden aufgefordert, sich bis zum 1. Juli der Kirche zu unterwerfen und Ludwig aus der Stadt zu vertreiben.844 Der Prozeß gegen Giacomo Bischof von Castello verurteilt allgemein dessen Mitwirkung an Ludwigs Salbung und Krönung.845 Er wird vor das päpstliche Gericht zitiert, wo er sich bis zum 1. Juli einfinden soll, um sich vom Verdacht der Begünstigung von Ketzern zu reinigen. Explizit wird Giacomo von Castello als derjenige Bischof, der Ludwig salbte, in einem späteren Schreiben Papst Johannes’ XXII. an König
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fratrum consilio deponimus et privamus et reddimus nichilominus ad quascumque dignitates seu benefitia ecclesiastica obtinenda inhabiles et indignos.« MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 427, § 7, S. 333, Z. 8 – 16: »Et quia idem Castrutius dux factus de facto ut predicitur senatoris in Urbe recepit dignitatem seu offitium ac comitis palatini ipsaque exercuit publice ac notorie contra constitutionem predecessoris nostri predicti, declaramus iuxta eiusdem constitutionis tenorem electionem, nominationem seu assumptionem eiusdem ad dictum senatoris officium et comitatus predicti nullas esse ipsasque carere omni robore firmitatis et quatenus processere de facto cassas, nullas et irritas nuntiamus ac eundem Castrutium in excommunicationis sententiam declaramus et tam ipsum quam eius posteros in alias penas contentas in constitutione predicta iuxta tenorem ipsius et continentiam incidisse.« Auch der päpstliche Prozeß gegen Castruccio, ebenfalls vom 31. März 1328, erwähnt seine Mitwirkung an der Kaiserkrönung nicht ausdrücklich, MartHne/Durand, Bd. 2, 1717, Sp. 743 – 746; Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 73, S. 221. MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 428, S. 335 – 337, hier § 6, S. 335, Z. 36 – 43: »Licet autem processus predicti in Urbe fuerint publicati, tamen populus antedictus prefatum Ludovicum hostem Dei et ecclesie persecutorem infestum, demoliri vineam Domini Sabbaoth satagentem, stipatum viris apostatis et hereticis ac nonnullis de fautoria et aliquibus de heresi condempnatis, de mense Ianuarii proxime preterito in eadem Urbe recipere ipsiuque capiti coronam imperialem per cunctos concives suos imponi facere, licet hoc, etiamsi verus in regem Romanorum electus et per sedem apostolicam admissus et approbatus etiam existeret, ad ipsorum nequaquam pertineret offitium, presumpserunt.« Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 182, geht so weit, das Aufsetzen der Krone als rechtsbegründenden Akt zu qualifizieren, indem er als Aussage der Quelle wiedergibt, die Römer hätten Ludwig »die Kaiserkrone ertheilt«. Davon ist in dem Brief jedoch nicht die Rede. MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 428, § 6, S. 336, Z. 13 – 39. MartHne/Durand, Thesaurus, Bd. 2, 1717, Sp. 746 – 748, hier Sp. 746F-747A: »Sane quia ipse cum eodem Ludovico in obsidione civitatis Pisane, et in ipsa civitate post ipsius occupationem tyrannicam interfuit, eidem Ludovico, suisque complicibus et fautoribus adhaerendo, et praestando auxilium, consilium et favorem, ac deinde cum eo seu ipsum sequendo accessit ad Urbem circa coronationem et inunctionem, seu potius et verius execrationem ipsius Ludovici eidem assistendo, eumque honorando, et tamquam datus in sensum reprobum, et ingratus Romanae Ecclesiae, quae ipsum Jacobum ad dignitatem episcopalem promoverat, in praemissis mala malis cumulare et adhaerere continue non verendo«; MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Anm. 1 zu Nr. 408, S. 308 – 309.
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Die Konsekratoren und Koronatoren
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Johann von Böhmen, Erzbischof Balduin von Trier und Herzog Otto von Österreich vom 26. September 1330 genannt, in dem Papst Johannes eine irrtümliche Aussage eines Schreibens vom 31. Juli 1330846 über die Beteiligten an der Kaiserkrönung mit der notwendigen Deutlichkeit richtigstellt: »Gesalbt, oder richtiger verflucht, wurde er [Ludwig] vielmehr von Giacomo, einst Bischof von Castello, der dann, nachdem seine Verbrechen untersucht worden waren, abgesetzt, exkommuniziert und als Begünstiger von Ketzern verurteilt wurde. Gekrönt wurde er aber de facto, obgleich er von Rechts wegen von niemandem gekrönt werden könnte, weil er aller Rechte entsetzt war, wenn sie ihm aus der von ihm selbst in Zwietracht abgehaltenen Wahl zugestanden hatten, von gewissen Römern, die die Kaiserkrönung nichts angeht, auch wenn er von Rechts wegen zu krönen wäre. Das haben jedenfalls die Römer nach dem Abzug des Bayern aus Rom öffentlich in Rom und vor Uns schriftlich und durch Gesandte bekannt.«847
Johannes XXII. konnte sich hierbei also auch auf die Aussagen der Römer berufen. Am 15. Februar 1330 hatte Papst Johannes die Römer, die von ihren Verfehlungen hatten abschwören müssen, wieder in die Kirche aufgenommen. Die Römer hatten dabei bekennen müssen, daß es ihnen in keiner Weise zustünde, einen Kaiser zu krönen.848 Auch noch viel später, in einem Verzeichnis der von Ludwig dem Bayern zu bekennenden Vergehen gegen die Kirche aus der Zeit Papst Clemens’ VI., das zwischen Dezember 1338 und Mitte Januar 1339 im Rahmen der Rekonziliationsverhandlungen erstellt wurde, werden die Beteiligten an Salbung und Krönung nicht anders dargestellt.849 Die neu aufgestellte These von Heinz Thomas, daß nicht römische Laien, sondern die zwei von Villani bei der Weihe erwähnten Bischöfe Ludwig gekrönt hätten, muß auch aufgrund dieser Quellen zurückgewiesen werden.850 Zusam846 Vgl. dazu unten S. 245 f. 847 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 872, S. 726, Z. 19 – 25: »Set inunctus fuit seu verius execratus a Iacobo dudum episcopo Castellano tunc suis demeritis exigentibus deposito, excommunicato et ut hereticorum fautore condempnato. Coronatus autem de facto extitit, cum de iure posset a nemine coronari, cum privatus fuisset omni iure, si quod sibi competierat ex electione in discordia celebrata de ipso, a quibusdam Romanis, ad quos non pertinebat imperatoris coronatio, etiamsi esset coronandus de iure. Quod utique ipsi Romani post discessum Bavari de Urbe publice in Urbe et coram nobis per litteras et nuncios sunt confessi«; Rinaldi, ad a. 1330, § 27, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 444b; Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 108, S. 223. 848 Theiner (Hg.), Codex diplomaticus, Bd. 1, 1861, Nr. 746, S. 570a-573a, hier S. 572a: »Item quod nec Imperatorem coronare ad vos pertinet quomodo.« Das Schreiben des Papstes über die Wiederaufnahme der Römer in die Kirche im Auszug auch bei Rinaldi, ad a. 1330, Nr. 40 – 42, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 450a-451b, aber ohne das Schuldbekenntnis. 849 Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, 1. Hälfte, 1921, Nr. 597, S. 407 – 409, hier S. 408 – 409: »Item quod a certis civibus a populo Romano deputatis coronam et a quodam scismatico et inunctionem imperialem recepit et eciam titulum imperialem sic ligatus et depositus assumpsit et eo per sui potenciam usus fuit et adhuc utitur.« 850 Thomas, Ludwig der Bayer, 1993, S. 207, meint irrtümlich: »In den späteren Prozeß-
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
menfassend kann festgestellt werden, daß Salbung und Insignienübergabe von verschiedenen Personen vollzogen wurde. Bischof Giacomo von Castello salbte Ludwig, und mehrere Römer, die vom Volk bestimmt worden waren, krönten ihn. Darüber hinaus waren mehrere Bischöfe am weiteren Krönungszeremoniell beteiligt. Um die Rolle und Identität dieser Bischöfe soll es im folgenden Abschnitt gehen.
5.8.2 Die Konsekratoren: drei italienische Bischöfe Die in den päpstlichen Dokumenten herausgehobene Rolle des Bischofs von Castello (das zu Venedig gehört), Giacomo Alberti aus Prato,851 findet sich auch in einigen historiographischen Werken. Ludwigs kaiserlicher Nachfolger, Karl IV., äußert sich in seiner Autobiographie auch zu Ludwigs Kaiserkrönung. Darin schreibt er Giacomo von Castello sowohl die Krönung als auch die Weihe zu: »Später war Ludwig nach Rom gezogen und empfing dort gegen den Willen Papst Johannes’ XXII. durch den Bischof von Venedig die Kaiserkrone und die Weihe.«852 Die Mitwirkung der Römer an der Kaiserkrönung erwähnt Karl IV. nicht. Das Kaisertum Ludwigs des Bayern will Karl IV. in seiner Autobiographie nicht anerkennen, er spricht von seinem Vorgänger konsequent als »Ludwig, der sich für den Kaiser hält«.853 Aber auch in der Glosse zu Hugo von Reutlingens schriften des Papstes ist von einer Krönung des Bayern durch das Volk von Rom nie die Rede«. Becker, Kaisertum, 2002, S. 132, ist Thomas gefolgt und meint ähnlich, daß »in den späteren Prozessen der Kurie gegen Ludwig den Bayern, die doch alle Vergehen des Bayern detailliert auflisten, nie die Rede von einer Krönung durch einen Laien« sei. 851 Vgl. zusammenfassend Paolo Rizzi, Art. Alberti, Giacomo, in: DBI, Bd. 1 (1960), S. 692 – 693. 852 Vita Caroli quarti, Kap. 4, ed. Hillenbrand, 1979, S. 88: »Qui Ludovicus Romam postea accesserat, et diadema imperiale contra voluntatem pape Johannis XXII ab episcopo Venetorum et munus consecrationis recepit.« Übersetzung nach Hillenbrand, ebenda, S. 89. – Allerdings sagt Karl IV. am Ende seiner Autobiographie bei der Darstellung der Umstände seiner eigenen Wahl, daß sein Vater, König Johann, und Papst Benedikt XII. den Kurfürsten erklärten, daß Ludwig kein wahrer Kaiser sei, und zwar deswegen, weil er von einem Papst, den er zu diesem Zweck selbst eingesetzt habe, zum Kaiser gekrönt worden sei: »Post hoc rex Johannes intravit curiam Avinionis ad papam Benedictum et cum eo practicavit in tantum, ut ipse coram omnibus electoribus vocatis insinuaret, qualiter Ludovicus de Bavaria non esset verus imperator, cum ipse staret contra sacrosanctam Romanam ecclesiam, christianitatis matrem, et quendam fratrem Minorum ad coronandum se in papam posuisset. Et sic statim electores ad eleccionem procedentes, Karolum, marchionem Moravie, in regem Romanorum felicibus auspiciis elegerunt«, ebenda, Kap. 20, S. 198. Dies gründet vermutlich auf dem Schreiben Papst Johannes’ XXII. vom 31. Juli 1330 an König Johann von Böhmen, vgl. unten S. 396 ff. 853 »Ludovicus, qui se gerebat pro imperatore«, Vita Caroli quarti, Kap. 8, ed. Hillenbrand, 1979, S. 126; Kap. 9, S. 128 und 130; Kap. 14, S. 166 und 170; an anderer Stelle ähnlich: »Ludovicus Bavarus, qui se imperatorem nominavit«, ebenda, Kap. 18, S. 186.
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Die Konsekratoren und Koronatoren
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Chronik, die fest auf Ludwigs Seite steht, wird ein Bischof als einziger Beteiligter an der Kaiserkrönung genannt: »Als Ludwig einsah, daß Papst Johannes ihm feindlich gesinnt war, betrat er im zwölften Jahr seiner Regierung die Lombardei, kam nach Rom und wurde in der Kirche des heiligen Apostels Petrus im Einverständnis mit den Römern von einem berühmten Bischof zum Kaiser geweiht.«854
Angaben zur Identität des Bischofs macht der Glossator jedoch nicht. Im Unterschied zu Karl IV. erwähnt er lediglich die geistliche Handlung der Weihe. Die Zustimmung der Römer zur Kaiserkrönung hebt er zwar hervor, berichtet aber keine weitergehende Mitwirkung an der Krönung. Zur Rolle Giacomos Albertis bei Ludwigs Kaiserkrönung haben Bertrand, der Erzbischof von Embrun, und Bartholomäus, der Bischof von Fr8jus, am 3. März 1328 in Pisa eine Befragung von einigen Zeugen der Kaiserkrönung durchgeführt.855 Diese Befragung ergab jedoch wenig, abgesehen von der Feststellung, daß Giacomo von Castello die Krönungsmesse zelebrierte. Die Tatsache, daß er auch die Salbung ausführte, und die Identität der anderen Bischöfe wurden der Kurie aus anderer Quelle und wohl erst später bekannt. Die Zelebration der Krönungsmesse war eines der Elemente einer Kaiserkrönung, die dem Papst zustanden.856 Giacomo Alberti hat mit der Salbung und der Meßfeier gleich zwei wichtige Rollen übernommen, die eine anstelle des ranghöchsten Kardinalbischofs, die andere anstelle des Papstes. Noch am 24. April 1330 forderte daher Johannes XXII. weltliche und geistliche Amtsträger in Deutschland auf, Giacomo Alberti, der vom Gegenpapst inzwischen auch zum apostolischen Legaten für Deutschland ernannt worden war, gefangenzunehmen.857 Der letzte Prozeß des Papstes gegen Giacomo Alberti, der fast wörtlich an den Prozeß vom 31. März 1328 anknüpft, datiert vom 4. Januar 1331 (Ad notitiam).858 854 Excerpta ex expositione Hugonis de Rutlingen in chronicam metricam, ed. Böhmer/Huber, 1868, S. 133: »Ludwicus sentiens sibi papam Johannem contrarium, anno regni sui decimotercio Longobardiam intravit, et Romam veniens in ecclesia seu templo sancti Petri apostoli per quendam famosum episcopum, consentientibus Romanis, in imperatorem consecratus est.« 855 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 408, S. 308 – 311; zuvor bereits von Schwalm, Reise, 1900, S. 744, Nr. 12, selbst ediert; Preger/Reinkens, Verträge, 1883, Nr. 416, S. 149 – 150 (251 – 252). 856 Ordo XVII, §§ 18 – 22 und 29 – 31, ed. Elze, 1960, S. 65 – 66 und 68. 857 Preger/Reinkens, Verträge, 1883, Nr. 528, S. 192 (S. 294); Preger, Beiträge, 1880, Nr. 2, S. 62; Riezler (Hg.), Vatikanische Akten, 1891, Nr. 1314, S. 458. 858 MartHne/Durand, Bd. 2, 1717, Sp. 835 – 838, hier Sp. 836C-D: »Et quia idem Jacobus cum dicto Ludovico in obsidione civitatis Pisane, et in eadem civitate post ipsius occupationem tyrannicam interfuit, eidem Ludovico suisque complicibus et fautoribus adhaerendo, et praestando auxilium, consilium et favorem, ipsumque sequendo, accessit ad Urbem circa coronationem et inunctionem, seu verius insaniam et execrationem ipsius, eidem assistendo et ipsum honorando, ac tamquam datus in sensum reprobum, et ingratus Romanae
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
Der Gegenpapst hat Giacomo Alberti einige Zeit nach der Kaiserkrönung zum Kardinalbischof von Ostia und Velletri ernannt, wie auch der Chronist Peter von Zittau berichtet.859 Nachträglich sollte also Giacomo Alberti die Würde des Kardinalbischofs von Ostia erhalten, dessen Inhaber nach dem Ordo die Salbung zustand.860 Zum Zeitpunkt der Kaiserkrönung war der amtierende Kardinalbischof von Ostia Bertrand du Poujet, der Kardinallegat des Papstes für die Lombardei, den Papst Johannes XXII. erst bei den Kardinalsernennungen vom 18. Dezember 1327 mit diesem Bistum versehen hat.861 Die Entscheidung, unter den an der Kaiserkrönung mitwirkenden Bischöfen Giacomo Alberti die ehrenvolle Aufgabe der Kaisersalbung zu überlassen und ihn zum Kardinalbischof von Ostia zu ernennen, beruht möglicherweise darauf, daß Giacomo der Neffe des 1321 verstorbenen Kardinalbischofs von Ostia Niccolk Alberti aus Prato war,862 der Heinrich VII. gesalbt und als einer von mehreren Koronatoren gekrönt hatte.863 Zuletzt ist Giacomo Alberti in einer von Ludwig dem Bayern am
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Ecclesiae, quae ipsum Jacobum ad dignitatem episcopalem promoverat, adhaerere, contra eamdem ecclesiam continue non verendo.« In MGH Const. VI/2,1, 1989, Nr. 5, S. 5, nur ein Regest. Peter von Zittau, ed. Loserth, 1875, cap. 20, S. 454: »Episcopus Venetorum Hostiensis tunc factus […] fuit cardinalis unus«. Die Florentiner berichten Papst Johannes XXII. am 22. Mai 1328, daß Jakob einer der Kardinäle war, die Nikolaus V. ernannt habe, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 454, S. 373, Z. 27 – 28. Papst Johannes XXII. schreibt dem König von Böhmen am 31. Juli 1330, daß Jakob einer der vom Gegenpapst ernannten Gegenkardinäle war, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 814, S. 686 – 691, hier S. 688, Z. 9 – 11. – Vgl. die Titulaturen Giacomo Albertis in den Urkunden des Gegenpapstes, Eubel (Hg.), Registerband, 1893, Nr. 2, S. 130 (Rom, 18. Mai 1328); Nr. 3, S. 130 (Rom, 19. Mai); Nr. 26, S. 134 (Rom, 25. Mai); Nr. 32, S. 135 (Rom, 28. Mai); Nr. 33, S. 136; Nr. 60, S. 139; Nr. 171, S. 155 (Rom, 8. Juli); Nr. 223, S. 164 (Viterbo, 16. September); Nr. 224, S. 164 (Viterbo, 16. September); Nr. 233, S. 166 (Viterbo, 2. Oktober); Nr. 249, S. 169 (Viterbo, 9. Dezember); Nr. 302, S. 178 (Pisa, 11. Januar 1329); Nr. 270, S. 173 (Pisa, 17. Februar); Nr. 337, S. 184 (Pisa, 20. Januar). – Vgl. auch die Urkunden Kaiser Ludwigs: Giacomo bezeugt die in Pisa am 22. Dezember 1328 ausgestellte Bestätigung der Privilegien der Stadt Pisa, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 530, S. 440 – 443, hier S. 443, Z. 23 – 25 und Z. 27 – 29, Böhmer/Ficker, RI. Additamentum tertium, 1865, Ludwig der Baier, Nr. 3255, S. 358; am 14. August 1329 stellt Ludwig Giacomo und dessen Bruder, die als »die Neffen des Kardinalbischofs Nikolaus von Ostia und Velletri und die Pfalzgrafen des Laterans« angesprochen werden, ein Privileg aus, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 635, S. 535 – 536, Zitat S. 535, Z. 25 – 27. Bemerkenswert ist jedoch, daß die Brüder als »die Pfalzgrafen des Laterans« bezeichnet werden. Castruccio ist zu diesem Zeitpunkt zwar schon gestorben, aber seine Ernennungsurkunde sah die Nachfolge seiner Nachkommen in diesem Amt vor, vgl. oben S. 247. Ordo XVII, § 15, ed. Elze, 1960, S. 65, Z. 1 – 3: »Post hec procedant ad altare sancti Mauritii, ubi Ostiensis episcopus ungat et ei de oleo exorcizato brachium dextrum et inter scapulas«. Eubel, Hierarchia catholica, Bd. 1, 21913, S. 15 und 36. Vgl. oben S. 248 den Hinweis Villanis. Zu Niccolk Albertis Rolle während des Romzugs Heinrichs VII. vgl. Friedrich Theile, Nikolaus von Prato. Kardinalbischof von Ostia (1303 – 1321), Diss. phil Marburg 1913, S. 34 – 41, und Hermann Ströbele, Nicolaus von Prato, Kardinalbischof von Ostia und Velletri. Ein Beitrag zur Geschichte des Kardinalates zu Beginn des 14. Jahrhunderts, Diss. phil. Freiburg/Br. 1914, S. 57 – 78, zu seiner Beteiligung an der Kaiserkrönung S. 72 – 75.
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Die Konsekratoren und Koronatoren
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13. Oktober 1335 in Nürnberg ausgestellten Urkunde nachgewiesen – immer noch mit den Titeln eines Bischofs von Ostia und Velletri und apostolischen Legaten bezeichnet,864 die ihm der schon seit längerer Zeit resignierte und inzwischen verstorbene Gegenpapst verliehen hatte. Bald darauf muß Giacomo Alberti gestorben sein, da er in den päpstlichen Akten zu den Ausgleichsverhandlungen mit Ludwig im Jahr 1336 nicht mehr erwähnt wird. Einige historiographische Quellen erwähnen außer Giacomo Alberti noch andere an der Krönung beteiligte Bischöfe. Peter von Zittau berichtet über Ludwigs Kaiserkrönung: »Im Jahr des Herrn 1328 am Tag der Erscheinung des Herrn [6. Januar] zog Ludwig der Bayer, der durch Papst Johannes und von der Kirche gänzlich verworfen wurde, mit Zustimmung des römischen Volkes in die Stadt Rom ein und wurde in der Basilika des seligen Petrus’ durch den Bischof von Castello und gewissen anderen Bischöfen de facto mit dem kaiserlichen Diadem – die Vorentscheidung des Papstes Johannes und der ganzen katholischen Kirche übergehend – versehen. An jenem Tag erhob sich das Geschrei des Pöbels in Rom: Ewig lebe unser Kaiser.«865
Guillelmus de Cortusius schreibt, daß Ludwig »vom Bischof der Veneter und anderen häretischen Bischöfen und dem Präfekt der Stadt in der Kirche des heiligen Petrus gekrönt worden ist.«866 Hier ist zudem von einem einzelnen Laien die Rede, der an der Krönung mitgewirkt haben soll. Die Handlung der beiden Genannten wird aber ohne Unterschied als »krönen« bezeichnet. Heinrich von Herford nennt irrtümlich den noch 1327 verstorbenen Bischof von Arezzo, der Ludwig in Mailand gekrönt hatte, auch als einen der Koronatoren der Kaiserkrönung: »Der König marschierte nach Rom, wurde von dem Bischof von Arezzo und vielen Beistand leistenden Bischöfen zum Kaiser gekrönt und von den Römern Patricius und Augustus genannt. Seine Gemahlin, die Tochter des Grafen von Holland, wurde von demselben Bischof zur Kaiserin geweiht.«867
864 Monumenta Boica, Bd. 19, 21850, Monumenta ecclesiae ad divam virginem, Nr. 20, S. 472. 865 Peter von Zittau, ed. Loserth, 1875, S. 452 – 453: »Anno domini 1328 in die Epiphaniae domini Ludovicus Bavarus per Johannem papam et ab ecclesia totaliter reprobatus Romano consentiente populo ipsam urbem Romam ingressus in beati Petri basilica per castellanum et alios quosdam episcopos imperiali diademate in praeiudicium Johannis papae et totius ecclesiae katholicae de facto est praesumptibiliter insignitus. In die illo clamor vulgi in urbe extollitur : Vivat, vivat noster in perpetuum imperator.« 866 Guillelmus de Cortusius, Chronica de novitatibus Padue et Lombardie, lib. III, cap. XI, ed. Pagnin, 1941 – 1975, S. 48, Z. 29 – 33: »Revoluto anno Domini, scilicet in MCCCXXVIII, die VI Januarii, Ludovicus intravit Romam et totius urbis cum fortiliciis habuit principatum. Die XVII eiusdem mensis coronatus fuit ab episcopo Venetiarum et aliis episcopis hereticis et prefecto urbis in ecclesia Sancti Petri. Ludovicus dux Bavarie ab hac die voluit ess imperatorem, licet a Joanne Summo Pontifice esset pro heretico condemnatus.« 867 Heinrich von Herford, ed. Potthast, 1859, S. 245: »Rex Romam proficiscitur, ab episcopo
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
Gemeinsam ist diesen Chroniken ganz unterschiedlicher Provenienz und Parteinahme die Aussage, daß neben einem hervorgehobenen Bischof noch andere Bischöfe, also noch mindestens zwei weitere, an Ludwigs Kaiserkrönung mitwirkten.868 Unter den Chronisten benennt allein Villani neben Giacomo Alberti einen weiteren Konsekrator, nämlich den Bischof von Aleria, Gherardo Orlandi aus Pisa,869 der auch in den Urkunden des Gegenpapstes gut bezeugt ist.870 Auch die Cronaca di Pisa nennt den Bischof von Aleria, Gherardo Orlandi aus Pisa, im Zusammenhang mit Ludwigs Kaiserkrönung, allerdings als einzigen Beteiligten und als denjenigen, der den Kaiser »krönte«.871 Einzelne Autoren haben bereits festgestellt, daß noch ein dritter Bischof an der Krönung Ludwigs beteiligt war,872 was allerdings noch kaum von der Forschung aufgenommen wurde. Papst Johannes XXII. besetzte am 4. Juli 1328 das Bistum Chiron auf Kreta neu, das vakant war, weil er den bisherigen Bischof, den Dominikaner Bonifazio della
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Aretino, quam plurimis episcopis astantibus, in imperatorem coronatur, a Romanis patricius et augustus appellatur. Uxor ejus, filia comitis Hollandie, imperatrix per eundem episcopum benedicitur.« Chroust, Romfahrt, 1887, S. 118 mit Anm. 2, sieht die Mitwirkung der anderen Bischöfe allein darin, daß sie die die Krönungsfeierlichkeiten abschließende Messe konzelebriert haben sollen. Entgegen Chrousts Angabe informiert Villani jedoch nicht darüber, wer die Krönungsmesse zelebriert hat. Vgl. oben S. 248. In den Privilegien des Gegenpapstes ist Gherardo von Aleria am 5. Juni (Jean XXII, Lettres communes, ed. Mollat, Bd. 7, 1914 – 1919, Nr. 42621, S. 404; Eubel, Registerband, 1893, Nr. 130, S. 148 – 149), 10. Juli (Jean XXII, Lettres communes, ed. Mollat, Bd. 7, 1914 – 1919, Nr. 42664, S. 408; Eubel, Registerband, 1893, Nr. 174, S. 155 – 156), 2. Oktober 1328 (Jean XXII, Lettres communes, ed. Mollat, Bd. 8, 1920 – 1924, Nr. 46335, S. 386; Eubel, Registerband, 1893, Nr. 233, S. 166) und am 27. Januar 1329 (Jean XXII, Lettres communes, ed. Mollat, Bd. 8, 1920 – 1924, Nrrn. 46465 und 46467, S. 399; Eubel, Registerband, 1893, Nr. 362, S. 188 f., und Nr. 361, S. 188) genannt. Papst Johannes besetzte erst am 14. März 1330 das Bistum von Aleria neu, Jean XXII, Lettres communes, ed. Mollat, Bd. 9, 1923 – 1926, Nr. 48887, S. 245. Cronaca di Pisa di Ranieri Sardo, ed. Banti, 1963, S. 81, Z. 4 – 12: »In detto anno fu tolto l’arciveschovato all’arciveschovo di Pisa il quale avea nome Simone Saltaregli da Firenze et diello a mmissere frate Gherardo degli Orlandi di Pisa veschovo d’Aleria; nel mese di dicenbre, missere Lodovicho ducha et Chastruccio chon molta gente n’andorono a rRoma et quivi fu facto chavalieri Chastruccio et senator di Roma per lo popolo, et missere Lodovicho ducha, da’ Romani si fu facto inperadore in Sancto Piero et quivi rimase et fu incoronato inperatore dal ditto vescovo d’Aleria de li Orlandi.« Matthias, Beiträge, 1908, S. 32, Anm. 4, meint irrtümlich, daß nach der Cronica di Pisa Ludwig von Gherardo nicht gekrönt, sondern gesalbt wurde. Grundlegend dazu Emilio Cristiani, Alcune osservazioni sui vescovi intervenuti all’incoronazione romana di Ludovico il Bavaro (17 gennaio 1328), in: Miscellanea Gilles Gerard Meerseman, Bd. 1 (Italia sacra. Studi e documenti di storia ecclesiastica, Bd. 15), Padua 1970, S. 247 – 256, hier S. 247 und passim; der Hinweis auf Bonifazio als drittem Konsekrator aber auch schon bei Bock, Reichsidee, 1943, S. 253; DuprH Theseider, Roma, 1952, S. 465; zuletzt Schütz, Kaiserkrönung, in: Wittelsbach und Bayern I/2, 1980, S. 213.
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Gherardesca aus Pisa, seines Amtes enthoben hat, da er sich Ludwig dem Bayern angeschlossen und an dessen Kaiserkrönung teilgenommen hatte.873 Auch Bonifazio ist im Umfeld des Kaisers gut belegt. Der Gegenpapst erhob ihn zum Kardinal,874 ernannte ihn am 18. Mai 1328 zum neuen General des Dominikanerordens875 und bestätigte ihn am 21. Mai 1328 als Bischof von Chiron.876 Alle drei Bischöfe erscheinen bereits vor der Kaiserkrönung als Zeugen in Ludwigs Urkunden. Zuerst Bonifazio, der am 24. September 1327 ein im Feldlager Ludwigs während der Belagerung von Pisa ausgestelltes Notariatsinstrument bezeugt,877 und später Giacomo und Gherardo, die am 17. November 1327 die Verleihung des Herzogtums Lucca an Castruccio bezeugen.878 Festzuhalten bleibt, daß der Tradition und dem Ordo gemäß drei Bischöfe an der Kaiserkrönung Ludwigs des Bayern beteiligt waren. Villani nennt als Aufgabe der beiden von ihm erwähnten Bischöfe, Giacomo Alberti aus Prato, Bischof von Castello, und Gherardo Orlandi aus Pisa, Bischof von Aleria, ausdrücklich die Weihe des Kaisers. Es erscheint kaum plausibel anzunehmen, daß der dritte beteiligte Bischof, Bonifazio della Gherardesca aus Pisa, Bischof von Chiron, nicht auch als dritter Konsekrator mitwirkte. Einer der Konsekratoren, Giacomo Alberti, vollzog zudem die Salbung an Ludwig und wurde später zum Kardinalbischof von Ostia und Velletri ernannt, dem der Tradition gemäß die Salbung des Kaisers zustand. Die drei Bischöfe übten offenbar diejenigen Funktionen bei der Kaiserkrönung Ludwigs des Bayern aus, die der Tradition und dem Ordo nach von den drei Kardinalbischöfen von Ostia, Porto und Albano bei einer Kaiserkrönung ausgeführt werden.879 Einer der Konsekratoren, nämlich der bereits durch die Salbung herausstehende Giacomo Alberti, zele873 Jean XXII, Lettres communes, ed. Mollat, Bd. 7, 1914 – 1919, Nr. 41807, S. 322: »Johannes sacerdos, prior basilicae principis apostolorum de Urbe fit episcopus ecclesie Kironensis, vacante per privationem Sacii de Pisiis, O.F.P., qui ex civitate Pisana ad Urbem cum Ludovico de Bavaria associando ipsum accessit, euis coronationi in dicta Urbe interfuit, eique favit.« Zu seiner Person vgl. C. E. Meek, Art. Della Gherardesca, Bonifazio, in: DBI, Bd. 31 (1985), S. 13 – 15; Thomas Szabj, Della Gherardesca, in: Reinhardt (Hg.), Die großen Familien Italiens, 1992, S. 195 – 201, zu Bonifazio S. 198. 874 Chronaca Senese di Agnolo di Tura del Grasso, ed. Lisini/Iacometti, 1939, S. 473, Z. 20. 875 Jean XXII, Lettres communes, ed. Mollat, Bd. 7, 1914 – 1919, Nr. 42499, S. 393; Eubel, Registerband, 1893, Nr. 1, S. 130. Vgl. Cristiani, Alcune osservazioni, 1970, S. 254. 876 Jean XXII, Lettres communes, ed. Mollat, Bd. 7, 1914 – 1919, Nr. 42505, S. 394; Eubel, Registerband, 1893, Nr. 132, S. 149 (irrtümlich zum 7. Juni). 877 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 347, S. 256, Z. 36 – 37. 878 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 362, S. 269 – 271, hier S. 271, Z. 13 – 14; Böhmer, RI. Additamentum secundum, 1846, Ludwig der Baier, Nr. 2962, S. 319. 879 Allerdings wurden Gherardo Orlandi und Bonifazio della Gherardesca nicht zu Kardinalbischöfen von Porto und Albano ernannt. Der Gegenpapst ernannte Pandolfo Capocci zum Kardinalbischof von Porto (Eubel, Hierarchia catholica, Bd. 1, 21913, S. 17) und den deutschen Abt Franz Hermann zum Kardinalbischof von Albano (Eubel, Hierarchia catholica, Bd. 1, 21913, S. 16).
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
brierte zudem die Krönungsmesse und übernahm damit eine Aufgabe, die nach der Tradition und dem Ordo allein dem Papst zustand.
5.8.3 Die Koronatoren: vier Syndici des römischen Volkes Die laikalen Beteiligten an der Kaiserkrönung Ludwigs des Bayern haben in der Forschung ganz unterschiedliche Aufmerksamkeit erfahren. Während die »Krönungssyndici des römischen Volkes« in der älteren Forschung durchweg Erwähnung finden, werden sie in neueren Darstellungen zunehmend ignoriert.880 Dabei sind sie in den Quellen gut belegt. Allerdings werfen die unterschiedlichen Quellenberichte Fragen auf, die vielleicht auch nicht abschließend zu beantworten sind. In den päpstlichen Prozessen und Schreiben wird die eigentliche Krönung Ludwigs des Bayern »bestimmten Bürgern der Stadt, die, wie man sagt, vom Volk abgeordnet wurden«, oder auch nur »gewissen Römern« zugeschrieben.881 Um wen es sich bei diesen römischen Bürgern handelte, teilen die päpstlichen Dokumente nicht mit. Einige historiographische Quellen geben dazu mehr Informationen, ihnen ist jedoch gemeinsam, daß sie allein laikale Koronatoren anführen, die an der Krönung beteiligten Bischöfe, die Weihe und Salbung erwähnen sie nicht. Unter dem Namen Nicolaus Minorita wurde 1338 eine umfangreiche Sammlung von Dokumenten zu der Auseinandersetzung Ludwigs des Bayern mit Papst Johannes XXII. und zum theoretischen Armutsstreit von Franziskanern aus dem Umfeld Ludwigs des Bayern zusammengestellt. Es handelt sich dabei um eine Rechtfertigungsschrift mit offiziösem Charakter.882 Zwischen der Wiedergabe der Aktenstücke finden sich kommentierende Bemerkungen und chronikalische Notizen. Zur Kaiserkrönung vermerkt eine chronikalische Passage: »Am 17. Januar, der der Sonntag der Vermählungen war, im Jahr des Herrn 1328, ist der genannte Fürst, der Herr Ludwig, der König der Römer, nicht durch den Papst, sondern durch vier Syndici des römischen Volkes, die speziell zu diesem Zweck eingesetzt 880 Kein Hinweis auf die Krönungssyndici bei Eichmann, Kaiserkrönung, Bd. 1, 1942; Bock, Reichsidee, 1943; Grundmann, Wahlkönigtum, 1970; Schütz, Kaiserkrönung, S. 213; Benker, Ludwig der Bayer, 1980, S. 158; Leuschner, Deutschland, 21983; Moraw, Verfassung, 1985; Berg, Italienzug, 1987; Miethke, Denken, 1989, S. 138; Thomas, Ludwig der Bayer, 1993; Kaufhold, Gladius spiritualis, 1994; Pauler, Könige, 1997; Schulze, Grundstrukturen, Bd. 3, 1998; Menzel, Ludwig der Bayer, 2001; Becker, Kaisertum, 2002. 881 Vgl. oben S. 255 ff. 882 Jürgen Miethke, Der erste vollständige Druck der sogenannten »Chronik des Nicolaus Minorita« (von 1330/1338). Bemerkungen zur Präsentation eines »Farbbuches« des 14. Jahrhunderts, in: DA 54 (1998), S. 623 – 642; Konrad Eubel, Zu Nicolaus Minorita, in: HJb 18 (1897), S. 375 – 386.
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Die Konsekratoren und Koronatoren
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wurden, in der Kirche des Heiligen Petrus feierlich mit der goldenen Krone zum Kaiser der Römer gekrönt worden. Und von da an wurde er Kaiser genannt, denn vom Tag seiner Wahl bis zu dem Tag, an dem er mit der goldenen Krone gekrönt wurde, wurde er in seinen Urkunden und von allen nicht Kaiser, sondern König der Römer genannt.«883
Die vier Krönungssyndici nennt auch Andrea Dei in seiner Cronica Sanese: »Und am Sonntag, den 17. Januar, krönte man den Kaiser und die Kaiserin mit großer Festlichkeit und alter Feierlichkeit in Sankt Peter durch die Hand vierer Syndici, die vom römischen Volk eingesetzt worden waren, und durch den Präfekten.«884
Auch bei Andrea Dei, der der kaiserlichen Partei in Italien zuzurechnen ist, wird die Krönung mit positiven Zuschreibungen versehen. Etwas deutlicher als Nicolaus Minorita sagt Andrea Dei, daß die Krönungsbevollmächtigten vom römischen Volk eingesetzt wurden und macht zudem auch Angaben zu ihrer Identität: »Und die Syndici, die den Kaiser krönten, waren diese, Giacomo genannt Sciarra von den Colonna, Giacomo Savelli, der Kanzler von Rom, und Pietro delli Anibaldeschi.«885 Im Unterschied zu Nicolaus Minorita nennt Andrea Dei separat von den vier Krönungssyndici noch den Stadtpräfekten, der damit ein fünfter Koronator wäre.886 So bestimmt die Angaben von Andrea Dei lauten, so müssen doch Zweifel an der Anzahl und Identität der Koronatoren geäußert werden. Auch Matthias von Neuenburg nennt vier laikale Koronatoren, allerdings ohne ausdrücklich von Krönungssyndici zu sprechen: »Darauf kam er [Ludwig] nach Rom, wurde von der römischen Geistlichkeit und dem Volke mit Freude und Zuneigung empfangen und am 17. Januar, dem Sonntag, an dem man das ›Omnis terra‹ singt, im vierzehnten Jahr seiner Regierung in der Kirche des heiligen Petrus mit Zustimmung der ganzen Bevölkerung durch die Senatoren, den 883 Nicolaus Minorita, ed. G#l/Flood, 1996, S. 178 – 179: »[…] die 17 Ianuarii, quae fuit dominica de nuptiis, anno Domini 1328, praefatus princeps, dominus Ludovicus, Romanorum rex, fuit non per papam, sed per quattuor syndicos populi Romani, ad hoc specialiter constitutos, in ecclesia Sancti Petri in imperatorem Romanorum sollemniter corona aurea coronatus et ex tunc imperator vocatus; nam a die suae electionis, usque ad diem qua Romae corona aurea coronatus, non imperatores, sed reges Romanorum in suis litteris et ab omnibus appellantur.« 884 Cronica Sanese di Andrea Dei, in: RIS, Bd. 15, 1729, Sp. 79D: »E la domenica a d' 17. Gennaro si coronk l’Imperadore, et l’Imperadrice con grande festa, e sollenit/ antiche, in Santo Pietro per mano di quattro Sindachi, che furo fatti per lo Popolo di Roma, e per lo Prefetto.« 885 Cronica Sanese di Andrea Dei, in: RIS, Bd. 15, 1729, Sp. 79E-80 A: »E Sindachi, che coronaro l’Imperadore, furo questi, Jacomo detto Sciarra de’ Colonnensi, Jacomo Savelli, el Cancelliero di Roma, e Pietro delli Anibaldeschi.« 886 Matthias, Beiträge, 1908, S. 25, urteilt zutreffend, daß der Relativsatz bis »Roma« eingeschoben ist und Andrea Dei daher nicht sagen will, daß der Präfekt gemeinsam mit dem Volk von Rom die Syndici ernannte, wie Chroust, Romfahrt, 1887, S. 116, meint, sondern daß der Präfekt mit den Syndici die Krönung durchführte.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
Präfekten der Stadt und den Kanzler des römischen Volkes gemeinsam mit seiner Gemahlin mit der kaiserlichen Krone geschmückt.«887
Die von Andrea Dei und Matthias von Neuenburg gemachten Angaben über die Identität der Koronatoren passen teilweise gut zueinander : Die Senatoren waren Sciarra Colonna und Giacomo Savelli, und beide Chronisten erwähnen einen Kanzler, der von Andrea Dei als Kanzler von Rom und von Matthias von Neuenburg als Kanzler des Volkes bezeichnet wird, dessen Namen beide aber nicht nennen. Beide erwähnen auch den Stadtpräfekten als Koronator. Der Unterschied ist, daß bei Matthias von Neuenburg der Stadtpräfekt einer der vier genannten Koronatoren ist, während er bei Andrea Dei außerhalb der Gruppe der vier Syndici aufgeführt wird. Die Angaben zu vier Koronatoren können in Einklang gebracht werden, Pietro von der Familie der Annibaldi steht jedoch allein bei Andrea Dei. Auch Villani nennt eine Gruppe von vier Personen, die er bei dem Krönungszug hervorhebt, nämlich Sciarra Colonna, Buccio Proresso, ein Orsino und Pietro di Montenegro.888 In der älteren Forschung wurde zwar häufig angenommen, daß Villani mit diesen vier Römern die Krönungssyndici benennen wollte,889 aber von Krönungsbevollmächtigten spricht Villani nirgends. Diese Widersprüche zwischen den Angaben über die Identität der Krönungssyndici haben dazu geführt, daß in den meisten Untersuchungen auf einen Versuch, die Koronatoren zu bestimmen, verzichtet wurde.890 In einigen Urkunden, die Kaiser Ludwig nicht lange nach der Kaiserkrönung ausstellte, sind vier Römer als Zeugen in einer abgesetzten Gruppe am Ende der 887 Matthias von Neuenburg, Kap. 52a, Rec. WAU, ed. Hofmeister, 1924 – 1940, S. 367, Z. 25 – S. 368, Z. 6: »Et post hec Romam veniens a Romano clero et populo gaudenter et comiter est receptus ac XVII. die Ianuarii, dominica qua cantatur Omnis terra, anno regni sui XIIII ex parte tocius Romani populi per senatores, prefectum Urbis et cancellarium populi Romani omnibus nobilibus acclamantibus in ecclesia sancti Petri cum ipsa coniuge imperiali extitit dyademata insignitus.« Die Übersetzung nach Grandaur, GdV 84, 1892, S. 85. Grandaur übersetzt irrtümlich jedoch, als ob die Ämter des Präfekten und des Kanzlers von derselben Person ausgeübt worden wären. 888 Villani, Buch 11, Kap. 56, Z. 12 – 17, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 584 – 585: »Il modo come fu coronato, e chi il coronk, furono gl’infrascritti: Sciarra de la Colonna, ch’era stato capitano di popolo, Buccio di Proresso, e Orsino (…) stati sanatori, e Pietro di Montenero cavaliere di Roma, tutti vestiti a drappi ad oro«. 889 Altmann, Römerzug, 1886, S. 72, Anm. 6; Chroust, Romfahrt, 1887, S. 115; Riezler, Geschichte, Bd. 2, 1880, S. 374; Lindner, Geschichte, 1890, S. 373; Matthias, Beiträge, 1908, S. 28 – 29. Gregorovius, Geschichte, Bd. 6, 1867, S. 146, vereint die Angaben von Andrea Dei und Villani und benennt Sciarra Colonna, Giacomo Savelli, den Kanzler der Stadt und »Petrus de Montenigro von den Anibaldi« als die vier Krönungssyndici. 890 Riezler, Widersacher, 1874, S. 48, und ders., Geschichte, Bd. 2, 1880, S. 374; Müller, Kampf, Bd. 1, S. 178 – 179; Tesdorpf, Römerzug, 1885, S. 41; Altmann, Römerzug, 1886, S. 72 mit Anm. 6; Lindner, Geschichte, 1890, S. 373; Hauck, Kirchengeschichte, Bd. V/1, 1911, 91958, S. 510 – 511. Chroust, Romfahrt, 1887, S. 115 mit Anm. 2 und S. 253 – 254, diskutiert diese Frage im Unterschied zu den Vorgenannten zwar, legt sich aber auch nicht fest.
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Urkunde aufgeführt, bei denen es sich um die vier Krönungssyndici handeln könnte, nämlich die Senatoren Sciarra Colonna und Giacomo Savelli, der Stadtpräfekt Manfredi di Vico und Tibaldo von Sant’Eustachio: am 8. Februar 1328, bei der Belehnung seines Sohnes, des Markgrafen von Brandenburg, mit Lehen in Polen,891 am 12. Februar 1328, bei der Erneuerung der Belehnung seines Sohnes mit der Kurmark Brandenburg,892 und am 15. Februar 1328, bei der Bestätigung der Ernennung Castruccio Castracanes zum Herzog von Lucca.893 Sciarra Colonna, Giacomo Savelli und der Stadtpräfekt Manfredi di Vico werden von Andrea Dei und Matthias von Neuenburg als Koronatoren genannt, Tibaldo von Sant’Eustachio wird von Villani im Zusammenhang mit den Krönungsfeierlichkeiten erwähnt.894 In der Kaiserurkunde vom 15. Februar 1328 sind außerdem an zweiter und dritter Stelle, nach Herzog Rudolf von Bayern, die Bischöfe Giacomo Alberti und Bonifazio della Gherardesca als Zeugen aufgeführt.895 In dieser Kaiserurkunde sind also bis auf Bischof Gherardo Orlandi möglicherweise alle Konsekratoren und Koronatoren als Zeugen an prominenter Stelle aufgeführt. Vielleicht fehlte Gherardo Orlandi nur deshalb, weil er Rom bereits gemeinsam mit Castruccio Castracane verlassen hat, der am 1. Februar nach Pisa aufgebrochen war.896 In der am 29. Mai 1328 in Pisa ausgestellten Urkunde, mit der Burggraf Friedrich von Nürnberg und Graf Meinhard von Ortenburg im Auftrag Kaiser Ludwigs Castruccio das Reichsvikariat über Pisa verleihen, fungiert Gherardo Orlandi als Zeuge.897 Die vier genannten laikalen Römer bilden in Ludwigs Kaiserurkunden auch insofern eine geschlossene
891 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 387, S. 289, Z. 16 – 19: »[…] necnon nobilibus Romanis Iacobo Serre de Columpna, Iacobo de Sabellis senatoribus, Manfredo de Vico alme Urbis prefecto et Thebaldo de Sancto Eustachio«; Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 958, S. 58; ausgefertigt mit Goldbulle. 892 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 390, S. 293, Z. 35 – 39: »[…] necnon nobilibus Romanis Iacobo dicto Serra de Columpna, Iacobo de Sabellis senatoribus, Manfredo de Vico alme Urbis prefecto et Thebaldo de Sancto Eustachio«; Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 965, S. 58; ausgefertigt mit Goldbulle. 893 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 401, S. 302, Z. 44 – 46: »[…] necnon nobiles viri Iacobus Serra de Columpna, Iacobus de Sabellis senatores Urbis, Manfredus de Vico alme urbis prefectus et Thebaldus de Sancto Eustachio«; Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 967, S. 58. 894 So argumentiert auch Matthias, Beiträge, 1908, S. 27 und 29, der sich bisher als einziger für diese vier als Koronatoren ausgesprochen hat. 895 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 401, S. 302, Z. 37 – 38: »[…] venerabilis Iacobus episcopus Castellanus, venerabilis frater Bonifacius episcopus Kyronensis«. 896 Villani, Buch 11, Kap. 60, Z. 24 – 25, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 593. 897 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 462, S. 379 – 381, hier S. 381, Z. 34 – 35; zuvor schon gedruckt von Ficker, Urkunden, 1865, Nr. 123, S. 73 – 74, der allerdings die Lesart »episcopo Albanensi« statt »Alleriensi« hat.
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Gruppe, als keine anderen Römer als Zeugen vorkommen,898 andere laikale Zeugen sind ausnahmslos deutscher Herkunft.899 Auch in päpstlichen Dokumenten sind zumindest drei der Krönungssyndici belegt. In einem Schreiben vom 13. Oktober 1329 nimmt Papst Johannes XXII. Giacomo Savelli und Tibaldo di Sant’Eustachio wieder in die Kirche auf.900 In diesem Schreiben inseriert sind Schuldbekenntnisse der beiden Römer. Zunächst gibt der päpstliche Notar, Bischof Hildebrand von Padua, in deren Namen Schuldbekenntnisse ab, dann folgen Abschriften von Notariatsinstrumenten über die eigenen Schuldbekenntnisse von Giacomo Savelli und Tibaldo di Sant’Eustachio mit Datum vom 5. Juni 1329. Sie bekennen, »daß sie Hilfe geleistet und daran mitgewirkt haben, daß Ludwig die kaiserliche Krone und Salbung annahm und sich anmaßte«.901 Auch Manfredi di Vico stand in Versöhnungsverhandlungen mit der Kurie, bereits am 11. September 1328 bekannte er seine Treue gegenüber der Kirche.902 Über Sciarra Colonnas Beteiligung an der 898 Die Urkunde vom 14. März 1328, in der Castruccio Castracane die erbliche Würde des Pfalzgrafen vom Lateran bestätigt wird, wird von Sciarra Colonna und Giacomo Savelli bezeugt, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 415, S. 317, Z. 31 – 32; Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 972, S. 59. Auffällig ist aber, daß diese Zeugengruppe erst am Ende der Zeugenliste aufgeführt wird, und nicht weiter am Anfang, wo die bedeutenderen Zeugen ihren Rangplatz finden. 899 Es sind sechs weitere von Kaiser Ludwig in Rom ausgestellte Urkunden bekannt, die Zeugen aufführen, alle von Februar 1328: Eine weitere für Markgraf Ludwig von Brandenburg am 18. Februar (MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 392; RI, Ludwig der Baier, Nr. 968) und fünf für Burggraf Friedrich von Nürnberg, am 7. Februar (MGH Const. VI, 1914 – 1927, Nr. 394; RI, Ludwig der Baier, Nr. 956), 8. Februar (MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 395; RI, Ludwig der Baier, Nr. 957), 18. Februar (MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 399; RI, Ludwig der Baier, Nr. 969) und 21. Februar (MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 400; RI, Ludwig der Baier, Nr. 971). Eine zweite am 18. Februar ausgestellte Urkunde für diesen Empfänger ist nur bei Böhmer, RI, Ludwig der Baier, Nr. 970, als Regest gedruckt. Es kann jedoch angenommen werden, daß auch die zweite Urkunde vom 18. Februar nur diese Zeugen nennt, da die eine Urkunde für diesen Empfänger vom 18. Februar dieselben Zeugen aufführt wie die vom 21. Februar. 900 Theiner, Codex diplomaticus, Bd. 1, 1861, Nr. 754, S. 576b-582a. Bei Rinaldi, ad a. 1329, Nr. 18, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 392a, nur ein kurzer Auszug, danach Angabe des wesentlichen Inhalts in Rinaldis Paraphrase. 901 Theiner, Codex diplomaticus, Bd. 1, 1861, Nr. 754, Bischof Hildebrand von Padua (S. 577a): »Item confiteor nomine quo supra, quod predicti nobiles dederunt opem et operam, quod idem Ludovicus reciperet et usurparet de facto, et contra iusticiam et contra precepta et mandata Sanctitatis vestre coronam et unctionem Imperialem, quatenus fuit in dicto Ludovico.« Der päpstliche Notar im Namen Giacomo Savellis (S. 579b): »Item ex eo, quod dedit opem et operam, quod dictus Ludovicus reciperet et usurparet coronam et untionem Imperialem, quantum in eo fuit, de facto et contra iusticiam et mandata et precepta domini nostri predicti.« Der päpstliche Notar im Namen Tebaldos de S. Eustachio (S. 581a): »Item ex eo, quod dedit opem et operam, quod idem Ludovicus reciperet et usurparet coronam et unctionem Imperialem, quatenus eo fuit, de facto, et contra iusticiam et mandata et precepta domini nostri predicti.« 902 Calisse, I prefetti di Vico, 1887, S. 66, und Anhang, Dokument Nr. 81, S. 470.
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Kaiserkrönung ist kein Schuldbekenntnis überliefert. Möglicherweise lag dies daran, daß er bereits im Sommer 1328 gestorben ist.903 Angesichts seiner Biographie sollte man aber auch nicht mit Versöhnungsverhandlungen und Schuldbekenntnissen gegenüber Papst Johannes XXII. rechnen. Um die Identität der Krönungssyndici festzustellen, hat Matthias versucht, die in Kaiser Ludwigs Urkunden genannten vier Zeugen mit den Angaben zu den Koronatoren bei Andrea Dei und Mathias von Neuenburg zu vereinbaren, indem er den in beiden erzählenden Quellen ohne Namen erwähnten Kanzler mit dem in den Zeugenreihen der Kaiserurkunden ohne Amt aufgeführten Tibaldo von Sant’Eustachio identifiziert.904 Auch wenn sich die Identität der Krönungssyndici nicht mit Sicherheit konstatieren läßt, so ist doch festzuhalten, mit welcher Bestimmtheit mehrere Quellen von vier römischen Bürgern als Koronatoren Ludwigs des Bayern sprechen. Vieles spricht also dafür, daß die Senatoren Sciarra Colonna und Giacomo Savelli, der Stadtpräfekt Manfredi di Vico und Tibaldo von Sant’Eustachio die vier Krönungssyndici waren. Warum wurde die Anzahl der Krönungssyndici gerade auf vier festgelegt? Vielleicht beruht die Anzahl der Krönungssyndici auf keinen besonderen Überlegungen. Es könnte sich bei den vier Personen, denen die Ehre zuteil wurde, an den Krönungsfeierlichkeiten so prominent mitzuwirken, um diejenigen Persönlichkeiten Roms gehandelt haben, die Ludwig aus politischen Gründen berücksichtigen wollte oder mußte. Sciarra Colonna, Giacomo Savelli und Tibaldo von Sant’Eustachio waren die drei kaisertreuen politischen Führer Roms, die den Umsturz gegen König Robert von Neapel betrieben und Ludwig nach Rom gerufen hatten.905 Der Stadtpräfekt war nach der Tradition und dem Ordo der römische Laie mit der bedeutendsten Rolle bei der Kaiserkrönung. Die politische Bedeutung und Stellung gerade dieser vier Personen könnten es Ludwig geboten haben, sie bei der Kaiserkrönung zu honorieren. Möglicherweise hat es doch ein Motiv gegeben, sich gerade für vier Koronatoren zu entscheiden. Die päpstlichen Dokumente und die erzählenden 903 Chroust, Romfahrt, 1887, S. 197, spricht sich für den Sommer 1328 aus; Waley, in: DBI, Bd. 27 (1982), S. 315, nennt bestimmt die Zeit vor dem 10. September 1328, beide aber ohne Beleg. Dagegen berichtet Johannes XXII. in einem Brief an den französischen König vom 28. Oktober 1329, daß er hörte, Sciarra Colonna sei in diesen Tagen gestorben, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 658, S. 556, Z. 17 – 18: »Preterea de partibus Romanis narratur, quod Sciarra de Columna obiit hiis diebus«. Vgl. Neumann, Colonna, 1916, S. 173. 904 Matthias, Beiträge, 1908, S. 30, Anm. 1, stützt sich dafür auch auf die Wiedergabe der Schuldbekenntnisse von Giacomo Savelli und Tibaldo di Sant’Eustachio in Rinaldis Paraphrase, der davon spricht, daß beide »denique Romanae rei administrationem ab eo [Ludovico] suscepere« (Rinaldi, ad a. 1329, § 18, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 392a). In dem Text des Schuldbekenntnisses von Tibaldo von Sant’Eustachio ist davon jedoch nicht die Rede; lediglich Giacomo Savelli bekennt, von Ludwig das Amt eines Senators übertragen bekommen zu haben (Theiner, Codex diplomaticus, Bd. 1, 1861, Nr. 754, S. 576b-582a). 905 Vgl. oben S. 229.
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Quellen bezeichnen ihre Handlung als »krönen«, womit sicher das Aufsetzen oder die Übergabe der Krone gemeint ist, aber wohl auch die Übergabe der anderen Krönungsinsignien. Diese waren nach dem Ordo das Zepter, der Reichsapfel und das Schwert,906 also insgesamt vier Krönungsinsignien. Die Vierzahl der Koronatoren könnte also darin begründet sein, daß jeder Krönungssyndicus dem Kaiser eine der Insignien überreichen sollte.907 Eine Quelle, die alle vier Insignien erwähnt, gibt es jedoch nicht. Das Reichsschwert ist in keiner Quelle erwähnt. Die Chronica Ludovici zählt nur die drei anderen Insignien auf, und Villani schweigt ebenfalls über das Reichsschwert, auch dann, als er die Rolle des Präfekten im Krönungszug erwähnt, dessen Aufgabe es nach dem Ordo war, dem Kaiser das Reichsschwert voranzutragen. Eine andere Erklärung für die Vierzahl der Koronatoren könnte aber auch ein römisches Repräsentationsprinzip sein. Der 52-Männer-Rat setzt sich aus vier Römern je Stadtbezirk zusammen. Möglicherweise sollte daher auch die Stadt als ganze durch vier Personen bei der Kaiserkrönung repräsentiert sein.908 Es gibt aber noch eine weitere, ebenso reizvolle wie spekulative Erklärung für die Vierzahl, wenn man die beteiligten Bischöfe, die Konsekratoren Ludwigs, in die Überlegungen einbezieht. An der Kaiserkrönung wurden also drei Bischöfe und vier Laien beteiligt, diese sieben Personen zusammen haben die wesentlichen Krönungshandlungen vorgenommen. Die Anzahl und Zusammensetzung dieser Gruppe von Konsekratoren und Koronatoren weist eine Parallele zum Kurfürstenkollegium auf, das aus drei Erzbischöfen909 und vier Laienfürsten bestand. Wollte Ludwig durch die Entscheidung, zusätzlich zu den drei vom Ordo vorgegebenen Bischöfen vier Laien an den wesentlichen Krönungshandlungen teilnehmen zu lassen, symbolisch auf die Kurfürsten verweisen? Eine politische Idee wäre dabei erkennbar. Das Kaisertum mit allen seinen Rechten beruht allein auf der Wahl durch die Kurfürsten, sie wählen den römischen Kaiser, nicht nur den römischen König. Die Kaiserkrönung ist vor allem ein Recht, das Ludwig beansprucht und das ihm aufgrund der Kurfürstenwahl zusteht. Bereits in seinen Appellationen hat Ludwig den Anspruch der Päpste auf Vergabe des Kaisertums zurückgewiesen. Die Kaiserkrönung selbst war der geeignete Anlaß für Ludwig, symbolisch zu demonstrieren, daß sein Kaisertum allein durch die Wahl der Kurfürsten legitimiert ist.
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Ordo XVII, §§ 23 – 27, ed. Elze, 1960, S. 66 – 67. In diese Richtung vermutete schon Lindner, Geschichte, 1890, S. 373. Vgl. Adalbert Erler, Art. Vier, in: HRG, Bd. 5 (1998), Sp. 915 – 917, hier Sp. 915. Die Rolle der drei rheinischen Erzbischöfe im deutschen Königsordo ist wohl der Rolle der drei Kardinalbischöfe bei der Kaiserkrönung nachgebildet worden, vgl. Eichmann, Kaiserkrönung, Bd. 1, 1942, S. 140.
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Die Konsekratoren und Koronatoren
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5.8.4 Der Capitano del popolo Sciarra Colonna als Hauptkoronator? In der Forschung ist die Überzeugung weit verbreitet, daß es Sciarra Colonna war,910 der Ludwig dem Bayern die Krone aufgesetzt habe.911 Diese Auffassung unterlag jedoch auch einem Wandel: In älteren Darstellungen wurde Sciarra Colonna als der führende der vier Krönungssyndici angesehen, der unter diesen die Ehre gehabt haben soll, Ludwig die Krone aufzusetzen.912 In jüngeren Darstellungen werden die Krönungssyndici immer seltener erwähnt, und damit verselbständigt sich Sciarra Colonnas Rolle: Er allein soll Ludwigs gekrönt haben.913 Die Angabe einer Quelle jedoch, die dies belegen soll, ist bereits in der Literatur des 19. Jahrhunderts selten.914 Diese Auffassung gilt ihren Vertretern mittlerweile als so feststehend, daß seit vielen Jahrzehnten in der Literatur kein Beleg mehr angeführt wird. Es gibt dafür auch keine zeitgenössische Quelle. Keine Quelle nennt ihn als alleinigen Koronator oder deutet in irgendeiner Weise
910 Zu seiner Person vgl. Neumann, Colonna, 1916, bes. S. 160 – 173; Daniel Waley, Art. Colonna, Giacomo, detto Sciarra, in: DBI, Bd. 27 (1982), S. 314 – 316; Fiorella Simoni BalisCrema, Art. Colonna, Giacomo, gen. Sciarra, in: LexMA, Bd. 3 (1986), Sp. 55. 911 Gegen die Auffassung, Sciarra Colonna habe Ludwig den Bayern gekrönt, wendet sich, ohne damit jedoch zu überzeugen, bereits Thomas, Ludwig der Bayer, 1993, S. 207, der irrtümlich meint, daß Castruccio Castracane in seinem Brief vom Krönungstag nicht davon berichtet habe, daß er die Aufgaben des Pfalzgrafen vom Lateran auch tatsächlich ausgeübt habe. Daraus folgert Thomas, daß ein anderer diese Aufgaben übernommen haben muß, und dieser könne, vermutet Thomas ohne weiteres, nur Sciarra Colonna gewesen sein. Dies »gab also allem Anschein nach den Anlaß zu der seit langem kolportierten Legende, er habe dem Bayern die Kaiserkrone aufs Haupt gesetzt.« 912 Gregorovius, Geschichte, Bd. 6, 1867, S. 146 – 147 und 148, Anm. 2; ihm gefolgt sind Riezler, Widersacher, 1874, S. 48; ders., Geschichte, Bd. 2, 1880, S. 374 und 376; Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 178; Tesdorpf, Römerzug, 1885, S. 41 f.; Altmann, Römerzug, 1886, S. 72; Chroust, Romfahrt, 1887, S. 116 – 118 und 253; Lindner, Geschichte, Bd. 1, 1890, S. 373. 913 Schoenian, Idee, 1919, S. 99; Eichmann, Kaiserkrönung, Bd. 1, 1942, S. 301; Bock, Reichsidee, 1943, S. 253; Schütz, Kaiserkrönung, in: Glaser (Hg.), Bd. I/2, 1980, S. 213; ders., Ludwig der Bayer, 1997, S. 25; Benker, Ludwig der Bayer, 1980, S. 158; Berg, Italienzug, 1987, S. 170; Hundt, Ludwig der Bayer, 1989, S. 190; Miethke, Denken, 1989, S. 138; Pauler, Könige, 1997, S. 155; Schulze, Grundstrukturen, Bd. 3, 1998, S. 240; Bernhard Schimmelpfennig, Ludwig der Bayer (1314 – 1347). Ein Herrscher zwischen Papst und Kurfürsten, in: Mario Kramp (Hg.), Krönungen, Bd. 2, 2000, S. 460 – 468, hier S. 465; in Handbüchern: Grundmann, Wahlkönigtum, in: Gebhardt, Bd.1, 1970, S. 529; Leuschner, Deutschland, 21983, S. 137 und 151; Heinrich Koller, in: Handbuch zur europäischen Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 420; in Nachschlagewerken: Sigmund Riezler, Art. Ludwig IV. der Baier, in: ADB 19 (1884), S. 457 – 476, hier S. 466; Jürgen Miethke, Art. Ludwig IV., in: TRE, Bd. 21 (1991), S. 484, Z. 11 – 12. 914 Riezler, Geschichte, Bd. 2, 1880, S. 374, Anm. 1, und Neumann, Colonna, 1916, S. 167, argumentieren wenig überzeugend, Sciarra Colonna sei deswegen der erste unter den Krönungsbevollmächtigten gewesen, weil sein Name als einziger sowohl bei Andrea Dei als auch bei den vier von Villani genannten Römern vorkommt, aber alle anderen Namen voneinander abweichen.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
darauf hin, daß er eine herausgehobene Rolle unter den vier Krönungssyndici spielte.915 Die ältere Forschung hat sich für die Behauptung, daß Sciarra Colonna als erster der vier Krönungssyndici Ludwig krönte, auf die Chronik des Antonin von Florenz und auf die Annales Florentini gestützt.916 Beide berichten zwar, daß Ludwig von Sciarra Colonna gekrönt worden sei, und zwar nur von ihm allein, die vier Krönungssyndici werden von ihnen nicht erwähnt. Diese historiographischen Werke können jedoch weder als zeitgenössische noch als selbständige Quellen für das Jahr 1328 angesehen werden. Bischof Antonin von Florenz (1389 – 1459) hat seine Weltchronik in der Mitte des 15. Jahrhunderts verfaßt.917 Antonins Chronik ist zudem eine Kompilation anderer erzählender Werke und auch deswegen keine eigenständige Quelle für die Ereignisse von 1328.918 Die von der Forschung herangezogene Stelle lautet: »Die Römer befanden sich, nachdem sie schon lange von Ludwigs Ankunft gehört hatten, im schwersten Zwiespalt, und die gegen den König [Robert von Neapel] und den Papst gerichtete Partei erlangte die Vorherrschaft. Ludwig wurde von dieser schließlich in Rom empfangen und nicht viel später unter großem Beifall des Volkes gekrönt. Im übrigen stand kein für die Krönung üblicher Ordo, kein Legat, keine päpstliche Ermächtigung zu Gebote. Aufgesetzt wurde jenem die Krone, im Namen des Volkes, von Sciarra Colonna, dem Anführer der verräterischen Partei. Zum Andenken daran haben er selbst und seine Nachkommen dem alten Wappen der Familie eine Krone hinzugefügt, wie wenn es ehrenvoll gewesen wäre, verbrecherisch gehandelt zu haben.«919 915 Diesen Mangel an Beweisen hat bereits Dupr8 Theseider, Roma, 1952, S. 468, konstatiert. 916 Chroust, Romfahrt, 1887, S. 253; Neumann, Colonna, 1916, S. 167. 917 Divi Antonini archiepiscopi Florentini, et doctoris s. theologiae praestantissimi chronicorum opus in tres partes divisum. Opus omni eruditione ac pietate refertum, nunc quanta fieri potuit diligentia emendatum et auctum, atque annotationibus illustratam, adiectis etiam, ut plurimum locis, ex quibus omnia desumpta fuerant, opera et studio Petri Maturi, Lyon 1586; Erstdruck 1484 in Nürnberg, dann Basel 1491, danach mehrmals in Lyon, zuletzt 1586 und 1587 mit Anmerkungen herausgegeben von dem Jesuiten Pierre Madur ; zum Werk vgl. James Bernard Walker, The »Chronicles« of Saint Antoninus. A Study in Historiography, Washington, D.C. 1933, zu den Drucken S. 28, zur Person vgl. Arnaldo d’Addario, Art. Antonino Pierozzi, santo, in: DBI, Bd. 3 (1961), S. 524 – 532; Hans Wolter, Art. Antoninus, in: LexMA, Bd. 1 (1980), Sp. 728; Johannes Helmrath, Art. Antonin (Pierozzi) v. Florenz, in: LThK3, Bd. 1 (1993), Sp. 784. 918 So bereits Schaube, Die Quellen der Weltchronik des heil. Antonin, 1880, S. 3, der ebenda, Anm. 2, auf Gregorovius als Beispiel für die ungerechtfertigte Verwendung Antonins als Quelle für Ludwigs Romzug hinweist. 919 Antonin, Chronik, Bd. 3, 1586, Titulum XXI, cap. VI, § VI, S. 323bE–324aA: »Romani vero iam prius audito Ludouici ad uentu, seditione grauissima vexabantur. Et praeualebat factio regni, pontificique contraria. Ab ea tandem receptus in urbe Ludouicus haud multo post magno populi applausu coronatur, anno Domini 1328. Ceterum in coronando nullus solitus ordo, nemo legatus, nulla pontificis authoritas sibi abfuit. Imposita est illi corona populi nomine a Sciarra Columnensi principe diuersa factionis. In cuius rei memoriam ipse
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Die Konsekratoren und Koronatoren
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Antonin führt zwei Argumente an, warum Sciarra Colonna der Koronator Ludwigs gewesen sein soll. Erstens wird Sciarra als politischer Führer Roms hervorgehoben und zweitens verweist Antonin auf die heraldische Selbstdarstellung der Colonna. Die politische Rolle Sciarra Colonnas könnte durchaus als Argument auch für eine führende Rolle bei der Kaiserkrönung gelten, umso mehr fällt aber auf, daß keine der zeitgenössischen Quellen diesen Zusammenhang herstellt. Der Hinweis auf die dem Familienwappen hinzugefügte Krone920 kann in keinem Fall als Argument dafür dienen, daß Sciarra Colonna alleiniger Koronator gewesen sei. Antonin läßt keinen Zweifel daran, daß er Ludwigs Kaiserkrönung ablehnt und nicht anerkennt. Singulär ist seine Behauptung, daß der übliche Ordo nicht verwendet worden sei. Eine auffällige Abweichung von allen zeitgenössischen Berichten; auch der ebenfalls aus Florenz stammende Villani betont, daß die Krönungszeremonie dem Ordo folgte. Die Darstellung der Kaiserkrönung als illegitim soll gestützt werden durch die Behauptungen, daß die notwendige Rechtsform nicht beachtet worden sei und daß der verfemte Sciarra Colonna Ludwig gekrönt habe. Ebenso verhält es sich mit den knappen Annales Florentini (1288 – 1431), die zwischen 1435 und 1461 geschrieben wurden.921 Sie machen eine sehr ähnliche Aussage: »Ludwig wurde in Rom gegen den Willen des Pontifex von Sciarra Colonna, wobei keine gewohnte Zeremonie beachtet wurde, gekrönt«.922 Die singuläre Aussage über Sciarra Colonnas Rolle in zwei in Florenz lange nach den Ereignissen verfaßten Geschichtsdarstellungen hat Matthias zu der Vermutung veranlaßt, Antonin habe die Annales Florentini benutzt.923 Und über die Annales Florentini urteilt der Herausgeber Alfons Huber, sie seien bis hin zum Jahr 1364 »ein bloßer Auszug« aus der Chronik des Florentiners Villani.924 Beides ist nicht richtig. Die Behauptung, Sciarra Colonna sei der einzige Koronator Ludwigs des Bayern gewesen, findet sich bei Villani eben noch nicht. Auch beruht Antonins Darstellung nicht auf den Annales Florentini, sie sind unabhängig voneinander und beruhen beide vielmehr auf einer anderen Chronik, nämlich der »Geschichte des Volks von Florenz«925 des florentinischen Früh-
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posterique eius ad antiquum gentis insigne, quod est Columna, coronam addidere, quasi praeclarum fuerit scelerate fecisse.« Andreas Rehberg, Colonna, in: Reinhardt (Hg.), Die großen Familien Italiens, 1992, S. 171 – 188, gibt S. 171 eine Abbildung des Wappens mit Krone und meint, daß »das heraldische Privileg, über der vieldiskutierten Säule eine Krone zu führen, 1328 unzweifelhaft von einem römischen Kaiser, nämlich Ludwig dem Bayern, verliehen wurde«. Annales Florentini, ed. Böhmer/Huber, 1868, S. 672 – 686. Eine kritische Edition liegt noch nicht vor. Annales Florentini, ed. Böhmer/Huber, 1868, S. 676: »1327 [1328] Ludovicus Rome preter pontificis voluntatem a Scarra Colunensi, nulla solita solennitate servata, coronatus«. Matthias, Beiträge, 1908, S. 27. Böhmer/Huber, Vorrede, in: FRG 4, 1868, S. LXVIII. Leonardo Bruni Aretino, Historiarum Florentini populi libri XII, ed. Emilio Santini, in:
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
humanisten Leonardo Bruni Aretino (1369 – 1444).926 Sein Bericht über die römischen Ereignisse ist – nahezu wörtlich – die Vorlage für Antonin gewesen.927 Zwar hat Bruni bis zu seinem Tode an seiner Geschichte des Volkes von Florenz gearbeitet, aber die ersten sechs Bücher seines Werkes, die bis zum Jahr 1343 reichen, wurden bereits 1428 in einer öffentlichen Zeremonie der Signorie übergeben.928 Auch der Autor der Annales Florentini, der sein Werk nicht vor 1435 abgeschlossen hat, hatte also Gelegenheit, Brunis Werk für seine Notizen zum Italienzug Ludwigs des Bayern zu benutzen. Auf Brunis schriftstellerische Werke und auf dessen Lebensdaten weist der Annalist in seiner knappen Darstellung sogar wiederholt hin.929 Leonardo Bruni ist also wohl der erste Autor, der – etwa einhundert Jahre nach den Ereignissen – Sciarra Colonna als einzigen Koronator darstellt. Ob seine Darstellung vielleicht auf zeitgenössischen Quellen basiert, die selbst nicht auf uns gekommen sind, ist nicht bekannt. Seine Darstellung, die den Parteienkampf in Rom vor der Ankunft Ludwigs des Bayern hervorhebt, läßt die Erklärung zu, daß es für Bruni plausibel war anzunehmen, daß Sciarra Colonna als prominentester Proponent der papstfeindlichen Partei auch bei der Kaiserkrönung hervorgetreten war. Zudem konnte Bruni, indem er Sciarra Colonna als
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Leonardo Bruni Aretino, Historiarum Florentini populi libri XII e Rerum suo tempore gestarum commentarius, a cura di Emilio Santini e Carmine di Pierro (RIS2, Bd. 19/3), Citt/ di Castello 1914 – 1926, S. 1 – 288; die ersten beiden Bände einer Neuausgabe mit seitenparalleler Übersetzung ins Englische sind jüngst erschienen: Leonardo Bruni, History of the Florentine People, ed. and transl. by James Hankins, Bd. 1: Books I-IV; Band 2: Books V-VIII (The I Tatti Renaissance Library, Bd. 3 und 16), Cambridge (Mass.) 2001 – 2004. Dabei wurden zwar gegenüber der Ausgabe von Santini Fehler anhand der Handschriften korrigiert, um eine kritische Edition handelt es sich aber nicht, Hankins, Bd. 1, 2001, S. 473 – 477. Vgl. zu Brunis Geschichtswerk z. B. Donald R. Wilcox, The Development of Florentine Humanist Historiography in the Fifteenth Century (Harvard Historical Studies, Bd. 82), Camdridge (Mass.) 1969; Eric Cochrane, Historians and Historiography in the Italian Renaissance, Chicago/London 1981, bes. S. 3 – 9. Cesare Vasoli, Art. Bruni (Brunus, Bruno), Leonardo (Lionardo), detto Leonardo Aretino, in: DBI, Bd. 14 (1972), S. 618 – 633; G. Busetto, Art. Bruni, Leonardo (gen. Aretino; Leonardus Brunus Aretinus), in: LexMA, Bd. 2 (1983), Sp. 760 – 761. Bruni, Buch V, cap. 137, ed. Hankins, Bd. 2, 2004, S. 126: »Romani, iam pridem audito Ludovici adventu, in seditione gravissima versabantur ; et praevalebat factio regi pontificique adversa. Ab ea tandem receptus in urbem Ludovicus, haud multo post magno applausu populi coronatur. Ceterum nullus in coronando solitus ordo, nemo legatus, nulla pontificis auctoritas adfuit. Imposita est illi corona populi nomine a Sciarra Columnensi, principe diversae factionis; in cuius rei memoriam ipse posterique eius ad antiquum gentis insigne coronam addidere, quasi praeclarum fuerit scelerate fecisse.« Santini, Prefazione, 1914 – 1926, S. XXIII, Z. 14 – 16; Hankins, Bd. 1, 2001, Introduction, S. XI. Annales Florentini, ed. Böhmer/Huber, 1868, S. 681 (zu 1369): »Leonardus Brunus historicus Aretii nascitur«; S. 686 (zu 1414): »Leonardus Brunus Aristotelis Ethicorum libros per hec tempora latinos facit, et decem et octo annos post Politicorum quoque libros transtulit«.
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Die Konsekratoren und Koronatoren
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Koronator namhaft machte, die Unrechtmäßigkeit der Kaiserkrönung an der Person des Koronators verdeutlichen. Die Tradierung der im 15. Jahrhundert in Florenz entstandenen Legende von Sciarra Colonna als einzigem Koronator Ludwigs des Bayern, die ihren Weg bis in heutige Handbücher fand, sieht dann so aus: Von Leonardo Bruni ist diese Darstellung in die Weltchronik des Antonin von Florenz gelangt, der in seiner Kompilation Bruni an dieser Stelle fast wortgetreu übernimmt. Im 17. Jahrhundert zitierte Odorico Rinaldi Antonins Darstellung in seiner Fortsetzung des Annales ecclesiastici.930 Gregorovius übernahm im 19. Jahrhundert, wohl aufmerksam gemacht durch die von ihm vielbenutzten Annales ecclesiastici, Antonins Darstellung der Rolle Sciarra Colonnas.931 Die Wirkung von Gregorovius auf spätere Darstellungen und Untersuchungen war groß.932 Die Auffassung, daß Sciarra Colonna – und nur er allein – Ludwig den Bayern zum Kaiser gekrönt habe, wurde schließlich die herrschende Meinung. Eine gewisse Parallele zur florentinischen Historiographie des 15. Jahrhunderts bildet eine Zeichnung, die in zwei Handschriften des 15. Jahrhunderts aus Lucca überliefert ist. Sie stellt bildlich das Aufsetzen der Krone auf das Haupt Ludwigs des Bayern durch die neben ihm stehenden Sciarra Colonna und Castruccio Castracane dar.933 Als Quellenbeleg dafür, daß diese beiden Ludwig die Kaiserkrone aufgesetzt hätten, kann auch diese späte Darstellung nicht dienen,
930 Rinaldi, ad a. 1328, § 3, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 338a-b. Zur Bedeutung der Chronik Antonins für die gegenreformatorische Geschichtsschreibung vgl. Walker, »Chronicles«, 1933, S. 150 – 152 mit Anm. 240. 931 Gregorovius, Geschichte, Bd. 6, 1867, S. 148, Anm. 2. In dieser (ersten) Auflage heißt es noch: »S. Antonin ist der einzige [!] der ausdrücklich sagt: imposita est illi corona populi nomine a Sciarra Columnensi, weshalb die Colonna in ihre Wappen die Krone aufgenommen hätten.« In der dritten, verbesserten Auflage von 1878, S. 142, Anm. 2, heißt es schon apodiktischer : »Unter diesen 4 Syndici hatte Sciarra, das Haupt Rom’s, die Ehre den Kaiser zu krönen, was S. Antonin ausdrücklich sagt; deshalb hatten [!] die Colonna die Krone in ihr Wappen aufgenommen.« 932 Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 178, Anm. 4, Tesdorpf, Römerzug, 1885, S. 42, Anm. 1, und Altmann, Römerzug, 1886, S. 72, Anm. 5, nennen keine Quelle, sondern berufen sich lediglich auf Gregorovius; Chroust, Romzug, 1887, S. 253, gibt lediglich die Stelle bei Rinaldi, wo Antonin wiedergegeben wird, ohne selbst in diesem Zusammenhang Antonin als Autor zu erwähnen; ganz ohne Beleg, aber erkennbar Gregorovius folgend Riezler, Widersacher, 1874, S. 48, und ders., Geschichte, Bd. 2, 1880, S. 376, ohne Beleg auch Berg, Pauler, Eichmann und Bock. 933 Die Zeichnungen befinden sich in den Codices 1661 und 2629, Lucca, Biblioteca Statale; Abbildungen der Zeichnung in Codex 2629 in Dupr8 Theseider, Storia, 1952, Tafel 19, Abbildung 2, und in Das Leben Castruccio Castracanes aus Lucca, beschrieben von Niccolk Machiavelli und zugleich zugeeignet seinen besten Freunden Zanobi Buondelmonti und Luigi Alamanni, übersetzt und mit einem Essay – Zur Ästhetik der Macht – herausgegeben von Dirk Hoeges, München 1998, S. 47; Becker, Kaisertum, 2002, S. 122, Anm. 9, führt den Codex 1661 an.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
zumal Castruccio durch keine andere Quelle als Koronator bekannt ist.934 Eine die Kaiserkrönung legitimierende Absicht hat die Zeichnung sicher nicht. Ludwig der Bayer wird abwertend als »Bavaro« bezeichnet. Castruccio wird als Herzog von Lucca und Sciarra Colonna als Senator von Rom betitelt, also mit den Ämtern, die sie von Ludwig verliehen oder bestätigt bekommen haben, womit auch die beiden Italiener abgewertet werden, und das Verhältnis zwischen ihnen und Ludwig dem Bayern als eines von wechselseitiger Nützlichkeit dargestellt wird. Der Bezug dieser Zeichnung zur historischen Realität besteht insofern, als diese beiden Hauptverbündeten Ludwigs ihm machtpolitisch die Kaiserkrönung ermöglicht haben. Eine besondere Rolle Sciarra Colonnas unter den vier Krönungsbevollmächtigten, vor allem dabei, daß er bei der Übergabe der Insignien die Ehre hatte, die Krone zu überreichen oder aufzusetzen, kann durch keine Quelle gestützt werden. Auch die Tatsache, daß er in den Urkunden Kaiser Ludwigs in der Gruppe der vier römischen Zeugen, die vermutlich mit den Koronatoren identisch sind, an erster Stelle steht, berechtigt nicht zu dem Schluß, daß er bei der Krönung eine herausgehobene Stellung einnahm. Seine Stellung in der Zeugenreihe kann vor allem durch seine führende politische Stellung in Rom erklärt werden.
5.8.5 Die Rolle des Stadtpräfekten Manfredi di Vico Falls einer der vier Krönungssyndici eine herausgehobene Rolle bei der Kaiserkrönung spielte, dann deuten die zeitgenössischen Quellen eher auf den Stadtpräfekten Manfredi di Vico.935 Villani betont die besondere Würde des Stadtpräfekten vor allen anderen an der Krönung beteiligten Personen,936 und Andrea Dei hebt ihn hervor, indem er ihn separat von den anderen Syndici als Koronator nennt.937 Zwei weitere Chroniken, die – neben Villani – als einzige sowohl Bischöfe als auch Laien als Beteiligte der Kaiserkrönung nennen, erwähnen den Präfekten als einzigen an der Krönung mitwirkenden Laien. Guillelmus de Cortusius schreibt, daß Ludwig »vom Bischof der Veneter und anderen häretischen Bischöfen und dem Präfekt der Stadt in der Kirche des heiligen 934 Becker, Kaisertum 2002, S. 122 und 131 – 132, argumentiert dezidiert gegen die Behauptung, Castruccio sei der Koronator Ludwigs des Bayern gewesen – eine Ansicht, die in der Forschung bisher aber gar nicht vertreten wurde. 935 Dafür haben sich bereits Matthias, Beiträge, 1908, S. 26 – 27 und 29, und Hauck, Kirchengeschichte, 5/1, 1911, 91958, S. 510, ausgesprochen. 936 Vgl. oben S. 243 f. 937 Vgl. oben S. 265.
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Die Konsekratoren und Koronatoren
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Petrus gekrönt worden ist.«938 Eine ähnliche Aussage macht die anonyme Chronik von Siena: Ludwig »wurde mit großer Feierlichkeit in Sankt Peter gekrönt, und die Krone wurde ihm von dem Präfekten von Vico, der sich Peter nennt, und von vier Erzbischöfen aufs Haupt gesetzt«.939 So unzutreffend die Mitteilungen des Chronisten über das Datum der Krönung und die Mitwirkung von vier Erzbischöfen auch sind, so kann die – ebenfalls falsche – Namensangabe zum Präfekten doch ein Hinweis auf die Richtigkeit der Angabe sein, daß der Präfekt an Ludwigs Kaiserkrönung mitwirkte. Der Vorname Petrus war unter den Präfekten von Vico, deren Amt in der Familie seit der Mitte des 12. Jahrhunderts erblich wurde, häufig.940 Sciarra Colonna dagegen, der im Zusammenhang mit den anschließenden Feierlichkeiten durchaus erwähnt wird, wird nicht als Koronator genannt.941 Besonders interessant sind zwei in Deutschland verfaßte Chroniken, deren Berichte der römischen Ereignisse von den Verfassern selbst überarbeitet worden sind. Johann von Viktring und Heinrich Taube von Selbach korrigieren die Angaben der ersten Fassungen ihrer Chroniken und geben schließlich in ihren überarbeiteten Fassungen dem Präfekten von Rom ein besonderes Gewicht bei Ludwigs Kaiserkrönung. Johann von Viktring berichtet in seinem 1341 abgeschlossen »Buch verbürgter Geschichten« zunächst davon, daß Ludwig von dem von ihm eingesetzten Gegenpapst gekrönt worden sei.942 Von einer anderen Kaiserkrönung – vor der Einsetzung des Gegenpapstes – ist in dieser ersten Redaktion nirgends die Rede. In der 1343/44 abgeschlossenen, überarbeiteten 938 Guillelmus de Cortusius, lib. III, cap. XI, ed. Pagnin, 1941, S. 48 – 49: »MCCCXXVIII, die VI Januarii. Summula gestorum per Ludovicum: Revoluto anno Domini, scilicet in MCCCXXVIII, die VI Januarii, Ludovicus intravit Romam et totius urbis cum fortiliciis habuit principatum. Die XVII eiusdem mensis coronatus fuit ab episcopo Venetiarum et aliis episcopis hereticis et prefecto urbis in ecclesia Sancti Petri. Ludovicus dux Bavarie ab hac die voluit esse imperatorem, licet a Joanne Summo Pontifice esset pro heretico condemnatus.« 939 Cronaca Senese di autore anonimo, ed. Lisini/Iacometti, 1939, S. 135, Z. 14 – 18: »Chome nel tenpo della deta signoria el ducha di Baviera ebe Roma. Entrk in Roma chon IIII migliaia di chavalieri, VI milia pedoni, e fugli fatto grande onore, e d’achordo tutta Roma era chontenta che lui fusse incoronato inperadore. E a d' V d’aprile anno MCCCXXVIII fu inchoronato in Santo Pietro e chon grande solenit/ e fugli messa la chorona in testa dal prefetto da Vicho, el quale si chiamava Pietro, e da quatro arciveschovi«. 940 Sandro Carocci, Art. Vico, Präfekten von, in: LexMA, Bd. 8 (1997), Sp. 1626 – 1627, hier Sp. 1626. 941 Cronica Senese di autore anonimo, ed. Lisini/Iacometti, 1939, S. 135, Z. 18 – 21: »[…] e fece, sichondo che si disse, II cento chavalieri di Roma e d’Italia e di suo paese, e’ quai erano uomini degni di tale milizia, e fecesi i’ Roma per la detta choronazione una grande giostra e grandi conviti e grandi balli, e vense la giostra uno miser Ianni di chasa Cholonna.« 942 Iohannes Victoriensis, lib. V, cap. 7, rec. A, ed. Schneider, Bd. 2, 1910, S. 94, Z. 21 – S. 95, Z. 3: »Ludewicus coronam imperii una cum regina ab eo [dem Gegenpapst] suscipit, caput ei flectit, devotum se filium repromittit, cum consorte sua, que eum comitabatur, frequenter sollempnizavit et solacia habuit infinita«. Vgl. unten S. 391 f.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
Fassung seiner Chronik wurde die Darstellung der römischen Ereignisse in großem Umfang korrigiert.943 Über Ludwigs Kaiserkrönung findet sich hier nun folgender Bericht: »Im Jahr 1328 am heiligen Tag Epiphanias […] nahm Ludwig die Kaiserkrone von den Römern an, die sagten, dies wohl zu dürfen, weil der Papst nicht anwesend sei. Gekrönt hat ihn aber der Präfekt der Stadt, der dieses [Recht] infolge des Rechts haben sollte, daß er das kaiserliche Diadem dem Papst in die Hände reicht und herbeibringt, wenn dieser es auf das Haupt des Kaisers setzt.«944
Der Präfekt wird hier als einziger Koronator genannt. Johann von Viktring sieht sich aber auch veranlaßt, Rechtfertigungen dafür anzugeben, warum »die Römer« im allgemeinen an Ludwigs Kaiserkrönung beteiligt wurden und warum ihm der Präfekt im besonderen die Krone aufsetzen durfte. Die Römer, denen Johann von Viktring die Initiative dafür zuspricht, sahen diese Beteiligung als ein Recht, das ihnen deswegen zugefallen war, weil der Papst, der Bischof von Rom, nicht in Rom residierte. Diese Rechtfertigung findet sich in dieser Form auch bei anderen Chronisten aus dem nordalpinen Reich, nämlich bei Matthias von Neuenburg und bei Wilhelm von Egmond.945 Worauf sich dieses von den Römern 1328 beanspruchte subsidiäre Recht auf Beteiligung an der Krönungszeremonie, von dem die drei Chronisten berichten, gründete, wird in keiner der Quellen expliziert. Johann von Viktrings Rechtfertigung der besonderen Rolle des Stadtpräfekten gibt jedoch einen Anhaltspunkt. Der Präfekt, so darf man den Chronisten verstehen, durfte 1328 die Kaiserkrone aufsetzen, weil er der Tradition nach das Recht besaß, dem Papst als Koronator, die Krone zu reichen, also traditionell derjenige Teilnehmer einer Kaiserkrönung war, dessen 943 Vgl. dazu die Studie zum Verhältnis der verschiedenen Fassungen der Chronik von Margit Kamptner, Die Darstellung der Zeitgeschichte bei Johann von Viktring, in: Urban Bassi/ dies., Studien zur Geschichtsschreibung Johanns von Viktring. Mit einem Vorwort von Winfried Stelzer (Das Kärntner Landesarchiv 22), Klagenfurt 1997, S. 42 – 166, zu Ludwigs Romzug bes. S. 118 – 121, wo sie jedoch nicht auf die Frage des Koronators Ludwigs eingeht; Ernst Klebel, Zu den Fassungen und Bearbeitungen von Johanns von Viktring »Liber certarum historiarum«, in: MIÖG, Ergänzungsband 11 (1929), S. 354 – 373. 944 Johann von Viktring, lib. V, cap. 7, Rec. D.A2, ed. Schneider, Bd. 2, 1910, S. 132, Z. 17 – 23: »Anno Domini MCCCXXVIII supradicto in die sancto epiphanie a Romanis accepit coronam imperialem, dicentibus hoc bene licere, quia papa non adesset. Coronavit autem eum prefectus Urbis, qui hoc ex iure habere dicitur, ut imperiale diadema pape manibus subministret et exhibeat, dum illud imperatoris capiti superponit.« Die Übersetzung nach Friedensburg, GdV, Bd. 86, 1888, S. 224. 945 Matthias von Neuenburg, Kap. 52a, Rec. WAU, ed. Hofmeister, 1924 – 1940, S. 368, Z. 6 – 9: »Pretenderant enim urbici hoc eis competere papa eciam nolente, presertim cum senatores prius papam requisiverant, ut ad Urbem se transferret.« – Wilhelm von Egmond, ed. Hordijk, 1904, S. 204: »Eodem itaque anno Ludovicus, quem Baurum dicimus, summi honoris affluentia urbem ingreditur atque per principes, quorum sede vacante interest, corona tegitur.«
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Die Konsekratoren und Koronatoren
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Aufgabe dem Aufsetzen der Krone bereits am nächsten war. Hervorzuheben ist hier, daß die Manifestation dieses von den Römern beanspruchten subsidiären Krönungsrechts, nämlich das Aufsetzen der Kaiserkrone durch den Stadtpräfekten von Rom, nicht aus einer stadtrömischen Theorie des Kaisertums, sondern vielmehr aus der Tradition päpstlicher Kaiserkrönungen und dem kirchlichen Krönungsordo abgeleitet wurde. In Heinrich Taubes Kaiser- und Papstchronik, die ebenso angelegt ist wie die des Martin von Troppau – abwechselnd werden die Regierungszeiten von Päpsten und römischen Königen dargestellt – wird der Romaufenthalt Ludwigs des Bayern sowohl im Abschnitt über Papst Johannes XXII. als auch im darauffolgenden Abschnitt über Kaiser Ludwig den Bayern behandelt. Zunächst vermeldet Heinrich Taube in der Geschichte Papst Johannes’ XXII., daß Ludwig vom Gegenpapst gekrönt worden sei.946 Diese Aussage wird jedoch in einem später geschriebenen Zusatz zu dieser Stelle ergänzt und relativiert: »Du sollst wissen, daß Ludwig vor der Ordination des besagten Nikolaus zuerst von einem gewissen, dem Laienstand zugehörigen betagten Römer gekrönt worden ist, so wie du es unten bei der Geschichte Ludwigs finden wirst.«947 In der Geschichte Ludwigs des Bayern schreibt Heinrich Taube: »Im besagten Jahr im Monat Januar wurde derselbe Ludwig im Rom zum Kaiser gekrönt und von dieser Zeit an hat er sich in Schriftstücken Kaiser genannt.«948 Daran schließt sich – ebenfalls später hinzugefügt – der Text an, auf den der angeführte Zusatz bei der Geschichte Johannes’ XXII. verweist: »Man darf aber nicht meinen, daß ihn der genannte Gegenpapst zuerst gekrönt hätte, sondern dies tat ein alter Präfekt der Stadt Rom und Herr von Viterbo an dem Sonntag, an dem man das ›Omnis terra‹ singt. Und nach dieser Krönung machte er noch im selben Jahre, in dem nächstfolgenden Monat April, den genannten Pietro, wie gesagt, zum Gegenpapst, welcher ihn dann das Schwert der weltlichen Gewalt handhaben ließ.«949 946 Heinrich Taube von Selbach, ed. Bresslau, 1922, Papae, Iohannes XXII., S. 24, Z. 13 – 15: »Et in urbe predicta predictus Ludwicus a prefato Nycolao antipapa est coronatus in imperatorem et ab hoc in posterum se imperatorem scripsit et appellavit.« 947 Heinrich Taube von Selbach, ed. Bresslau, 1922, Papae, Iohannes XXII., S. 24, Z. 16 – 19: »Scias, quod prius ante ordinacionem predicti Nycolai fuit Ludwicus coronatus a quodam layco antiquo Romano, prout infra invenies tempore euisdem Ludwici.« Die Übersetzung nach Grandaur, GdV, Bd. 85, 1883, S. 19. 948 Heinrich Taube von Selbach, ed. Bresslau, 1922, Reges, Ludovicus IV., S. 40, Z. 22 – S. 41, Z. 2: »Anno predicto in mense Ianuario coronatur idem Ludwicus in imperatorem in Urbe et ab eo tempore citra se imperatorem scripsit.« Die Übersetzung nach Grandaur, GdV, Bd. 85, 1883, S. 31. 949 Heinrich Taube von Selbach, ed. Bresslau, Reges, Ludovicus IV., S. 41, Z. 9 – 16: »Non intelligas, quod antipapa predictus ipsum coronaverit a principio, set quidam antiquus Romanus, prefectus Urbis et dominus in Bitervio, dominica, qua cantatur ›Omnis terra‹. Et post hanc coronacionem eodem anno de mense Aprilis sequenti predictum Petrum anti-
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
Die genaueren Kenntnisse, über die der Chronist nun verfügt, zeigen sich auch an den weiteren Angaben zur Person des Präfekten.950 Es fällt auf, daß Heinrich Taube Sciarra Colonna und Bischof Giacomo Alberti im Zusammenhang mit Ludwigs Romzug zwar an anderer Stelle erwähnt, aber nicht als Beteiligte an der Krönung nennt. Bischof Giacomo Alberti wird unter den Bischöfen, die Ludwig nach Rom gefolgt sind,951 und als Konsekrator des neuen Papstes genannt,952 aber nicht als Konsekrator Ludwigs. Sciarra Colonnas Rolle als Hauptverantwortlicher dafür, daß Ludwig nach Rom eingeladen wurde, wird hervorgehoben,953 nicht ohne auf seine Beteiligung an der Gefangennahme Papst Bonifaz’ VIII. in Anagni hinzuweisen,954 aber nicht seine Mitwirkung an der Krönung als einer der laikalen Koronatoren. Die von Leonardo Bruni ein Jahrhundert später und noch in der modernen Forschung vertretene Annahme, daß Sciarra Colonna als politisch führende Figur in Rom auch an der Kaiserkrönung maßgeblich beteiligt gewesen sein mußte, macht Heinrich Taube damit auch nicht. In seinen später geschriebenen »Biographien Eichstätter Bischöfe« legt er sich schließlich darauf fest, allein den Präfekten von Rom als Koronator Ludwigs des Bayern anzugeben.955 Die Parallele zwischen Johann von Viktring und Heinrich Taube von Selbach ist auffällig: Beide schreiben zunächst, daß die Kaiserkrönung – wie so oft in der Geschichte des mittelalterlichen Kaisertums – durch einen eigens erhobenen Gegenpapst vollzogen worden sei. Das mag für die Chronisten, aus Mangel an genaueren Kenntnissen über Ludwigs Romzug, eine naheliegende Konjektur sein. Umso gewichtiger sind die Änderungen, die beide Chronisten, vermutlich
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papam, ut predicitur, fecit, qui postea exercicium gladii temporalis commisit eidem.« Die Übersetzung nach Grandaur, GdV, Bd. 85, 1883, S. 31. Carlo Calisse, I prefetti da Vico, in: Archivio della R. Societ/ Romana di storia patria 10 (1887), S. 1 – 136 und S. 353 – 594, zu Manfredi di Vico bes. S. 46 – 68, zu den Präfekten von Vico als Stadtherren von Viterbo bes. S. 61; Carocci, Art. Vico, Präfekten von, 1997, Sp. 1627. Grandaur, GdV, Bd. 85, 1883, S. 31, Anm. 1, identifiziert den »Präfekten der Stadt Rom und Herrn von Viterbo« fälschlich mit Sciarra Colonna. Heinrich Taube von Selbach, ed. Bresslau, 1922, Papae, Johannes XXII., S. 23, Z. 17 – 18. Heinrich Taube von Selbach, ed. Bresslau, 1922, Reges, Ludovicus IV., S. 40, Z. 21. Heinrich Taube von Selbach, ed. Bresslau, 1922, Papae, Johannes XXII., S. 23, Z. 20 – S. 24, Z. 2: »[…] venit ad urbem Romanam, ubi receptus est benivole a populo Romano et per illos Romanos nobiles de Columpna et principaliter a Serra de Columpna supra nominato.« Heinrich Taube von Selbach, ed. Bresslau, 1922, Reges, Ludovicus IV., S. 40, Z. 6 – 10: »Anno XIII. regni sui cum magna potencia vocatus a populo Romano et maxime per quosdam nobiles de Columpna, inter quos fuit quidam nomine Serra de Columpna, qui, ut supra scribitur, interfuit capcione pape Bonifacii, intravit urbem et ibidem honorifice suspectus est.« Heinrich Taube von Selbach, Vitae episcoporum Eichstetensium, ed. Bresslau, 1922, S. 123 – 132, hier S. 127, Z. 22 – 23: »coronatus in inperatorem in urbe Romana per prefectum ibidem contra papam Iohannem XXIIdum«.
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Die Kaiserkrönung im Urteil der erzählenden Quellen
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unabhängig voneinander,956 in den späteren Fassungen ihrer Werke vorgenommen haben. Der Präfekt ist so häufig und so entschieden in den Quellen – meist als einziger laikaler Koronator – erwähnt, daß seine führende Rolle bei der Kaiserkrönung als gut belegt angenommen werden kann. Es erscheint danach auch plausibel, daß er die Krönung im engeren Sinne, nämlich das Aufsetzen der Krone, ausgeführt hat. Sein Verhältnis zu den anderen Krönungssyndici wird aus den einzelnen Quellen jedoch nicht deutlich. Erst in der Zusammenschau aller Quellen kann dies als Ergebnis wahrscheinlich gemacht werden. Mit dem Präfekten als Hauptkoronator wurde der Inhaber eines nicht den politischen Wechselfällen unterliegenden dauerhaften und vor allem kaiserlichen Amtes ausgewählt.957 Die Berechtigung zu dieser besonderen Rolle wurde offenbar auch von den Römern selbst aus seiner traditionellen Stellung in den päpstlichen Kaiserkrönungen abgeleitet. Beides spricht dafür, daß bei Ludwigs Kaiserkrönung kaum eine stadtrömische Theorie des Kaisertums beansprucht oder verwirklicht wurde, sondern die Kaiserkrönung vielmehr als ein Anrecht des Kaisers demonstriert wurde.
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Die Kaiserkrönung im Urteil der erzählenden Quellen
Villani, der den bei weitem umfangreichsten Bericht über Ludwigs Kaiserkrönung verfaßt hat, urteilt über sie:
956 Die Vermutung von Ottokar Lorenz in: Lorenz/Goldmann, Deutschlands Geschichtsquellen, Bd. 1, 31886/87, S. 150, Anm. 1, wonach die Änderungen, die Heinrich Taube von Selbach an seiner Chronik vorgenommen habe, auf der Kenntnis von Viktrings überarbeiteter Fassung beruhen, hat Harry Bresslau, Einleitung, in: Heinrich Taube von Selbach, ed. ders., 1922, S. LVII, zurückgewiesen. Vielmehr seien die Zusätze nach Heinrichs Rombesuch (S. XXXVI), im Jubeljahr 1350 entstanden, wo er Informationen über Ludwigs Romaufenthalt erhalten haben soll; sie könnten daher nicht vor 1351 niedergeschrieben worden sein (S. XLIV). 957 Als Präfekt wird Manfredi de Vico bereits in einem Brief des Papstes vom 10. Juli 1325 erwähnt, Wüstenfeld, in: Pflugk-Harttung, Iter italicum, 1883, Beilage Nr. 80, S. 649 – 650; Jean XXII., Lettres communes, ed. Mollat, Bd. 6, 1910 – 1912, Nr. 24965, S. 158, und Nr. 26745, S. 339. – Vgl. zum Amt des römischen Stadtpräfekten im Mittelalter Halphen, Ptudes, 1907, bes. S. 16 – 27 und 77 – 80; E. Mayer, Italienische Verfassungsgeschichte, Bd. 2, 1909, S. 97 – 98; Boüard, R8gime, 1920, bes. S. 133 – 134; Eichmann, Kaiserkrönung, Bd. 2, 1942, bes. S. 236 – 240; Jürgen Petersohn, Kaiser, Papst und praefectura Urbis zwischen Alexander III. und Innocenz III. – Probleme der Besetzung und Chronologie der römischen Präfektur im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts, in: QFIAB 60 (1980), S. 157 – 188. Die Artikel im Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte und Lexikon des Mittelalters s.v. Präfekt geben allein über die antike Präfektur Auskunft.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
»So wurde Ludwig der Bayer vom römischen Volk zum Kaiser und König der Römer gekrönt, zur Schmach und Schande des Papstes und der römischen Kirche und unter Hintansetzung jeder Ehrfurcht vor der heiligen Kirche. Und man vergegenwärtige sich, wie groß die Überheblichkeit dieses verfluchten Bayern war ; denn in keiner alten oder neueren Chronik habe ich gefunden, daß irgendein anderer christlicher Kaiser sich jemals habe von anderen als vom Papst oder dessen Legaten krönen lassen, wenn sie auch entweder vorher oder nachher arge Gegner der Kirche waren, so daß das Tun dieses Bayern wohl verwunderlich war.«958
Es muß noch einmal betont werden, daß Villani den Akt der Krönung selbst nicht erwähnt. Daher kann man in Villanis Darstellung auch keinen explizit genannten Koronator entdecken. Die Einschätzung Villanis, Ludwig sei durch das römische Volk gekrönt worden, die er auch in der Überschrift des Kapitels seiner Darstellung voranstellt, wird von Agnolo di Tura del Grasso jedoch nicht übernommen. Villani stellt heraus, daß es Ludwig ist, der sich mit dieser Form der Kaiserkrönung etwas anmaßt, nicht etwa die Römer. Albertino Mussato übergeht in seiner sonst so detaillierten Darstellung des Italienzuges Ludwigs des Bayern den Vorgang der Kaiserkrönung in Rom. Am Ende seines Werkes nimmt er aber Stellung zur Frage, warum er Ludwig nicht als Kaiser (Caesar aut imperator) bezeichnet. Er führt dazu die Argumente auf, die für und die gegen eine Anerkennung von Ludwigs Kaisertum sprechen. Unter den Gründen, die Ludwigs Kaisertum legitimieren könnten, nennt er : »Es wird hier der Ort für mich sein, Rechenschaft abzulegen, warum ich diesen Ludwig noch nicht als Cäsar, als römischen Kaiser, bezeichnet habe. Allerdings hindert uns nichts zuzugeben, daß seine erste Erwählung durch die wahren Wahlfürsten des Reiches in aller Form vollzogen wurde; ebenso ist es allgemein bekannt, daß er den Herzog Friedrich von Österreich, mit dem er um das Reich stritt, besiegt hat. Auch geben wir unbedenklich zu, wie es die Wahrhaftigkeit erfordert, daß er die Reliquien unseres Herrn Jesu Christi, die Lanze mit den Nägeln, die gleichsam als ein Unterpfand für den wahren Kaiser und römischen König gelten, in demselben Feldzug mit siegreicher Hand erworben hat. Und ferner hat er dann mutigen Sinnes die Alpen überschritten, in Mailand die eiserne Krone sich aufs Haupt gesetzt, ist sodann Tuszien durchziehend nach Rom geeilt, hat dort seinen Sitz auf dem Kapitol genommen, einen Senator, Konsuln, Dekurionen und Tribunen, wie es dem römischen Kaiser zukommt, ernannt, und ist von einer Versammlung des römischen Volkes anerkannt und für würdig erachtet worden, wie er denn überhaupt voll hoher Pläne alles in Angriff genommen hat, 958 Villani, Buch 11, Kap. 56, Z. 56 – 67, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 586: »In questo modo fu coronato a imperadore e re de’ Romani Lodovico detto Bavaro per lo popolo di Roma, a grande dispetto e onta del papa e della Chiesa di Roma, non guardando niuna reverenza di santa Chiesa. E nota che presunzione fu quella del detto dannato Bavero, che non troverrai per nulla cronica antica o novella che nullo imperadore cristiano mai si facesse coronare se non al papa o a suo legato, tutto fossono molto contradi della Chiesa, o prima o poi, se non questo Bavero; la qual cosa fu molto da maravigliare.« Die Übersetzung nach Friedensburg/ Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 118.
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Die Kaiserkrönung im Urteil der erzählenden Quellen
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was einen Mann von kühnem und hochstrebendem Geist verrät. Diese Taten hätten es wohl verdient, daß er Kaiser und römischer König heiße und sei.«959
Bemerkenswert ist, daß Mussato eine Beziehung zum antiken Kaisertum herstellt, aber eine Kaiserkrönung ohne Papst nicht gelten lassen will. Die Orientierung an der Antike geht sogar so weit, daß er Ludwig lobend die Besetzung von antik-römischen Ämtern zuschreibt, deren Besetzung sich entweder der Papst vorbehalten hatte, wie die Senatur, oder die Ludwig gar nicht vorgenommen hat, wie Konsuln, Dekurionen und Tribunen, jedenfalls sind diese Ernennungen durch keine andere Quelle belegt. Die Rückbesinnung auf antike Vorbilder für die Ausübung der kaiserlichen Herrschaft war offensichtlich eine politische Forderung des Frühhumanisten Mussato, aber antike Formen allein konnten für ihn keinen christlichen Kaiser legitimieren. Der Autor der Vita des Balduin von Luxemburg berichtet tadelnd: »Im Jahre des Herrn 1326 war König Ludwig in Rom friedlich eingezogen, und zwar ohne Einvernehmen mit den Kurfürsten. Und er ließ sich nicht von der Kirche, sondern vom [römischen] Senat zum Kaiser krönen.«960 Die Erwähnung des Senats als diejenige Instanz, die die Krönung vorgenommen haben soll, ist hier jedoch wohl weniger an antiken Vorbildern orientiert als vielmehr an den Ansprüchen des wiedergegründeten Senats seit 1144. Die bemerkenswerteste Nachricht hat Galvano Fiamma in seinem Opusculum, wonach Ludwig, der seiner Darstellung zufolge in Mailand von drei Bischöfen gekrönt worden sein soll, nach Rom marschierte, um sich dort jedoch selbst zu krönen, wie der Chronist gleich an zwei Stellen sagt.961 In einem an959 Mussato, ed. Böhmer, 1843, S. 187 – 188: »De hoc autem Ludovico, cur nondum ipsum caesarem aut imperatorem vocaverimus, depromere non incongruum putamus. Vere quidem electionem primitivam a veris imperii electoribus satis idoneam fateri non prohibemur. Itemque et victum prelio campestri Fridericum Austrie ducem, cum pro causa imperii certaretur, constare satis novimus. Reliquiasque domini nostri Iesu Christi, lanceam scilicet et clavos, que veluti pignora quedam veri imperatoris et Romani regis habentur, ab illo eodem bello quesita potenter, sicut vera sunt, indubitanter asserimus. Rursusque et ipsum strenuo animo Alpes transiisse, Mediolani coronam ferream suscepisse, inde per Tusciam permeantem Romam pervolasse, in Capitolio sedisse, senatorem consulesque ac decuriones et tribunos more Romani imperatoris creasse, populi Romani concione laudatum approbatum fuisse, omnia vasto animo aggressum, que ad virum audacie eximieque virtutis pertinuerint. Hec, et nomine et re, dignum cesarem Romanorumque regem nuncupandum vocandum dignumque fecere.« Die Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 59 – 60. 960 Gesta Baldewini, lib. III, cap. 5 (caput 254 des ganzen Werkes), ed. Wyttenbach/Müller, 1838, S. 245: »Et anno Domini millesimo trecentesimo vicesimo sexto Ludowicus rex fuerat Romam pacifice ingressus absque electorum suorum consilio, et non ab ecclesia, sed a senatu fuerat in imperatorem coronatus.« Die Übersetzung nach Zenz, Taten der Trierer, Bd. 5: Balduin von Luxemburg, 1961, (als Kapitel 242), S. 53. 961 Galvano Fiamma, Opusculum de rebus gestis, ed. Castiglioni, 1938, S. 4, Z. 1 – 2: »Lodovicus intravit Romam, et se ipsum coronavit in imperatorem«. Ebenda, S. 6, Z. 7 – 10: »Quod
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
deren Werk, dem Manipulus Florum, schreibt Galvano Fiamma zum Jahr 1328 dagegen lediglich, daß Ludwig die Kaiserkrone in Rom angenommen habe.962 Dieser Chronist kann dabei als Kenner der Materie gelten, da er in seinem Chronicon Maius selbst einen Krönungsordo überliefert.963 Einige Chroniken nordalpiner Provenienz, die Ludwigs Partei zuneigen, berichten knapp über die Kaiserkrönung, vermeiden aber, die Koronatoren zu nennen. Der Franziskaner Johann von Winterthur schreibt: »Ludwig aber zog von Mailand nach Durchführung seiner Maßregeln ab, ging als Herr und ohne Kampf weiter in Italien ein und kam nach Rom, wo er von den Römern mit Glückwünschen aufgenommen und gegen den Willen des Papstes zum Kaiser gekrönt wurde.«964
Der Straßburger Chronist Fritsche Closener vermerkt knapp: »Der [Ludwig] kam donoch gen Rome gar heimelich, kume selbe fünfzehende, und wart do gekronet zu keiser.«965 Der Ludwig wohlgesonnene Autor der Chronica de ducibus Bavariae schreibt: »Im Jahre 1327 kam Herr Ludwig, der römische König, mit einer kriegstüchtigen und starken Streitmacht von Edlen nach Italien und erwarb zu Rom den Titel der kaiserlichen Würde.«966 Diese letzte Quellennachricht könnte einen Anhaltspunkt enthalten, warum diese und vielleicht auch andere Darstellungen der Kaiserkrönung auf die Erwähnung der Koronatoren verzichten. Die Wortwahl deutet darauf hin, daß es sich hier um eine politisch reflektierte Aussage handelt, der die Überzeugung zugrunde liegt, daß die Ausübung der kaiserlichen Herrschaft oder Amtsgewalt einer Kaiserkrönung nicht bedarf. Ludwigs – auch nicht explizit erwähnte – Kaiserkrönung diente lediglich dazu, nomen und dignitas eines Kaisers zu erwerben. Da sein Recht auf die Kaiserwürde und den Kaisertitel auf der Wahl und nicht auf der Kaiserkrönung beruht, ist die Identität der Personen, die dabei als Koronatoren fungieren, auch unerheblich.
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audiens Lodovicus, Mediolanum intravit, coronam regni ytalici de manu trium episcoporum schismaticorum suscepit; et vadens Romam seipsum coronavit«. Galvano Fiamma, Manipulus florum, in: RIS, Bd. 11, 1727, Sp. 732A: (Cap. 366). »Anno Domini 1328. Ludovicus de Alamannia, congregans Theutonicos, tamdem vadit Romam, ubi sicut potuit, Imperii Coronam accepit die XVII Januarii.« Die Chronik enthält die einzige Überlieferung dieses Ordos aus dem 11. Jarhundert, vgl. Elze, Ordines, 1960, S. XI; abgedruckt ebenda, S. 34 – 35, als Ordo XIII. Johann von Winterthur, ed. Baethgen/Brun, 1924, S. 86, Z. 15 – 19: »Ludvicus vero de Mediolano peractis sibi placitis recedens et ulterius potenter et sine pungna in Ytaliam progrediens venit Romam, ubi a Romanis civibus gratanter receptus contra voluntatem pape coronatus est in imperatorem.« Die Übersetzung nach Freuler, 1866, S. 107. Fritsche Closener, ed. Hegel, 1870, S. 69, Z. 5 – 6. Chronica de ducibus Bavariae, ed. Leidinger, 1918, S. 159, Z. 16 – 19: »Anno Domini MCCCXXVII dominus Ludwicus rex Romanus intravit cum forte et potentia ac nobili milicia Italiam et veniens Romam nomen imperatorie obtinuit dignitatis.« Die Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer 1987, Bd. 1, Kap. 9, S. 192.
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Die Kaiserkrönung in der Auffassung Kaiser Ludwigs
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5.10 Die Kaiserkrönung in der Auffassung Kaiser Ludwigs 5.10.1 Gloriosus Deus (1328) Quellen, die über Ludwigs des Bayern eigenes Verständnis seines Kaisertums Auskunft geben, gibt es nur wenige. Unter diesen wenigen Quellen kann am ehesten in der Papstabsetzungssentenz Gloriosus Deus, die Kaiser Ludwig drei Monate nach der Kaiserkrönung erlassen hat,967 eine programmatische Aussage gefunden werden. In ihr hat Ludwig das Recht, den Papst abzusetzen, auf seine kaiserliche Amtsgewalt gegründet. Den Ursprung seiner kaiserlichen Würde begründet Ludwig so: »Der ruhmreiche Gott und erhabene Herr der Herrschenden, der erste von allen, der alles zu seinem Zwecke schuf, selbst den Frevler für den Tag des Unheils, der Priestertum (sacerdotium) und Kaisertum (imperium) unabhängig voneinander leitet und bewahrt, und zwar so, daß das eine für die göttlichen Dinge zuständig ist, das andere aber den menschlichen Dingen vorsteht, indem es das ihm übertragene Gemeinwesen richtig und großartig lenkt, hat Uns, Ludwig IV., allzeit erhabener Kaiser der Römer, zum Gipfel der kaiserlichen Majestät eingesetzt; und er hat Uns deswegen zum Fürsten über sein Erbe gesalbt, damit Wir aus den Händen der Feinde sein Volk befreien, und hat Uns erhoben über Völker und Reiche, damit Wir die Friedensstörer überall vernichten, die Eifrigen im Frieden aber pflanzen und aufrichten, und er schafft Frucht Unserer Lippen, Frieden den Fernen und den Nahen.«968
Ludwig legitimiert sein Kaisertum in umfassender Weise durch Gott. Im besonderen ist es die Salbung durch Bischof Giacomo Alberti, in der die Einsetzung Ludwigs zum Kaiser durch Gott demonstriert wurde. Ludwig äußert sich aber auch eigens zur Insignienübergabe durch die Römer. Vor allem dieser Passus hat das Interesse der Forschung hervorgerufen: »Nachdem Wir nun in dieser Stadt mit Hilfe göttlicher Vorsehung das kaiserliche Diadem und Zepter rechtmäßig genommen haben vermittels (per) Unseres besonderen
967 Vgl. dazu ausführlicher unten S. 326. 968 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 436, S. 344 – 350, hier § 1, S. 344, Z. 21 – 30: »Gloriosus Deus et sublimis dominantium dominus nulli secundus, qui universa propter semetipsum operatus est, impium quoque ad diem malum, sacerdotium et imperium independenter principians et conservans, ut hoc quidem divina exerceat, illud autem humanis presideat rempublicam sibi traditam recte et magnifice gubernando, nos Ludovicum quartum Romanorum imperatorem semper augustum in imperialis culmine maiestatis constituit et in hoc quia nos in principem super hereditatem suam inunxit ut de manibus inimicorum suum populum liberemus, exaltans nos super gentes et regna, ut pacis subversores disperdamus ubique, zelatores vero eiusdem plantemus et edificemus, creans fructum labiorum nostrorum pacem hiis qui longe sunt et hiis qui prope.« Die Übersetzung nach Miethke/Bühler, Kaiser, 1988, S. 139.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
römischen Volks, befehligen wir die Stadt und den Erdkreis dank Gottes und Unserer unbesiegbaren Macht«.969
Dieser Satz wurde vor allem zur Begründung der These von der stadtrömischen Kaiserkrönung Ludwigs herangezogen.970 Ein genauerer Blick auf die Formulierung läßt jedoch eine andere Deutung zu. Ludwig ist in diesem Satz Subjekt und Akteur, das Prädikat ist aktivisch. Er empfängt nicht etwas, sondern er nimmt die Krone und das Zepter. Und das ist es, was Ludwig als rechtmäßig bezeichnen möchte: Er ergreift rechtmäßig Besitz von der ihm zustehenden Kaiserwürde. Nicht etwa haben die Römer das Recht, die Kaiserwürde zu vergeben. Auch die Wahl der Präposition per anstelle von a weist den Römern nicht die Quelle des Imperiums zu, sondern nur die physische Übergabe der Insignien.971 Auffällig ist in beiden Passagen, daß Ludwig durchaus einen universalen Herrschaftsanspruch andeutet. Manifestiert in politischem Handeln hat sich dies jedoch nicht. Krönungsmitteilungen, die einen ähnlichen Anspruch formuliert hätten wie diejenigen Kaiser Heinrichs VII. nach der Kaiserkrönung, hat Ludwig nicht ausgestellt.972 Ludwigs Äußerungen zu seinem Kaisertum in Gloriosus Deus, vor allem die Erwähnung der Beteiligung der Römer, waren sicher auch von den politischen Umständen in Rom bestimmt. Die Absetzungssentenz gegen Papst Johannes XXII. wurde unter dem Einfluß der zu Ludwig geflüchteten Franziskanerdissi-
969 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 436, § 1, S. 345, Z. 1 – 3: »In qua siquidem Urbe divina opitulante providentia cesareo diademate ac sceptro legitime susceptis per nostrum peculiarem populum Urbi et orbi Dei ac nostra potentia invincibili presidemus«. 970 Den Ton setzt auch hier Gregorovius, Geschichte, Bd. 6, 1867, S. 148, der die Bedeutung der Römer zu Unrecht betont, indem er wiedergibt, daß Ludwig »mit Entschiedenheit [bekannte], daß er in Rom durch sein römisches Volk das Kaiserdiadem und das Zepter rechtmäßig empfangen habe«. 971 Ludwigs Äußerung zur Insignienübergabe durch das römische Volk wurde sehr bald auch in einer kurialen Streitschrift aufgegriffen. Angeregt vom päpstlichen Legaten für Toskana, Kardinaldiakon Giovanni Gaetani, verfaßte der Franziskaner Francesco (Toti oder Coti?) von Perugia, Generalinquisitor für Toskana, eine Widerlegungsschrift gegen das Absetzungsurteil Gloriosus Deus, dessen Wortlaut er offenkundig kannte. Verfaßt wurde es wohl bald danach, aber bereits in Kenntnis der Erhebung des Gegenpapstes. Vgl. Scholz, Streitschriften, Bd. 1: Analysen, 1911, S. 29 – 30; Riezler, Widersacher, 1874, S. 287, der als Titel De potestate ecclesiae angibt; zusammenfassend zur Person Johannes Schlageter, Art. Francesco di Perugia, 1), in: LThK3, Bd. 4 (1995), Sp. 51. Franciscus Toti, Contra Bavarum, in: Scholz, Streitschriften, Bd. 2, 1914, S. 76 – 88, hier S. 83: »Ex hoc autem patet falsum esse, quod dicit scilicet dyadema cesareum et sceptrum legitime per Romanum populum cepisse, cum hoc de iure soli pape conveniat, ad quem et electi in imperatorem et electionis examinacio noscitur pertinere.« (Hervorhebung von mir.) Francescos grammatikalisch mißlungene Formulierung beruht darauf, daß Ludwigs aktivisches Nehmen der Krone auch grammatikalisch nicht mit dem Krönungsanspruch des Papstes harmonisiert werden kann. 972 Vgl. oben S. 138 f.
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Die Kaiserkrönung in der Auffassung Kaiser Ludwigs
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denten im September 1328 überarbeitet.973 Diese Gruppe um den Generalminister des Ordens, Michael von Cesena, der in Avignon vom Papst in Haft gehalten worden war, umfaßte auch Wilhelm von Ockham, Bonagratia von Bergamo und Franz von Marchia.974 Durch sie ist nicht nur die Begründung für die Absetzung des Papstes stark verändert worden,975 sondern auch jede Bezugnahme auf Ludwigs Kaisertum, dessen göttlichen Ursprung und die Römer herausgenommen worden. Auch in Ludwigs nach der Kaiserkrönung ausgestellten Urkunden lassen sich kaum programmatische Aussagen zur Kaiserkrönung erkennen. Selbst in den aus Anlaß der Kaiserkrönung ausgestellten Diplomen findet sich nur sehr wenig. Eine Gruppe dieser Urkunden bilden die Ersten Bitten.976 Dieses aus der Krönung abgeleitete Recht gegenüber geistlichen Institutionen hat Ludwig bereits nach seiner Königskrönung ausgiebig genutzt.977 Bereits am Tag nach der Krönung nahm Kaiser Ludwig das Recht auf die Erste Bitte gegenüber dem Chorstift von Wimpfen,978 dem Kapitel von Basel979 und 1329 gegenüber dem St. Katha-
973 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 437, S. 350 – 361. 974 Zur Flucht dieser Franziskaner, die am 9. Juni 1328 nach Pisa gelangten, vgl. zuletzt Volker Leppin, Wilhelm von Ockham. Gelehrter, Streiter, Bettelmönch (Gestalten des Mittelalters und der Renaissance), Darmstadt 2003, S. 181 – 182. Zur Rolle dieser oppositionellen Franziskaner in Ludwigs Auseinandersetzung mit Johannes XXII. Ernst Knotte, Untersuchungen zur Chronologie von Schriften der Minoriten am Hofe Kaiser Ludwigs des Bayern, Diss. phil. Bonn 1903, Wiesbaden 1903; Fritz Hofmann, Der Anteil der Minoriten am Kampf Ludwigs des Bayern gegen Johannes XXII. unter besonderer Berücksichtigung des Wilhelm von Ockham, Diss. phil. Münster 1959; Jürgen Miethke, Ockhams Weg zur Sozialphilosophie, Berlin 1969; Ulrich Horst, Evangelische Armut und päpstliches Lehramt. Minoritentheologen im Konflikt mit Papst Johannes XXII. (1316 – 1334) (Münchner kirchenhistorische Studien, Bd. 8), Stuttgart/Berlin/Köln 1996. 975 Vgl. dazu ausführlicher unten den Abschnitt »Das Absetzungsurteil Gloriosus Deus vom 18. April 1328«. 976 Vgl. Adalbert Erler, Art. Erste Bitten, in: HRG, Bd. 1 (1971), Sp. 1008 – 1009. 977 Vgl. ein Beispiel und vier Formulare für Erste Bitten aufgrund Ludwigs Königskrönung, MGH Const. V, 1909 – 1919, Nr. 695 – 699, S. 548 – 550. 978 Rom, 18. Januar 1328, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 384, S. 286 – 287, hier S. 286, Z. 40S. 287, Z. 10: »Sic hactenus de iure et approbata consuetudine sacri imperii est servatum, quod Romanorum imperatores, postquam Rome sacras ac imperiales infulas receperunt, ex coronationis ipsorum sollempniis in singulis ecclesiis super unius persone idonee provisione habebant petere et cum promptidune qualibet exaudiri. Ipsorum igitur predecessorum nostrorum vestigiis inherentes, ex quo divina favente clementia receptis pridie in Urbe sacris imperialibus infulis solium conscendimus imperatorie dignitatis, devotioni vestre pro honesto viro Gerardo de Erenberg canonico Spirensi clerico nostro fideli dilecto cum fiducia porrigimus primarias preces nostras.« Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 952, S. 57. 979 Sine dato et loco, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 385, S. 286 – 287; der Urkundentext weitgehend wie Nr. 384, hat aber S. 287, Z. 11 – 13, den Nachsatz: »[…] ita tamen si pro alio non scripsimus velut imperator.«
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rinen Hospital in Regensburg980 in Anspruch, das sich gegenüber dem Chorstift von Wimpfen jedoch nicht durchsetzen ließ.981 Auch mit dem Anspruch auf Erste Bitten stellte Ludwig sich in die Tradition der Kaiserkrönungen, die er nicht durch etwas gänzlich Neues ersetzen wollte. Die politische Dimension der Ersten Bitten zeigt sich auch daran, daß Erzbischof Balduin von Trier, der sich bereits nach Ludwigs Königskrönung das Recht auf Ausübung der Ersten Bitte hatte übertragen lassen,982 sich dies im Dezember 1330 auch anläßlich Ludwigs Kaiserkrönung, an der er nicht teilgenommen hatte, für die Diözesen Mainz und Trier übertragen ließ.983 Dies ist als Anerkennung der Kaiserkrönung zu werten, die jedoch von der politischen Konstellation seit dem Mai 1330 bestimmt war. Das Bündnis zwischen den Luxemburgern Balduin von Trier und Johann von Böhmen und den Brüdern des verstorbenen Friedrich von Habsburg mit Ludwig führte auch zur Anerkennung von dessen Kaisertum. Das zeigt, daß die von Ludwig gewählte Form der Kaiserkrönung anerkennungsfähig war.
5.10.2 Akten der Rekonziliationsverhandlungen mit der Kurie (1331 – 1343) In den bald nach dem Romzug aufgenommenen Rekonziliationsverhandlungen mit Papst Johannes XXII. ist eine Reihe von Dokumenten entstanden, die auch Aufschluß über Ludwigs Motive zu seiner Kaiserkrönung geben.984 Bei dem ersten dieser Dokumente handelt es sich um ein undatiertes Schriftstück, das unter Mitwirkung des kaiserlichen Rats entstanden ist.985 Unklar ist aber, ob dieser Text entweder einer Gesandtschaft an den Papst mitgegeben und vielleicht auch an den Papst übergeben werden sollte,986 oder lediglich ein »verwal980 Pavia, 15. Juli 1329, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 622, S. 521; der Urkundentext weitgehend wie Nr. 384; Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 1045, S. 64. 981 Am 29. April 1330 mußte Kaiser Ludwig die Ausführung der Ersten Bitte erneut befehlen, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 748, S. 635; Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 1121, S. 69. – Am 2. April 1334 bedankt Ludwig sich für die Erfüllung einer Ersten Bitte zugunsten Ulrichs von Württemberg, MGH Const. VI/2, Faszikel 3, ed. Eggert, 2003, Nr. 547, S. 384 – 385. 982 Am 2. Dezember 1314, Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 14, S. 1. 983 München, 26. Dez. 1330, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 893, S. 740 – 741; Böhmer/ Ficker, RI. Additamentum tertium, 1865, Ludwig der Baier, Nr. 3301, S. 361, und am selben Tag, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 894, S.741. 984 Allgemein zu den Rekonziliationsverhandlungen Ludwigs mit den Päpsten seiner Zeit und den dabei entstandenen Quellen vgl. unten S. 430. 985 Riezler, Widersacher, 1874, III. Beilage, Aktenstück C, S. 329 – 332, hier S. 330: »[…] antwrt der kaiser vnd all sein weiser rat, pfaffen vnd layen«. Müller, Kampf, Bd. 2, 1880, Beilagen, Nr. 10, S. 303, Anm. 1, gibt – allerdings nicht überzeugend – zu bedenken, ob mit »rat« nicht vielleicht ein Reichstag gemeint sein könnte. Eine neuhochdeutsche Wiedergabe aller Punkte bei Bock, Reichsidee, 1943, S. 322 – 324. 986 Schütz, Prokuratorien, 1973, S. 263.
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tungsinternes« Schriftstück darstellte, das zur Vorbereitung einer späteren Gesandtschaft dienen sollte. Als solches ist es in der Forschung als »Protokoll einer kaiserlichen Ratssitzung« bezeichnet worden,987 das meist in das Jahr 1331 datiert wird.988 Das Schriftstück ist in drei Gruppen zu je zehn Punkten gegliedert. Die erste Zehnergruppe sind die Forderungen des Papstes an Kaiser Ludwig, die an keiner anderen Stelle überliefert sind, die zweite Zehnergruppe beinhaltet die kaiserlichen Entgegnungen auf diese Forderungen, und die dritte Gruppe ist eine Aufstellung von zehn Forderungen, die der Kaiser seinerseits an den Papst richtet.989 Eingang in einen Gesandtenbrief haben die in diesem Schriftstück niedergelegten Antworten und Forderungen des Kaisers jedoch nie gefunden. Im Zusammenhang mit der Kaiserkrönung ist die neunte Forderung des Papstes interessant, in der dieser verlangt, »daz fuer den kaiser schreiben gaistlich vnd wertlich fuersten, daz der babst in kroenen welle.«990 Die Fürsten sollen also den Papst schriftlich um eine erneute, diesmal päpstliche Kaiserkrönung Ludwigs ersuchen. Das ähnelt der Wahlanzeige der Kurfürsten an den Papst, die mit der Bitte um Kaiserkrönung verbunden wurde. Damit würden die Fürsten die Nichtigkeit der Kaiserkrönung und des Kaisertums Ludwigs bestätigen.991 Ludwigs Antwort darauf lautet: »Ze dem nuinten antwrt man, wol wirt der babst gebeten, daz er des kaisers kroenung stet halt vnd genaeme vnd seinen segen dar zu gebe selb oder sende, wan die kroenung ist ein sacrament, daz man nicht aendern muoz.«992 Diese Antwort hat verschiedene Interpretationen erfahren. Bock gibt sie so wieder : »Um die päpstliche Krönung will der Kaiser gern bitten, ›wan die kroenung ist ein sacrament, daz man nicht aendern
987 Moeller, Ludwig der Bayer, 1914, S. 62; Bock, Prokuratorien, 1933/34, S. 255 – 256; Bock, Reichsidee, 1943, S. 322; Schwöbel, Kampf, 1968, S. 20. 988 Moeller, Ludwig der Bayer, 1914, S. 62 – 63 (aber nur für die päpstlichen Forderungen und kaiserlichen Antworten darauf, nicht für die kaiserlichen Gegenforderungen, vgl. zu ihnen weiter unten in diesem Abschnitt); Stengel, Avignon, 1930, S. 171, Anm. 2, und S. 173, Anm. 6; Bock, Prokuratorien, 1933/34, S. 256; Schwöbel, Kampf, 1968, S. 20; anders Schütz, Prokuratorien, 1973, S. 264, der auf 1332/1333 datiert, weil er »Riezler C« für einen Gesandtenbrief hält. Da für die Verhandlungen des Jahres 1331 aber bereits Instruktionen bekannt sind, ordnet Schütz »Riezler C« der chronologisch nächsten Gesandtschaft von 1332 zu. Müller, Kampf, Bd. 2, 1880, Beilagen, Nr. 10, S. 302, datiert es auf 1338 oder 1339. 989 Diesen dritten Teil, als C3 bezeichnet, datiert Bornhak, Anschauungen, 1933, S. 41, Anm. 2, dagegen entweder ins Jahr 1338 oder 1339, als Ludwig sich einer starken Unterstützung durch die Reichfürsten gewiß sein konnte. Moeller, Ludwig der Bayer, 1914, S. 67, vermutet, daß es »der Entwurf eines Theoretikers ist und überhaupt in keinen Verhandlungen Ludwigs Platz findet«, und datiert C3 auf frühestens 1334. 990 Riezler, Widersacher, 1874, III. Beilage, Aktenstück C, S. 329 – 332, hier S. 330. 991 Schwöbel, Kampf, 1968, S. 46 – 47. Die Forderung Johannes’ XXII. nach einer Bitte um eine erneute Kaiserkrönung wurde in den späteren Rekonziliationsverhandlungen von den Päpsten Benedikt XII. und Clemens VI. nicht mehr erhoben. 992 Riezler, Widersacher, 1874, Aktenstück C, S. 331.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
muoz‹.«993 Das Zitat im Nachsatz erfährt so die Bedeutung eines Schuldbekenntnisses zu einer von Ludwig unrechtmäßig abgeänderten Kaiserkrönung. Der von Bock interpretierten Zustimmung Ludwigs zu einer vom Papst durchzuführenden Kaiserkrönung schließt Ludwig, so muß man Bock wohl verstehen, noch das Eingeständnis einer ungültigen und frevelhaften Kaiserkrönung in Rom an. Offler interpretiert dagegen: »Hier wird die Erwiderung zur Zurückweisung. Der Papst mag geziemend gebeten werden, die Krönung Ludwigs (nämlich die Krönung in Rom 1328) anzuerkennen, gutzuheißen und ihr seinen Segen zu geben. Aber nichts mehr! Die Möglichkeit einer erneuten Kaiserkrönung ist ausgeschlossen, ›wan die kroenung ist ein sacrament, daz man nicht aendern muoz‹.«994 Danach lehnt Ludwig eine erneute Kaiserkrönung durch den Papst mit der Begründung ab, daß seine Kaiserkrönung in Rom bereits sakramentalen Charakter hatte, und eine erneute Krönung als Sakrileg gegen die erste begriffen werden müsse. In der sich scheinbar selbsterklärenden Begründung in Ludwigs Antwort geben Bock und Offler dem Begriff »kroenung« unterschiedliche Bezüge. Bei Bock soll sich »Krönung« auf die herkömmliche Form der Kaiserkrönung, die nämlich vom Papst zu vollziehen ist, beziehen, während Offler »Krönung« auf jede tatsächlich vollzogene Krönung, auch die in irregulärer Form abgehaltene Ludwigs des Bayern bezieht. »Was man nicht ändern darf«, ist bei Bock also die traditionelle Form der päpstlichen Kaiserkrönung und bei Offler die mit allen sakralen Elementen vollzogene Krönung Kaiser Ludwigs am 17. Januar 1328. Schütz wägt die gegensätzlichen Positionen von Bock und Offler ab und kommt zu dem Schluß, daß beide Deutungen zulässig sind.995 Im Unterschied zu Bock und Offler ist Schütz der Ansicht, daß das Dokument durchaus zur Aushändigung an die Kurie bestimmt gewesen sei. Daher hält er es für wahrscheinlich, daß die Antwort mit Absicht mehrdeutig formuliert sei, um eine flexiblere Verhandlungsführung zu ermöglichen.996 Dagegen muß jedoch festgehalten werden, daß bereits eine textimmanente Interpretation die Ansicht von Offler wahrscheinlich macht. Der Beschluß des kaiserlichen Rats hält also an der irregulären römischen Krönung fest – so sehr, daß das Angebot einer päpstlichen Neukrönung aus prinzipiellen, aus staatstheoretischen Gründen ausgeschlagen wird. Die Rolle, die der Papst für das Kaisertum spielen darf, wird ebenfalls deutlich. Der Papst darf selbst oder durch einen Legaten seinen Segen 993 Bock, Reichsidee, 1943, S. 323; ähnlich bereits ders., Prokuratorien, 1933/34, S. 255: »Die Mitwirkung des Papstes bei der Kaiserkrönung (§ 9) wird ohne weiteres zugestanden, auch eine diesbezügliche Bitte ausgesprochen, wan die kroenung ist ein sacrament, daz man nicht aendern muoz.« 994 Offler, Meinungsverschiedenheiten, 1954/55, S. 197. 995 Schütz, Prokuratorien, 1973, S. 284. 996 Ebenda.
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senden. Seine Mitwirkung ist nicht mehr konstitutiv, sondern vermittelt allein Gottes Beistand. In den Instruktionen, die Kaiser Ludwig den Teilnehmern seiner Gesandtschaft an Johannes XXII. etwas später ausstellte, wurde von dem Beschluß des kaiserlichen Rats jedoch insofern abgerückt, als Ludwig sich nun mit einer neuen, vom Papst autorisierten Kaiserkrönung einverstanden erklärte. In der Instruktion für seine Gesandten vom Oktober 1331 heißt es: »Vmb den titel sult ir also antwurten daz wir den nicht ligen wellen lazzen vntz der Babst, oder sein boten zv8 vns choment, die vns chronen sullent. Vor dem wellen wir offenlich sprechen, daz wir vns wol eruarn haben, daz ein Romischer Chunig sein chronung nemen sulle von dem Babst oder sein sundern boten. Nu haben wir von missehellung, die zwischen vnser gewesen sind, vnser chronung anderhalb enphangen vnd der warten daz der Stul sein ere bei vnsern ziten nicht abge wellen wir die selben chronung vnd titel lazzen ligen vnd vns sein vertzeihen vor den selben Boten vnd wellen die Weihe vnd chronung enphahen von dem Babst oder von seinen sundern Boten.«997
Auch wenn Ludwig öffentlich zugeben will, daß er anerkennt, daß der Papst den Kaiser krönt, so weist er doch die Verantwortung dafür, daß er sich nicht vom Papst hat krönen lassen, dem Papst zu. Wegen des Streits mit ihm hat er seine Krönung von anderen Koronatoren, die Ludwig hier nicht näher benennt, vollziehen lassen. Diese Krönung wird nicht nur nicht als unrechtmäßig eingestanden, vielmehr will Ludwig den auf diese Weise erworbenen Kaisertitel auch solange weiter führen, bis eine vom Papst autorisierte neue Kaiserkrönung vollzogen wird. Erst dann will er – vermutlich nur für einen kurzen Moment unmittelbar vor der neuen Krönung – den kaiserlichen Titel symbolisch ablegen. Auf diese Weise hätte Ludwig seine Kaiserkrönung in Rom durchaus legi997 Pincin, Marsilio, 1967, Appendice, Nr. 7, S. 259 – 261, hier S. 260; zuvor bei Gewold, Defensio Ludovici, 1618, S. 118 – 120. Die Übersetzung in [sic!] das Lateinische bei Gewold, Defensio Ludovici imperatoris IV., 1618, S. 121 – 122: »De titulo sic debetis respondere, quod illum deponere nolumus donec Papa vel eius Nuncii ad nos veniunt, qui nos coronare debent. coram illis volumus publice dicere, quod bene compertum habemus, quod Rom. Rex suam coronationem recipere a Papa, vel a suis specialibus Nunciis. et nos quidem, propter dissensiones, quae inter nos sunt, nostram coronationem aliunde accepimus, et ideo, ut Sedis suus honor nostris temporibus non detrahatur, volumus eandem coronationem et titulum deferere, et ei renunciare coram istis Nunciis et volumus consecrationem et coronationem recipere a Papa, aut a suis specialibus Nunciis.« – »Über den Titel sollen sie so antworten, daß Wir ihn nicht ablegen wollen, bis der Papst oder dessen Nuntien zu Uns kommen, die Uns krönen sollen. Vor ihnen wollen Wir öffentlich sagen, daß Wir wohl gewußt haben, daß der römische König seine Krönung vom Papst oder seinen besonderen Nuntien empfängt, und daß Wir allerdings, wegen gewisser Meinungsverschiedenheiten, die zwischen uns bestehen, Unsere Krönung anderswoher empfangen haben, und darum, daß dem Stuhl seine Ehre in unseren Zeiten nicht vermindert werde, wollen Wir die Krönung und den Titel ablegen und auf ihn vor den Nuntien verzichten und wollen die Weihe und Krönung vom Papst oder von seinen besonderen Nuntien empfangen.«
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timiert. Die neue Krönung im Auftrag des Papstes wäre so als dessen Pflichterfüllung gegenüber dem Kaiser, der aus eigenem Recht die Kaiserwürde im vollen Umfang bereits besaß, erschienen. Eine Krönung mit päpstlichem Segen wäre als durchaus wünschenswert, aber keineswegs notwendig demonstriert worden. Interessant ist hier auch, daß Ludwig fordert, daß die päpstlichen Legaten »zu ihm« kommen sollen. Nicht Rom scheint hier als Krönungsort vorgesehen zu sein, sondern ein Ort im nordalpinen Reich. In den mit Johannes’ Nachfolger Benedikt XII. aufgenommenen erneuten Versöhnungsverhandlungen gesteht Ludwig seine Kaiserkrönung jedoch als unrechtmäßig ein. Die Erklärung, die er dafür gibt, daß er sich dennoch außerhalb der Tradition zum Kaiser hat krönen lassen, weicht etwas ab von derjenigen gegenüber seinem einstigen Widersacher Johannes XXII. Im Prokuratorium vom 28. Oktober 1336 bekennt Ludwig: »[…] daß Wir den kaiserlichen Titel und die Salbung in Rom verkehrt, schlecht und zu unrecht und von einem, der nicht die Gewalt dazu besitzt, angenommen haben. Weiter, […] daß Wir glauben, daß es dem Papst zusteht, dies zu tun, und keinem anderen, und daß Wir vorgaben, recht zu handeln, indem Wir diesen Titel annahmen und beibehielten, wegen der großen Gefahren, die Uns in Stellung und Person drohten.«998
Nicht der Streit zwischen dem damaligen Papst und ihm, sondern Gefahren haben Ludwig bewogen, sich auf diese Weise krönen zu lassen. Was ist damit gemeint? Haucks Hinweis, Ludwig habe »zur Entschuldigung der Krönung auf 998 Riezler, Vatikanische Akten, 1891, Nr. 1841, S. 637 – 644, hier S. 641: »Item ad confitendum vice et nomine nostro et pro nobis nos assumpsisse titulum imperialem et unctionem in Roma perverse, male et iniuste et a potestam non habente. Item ad confitendum vice et nomine nostro et pro nobis, quod credimus, quod ad summum pontificem spectat hoc facere et ad nullum alium, et quod similabamus nos bene facere huiusmodi titulum assumendo et tenendo propter magna pericula, que nobis imminebant in statu et persona. (Item dictis nostris procurationibus et cuilibet eorum in solidum damus ex certa scientia plenam, meram et liberam potestatem, auctoritatem et speciale mandatum ad renunciandum et dimittendum et totaliter deponendum vice et nomine nostro et pro nobis titulum imperialem Rome per nos receptum, et quo utimur et hactenus usi sumus, ac ad promittendum et in animam nostram iuramento prestando firmandum, quod titulo predicto Rome per nos recepto ulterius non utemur.)« Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 1798, S. 112. In der deutschen Fassung heißt es, Riezler, Widersacher, 1874, Stück A, S. 312 – 319, hier S. 317: »Aber ze veriehen an vnser stat, daz wir den kayserlichen tytel vnd vnser weyhung, di wir ze Rom enpfangen haben, vbel vnd vnrecht von dem, der nicht gewalt hat; aber ze veriehen an vnserer stat, daz wir gelouben, daz den babst alein daz angehoer vnd nieman anders an gehoer, vnd daz wir den geleich taten, daz wir recht teten den tytel also ze enpfahen von dem grozzen gebresten vnd schaden, der vns an lag an vnserm wesen vnd vnsrer person, vnd dar vmb geben wir sundern gewalt vnsern vorgenanten procuraturn, daz si den selben keyserlichen tytel, den wir ze Rom genomen haben vnd den wir noch haben, an vnsrer stat uf geben vnd lazzen muegen aller sache vnd hin legen.«
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Die Kaiserkrönung in der Auffassung Kaiser Ludwigs
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seine Zwangslage hingewiesen«,999 hilft nicht viel weiter, da man nicht erfährt, worin diese Zwangslage bestanden habe. Diese Entschuldigung Ludwigs ist eine Beschuldigung Johannes’ XXII. Der Hinweis auf die Gefahren, die Ludwig bewogen, den Kaisertitel anzunehmen und weiterhin beizubehalten, kann nicht auf die Römer bezogen werden. Vielmehr ist es auch hier Papst Johannes XXII., von dem Ludwig seine Gefährdung ausgehen sah. Hier wird das Motiv Ludwigs erkennbar, warum er die Kaiserwürde anstrebte, nicht aber, warum er seine Kaiserkrönung als legitim betrachtete. Das Kaisertum war für Ludwig aus zwei Gründen wichtig. Erstens, weil nur mit seiner Kaiserkrönung der Gefahr, daß den Deutschen die Kaiserwürde (und damit auch die Herrschaft über Reichsitalien) genommen werden könnte, entgegengetreten werden konnte. Zweitens konnte Ludwig seine schwache politische Stellung, wie sie durch die päpstlichen Angriffe vor dem Romunternehmen bestand, durch seine Erhebung zum Kaiser stabilisieren. Dieser realpolitische Gesichtspunkt ist nicht zu unterschätzen, auch deswegen nicht, weil Ludwig diesen politischen Erfolg tatsächlich erreichte, trotz des politischen Desasters, welches das kurze Schisma und die Resignation des Gegenpapstes im Rückblick der Zeitgenossen darstellte. Auch mit Clemens VI. wurden wiederum Rekonziliationsverhandlungen aufgenommen. In der Instruktion an die Gesandten geht es noch einmal um die Kaiserkrönung: »Item vmb die keyserlichen kron, die wir ze Rom empfiengen, suelt ir reden, daz wir daz umb daz vnrecht, daz babst Johans wider vns, wider daz reich tet, vnd auch dar vmb taten, wan vns die [keyserlichen kron] babst Johans versait, do wir si an in vorderten, vnd nicht geben wolt.«1000
Hier werden deutlich zwei Motive genannt, die zuvor in keinem Dokument erkennbar waren. Erstens wird der Angriff Papst Johannes’ auf Ludwig und das Reichsrecht angeführt. Mit diesem Unrecht habe der Papst sein Recht auf Mitwirkung bei der Kaiserkrönung verwirkt. Zweitens wird auf die Gesandtschaft Ludwigs nach Avignon zu Beginn des Romzugs verwiesen, deren Forderung nach einer Kaiserkrönung durch den Papst jedoch abgelehnt wurde. Nicht ausgesprochen, aber erkennbar, wird Ludwigs Überzeugung, daß eine Weigerung des Papstes, die Krönung durchzuführen, dem römischen König das Recht gibt, selbst einen anderen Koronator zu wählen. Unabhängig davon, ob Ludwigs Motiv in dem Streit zwischen ihm und Johannes XXII., in Gefahren für ihn und seine Stellung oder in Johannes’ XXII. Unrecht gegen das Reich und dessen Weigerung, Ludwig zu krönen, bestand, in jedem Fall erkannte er durchaus ein traditionelles Vorrecht des Papstes zur 999 Hauck, Kirchengeschichte, 5/1, 91958, S. 510, Anm. 3. 1000 Riezler, Widersacher, 1874, III. Beilage, D, S. 332 – 333.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
Kaiserkrönung an. Dies sollte aber nicht absolut bestehen. Vielmehr vertrat Ludwig ebenso die Auffassung, daß ein anderer Koronator die Krönung vollziehen kann, wenn nach seiner Ansicht gewichtige Gründe dafür sprechen. Ludwig vertritt also nicht die Auffassung, daß es eine angemessenere oder legitimere Form der Kaiserkrönung als diejenige durch den Papst gäbe, durch die Römer etwa, sondern daß der römische König ein Recht auf eine eigene Gestaltung des Krönungszeremoniells besitzt, wenn es mit dem Papst kein gutes Einvernehmen gibt. Nähere Angaben zur Kaiserkrönung und zu den Koronatoren und Konsekratoren unterblieben in den Gesandtschaftsakten zu den Ausgleichsverhandlungen allerdings. Ein Versuch Ludwigs, die Kaiserkrönung mit dem am traditionellen Ordo orientierten Zeremoniell oder der Auswahl der mitwirkenden Personen zu rechtfertigen, unterblieb ebenfalls. Zu einer Debatte oder Auseinandersetzung um die legitime Form der Kaiserkrönung im Detail kam es in den Rekonziliationsverhandlungen zwischen Ludwig dem Bayern und den Päpsten nicht.
5.10.3 Kaisergesetze und Denkschriften (1338/1339) Nachdem auch die neu aufgenommenen Versöhnungsverhandlungen zwischen Ludwig und dem Nachfolger Johannes’ XXII., Benedikt XII., gescheitert waren, formierte sich in Deutschland eine breite fürstliche Unterstützung für Ludwig. Vor allem in den Jahren 1338 und 1339 wurde das Problem behandelt, welche Rechte der Papst gegenüber dem Reich besitzt. Die Verfassungskrise, in die das Reich durch die Doppelwahl von 1314, die Approbationsansprüche Johannes’ XXII. und die verweigerte päpstliche Kaiserkrönung geraten war, sollten nun wenigstens zum Teil gelöst werden. Die Kurfürsten haben bereits im Weistum von Rhense vom 16. Juli 1338 die Unabhängigkeit der deutschen Königswahl von einer päpstlichen Approbation erklärt, aber keine Stellungnahme zum Kaisertum getroffen.1001 Kaiser Ludwig promulgierte bald darauf auf dem Frankfurter Reichstag am 6. August 1338 in Licet iuris1002 seine Ansicht über das Kaisertum in einem eigenem Gesetz: »[…] auf den Rat und mit Zustimmung der Kurfürsten und anderen Fürsten des Kaiserreiches erklären Wir, daß die kaiserliche Würde und Amtsgewalt unmittelbar von Gott allein stammt, und daß nach dem Recht und der seit alters bestehenden 1001 Der Kurverein von Rense, in: Weinrich (Hg.), Quellen, 1983, Nr. 88, S. 286 – 291, mit seitenparalleler Übersetzung. 1002 Licet iuris, in: Weinrich (Hg.), Quellen, 1983, Nr. 89, S. 290 – 293, mit seitenparalleler Übersetzung. Vgl. zusammenfassend Becker, Art. Licet iuris, in: HRG, Bd. 2 (1978), Sp. 2001 – 2005.
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Die Kaiserkrönung in der Auffassung Kaiser Ludwigs
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Gewohnheit des Reiches anerkannt ist, daß, sobald jemand von den Kurfürsten des Kaiserreiches einträchtig oder durch eine Mehrheit von ihnen zum Kaiser oder König gewählt wird, er sofort allein aufgrund der Wahl als wahrer König und Kaiser der Römer anzusehen und zu benennen ist«.1003
Der Interpretation der älteren Forschung, daß dieses Gesetz bestimme, daß dem römischen König bereits durch und zum Zeitpunkt der Wahl der Titel eines Kaisers verliehen werde, hat grundlegend und zu Recht Stengel widersprochen.1004 Der römische König soll vielmehr alle Rechte eines römischen Kaisers ausüben können, ohne die – grundsätzlich abgelehnte – päpstliche Approbation, aber auch ohne die – allein dafür nicht notwendige – päpstliche Kaiserkrönung. Für die Führung des kaiserlichen Titels durch den römischen Herrscher, in Urkunden in der Intitulatio und mit Bezug auf die kaiserlichen Herrscherjahre in der Datumszeile, ist eine Kaiserkrönung weiterhin notwendig. Nach Miethkes Interpretation von Licet iuris, wonach der kaiserliche Titel bereits mit der Königswahl erworben wird, wäre die römische Kaiserkrönung eine bloße Festkrönung. Einen wichtigen Einwand dagegen gibt Miethke selbst an: Die Epoche von Ludwigs Kaisertum ist auch in der Datumszeile von Licet iuris das Jahr 1328 und nicht 1314, das Jahr der Königswahl.1005 Auch sein Begriff der Festkrönung ist ungeeignet, da er eine vorhergehende, konstitutive Krönung – und zwar eine Kaiserkrönung – voraussetzt. Das kaiserliche Mandat Fidem catholicam steht in engem Zusammenhang mit Licet iuris.1006 Bereits vor Licet iuris und dem Kurverein von Rhense ist es am 18. Mai 1338 erstmalig veröffentlicht worden: 1003 Weinrich (Hg.), Quellen, 1983, Nr. 89, S. 290/292: »[…] de consilio et assensu electorum et aliorum principum imperii declaramus, quod imperialis dignitas et potestas immediate a solo deo, et quod de iure et imperii consuetudine antiquitus approbata est quod, postquam aliquis eligitur in imperatorem sive in regem ab electoribus imperii concorditer vel a maiori parte eorundem, statim ex sola electione est verus rex et imperator Romanorum censendus et nominandus«. 1004 Stengel, Avignon, 1930, S. 158 – 159; Becker, Art. Kaiserkrönung, in: HRG, Bd. 2 (1978), Sp. 559. 1005 Miethke, Wirkungen, 1998, S. 203. In der Datumszeile heißt es, Weinrich (Hg.), Quellen, 1983, Nr. 89, S. 292: »[…] regni nostri anno XXIII, imperii vero XI.« 1006 Die Bezeichnung schwankte in der älteren Forschung, aber Hans-Jürgen Becker, Das Mandat »Fidem catholicam« Ludwigs des Bayern von 1338, in: DA 26 (1970), S. 454 – 512 (Edition: S. 496 – 512), S. 469, hat überzeugend für Mandat argumentiert, daß der rechtliche Kern des Schriftstücks ein Befehl an die Untertanen ist, die kirchlichen Zensuren nicht zu beachten. Die vorangehende Darlegung der Nichtigkeit der päpstlichen Prozesse stellt lediglich die Begründung dafür dar. Übersetzung in Berthold (Hg.), Kaiser, 1960, Nr. 44, S. 248 – 271. In dem Oxforder Codex, in dem die einzige Abschrift des Defensor minor überliefert ist, findet sich neben dem Defensor pacis und De translatione imperii auch eine Version von Fidem catholicam. Miethke, Politiktheorie, 2008, S. 239, äußert die Vermutung, daß es sich dabei um die Abschrift eines Exemplars, das Marsilius sich »zurück- oder zurechtgelegt hatte«, handeln könnte.
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»Gewissen Anfeindungen und Angriffen und Gegenäußerungen, die sich gegen Uns richten und gegen die Wahl und Unsere Rangerhöhung zum Gipfel kaiserlicher Würde und gegen die kaiserliche Autorität, Gewalt und Hoheit glaubten Wir in diesem Schreiben antworten zu müssen gemäß der Form der heiligen Kanones und Gesetze«.1007
Unterschieden wird hier zwischen kaiserlicher Würde einerseits und kaiserlicher Gewalt andererseits. Beides wird zwar vom Papst angegriffen, Ludwigs Antwort darauf bezieht sich aber nur auf die kaiserliche Gewalt: »Aus alldem […] geht klar hervor, daß Gewalt und Autorität der Kaiser allein von Gott und nicht vom Papst ausgehen, und daß der zum Kaiser Erwählte allein auf Grund der Wahlhandlung römischer König ist und daß er Autorität, Befugnis zur Rechtsprechung und kaiserliche Gewalt hat, auch vor der Salbung, Weihe und Krönung durch den Papst«.1008
Dadurch, daß eine konstitutive Funktion des Papstes für das Kaisertum ausdrücklich bestritten wird, wird seine Beteiligung an der Kaiserkrönung eine Verpflichtung gegenüber dem Kaiser. Sehr viel deutlicher äußert sich der unbekannte Autor der Denkschrift Subscripta videntur,1009 die wahrscheinlich als Erläuterung zu Licet iuris von einem kaiserlich gesinnten Minoriten geschrieben wurde,1010 dessen genaues Verhältnis zur Auffassung Kaiser Ludwigs aber nicht ganz geklärt werden kann. Stengel datiert sie auf die zweite Hälfte des Jahres 1338.1011 Zunächst wird erklärt, daß der Gewählte in dem Sinne wahrer Kaiser sei, als dies dem Wesen nach dasselbe wie ein römischer König sei. Die Unterschiede bilden lediglich die Titel (no-
1007 Becker, Mandat, 1970, S. 496: »[…] quibusdam allegationibus, impugnationibus et oppositionibus, que contra nos et electionem ac promotionem de nobis factam ad culmen dignitatis imperialis et contra imperialem auctoritatem, potestatem et dignitatem opponuntur […] secundum formam sacrorum canonum et legum in his scriptis duximus respondendum«. 1008 Becker, Mandat, 1970, S. 499: »Ex quibus […] clare patet, quod potestas et auctoritas imperialis est immediate a solo Deo et non a papa, et quod electus in imperatorem ex sola electione est rex Romanorum et habet auctoritatem, iurisdictionem et potestatem imperialem, etiam antequam inungatur, consecretur vel coronetur a papa«. 1009 Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, Bd. 1, 1921, Nr. 584, S. 401 – 403. Auch überliefert von Heinrich von Herford, ed. Potthast, 1859, S. 260 – 261, der es als eines der Gesetze, die während des Frankfurter Reichstages im August 1338 erlassen wurden, ansieht, vgl. Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, Bd. 1, 1921, Anmerkungen zur Überlieferung von Nr. 584, S. 401. 1010 Stengel, Avignon, 1930, S. 159, Anm. 1, und S. 177. Dagegen meint Mitteis, Königswahl, 2 1944, S. 217, daß die Denkschrift bereits vor Licet iuris verfaßt wurde und sie auf den Inhalt des Gesetzes Einfluß ausgeübt hat. 1011 Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, Bd. 1, 1921, Anmerkungen zur Überlieferung von Nr. 584, S. 402.
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mina) und die Ausübung des Rechts, diese Titel zu führen (iuris exercicium).1012 Dann wird klar ausgesprochen, daß der König von einem anderen als dem Papst gekrönt werden kann, falls dieser sich weigert: »Und wenn der Papst es ablehnt, kann er diese Krone und Salbung von einem anderen katholischen [Bischof] (katholicus) empfangen, und sich von da an als Kaiser der Römer betiteln, freilich ist er dem Wesen nach schon zuvor durch die Wahl zum wahren Kaiser gemacht worden.«1013
Der Koronator, der anstelle des Papstes die Kaiserkrönung vollziehen dürfen soll, wird hier sehr allgemein als katholicus bezeichnet. An einen Laien ist jedoch nicht zu denken, da dem katholicus nicht nur die Krönung im engeren Sinne, sondern auch die Salbung zustehen soll. Das erfordert einen Bischof. Viele inhaltliche Parallelen zu Subscripta videntur besitzt ein Dokument vom März 1339, bei dem es sich um einen Entwurf zu einem Kurfürstenweistum handelt.1014 Die Frage, ob dieser Entwurf, der dem kaiserlichen Umfeld zuzuordnen ist, lediglich Entwurf geblieben ist, die Zustimmung der Kurfürsten also ausgeblieben ist, wie Thomas meint,1015 oder ob er auch ausgefertigt wurde, also die Zustimmung der Kurfürsten erhalten hat, die Ausfertigung jedoch nicht überliefert ist, wie Stengel und Becker meinen,1016 konnte noch nicht endgültig beantwortet werden. Stengel zieht für seine Auffassung auch eine Äußerung des späteren Papstes Clemens’ VI. und eine Notiz der dritten bayerischen Fortsetzung der Sächsischen Weltchronik heran, die sich durchaus auf ein beschlossenes Weistum beziehen könnten, aber inhaltlich doch recht unbestimmt bleiben.1017 Gleichfalls schwierig ist die Frage zu beantworten, inwiefern die Denk1012 Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, Bd. 1, 1921, Nr. 584, § 2, S. 402: »Secundo, quod electus per principes predictos concorditer vel in discordia, dummodo a maiori parte principum, efficitur verus imperator seu rex Romanorum, quod idem est, quia ista non differunt in essencia, sed in nominibus et iuris exercicio, ut probari potest iure et consuetudine.« Moeller, Ludwig der Bayer, 1914, S. 243 – 244, meint, daß exercicium iuris die Ausübung des Rechts oder Ausübung einzelner, dem Kaiser vorbehaltener Rechte bedeutet. Dann wäre der römische König und Kaiser aber nicht dem Wesen nach dasselbe, sondern etwas verschiedenes. Nach Stengel, Avignon, 1930, S. 159, Anm. 1, müßte man exercicium iuris eher mit »Rechtsanwendung« oder »rechtlicher Sprachgebrauch« übersetzen. 1013 Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, Bd. 1, 1921, Nr. 584, § 4, S. 402: »Et si papa negaret, ipse istas coronam et inunctionem recipere potest ab alio katholico et exinde se intytulare imperatorem Romanorum, licet antea in esse ex ipsa electione factus sit verus imperator.« 1014 Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, Bd. 2/1, 1930, Nr. 613, S. 421 – 423. Stengel, Avignon, 1930, S. 177 – 178, hat in Form einer Synopse einen Vergleich durchgeführt. 1015 Thomas, Ludwig der Bayer, 1993, S. 324. 1016 Stengel, Avignon, 1930, S. 174 – 175; Becker, Kaisertum, 2002, S. 127. 1017 Papst Clemes VI. sagte am 10. April 1343 im Konsistorium über die Gesandtschaft des Arnald von Verdalle, des späteren Bischofs von Magalon, an Kaiser Ludwig im Auftrag Papst Benedikts XII., Offler, A Political Collatio, 1955, S. 141, Z. 331 – 333: »[…] cum [papa Benedictus] misisset ad eum [Ludovicus] episcopum Magalonensem, ipsum quadam die vocavit et quasi vellet aliquid se facturum pro ecclesia in eius presentia vestibus imperi-
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schrift Subscripta videntur und der Entwurf zu dem neuerlichen Kurfürstenweistum als Ausdruck von Kaiser Ludwigs Auffassung gelten darf. Der Entwurf schließt ausdrücklich an das Kurfürstenweistum von Rhense an.1018 Inhaltlich geht er von der Frage der Königswahl auf die Kaiserkrönung über : »Dar nach sprechen wir und ougen: so eyn Romescher konig eynmutiglichen von uns oder dem mereren teyle erwelet wirt, daz wir oder er daz dem pabiste kunt sollen du˚n und bieten, daz er den selben vor eynen Romeschen konig haben und allermenlich haben heysze und die walunge kunde dem volke, und sollen in ouch da mite bieten, daz er ime die keyserlichen cronen gebe, wann er die an in vordert.«1019
Der Entwurf sieht vor, daß die Kurfürsten nicht um eine Approbation ihrer Wahl durch den Papst bitten. Sie oder der Gewählte sollen dem Papst jedoch die Wahl anzeigen und ihn bitten, den Gewählten zum Kaiser zu krönen, sobald der Gewählte dies vom Papst verlangt. Die Beteiligung des Papstes an der Kaiserkrönung würde, dem Entwurf zufolge, zu seiner Pflicht erklärt. Die Rechte an der Kaiserkrönung werden damit gegenüber den papalistischen Auffassungen der Zeit umgekehrt: Die Kaiserkrönung soll nicht mehr ein Recht des Papstes, sondern des Kaisers sein, der sie vom Papst fordern kann. Weder eine Prüfung der Würdigkeit durch den Papst wird erlaubt,1020 noch soll der Kaiser dem Papst Eide schwören.1021 Auch in diesem Dokument wird dem gewählten römischen König, und zwar viel deutlicher als in Subscripta videntur, das Recht zugesprochen, sich von einem beliebigen Bischof zum Kaiser krönen zu lassen, wenn der Papst nicht dazu bereit ist:
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alibus se induit et multa enormia contra ecclesiam fecit.« Zuvor bei Höfler, Aus Avignon, 1868, S. 18. Vgl. Stengel, Avignon, 1930, S. 174 mit Anm. 5. – Dritte Bairische Fortsetzung der Sächsischen Weltchronik, in: Deutsche Chroniken, Bd. 2, ed. Weiland, 1877, S. 340 – 348, hier S. 345, Z. 35 – 41: »Der keiser Ludwig gebod einen großen hof gein Frankenfort. Dar kamen die kurfursten alle und vil herren, die liez der keiser die botschaft horen. Da wart dem keisere von allen fursten und herren groz recht gegeben. Da lech der keiser dem konig Johanne von Behemen sin lehen und anders vil fursten und herren. Da wart auch guter fride gemacht, und die fursten und vil herren swuren, pei dem keiser zu pleiben wider aller manniglich.« Vgl. Stengel, Avignon, 1930, S. 175 mit Anm. 1. Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, Bd. 2/1, 1930, Nr. 613, § 2, S. 422. Ebenda, § 3, S. 422. Ebenda, § 4, S. 422: »Dar zu˚ sprechen wir und ougen, daz der pabist den konig, der also von uns eynmutiglichen oder von dem meren teyle erwelet wirt oder ist, nicht sol examiniren oder bekennen, ob er wirdig sii des keysertu˚mes und der keyserlichen cronen, daz er keyne bekentnisse dar ubir sal han.« Ebenda, § 7, S. 422 – 423: »Dar zu˚ sprechen wir und ougen, daz der Romescher koning den pabiste, so er gwihet oder cronet zu keysere sol werden, noch vore keynen eyt sol sweren.«
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Die Kaiserkrönung in der Auffassung Kaiser Ludwigs
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»Wir sprechen ouch und ougen: ob der pabist eyme Romeschen koninge die keyserlichen cronen nicht geben wolde oder yme die verzuge zu gebene, daz er si dan moge genemen von eyme cristene ertzbisschofe oder bisschofe, der yme dar zu˚ gut ist.«1022
Dieser Punkt ist der Position des Marsilius ganz ähnlich.1023 Allerdings enthält wenigstens Subscripta videntur auch Formulierungen, die kaum von Marsilius stammen können, wie etwa die Aussage, daß der Papst höher als der Kaiser steht.1024 Daher ist eine ausschließliche Urheberschaft des Marsilius wohl auszuschließen. Ebenso besteht eine Ähnlichkeit dieser Bestimmung mit dem chronikalischen Bericht Heinrichs von Herford zu Ludwigs Gesandtschaft an den Papst im Jahr 1327, die ihm Ludwigs Bitte um die Kaiserkrönung vortragen sollte. Während nach Heinrichs Bericht Ludwig auf die (fiktive) Tradition verwiesen haben soll, daß frühere Kaiser sich von anderen Bischöfen als dem Papst zum Kaiser haben krönen lassen,1025 sieht der Entwurf für das Weistum ausdrücklich diese Möglichkeit für die Zukunft vor. Ob Heinrich von Herford seine Darstellung auf genaue Kenntnisse über die damalige Gesandtschaft stützte oder ob er Kenntnisse über diese Schriftstücke der Jahre 1338 und 1339 in seine Darstellung über den Beginn des Romzugs einfließen ließ, kann wohl nicht entschieden werden. Aber es muß entweder angenommen werden, daß die 1338 formulierte Möglichkeit einer Kaiserkrönung durch andere Bischöfe als den Papst bereits tatsächlich vor Ludwigs Eintreffen in Rom in Erwägung gezogen wurde und dem Papst damit 1327 gedroht wurde. Oder es muß angenommen werden, daß wenigstens der Chronist dies für eine so weithin und lange vertretene Auffassung des kaiserlichen Hofes hielt, daß er sie auch im Zusammenhang mit seiner Darstellung vom Beginn des Romzugs glaubwürdig vertreten zu können meinte. Welche Rolle die Römer im Frühjahr 1327 in Ludwigs Überlegungen zur 1022 Ebenda, § 8, S. 423. Vgl. ebenda, § 10, S. 423: »Wir ougen ouch und sprechen mit gemeyner urteyl: ob ieman ist, furste geystlich oder werltlich, greve oder herre, capitel, stede, gemeynde, edel oder unedel, wie si geheyszen sin, die eyme Romeschen koninge, der eynmutiglichen von uns oder von deme meren teyle der kurfursten erwelet wirt, nicht wolde gehorsam sin noch haben vor eynen Romeschen koning oder keyser, ob er gwihet oder gecronet wirt, so in der pabist nicht wihen noch cronen wolde, von eyme cristenen erczbisschofe oder bisschofe, als obene geschrieben ist, daz der mit libe und gute dem selben Romeschen koninge oder keysere und dem riche sol vervallen sin und daz wir yme unt alle des riches fursten, man unt stete beholfen sollen sin dar zu˚, daz er in umb die selben vrevele strafe an lieb und gute.« Vgl. hierzu und zum folgenden Stengel, Avignon, 1930, S. 175 – 177. 1023 Vgl. oben S. 125 ff. 1024 Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, Bd. 1, 1921, Nr. 584, § 4, S. 402 – 403: »Et papa maior est imperatore, quia dominus spiritualium et animarum. Iste vero dominus corporum et rerum. Et ideo papa imperatorem corrigere potest de peccato sicut alium chistianum et cetera.« 1025 Vgl. oben S. 221 ff.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
Kaiserkrönung gespielt haben, kann aus der chronikalischen Notiz des Heinrich von Herford nicht erschlossen werden. Aber in dem Dokument vom März 1339 findet sich eine einschlägige, in der Forschungsliteratur jedoch selten herangezogene Passage: »Wir sprechen ouch und ougen: ob Romer eynen koning nicht wolden laszen in die stat zu˚ Rome, wanne er ku˚mt uber daz Bartengebirge, daz er dan mag nemen die cronen in welcher stad er ienhalben des selben gebirges wolle.«1026
Dies ist die einzige bekannte Äußerung aus dem Umfeld Ludwigs nach der Kaiserkrönung, die sich auf die Rolle der Römer bei der Kaiserkrönung bezieht. Auch ohne die Mitwirkung der Römer und außerhalb der Stadt, die dem Kaisertum den Namen gab, soll eine Kaiserkrönung möglich und legitim sein. »Bartengebirge« ist eine Verdeutschung von Mons Bardonis und meint im erweiterten Sinne den nördlichen Teil des Apenningebirges, das die Kaiser auf dem Weg nach Rom durchquerten.1027 Wenn die Kaiserkrönung nicht in Rom durchgeführt werden kann, ist durchaus nicht jeder Ort gleich gut dafür. Sie muß in Italien, aber nicht in der Lombardei stattfinden. Ob damit an einen Ort in der Toskana gedacht wurde, wie Stengel meint,1028 oder nicht auch oder vielmehr an einen Ort im Patrimonium Petri, kann danach nicht gesagt werden. Ohne daß die Königskrönung in der Lombardei angesprochen wird, muß angenommen werden, daß an ihr festgehalten werden soll, und damit zusätzlich zur Königskrönung in Aachen zwei weitere örtlich voneinander getrennte Krönungen den Anspruch auf Reichsitalien einerseits und das Kaisertum andererseits demonstrieren sollen. Das Recht der römischen Herrscher auf die Kaiserkrönung und Kaiserwürde soll auch unter ungünstigsten Bedingungen aufrecht erhalten und ausgeübt werden können. Ergänzend zur Erklärung der Unabhängigkeit vom traditionellen päpstlichen Koronator soll auch die Unabhängigkeit vom traditionellen Krönungsort die Autonomie der Kaisertums und der Kaiserkrönung befestigen. Becker sieht in diesem Dokument auch eine Quelle zu Ludwigs Kaiserkrönung in Rom. Davon ausgehend, daß der Entwurf vom März 1339 die Zustimmung der Kurfürsten fand und auch ausgefertigt wurde, bewertet Becker : »Damit war es Ludwig gelungen, nachträglich eine Rechtfertigung seines 1328 erworbenen Kaisertums durch die Kurfürsten zu erlangen.«1029 Dieses Weistum kann zwar auch als nachträgliche Rechtfertigung für Ludwigs Kaiserkrönung 1026 Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, Bd. 2/1, 1930, Nr. 613, § 9, S. 423. 1027 Stengel, Avignon, 1930, S. 176, Anm. 4; vgl. auch Ludwig Schütte, Der Apenninenpass des Monte Bardone und die deutschen Kaiser (Historische Studien, Heft 27), Berlin 1901, bes. S. 26 – 28 mit Anmerkungen. 1028 Stengel, Avignon, 1930, S. 176, Anm. 4. 1029 Becker, Mandat, 1970, S. 467.
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Der Einfluß von Marsilius und Johannes von Jandun auf die Kaiserkrönung
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ohne Papst verstanden werden, aber auf die Mitwirkung der Römer wird in Zukunft offenbar weder gezählt noch wird sie als notwendig angesehen. Mit Bezug auf das postulierte Recht des Kaisers, einen beliebigen Bischof als Koronator zu wählen, und davon ausgehend, daß Ludwig allein von den zwei von Villani genannten Bischöfen gekrönt worden sei, meint Becker : »Man darf sicher sein, daß diese Formulierung anders ausgefallen wäre, wenn Ludwig sich 1328 nicht von einem Bischof, sondern von einem Laien hätte krönen lassen!«1030 Tatsächlich zeigt das jedoch nur, daß die Urheber dieses Dokuments der Beteiligung der Römer keine konstitutive oder auch nur eine notwendige oder legitimierende Funktion zugebilligt haben. Eine legitimationsstiftende Funktion sollte auch ein vom Kaiser ausgewählter Bischof genausowenig wie der Papst haben, wenn er – und das sollte der Regelfall bleiben – seine Pflicht als Koronator des Kaisers ausübt.
5.11 Der Einfluß von Marsilius und Johannes von Jandun auf die Kaiserkrönung im Spiegel der Quellen Die urkundliche Quelle mit den meisten Einzelheiten über Marsilius’ und Johannes von Janduns Aufenthalt in Rom ist das päpstliche Mandat vom 15. April 1328 an den Legaten des Apostolischen Stuhls, Kardinaldiakon Johannes von San Teodoro. Es enthielt die Aufforderung, für ihre Gefangennahme in Rom zu sorgen.1031 Johannes XXII. schickt voraus, welche Informationen er über Marsilius und Johannes von Jandun erhalten hat: »An Unser apostolisches Gehör ist in diesen Tagen durch das weitverbreitete öffentliche Gerücht gelangt, daß jene zwei nichtsnutzigen Menschen, Marsilius von Padua und Johannes von Jandun […] auf die Nachricht, daß Ludwig […] nach Rom gekommen war und dort seine Tyrannis ausübte, sich persönlich in die Stadt begaben und sich erdreisteten, Irrlehren öffentlich zu verkünden«.1032 1030 Becker, Kaisertum 2002, S. 133. 1031 MGH Const., Bd. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 439, S. 363; Riezler, Vatikanische Akten, 1891, Nr. 999, S. 373 – 374; Rinaldi, ad a. 1328, § 10, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 341a-b; Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 75, S. 221. Vgl. zu diesem Mandat ausführlicher unten S. 313 und 319. 1032 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 439, S. 363, Z. 8 – 18: »Ad nostri apostolatus auditum hiis diebus fama publica divulgante pervenit, quod illi duo nequam homines Marcilius de Padua et Iohannes de Ianduno (hereteci manifesti et per nos dudum de fratrum nostrorum consilio de heresi sententialiter et publice condempnati,) audito quod Ludovicus (olim Bavarie dux et discorditer in regem Romanorum electus, qui suis horrendis excessibus et gravibus culpis exigentibus excommunicatus ac iure, si quod ei ex predicta electione ad regnum Romanum vel imperium forsitan competebat, necnon ducatu Bavarie ac comitatu palatino Reni et iure quocumque habendi vocem in electione regis Romanorum in imperatorem promovendi iusto iudicio privatus extitit et de heresi sententialiter et publice
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
Die Aussage dieser Quelle, daß Marsilius und Johannes von Jandun offenbar nicht gemeinsam mit Ludwig in Rom einzogen, ist bisher meist übersehen worden.1033 Marsilius ist noch am 17. November 1327 in Mailand bezeugt, nachdem Ludwig die Stadt bereits verlassen hatte.1034 Ob Marsilius und mit ihm Johannes von Jandun noch immer in Mailand waren, als sie die Nachricht erhielten, daß Ludwig am 7. Januar 1328 in Rom eingezogen war, oder ob sie bereits früher Ludwigs Heer nachgefolgt waren, ist nicht bekannt. Die Frage, ob Marsilius und Johannes noch vor Ludwigs Kaiserkrönung am 17. Januar in Rom eintrafen, läßt sich aus den Quellen nicht beantworten. Auch wenn keine Quelle explizit belegt, daß Marsilius und Johannes von Jandun bei der Kaiserkrönung persönlich anwesend waren oder selbst an ihr mitgewirkt haben,1035 so darf doch – aufgrund ihrer Bedeutung als Ratgeber – angenommen werden, daß ihre Anwesenheit von Ludwig und ihnen selbst erwünscht gewesen sein muß. Festzuhalten bleibt jedoch, daß eine sichere Aussage über den Zeitpunkt ihrer Ankunft nicht möglich ist. Das zur Kaiserkrönung zeitlich nächste päpstliche Dokument, das Marsilius erwähnt, ist ein Schreiben ebenfalls bereits an den Kardinallegaten Johannes von San Teodoro vom 21. Januar 1328. Sicher noch ohne Kenntnis der Kaiserkrönung, die vier Tage früher stattgefunden hatte, forderte Johannes XXII. seinen Legaten dazu auf, zum Kreuzzug gegen Ludwig aufzurufen. Einer der Gründe dafür war, daß Ludwig ein Begünstiger der Ketzer Marsilius und Johannes von Jandun wäre.1036 An dieser Maßnahme zeigt sich die noch vage Befürchtung der Kurie über Ludwigs Vorhaben in Rom und den Einfluß, den Marsilius darauf ausüben könnte. Etwas deutlicher ist der Papst in einem Schreiben vom 27. Februar 13281037 an Angelo, den Bischof von Viterbo und seinen Vicarius in
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condempnatus) Urbem intraverat et in ea suam tyrannidem exercebat, ad Urbem ipsam se personaliter conferentes hereses publice predicare presumunt«. Allein Dolcini, Marsilio, 1988, S. 305 mit Anm. 39, und ders., Introduzione, 1995, S. 42, äußert Zweifel daran, daß Marsilius sich bereits zur Kaiserkrönung in Rom aufhielt, jedoch ohne diesen Papstbrief heranzuziehen. Vgl. oben S. 220 f. Dies betont Dolcini, Marsilio, 1988, S. 305 mit Anm. 39, und ders., Introduzione, 1995, S. 42. MartHne/Durand, Thesaurus, Bd. 2, 1717, Sp. 716 – 722, hier Sp. 718A-D; dieser Vorwurf wird fast wörtlich aus Dudum volentes vom 23. Oktober 1327 wiederholt, vgl. oben S. 205 f. Die Aufforderung zum Kreuzzug gegen Ludwig wird am 25. Juni 1329, während Ludwigs erfolgloser Belagerung von Mailand im Mai und Juni, gegenüber dem Erzbischof von Mailand und anderen hohen Geistlichen wiederholt, MartHne/Durand, Thesaurus, Bd. 2, 1717, Sp. 777 – 782, die gleichlautende Passage über Marsilius Sp. 778F-779B; Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 97, S. 223. Im Auszug bei Rinaldi, ad a. 1328, § 7 – 8, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 339b-340b; Riezler, Vatikanische Akten, 1891, Anm. 2 zu Nr. 980, S. 367; Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 67, S. 220 (mit Datum vom 26. Februar 1328). Vgl. Gregorovius, Geschichte, Bd. 6, 1867, S. 153, Anm. 1 (der irrtümlich den 16. Februar als Datum des Briefes angibt).
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Der Einfluß von Marsilius und Johannes von Jandun auf die Kaiserkrönung
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spiritualibus für die Diözese Rom,1038 und an den Klerus der Stadt Rom, in dem er sie mit dramatischen Worten vor den Häretikern, die Ludwig mit sich führte, warnte: »Auch bedenken Wir, daß derselbe [Ludwig] zu allem Übel mit dreister Freiheit seine Gotteslästerungen gegen den Herrn und gegen Christus im Munde führt und zwei Bestien, die aus dem Abgrund Satans und der Schwefelquelle der Hölle auftauchten und abscheuliche Häresien gegen unseren Erlöser zum Ärgernis des Glaubens veröffentlichten, nämlich Marsilius von Padua und Johannes von Jandun, und ein Buch, das von ihnen herausgegeben wurde und die gottlosesten Irrtümer und schändlichsten Häresien enthält, bei sich aufgenommen hat und sie in die Gemeinschaft seiner Familiaritas eingelassen hat, wie er auch [ihren Häresien] glaubt und [ihr] öffentlicher Beschützer ist, denselben Schutz und Erlaubnis gewährt hat, die obengenannten Häresien zu lehren und zu verbreiten.«1039
Es ist nicht bekannt, ob in Avignon bereits Berichte über Ludwigs Einzug in Rom und die Kaiserkrönung eingetroffen waren, als dieses Schreiben verfaßt wurde. Der Brief zeigt jedenfalls die außerordentliche Besorgnis des Papstes. Vor allem aber schien der Papst die größten Befürchtungen hinsichtlich Marsilius und Johannes von Jandun zu haben. Hier wird nicht allein die Pflicht zum Widerstand gegen einen unrechtmäßigen Herrscher, der Ketzer beschützt, vom römischen Klerus verlangt, sondern auch greifbar, wie sehr Johannes XXII. die öffentlichen Reden dieser Häretiker vor den Römern fürchtete. Welche möglichen Auswirkungen dieser Reden in Rom von der Kurie befürchtet wurden, wird in dem Schreiben jedoch nicht expliziert. 1038 Zur Bedeutung dieses Amtes vgl. unten S. 315. 1039 Rinaldi, ad a. 1328, § 7, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 340a: »Considerantes etiam, quod ipse ad omne malum praesumpta licentia adversus Dominum et adversus Christum ejus blasphemias loquebatur, duasque bestias de abysso sathanae et inferni sulphureo puteo prodeuntes, ac detestabiles haereses contra Redemptorem nostrum in scandalum fidei publicantes, videlicet Marsilium de Padua et Joannem de Janduno, ac libellum per eos editum, impiissimos errores et foedissimas haereses continentem, receperat; eosque in consortium suae familiaritatis admittens, velut credens et publicus fautor eorum, ipsis dogmatizandi et disseminandi haereses supradictas defensionem et licentiam exhibeat«. Am selben Tag ging auch ein Brief mit einer ähnlicher Warnung, aber gemäßigter in der Wortwahl, an den päpstlichen Legaten Johannes, den Kardinaldiakon von San Teodoro, und mehrere andere italienische Bischöfe heraus, MartHne/Durand, Thesaurus, Bd. 2, 1717, Sp. 723 – 727, hier Sp. 724C-D: »[…] variaque futura pericula diligentius intuentes, considerantes insuper quod viros pestilentes et reprobos, quinimmo haereticos manifestos, utpote dogmatisantes doctrinam haereticam adversus catholicam veritatem, videlicet Marsilium de Padua et Johannem de Janduno, ac libellum per eos editum manifestos errores et haereses continentem, receperat, dictosque Marsilium et Johannem in consortium suae familiaritatis admittens, velut credens et publicus fautor eorum, publice dogmatisandi praefatas haereses, defensionem et licentiam exhibeat«; Regest bei Riezler, Vatikanische Akten, 1891, Nr. 980, S. 367; Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 66, S. 220 (mit Datum vom 26. Februar).
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
Inwieweit die Befürchtungen der Kurie wahr wurden, zeigt sich in einer späteren Bulle, nämlich dem Prozeß gegen die Römer wegen ihrer Beteiligung an der Kaiserkrönung vom 31. März 1328 (Quamquam nobis), in dem sämtlichen Römern das Aufsetzen der Kaiserkrone vorgeworfen wurde.1040 Ein weiterer Vorwurf an die Römer betrifft Marsilius und Johannes von Jandun: »Und darüber hinaus hatte die genannte Volksmenge Marsilius von Padua und Johannes von Jandun, in jeder Hinsicht unheilvolle, verworfene und wegen Häresie durch einen Urteilsspruch verdammte Männer, die häretische, verworfene und verdammte Lehren lehrten und öffentlich predigten, in Rom aufgenommen, wobei sie die gottlosen Predigten und Lehren der genannten Häretiker anhörten und ihnen zur Gefahr ihrer Seelen Folge leisteten und ihnen Hilfe, Rat und Gunst gewährten.«1041
Hier werden die Römer als Adressaten der öffentlichen Reden von Marsilius benannt. Ein Zusammenhang zwischen diesen Reden und dem Hauptvorwurf in diesem Prozeß gegen die Römer, daß sie an Ludwigs Kaiserkrönung mitgewirkt hätten, wird in dem Prozeß nicht ausdrücklich hergestellt. Aber bereits jetzt lautet der Vorwurf an die Römer, sie hätten Marsilius und Johannes von Jandun auch Folge geleistet. Worin dieses Handeln der Römer, das von den öffentlichen Reden der beiden Gelehrten bewirkt worden sein soll, bestand, wird in diesem päpstlichen Prozeß zur Kaiserkrönung nicht weiter ausgeführt. Die Bedeutung dieser Quelle für die Beantwortung der Frage, ob die Vorstellungen des Marsilius zum Kaisertum einen Einfluß auf den Verlauf der Kaiserkrönung hatten, ist daher nicht ohne weiteres einzuschätzen. Eine weitere Quelle aus dem kurialen Umfeld, die in zeitlicher Nähe zur Kaiserkrönung entstand, ist das Compendium maius octo processuum papalium.1042 Diese vermutlich zu Lehrzwecken verfaßte Zusammenstellung von acht päpstlichen Prozessen gegen Ludwig den Bayern muß nach dem 31. März 1328, dem Datum des zuletzt behandelten achten Prozesses gegen Ludwig (Dudum per
1040 Vgl. oben S. 256. 1041 MGH Const. VI/1, Nr. 428, § 6, S. 336, Z. 7 – 13: »Et insuper predicti populus Marcilium de Padua et Iohannem de Ianduno viros utique pestiferos, reprobatos et de heresi sententialiter et publice condempnatos, doctrinas hereticales, reprobatas et condempnatas dogmatizantes, publice predicantes in Urbe receperunt predicta, hereticorum predictorum predicationes et dogmatizationes nepharias audiendo eisque parendo in suarum animarum periculum eisque dando auxilium, consilium et favorem.« 1042 Compendium maius octo processuum papalium, in: Scholz, Streitschriften, Bd. 2: Texte, 1914, S. 169 – 187. Der volle Titel, wie er im Incipit gegeben wird, lautet, ebenda, S. 169: »Compendium maius octo processuum papalium cum quibusdam allegacionibus catholicis contra Ludovicum Bavarum maleseductum, ecclesie sancte persecutorem publicum, et eius fautores factorum, ad laudem Christi et honorem ipsius ecclesie sancte in Romana curia fideliter compilatum. Minus est implicitum, ut patebit.« Die Literatur zur Überlieferung bei Miethke, Publikum. Zur Einführung, 1992, S. 1, Anm. 1.
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Der Einfluß von Marsilius und Johannes von Jandun auf die Kaiserkrönung
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facti) wegen seiner Kaiserkrönung, verfaßt worden sein,1043 aber noch vor dem Beginn der Versöhnungsverhandlungen 1330, die der Autor noch erhofft; auch die späteren päpstlichen Prozesse sind noch nicht bekannt.1044 Für die Datierung bald nach dem 31. März 1328 spricht vor allem, daß der Autor noch nichts von Ludwigs Absetzungserklärung gegen Johannes XXII. vom 18. April 1328 und der folgenden Erhebung des Gegenpapstes weiß. Das macht diese Quelle so wertvoll, da andere Publizisten und Chronisten ihr Bild von Marsilius bereits in Kenntnis und unter dem dominierenden Eindruck seiner Mitwirkung an der Absetzung des Papstes und der Erhebung des Gegenpapstes entworfen haben. Keine einzige publizistische oder erzählende Quelle erwähnt Marsilius bei der Kaiserkrönung oder ermöglicht es auch nur, einen Zusammenhang zwischen der Kaiserkrönung und Marsilius herzustellen. Der anonyme Autor ist deutscher Herkunft und Mitarbeiter der päpstlichen Kanzlei. Den besonderen Charakter erhält dieses Werk dadurch, daß der Autor Teile seines Werks in größerer Schrift und andere Teile in kleinerer Schrift niedergelegt hat. Dabei bezeichnet der Autor die Teile in größerer Schrift als Compendium minus und den Gesamttext, unter Einbeziehung auch der in kleinerer Schriftgröße verfaßten Teile, als Compendium maius. Allerdings erscheint nicht ganz klar, worin die Wahl der Schriftgröße begründet ist. Scholz sieht in dem größer geschriebenen Text die Wiedergabe der päpstlichen Prozesse gegen Ludwig und im kleiner geschriebenen Text die Zusätze und Erläuterungen des anonymen Autors,1045 die demnach besonderes Interesse beanspruchen dürfen. Der anonyme Kompilator gibt bereits bei der Wiedergabe von Quia iuxta doctrinam vom 3. April 1327, des Prozesses, der Marsilius und Johannes von Jandun erstmals erwähnt, ein etwas zugespitztes Bild vom Inhalt. So wird Ludwig aufgefordert, nach Avignon zu kommen, um das Urteil vor allem für die Anschuldigung zu hören, daß er die beiden Gelehrten bei sich aufgenommen hat. Zudem werden beide als bereits verurteilte Ketzer bezeichnet.1046 Dabei spielten in Quia iuxta doctrinam auch andere Verfehlungen Ludwigs eine Rolle, vor allem seine Sachsenhäuser Appellation gegen die ersten päpstlichen Prozesse. Marsilius und Johannes von Jandun waren im April 1327 noch keineswegs als Ketzer verurteilt, das geschah erst in Licet iuxta doctrinam vom 27. Oktober 1327. Im 1043 Miethke, Publikum. Zur Einführung, 1992, S. 1. 1044 Scholz, Streitschriften, Bd. 1: Analysen, 1911, S. 72 mit Anm. 1. 1045 Ebenda, S. 71. Miethke, Publikum. Zur Einführung, 1992, S. 1, meint dagegen, daß der Autor mit der größeren und der kleineren Schrift darauf hinweisen will, »was er für wichtiger und weniger wichtig hält.« 1046 Compendium maius, ed. Scholz, 1914, S. 183 – 184: »Alioquin usque ad Kal. Octobris proxime venturi se conspectui apostolico presentaret super penis aliis quas propter premissa incurrerat ac super familiari recepcione dictorum nephandorum Marsilii et Iohannis condempnatorum hereticorum sentenciam auditurus.«
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
Anschluß daran stellt der Anonymus den Prozeß Divinis exemplis (ebenfalls vom 3. April 1327) dar, in dem Marsilius und Johannes von Jandun nicht erwähnt werden. Darauf folgt ein Rückgriff auf Quia iuxta doctrinam. Der Autor stellt nun noch heraus, daß Ludwig bereits durch eine frühere Gruppe von franziskanischen Ratgebern verführt worden sei, damit aber noch nicht zufrieden gewesen sei und den Rat von Marsilius und Johannes von Jandun gesucht habe. »Diese gottlosen Verführer haben gemeinsam mit den obengenannten schismatischen und irrenden Männern diesen Ludwig, den Bayern, und dessen Leute – sie waren einstmals gut und ehrenhaft – ach so verdammenswert verführt. Zudem hat derselbe Bayer durch die Einwilligung in die Sündhaftigkeit dieser Leute, daher die unheilvolleren Folgen, auch ein gewisses Buch dieser [Männer], das voll verschiedener Häresien ist, zugelassen, und hat erlaubt, daß es oft vor ihm öffentlich gelesen und erörtert wurde.«1047
Hier wird vom Autor des Kompendiums, anders als in den päpstlichen Schreiben, Ludwig zugestanden, »einst gut und ehrenwert« gewesen zu sein; erst der Einfluß der Minoriten und des Marsilius und des Johannes von Jandun habe Ludwig zu seinen Untaten verführt. Diese Anschuldigung des anonymen Autors gegenüber Ludwig ist auch insofern bemerkenswert, als sie keineswegs in den päpstlichen Prozessen gegen Ludwig oder in dem gegen Marsilius und Johannes gerichteten Prozeß Licet iuxta doctrinam zu finden ist, was durch die Verwendung der größeren Schrift erwartet werden mußte. Nur in dieser lehrhaften Darstellung der päpstlichen Prozesse findet sich dieser stärkste Beleg für Ludwigs Interesse an dem genauen Inhalt des Defensor pacis und nicht nur an Marsilius’ mündlich vorgetragener Meinung. Möglicherweise belegt der kuriale Kompilator damit ein fundiertes Interesse Ludwigs an der politischen Theorie des Marsilius. Noch einmal, und für den Zeitraum, auf den der Autor des Kompendiums zurückblicken kann, zum letzten Mal, werden Marsilius und Johannes von Jandun in der Wiedergabe des Prozesses Dudum volentes vom 1047 Compendium maius, ed. Scholz, 1914, S. 184: »Ipse vero obstinatus perseductus B[avarus] primorum suorum seductorum scismatico consilio non contentus, prefatorum eciam Marsilii et Iohannis clericorum malicomplicum, ab ecclesia sancta eiusque gubernatore beato et a clericali honestate apostatancium, se ad dictum erroneum B[avarum] laicum transferrencium, ut eum in suis erroribus confortarent et eum amplius eciam seducerent, ut sequitur, in suam familiaritatem predictam receptorum, eciam perversitatibus acquievit. Qui seductores nephandi cum supradictis viris scismaticis et erroneis ipsum Ludovicum Baurum et eius gentem, aliquando bonos et honestos, heu dampnabiliter seduxerunt. Ipse quoque B[avarus] iniquitati consenciendo eorundem, tunc peior effectus, eciam quendam eorum librum variis heresibus plenum admisit ac eum sepe coram se legi publice et exponi permisit.« Daran anschließend führt der Anonymus in kleinerer Schrift die fünf Irrlehren auf und verweist auf Licet iuxta doctrinam als processus specialis gegen Marsilius und Johannes.
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Der Einfluß von Marsilius und Johannes von Jandun auf die Kaiserkrönung
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23. Oktober 1327 erwähnt, mit der Ludwig selbst zum Ketzer verurteilt wird.1048 Die Frage, ob es eine konkrete politische Handlung Ludwigs gab, die auf den Einfluß der von Ludwig geschätzten Ketzer zurückzuführen gewesen wäre, spielt für den Kompilator keine Rolle. Die Kaiserkrönung ohne Papst verbindet der Kompilator genausowenig mit Marsilius und Johannes von Jandun wie die päpstlichen Prozesse, die er referiert. Der Einfluß von Marsilius auf die politische Ausgestaltung der Kaiserkrönung ist auf der Grundlage dieser wenigen Quellen, die ihn in einem inhaltlichen Zusammenhang oder zeitlicher Nähe zur Kaiserkrönung erwähnen, nicht sicher zu beurteilen. Sein Einfluß auf sie wird weder in dem Prozeß gegen die Römer vom 31. März noch in den anderen drei an diesem Tag erlassenen Prozessen, in denen Marsilius nicht einmal erwähnt wird, ausdrücklich behauptet. Dieses Schweigen könnte jedoch damit erklärt werden, daß die Kenntnisse der Kurie über Marsilius’ Vorstellungen zum Kaisertum zu diesem Zeitpunkt gering gewesen sind. In Licet iuxta doctrinam bezieht sich keiner der fünf verurteilten Artikel auf das Kaisertum oder die Kaiserkrönung. Die Kurie hätte vermutlich – von ihrem Kenntnisstand ausgehend – auch keinen Zusammenhang zwischen Marsilius’ theoretischem Standpunkt und der Gestaltung von Ludwigs Kaiserkrönung erkennen können. Wie weiter unten gezeigt werden wird, stellt sich dieser Zusammenhang für die Kurie bei dem Absetzungsurteil gegen Johannes XXII. und der Wahl und Einsetzung des Gegenpapstes sehr viel deutlicher dar. Vor diesem Hintergrund gewinnen die knappen, aber nachdrücklichen Äußerungen in dem Prozeß vom 31. März über das Verhältnis der Römer zu Marsilius und Johannes von Jandun möglicherweise an Gewicht. Es ist nicht auszuschließen, daß sich die in der Quelle berichtete politische Agitation des Marsilius auf die Berechtigung Ludwigs zur Kaiserkrönung in dieser Form bezog, auch wenn die genaue inhaltliche Dimension der Kurie nicht bekannt war. Die Aussage der Quelle, daß die Römer die Reden von Marsilius und Johannes von Jandun nicht nur anhörten, sondern ihnen auch Folge leisteten, könnte auch so zu verstehen sein, daß Marsilius seine Vorstellungen von der Ausgestaltung der Kaiserkrönung den Römern vermittelt hat und damit ihre Zustimmung und ihre Bereitschaft zur Mitwirkung erreicht hat. Vor dem Hintergrund der mangelnden Kenntnisse der Kurie über Marsilius’ Anschauungen konnte die Aussage dieser Quelle kaum deutlicher ausfallen.
1048 Compendium maius, ed. Scholz, 1914, S. 184 – 185: »Dudum volentes etc. expresse patet, compassive relatis, ipsum B. tam propter dictorum regni et imperii asscripcionem et amministracionem temerarias, quam propter Mediolanensis et Ferrariensis defensionem notoriam et fautoriam familiarem dictique sui libelli erronei sigillacionem ac sceleratorum Marsilii et Iohannis prefatorum libro heretico adhesionem«.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
5.12 Zusammenfassung In der Forschung ist die Annahme vorherrschend, daß vor allem Marsilius von Padua der geistige Urheber der Form von Ludwigs Kaiserkrönung war.1049 Der Einfluß des Marsilius, so meinte man, soll sich vor allem darin gezeigt haben, daß die Römer Ludwig dem Bayern das Kaisertum durch eine Wahl1050 oder durch die Kaiserkrönung1051 selbst übertragen haben. Erst in jüngster Zeit wurden Zweifel am Einfluß des Marsilius geäußert.1052 1049 Riezler, Widersacher, 1874, S. 49 – 50. – Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 180. – Tesdorpf, Römerzug, 1885, S. 43. – Lindner, Deutsche Geschichte, Bd. 1, 1890, S. 372. – Segall, »Defensor pacis«, 1959, S. 34 – 35: »Als der Paduaner auf Grund seines Traktats den Auftrag erhielt, bei der Krönung Ludwigs des Bayern zum römischen Kaiser und bei der Wahl eines neuen Papstes (1328) den Kern seiner Ideen zu verwirklichen, da geschah dies sicherlich nicht, um einem phantasievollen Gelehrten die Möglichkeit eines gewagten politischen Experiments zu verschaffen, sondern deswegen, weil man sich von dem Verfasser einer so hochaktuellen Abhandlung, wie sie der ›Defensor pacis‹ darstellte, ein zeitgemäßes, erfolgreiches Handeln versprach.« 1050 Dempf, Sacrum Imperium, 1929, 41973, S. 431: »Diese Ethopoiie des Weltweisen, der seit 1313 Magister in Paris ist und zusammen mit seinem Freund und Kollegen Johannes von Jandun 1324 die große Kampfschrift gegen das Papsttum verfaßt, 1326 zusammen mit Jandun an den Hof Ludwigs des Bayern flüchtet, sich in dem schwachen Kaiser das Werkzeug seiner Verwirklichung seiner Ideen kreiert und in Rom antikische Wahlfeierlichkeiten inszeniert, ist eins der tollsten Versteckspiele der Geistesgeschichte.« – Grundmann, Wahlkönigtum, 1970, S. 528: »Doch konnte die These [des Marsilius], daß auch das Kaisertum wie alle Staatsgewalt nur auf den Volkswillen zu begründen sei durch die Wahl der Römer, für eine papstlose Kaiserkrönung brauchbar sein.« 1051 Moeller, Ludwig der Bayer, 1914, S. 56: »Ludwig ging über alles Herkommen hinaus, als er sich von den Vertretern des römischen Volkes die Kaiserkrone aufs Haupt setzen ließ. Ohne Zweifel stand die kühne Tat unter dem Einfluß des Marsilius von Padua, der im Defensor pacis, von Aristoteles ausgehend, die Lehre von der Volkssouveränität mit Schwung und Leidenschaft vorgetragen hat.« – Bornhak, Anschauungen, 1933, S. 16: »Unter dem Einfluß dieser Lehren [des Defensor pacis] hatte Ludwig die Kaiserkrone aus den Händen des römischen Volkes entgegengenommen«. – Quillet, La philosophie, 1970, S. 13: »En effet, Louis de BaviHre voulut se faire d8cerner la dignit8 imp8riale – conform8ment aux thHses marsiliennes developp8es dans le Defensor pacis – par une d8l8gation du peuple romain: ce qui eut lieu effectivement le 17 janvier 1328 / Rome.« – Joachim Leuschner, Deutsche Geschichte, Bd. 3: Deutschland im späten Mittelalter, 2., durchgesehene und bibliographisch ergänzte Auflage, Göttingen 1975, S. 151: »Die praktische Konsequenz [der Theorie des Marsilius’] ist leicht zu sehen. Der Staat ist die oberste Lebensform, der Kaiser Weltherrscher kraft des souveränen römischen Volkes, das Volk von Rom Weltvolk. Aus seiner Souveränität und aus nichts sonst leitet sich das Amt des Kaisers ab. Es war daher folgerichtig im Sinne des Marsilius, daß König Ludwig IV. die Kaiserkrone aus der Hand des römischen Volkes entgegennahm, das – man möchte nun sagen: nicht zufällig – durch Sciarra Colonna repräsentiert war, den Teilnehmer an dem Attentat von Anagni.« – Pauler, Könige, 1997, S. 164, sieht die »Volkskrönung als Verwirklichung der Ideen des Marsilius und der stadtrömischen Bewegung«. 1052 Jürgen Miethke und Arnold Bühler, Kaiser und Papst im Konflikt. Zum Verhältnis von Staat und Kirche im späten Mittelalter (Historisches Seminar, Bd. 8), Düsseldorf 1988,
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Zusammenfassung
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Die Untersuchung des Hergangs bei Ludwigs Kaiserkrönung hat dazu geführt, daß einige in der Forschung bisher vertretene Interpretationen zurückgewiesen werden müssen. Zunächst ist klargeworden, daß nicht allein die Römer Ludwig zum Kaiser gekrönt haben, und auch, daß nicht allein die beteiligten Bischöfe, wie in jüngster Zeit vermehrt angenommen, die Krönung vollzogen haben. Jede Interpretation der Kaiserkrönung muß darauf gegründet sein, daß einerseits vier adlige Repräsentanten des römischen Volkes die Krönung im engeren Sinn vollzogen, und daß andererseits drei Bischöfe diejenigen Handlungen durchgeführt haben, die den Ordines gemäß die suburbikarischen Kardinalbischöfe von Ostia, Albano und Porto vorgenommen hätten. Dabei hat unter den laikalen Koronatoren der Stadtpräfekt eine führende Rolle gespielt. Unter den drei konsekrierenden Bischöfen trat Giacomo Alberti aus Prato hervor, indem er auch die Salbung an Ludwig vorgenommen hat. Dieser hat zudem, anstelle des Papstes, die Krönungsmesse zelebriert. Die Krönungshandlungen fanden im Rahmen der Messe in der Peterskirche statt und folgten, soweit es ohne Papst möglich war, dem im 14. Jahrhundert verwendeten Krönungsordo. Es ist nicht feststellbar, daß die Römer Ludwig gegenüber die Auffassung vertreten hätten, sie selbst könnten das Kaisertum vergeben, noch wurde von Ludwig das stadtrömische Volk als Quelle des Kaisertums anerkannt oder zu seiner Legitimierung herangezogen. Die gelegentlich vertretene Vermutung, daß die Römer im Jahr 1328 an Ludwig aus eigenem Recht das Kaisertum vergeben haben und es sich daher um eine »stadtrömische« Kaiserkrönung gehandelt habe, wird zudem von dem führenden Vertreter der stadtrömischen Kaiseridee im weiteren Verlauf des 14. Jahrhunderts nicht geteilt. Cola di Rienzo fordert 1347 sowohl Ludwig als auch Karl IV. auf, nach Rom zu kommen, um sich vom römischen Volk ihr Kaisertum bestätigen zu lassen.1053 Der wichtigste Vertreter von stadtrömisch-imperialen Vorstellungen erkannte Ludwigs Kaiserkrönung also keineswegs an. Im Sinne Cola di Rienzos, der selbst als Kind wohl Zeuge S. 42: »Solche ›stadtrömische‹ Kaiserwürde war unerhört, wenn auch aus geradezu wortklauberischer Achtung aus dem Titel erklärlich. Wir kennen die Berater nicht, die für den Schritt mitverantwortlich waren, der Ludwigs Verhältnis zum Papst schwer, ja wie sich zeigen sollte, unheilbar belasten mußte. An ghibellinisch-römischrechtliche Traditionen und an Marsilius von Padua und Johannes von Jandun hat man als Architekten dieses Coups gedacht, doch läßt sich das im einzelnen nicht überprüfen.« – Thomas, Ludwig der Bayer, 1993, S. 200: »Des öfteren wird Marsilius von Padua auch als derjenige genannt, der in maßgeblicher Weise das Zeremoniell jener Krönung, vor allem die konstitutive Mitwirkung des römischen Volkes und seiner Vertreter entworfen habe. Im Defensor pacis lassen sich dazu freilich keinerlei Regieanweisungen erkennen. Im Gegenteil: Das Volk von Rom spielt im Defensor pacis nur eine ganz periphere Rolle.« – Becker, Kaisertum, 2002, S. 122: »[…] das Zeremoniell der Kaiserkrönung folgt aber, wenn man die Chronisten richtig interpretiert, nicht den Lehren des Defensor pacis.« Ähnlich, ebenda, S. 133: »Es ist auffallend, daß der Ablauf der Kaiserkrönung keineswegs dem entspricht, was man nach den Lehren eines Marsilius hätte erwarten können.« 1053 Pauler, Könige, 1997, S. 184, vgl. dazu auch Anm. 39 (auf Seite 270).
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Der Romzug Ludwigs des Bayern I: Auf dem Weg zur Kaiserkrönung
dieser Kaiserkrönung gewesen war, handelte es sich nicht um eine »Volkskrönung«, wie er sie sich vorstellte. Ludwig gründete sein Recht auf das Kaisertum allein auf die Wahl durch die Kurfürsten. Die Ausübung der kaiserlichen Gewalt, die administratio imperii, war seiner Auffassung zufolge die unmittelbare Folge dieser Wahl, nicht jedoch der Titel eines Kaisers, den er nur durch die Kaiserkrönung erlangen konnte. Mit seiner Krönung in Rom ohne Papst demonstrierte er, daß sich auch die Kaiserwürde nicht auf den Papst gründete, nicht vom Papst legitimiert wurde. Nicht die Kaiserkrönung berechtigte Ludwig zum Kaisertum, sondern er als gewählter Kaiser war berechtigt, sich krönen zu lassen. Ludwig kann – genauso wie Marsilius – dem römischen Volk keinen Einfluß auf die Kaisererhebung zugestanden haben. Es mußte ihm auch darum gehen, das Recht der Deutschen auf das Kaisertum zu bekräftigen; dies war wohl eines der wesentlichen Motive für den Romzug überhaupt. Eine konstitutive Mitwirkung der Römer bei Kaiserkrönungen hätte sich in der Zukunft auch gegen die Deutschen und für die vom Papsttum unterstützten Franzosen oder Neapolitaner auswirken können. Marsilius’ Einfluß auf die Kaiserkrönung läßt sich nicht an den Einzelheiten der Krönung direkt ablesen, sondern nur an den zugrundeliegenden Prinzipien. Marsilius hat die Option einer Kaiserkrönung ohne Papst vorgetragen. Derjenige oder diejenigen, die anstelle des Papstes eine Kaiserkrönung vollziehen, sind aber genausowenig eine Instanz, die das Kaisertum vergeben, wie es der Papst sein wollte, wenn er selbst die Kaiserkrönung vollzieht. Daher können auch die bei der Kaiserkrönung Ludwigs des Bayern beteiligten Römer nach Marsilius keine konstitutive Funktion besitzen. Marsilius’ Position, daß der princeps Romanus ein Recht auf die Kaiserkrönung besitzt, wird auch daran deutlich, daß die herkömmlichen Zeremonien beibehalten wurden. Das eigene Recht sollte ausgeübt werden, nicht etwas Neues an dessen Stelle gesetzt werden. Allerdings findet sich bei Marsilius keine Aussage, nach der Vertreter der Stadt Rom bei der Kaiserkrönung, oder überhaupt Laien bei Krönungen, beteiligt werden sollen. Lediglich läßt sich sagen, daß die Beteiligung der Römer nicht im ausdrücklichen Widerspruch zu Marsilius’ Aussagen steht. Sowohl für Marsilius als auch für Ludwig konnte die Beteiligung der Römer möglicherweise die Bedeutung haben, daß dabei im allgemeinen demonstriert wurde, daß das Kaisertum nicht einen kirchlichen Ursprung hat, und im besonderen konnte damit an den historischen Ursprung des Kaisertums erinnert werden. Für Ludwig und die Römer gab es zudem andere, politisch-praktische Motive. Ludwig konnte sich durch das Anerbieten dieser ehrenvollen Mitwirkung nicht nur der Kooperation der Römer versichern, sondern sie auch gegen Papst Johannes XXII. an sich binden. Und die ghibellinische Faktion der Römer konnte ihre neu gewonnene Herrschaft durch die Anwesenheit Ludwigs stabilisieren.
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Zusammenfassung
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Gegen die in der Forschung geläufigen Begrifflichkeiten wie »Volkskrönung« oder »stadtrömische Kaiserkrönung« scheint es besser, von einer autonomen Kaiserkrönung zu sprechen. Diese Kaiserkrönung war nicht nur aus praktischpolitischen Sachzwängen in dieser Form vollzogen worden, sondern um die Unabhängigkeit vom Papst und auch von anderen Instanzen zu demonstrieren. Marsilius’ Theorie ist wahrscheinlich ein wichtiger Impuls für die Kaiserkrönung ohne Papst gewesen. Auch die Form der autonomen Kaiserkrönung, die die Unabhängigkeit des von den Kurfürsten gewählten Kaisers demonstrierte, entsprach den Zielen seiner politischen Theorie. Daß das Volk von Rom bei der Kaiserkrönung keine neue Bedeutung als Quelle des Kaisertums erlangte, war auch die theoretische Position des Marsilius. Zusammenfassend kann man die wichtigsten politischen Grundsätze, die bei Ludwigs Kaiserkrönung erkennbar werden, als kongruent mit Marsilius’ Theorie ansehen. Das war in dieser Allgemeinheit auch das Ergebnis der älteren Forschung, allerdings beruhte deren Überzeugung auf zwei falschen Voraussetzungen: Erstens fußte sie darauf, daß Marsilius eine Volkssouveränitätstheorie vertrete, die dem römischen Volk, nämlich den Bewohnern der Stadt Rom, das Recht auf Wahl des Kaisers oder auf Vergabe des Kaisertums einräume. Zweitens beruhte sie darauf, daß bei Ludwigs Kaiserkrönung die Bewohner Roms Ludwig zum Kaiser gewählt oder ihm das Kaisertum übertragen haben. Diese beiden grundlegenden Annahmen großer Teile der älteren Forschung konnten anhand der Untersuchung von Marsilius politischer Theorie einerseits und der Quellen zu Ludwigs Kaiserkrönung andererseits widerlegt werden. Erkennbar sind aber auch die Unterschiede zwischen Marsilius’ Kaisertheorie und Ludwigs Auffassung vom Kaisertum. Ludwig erhebt – wenigstens rhetorisch – den Anspruch auf Überordnung über andere Herrscher, indem er die Idee des universalen Kaisertums in Gloriosus Deus zumindest andeutet. Aber praktisch fordert er diesen Anspruch nicht ein, anders als sein Vorgänger Heinrich VII., der dies in den Krönungsmitteilungen gegenüber den anderen christlichen Herrschern getan hat. Marsilius lehnt die Idee des kaiserlichen Universalismus ausdrücklich ab. Zudem betonte Ludwig in traditioneller Weise den göttlichen Ursprung des Kaisertums als Institution, der in Marsilius’ Theorie nur entfernt eine Rolle spielt. Marsilius konnte wohl seine Grundsätze hinsichtlich der Kaiserkrönung, die in der gegebenen politischen Situation vielleicht allein die Rechte des Kaisers bewahren konnten, im politischen Handeln Ludwigs zur Geltung bringen. Seine politische Theorie, die dieses Kaisertum begründete, konnte dagegen nicht in diesem Umfang auf Akzeptanz bei Kaiser und Zeitgenossen treffen.
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6 Der Romzug Ludwigs des Bayern II: Kaiser und Kirche
6.1
Marsilius als vicarius in spiritualibus von Rom?
Das Mandat Johannes’ XXII. an seinen Kardinallegaten Johannes von San Teodoro vom 15. April 1328, in dem die Gefangennahme von Marsilius und Johannes von Jandun in Rom befohlen wird,1054 enthält Anschuldigungen gegen Marsilius, die im besonderen Maße Aufschluß über seine Rolle in Rom geben. Dem Papst sei zu Gehör gekommen sei, heißt es dort, daß »[…] der besagte Marsilius sich nicht scheut, unter dem Vorwand der Statthaltung (pretextu vicariatus), die er sich dort, von dem genannten Ludwig übertragen, anmaßt, ebensosehr gegen die Kleriker, weil sie das Interdikt nicht verletzen wollten, dem die vorgenannte Stadt wegen der Anwesenheit des besagten Ludwigs durch den Beschluß unserer Prozesse bekanntlich unterworfen ist, wie deren Verwandte zu Unserem Zorn auf ungeheuerliche Weise vorzugehen.«1055
Dieser Vorwurf bezieht sich nicht mehr gemeinsam auf die beiden vermeintlichen Autoren des Defensor pacis, sondern ausdrücklich allein auf Marsilius von Padua. Allerdings wird in diesem päpstlichen Schreiben nicht ganz klar, was genau Marsilius in Rom von Ludwig übertragen bekommen hat. Worauf sich der Terminus vicariatus bezieht, der hier mit möglichst geringer semantischer Verengung als Statthaltung wiedergegeben wird,1056 bleibt unklar. Von der gesamten Forschung wird diese Quelle jedoch so verstanden, daß Marsilius von Ludwig irgendeine Art Vikariatsamt übertragen wurde. Vor allem eine Deutung dominiert: Marsilius sei von Ludwig in Rom zu einem vicarius in spiritualibus 1054 Vgl. oben S. 301 f. 1055 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 439, S. 363, Z. 18 – 22: »[…] dictusque Marcilius pretextu vicariatus, quem ibidem sibi per dictum Ludovicum commissum asserit, tam contra clericos, quia nolunt interdictum, cui propter dicti Ludovici presentiam subiacere processuum nostrorum auctoritate Urbs predicta noscitur, violare quam eorum cognatos et affines in nostram offensam procedere inmaniter non veretur.« 1056 Diefenbach, Glossarium Latino-Germanico mediae et infimae aetatis, 1857, s. v. vicariatus.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern II: Kaiser und Kirche
ernannt worden. Dieser konkrete Amtstitel hat Eingang in viele Studien1057 und einschlägige Lexikonartikel1058 gefunden. Daneben gibt es in der Literatur eine Reihe von Varianten. Der Urheber für die Zuweisung dieses Titels an Marsilius ist wohl Gregorovius, der ihn 1867 erstmals als »geistlichen Vikar« bezeichnet hat.1059 Darauf folgte »spiritual vicar of the city«,1060 »Vikar in geistlichen Dingen«1061 oder »Vikariat in spiritualibus [sic!]«.1062 In der älteren Forschung wurde auch angegeben, Marsilius sei von Ludwig zum »päpstlichen Vikar für Rom«1063, »päpstlichen Vicar von Rom«1064 oder »Vikar Nikolaus’ V.«1065 ernannt worden. Keiner dieser verschiedenen Vikarstitel ist jedoch in der Quelle zu finden oder ohne weiteres aus ihr abzuleiten. Es hat in der Forschung auch keine explizierende Auseinandersetzung mit dem Begriff vicariatus und seinen Deutungsmöglichkeiten gegeben, vielmehr haben nur bemerkenswert wenige Autoren in der Geschichte der Marsiliusforschung die vermeintliche Quelle überhaupt angegeben.1066 Wie ist nun zu erklären, daß Marsilius in der Forschung als »vicarius in spiritualibus« oder »päpstlicher Vikar« erscheint? Die ältere Forschung hat den Abdruck dieses päpstlichen Mandats in dem 1652 herausgegebenen einschlägigen Band der Annales ecclesiastici des Odorico Rinaldi benutzt. Dort steht als kommentierende Einleitung zum Abdruck des Quellenstücks Rinaldis eigene Interpretation: »Marsilius nahm frevlerisch von Ludwig dem Bayern, wie wenn ihm die Sorge für die Sakramente und deren Verwaltung zustünde, das Amt des päpstlichen Vikars an, das der Bischof von Viterbo innegehabt hatte.«1067
1057 Zuerst von Haller, Lebensgeschichte, 1929, S. 179; dann von Bock, Reichsidee, 1943, S. 259; Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 36; Berg, Italienzug, 1987, S. 173, und Miethke, Politische Theorien, 1991, S. 113; de Boer, Ludwig the Bavarian, 1995, S. 237. 1058 Etwa bei Miethke, Art. Marsilius von Padua, in: TRE, Bd. 22 (1992), S. 184; ders., Art. Marsilius von Padua, in: LexMA, Bd. 6 (1993), Sp. 332. 1059 Gregorovius, Geschichte, Bd. 6, 1867, S. 152. 1060 Brampton, Marsiglio of Padua, 1922, S. 511; Gewirth, Marsilius of Padua, Bd. 1, 1951, S. 22. 1061 Pauler, Könige, 1997, S. 158. 1062 Chroust, Romfahrt, 1887, S. 133. 1063 Riezler, Widersacher, 1874, S. 53. 1064 Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 201. 1065 Altmann, Römerzug, 1886, S. 106. 1066 Es sind – soweit ich sehe – allein: Riezler, Widersacher, 1874, S. 53, Anm. 2; Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 201, Anm. 6; Altmann, Römerzug, 1886, S. 83, Anm. 4; Chroust, Romfahrt, 1887, S. 133, Anm. 2; Valois, Jean de Jandun, 1906, S. 595, Anm. 4; Hauck, Kirchengeschichte, Bd. 5/1, 1911, S. 511, Anm. 3; Brampton, Marsiglio of Padua, 1922, S. 511, Anm. 1; Pauler, Könige, 1997, S. 158, Anm. 206. 1067 Rinaldi, ad a. 1328, § 9, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 341a: »[…] Marsilius / Ludovico Bavaro, quasi ad eum sacrorum cura et administratio spectaret, pontificii vicarii munus, cui praeerat Viterbiensis episcopus, scelere acceperat.«
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Marsilius als vicarius in spiritualibus von Rom?
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Der Bischof von Viterbo war Angelo Tignosi, der von 1325 bis 1334 das Amt des vicarius in spiritualibus in Urbe ausübte,1068 ein Amt, das in der Avignonesischen Zeit der Päpste besonders wichtig war, weil sein Inhaber alle geistlichen Funktionen des Bischofs von Rom stellvertretend ausübte.1069 Rinaldis Interpretation kann jedoch weder mit dem Wortlaut noch mit dem Inhalt des päpstlichen Mandats begründet werden. Marsilius von Padua war nicht »päpstlicher Vikar«. Zur Überzeugung der Forschung, daß Marsilius die Amtsbezeichnung eines vicarius in spiritualibus geführt habe, war noch ein weiterer Schritt nötig. Einzelne Forscher haben vermutlich Rinaldis irreführenden Verweis auf den Bischof von Viterbo mit der anderweitig verfügbaren Information, daß dieser vicarius in spiritualibus war, verbunden, und so Marsilius zum Inhaber dieses päpstlichen Kirchenamtes erklärt. Auch gibt es keine Hinweise darauf, daß Marsilius die Aufgaben übernommen hätte, die einem vicarius in spiritualibus oblagen. Als Vertreter des Bischofs von Rom im Hinblick auf dessen seelsorgerische Aufgaben hätte Marsilius Messen lesen und Sakramente spenden müssen, als Bischof im besonderen Firmungen und Priesterweihen. Rinaldis nennt dies auch ausdrücklich als die Aufgaben des Amtsinhabers. Aber weder das päpstliche Mandat selbst noch eine andere Quelle geben dafür auch nur einen Anhaltspunkt. Ein Beleg dafür, daß Marsilius die für dieses Amt notwendige Bischofsweihe empfangen hätte, existiert ebenfalls nicht. Seit den Forschungen Cadilis wissen wir, daß auch die Charakteristika von Marsilius’ Ämtern in Mailand darauf hindeuten, daß Marsilius die Bischofsweihe nicht besaß. Von hervorzuhebender Bedeutung ist dabei, daß Marsilius zwar mehrere Ämter in Mailand besaß, aber gerade nicht das eines administrator in spiritualibus, das sein unmittelbarer Nachfolger, Giovanni Visconti, sehr wohl ausübte. Die Tatsache, daß Marsilius trotz der umfangreichen Ermächtigungen durch König Ludwig schon in Mailand nicht für die Spiritualien zuständig war, kann die Skepsis gegenüber einer derartigen Amtsübertragung in Rom nur bestärken. Gegen die Annahme, Marsilius habe das päpstliche Amt eines vicarius in spiritualibus von Ludwig übertragen bekommen, spricht auch, daß kaum ein politischer Zweck plausibel damit zu verbinden wäre. Es soll sich ja nicht, wie 1068 Konrad Eubel, Series Vicariorum Urbis a. 1200 – 1558, in: RQ 8 (1894), S. 493 – 499, hier S. 496; vgl. auch oben S. 302 f. das Schreiben Papst Johannes’ XXII. an Angelo, seinen vicarius in spiritualibus, vom 27. Februar 1328. 1069 Zum Amt des Vicarius in spiritualibus in Urbe vgl. Hinschius, Kirchenrecht, Bd. 1: System, 1869, S. 485 – 491 (auch mit der Entwicklung in der Neuzeit); Eubel, Series, 1894, S. 493 – 494; Boüard, R8gime, 1920, bes. S. 70 – 73; Plöchl, Geschichte, Bd. 2, 21962, S. 86 – 87. Dieses Amt wird nicht erwähnt bei Marie-Luise Heckmann, Art. Vikar, -iat, in: LexMA, Bd. 8 (1997), Sp. 1662 – 1664, und auch nicht bei Angela Pabst, Art. Vicarius, in: LexMA, Bd. 8 (1997), Sp. 1617.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern II: Kaiser und Kirche
zuvor in Mailand, um das Amt eines Administrators, eines Verwesers eines vakanten Bistums, gehandelt haben, sondern um das eines Vikars, eines Stellvertreters. Die Annahme, Marsilius sei Vikar in Rom gewesen, muß voraussetzen, daß der von Marsilius vertretene Bischof noch unangefochten im Amt verbleiben sollte. Ludwig hätte also Marsilius zum liturgischen und seelsorgerischen Stellvertreter Papst Johannes’ XXII. eingesetzt. Zur Zeit der Ausstellung des päpstlichen Mandats war die Absetzungserklärung gegen Johannes XXII. nicht ausgesprochen, aber Ludwig wird kaum ein Motiv gehabt haben, die Amtsausübung Johannes’ XXII. mit der Ernennung eines so bezeichneten Stellvertreters anzuerkennen und zu bekräftigen. Was hätte der politische Zweck sein können? Hätte Marsilius das Amt eines päpstlichen Vikars von Rom, der die geistlichen Handlungen des römischen Bischofs, der in Avignon residierte, solange ausüben sollen, bis ein Gegenpapst erhoben worden wäre? Keine Quelle gibt dafür einen Anhaltspunkt. Dabei hätte Papst Johannes XXII. diese Anmaßung sicher nicht unverurteilt gelassen. Was Rinaldi 1652 empört formulierte, hätte in ganz ähnlicher Weise Bestandteil zahlreicher päpstlicher Prozesse gegen Ludwig und Marsilius und wohl auch gegen die Römer sein müssen. Aber auch textimmanent und sprachlich kann der im päpstlichen Mandat angeführte vicariatus nicht auf eine Stellvertreterschaft gegenüber dem Autor des Mandats bezogen werden. Wenn Johannes XXII. schreibt, daß Marsilius von Ludwig einen vicariatus erhalten habe, dann kann damit doch nur eine Stellvertretung Ludwigs gemeint sein. Hätte Johannes XXII. über ein Amt schreiben wollen, mit dem ein anderer unautorisiert seine eigenen Rechte ausüben wollte, dann hätte er selbst das kaum mit dem Wort vicariatus ausgedrückt. Wie wenig plausibel es wäre, wenn Ludwig Marsilius eine kirchenamtliche Stellvertretung des gemeinsamen Gegners übertragen hätte, muß auch Altmann bereits gedacht haben. Er versucht, eine plausiblere Lösung zu finden, indem er Marsilius zwar ebenfalls als päpstlichen Vikar ansah, ihn aber dem Gegenpapst zuordnete.1070 Das päpstliche Mandat ist jedoch lange vor der Erhebung Nikolaus V., dessen Vikar Marsilius hätte sein sollen, ausgestellt worden. Es gibt also keinen Quellenbeleg dafür und darüber hinaus sachliche Gründe gegen die Annahme, daß Kaiser Ludwig Marsilius das Amt eines vicarius in spiritualibus, eines päpstlichen Vikars, sei es für Johannes XXII. oder für Nikolaus V., übertragen hätte. Eine alternative Deutung ist in der Forschung dabei durchaus erwogen worden. Bereits Valois nimmt an, daß Marsilius das Amt eines weltlichen Vikars, und zwar eines »vicaire imp8rial«, übertragen wurde,1071 worin ihm Battaglia
1070 Altmann, Römerzug, 1886, S. 106. 1071 Valois, Jean de Jandun, 1906, S. 595: Marsilius sei »[i]nvesti du titre de vicaire imp8rial«.
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Marsilius als vicarius in spiritualibus von Rom?
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gefolgt ist.1072 Auch Hauck und Otto rücken davon ab, Marsilius’ Amt als geistlich zu charakterisieren und nennen ihn vorsichtiger Ludwigs »Vikar der Stadt«.1073 In jüngerer Zeit bezeichnen Berg und Thomas Marsilius mit dem Titel »kaiserlicher Vikar«.1074 Dieser Gegensatz zur Mehrheit der Forschung ist von den Autoren jedoch nicht diskutiert worden. Aber auch gegen diese Interpretation spricht ihre mangelnde Plausibilität und fehlende Abstützung durch andere Quellen. Zum einen führt keiner der Autoren aus, was unter einem kaiserlichen Vikar von Rom zu verstehen ist. Es könnte damit ein Reichsvikar gemeint sein, wie sie Ludwig in Norditalien eingesetzt hat. Aber es ist nicht ganz einsichtig, zu welchem Zweck Ludwig dieses Amt während seiner eigenen Anwesenheit in Rom hätte besetzen sollen. Hätte Marsilius, in der Konsequenz dieser Annahme, nach dem Abzug des Kaisers in Rom zurückbleiben sollen? Das tat er nicht. Ein grundsätzliches Problem wäre auch die mangelnde eigene Machtbasis von Marsilius in Rom. Ein mächtiger Bundesgenosse Ludwigs wäre für das Amt eines Reichvikars viel eher in Frage gekommen, etwa Castruccio Castracane oder noch eher Sciarra Colonna. Auch bleibt unklar, wie sich die in dem päpstlichen Mandat bezeugte Disziplinierung von römischen Klerikern aus dem Amt eines Reichsvikars erklären soll. Zum anderen spricht das Schweigen anderer Quellen gegen eine Ernennung von dieser Tragweite. Gerade Papst Johannes XXII., der in der Konstitution Si fratrum von 1317 das alleinige Recht für sich beansprucht hatte, wegen der Vakanz des Kaiserthrons Reichsvikare in Italien zu ernennen,1075 hätte Marsilius’ Ernennung weder in diesem Mandat selbst noch in weiteren Verurteilungen unerwähnt gelassen, zumal damit in seine eigenen Rechte als Stadtherr von Rom eingegriffen worden wäre. Nach Würdigung der Forschungsmeinungen und der Forschungsgeschichte erscheint es sinnvoll, den Quellenterminus vicariatus neu zu deuten. Das Wort vicariatus bezieht sich in diesem Mandat nicht auf ein Amt, sondern bedeutet hier viel allgemeiner eine Stellvertretung im Sinne einer Bevollmächtigung oder Autorisierung, die vielleicht am besten mit »Statthaltung« zu übersetzen ist. Damit erhält auch das vorangestellte pretextu (»unter dem Vorwand«) erst einen Sinn, das bezogen auf die von der Forschung implizierte Übersetzung »des Amts eines Vikars« kaum verständlich wäre.1076 Diese Deutung hat durch Cadilis Quellenfund in Mailand eine Bestärkung erfahren. In der Gerichtsakte vom 30. Januar 1329 werden die Bezeichnungen der Ämter, die Marsilius in Mailand 1072 Battaglia, Marsilio da Padova, 1928, S. 191: »vicario imperiale in Roma«. 1073 Hauck, Kirchengeschichte, Bd. 5/1, 1911, S. 511; Otto, Politik, 1911, S. 168. 1074 Berg, Italienzug, 1987, S. 170, der an anderer Stelle (S. 173, s. o.) aber auch vom vicarius in spiritualibus spricht; Thomas, Ludwig der Bayer, 1993, S. 209. 1075 Vgl. oben S. 18. 1076 So bereits Godthardt, Philosopher, 2006, S. 42.
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von Ludwig erhalten hatte, mit dem Zusatz pro regia maiestate, in Statthaltung der königlichen Gewalt, versehen. Ganz ähnlich, so meine ich, könnte man den Terminus vicariatus verstehen, den Johannes XXII. verwendete, um den Umstand der Ableitung von Marsilius’ Aufgaben aus Ludwigs Regierungsgewalt zu benennen. Es ist nicht bekannt, welche Ämter Marsilius in Rom ausübte oder ob er überhaupt Ämter besaß. Möglicherweise hat Marsilius auch in Rom als iudex clericorum fungiert. Da Marsilius diese dem Kirchenrecht nach autonome geistliche Gewalt der politischen Gemeinschaft zugewiesen hat, deren Regierung die Gewalt für diese Gerichtsbarkeit übertragen muß, hat Johannes XXII. mit dem Begriff der Statthaltung möglicherweise auch diese weltliche Anmaßung angreifen wollen. Auch das Marsilius vorgeworfene Vorgehen, die papsttreuen römischen Kleriker zur Übertretung des päpstlichen Interdikts zu zwingen, ist ganz im Sinne von Marsilius’ eigener Theorie. Das Recht, Geistliche zur Ausübung ihres Amtes zu zwingen, hat Marsilius selbst im Defensor pacis dem menschlichen Gesetzgeber oder dem durch ihn ermächtigten Herrscher zugesprochen,1077 für den Marsilius stellvertretend handelte. Marsilius war an diesem politischen Handeln des Kaisers also in umfassender Weise beteiligt: Er stellte nicht nur die Legitimation für die Disziplinierung der papsttreuen Geistlichen bereit, sondern führte diese Disziplinierungsmaßnahmen auch selbst durch. Er selbst setzte damit seine Theorie in die Praxis um. Die weitere Darstellung in dem Mandat des Papstes gibt ein Bild von Marsilius, das in der Forschung kaum thematisiert wurde. Wenn es stimmt, daß Marsilius nicht nur gegen die Geistlichen selbst, die sich an das Interdikt halten wollten, gewaltsam vorging, sondern auch gegen deren nähere und weitere Verwandte, dann entsteht der Eindruck eines Mannes, der seine Macht auch rücksichtslos gebraucht. In der älteren Forschung ist Marsilius mit dem Bericht des Ägidius von Viterbo aus dem 16. Jahrhundert, der jedoch auf einer älteren Quelle beruht, in Verbindung gebracht worden. Es wird berichtet, daß ein Augustinereremit, der sich weigerte, Gottesdienst zu halten, als Ludwig der Bayer in Rom war, dem Volk zum Schauspiel an einen Balken gebunden, den unter dem Kapitol gehaltenen Löwen ausgesetzt und so nahe an die Bestien herabgelassen worden sein, daß sie den Strick seiner Kutte zerrissen, ohne daß die Standhaftigkeit des Mönches erschüttert werden konnte.1078 1077 Vgl. oben S. 154. 1078 Ägidius von Viterbo, in: Höfler, Urkundliche Beiträge, 1839, S. 109: »Solis ordinis mei (S. Augustini heremitarum) patribus id recusantibus, captus est qui templo S. Triphonis nunc Augustini praeerat, trabi affixus leonibusque expositus. Mirum populo Romano spectaculum praebuit. Scripsit eam rem Romanus e Saxorum familia, qui tunc Romanae provinciae praefectus Ecclesiae, urbis et sacrarum rerum calamitatem ac fortunam indignissimam imploravit. Scribit sub capitolio locum fuisse, ubi leones ad Urbis ornamentum
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Marsilius als vicarius in spiritualibus von Rom?
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Das Mandat des Papstes schließt damit, daß Papst Johannes seinen Kardinallegaten anweist, das römische Volk aufzufordern, Marsilius und Jandunus gefangenzunehmen: »Wir aber wünschen, den Gefahren und Ärgernissen, die dem Glauben und den Gläubigen aus dem vorausgeschicktem wahrscheinlich entstehen, heilend entgegenzutreten. Wir verordnen und befehlen deinem Urteil gemäß durch apostolische Schreiben, weil ja ein sicherer Zugang nach Rom, das durch die wütende und verdammte Gewaltherrschaft Ludwigs und seiner Komplizen in Besitz genommen wurde, gegenwärtig nicht zu Gebote steht, daß Du das römische Volk und die, die das Amt ihrer Rektoren und Leiter bekleiden, welchen Namen sie auch tragen mögen, durch Anschlag eines öffentlichen Edikts an öffentlichen Orten, an denen es gesehen wird und wohl erwartet werden kann, daß es zu ihrer Kenntnis gelangen könne, nachhaltig dazu aufforderst und veranlaßt, daß sie die Häretiker Marsilius und Johannes gefangennehmen und gefangenhalten, die der kirchlichen Disziplin zu unterwerfen sind, wie es das Recht vorschreibt, wenn sie dafür sorgen wollen, die Strafen zu vermeiden, die diejenigen treffen, die dieses nicht beachten.«1079
Der päpstliche Befehl hatte keinen Erfolg, so daß Papst Johannes noch einmal, am 21. Mai 1328, diesmal an den Laterankanoniker Giacomo Colonna, einen Sohn Stefano Colonnas, des guelfisch gesinnten Bruders von Sciarra Colonna, die Aufforderung richtete, für die Gefangennahme von Marsilius und Jandunus zu sorgen.1080 Giacomo Colonna hatte sich schon am 22. April 1328 für die Sache des Papstes in einer spektakulären Aktion verdient gemacht, als er die Prozesse gegen Ludwig in Rom an die Kirchentüren schlug. Dieser Vorfall war der Auslöser für das am folgenden Tag von Ludwig erlassene Kaisergesetz über die alerentur. Affixus hoc loco S. Triphonis praeses alta de trabe pendebat, ita librata trabe ut paulatim descenderet, donec leonibus proprior redderetur. Insiliebant praedae avidi leones, pendula vestis lacinias rapiebant. Quam hominis fortitudinem, virtutem, constantiam cum rescisset Pontifex, ordini meo nihil non concessit. Quippe qui Italia rebellante, deficiente urbe, desciscente clero unus Eremitarum ordo et in fide perstaret et Pontificia decreta Danielis more in ipsis leonum faucibus observaret.« Vgl. die Übersetzung von Riezler, Widersacher, 1874, S. 53, und seine Anm. 4. 1079 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 439, S. 363, Z. 22 – 31: »Nos autem periculis et scandalis, que fidei et fidelibus ex premissis proventura feruntur probabiliter, obviari [obviare?] salubriter cupientes discretioni tue per apostolica scripta precipimus et mandamus, quatinus cum ad Urbem predictam per scevam [sevam?] et dampnatam dicti Ludovici tyrannidem suorumque complicum occupatam tutus accessus ad presens non pateat, Romanum populum et eos, qui rectorum et gubernatorum ipsorum gerunt officium, quocunque nomine censeantur, per publici propositionem edicti in locis publicis, de quibus videbitur et sit verisimilis presumptio, quod ad eorum pervenire valeat notitiam, moneas efficaciter et inducas, ut ipsi predictos Marcilium et Iohannem hereticos capiant et tute custodiant subdendos, sicut iura precipiunt, ecclesiastice discipline, si penas vitare curaverint, quas incurrunt talium contemptores.« 1080 Bisher nur in Regestenform veröffentlicht bei Löher, Vatikanische Urkunden, 1881, Nr. 566, S. 245, und Preger/Reinkens, Verträge, 1883, Nr. 431, S. 155 (S. 257).
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Der Romzug Ludwigs des Bayern II: Kaiser und Kirche
Residenzpflicht des Papstes in Rom.1081 Der Text entspricht fast wörtlich dem Schreiben vom 15. April, neue Gesichtspunkte kommen nicht hinzu, obwohl in der Zwischenzeit Kaiser Ludwig Johannes XXII. für abgesetzt erklärt hatte, und Nikolaus V. als neuer Papst bereits eingesetzt worden war. Auch dieses Mandat führte nicht zur Gefangennahme von Marsilius und Johannes von Jandun.
6.2
Die Absetzungserklärung gegen Papst Johannes XXII.
6.2.1 Die drei Kaisergesetze vom 14. April 1328 Etwa drei Monate nach seiner Kaiserkrönung ohne Beteiligung und gegen den Willen Papst Johannes’ XXII. ging Kaiser Ludwig in Rom einen Schritt weiter in der Auseinandersetzung mit dem Papst. Ludwig bereitete die Absetzung des Papstes mit drei Kaisergesetzen vor. Allerdings unterschieden sich Ludwigs Gesetze in der Form durchaus von denjenigen Kaiser Friedrichs II. oder Kaiser Heinrichs VII., Ludwigs unmittelbarem Vorgänger. Es ist – im Unterschied zu diesen – kein absolutistisches Kaiserrecht, das Ludwigs Gesetzgebungsbefugnis begründet.1082 In der Form und im Inhalt dieser Kaisergesetze zeigt sich auch Ludwigs Auffassung vom Kaisertum. Giovanni Villani, der den umfassendsten Bericht auch über dieses Ereignis liefert, stellt die Verkündung der Gesetze durch Ludwig als einen Akt kaiserlicher Selbstdarstellung dar : »Von gewissen Gesetzen, die Ludwig von Bayern in Rom machte als ob er Kaiser wäre: Im Jahre Christi 1328, am 14. April, berief Ludwig von Bayern, der sich Kaiser und König der Römer nennen ließ, eine Versammlung auf den Platz vor St. Peter in Rom. An den Stufen, die zur Kirche führen, waren große Schaugerüste errichtet, und hier stand Ludwig hergerichtet wie ein Kaiser, begleitet von zahlreichen römischen Klerikern und Prälaten und Mönchen und anderen seines Anhangs, die ihm gefolgt waren, und vielen Rechtsgelehrten und Anwälten und ließ in Gegenwart des Volkes von Rom die folgenden neuen Gesetze, die von ihm neu erlassen wurden, verlesen, und er bekräftigte sie«.1083 1081 Villani, Buch 11, Kap. 71, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 606 – 607. Vgl. oben S. 343. 1082 Lieberich, Kaiser Ludwig der Baier, 1959, S. 219 – 225, der S. 225 betont, daß einerseits mit Ludwig dem Bayern die mittelalterliche Tradition der Kaisergesetze endet, aber andererseits auch keines seiner Gesetze Aufnahme in das Corpus iuris civilis gefunden hat. 1083 Villani, Buch 11, Kap. 69, Überschrift und Z. 1 – 11, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 600: »Di certe leggi che fece in Roma Lodovico di Baviera s' come imperadore. Negli anni di Cristo MCCCXXVIII, a d' XIIII del mese d’aprile, Lodovico di Baviera, il quale si facea chiamare imperadore e re de’ Romani, congregato parlamento nella piazza dinanzi a Santo Pietro in Roma, ove avea grandi pergami in su i gradi de la detta chiesa, dove stava il detto Lodovico parato come imperadore, acompagnato di molti cherici e parlati e religiosi romani, e altri di sua setta che l’aveano seguito, e di molti giudici e avogadi, in presenza del popolo di Roma fece pubblicare e confermk le ’nfrascritte nuove leggi per lui nuovamente fatte«.
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Die Absetzungserklärung gegen Papst Johannes XXII.
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Villani ist der einzige Gewährsmann für diese drei Kaisergesetze. Unter ihnen ist nur das Gesetz gegen Ketzer und Majestätsverbrechen im Wortlaut überliefert.1084 Es ist in mehreren Überlieferungen auf uns gekommen,1085 vor allem in verschiedenen Handschriften der Sammlung des Nicolaus Minorita, während die beiden anderen Gesetze allein in der Wiedergabe Villanis überliefert sind. Nicolaus Minorita leitet seine Wiedergabe des Gesetzes gegen Ketzer und Majestätsverbrecher mit eigenen Worten ein und erläutert den Zweck dieses Gesetzes: »Dann verkündete der vorher erwähnte Herr Ludwig feierlich in Rom, nachdem er, wie vorher gesagt wurde, zum Kaiser gekrönt worden war, und der selbst als Kaiser rechtlich (iuridice), wohlbedacht (consulte) und offen (aperte) gegen den genannten Herrn Papst Johannes, der wegen Häresie öffentlich und offenkundig bekannt war, vorgehen und einen Urteilsspruch feierlich veröffentlichen wollte, am 14. April des genannten Jahres […] ein gewisses Gesetz«.1086
Das Kaisergesetz sollte also als Rechtsgrundlage für das spätere Absetzungsurteil dienen. Es bestimmt: »Weil also dort, wo sich größere Gefahr befindet, wohlbedachter zu handeln ist, setzen Wir auf den Rat und mit Zustimmung Unserer Fürsten und Vornehmen in diesem veröffentlichten Gesetz fest, daß, wenn jemand dem Verbrechen der Häresie oder des Majestätsverbrechens (crimen lese maiestatis) verfällt und bekannt ist, daß sie [diese Verbrechen] oder eines von ihnen augenscheinlich und offenkundig begangen worden ist, gegen solcherart Beschuldigten, gegen den sich wegen der genannten Verbrechen oder einem von ihnen ein derartiger Ruf verbreitet, zu einem Urteilsspruch geschritten werden könne und möge durch die zuständigen Richter, ohne eine Befragung oder irgendeine Zitation vorauszusetzen. Wir wollen, daß in den erwähnten Fällen und in jedem von ihnen, wie vorausgeschickt, obgleich eine Vorladung nicht ausgesprochen wurde, ein so abgegebenes Urteil die Sicherheit der Gültigkeit habe, gleich als wenn bei einer derartigen Urteilsverkündung die Gerichtsordnung immerdar beachtet worden wäre. Wir wollen aber, daß die vorliegende Verfügung ausgedehnt wird auf die VerÜbersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 128, die die Überschrift so übersetzen, daß Ludwig »als Kaiser« Gesetze machte. Dadurch geht Villanis ablehnende Distanz verloren. 1084 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 435, S. 343 – 344; Nicolaus Minorita, ed. G#l/Flood, 1996, S. 190 – 191. 1085 Die bei der MGH-Edition angegebene Überlieferung des Gesetzes ist, bis auf eine – spätere – Ausnahme, aus den Überlieferungen der Sammlung des Nicolaus Minorita entnommen, worauf Schwalm als Herausgeber jedoch nicht hinweist. 1086 Nicolaus Minorita, ed. G#l/Flood, 1996, S. 190: »Subsequenter, praelibato domino Ludovico in imperatorem, ut praedictum est, coronato, volens ipse imperator iuridice, consulte et aperte procedere contra praefatum dominum Ioannem papam, de haeresi publice et notorie diffamatum, et definitivam sententiam sollemniter promulgare, die 14 Aprilis praedicti anni, quandam legem, (quomodo competentes iudices se habere debeant contra incidentes in crimen laesae maiestatis et haeresis, de quibus seu eorum altero manifeste et notorie commissis quis diffamatus fuerit,) Romae sollemniter promulgavit«.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern II: Kaiser und Kirche
gangenheit, die Gegenwart und die Zukunft, obgleich andere Rechte gegen solcherart Beschuldigte, die in früherer Zeit von den göttlichen römischen Herrschern verordnet wurden, in ihrer Geltung andauern sollen.«1087
Hier wird unter vier Gesichtspunkten das spätere Absetzungsurteil vorbereitet: Es richtet sich erstens nicht nur gegen das Vergehen der Häresie, sondern auch gegen das der Majestätsverletzung, zuständig ist zweitens in jedem Fall der Kaiser und nicht ein geistliches Gericht oder im Fall des Papstes ein allgemeines Konzil. Die üblichen Rechte eines Angeklagten werden drittens außer Kraft gesetzt, indem auf eine Vorladung und Befragung – und das heißt auch auf eine Verteidigung – verzichtet wird. Schließlich wird diese Verfahrensregel auch auf Vergehen ausgedehnt, die bereits vor dem Erlaß dieses Gesetzes begangen worden sind. Es handelt sich also um eine umfassende Ermächtigung des Kaisers. Das stellt auch Villani so dar, der dieses Gesetz zuverlässig wiedergibt und ausdrücklich sagt, was im Gesetz unausgesprochen bleibt, nämlich daß die Strafe, die jeder Richter an dem so Verurteilten verhängen darf, der Tod.1088 1087 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 435, S. 343 – 344, hier S. 343, Z. 24 – 40: »(Novimus enim, ut legalis sanxit auctoritas, in omnibus generaliter criminibus notoriis usquequaque sollempnitatem et iuris ordinem non servari, ut notoria crimina, que aliqua tergiversatione celari non possunt, quasi ex ipsa facti evidentia in lucem deducta faciliori ordine puniantur. Que sollempnitates tanto relaxande sunt largius, quanto committentes maiora facinora coinquinant et depravant, ut per ampliorem sollempnitatem et ordinis relaxationem delinquendi occasio subtrahatur.) Quia igitur ubi maius periculum vertitur, ibi cautius est agendum, hac edictali lege de nostrorum principum ac procerum consilio et assensu sancimus, ut si quis in crimine heresis vel lese maiestatis inciderit, de quibus seu eorum altero manifeste et notorie commissis fuerit diffamatus, contra taliter delinquentem, adversus quem de prescriptis criminibus seu altero eorum huiusmodi laborat infamia, ad sententiam diffinitivam procedi possit et valeat per iudices competentes, vocatione seu citatione aliqua non premissa. Volentes in premissis casibus et quolibet eorum ut premittitur citatione non facta sic latam sententiam habere roboris firmitatem, acsi in huiusmodi prolatione sententie fuisset usquequaque ordo iudiciarius observatus. Presentem vero constitutionem nostram extendi volumus ad preterita, presentia et futura, aliis iuribus contra taliter delinquentes a divis retro Romanorum principibus editis in suo robore duraturis.« Nicolaus Minorita, ed. G#l/Flood, 1996, S. 190 – 191. 1088 Villani, Buch 11, Kap. 69, Z. 12 – 24, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 600 – 601: »[…] che qualunque Cristiano fosse trovato in eresia contro a Dio e contra a la ’mperiale maest/, che secondo ch’H anticamente per le leggi, dovesse essere morto, cos' confermk che fosse; e di cik potesse essere giudicato e sentenziato per ciascuno giudice competente, o fosse stato richesto o non richesto; incontanente trovato in quello peccato dell’eretica pravit/ o de la lesa maest/, fosse e dovesse essere morto, nonostante le leggi fatte per gli predecessori suoi, le quali negli altri casi rimanessono in loro fermezza. E questa legge volle s’intenda e le cose passate e a le presenti, e a quelle che fossono pendenti, e che debbono avenire.« Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 128 – 129: »[…] daß jeder Christ, der als Ketzer gegen Gott und die kaiserliche Majestät erkannt werde, zufolge der alten Gesetzesbestimmungen den Tod erleiden sollte; dies erneuerte und bekräftigte er [Ludwig], und zwar dürfte ein solcher von einem jeden kompetenten Richter abgeurteilt und verurteilt werden, einerlei ob er vorher befragt worden sei oder nicht, sondern sobald
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Das in Villanis Zählung zweite Gesetz bezieht sich direkt auf Ludwigs Kaisertum und die Kaiserkrönung vom 17. Januar 1328: »Auch wurde noch angeordnet, daß jeder Notar in jeder Urkunde, die er aufsetzte, nach den Jahren des Herrn und der Indiktion und dem Tage die Worte hinzusetzen solle: ›Geschehen zur Zeit unseres erhabenen und großmächtigen Herrn Ludwigs, Kaiser der Römer, im …ten Jahr seiner Regierung [als römischer König und als Kaiser]; fehlte diese Formel, so sollte die Urkunde ungültig sein.«1089
Es ist in der Forschung bereits darauf hingewiesen worden, daß dieses Gesetz ein Mittel für Ludwig sein sollte, sein Kaisertum durchzusetzen.1090 Aber damit ist noch nicht alles gesagt. Hier kann nicht entschieden werden, ob lediglich Villanis Wiedergabe oder auch der nicht überlieferte Text des Gesetzes selbst hinsichtlich der geographischen Reichweite dieser Regelung unklar bleibt. Solange der Wortlaut dieses Kaisergesetzes nicht bekannt ist, kann nicht entschieden werden, ob mit dieser Datierungsvorschrift ein universaler Geltungsanspruch vertreten wurde, oder ob diese Norm lediglich innerhalb des römisch-deutschen Reiches Geltung beanspruchte.1091 Denkbar ist jedoch auch, daß der Wortlaut des Gesetzes in dieser Hinsicht mit intendierter Unklarheit verfaßt wurde. Das dritte Gesetz richtete sich an jedermann, der dem Kaiser – oder dem römischen Volk – Widerstand leistete. Gedacht war dabei vor allem an Johannes XXII. und seine Parteigänger und Unterstützer : »Ferner, daß jeder sich enthalte, Hilfe oder Rat irgendeinem Rebellen oder Widersacher der geheiligten Person des Kaisers und des Volkes von Rom zu gewähren, bei Verlust seiner Habe und was sonst noch dem kaiserlichen Gerichtshof zu verhängen gefallen würde.«1092
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nur einer dieser Sünde der ketzerischen Bosheit oder des Majestätsverbrechens schuldig gefunden sei, so solle und müsse er sterben, ohne Rücksicht auf die Gesetze, die von früheren Kaisern erlassen waren und im übrigen allerdings in Kraft bleiben sollen. Und diese Bestimmung sollte sich gleichmäßig auf Dinge beziehen, die der Vergangenheit wie auf solche, die der Gegenwart angehörten, auf solche, die augenblicklich vorlägen oder sich künftig ereignen könnten.« Villani, Buch 11, Kap. 69, Z. 24 – 30, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 601: »Ancora fece comandare che ciascuno notaio dovesse mettere in ciascuna carta ch’egli facesse, posti gli anni Domini, e indizione, e il d': ›Fatta al tempo dell’eccellente e magnifico domino nostro Lodovico imperadore de‹ Romani, anno suo etc.‹, e che altrimenti non valesse la carta.« Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 129. Lieberich, Kaiser Ludwig der Baier, 1959, S. 221, Anm. 124. Marsilius betont das Recht jeder einzelnen politischen Gemeinschaft, ihre Notare zu ernennen, vgl. oben S. 162 f. Villani, Buch 11, Kap. 69, Z. 30 – 34, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 601: »Item, che ciascuno si guardasse di dare aiuto o consiglio ad alcuno ribello o contumace del sacro imperadore o del popolo di Roma, sotto la pena de’ suoi beni, e che piacesse a la sua corte.« Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 129.
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Villani führt diese Gesetze auf Ludwigs Ratgeber zurück, die so auch als die Urheber der folgenden Papstabsetzung erscheinen: »Diese Gesetze waren, als sie erlassen wurden, vom Bayern und seinen ketzerischen Räten gar wohl überlegt, da sie seine ungerechten und schändlichen Absichten gegen Papst Johann und die rechtmäßige Kirche, wie wir gleich sehen werden, vorbereiten sollten.«1093
Am 14. April war der Plan, sowohl Johannes XXII. abzusetzen als auch einen neuen Papst einzusetzen, schon gefaßt. Unter dieser Voraussetzung muß man alle drei Kaisergesetze – und nicht nur das erste und dritte1094 – verstehen. Mit dem zweiten Gesetz über die Datierung von Urkunden mit der Epoche der Kaiserkrönung vom 17. Januar schloß Ludwig eine Kaiserkrönung durch den neuen Papst, die an die Stelle der Krönung vom 17. Januar treten könnte, aus. Es stellt damit eine Bekräftigung seiner Kaiserkrönung dar. Ludwig demonstrierte nicht nur durch den Inhalt, sondern auch durch die Form der Gesetze sein Kaisertum. Nach seiner Kaiserkrönung nahm er das kaiserliche Vorrecht in Anspruch, Gesetze zu erlassen. Diese Kaisergesetze sieht auch Villani als Recht eines Kaisers, indem er Ludwig, den er nicht als rechtmäßigen Kaiser anerkennt, dieses Recht abspricht. Die Kaisergesetze befinden sich auch im Einklang mit Marsilius’ politischer Theorie, wonach der Kaiser Bestimmungen von universalem Geltungsanspruch festsetzen kann, die der Bewahrung der Einheit der Christenheit dienen. Das ist bei diesen Gesetzen der Fall, da sie als Rechtsgrundlage für die Absetzung des Papstes dienen sollen, die in der Theorie des Marsilius eine wichtige universale Befugnis des Kaisers darstellt.
6.2.2 Das Absetzungsurteil Gloriosus Deus vom 18. April 1328 Das Absetzungsurteil Gloriosus Deus wird von Kaiser Ludwig nur vier Tage nach den Kaisergesetzen verkündet. Über die Umstände der Urteilsverkündung gibt wiederum Villani als einziger Chronist einen Bericht: »Wie Ludwig der Bayer sogar einen Urteilsspruch erließ und wie er wagte, Papst Johannes XXII. abzusetzen. Am Montag darauf nämlich, dem 18. April des genannten Jahres, hielt der Bayer in derselben Weise wie am Donnerstag zuvor eine Versammlung ab und rief die Bevölkerung von Rom, Geistliche wie Laien, auf den Petersplatz zu1093 Villani, Buch 11, Kap. 69, Z. 34 – 38, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 601: »Queste leggi furono pensatamente fatte e ordinate per lo detto Bavero e per lo suo maculato consiglio a fine che sotto queste volle partorire lo suo iniquo e pravo intendimento contra papa Giovanni e la diritta Chiesa, come apresso faremo menzione.« Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 129. 1094 Wie z. B. Altmann, Römerzug, 1886, S. 90, meint.
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sammen. Dort erschien er auf der bereits erwähnten Schaubühne in Purpur gekleidet, die Krone auf dem Haupt und das goldene Zepter in der rechten Hand und die goldene Kugel oder Apfel in der linken Hand, so wie ein Kaiser, und ließ sich zum Sitzen auf einem prächtigen, erhöhten Thron nieder, so daß das ganze Volk ihn sehen konnte, umringt von Prälaten, Edlen und bewaffneten Rittern.«1095
Gegenüber Villanis Bericht über die Promulgation der Kaisergesetze vom 14. April erfährt die Darstellung von Ludwigs kaiserlicher Selbstinszenierung hier noch eine Steigerung. Der Chronist fährt fort: »Als er sich gesetzt hatte, ließ er Stillschweigen gebieten, worauf ein Mönch, Nicola di Fabriano vom Eremitenorden, die Kanzel bestieg und mit lauter Stimme ausrief: ›Ist hier ein Bevollmächtigter, der den Priester Jakob von Cahors, der sich Papst Johannes XXII. nennen läßt, verteidigen will?‹ Dies rief er dreimal, ohne daß eine Antwort erfolgte. Alsbald trat nun ein Abt aus Deutschland auf die Kanzel, ein sehr gelehrter Herr, der in lateinischer Sprache den Text behandelte: ›Dies ist der Tag der guten Botschaft‹, worüber er viele schöne Worte predigte. Darauf wurde ein sehr langer Urteilsspruch, der unter einem gewaltigen Wortschwall viele falsche Argumente enthielt, verlesen.«1096
Da nach dem ersten Kaisergesetz vom 14. April weder eine Vorladung noch eine Befragung des wegen Häresie oder Majestätsverletzung Angeklagten erforderlich war, ist die Frage nach einem Bevollmächtigten des Angeklagten wohl lediglich als Erinnerung daran zu werten, daß es sich bei dem folgenden Absetzungsurteil um den Abschluß eines Prozeßverfahrens handelte. Auffällig ist, daß der Kaiser das Zentrum des Geschehens war, und nur an dieser Stelle Geistliche an dem Absetzungsverfahren beteiligt waren. 1095 Villani, Buch 11, Kap. 70, Überschrift und Z. 1 – 11, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 602: »S' come il detto Lodovico diede sentenzia, e come pot8o dispuose papa Giovanni XXII. Apresso, i· luned' vegnente, a d' XVIII d’aprile del detto anno, il detto Lodovico per simile modo ch’avea il gioved' dinanzi fece parlamento e congregare il popolo di Roma, cherici e laici, ne la piazza di San Piero, e in su i sopradetti pergami venne vestito di porpore, e co la corona in capo e la verga dell’oro ne la mano diritta, e la poma overo mela d’oro ne la manca, s' come imperadore; e puosesi a sedere sopra uno ricco trono rilevato, s' che tutto il popolo il potea vedere, intorniato di parlati e baroni e di cavalieri armati.« Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 129 – 130. Vgl. Agnolo di Tura del Grasso, ed. Lisini/Iacometti, 1939, S. 470, Z. 24 – 29. 1096 Villani, Buch 11, Kap. 70, Z. 11 – 22, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 602: »E come fu posto a sedere, fece fare silenzio; e uno frate Niccola di Fabbriano dell’ordine de’ romitani si fece al perbio, e gridk ad alte boci: ›Pcci alcuno procuratore che voglia difendere prete Iacopo di Caorso, il quale si fa chiamare papa Giovanni XXII?‹ E cos' gridk tre volte, e nullo rispuose. E cik fatto, si fece al perbio uno abate d’Alamagna molto letterato e propuose in latino queste parole: ›Hec est dies boni nuntii etc.‹, allegando sopra questa autoritade molte belle parole sermonando; e poi si lesse una sentenzia molto lunga e ornata di molte parole e falsi argomenti«. Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 130. Vgl. Agnolo di Tura del Grasso, ed. Lisini/Iacometti, 1939, S. 470, Z. 29 – 36, der jedoch die Frage nach dem Bevollmächtigten des Papstes von Ludwig selbst stellen läßt.
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Von Ludwigs Absetzungssentenz gegen Johannes XXII. sind zwei Versionen überliefert: der am 18. April 1328 in Rom verkündete Text mit den Eingangsworten Gloriosus Deus1097 und eine zweite, in Pisa am 13. Dezember 1328 erlassene Fassung mit dem Incipit Cunctos populos, die jedoch ebenfalls das Datum vom 18. April 1328 trägt.1098 Die folgende Untersuchung beschränkt sich auf das ursprüngliche und eigentliche Absetzungsurteil, das in Rom verkündet wurde. Der Text von Gloriosus Deus eignet sich in besonderem Maß zu einem inhaltlichen Vergleich mit Marsilius’ theoretischen Aussagen, da der Wortlaut des Dokuments überliefert ist, und Marsilius von Albertino Mussato explizit als Verfasser des Absetzungsurteils genannt wird.1099 Für die Frage nach dem Zu1097 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 436, S. 344 – 350; Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 981, S. 59; eine Übersetzung in Auszügen in: Miethke/Bühler, Kaiser, 1988, S. 139 – 142; eine etwas umfassendere Paraphrase bei Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 184 – 187. 1098 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 437, S. 350 – 361; Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 982, S. 59 – 60. Vgl. Villani, Buch 11, Kap. 112, Z. 1 – 11, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 663 – 664: »Nel detto anno, a d' XIII del mese di decembre, il Bavero, il quale si dicea essere imperadore, si congregk uno grande parlamento, ove furono tutti i suoi baroni e maggiori di Pisa, laici e cherici, che teneano quella setta, nel quale parlameto fratre Michelino di Cesena, il quale era stato ministro generale de’frati minori, sermonk in quello contro a papa Giovanni, opponendogli per piF falsi articoli e con molte autoritadi ch’egli era eretico e non degno papa; e cik fatto, il detto Bavero a modo d’imperadore diH sentenzia contra il detto papa Giovanni di privazione.« Auf Cunctos populos verweist im Anschluß an die Wiedergabe von Gloriosus Deus Nicolaus Miorita, ed. G#l/Flood, 1996, S. 200: »Quia praedicta sententia fuit insufficiens quoad aliqua, et maxima quia errores per dictum dominum Ioannem papam publice dogmatizatos et in supra dictis tribus decretalibus insertos minime exprimebat, ideo praefatus imperator ad maiorem dictae sententiae roboris firmitatem, de peritorum consilio ipsam mutavit in pluribus et addidit, errores contentos in dictis tribus decretalibus plenius exprimendo, quam sic correctam et mutatam Pisis postea ad eundem annum, diem et locum datam, ut supra scripta, sollemniter promulgavit. Publicatio vero dictae sententiae sic mutatae suo loco et die inferius inseretur. Similem modum servavit praefatus dominus Ioannes papa in editione constitutionis Ad conditorem, quam postquam sollemniter promulgaverat, eam correxit et in pluribus mutavit, et sic correctam et mutatam ad eundem annum, diem et locum iterum sollemniter promulgavit.« Vgl. zum Inhalt von Cunctos populos Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 211 – 216, und seinen Textvergleich mit den Appellationen Michaels von Cesena, Beilage 15, S. 372 – 373. Das Publikationsmandat mit dem Datum vom 13. Dezember 1328, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 528, S. 437 – 439; Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 1011, S. 62 (zum 12. Dezember 1328). 1099 Vgl. unten S. 336 – 343. Vergleiche sind bereits von Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 187 – 190 und 369, und Dolcini, Marsilio e Ockham, 1981, Ndr. 1988, S. 319 – 333, angestellt worden. In der älteren Forschung war gelegentlich von der Methode einer Stilvergleichung die Rede, die den Defensor pacis als Ursprung von Gloriosus Deus erweisen könne (Chroust, Romfahrt, 1887, S. 141), oder von stilistischen Anhaltspunkten, die auf Marsilius als Verfasser verweisen (Bock, Reichsidee, 1943, S. 258). Dagegen ist aber einzuwenden, daß ein Stilvergleich mit einem stilisierten Kanzleiprodukt wie einer kaiserlichen Urkunde kaum zu Ergebnissen führen kann. Kein Forscher hat bisher einen Stilvergleich tatsächlich vorgenommen oder näher erläutert, anhand welcher Kriterien ein Stilvergleich im einzelnen durchgeführt werden müßte.
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sammenhang zwischen der politischen Theorie des Marsilius und dem politischen Handeln des Kaisers, nämlich der Absetzung Johannes’ XXII., können hier auch die ausdrücklichen Aussagen zu den zugrundegelegten politischen und ekklesiologischen Grundsätzen herangezogen werden. Für einen inhaltlichen Vergleich muß, was bisher nicht immer geschehen ist, unterschieden werden zwischen verschiedenen Arten von Gründen für die Absetzung des Papstes. Drei Arten von Gründen werden in diesem Absetzungsurteil angeführt: die Beweggründe, zur Absetzung zu schreiten, denen bisher die größte Aufmerksamkeit gewidmet wurde, die Tatbestandsgründe, die das Absetzungsurteil rechtfertigen, und Legitimationsgründe für die Befugnis des Kaisers, die Absetzung zu vollziehen. Von größerem Interesse, auch hinsichtlich der Erwartungen, die an einen Vergleich mit Marsilius’ politischer Theorie und seinen ekklesiologischen Grundsätzen gestellt werden können, sind die Tatbestandsgründe und die Legitimationsgründe. Zwei Tatbestandsgründe werden in dem Absetzungsurteil festgestellt, die bereits im Kaisergesetz vom 14. April genannt wurden: »Wir verkünden, daß dieser Jakob [von Cahor] der Häresie überführt ist, sowohl aufgrund erwiesener Tat – er predigt öffentlich Häresie, indem er die Vollkommenheit höchster Armut in Christus geradewegs leugnet, so daß daraus folgt, daß Christus nicht der vollkommenste Pilger war – als auch aufgrund eigenen Bekenntnisses, dies erhellt aus den ungerechtfertigten und unüberlegten Prozeßladungen, die von ihm selbst in Unserer Person gegen das Heilige Reich ergangen sind, wodurch er sich der gottgegebenen Ordnung widersetzt und seine Verdammung erwirkt und womit entschieden ist, daß er selbst für das Verbrechen der Majestätsverletzung mit Strafe belegt werden muß«.1100
Auffällig ist, daß in der Narratio eine ganze Reihe von Beispielen genannt werden, die unter dem sonst nicht näher definierten Vorwurf des Majestätsvergehens subsumiert werden können, der Tatbestand der Häresie aber nur an dieser einen Stelle vorkommt. Nur geringe Aufmerksamkeit haben bisher die bedachtsam vorgetragenen Legitimationsgründe erfahren: »[…] weiter verkünden Wir, daß er [Johannes XXII.], weil er sein Stellvertreteramt unwürdig führt und geführt hat von dem Zeitpunkt an, als er bekanntermaßen notorisch dem zweiten der genannten Verbrechen verfiel, von Christus enthoben ist und enthoben war, und so entheben Wir ihn kraft des Urteils Unserer kaiserlichen Autorität 1100 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 436, § 6, S. 348, Z. 28 – 34: »[…] ipsum Iacobum in heresi deprehensum tam ex facti evidentia, quia heresim publice predicat perfectionem altissime paupertatis in Christo penitus denegando, ex quo sequeretur Christum non fuisse perfectissimum viatorem, quam ex confessione propria, ut liquet ex iniquis ac temerariis vocatis processibus ab ipso contra sacrum imperium in nostra persona factis, in quibus profecto Dei ordinationi resistit sibique dampnationem acquirit et se ipsum pro crimine lese maiestatis reatu plectendum constituit«.
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des römischen Bistums und der gesamten Kirche Gottes, also des Papsttums, mit Wirkung dieses Schreibens und setzen ihn ab mit diesem Schreiben. Dies geschieht, sagen Wir, kraft des Urteils, das auf gemeinsamen Rat, mit Zustimmung und nach Befragung des Klerus und Volkes von Rom, Unserer Fürsten und der Prälaten der Kirche, der deutschen wie der italienischen, und sehr vieler anderer Getreuer ergangen ist. Wir wurden dazu aber auch veranlaßt und gedrängt durch vielfache Petitionen und Anträge der Rechtsvertreter des römischen Klerus und Volkes, die dazu die Ermächtigung ebendieses römischen Klerus und Volkes hatten sowie unbeschränkte Befugnis und besonderen Auftrag. Dies wird deutlich anhand der Unserer Majestät überreichten Beglaubigungsschreiben dieser Vertreter, die mit den Siegeln des genannten römischen Klerus und Volkes versehen sind. Diese Petitionen und Anträge wollten und durften Wir mit Rücksicht auf Unser ewiges Heil nicht zurückweisen.«1101
Klerus und Volk sind es auch, die die Urkunde neben Ludwig besiegeln.1102 Ein zeitgenössischer Bericht, der sowohl hervorhebt, daß Ludwig ostentativ mit kaiserlicher Autorität handelte, als auch die Mitwirkung von Klerus und Volk als programmatisches Element darstellt, ist die Mitteilung des Ferrarius de Apilia an König Alfons IV. von Aragon.1103 Es hat die Forschung beschäftigt, ob Kaiser Ludwig die Absetzung Papst Johannes XXII. tatsächlich aus eigenem Recht verfügt hat. In verschiedenen Hinsichten hat es darüber unterschiedliche Meinungen gegeben. Die ältere Forschung hat die Absetzung durch Christus so 1101 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 436, § 6, S. 348, Z. 34 – S. 349, Z. 4: »[…] eo quod indigne gerit et gessit vicariatus officium ab eo tempore, quo in alterum criminum predictorum dignoscitur notorie lapsus fuisse, a Christo privatum esse et fuisse denunciamus nostreque imperialis auctoritatis sententia episcopatu Romano et universali ecclesia Dei seu papatu tenore presentium privamus et ab eodem deponimus in hiis scriptis, sententia inquam lata de communi consilio, consensu et requisitione cleri et populi Romani, nostrorum principum et ecclesie prelatorum tam Alamanorum quam Italicorum aliorumque fidelium plurimorum, moti nichilominus et inducti supplicationibus atque instantiis plurimis syndicorum cleri et populi Romani plenam ad hoc eiusdem cleri et populi Romani habentium auctoritatem et liberam potestatem ac speciale mandatum, prout apparet ex oblatis maiestatis nostre sindicatus eorum publicis instrumentis sigillis sepedicti cleri et populi Romani signatis, quas quidem supplicationes et instantias propter nostre salutis eterne dispendium noluimus, sicut nec debimus recusare.« 1102 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 436, § 8, S. 349, Z. 38 – 41: »Ad quorum omnium noticiam, testimonium atque fidem presentem processum conscribi precepimus et ipsum nostre imperialis maiestatis bulla aurea signoque nostro imperiali consueto iussimus communiri, cui etiam et ad fines predictos sigilla cleri et populi Romani sunt apposita.« 1103 Bereits vom 27. Mai 1328, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 461, S. 379, hier Z. 15 – 20: »Decima octava die mensis Aprilis Bavarus assistentibus et consencientibus clero et populo Romano et quibusdam prelatis pontificalibus indutis ac ipso Bavaro induto imperialibus indumentis ac imperiali dyademate coronato protulit et publicavit quosdam processus satis indecentes et graves contra istum dominum, concludendo ipsum dominum a pontificali potestate esse depositum. Dicti autem processum fuerunt sigillati sigillis ipsius Bavari, cleri et populi Romani.« Zuvor ediert bei Finke (Hg.), Acta Aragonensia, Bd. 1, 1908, Nr. 293, S. 437 – 438, der im Kopfregest jedoch irrtümlich den bereits 1327 verstorbenen König Jakob II. als Adressaten angibt.
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interpretiert, als ob Johannes XXII. bereits als durch Christus abgesetzt angesehen wurde und das kaiserliche Dokument lediglich zur Verkündung dessen dienen sollte.1104 Das begriffliche Mißverständnis besteht darin, daß die Bedeutung von »Absetzung« nicht weiter konkretisiert wurde. In dem Dokument ist von mehreren Absetzungen die Rede, die von verschiedenen Akteuren vorgenommen wurden. Das kaiserliche Urteil behauptet zunächst, daß Christus den Papst als seinen Stellvertreter, als vicarius Christi, abgesetzt habe; allein diese Enthebung ist es, die vom Kaiser lediglich verkündet wird. Dieses transzendentale Band zwischen Christus und dem irdischen Papst kann nur Christus selbst lösen. Alle irdischen Enthebungen, nämlich des Bistums von Rom und des Papsttums, nimmt also Kaiser Ludwig vor. Zudem unterwirft Ludwig ihn, der der Vorrechte des geistlichen Stands entkleidet und aus Amt und Besitz vertrieben ist, der weltlichen Gerichtsbarkeit seiner Richter.1105 So sehr Kaiser Ludwig als Aussteller dieser Urkunde als Akteur im Vordergrund steht, so deutlich ist aber auch die Ableitung seiner Befugnis aus der Zustimmung von Klerus und Volk von Rom wie auch von weltlichen und geistlichen Großen aus den nord- und südalpinen Teilen des römisch-deutschen Reichs. Die Initiative schreibt Ludwig zwar den Römern, Volk und Klerus, zu, aber er selbst als Kaiser nimmt die rechtsverbindlichen Handlungen vor. Die Verfasser von Gloriosus Deus sind deutlich bemüht, Ludwigs Befugnis zu diesem Handeln als rechtmäßig darzustellen. Die Übereinstimmung mit den Erfordernissen von Marsilius’ Theorie ist dabei auffällig. Die aufgeführten konkreten Akteure lassen sich leicht unter die abstrakten Instanzen seiner politischen Theorie subsummieren. Der Kaiser handelt hier mit Zustimmung durch den legislator fidelis. Diejenigen, die den gläubigen menschlichen Gesetzgeber in diesem Fall bilden, werden umfassend aufgeführt: Die universitas fidelium des Bistums Rom unter besonderer Erwähnung des Klerus, der auch in Marsilius’ Theorie derjenige Bestandteil der civitas perfecta ist, der besondere Kompetenz bei der Beurteilung kirchlicher Amtsträger besitzt. Die anwesenden weltlichen und geistlichen Großen aus den nord- und südalpinen Teilen des römischdeutschen Reichs repräsentieren den umfassenden populus Romanus und stellen damit einen Teil des legislator supremus dar. Die Initiative für das Absetzungsurteil lag aber bei der universitas civium der Diözese Rom, die sich an den dafür allein zuständigen, weltlichen Herrscher, den Kaiser, wandte. Gehandelt haben Klerus und Volk von Rom vermittels besonderer Syndici, die, wie die 1104 Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 187. 1105 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 436, § 6, S. 349, Z. 4 – 8: »Unde sepedictum Iacobum omnis ecclesiastci ordinis prerogativa nudatum et officio ac beneficio spoliatum tenore presentium subicimus secularis nostrorum ministrorum arbitrio potestatis, ab omnibus feudatariis et iustitiariis nostri sacri imperii, ubicumque deprehensus fuerit, velut hereticum animadversione debita puniendum.«
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Der Romzug Ludwigs des Bayern II: Kaiser und Kirche
Urkunde betont, dafür besonders beauftragt und unbeschränkt befugt waren. Möglicherweise handelte es sich bei den Syndici des römischen Klerus um das Gremium der 13 Kleriker, das Marsilius leitete, und das bei der Wahl des neuen Papstes eine zentrale Rolle spielte.1106 Damit würde der Einfluß des Marsilius auch an dieser Stelle, bei der Vorbereitung der Absetzung, zur Geltung gekommen sein. Vermutlich müßte er dann als der wichtigste Initiator der Absetzung Papst Johannes’ XXII. angesehen werden. Schließlich weist der Text von Gloriosus Deus eigens auf die Gläubigkeit des vom legislator fidelis ermächtigten Herrschers hin, indem das ewige Heil als sein Motiv für diese Handlung genannt wird. An einer anderen Stelle der Dispositio wird die kaiserliche Befugnis zur Absetzung eines Papstes in einen historischen Zusammenhang gestellt: »[…] wollen Wir den Spuren (vestigia) Unserer Vorgänger folgen, nämlich Ottos I., der gemeinsam mit dem Klerus und Volk von Rom Johannes XII. als Papst absetzte und mit dem besagten Klerus und Volk einen anderen Hirten für die Stadt und den Erdkreis bestellte, und denen noch vieler anderer Kaiser«.1107
Diese Stelle ist in der Forschung häufig aufgegriffen worden. Die ältere Forschung hat gemeint, in dem Hinweis auf frühere Kaiser Ludwigs Versuch zu erkennen, ein kaiserliches Recht auf die Absetzung von Päpsten vor allem aus diesem historischen Vorbild ableiten zu wollen.1108 Es geht hier jedoch nicht um eine Rechtfertigung oder das Belegen einer Befugnis, vielmehr stellt Ludwig seine grundsätzliche kaiserliche Berechtigung nur in einen Traditionszusammenhang. Zudem wurde gelegentlich anhand gerade dieser Stelle versucht, Marsilius als Verfasser von Gloriosus Deus nachzuweisen, da das Beispiel der Absetzung Johannes’ XII. durch Otto I. ebenfalls im Defensor pacis zu finden sei.1109 Dabei handelt es sich jedoch keineswegs um eine spezifische Übereinstimmung mit dem Defensor pacis, da jede historische Argumentation den ersten Kaiser erwähnen würde, der eine Papstabsetzung vorgenommen hat. Dies 1106 Vgl. unten S. 349 – 352. Die Absicht, einen neuen Papst einzusetzen, wurde bereits in der Absetzungssentenz kundgetan, dabei wollte Ludwig »ganz nach dem Brauch« gemeinsam mit Klerus und Volk von Rom für einen neuen Papst sorgen, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 436, § 7, S. 349, Z. 17 – 20: »Volentes rursum, prout viis iuris dirigimur et cogimur, de pastore catholico huic Urbi et orbi una cum clero et populo Romano omni more superflue dilatione postposita providere, quemadmodum nobis de iure competere plenarie demonstravimus in premissis.« 1107 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 436, § 6, S. 348, Z. 25 – 28: »[…] predecessorum nostrorum videlicet Ottonis primi, qui cum clero et populo Romano Iohannem XII. deposuit a papatu et cum prefato clero et populo de alio pastore Urbi et orbi providit, et aliorum quam plurium imperatorum vestigiis inherere volentes«. 1108 Beispielsweise Hauck, Kirchengeschichte, Bd. V/1, 91958, S. 513: »Für die Absetzung Johanns berief sich Ludwig auf das Vorgehen der früheren Kaiser, besonders Ottos I.« 1109 Vgl. oben S. 167 f.
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Die Absetzungserklärung gegen Papst Johannes XXII.
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wird im Absetzungsurteil selbst auch deutlich, da Otto I. nicht allein, sondern explizit nur als der erste in einer Reihe von Kaisern, die Papstabsetzungen vorgenommen haben, angeführt wird.1110 Unter den Motiven für die Absetzung wird in der Narratio auch die Abwesenheit des römischen Bischofs von Rom angeführt und darauf hingewiesen, daß sich der Papst auch von mehreren römischen Gesandtschaften nicht bewegen ließ, nach Rom zurückzukehren.1111 Die jüngste Gesandtschaft an den Papst wird belegt durch einen zeitgenössischen Brief an König Alfons IV. Der Prokurator des Königs an der Kurie, Gondissalvus C ¸ apata, teilt Alfons IV. am 7. März 1328 mit, daß Ludwig und die Römer Gesandte an Papst Johannes geschickt hätten mit der Aufforderung, er solle unverzüglich nach Rom kommen.1112 Vielleicht sollte vor der Absetzung des Papstes dessen Entscheidung und Antwort abgewartet werden. Seine Weigerung sollte dann als Rechtfertigung für seine Amtsenthebung dienen. Möglicherweise ist dies auch eine der Antworten auf die Frage, warum Ludwig zwischen seiner Kaiserkrönung und der Absetzung des Papstes so viel Zeit verstreichen ließ. Der Einfluß des Marsilius ist also im wesentlichen in der Legitimierung des Kaisers, den Papst seiner abtrennbaren Ämter zu entheben, zu sehen, die – allerdings ohne die abstrakten Begrifflichkeiten des Marsilius zu verwenden – in den Text von Gloriosus Deus Eingang gefunden hat. Erkennbar ist dieser Einfluß ebenfalls daran, daß der Urkundentext darauf verweist, daß sich der Kaiser der Zustimmung derjeniger, die Marsilius als fidelis legislator gelten, versichert. Damit entspricht auch das Verfahren Marsilius’ Theorie. Möglicherweise hat Marsilius bereits bei der Vorbereitung und Initiierung des Absetzungsverfahrens eine führende Rolle gespielt. Die angeführten Beweggründe für die Amtsenthebung sind dagegen in vielen Fällen unspezifisch. Auffällig ist aber, daß unter den Tatbestandsgründen weniger die Häresie des Papstes herangezogen wird, sondern vielmehr seine Majestätsverbrechen gegen die Souveränität der kaiserlichen Herrschaft. Die konkreten Vergehen, die dafür aufgeführt werden, sind insofern allerdings unspezifisch, als sie bereits in Ludwigs Appellationen zu finden sind. 1110 Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 186. 1111 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 436, § 5, S. 348, Z. 10 – 14: »[…] quamvis pro habenda illius Iacobi presentia Romanus populus pluries miserit ambaxiatas sollempnes, nec hiis contentus criminator iste contra hunc Christi peculiarem populum tamquam contra perfidos crucem predicat nullo prorsus exigente delicto populi antedicti ipsumque innocentem populum iniquissimis processibus notorie diffamare presumit«. 1112 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 410, S. 313 – 314, hier S. 314, Z. 12 – 15: »Et seynor segunt que se diÅe el Bauaro e los Romanos envian messageres muyt solempnes al papa, que vaya a Roma de tod en tod, e sino que ellos tantost y pendran concell en tal manera, que tod homme creye, que aya Åisma e discordia e departimento en la eglesia de Roma.« Finke, Acta Aragonsia, Bd. 1, 1908, Nr. 290, S. 433 – 436, hier S. 435.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern II: Kaiser und Kirche
6.2.3 Die Absetzung Johannes’ XXII. in den erzählenden Quellen
Über das Absetzungsurteil berichten die chronikalischen Quellen recht unterschiedlich, wer die Initiative dafür hatte, und welche Motive dafür vorlagen. Villani gibt den Inhalt der Absetzungssentenz in großem Umfang wieder.1113 Dabei ist er überwiegend zuverlässig,1114 unterscheidet sich aber doch in verschiedenen Hinsichten vom Text der Urkunde.1115 Zum einen hat Villani den Text für seine Wiedergabe umgestellt, so daß die Dispositio am Anfang steht und die Narratio ihr folgt, zudem hat er einige Erläuterungen eingefügt. Zu diesen Erläuterungen gehört auch der folgende Einschub über zwei weitere Motive für die Absetzung des Papstes: »Und da er [Ludwig] nun nach Rom gekommen war, sei ihm hinterbracht worden, daß Jakob von Cahors, der sich mißbräuchlich Papst Johannes XXII. nennen lasse, die Kardinalstitel, welche Kirchen der Stadt Rom sind, in die Stadt Avignon habe übertragen wollen und dies nur unterlassen habe, weil seine Kardinäle es nicht zugelassen hätten. Sodann habe er [Ludwig] erfahren, daß derselbe Jakob von Cahors gegen die Römer das Kreuz habe predigen lassen, was er dann den 52 Rektoren des Volkes zu Rom und anderen erfahrenen Männern, wie es ihm angemessen erschienen sei, mitgeteilt habe.«1116
Zum anderen ist die Darstellung des Kaisers und seiner Befugnis zur Absetzung eines Papstes bei Villani etwas abweichend von Gloriosus Deus. Die Rolle des Kaisers stellt Villani etwas stärker heraus, ebenso dessen universalen weltlichen Herrschaftsanspruch. Dagegen fehlen die detaillierten Angaben zur Mitwirkung der Römer und deren legitimierender Charakter.1117 Villani fährt fort: »Als dieser Urteilsspruch ergangen und bestätigt war, erklärte Ludwig der Bayer, daß er innerhalb weniger Tage für einen guten Papst und Hirten Sorge tragen werde, zum großen Trost des römischen Volkes und der ganzen Christenheit. Und er sagte, daß er diese Verfügungen auf den Rat großer Gelehrter, Geistlicher und Laien, getreuer Christen sowie seiner Barone und Fürsten getroffen habe. Die Gelehrten in Rom aber 1113 Villani, Buch 11, Kap. 70, Z. 23 – 101, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 602 – 605. 1114 So bereits Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 184, Anm. 3. 1115 Dolcini, Marsilio e Ockham, 1981, Ndr. 1988, S. 311 – 315, hat die Texte in Synopsenform gegenübergestellt. 1116 Villani, Buch 11, Kap. 70, Z. 30 – 39, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 603: »[…] e stando a Roma, dinanzi a lui pervenne che Iacopo di Caorsa, il quale si faceva abusivamente dire papa Giovanni ventiduesimo, avea voluto mutare il titolo de’cardinalitichi, i quali sono a Roma, nella citt/ di Vignone, e non lascik, se non perchH i suoi cardinali non l’assentirono. E poi senti che quello Iacopo di Caorsa avea fatto bandire la croce contro a’Romani, e queste cose fece assapere agli cinquantadue rettori del popolo di Roma e ad altri savi, come gli parve che si convenisse.« Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 130 – 131. Vgl. Dolcini, Marsilio e Ockham, 1981, Ndr. 1988, S. 315, Anm. 57. 1117 Villani, Buch 11, Kap. 70, Z. 39 – 101, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 603 – 605.
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Die Absetzungserklärung gegen Papst Johannes XXII.
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entsetzten sich über dieses Urteil heftig; das einfache Volk freilich veranstaltete bei diesem Anlaß große Festlichkeiten.«1118
Villani versetzt das in der Absetzungssentenz erwähnte Versprechen, für einen neuen Papst zu sorgen, und die Beratung durch Ludwigs Fürsten in eine nachträgliche Rede. Zudem erwähnt Villani hier den Rat von »großen Gelehrten«, die im Absetzungsurteil selbst jedoch nicht genannt werden. Dagegen ist die in Gloriosus Deus sorgfältig und umfangreich angeführte Mitwirkung des römischen Klerus und Volkes bei Villani völlig ausgeblendet. Vielmehr stellt er die Rolle der Römer als eine bloße Reaktion auf das Handeln des Kaisers dar, die zudem uneinheitlich ausgefallen sei. Die bloß nachträgliche Zustimmung des Volkes in Form von freudigen Festlichkeiten wertet Villani weiter ab, indem er dabei nur vom »einfachen Volk« spricht, das sich im Gegensatz zu den Gelehrten der Stadt Rom befindet. Villani spricht dem Absetzungsurteil damit die legitimierende Mitwirkung des römischen Volkes ab. In diesem Punkt weicht die Darstellung Albertino Mussatos deutlich von derjenigen Villanis ab, indem Mussato die Römer in den Vordergrund stellt und ihnen die Initiative zuschreibt: »Dem vornehmen und dem einfachen Volk der Römer wurde das Recht zugestanden, über Angelegenheiten der Reichsgewalt zu beschließen und das in die Tat umzusetzen, was sich auf die Stadtverfassung bezog. Das vornehme und das einfache Volk freute sich über die neuen Zustände, wie es nun einmal Art des Volkes ist. Nicht nur, daß man Ludwigs Namen in den Himmel hob, man fing auch an, Papst Johannes zu verwünschen, ihn öffentlich zu beschuldigen und zu bestreiten, daß er ein rechtmäßiger Papst sei. Ja, man hängte ihm neuartige Verbrechen an. Die Nachrede wuchs zuerst aus versammelter Menge empor, und das weitere Volk fiel mit Macht ein: Papst Johannes sei nichtswürdig und man erkenne ihn nicht als Papst an. Ein neuer Papst müsse erhoben werden, der ein neues Kollegium seiner Brüder, der Kardinäle, schaffe und einsetze; der die heilige römische Kirche in ihrer Stadt Rom in den ordentlichen Basiliken leite und sie ehrerbietig durch die Feier der heiligen Gottesdienste ziere. Über jenen Johannes aber, der jenseits der Berge der heiligen Kirche spotte, soll er den Bann aussprechen. Nur hier [in Rom] werde [ein Papst] verehrt und würde er in der Ehrerbietung der Römer und des ganzen Erdkreises stehen. Dem würde man besonders gehorsam sein. Beide Gewalten, sowohl die weltliche als auch die geistliche, müßten in Rom ihren Sitz haben. Diese Äußerungen stiegen aus dem einfachen Volk zu den 1118 Villani, Buch 11, Kap. 70, Z. 101 – 109, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 605: »E data e confermata la detta sentenzia, disse il detto Lodovico Bavero che infra pochi giorni provederebbe di dare buono papa e buono pastore, si che grande consolazione n’avrebbe il popolo di Roma e tutti i Cristiani. E queste cose disse ch’avea fatte di consiglio di grandi savi cherici e laici fedeli Cristiani, e de’ suoi baroni e prencipi. De la detta sentenzia i savi uomini di Roma molto si turbarono; l’altro semplice popolo ne fece gran festa.« Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 133 – 134. Vgl. Agnolo di Tura del Grasso, ed. Lisini/Iacometti, 1939, S. 471, Z. 21 – 25.
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Vornehmen und Obrigkeiten empor, und diese Meinung wurde so häufig geäußert, daß diese sie unter einmütiger Zustimmung aller ihrem König Ludwig vortrugen und beharrlich forderten, ihr zu entsprechen.«1119
Mussato scheint hier ein sehr kenntnisreiches Bild zu entwerfen. Kein anderer Quellenautor berichtet so detailliert über die Vorgänge und auch über die Motive der Akteure. Die eingangs angeführten politischen Mitwirkungsrechte der Römer, die sich sowohl auf die inneren Angelegenheiten der Stadt Rom als auch auf Angelegenheiten des Kaiserreichs bezogen haben sollen, werden jedoch durch keine andere Quelle bestätigt. Die von kaiserlicher Seite gewünschte Zustimmung des römischen Volkes bereits zu den Kaisergesetzen vom 14. April, die Geltung über die Stadt Rom hinaus beanspruchten, kann aber kaum als eine Übertragung von Reichsgesetzgebungskompetenzen an die Stadtrömer angesehen werden, vielmehr wurde die Zustimmung der Großen des Reiches um die des stadtrömischen Volks erweitert. Mussatos Darstellung von der Initiative zur Papstabsetzung, die allein bei den Römern gelegen habe, wird von anderen Chronisten nicht geteilt. Heinrich Taube von Selbach schreibt im Abschnitt über die Geschichte der Päpste: »Hier vermaß er sich, auf das Verlangen einiger Geistlichen und des römischen Volkes den Papst Johannes abzusetzen«.1120 Im Abschnitt zur Geschichte der Kaiser spielt die Absetzung Johannes’ XXII. gegenüber der Wahl des neuen Papstes eine ganz untergeordnete Rolle. Heinrich weist im Zusammenhang mit der Wahl Nikolaus V. lediglich darauf hin, daß Johannes XXII. die Kurie in Avignon behielt.1121 Das Fernbleiben des Papstes und der Kurie von Rom wird von zwei 1119 Mussato, ed. Böhmer, 1843, S. 175, Z. 1 – 21: »[…] concessa populo plebique Romanorum de rebus imperii potestate consulendi, efficiendique quicquid ad statum reipublice pertineret. Plebs vero ac populus, ut eorum moris semper est, gaudere novis rebus, non modo Ludovici nomen extollere, sed et papam Ioannem detestari criminari in publicum cepere, verumque papam negare. Nova crimina in eum addicere. Dum a plebe primum succrevit vox, in ipsumque vulgus invaluit: Reprobum Ioannem papam, atque non papam haberi. Novum creandum summum pontificem, qui sibi fratrum cardinalium novorum conventum concreet atque constituat; sacrosanctam ecclesiam Romanam in sua Roma ordinariis basilicis regat, reverenter officiorum divinorum celebritate decoret; illum Ioannem, qui trans montes sacre ecclesie alludit, anathematizet; hic colatur, in reverentiaque Romanorum et totius orbis terre habeatur ; cui et specialiter pareatur; utrumque tribunal, et temporale et spirituale, Rome consistat. Vox hec communeque plebis vulgare ad populum et patris conscendit, adeoque frequens increbruit, ut pari omnium consensu ad Ludovicum regem suum hec retulerint, fierique obnixe postulaverint.« Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 34 – 35, und Engelsing, Albertino Mussato, 1982, S. 41 – 42. 1120 Heinrich Taube, ed. Bresslau, 1922, Papae, S. 24, Z. 2 – 4: »Ubi ad suggestionem quorundam clericorum et populi Romani predictum papam Iohannem deponere presumpsit«. 1121 Heinrich Taube, ed. Bresslau, 1922, Reges, S. 40, Z. 14 – 20: »Eodem anno idem Ludwicus ad complacendum populo Romano et ad suggestionem quorundam clericorum et laycorum quendam fratrem de ordine Minorum nomine Petrum de Curvario erexit et prefecit
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Die Absetzungserklärung gegen Papst Johannes XXII.
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weiteren Chronisten, bei Guillelmus Cortusius und bei Galvano Fiamma im Manipulus florum, als Ludwigs Motiv für die Absetzung Johannes XXII. genannt oder angedeutet.1122 Gut informiert ist auch hier Andrea Dei, der vermutlich den Text des Absetzungsurteils kannte.1123 Die zweite bayerische Fortsetzung der Sächsischen Weltchronik berichtet in unmittelbarem Anschluß an seinen Bericht über die Kaiserkrönung Ludwigs mit bemerkenswerter Treffsicherheit über den Charakter des Konfliktes: »In den selben zeiten was ein pabst, hiez Johannes, der viel in unwillen gen dem kaiser und kuendiget in ze panne in Daeutschen landen und in Baelschen landen und sprach, er wer en checzer und er waer des reichs nicht wirdig. Da sprach der kaiser, er waer ze recht nicht pabst, und er waer selber ein checzer«.1124
Auch Matthias von Neuenburg spricht nicht explizit von einer Absetzung, sondern steigert seine Darstellung der Kaiserkrönung durch die Römer, die sich das Krönungsrecht des Papstes gegen dessen Willen angeeignet hätten, indem er gleich im Anschluß auch Ludwig als Akteur gegen den Papst benennt: »Ludwig hielt dann dem Papst Johannes auch noch Majestätsverbrechen und Häresie vor.«1125 Die Absetzung Johannes’ XXII. wird von Matthias von Neuenburg als solche nicht ernst genommen, statt dessen gerät ihre Begründung zu einer Randnotiz, die lediglich belegen soll, wie groß die Schmähungen waren, die der Papst erdulden mußte. Knapp ist die Mitteilung von Heinrich von Herford,1126 der an anderer Stelle seiner Chronik für den Vorgang nicht mehr den Kaiser als
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in papam vel potius in antipapam, deponens papam Iohannem XXII, qui tunc curiam Romanam Avinione tenebat.« Guillelmus de Cortusius, Buch III, Kap. 11, ed. Pagnin, 1941 – 1975, S. 48, Z. 34 – 35: »Ludovicus contra Summum Pontificem, qui erat in Avignone, formavit suos processuus, et demum eum pronunciavit hereticum.« – Galvano Fiamma, Manipulus florum, Kap. 366, in: RIS, Bd. 11, 1727, Sp. 732B: »Tunc Ludovicus, allegatis multi caussis parvi valoris, Johannem Papam XXII. in Avinione existentem excommunicatum, haereticum, et depositum promulgavit«. Cronica Sanese di Andrea Dei, in: RIS, Bd. 15, 1729, Sp. 80D: »E in questo tempo a d' 17. d’Aprile l’Omperadore essendo a Roma fece parlamento nella piazza dinanzi a Santo Pietro, nel quale luogo fu tutta la Chericia di Roma, e ine sentenzik Jacomo da Chaorse, il quale si diceva Papa Giovanni XXII. per Eretico, e scomunicato, e cassollo, e privollo elli, e ’l Popolo di Roma, e tutta la Chericia di Roma d’ogni degnit/ di Papato, e d’ogni benefizio Ecclesiastico: e cos' ne fH Bolle sigillate di Sugiello d’oro, e attaccate al la Porta di Santo Pietro confitte nelle Porti maestre.« Zweite Bairische Fortsetzung der sächsischen Weltchronik, ed. Weiland, 1877, S. 338, Z. 22 – 25. Matthias von Neuenburg, Kap. 52a, Rec. WAU, ed. Hofmeister, 1924, S. 368, Z. 9 – 10: »Ludewicus eciam Iohanni pape pro tunc crimen lese maiestatis et heresim impingebat.« Dies wird in der Übersetzung von Grandaur, Die Chronik des Mathias von Neuenburg (GdV, Bd. 84 = 14. Jhdt., Bd. 6), 1915, S. 86, nicht deutlich. Heinrich von Herford, ed. Potthast, 1859, S. 246: »[…] Lodewicus […] Johannem sicut hereticum de papatu deponit«.
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Akteur benennt, der nur noch als Instrument erscheint, sondern Klerus und Volk von Rom sowie anachronistisch auch den neuen Papst.1127 Peter von Zittau berichtet über die Absetzung des Papstes gleichsam als Nachtrag zur ausführlich geschilderten Erhebung des Gegenpapstes, die er aber, wie er sagt, zur Vermeidung des Ärgernisses nicht schildern will.1128 Die Anzahl der zwar zum Romzug einschlägigen Chroniken, die aber über die Papstabsetzung nicht berichten, ist auffällig groß.1129 Abgesehen von der minderen Bedeutung, die die Papstabsetzung deswegen gehabt hat, weil ihre Wirkung vor allem symbolisch war, haben die kaiserlich gesinnten Chronisten möglicherweise auf einen Bericht verzichtet, um Ludwig zu schonen.1130
6.2.4 Der Einfluß von Marsilius und Johannes von Jandun auf die Papstabsetzung im Spiegel der Quellen Am Gründonnerstag des Jahres 1329, dem 20. April, erließ Papst Johannes XXII. einen weiteren Prozeß gegen Ludwig den Bayern. Nach dem Erlaß gegen Ludwigs Kaiserkrönung und den Prozessen gegen die daran Beteiligten vom 31. März 1328, ebenfalls am Gründonnerstag, war dies – ein volles Jahr danach – der erste Prozeß, der als Reaktion auf Ludwigs Absetzungssentenz gegen Johannes XXII. vom 18. April 1328 angesehen werden kann.1131 Tatsächlich gibt dieser Prozeß Aufschluß über die kuriale Einschätzung von Ludwigs römischer Politik und Marsilius’ Einfluß auf sie wie kaum eine andere Quelle. Der Abschnitt in der 1127 Heinrich von Herford, ed. Potthast, 1859, S. 247: »[…] per Romanum clerum et populum et papam Nicolaum cum imperatoris assensu publice deposito«. 1128 Peter von Zittau, Teil 2, Kap. 20, ed. Loserth, 1875, S. 455: »Eodem tempore Ludowicus Bavarus extra basilicam beati Petri Romae in platea publica processum multa continentem convicia contra Johannem papam fecit, quem propter evitationem scandali hic annotare me ipsius facti displicentia non permisit.« 1129 Es sind die Chronica de ducibus Bavariae, die Chronica Ludovici imperatoris quarti, Johann von Winterthur, die Vita des Balduin von Luxemburg, Kaiser Karl IV. in seiner Autobiographie, Hugo Spechtshart von Reutlingen sowie sein Glossator, Johann von Viktring, in der Schlußredaktion seiner Chronik, die Cronaca di Pisa von Ranieri Sardo, Marcha di Marco di Battagli da Rimini, Storie Pistoresi, die anonyme Chronaca Sanese, Galvano Fiamma in seinem Opusculum de rebus gestis, der zweite Fortsetzer des Wilhelm von Nangis, Fritsche Closener und Jakob Twinger von Königshofen. 1130 Für diese könnte gelten, was Kraus, Bild, 1997, S. 35, über einen frühneuzeitlichen Geschichtsschreiber sagt: »Den Inhalt der Absetzungssentenz enthält er dem Leser vor, ohne Zweifel, um Ludwig zu schonen, nicht den Papst.« Die angeführten mittelalterlichen Chronisten verschweigen sogar die Tatsache der Absetzung. 1131 In der Forschung wurden diese Prozesse jedoch kaum beachtet. Der Prozeß gegen Ludwig wird lediglich als Wiederholung alter Vorwürfe bewertet (z. B. Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 39), obwohl bereits die Chronologie der Prozeßschriften interessante Aussagen erwarten lassen müßte.
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Prozeßschrift gegen Ludwig, der von der Aufnahme der Ketzer Marsilius und Johannes von Jandun handelt, stimmt zwar zum großen Teil wörtlich überein mit dem Anfang von Licet iuxta doctrinam, hat demgegenüber aber einen bemerkenswerten Zusatz. Eine Häresie des Defensor pacis wird nun hervorgehoben: daß es dem Kaiser zustehe, einen Papst einzusetzen und abzusetzen und zu bestrafen.1132 Dies ist auch neu gegenüber Dudum volentes, der letzten Verurteilung Ludwigs vom 23. Oktober 1327. Der Zusammenhang zwischen dieser verurteilten Lehre des Marsilius und Ludwigs Politik wird dann in der Papstbulle in einer Deutlichkeit hergestellt, die in keiner anderen Quelle zu finden ist: »[…] Ludwig hat sich nicht gescheut […] dieselben, Marsilius und Johannes, die er in Deutschland an seinem Hof aufgenommen hatte und die sich erdreisteten, unter dessen Schutz die genannten und viele andere Irrlehren öffentlich zu lehren und starrsinnig zu verteidigen und die in Rom, nachdem die besagte Verurteilung verbreitet wurde, öffentlich predigten, daß die genannten verdammten Artikel wahr wären, an seinem Hof zu behalten und in der Tat zu unerhörten Wahnsinn verleitet, so daß er das, was er innerlich glaubte, durch den Beweis eines äußeren Werkes offenbarte, indem der genannte Häretiker und Schismatiker Ludwig […] an einem festgesetzten Tag und Ort öffentlich und in Gegenwart des zusammengerufenen Klerus’ und Volkes von Rom den genannten Irrtum vertrat, nämlich daß es dem Kaiser zustünde, einen Papst abzusetzen, und erdreistete sich, gegen Uns eine Absetzungssentenz zu verkünden«.1133 1132 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 575, S. 476 – 480, hier § 3, S. 477, Z. 29 – 46: »Sane infelix homo iste a predicta heresi resilire contempnens se alia noscitur involvisse. Dudum quidem ad nostram audientiam relatione tam verbali quam litterali plurium sublimium personarum necnon fama publica notoriante perducto, quod duo viri nequam perditionis filii et maledictionis alumpni, videlicet Marsilius de Padua et Iohannes de Ianduno, quendam librum composuerant inter multa alia erronea continentem, quod ad imperatorem spectat papam instituere ac destituere et punire, nos super illo et nonnullis aliis eorumdem articulis erroneis tam cum fratribus nostris sancte Romane ecclesie cardinalibus quam cum multis ecclesiarum prelatis necnon et cum pluribus sacre theologie magistris ac utriusque iuris professoribus tunc presentibus in curia deliberatione prehabita diligenti, cum in hoc eorum deliberatio resideret, tam prefatum articulum quam alios in nostro processu predicto et sententia contentos esse sacre scripture contrarios fideique catholice inimicos, de eorumdem fratrum nostrorum consilio in consistorio publico presente fidelium copiosa multitudine ipsos articulos hereticales et erroneos necnon et predictos Marsilium et Iohannem hereticos immo heresiarchas fore manifestos et notorios declarandos duximus et sententialiter condempnandos, in eadem sententia hoc adiecto quod si quis doctrinam predictam defendere seu approbare presumeret, cuiuscunque dignitatis aut status existeret, deberet ab omnibus tamquam hereticus confutari.« (Hervorhebung von mir.) Zuvor gedruckt bei MartHne/Durand, Thesaurus, Bd. 2, 1717, Sp. 771 – 777 (mit Exekutionsmandat vom 5. Mai 1329); Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 91, S. 222. 1133 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 575, § 4, S. 478, Z. 7 – 17: »[…] Ludovicus […] ipsos Marsilium et Iohannem, quos in partibus Alamannie in suam familiaritatem admiserat et sub cuius umbra errores prefatos et multos alios publice dogmatizare presumpserant et pertinaciter defensare ac in Urbe prefata post latam predictam sententiam predicantes publice, predictos dampnatos articulos veros esse, in suam familiaritatem non erubuerat
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Der Romzug Ludwigs des Bayern II: Kaiser und Kirche
Ludwig wird nicht nur angelastet, daß er als Kaiser die Absetzung eines Papstes erklärt hat und dies unrechtmäßig sei, sondern auch und vor allem, daß diese politische Handlung eine Umsetzung der häretischen Lehre des Marsilius und, wie die Kurie annahm, des Johannes von Jandun sei. Dabei war es Johannes XXII. offenkundig wichtiger, Ludwigs Übernahme dieses politischen Grundsatzes zu verurteilen als die Absetzungssentenz selbst. Auffällig ist, daß in diesem Prozeß allein von dem Absetzungsurteil die Rede ist, die Erhebung des Gegenpapstes findet keine Erwähnung. Sie wird allerdings in der am selben Tag erlassenen Prozeßschrift gegen den Gegenpapst Nikolaus V. ausführlich verurteilt.1134 Marsilius’ Einfluß auf die Absetzung Johannes’ XXII. ist in umfangreicher Weise auch Gegenstand einer wichtigen erzählenden Quelle, nämlich des Ludovicus Bavarus des Paduaner Poeten und langjährigen väterlichen Freundes Albertino Mussato. Mussato führt Marsilius ein im Zusammenhang mit dem Wunsch der Römer, Papst Johannes abzusetzen: »Ludwig, der sich dem Fortgang seines Glücks nicht verweigerte, legte diese Dinge den Ersten seiner Hausgemeinschaft, die er aus Deutschland mitgeführt hatte, zur Prüfung und sorgfältiger Beratschlagung vor. Unter ihnen waren zwei Italiener, die viele Anstrengungen auf die Erhöhung Ludwigs verwendet und sich seiner Seite angeschlossen hatten, deren Ratschläge er hauptsächlich benutzte: Marsilius Raymundini, ein nichtadliger Bürger Paduas, der der Philosophie kundig und in der Rede gewandt war, und Ubertino von Casale, ein Mönch aus Genua, der ein ähnlich schlauer (astutus) und geistreicher (ingeniosus) Mann war.«1135
Mussato gibt hier wie kein anderer Quellenautor einen Einblick in die Bedeutung von Ratgebern für die Politik Ludwigs des Bayern in Italien. Die Hervorhebung retinere necnon ad inauditam inductus insaniam, ut quod credebat interius, per evidentiam exterioris operis declararet, certa die et loco convocato publice clero dicte Urbis et populo ac presente prefatus Ludovicus hereticus et scismaticus, (pluribus innodatus excommunicationum sententiis et omni honore privatus), asserens errorem predictum, videlicet quod imperatori licebat papam deponere, contra nos depositionis de facto presumpsit sententiam promulgare«. Gleichlautend im Prozeß gegen Ludwig vom 4. Januar 1331 über Marsilius, MartHne/Durand, Thesaurus, Bd. 2, 1717, Sp. 816 – 825 (mit Exekutionsmandat vom 8. Januar), zu Marsilius Sp. 817 – 818; Vollregest (»Analyse«) in MGH Const. VI/2,1, ed. Bork, 1989, Nr. 1, S. 1 – 2, bes. S. 2, Z. 4 – 17; Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 109, S. 224. 1134 Vgl. dazu unten S. 377 f. 1135 Mussato, ed. Böhmer, 1843, S. 175, Z. 22 – 30: »Ludovicus, fortune eius successum non abnuens, inter primates sui contubernii, quos secum ex Alemania abduxerat, hec exquirenda et consiliis eruminanda diligenter proposuit. In iis Italici duo erant, qui Ludovici productioni operas multas dederant, eiusque lateri sese adiunxerant, quorum consiliis potissimum fruebatur : Marsilius de Raymundinis, civis Paduanus plebeius, philosophie gnarus et ore disertus, et Ubertinus de Casali Ianuensis, monachus, vir similiter astutus et ingeniosus.« Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 35, und Engelsing, Albertino Mussato, 1982, S. 42 – 43.
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Die Absetzungserklärung gegen Papst Johannes XXII.
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von Marsilius und Ubertino von Casale unter Ludwigs Ratgebern wird nicht nur dadurch erklärt, daß es sich bei beiden um Italiener handelte. Mussato hebt Marsilius und Ubertino mit den Attributen astutus und ingeniosus hervor. Allerdings sind diese Adjektive mehrdeutig, da sie Bedeutungsfelder von klug bis verschlagen und von scharfsinnig bis trügerisch haben.1136 Ob Mussato diese Mehrdeutigkeit an dieser Stelle intendiert hat, ist nicht zu sagen, wenn seine späteren Erwähnungen dieser Ratgeber auch durchweg negative Zuschreibungen enthalten.1137 Im Falle von Marsilius nennt Mussato noch zwei weitere Eigenschaften, die auf den Charakter von Marsilius’ Beratung hinweisen. Mussato erwähnt eigens die philosophischen Kenntnisse des Marsilius, die möglicherweise als Hinweis auf eine Beratung, die sich an dessen politischer Theorie orientierte, verstanden werden kann. Weiterhin beschreibt Mussato Marsilius als redegewandt, was sicher zu einem beträchtlichen Teil den Erfolg des Marsilius bei seinen öffentlichen und halböffentlichen Reden erklären kann. Deutlich wird in jedem Fall, daß diese beiden Berater die Gelegenheit gesucht und offensichtlich energisch genutzt haben, Ludwig durch ihren Rat in ihrem Sinne zu unterstützen. Ihre individuelle Bedeutung für Ludwigs politische Entscheidungen hebt Mussato ausdrücklich hervor, indem er angibt, daß Ludwig sich unter seinen Ratgebern sogar hauptsächlich auf Marsilius und Ubertino stützte. Johannes von Jandun hingegen spielt in Mussatos Darstellung im Unterschied zu den kurialen Dokumenten keine Rolle.1138 Mussato berichtet weiter : »Nachdem mit diesen und den übrigen seiner Gemeinschaft, wie gesagt, die Beratung abgeschlossen war, ist beschlossen worden, sich den Neigungen und Absichten des römischen Volkes anzuschließen und nicht von ihren Absichten und Zustimmungen
1136 Friedensburg/Lohmer haben mit »verschlagen« und »gewandt«, Engelsing dagegen hat mit »klug« und »einfallsreich« übersetzt. Die Forschung, z. B. Matthias, Beiträge, 1908, S. 45, ist der negativen Charakterisierung (der älteren Ausgabe) von Friedensburg gefolgt. 1137 Ich habe daher eine Übersetzung gewählt, die sich im Hinblick auf die Bewertung der charakterisierten Personen im mittleren Bereich befindet. 1138 Das hat Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, Excurs 13, S. 339; Chroust, Romfahrt, 1887, S. 135, Anm. 1, und zuletzt Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 35, Anm. 1, und Giese, Bemerkungen, 1997, S. 333 f., zu der Vermutung veranlaßt, daß hier ein Fehler Mussatos vorliegt, indem er Ubertino mit Johannes von Jandun verwechselt. Dafür liegt aber kein weiterer Hinweis vor, so daß an dieser Angabe nicht begründet gezweifelt werden kann. Der nachfolgende Bezug auf den Armutsstreit macht den Franziskaner Ubertino plausibler, vor allem aber treffen weder die Bezeichnungen monachus noch italicus auf Johannes von Jandun zu, beide aber auf Ubertino. Zu Ubertino vgl. Johannes Chrysostomos Huck, Ubertin von Casale und dessen Ideenkreis. Ein Beitrag zum Zeitalter Dantes, Freiburg 1903; Ernst Knoth, Ubertino von Casale. Ein Beitrag zur Geschichte der Franziskaner an der Wende des 13. und 14. Jahrhunderts, Marburg 1903, bes. S. 157 – 161; Gian Luca Potest/, Marsilio e Ubertino da Casale, in: Medioevo 6 (1980), S. 449 – 466, bes. S. 449.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern II: Kaiser und Kirche
abzuweichen. Sie selbst sollten beschließen; dem Beschluß ihres Senats und Tribunats sollte in allem gehorcht werden.«1139
Mussato führt Ludwigs Entschluß, Papst Johannes XXII. abzusetzen, ausdrücklich auf den Rat von Marsilius, Ubertino und anderen Ratgebern zurück. Nur mit Skepsis ist dagegen die allein von Mussato berichtete umfassende Übertragung der politischen Entscheidungsbefugnis an die Römer zu Lasten des Kaisers aufzufassen.1140 Das gilt insbesondere für die in keiner anderen Quelle zu findende Behauptung des Frühhumanisten Mussato von der Wiederbelebung des altrömischen Tribunats. Aber immerhin kann in Mussatos Bericht ein Reflex auf die Kooperation Ludwigs mit den Römern gesehen werden, die dazu diente, sich der Unterstützung der Römer zu versichern. Weiter heißt es bei Mussato: »Während nun das römische Volk in leidenschaftlicher Aufregung entbrannte und die Gemüter sich zur Einführung von Neuerungen mehr und mehr erhitzten, zumal seit Exkommunikationssentenzen von seiten des Papstes Johannes übermittelt worden waren, verstanden die schon genannten Berater und obendrein Verfasser der Prozesse, Marsilius und Ubertino, mit viel Geschick Erlasse gegen dessen Person und Handlungen zu schreiben und zusammenzustellen, die vom römischen Senat und Volk veröffentlicht wurden: Johannes, der bisher den päpstlichen Namen geführt habe, sei als Schismatiker und gottloser Ketzer seiner Würde entsetzt und als Abtrünniger verworfen.«1141
Da hier von mehreren Erlassen die Rede ist, meint Mussato neben der Absetzungssentenz vom 18. April vielleicht auch die Kaisergesetze vom 14. und 23. April, in denen die Absetzung vorbereitet und anschließend die Residenzpflicht des Papstes in Rom festgelegt wurde. Mussatos Wiedergabe der Gründe 1139 Mussato, ed. Böhmer, 1843, S. 175, Z. 30 – 35: »Cum his et reliquis sue communionis, ut dictum est, consilio firmato, decretum est, populi Romani inductionibus consiliisque adherere, nec ab eorum consiliis ac assensibus discedere. Ipsi decernant, suo senatus tribunatusque consulto in omnibus parendum.« Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 35 – 36, und Engelsing, Albertino Mussato, 1982, S. 43. 1140 Vielleicht wollte Mussato lediglich das Streben der Römer nach Wiederherstellung einer herausgehobenen Bedeutung durch das Stilmittel der Anklänge an antike Institutionen versinnbildlichen. Dem Niedergang der Bedeutung Roms im 14. Jahrhundert, das vor allem durch das Fernbleiben der französischen Päpste und deren Übertragung der Stadtherrschaft an den König von Neapel noch verstärkt wurde, wurde begegnet mit einem stärker werdenden Rückgriff auf die antike Vergangenheit, die mit Cola die Rienzo später einen Höhepunkt erreichte. 1141 Mussato, ed. Böhmer, 1843, S. 175, Z. 36 – S. 176, Z. 5: »Protinus vehementissimis populi Romani caloribus, ignitisque ad has res novas animis, Ioannes XXII papa excommunicationibus propinatis, in personam at actus eius, prout iam dicti Marsilius et Ubertinus consultores ac etiam processuum dictatores conscribere atque componere multo studio sciverunt, edicta a senatu populoque Romano promulgata sunt: Ioannem eo usque dictum papam, tamquam schismaticum profanum et hereticum, cassum et reprobum seu reprobatum«. Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 36, und Engelsing, Albertino Mussato, 1982, S. 43.
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Die Absetzungserklärung gegen Papst Johannes XXII.
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für die Absetzung des Papstes ist allerdings unvollständig, da nicht erwähnt wird, daß neben der Häresie auch das crimen laesae maiestatis aufgeführt wird. Mussato verstärkt noch das Gewicht, das er auf den Vorwurf der Häresie legt, indem er eine längere Ausführung über den theoretischen Armutsstreit folgen läßt.1142 Im Anschluß an diesen Exkurs schreibt Mussato: »Darüber hinaus verfaßten dieselben Ratgeber und Verfasser nach ihrem freien Willen ein gewisses, gesondertes Schriftstück über die Gewalt des Papstes, das in den römischen Kirchen verbreitet wurde, in dem sie die Meinung äußerten, daß Johannes selbst mehrfach geirrt habe.«1143
Es kann kein Zweifel sein, daß mit den Ratgebern hier wiederum Marsilius und Ubertino gemeint sind. Ebenso kann kein Zweifel bestehen, daß Mussato diesen beiden Gelehrten eine erhebliche Teilhabe an den politischen Geschehnissen in Rom zuschreibt. Darüber hinaus haben sie offenbar auch ganz selbständig politisch gehandelt, als sie, wie Mussato berichtet, Schriftstücke gegen den Papst verfaßt und in den Kirchen Roms verbreitet haben, so wie es Marsilius bereits in Mailand getan hat. Mussato kommt auf die Ratgeber Ludwigs des Bayern noch mehrmals zurück, ohne jedoch die Namen zu nennen. Unter den Argumenten, die dafür sprechen, daß Ludwig der Bayer das Recht auf die Würde eines römischen Kaisers verwirkt habe, nennt Mussato: »Ferner habe er auf den Rat einiger nichtsnutziger Menschen, die er an sich gezogen hatte, Papst Johannes geschmäht und verunglimpft und unter dem wüsten Geschrei des leidenschaftlich erhitzten Pöbels und Volkes, ohne die vorgeschriebenen Formen des kirchlichen Rechts zu beachten, tatsächlich in einem ketzerischen und unchristlichen Erlaß die Absetzung des Papstes verkünden lassen.«1144
1142 Mussato, ed. Böhmer, 1843, S. 176, Z. 5 – 29. 1143 Mussato, ed. Böhmer, 1843, S. 176, Z. 29 – 32: »Insuper de potentia pape consultores iidem ac dictatores distinctum quoddam in suis optionibus composuere chirographum, secundum quod ipsum Ioannem multifariam errasse censebat, in Romanis basilicis divulgatum.« Die Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 37, und Engelsing, Albertino Mussato, 1982, S. 45. Friedensburg/Lohmer übersetzen »[…] während sie überdies noch auf eigene Hand einen besonderen Passus über die Gewalt des Papstes abfaßten«. Das erweckt den Eindruck, als handelte es sich um einen Abschnitt in Gloriosus Deus. Daß es sich dabei vielmehr um separate Anklageschriften oder »Flugblätter« handelte, spricht schon Gregorovius, Geschichte, Bd. 6, 1867, S. 152, deutlich aus. 1144 Mussato, ed. Böhmer, 1843, S. 188, Z. 27 – 32: »Quodque pravis aliquorum sibi adiunctorum consiliis papam Ioannem abhominatus ac detestatus furioso plebis populique Romani clamore accensoque rumore, in illum, sub nullius sacri solemnisque iuris serie, solius facti executione, depositionis hereticeque superstitionis sententiam fulminasset.« Die Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 60, und Engelsing, Albertino Mussato, 1982, S. 77.
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Im gleichen Abschnitt heißt es abschließend: »Und wenn schon die Parteigänger des Kaisertums dies mehr den erwähnten Spießgesellen und verruchten Beratern als Ludwig selbst zuschreiben zu sollen meinen, so könnte ihn diese Entschuldigung doch nicht ganz rechtfertigen.«1145
Die »Spießgesellen« und »verruchten Berater« sind aus dem Kontext auch auf Marsilius und Ubertino zu beziehen. Ihr Einfluß auf die Absetzung Papst Johannes’ XXII. wird ein weiteres Mal hervorgehoben. Es wird aus dem letzten Abschnitt aber auch deutlich, welche Reputation diese Berater innerhalb der kaiserlichen Partei haben: Der ihnen von Ludwig gewährte Einfluß wird offenbar nicht von allen gutgeheißen. Auch wenn hier der Topos vom »bösen Ratgeber des gutwilligen Herrschers« eine Rolle spielt, so ist doch auch bekannt, daß insbesondere die Absetzung Papst Johannes’ XXII. und die Einsetzung des Gegenpapstes in Ludwigs Lager zur Uneinigkeit geführt und Ludwig Unterstützung gekostet haben.1146 Kein anderer Autor stellt die Rolle des Marsilius während des Romaufenthalts Ludwigs des Bayern so sehr heraus. Mussatos Darstellung kann als sehr wertvolle Quelle bewertet werden, da sie in großer zeitlicher Nähe zu den Ereignissen verfaßt wurde und vor allem unabhängig von den päpstlichen Prozessen ist. Mussato konnte den Prozeß gegen Ludwig vom 20. April 1329, der ebenfalls den Einfluß von Marsilius auf die Papstabsetzung belegt, wohl nicht mehr gekannt haben, da er im Mai 1329 gestorben ist. Der Einfluß von Marsilius auf die Politik in Rom wird jedoch allein bei der Absetzung des Papstes angeführt. Zur Kaiserkrönung, deren Verlauf Mussato nicht schildert, gleichwohl aber bewertet, wird Marsilius nicht erwähnt. Auch bei der Darstellung der Erhebung des neuen Papstes findet sich kein Wort zu Marsilius. Der Wandel in dem Verhältnis zwischen Mussato und Marsilius, »seines ursprünglichen Jugendfreundes, aber nachherigen politischen Feindes«,1147 wird selten hervorgehoben. Die entscheidende Rolle dafür, daß Mussato Partei gegen Marsilius ergriff, spielte wohl die Absetzung des Papstes, die dem Paduaner Guelfen nur als Unrecht erscheinen konnte und die er ausführlich kritisierte. Vom Defensor pacis ist weder in Mussatos Brief noch im Ludovicus Bavarus die Rede. Es ist nicht zu sagen, ob Mussato den Inhalt des Werkes kannte. Zumindest in dem Brief an Marsilius zu Beginn des Romzugs hätte man eine Andeutung darauf erwarten können. Als Häretiker bezeichnet er Marsilius nicht. Ob Mus1145 Mussato, ed. Böhmer, 1843, S. 189, Z. 7 – 10: »Verum cum per plurimos imperialis factionis hec iam dictis consodalibus pravisque consiliariis, quam ipsi Ludovico ascribi dicerentur, usquequaque tamen ipsa excusatio non levebat.« Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 61, und Engelsing, Albertino Mussato, 1982, S. 78. 1146 Vgl. unten S. 360. 1147 Wichert, Beiträge, 1876, S. 72, Anm. 2.
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sato die Prozesse gegen Marsilius nicht kannte oder ihn wenigstens in diesem Punkt in seiner Darstellung aus alter Verbundenheit schonen wollte, ist nicht klar zu sagen. Die von Marsilius vertretenen Grundsätze über die Rechte des Kaisers gegenüber dem Papst spielen in Mussatos Darstellung keine ausdrückliche Rolle. Die in dem Brief vom Anfang des Jahres 1327 von Marsilius erbetenen Informationen über den Italienzug des Kaisers hat Mussato wohl nie erhalten, es darf aber angenommen werden, daß Mussato jede Nachricht über Marsilius mit großem Interesse aufgenommen hat.
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6.3.1 Das Kaisergesetz vom 23. April 1328 Bereits am 23. April 1328, nur fünf Tage nach der öffentlichen Verkündung der Absetzung von Papst Johannes XXII., erließ Ludwig ein weiteres Kaisergesetz, das im Wortlaut überliefert ist.1148 Ähnlich wie die Kaisergesetze vom 14. April, die die Absetzung Papst Johannes’ XXII. vorbereiten sollten, sollte dieses Kaisergesetz der Erhebung eines neuen Papstes den Weg bereiten. Der Anlaß für dieses Gesetz war jedoch ein spektakulärer Vorfall: Villani berichtet, daß Giacomo aus der kurientreuen Linie der Colonna, deren Angehörige Rom verlassen hatten, in die Stadt kam und auf dem Platz vor der Kirche San Marcello einen Prozeß Papst Johannes’ XXII. gegen Ludwig, der bis dahin in Rom noch unbekannt gewesen war, vor angeblich mehr als 1000 Römern öffentlich verkündete.1149 Daraufhin ließ Ludwig gleich am folgenden Tag zur Beratung eine Versammlung einberufen, zu der die Mitglieder der administrativen und repräsentativen Organe der Stadt Rom, nämlich die Senatoren, die 52 Volksvertreter, die »Capitani der 25«, die Konsuln und die 13 »Guten Männer«, einer aus jeder 1148 Eine kritische Edition ist MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 438, S. 361 – 362, die gegenüber dem Abdruck bei Ficker, Urkunden, 1865, Nr. 112, S. 68 – 69, auf einer weiteren, älteren abschriftlichen Überlieferung beruht, aber offensichtliche Fehler enthält. Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 994, S. 60. 1149 Villani, Buch 11, Kap. 71, Überschrift und Z. 1 – 10, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 606: »Come il figliuolo di messer Stefano della Colonna entrk in Roma, e piuvick il processo del papa contro al Bavero. Apresso la detta sentenzia data per lo Bavero contro a papa Giovanni XXII, il venerd', d' XXII del detto mese d’aprile e de la detta indizione, messer Iacopo figliuolo di messer Stefano della Colonna venne in Roma ne la contrada di Santo Marcello, e ne la piazza de la detta chiesa, in presenza di piF di M Romani ivi raunati, trasse fuori uno processo scritto, fatto per papa Giovanni contra Ludovico di Baviera, e nullo era stato ardito di recarlo e piuvicarlo in Roma, e quello diligentemente lesse«. Zu denken ist dabei vielleicht schon an den Prozeß gegen Ludwig vom 31. März 1328 wegen der Kaiserkrönung. Ob auch der Prozeß gegen die Römer vom selben Tag bei dieser Begebenheit verkündet wurde, bleibt unklar.
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Rione, eingeladen wurden.1150 Noch am selben Tag wurde das Kaisergesetz Semper cum Dei beschlossen. In der Arenga und Narratio heißt es: »Von jeher eifern Wir mit Gottes Hilfe, jede Vorkehrung zu treffen, alle Unsere Untertanen, deren Regierung Gott Uns übergab, unverletzt und ohne Schaden zu schirmen und vornehmlich die heilige Stadt Rom, die seit alters her den Stammsitz der Könige erhalten hat, und es wird von niemandem bezweifelt, daß die Würde des höchsten Pontifikats in ihr ist. Diese Würde hat nämlich unser Erlöser im Ursprung dem heiligen Petrus, dem höchsten aller Apostel, übertragen, damit er seine Gaben von diesem gleichsam wie vom Kopf auf den ganzen Körper ergieße, dem die wunderbare Fürsorge unseres Erlösers den heiligen Paulus für das Apostolat der Völker durch den Handschlag der Gemeinschaft beigesellt hat, die beide zusammen die Stadt Rom zu diesem Ruhm befördert haben, damit so das auserwählte Volk und die priesterliche und kaiserliche Stadt durch den Heiligen Stuhl des heiligen Petrus wirklich das Haupt des ganzen Erdkreises genannt wird. Allerdings bedenken Wir, daß der genannte Heilige Stuhl durch göttliche Fügung eingerichtet wurde und da er nun grundlos von seinen Hirten verlassen wurde, aus der so lang anhaltender Abwesenheit [dieser Hirten] dem genannten Stuhl und der Stadt Rom und der gesamten heiligen Kirche Gottes Bedrängnisse und Gefahren widerfuhren und erwartet wird, daß sie ihnen wahrscheinlich in Zukunft widerfahren«.1151
In dem Kaisergesetz werden die traditionellen Lehren von der Einsetzung Petri als Haupt der Apostel durch Christus selbst und von Petrus als erstem Bischof von Rom vertreten, die als Grundlage des Vorrangs des römischen Bistums in der universalen Kirche angesehen wurden und werden. Es ist in der Forschung 1150 Villani, Buch 11, Kap. 72, Überschrift und Z. 1 – 7, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 607 – 608: »Come il Bavero e ’l popolo di Roma feciono legge contra qualunque papa si partisse di Roma. Il d'e sequente, c'o fu sabato, d' XXIII del detto mese d’aprile, richesti per bando i sanatori di Roma, e’ LII del popolo, e’ capitani di XXV, e’ consoli, e’ XIII buoni uomini, uno per rione, che fussono dinanzi a lo ’mperadore, e cos' fu fatto; e consigliarono assai sopra la novit/ fatta, come detto avemo, per messer Iacopo de la Colonna.« 1151 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 438, S. 362, Z. 6 – 21: »Semper cum Dei auxilio omnem providentiam facientes studemus omnes nostros subiectos, quorum regimen tradidit nobis Deus, illesos et sine calumpnia custodire et Romanam precipue urbem sacram, que antiquitus regum originem sortita est et summi pontificatus apicem apud eam esse a nemine dubitatur, quem quidem principatum Salvator noster in beato Petro apostolorum omnium summo principaliter collocavit, ut ab ipso quodam quasi capite dona sua velut in corpus omne transfunderet, cui Salvatoris nostri miranda provisio beatum Paulum in apostolatum gentium [so richtig Ficker, Schwalm hat irrtümlich genitum] per dexteram sotietatis adiunxit, qui ambo urbem Romanam in hanc gloriam produxerunt, ut sic populus electus et civitas sacerdotalis et imperialis per sacram beati Petri sedem capud totius orbis vocaretur effectu. Sane prefatam sedem sacram respicientes divinitus institutam et a suis quandoque pastoribus temere derelictam, ex quorum absentia diuturna quanta sedi prefate et urbi Romane ac universali ecclesie sancte Dei discrimina et pericula obvenerint et in posterum obvenire verisimiliter presumatur, ipsa magistra rerum efficax experientia manifestat, digne itaque ad Urbem ipsam eiusque regimen aciem nostre considerationis extendimus, ut felici ducta regimine preservetur a noxiis et optatis proficiat incrementis.«
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bereits hervorgehoben worden, daß beides von Marsilius zurückgewiesen wird. Marsilius vertritt zwar die Auffassung, daß es viele gute Gründe gibt, Rom als führendes Bistum anzusehen, diese Entscheidung habe aber nicht Christus getroffen, vielmehr sei dies eine menschliche Entscheidung, die allein die Gemeinschaft der Gläubigen, ein allgemeines Konzil oder der Kaiser treffen könne.1152 Dieses Kaisergesetz nimmt die Legitimation durchaus aus einer von Marsilius vertretenen Auffassung über die Befugnis des Kaisers, Regelungen im Hinblick auf das führende Bistum zu treffen, gibt aber als Beweggründe und Legitimation für den Inhalt der konkreten Regelung diejenigen traditionellen Auffassungen an, denen Marsilius so vehement widersprochen hat. In der Dispositio wird verfügt: »Daher setzen Wir wegen der Verpflichtung Unseres Amtes, indem Wir sie [die Stadt Rom] wegen der gefährlichen Geschehnisse zum rechten Ausgleich führen, auf den Rat Unserer Ersten und Vornehmen in dieser für immer geltenden Verfügung gemeinsam mit dem Klerus und dem ganzen römischen Volk fest, daß wer immer künftig auf den genannten unbesetzten Stuhl, so wie er als augenscheinlich unbesetzt erkannt wird, zur Würde des höchsten Pontifikats durch Wahl oder auf welche Weise auch immer aufgenommen werden wird, daß ein derartiger höchster Pontifex solchermaßen verpflichtet wird, in der Stadt Rom seine beständige Residenz zu haben, und daß er sich nicht außerhalb der genannten Stadt oder über zwei gewöhnliche Tagesreisen weit von dieser Stadt, ohne eine Erlaubnis des Klerus und Volkes erbeten und erhalten zu haben, auf irgendeine Weise entfernen könne; dessenungeachtet soll jedoch im vorgenannten Fall der genannte Stuhl mit dem Konsistorium in der Stadt verbleiben. Wenn aber ein höchster Pontifex es wagen sollte, sich entgegen der vorgeschriebenen Ordnung zu entfernen, und vom römischen Klerus und Volk nach dreimaliger Mahnung bis zu dem Termin, der demselben vom besagten Klerus und Volk mitzuteilen ist, nicht eilig nach Rom zurückkehren sollte, [um] daselbst, wie vorausgeschickt, beständig zu verbleiben, so wollen Wir durch dieses Recht, daß er der Ehre und Würde seines Pontifikats aufgrund der Autorität der vorliegenden Verfügung beraubt werde, und Wir verordnen, daß zur Wahl eines anderen höchsten Pontifex geschritten werden muß, gleich als wenn es durch den natürlichen Tod desselben bevorstünde, daß die Wahl eines anderen geschehe.«1153 1152 Vgl. oben S. 164 ff. Wie gegenteilig die Auffassungen sind, zeigt sich an der auch im Defensor pacis angeführten Wendung von der rechten Hand, die Petrus dem Paulus zum Zeichen ihrer Gemeinschaft reicht. Nach Marsilius hätte Petrus, wenn er tatsächlich von Christus als Haupt der Apostel eingesetzt worden wäre, dies nicht tun dürfen, sondern Paulus vielmehr eine Weisung geben müssen, DP II, 28, § 26, ed. Scholz, 1932/33, S. 570, Z. 16 – 17: »Quomodo eciam dextras dedit Petrus Paulo societatis? Imo mandatum dare debuit tamquam superior.« 1153 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 438, S. 362, Z. 21 – 35: »Proinde officii nostri debitum circa eam propter periculosos eventus ad libram moderaminis erigentes de principum et procerum nostrorum consilio hac in perpetuum valitura constitutione una cum clero et toto populo Romano sancimus, ut quicunque in posterum prefata sede vacante, prout presentialiter vacare dignoscitur, ad apicem summi pontificatus erit per electionem vel
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Das Kaisergesetz enthält mehrere Bestimmungen. Für die Zukunft wird regelhaft festgelegt, daß jeder neue Papst seine dauerhafte Residenz in Rom zu nehmen habe.1154 Von besonderem Interesse für das weitere Vorgehen ist die Aussage zum Modus künftiger Papsterhebungen. Die Wahl wird nur als eine Möglichkeit erwähnt und das Wahlverfahren nicht weiter bestimmt. Wer die Wähler sein sollen, ist ebenfalls nicht erwähnt. Alle Formen der Papsterhebung waren bis dahin an eine Wahl gebunden, wenn sich auch der Kreis der Wähler änderte. Eine kaiserliche Einflußnahme auf das Resultat der Wahl war vor allem bis zur Einführung des Wahlmonopols der Kardinäle möglich.1155 Ludwig stand in einer anderen historischen Situation. Die nach dem Kirchenrecht einzigen Wähler waren die Kardinäle. Im Unterschied zu vorangegangenen Kaisern, die eine der Form nach reguläre Papstwahl in ihrem Sinne lenkten, fand Ludwig die berechtigten Papstwähler in Rom nicht vor. Für die Erhebung des neuen Papstes konnte also nur eine Form gefunden werden, die dem geltenden Recht direkt alio quocunque modo assumptus, quod talis huiusmodi summus pontifex in urbe Romana continuam residentiam facere teneatur nec extra Urbem predictam seu per duas vulgares dietas longe ab ipsa Urbe absque cleri et populi petita licentia et obtenta se absentare valeat ullo modo, nichilominus tamen in casu premisso in Urbe prefata sede cum consistorio remanente. Si vero talis summus pontifex contra prescriptam formam se absentare presumpserit et a clero populoque Romano tertio monitus infra terminum eidem per dictum clerum et populum moderandum ad urbem Romanum celeriter non redierit, ibidem ut premittitur continue moraturus, ipso iure pontificatus sui honore et dignitate presentis constitutionis auctoritate volumus fore privatum, decernentes ad alterius summi pontificis electionem procedi debere, acsi per mortem ipsius naturalem de alio electionem fieri immineret.« 1154 Das ist der Hauptinhalt der Wiedergabe von Villani, Buch 11, Kap. 72, Z. 7 – 17, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 608: »E poi fue tratta fuori e publicata una nuova legge in questo tenore: che il papa, il quale lo ’mperadore e ’l popolo di Roma intendea di chiamare, e ogni altro che papa fosse, debbia stare ne la citt/ di Roma, e non partirsi, se non tre mesi dell’anno, e non dilungarsi da Roma da due giornate in su, e allora co la licenza del popolo di Roma; e quando fosse asente da Roma, e fosse richesto per lo popolo di Roma, ch’egli tornasse in Roma; e se a le tre richeste non tornasse, s’intendesse essere casso del papato, e potessene chiamare un altro.« Die von mir hervorgehobene Bestimmung, daß der Papst sich (nur) drei Monate im Jahr außerhalb von Rom aufhalten dürfe, findet sich in der Urkunde jedoch nicht. Es hat nun die Forschung beschäftigt, welche Überlieferung als die zuverlässigere anzusehen ist. Tesdorpf, Römerzug, 1885, S. 49, Anm. 2, hält Villanis Überlieferung für die richtige und glaubt, daß dieser Passus, der wegen der klimatischen Verhältnisse der Stadt Rom in den Sommermonaten durchaus plausibel sei, in der Urkundenüberlieferung verlorengegangen sei. Dagegen meint Chroust, Romfahrt, 1887, S. 142, Anm. 1, daß dieser Passus ein Zusatz Villanis sei, der auch an anderer Stelle nicht ganz zuverlässig bei der Wiedergabe von Urkunden sei; ähnlich Altmann, Römerzug, 1886, S. 95, Anm. 2. Chrousts Argument ist zwar beizupflichten, Villanis in Einzelheiten unrichtige Wiedergabe der Absetzungssentenz vom 18. April mag ein Beispiel sein (vgl. oben S. 332 f.), aber andererseits läßt die nur abschriftliche Überlieferung der Urkunde, wenn auch in zwei Codices, ebenso Zweifel an ihrer Vollständigkeit zu. In der auf Villani basierenden Chronik von Agnolo di Tura del Grasso, ed. Lisini/Iacometti, 1939, S. 471, Z. 45 – 50, ist die Bestimmung über die dreimonatige Abwesenheit auch aufgenommen worden. 1155 Vgl. z. B. Pflugk-Harttung, Papstwahlen, 1906/07.
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Die Erhebung des Gegenpapstes Nikolaus V.
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widersprechen mußte. Überraschend ist dann die Eröffnung, daß zukünftige Päpste auch »auf durchaus andere Weise« in ihr Amt kommen könnten. Zu denken ist dabei wohl nur an eine Ernennung durch die Person des Kaisers. Es scheint zu dem Zeitpunkt, als dieses Gesetz im Verbund mit den Repräsentanten des römischen Volkes entworfen und ausgefertigt wurde, noch nicht abschließend geklärt gewesen zu sein, welchen Weg Ludwig gehen wollte oder gehen konnte. Das läßt aber wohl auch darauf schließen, wie sehr der Modus der Erhebung des neuen Papstes Gegenstand der Überlegungen war. Das Gesetz stellte vor allem ein Signal gegenüber den Römern dar und sollte ihnen gleichsam die Garantie geben, nun einen Papst zu bekommen, der auch tatsächlich als römischer Bischof fungierte. Das Recht, das Ludwig den Römern gab, einen abwesenden Papst als abgesetzt festzustellen, wenn er nach dreimaliger Aufforderung nicht nach Rom zurückkehrt, basierte vielleicht auch auf der Tatsache, daß die Römer Johannes XXII. seit Ludwigs Aufbruch aus Deutschland tatsächlich dreimal aufgefordert hatten, nach Rom zu kommen: zuerst schon vor dem Umsturz in Rom um die Jahreswende 1327/28, dann während Ludwigs Aufenthalt in Mailand und schließlich noch einmal nach der Kaiserkrönung. Wie sehr dieses Gesetz als Beschwichtigungsversuch gegenüber den Römern zu werten ist, zeigt auch Villanis Bericht über das anschließend erlassene Dekret Ludwigs, das einigen Römern, die am 4. März einen Angriff auf Ludwigs Truppen ausgeübt hatten, Amnestie gewährte.1156 Die Form der Gesetzgebung geht bei diesem Gesetz noch über das vorhergehende, im Wortlaut bekannte Kaisergesetz, das Ketzergesetz vom 14. April, hinaus: una cum clero et toto populo sei das Gesetz beschlossen worden. Diese Formulierung findet sich zwar bereits in der Papstabsetzungssentenz Gloriosus Deus, die im Unterschied zu Semper cum Dei auch von den Römern besiegelt wurde, aber in einer Urkunde, die formal den Charakter eines Kaisergesetzes hat, ist das – unter den im Wortlaut überlieferten Urkunden – jedoch neu. In der Forschung wurde dieses Kaisergesetz daher als Beleg für die Umsetzung der politischen Theorie des Marsilius in die von Ludwig gestaltete politische Wirklichkeit gesehen.1157 Nicht nur der Inhalt von Ludwigs Politik ist erkennbar an Marsilius orientiert, sondern auch das von ihm gewählte politische Verfahren. Der zentralen Bedeutung, die die Gesetzgebung in Marsilius’ politischer Theorie 1156 Villani, Buch 11, Kap. 72, Z. 17 – 22, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 608: »E cik fatto, s' perdonk il Bavero a tutti i Romani ch’erano stati e tratti a uccidere la sua gente a la zuffa e battaglia ch fu al ponte dell’isola; e queste leggi e perdono fece il Bavero per contentare il popolo di Roma.« Daß es sich wohl um den auch von Villani, Buch 11, Kap. 66, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 598, berichteten Vorfall vom 4. März handelt, meint Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 191 mit Anm. 2. Das Dekret ist nicht überliefert. 1157 Lieberich, Kaiser Ludwig der Baier, 1959, S. 223 – 224: »Damit waren die politischen Theorien des Defensor pacis in die staatliche Wirklichkeit eingeführt.«
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besitzt, wird zum einen mit einer Ausweitung der Gesetzgebung durch die Wiederaufnahme der traditionellen Kaisergesetzgebung in Rom entsprochen und zum anderen durch die Festlegung dessen, wer der legislator humanus ist. Hier zeigt sich selbst an einem Kaisergesetz, wo noch am ehesten der Kaiser allein, der in Marsilius’ zweiter Definition des legislator humanus als legislator supremus zu handeln befugt ist, daß die universitas civium der Stadt Rom an der Gesetzgebung mitwirkt. Allerdings unter ausdrücklicher Nennung der Untergruppe des Klerus und unter Verwendung des traditionellen, aber nicht von Marsilius gebrauchten Begriffes populus. Die Tragweite dieses Gesetzes, erlassen vom Kaiser und den Römern, über die Residenz des Papstes und die Befugnis der Römer, auf die Absetzung eines Papstes hinwirken und die Wahl eines neuen Papstes herbeiführen zu können, wurde von Villani hervorgehoben, der es als unberechtigten weltlichen Eingriff in Recht und Freiheit der Kirche anprangert.1158
6.3.2 Die Wahl durch Kaiser, Klerus und Volk von Rom Die Erhebung des neuen Papstes bestand aus mehreren, zu unterscheidenden Erhebungsakten.1159 Der erste Erhebungsakt war die eigentliche Wahl. Sie hat auffälligerweise in keiner erzählenden Quelle Niederschlag gefunden. Auch in der urkundlichen Überlieferung gibt es zur Wahl nur wenige Zeugnisse. In dem ersten neuen Prozeß Johannes’ XXII. gegen Ludwig, der wie der erste Prozeß gegen den Gegenpapst selbst erst am 20. April 1329 erlassen wurde, fand die Erhebung des Gegenpapstes keine Erwähnung. Erst in dem Prozeß gegen Ludwig vom 27. Januar 1330 ist von der Erhebung des Gegenpapstes die Rede.1160 Allerdings enthält auch diese Prozeßschrift keine Einzelheiten zur Erhebung und erwähnt auch die eigentliche Wahl nicht.1161 Allein die Prozesse Johannes’ 1158 Villani, Buch 11, Kap. 72, Z. 22 – 26, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 608: »E nota ingiusta e non proveduta legge, a imporre al pastore di santa Chiesa costituzione e modi di stare o andare contra la libert/ di santa Chiesa, e contra la somma podest/ che deono avere, e sempre hano avuta, i sommi pontefici.« 1159 Vgl. zu den einzelnen Erhebungsakten Pflugk-Harttung, Wahl, 1901. 1160 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 685, S. 581 – 585; MartHne/Durand, Thesaurus, Bd. 2, 1717, Sp. 787 – 792; Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 100, S. 223. Vgl. den Hinweis von Schütz, Prokuratorien, 1973, S. 58. 1161 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 685, § 2, S. 583, Z. 2 – 14: »Et demum nequitie sue virus conceptum evomens ad subvertendum prorsus fidem catholicam et scindendum dominicam inconsutilem tunicam in divine maiestatis opprobrium totiusque cetus fidelium scandalum, periculum, et contemptum, execrandis factionibus velut membrum sathane se disponens, assotiatus sibi quibusdam suis nequam complicibus Petrum de Corvaria virum utique scandalosum et perfidum, qui olim dimissa uxore sua legitima, cui pluribus annis tam in lecto quam in mensa cohabitaverat, fratrum Minorum assumens preter
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XXII. gegen den Gegenpapst selbst und gegen die an der Wahl beteiligten Kleriker geben darüber Auskunft. Im Prozeß gegen Pietro von Corvaro vom 20. April 1329 wird die Wahl vor allem Ludwig angelastet. Über diesen heißt es: »Aber weil er [Ludwig] mit diesen Dingen noch nicht zufrieden war, sondern außerdem nach der Zerstörung des Glaubens und der ganzen Ordnung der Kirche trachtete und seinen unverdient angemaßten Rang zu befestigen suchte, hat er sich nicht gescheut, gemeinsam mit einigen römischen Klerikern, die sagten, daß sie Bevollmächtigte des römischen Klerus wären, oder auf deren Drängen, zur Wahl nicht eines römischen Bischofs, sondern eines Apostaten zu schreiten.«1162
Die Verantwortung für die Erhebung eines Gegenpapstes wird in umfassender Weise Ludwig zugewiesen. Dazu bemerkt der kuriale Prozeß, daß die Papsterhebung auch eine weitere Maßnahme Ludwigs war, die sein Verständnis vom Kaisertum und seine Stellung als Kaiser demonstrierte. Als weitere Beteiligte an der Wahl des Gegenpapstes werden die römischen Kleriker genannt, die sich mit eigenen Bevollmächtigten organisiert hatten, und denen der Prozeß zudem die Initiative für die Papstwahl zuzuweisen scheint. An der Vorbereitung der Papstwahl, also an einer zentralen Stelle der Papsterhebung, wirkte Marsilius von Padua selbst maßgeblich mit. Dies belegen mehrere Quellen. Im Schuldbekenntnis der römischen Bürgerschaft, das inseriert im Mandat Johannes’ XXII. zur Wiederaufnahme der Römer in die Kirche vom 15. Februar 1330 überliefert ist,1163 wird Marsilius im Zusammenhang mit den bereits im Prozeß gegen Pietro von Corvaro erwähnten Bevollmächtigten des römischen Klerus erwähnt: »Auch ist der Klerus der Stadt von Giovanni, dem Sohn des genannten Giacomo Sciarra, und dem Häretiker Marsilius zur Wahl gewisser Kleriker der Stadt für den guten Zustand derselben, wie sie vorgaben, auf betrügerische und täuschende Weise verleitet uxoris eiusdem consensum habitum et pro fratre Minore se gerens quique ministro suo provinciali Romano inobediens per ipsum fuit pronuntiatus in excommunicationis incidisse sententiam et mancipandus carceri, in antipapam assumpsit, procurans quod dictus Petrus sic delusorie et dampnabiliter in antipapam assumptus pseudocardinales et notarios ac officiales alios iuxta morem, quem servat Romana curia, constitueret, aliaque nonnulla presumeret cunctis catholicis detestanda.« 1162 Der Prozeß ist inseriert in eine Bekanntmachung vom 23. Mai 1329 (Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 96, S. 223, gibt irrtümlich den 23. Juni als Datum), MartHne/Durand, Thesaurus, Bd. 2, 1717, Sp. 763 – 770, hier Sp. 765A-B: »Verum quia his non contentus; sed in subversione fidei et totius ecclesiastici ordinis adhuc spirans, statumque suum quaerens fulcire indebite usurpatum, una cum nonnullis Romanis clericis, qui cleri Romani se procuratores esse dicebant, seu ad eorum instantiam, ad electionem Romani non quidem apostolici, sed apostatici, procedere non expavit.« Weiter unten, Sp. 765D-E, heißt es wiederholend: »[…] ipsum Petrum una cum dictis clericis qui pro cleri Urbis procuratoribus se gerebant, seu ad earum instantiam, in summum non quidem apostolicum sed apostaticum eligere ac nominare publice non expavit.« 1163 Theiner, Codex diplomaticus, Bd. 1, 1861, Nr. 746, S. 570a-573a; Rinaldi, ad a. 1330, § 40 – 42, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 450a-451b. Vgl. Pincin, Marsilio, 1967, S. 162 mit Anm. 57.
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worden: Giovanni und Marsilius sorgten nämlich dafür, daß diese Kleriker der Wahl des Pietro von Corvaro zum Gegenpapst und Apostaten zustimmten.«1164
Da diejenigen Römer, die mit Ludwig und dem Gegenpapst kollaboriert hatten, von der Versöhnung mit der Kirche zunächst ausgenommen waren, mußten mit diesen zahlreiche Einzelverhandlungen geführt werden. Aufschlußreich ist vor allem das Bekenntnis eines Presbyters Martin,1165 der ein Mitglied des von Marsilius und Giovanni Colonna geführten Gremiums von Klerikern, das für die friedliche Ordnung Roms sorgen sollte, gewesen ist. Am 21. April 1330 bekannte er öffentlich in Rom: »[…] ich war als Presbyter einer von den Dreizehn, die vom Klerus der Stadt für den friedlichen Zustand des Klerus und zur Auslieferung des Klerus der Stadt unter die Gewalt des Häretikers Marsilius gewählt worden sind und die den Klerus auf schreckliche Weise niedergeschlagen haben, doch habe ich mich nicht an der Wahl des Irrlehrers Pietro von Corvaro zum Gegenpapst beteiligt.«1166
1164 Theiner, Codex diplomaticus, Bd. 1, 1861, Nr. 746, S. 571a: »Clerus etiam dicte Urbis per Ioannem dicti Iacobi Sciarrae filium, et Marsilium de Padua hereticum ad eligendum certos clericos Urbis eiusdem pro bono statu, sicut fingebant, ipsius fraudulenter et deceptorie fuit inductus: quos quidem clericos prefati Ioannes et Marsilius procurarunt electioni dicti Petri de Corbario in Antipapam et apostaticum consentire.« 1165 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 738, S. 627 – 628; zuvor bei Otto, Politik, 1911, Nr. 11, S. 233 – 234. 1166 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 738, S. 627, Z. 26 – 29: »(Domini et domine mulieres scitote, quod) ego presbiter fui unus de tredecim electis a clero Urbis pro pacifico statu cleri et ad liberandum clerum Urbis de manu heretici Marsilii dictum clerum imaniter affligentis, non tamen me immiscui electioni heresiarche Petri de Corbaria antipape.« Zur Übersetzung von ad liberandum vgl. Niermeyer, Mediae latinitatis lexicon minus, Bd. 1, 2 2000, s. v. liberare, Nr. 7, S. 794a; vgl. auch die Übersetzung von Otto, Politik, 1911, S. 169: »›Ich war einer von den Dreizehn, die der Klerus im Interesse der Aufrechterhaltung der Ordnung und unter dem Drucke der von Marsilius geübten Gewaltherrschaft gewählt hatte, doch habe ich an der Wahl des Gegenpapstes mich nicht beteiligt.‹« Am 5. November 1330 forderte der Papst seinen Legaten Johannes auf, die Lossprechung eines Subdiakons Nikolaus zu überprüfen, es bestehe der Verdacht, daß dieser sich entgegen seinem früheren Bekenntnis doch an der Wahl des Gegenpapstes beteiligt habe. Im Unterschied zu anderen Quellen ist in diesem Schreiben (irrtümlich?) nur von zwölf Mitgliedern die Rede. Das Schreiben ist in zwei verschiedenen Regesten ediert, wonach bei Preger/Reinkens, Verträge, 1883, Nr. 547, S. 201 – 202, das Klerikergremium bereits vor Ludwigs Ankunft vom Klerus der Stadt gewählt worden sei, während es bei Jean XXII, Lettres communes, ed. Mollat, Bd. 10, 1930, Nr. 51507, S. 55 – wie in anderen Quellen auch – eigens zur Wahl des neuen Papstes gebildet wurde: »Privat eum beneficiis suis, si intromiserit ipse electioni Petri dicti cum fuerit unus ex duodecim clericis ad hanc electis.« Vgl. die Diskussion über den Zeitpunkt der Einrichtung dieses Gremiums bei Chroust, Romfahrt, 1887, S. 154, Matthias, Beiträge, 1908, S. 53 – 54, und Otto, Politik, 1911, S. 168 mit Anm. 5. Ferner ist noch ein Presbyter Paulus als Mitglied des dreizehnköpfigen Wahlausschusses bekannt, wie ein päpstliches Schreiben vom 6. Februar 1330 überliefert: »Paulus presbiter de predicta Urbe olim Sancti Laurentii de Arzi et Sancti Nicolai de Monte prope castrum Toffie ruralium ecclesiarum rector Sabinensis dyocesis,
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Das Bekenntnis des Presbyters Martin bestätigt nicht nur, daß das Klerikergremium eine Rolle bei der Wahl des Gegenpapstes spielen sollte. Es präzisiert auch die Aufgabe des Gremiums gegenüber den römischen Geistlichen, die von dieser Ordnungsinstanz mit Gewalt diszipliniert und unter Kontrolle gehalten wurden. Martins Bekenntnis, das erst nach der Wiederaufnahme der Römer in die Kirche abgelegt wurde, belastet die Römer nicht mehr in dem Maß wie das Schuldbekenntnis der römischen Bürgerschaft. Der römische Klerus ist in seinem Bekenntnis nicht durch Täuschung verleitet, sondern vielmehr gezwungen worden, diese dreizehn Vertreter zu wählen. Der Römer Giovanni Colonna tritt hinter Marsilius von Padua ganz zurück, er wird nicht erwähnt. Die Entscheidung, das Klerikergremium durch zwei Personen leiten zu lassen, war möglicherweise von der Idee bestimmt, sowohl einen Vertreter der Stadt Rom, Giovanni Sciarra Colonna,1167 als auch einen Vertreter des Kaisers, Marsilius, als Repräsentanten dieser Gewalten einzusetzen.1168 Die Wahl des neuen Papstes wurde damit bereits in ihren Vorbereitungen als eine Angelegenheit sowohl des römischen Klerus und der politischen Führung der Stadt Rom als auch des Kaisers demonstriert. Marsilius’ Rolle in Rom kann durch diese Dokumente ein wenig näher bestimmt werden. Der Vorwurf des päpstlichen Mandats vom 15. April 1328, Marsilius ginge mit Gewalt gegen die römischen Kleriker vor, die sich an das Interdikt halten wollten, wird nachdrücklich bestätigt. Marsilius’ Beauftragung in Statthaltung der kaiserlichen Gewalt, die römischen Kleriker in seinem Sinne zu disziplinieren, ist möglicherweise von Beginn an mit der Leitung dieses Klerikergremiums verknüpft gewesen. Die dreizehn Geistlichen sind Marsilius’ Instrument dazu. Marsilius’ Bedeutung für Ludwigs Politik in Rom wird an der Leitung dieses Gremiums besonders deutlich, das ebenso vermutlich für die formale Initiative, Vorbereitung, Durchsetzung und Durchführung der Papstwahl verantwortlich war. Zur eigentlichen Wahl erfährt man lediglich im Schuldbekenntnis des Gementis nequitia ductus, Ludovico de Bavaria, heretico manifesto et de heresi condempnato, et Petro de Corbaria, heresiarche et scismatico, adherens et favens, fuerit unus de tribus decem qui ad eligendum ipsum Petrum in antipapam nequiter fuerunt electi«, Mollat, Miscellanea Avenionesia, 1927, S. 6, Anm. 4; kürzeres Regest in Jean XXII, Lettres communes, ed. Mollat, Bd. 9, 1923 – 1928, Nr. 48365. Vgl. ebenda, Nr. 48366, S. 193, ein weiteres päpstliches Mandat vom 6. Februar 1330, in dem noch ein Mitglied des Klerikergremiums genannt wird. 1167 Giovanni Sciarra Colonna unterwarf sich später der Kirche. In der Vollmacht zu seiner Absolution ist von dem Klerikergremium jedoch nicht die Rede, vgl. Riezler, Vatikanische Akten, 1891, Nr. 1505, S. 519 – 524, aus dem Jahr 1332. Villani verwechselt vermutlich den Vater mit dem Sohn, wenn er sagt, daß es Sciarra Colonna war, der die römischen Kleriker zur Abhaltung des Gottesdienstes gezwungen habe, Villani, Buch 11, Kap. 55, Z. 75 – 78, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 584: »E ’l detto Bavero commise a Sciarra della Colonna ch’egli costrignesse i cattolici cherici che dicessono il divino uficio; ma per tutto cik niente ne vollono fare«. 1168 Vgl. Pflugk-Harttung, Wahl, 1901, S. 569.
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wählten etwas mehr. Vor Johannes XXII. und den Kardinälen in Avignon äußert sich Pietro von Corvaro am 6. September 1330 auch zu seiner Wahl zum Papst. Seine Darstellung unterscheidet sich dabei durchaus von dem, was im Prozeß gegen ihn zu seiner Wahl gesagt wurde: »Und Ludwig hat mich auf drängendes Bitten gewisser führender Römer, Kleriker und Laien, seinem Gefolge, gemeinsam mit bestimmten ketzerischen Männern aus Klerus und Volk, seinen Verbündeten und Anhängern, die er zu diesem Zweck mit sich zusammengerufen hat, zum Papst und höchsten Pontifex, oder viel wahrhaftiger zum verdammten und ketzerischen Gegenpapst gewählt.«1169
Die Erwähnung von römischen Laien, die den Gegenpapst gemeinsam mit römischen Klerikern gewählt haben sollen, ist neu gegenüber der Aussage der anderen Quellen. Pietro von Corvaro berichtet von einer Wahlversammlung, an der nicht nur Kleriker beteiligt waren, sondern auch römische Laien. So erhält die Formulierung im Schuldbekenntnis der römischen Bürgerschaft, in dem die Tätigkeit des Klerikerausschusses als consentire bezeichnet wird, einen passenden Sinn: Bei der Wahlversammlung stimmten die Kleriker, ebenso wie die römischen Laien, dem von Kaiser Ludwig vorgeschlagenen Kandidaten zu. Der Organisationsgrad dieser zwei Repräsentantengruppen war vermutlich unterschiedlich, da die Kleriker ein Gremium bildeten, das von den in Rom verbliebenen Klerikern gewählt worden war und dadurch eine besondere Legitimität besitzen sollte. Über die Organisationsform der an der Wahlhandlung beteiligten römischen Laien sind keine Informationen überliefert. Es ist zwar denkbar, daß eine der vielen repräsentativen Gremien, wie sie vor allem bei Villanis Bericht über die Beratungen zum Kaisergesetz vom 23. April 1328 ans Licht treten, einen Wahlkörper der Laien gebildet hat. Aber das Schweigen dieser und aller anderen Quellen deutet wohl eher darauf hin, daß die führenden römischen Adligen ohne besondere Organisation an der Wahl des neuen Papstes teilnahmen. Der neue Papst wurde also auf einer Versammlung gewählt, an der der Kaiser, ein gewähltes Repräsentativorgan des römischen Klerus und die politische Führungsschicht der römischen Laien teilnahmen. Die durchgehend in der Forschung vertretene Meinung, allein der aus dreizehn Klerikern bestehende Ausschuß habe den neuen Papst gewählt,1170 muß also korrigiert werden. Der geistliche Wahlkörper der Kardinäle, dem die Papstwahl nach geltendem Kirchenrecht allein zustand, wurde nicht durch einen anderen geistlichen 1169 MartHne/Durand, Thesaurus, Bd. 2, 1717, Sp. 811A: »[Ludovicus] meque ad quorumdam principalium Romanorum clericorum et laicorum instantiam ejus sequacium, una cum certis de clero et populo perfidis ejus complicibus et fautoribus ad hoc secum vocatis, in papam et summum pontificem, immo verius antipapam damnatum et pestiferum elegisset.« 1170 Z. B. Pflugk-Harttung, Papstwahlen, 1906, S. 368.
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Wahlkörper ersetzt, sondern Repräsentanten des Klerus und des Volks von Rom übten die Wahl unter dem Vorsitz des Kaisers aus. Es bleiben noch Fragen offen: Auf welche Weise Kaiser Ludwig auf die Wahl der Person des neuen Papstes Einfluß genommen hat, ist nicht klar erkennbar. Denkbar wäre eine Nominierung, die der Wahlkörper dann mit Rechtskraft versah. Die von Pietro von Corvaro in seinem Schuldbekenntnis erwähnte Wahlversammlung unter Teilnahme des Kaisers läßt aber die Vermutung wahrscheinlicher erscheinen, daß hier der Kaiser die führende Stimme für seinen Kandidaten abgab und die anderen Wähler dann diesem Votum beitraten. Über den Tag dieser Wahlversammlung wissen wir nichts; das Datum wird von keiner Quelle erwähnt. Nicht nur das Wahlverfahren, auch die Auswahl der Person des neuen Papstes war eine kirchenpolitische Entscheidung und Erneuerung. Mit der Wahl des einfachen Mönchs Pietro Rainalducci aus dem Franziskanerkloster Santa Maria in Aracoeli wurde auch gezeigt, daß das Papstamt dem Ideal der franziskanischen Armut entsprechen sollte.1171
6.3.3 Die Einsetzung durch Kaiser Ludwig am 12. Mai 1328 Nach der Wahl auf einer Versammlung von Kaiser Ludwig und den Repräsentanten von Klerus und Volk von Rom an einem nicht überlieferten Datum fand am 12. Mai 1328 die mit politischer Symbolik aufgeladene Amtseinsetzung des neuen Papstes durch Kaiser Ludwig statt. Über die Vorgänge am 12. Mai gibt unter den Chronisten nur Giovanni Villani eine Darstellung, die über die Tatsache der Amtseinsetzung hinausgeht: »Wie Ludwig von Bayern mit dem römischen Volk einen Gegenpapst wider den wahren Papst wählte: Am 12. Mai, dem Himmelfahrtstag des Jahres 1328, erschien, nachdem des Morgens zu früher Zeit das römische Volk, Männer und Frauen, alle die kommen wollten, vor der Peterskirche zusammenberufen worden waren, Ludwig von Bayern, 1171 Zur Person und zum Pontifikat Nikolaus’ V. vgl. Mollat, Les papes d’Avignon, 91950, S. 340 – 348; zusammenfassend Kreuzer, Art. Nikolaus V., in: LexMA, Bd. 6 (1993), Sp. 1172 – 1173. Nicht ohne weiteres zu übernehmen ist, was Chroust, Romfahrt, 1887, S. 154 mit Anm. 3, berichtet, daß zuerst ein anderer zum Papst gewählt worden sei, der sich jedoch geweigert hätte, die Wahl anzunehmen und es vorgezogen hätte, die Stadt zu verlassen, da Chroust nur die Chronik Antonins als Beleg dafür angegeben kann, die jedoch nicht als Quelle für Ludwigs Romaufenthalt gelten kann. Zu dem zeitgenössischen Gerücht, Michael von Cesena habe angestrebt, neuer Papst werden zu wollen, vgl. Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 210 mit Anm. 2. Eine interessante Bemerkung zu einem anderen Kandidaten für das Papstamt macht Chroust, Romfahrt, 1887, S. 154, Anm. 3: »Auch Marsilius hatte man im Verdacht nach dieser Würde gestrebt zu haben; vgl. Raynald 1328, § 28.« Meine Überprüfung der Stelle bei Rinaldi führte jedoch zu keinem Beleg für Chrousts Behauptung.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern II: Kaiser und Kirche
der sich Kaiser nennen ließ, mit der Krone auf dem Haupt und mit den kaiserlichen Gewändern angetan, auf der Schaubühne, die sich über den Stufen von St. Peter befand, nebst vielen Weltgeistlichen und Mönchen und den Capitani del Popolo von Rom und von vielen seiner Edlen umgeben«.1172
Villani, der über den eigentlichen Wahlakt nicht berichtet, bezeichnet den geschilderten Vorgang zwar als Wahl,1173 dennoch handelte es sich um eine kaiserliche Amtseinsetzung oder Investitur, wie der weitere Verlauf zeigt. Ludwigs Handeln als Kaiser wird von Villani durch die Hinweise auf die kaiserlichen Insignien herausgestellt. Bei der von ihm einberufenen Versammlung auf dem Petersplatz war Ludwig der Akteur in einem Geschehen, an dem das römische Volk lediglich akklamatorisch beteiligt wurde.1174 Weiter berichtet Villani: »Hier berief er [Ludwig] vor sich einen gewissen Bruder Pietro von Corvaro, der in der Grenzlandschaft zwischen Tivoli und den Abruzzen zu Hause war und dem Orden der Minderbrüder angehörte, und der übrigens bisher als ein unbescholtener Mensch von tadellosem Lebenswandel galt. Als dieser vor ihn trat, erhob sich der Bayer von seinem Thron und ließ den Bruder Petrus unter dem Baldachin des Thrones Platz nehmen. Hierauf erhob sich der Eremitenmönch Nicola von Fabriano und hielt eine Predigt über den Text ›Petrus aber kehrte zu ihm zurück und sprach: Es ist gekommen der Engel des Herrn und hat uns befreit aus der Hand des Herodes und von allen Feinden unter den Juden‹, wobei er den Engel des Herrn auf den Bayern bezog und unter Herodes den Papst Johannes verstand; über dieses Thema machte er viele Worte. Als die Predigt zu Ende war, trat der ehemalige Bischof von Venedig vor und rief dreimal dem Volke zu, ob es Petrus zum Papst haben wolle. Und obschon das Volk gar nicht sehr erfreut war, da es einen Römer zum Papst zu haben wünschte, so rief es doch aus Furcht ja.«1175 1172 Villani, Buch 11, Kap. 73, Überschrift und Z. 1 – 9, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 608 – 609: »Come Lodovico di Baviera col popolo di Roma elessono antipapa contra al vero papa: Negli anni di Cristo MCCCXXVIII, a d' XII di maggio, il d' dell’Ascensione la mattina per tempo, congregato il popolo di Roma, uomini e femmine che vi vollono andare, dinanzi a Santo Pietro, Lodovico di Baviera che si facea chiamare imperadore venne incoronato a parato coll’abito imperiale in su il pergamo, il quale era sopra le gradora di San Piero, con molti cherici e religiosi, e co’ capitani del popolo di Roma, e intorno di lui molti de’ suoi baroni«. Die Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 137. 1173 Friedensburg, Quellen, zweite Hälfte, 1887, S. 100, und ihm folgend Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 137, haben elessono mit »erhoben« wiedergegeben, was die Sache besser trifft als Villanis eigentliche, aber unzutreffende Aussage. 1174 Friedensburg, Quellen, zweite Hälfte, 1887, S. 99 – 100, und ihm folgend Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 137, übersetzen als Subjekt »Ludwig der Bayer und das römische Volk« (meine Hervorhebung), was zwar mit der Pluralform des Prädikats besser korrespondiert, aber nicht das von Villani ausgedrückte Verhältnis der Akteure wiedergibt. 1175 Villani, Buch 11, Kap. 73, Z. 9 – 27, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 609: »[…] e fece venire dinanzi a·ss8 uno frate Pietro da Corvara, nato de’ confini tra ’l contado di Tiboli e Abruzzi, il quale era dell’ordine de’ frati minori, inn·adietro tenuto buono uomo e di santa vita. E lui venuto, il detto Bavero si rizzk in su la sedia, e ’l detto frate Piero fece sedere sotto il solicchio. E cik fatto, si levk frate Niccola di Fabbriano dell’ordine de’ romitani, e propuose in suo sermone queste parole: ›Reversus Petrus ad se dixit: Venit angelus Domini, et liberavit nos de
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Die Erhebung des Gegenpapstes Nikolaus V.
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Die dreimalige Frage an das Volk, ob es mit dem gewählten Papst einverstanden sei, wird regelhaft durch den Prior der Kardinaldiakone gestellt,1176 hier übernimmt dies Bischof Giacomo Alberti. Darauf folgt die Akklamation durch das römische Volk. Villanis Hinweis, daß die Zustimmung nur »aus Furcht« erfolgt sei, läßt darauf schließen, daß das vom Kaiser einberufene und von Marsilius und Giovanni Colonna gelenkte Wahlkollegium der Repräsentanten von Klerus und Volk wohl anders entschieden hatte, als es die große Volksmenge wollte. Der weitere Verlauf der Einsetzung wird vom Kaiser dominiert: »Danach erhob sich der Bayer und rief, nachdem der genannte Bischof das schriftlich abgefaßte Dekret verlesen hatte, das bei der Bestätigung eines Papstes üblich ist, jenen als Papst Nikolaus V. aus, überreichte ihm den Fischerring, legte ihm den Mantel um und setzte ihn zu seiner Rechten. Dann erhoben sie sich und zogen in großem Triumph in die Peterskirche. Nachdem eine Messe gelesen worden war, gingen sie mit großer Feierlichkeit zum Mahle.«1177
Mehrere Akte der Erhebung des neuen Papstes vollzog Ludwig selbst. Seine Handlungen hatten zum Teil – durchaus voneinander unabhängige – historische Vorläufer, zum Teil waren sie ohne Vorbild. Zunächst ließ Kaiser Ludwig eine schriftliche kaiserliche Bestätigung verlesen.1178 Dies war vor dem Investiturstreit gelegentlich in Übung gewesen, aber seitdem völlig ohne Beispiel. Es folgte die nominatio, indem Ludwig den neuen Namen des Papstes verkündete. Dies wäre dem üblichen Zeremoniell zufolge Aufgabe des Archidiakons oder des Priors der Kardinaldiakone gewesen.1179 Der eine, als Inhaber eines Amtes des Bistums Rom, hatte Rom vermutlich mit den meisten anderen römischen Geistlichen vor Ludwigs Ankunft verlassen, der andere gehörte zur Kurie des
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manu Erodis et de omnibus factionibus Iudeorum‹, appropiando il detto Bavero per l’angelo, e papa Giovanni per Erode; e intorno a·ccik molte parole. E fatto il detto sermone, venne innanzi il vescovo che fu di Vinegia, e gridk tre volte al popolo se voleano per papa il detto frate Pietro; e con tutto che ’l popolo assai se ne turbasse, credendosi avere papa romano, per tema rispuosono in gridando che s'.« Die Übersetzung nach Friedensburg/ Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 137 – 138. Vgl. Agnolo di Tura del Grasso, ed. Lisini/ Iacometti, 1939, S. 472, Z. 34 – 47. Pflugk-Harttung, Wahl, 1901, S. 571. Villani, Buch 11, Kap. 73, Z. 27 – 34, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 609 – 610: »E poi si levk ritto il Bavero, e letta per lo detto vescovo in una carta il decreto che a confermazione del papa si costuma, l’appellk il detto Bavero Niccola papa quinto, e diedegli l’anello, e misegli addosso il manto, e puoselo a·ssedere de la mano diritta di costa a s8; e poi si levarono, e con grande trionfo entrarono nella chiesa di Santo Pietro; e detta la messa, con grande festa n’andarono a mangiare.« Die Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 138. Vgl. Agnolo di Tura del Grasso, ed. Lisini/Iacometti, 1939, S. 472, Z. 48 – S. 473, Z. 2. Leider ist diese Bestätigung nicht überliefert. Ihr Wortlaut hätte vielleicht darüber Aufschluß geben können, welche Vorstellungen Eingang in die kaiserlichen Anschauungen gefunden haben. Pflugk-Harttung, Wahl, 1901, S. 576.
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Papstes und befand sich in Avignon. Aber nicht ein anderer Geistlicher wurde an deren Stelle mit dieser Aufgabe betraut, sondern Kaiser Ludwig selbst übernahm diesen Teil der Papsterhebung. Darauf folgte die Insignienübergabe an den neuen Papst. Die Übergabe von Ring und Stab durch den Kaiser, die seit dem Wormser Konkordat verboten war, fand zumindest wenigstens als Überreichung des Fischerrings statt. Darauf kleidet der Kaiser den Papst mit dem roten Mantel ein, die Immantation, die sonst der Archidiakon vornahm.1180 Die Aufforderung des Kaisers an den neuen Papst, neben ihm den Sitzplatz einzunehmen, kann als inthronizatio oder incathedrare interpretiert werden, die gewöhnlich der Prior der Kardinaldiakone vornimmt.1181 Aber der neue Papst nahm nicht zwischen dem Archidiakon und einem Diakon Platz, wie es etwa Ordo 36 vorsah,1182 sondern neben dem Kaiser. Die Amtseinsetzung des neuen Papstes durch den Kaiser war auf fast alle Elemente der Erhebung ausgedehnt worden. Damit wurde zum einen demonstriert, daß dieser Papst seine Würde dem Kaiser verdankte. Darüber hinaus wurde aber auch deutlich gemacht, daß die Erhebung dieses Papstes – und damit auch perspektivisch jedes neuen Papstes – eine Angelegenheit der weltlichen, und zwar der kaiserlichen, Gewalt sein sollte. Die Amtsgewalt des Kaisers bei der Erhebung eines Papstes sollte über die demonstrierte Aufkündigung des Wormser Konkordats hinausgehen und als eine umfassende Überordnung demonstriert werden.
6.3.4 Die Weihe durch Bischof Giacomo Alberti Ein weiteres Element in der Erhebung des neuen Papstes war der rein geistliche Akt der Weihe. Im Unterschied zu fast allen anderen Päpsten seiner Zeit hatte Pietro von Corvaro als Mönch und Laie noch keine Bischofsweihe vor seiner Wahl zum Papst empfangen. Das Datum der Weihe ist ähnlich wie das der Wahl nicht zweifelsfrei überliefert, und die Forschung hat darüber noch keine Einigung erzielt. Von der zeitlichen Einordnung der Weihe in dem gestreckten Erhebungsprozeß hängen, wie sich zeigen wird, auch ihre Bedeutung und ihr Stellenwert ab. Ein Teil der Forschung meint, daß Nikolaus V. noch am 12. Mai 1180 Ebenda, S. 576. 1181 Ebenda, S. 578. Vgl. allgemein zur Inthronisation des Papstes Nikolaus Gussone, Thron und Inthronisation des Papstes von den Anfängen bis zum 12. Jahrhundert. Zur Beziehung zwischen Herrschaftszeichen und bildhaften Begriffen, Recht und Liturgie im christlichen Verständnis von Wort und Wirklichkeit (Bonner Historische Forschungen 41), Bonn 1978. 1182 Klemens Richter, Die Ordination des Bischofs von Rom. Eine Untersuchung zur Weiheliturgie (Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen, Bd. 66), Münster 1976, S. 36 – 37.
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(Christi Himmelfahrt), anschließend an die Einsetzung, geweiht worden sei,1183 ein anderer Teil meint, der neue Papst sei erst am Tag seiner Krönung am 22. Mai (Pfingstsonntag) geweiht worden.1184 Peter von Zittau ist der einzige Quellenautor, der Angaben sowohl über die Person des Konsekrators als auch über das Datum der Weihe macht: Der Bischof der Veneter, der zum Kardinalbischof von Ostia ernannt worden sei, habe den Gegenpapst am Pfingstsonntag auf nichtige Weise geweiht.1185 Giacomo Alberti, der Bischof von Venedig-Castello, wird auch von Heinrich Taube von Selbach als Konsekrator genannt.1186 Bei Ludwigs Kaiserkrönung hatte er bereits die Salbung vorgenommen. Seine Ernennung zum Kardinalbischof von Ostia durch Papst Nikolaus V., die Peter von Zittau in diesem Zusammenhang berichtet, kann gleichsam als nachträgliche Bestätigung dieser liturgischen Aufgaben angesehen werden. Es war das traditionelle Vorrecht des Inhabers dieser Würde, sowohl den Kaiser zu weihen und zu salben als auch den Papst zu weihen. Peter von Zittaus Angabe über den Tag der Weihe muß jedoch mit Skepsis begegnet werden, da sich Peter zum einen auch sonst häufig im Datum irrt1187 und zum anderen ein anderes bedeutendes Ereignis, nämlich die gegenseitigen Krönungen von Papst und Kaiser, die tatsächlich am Pfingstsonntag stattfanden, verschweigt. Möglicherweise hat Peter von Zittau die Weihe mit der Krönung des neuen Papstes am 22. Mai verwechselt. Der Teil der Forschung, der die Weihe für den 22. Mai annimmt, hat sich auch nicht auf Peter von Zittau, sondern vor allem auf den Prozeß Johannes’ XXII. gegen seinen Gegenpapst1188 und dessen späteres 1183 Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 196; Riezler, Geschichte, Bd. 2, 1880, S. 377; Tesdorpf, Römerzug, 1885, S. 53; Altmann, Römerzug, 1886, S. 103; Chroust, Romfahrt, 1887, S. 161 – 162. 1184 Pflugk-Harttung, Wahl, 1901, S. 583 – 585; Matthias, Beiträge, 1908, S. 57 – 58; Dupr8 Theseider, Roma, 1952, S. 479. So auch bereits Gregorovius, Geschichte, Bd. 6, 1867, S. 159 – 160, und Eubel, Gegenpapst, 1891, S. 279 mit Anm. 4. 1185 Peter von Zittau, Teil 2, Kap. 20, ed. Loserth, 1875, S. 454: »Episcopus Venetorum Hostiensis tunc factus, qui ipsum antipapam in die Pentecostes supervacue consecravit, fuit cardinalis unus«. 1186 Heinrich Taube, ed. Bresslau, 1922, Papae, S. 24, Z. 6 – 7: »Qui consecratus fuit a prefato episcopo Castellano et appellatus Nycolaus papa V.« Heinrich Taube, ed. Bresslau, 1922, Reges, S. 40, Z. 20 – 22: »Qui quidem antipapa appellavit se Nycolaum V. et consecratus est ab episcopo Castellano et aliis heresiarchis in Urbe.« Die Weihe des Gegenpapstes wird im Prozeß Johannes’ XXII. gegen Giacomo Alberti (vom 4. Januar 1331) jedoch nicht erwähnt, MartHne/Durand, Thesaurus, Bd. 2, 1717, Sp. 835 – 838; Vollregest (»Analyse«) in MGH Const. VI/2,1, ed. Bork, 1989, Nr. 5, S. 5. 1187 Als Beispiel zum Romzug Ludwigs des Bayern mag Peters irrtümliche Angabe dienen, die Kaiserkrönung habe an Epiphanias stattgefunden, vgl. oben S. 315. 1188 MartHne/Durand, Thesaurus, Bd. 2, 1717, Sp. 763 – 770, hier Sp. 765E-F: »Dictusque Petrus […] prius tamen a Jacobo dudum episcopo Castellano suis exigentibus demeritis excommunicato et deposito consecratione seu verius exsecratione recepta, a dicto Ludovico, cui etiam si verus imperator, et dictus Petrus verus summus existeret pontifex, competere non poterat, se fecit ut summus pontifex coronari«.
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Schuldbekenntnis1189 gestützt.1190 Aufgrund der Aussagen in diesen Dokumenten wurde eine zeitliche Nähe von Weihe und Krönung angenommen. Allerdings wurden ebendiese Quellen auch als Hinweis auf eine zeitliche Differenz von Weihe und Krönung gelesen und damit als Beleg für eine Weihe am 12. Mai gewertet.1191 Eine Entscheidung läßt sich aufgrund dieser Quellen wohl nicht treffen. Matthias führt jedoch auch die Chronik des Wilhelm von Egmond1192 und die zweite Fortsetzung der Chronik des Wilhelm von Nangis1193 als Quellen an,1194 deren Darstellung des Ablaufs der Erhebungsakte zumindest nahelegen können, daß die Weihe am Tag der Investitur, also am 12. Mai, stattfand. Unabhängig von Quellenbelegen sprechen folgende Argumente dafür, daß die Weihe nicht erst am 22. Mai vollzogen wurde: Papst Nikolaus V. nahm seine Amtsgeschäfte bereits früher auf. Bekannt ist, daß er bereits am 15. Mai Kardinäle ernannte, wie die Florentiner am 22. und 23. Mai Johannes XXII. in einem Schreiben mitteilten.1195 Am 18. Mai begann er Urkunden auszustellen.1196 Die 1189 MartHne/Durand, Thesaurus, Bd. 2, 1717, Sp. 806 – 816, hier Sp. 811A-D: »[…] ego miser […] consequenter consecrari, immo exsecrari ab haeretico et schismatico Jacobo dudum Castellano episcopo excommunicato et deposito, et coronari a dicto haeretico Ludovici de Bavaria me permisi; licet ad eum etiamsi verus imperator extisteret, sicut revera non erat nec est, sed haereticus manifestus et reprobus, egoque verum essem papa, sicut in veritate non eram, sed antipapa potius schismaticus, haereticus et iniquus, nequaquam talis coronatio pertineret.« Hervorhebung von mir, ein anderer Wortlaut (»subsequenter« statt »consequenter«) bei Rinaldi, ad a. 1330, §16, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 440a, und bei Baluze, Bd. 1, 1693, S. 145 – 152, hier S. 147. 1190 Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 196, Anm. 1, der für das Schuldbekenntnis auf den Druck bei MartHne/Durand verweist; Chroust, Romfahrt, 1887, S. 162, Anm. 1, der dafür den Abdruck bei Baluze zitiert. 1191 Matthias, Beiträge, 1908, S. 58, Anm. 1, zitiert das Schuldbekenntnis nach dem Druck bei Baluze. 1192 Wilhelm von Egmond, ed. Hordijk, 1904, S. 218: »Nota igitur hunc papam plus quam sexagenarium, Petrum de Corvaro a Minoribus nuncupatum, XXIIIIo Aprilis sancti Petri canonicis, duobus quoque tantum cardinalibus, ut supra scribitur, eligi necnon summo tam cleri quam populo gaudio consecrari. Cui secundum litteram imperator post osculum indumenta pontificalia cum annulo summa humilitate contulisse scribitur omnesque similiter possessiones, quas Romani hactenus pontifices imperatorum licentia possident, tradidisse.« 1193 Continuationis chronici Guillelmi de Nangiaco pars altera (1317 – 1340), ed. G8raud, 1843, S. 88: »[…] quemdam fratrem Minorem, qui dicebatur frater Petrus Rainalutii, unanimiter licet nequiter elegerunt, et electum consecraverunt, et in cathedra sancti Petri honorifice, quomodo solitum est aliis Papis antiquitus fieri, posuerunt.« Vgl. unten S. 367 f. die ausführliche Wiedergabe dieses Quellenberichts. 1194 Matthias, Beiträge, 1908, S. 57. 1195 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 454, S. 373, Z. 25 – 30: »Post alias nostras litteras suprascripti tenoris, quas duplicari providimus ad cautelam, vere habuimus, quod ydolum antedictus die Dominica XV. huius mensis alia elegit sex ydola, que cum non sint nominat sancte Romane ecclesie cardinales, scilicet episcopum Venetum, Petrum Henrici Romanum, fratrum Nicolaum de Fabriano, abbatem Tedescum et abbatem Sancti Ambrosii et fratrem germanum Tebaldi de Sancto Eustachio, qui frater dicti Tebaldi noluit esse.« Auch
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Weihe muß wohl auch für Nikolaus V. als notwendige Bedingung für die Aufnahme der Amtsgeschäfte vorausgesetzt werden. Im Fall von Nikolaus V. scheint sie sogar, so muß man annehmen, der eigentliche Beginn seines Pontifikats gewesen zu sein. Das ist bemerkenswert, da es die Krönung als Erhebungsakt abwertet, die seit dem Hochmittelalter als Beginn eines Pontifikats angesehen wird. Welches Datum Nikolaus V. als Epoche für die Datierung seiner Urkunden wählte, läßt sich nicht feststellen, da er bereits vor dem Ablauf seines ersten Pontifikaljahres seine letzte Urkunde ausstellte, nämlich am 4. März 1329. Es bleibt daher nur noch die Frage, ob die Weihe des neuen Papstes noch am 12. Mai im Rahmen der Messe zu Christi Himmelfahrt, die nach Villanis Bericht am Anschluß an die Amtseinsetzung gefeiert wurde, vollzogen worden ist oder wenige Tage später. Nach den Ordines zur Papsterhebung findet die Weihe am Sonntag statt, der auf die Wahl folgt.1197 Setzt man zudem voraus, daß die Wahl am Morgen vor der Amtseinsetzung oder höchstens einige Tage zuvor abgehalten wurde, könnte Nikolaus V. am Sonntag, den 15. Mai, geweiht worden sein. Dafür spricht auch, daß Nikolaus V. erst an diesem Sonntag seine erste Amtshandlung vornahm, indem er die ersten Kardinäle kreierte. Es wird also erkennbar, daß bei der Erhebung Nikolaus V. nicht seine Krönung, wie bei den anderen Päpsten seiner Zeit, sondern seine Wahl, Einsetzung und Weihe den Beginn des Pontifikats darstellen. Die Erhebung folgt dem Beispiel eines gewöhnlichen Bischofs, die auch keine Krönung beinhaltete. Die Weihe stellte das letzte Glied in der Kette der Erhebungsakte dar, die für die Aufnahme der Amtsgeschäfte nicht nur notwendig, sondern auch hinreichend war. Damit wurde demonstriert, daß die Regisseure dieser Papsterhebung das Amt des Papstes vor allem als geistliches Amt verstanden haben wollten.
Villani, Buch 11, Kap. 75, Z. 1 – 2, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 611, nennt dieses Datum: »A d' XV del mese di maggio del detto anno l’antipapa fatto per Lodovico di Baviera fece VII cardinali«. Vgl. Eubel, Gegenpapst, 1891, S. 285 – 297, zur Anzahl der Kardinäle und den Personen, die in den Quellen abweichend berichtet werden. 1196 Die Registereinträge der ersten Urkunden vom 18. Mai 1328 sind abgedruckt bei Eubel, Registerband, S. 130. Vizekanzler der päpstlichen Kanzlei wurde Giovanni Colonna, der zusammen mit Marsilius das römische Klerikergremium geleitet hatte, vgl. Eubel, Gegenpapst, 1891, S. 279. 1197 Eichmann, Weihe, 1951, S. 7, so auch Richter, Ordination, 1976, der verschiedene Ordines heranzieht, passim, z. B. S. 35 (Ordo 35), S. 101 mit Anm. 66 (Ceremoniale Romanum und Praxis im 14. Jahrhundert).
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6.3.5 Die Legitimität der kaiserlichen Papsterhebung in den erzählenden Quellen Die Legitimität der kaiserlichen Erhebung eines neuen Papstes ist unter den Zeitgenossen heftig umstritten gewesen. Die Meinungen der Zeitgenossen werden in manchen chronikalischen Berichten mitgeteilt, und unterschiedliche Meinungen von Chronisten und Publizisten selbst vertreten. Auch in den Rekonziliationsverhandlungen Kaiser Ludwigs mit Johannes XXII. und dessen Nachfolgern spielte die Legitimität der Papsterhebung eine Rolle. Der Chronist Villani berichtet, daß die Einsetzung des neuen Papstes in Rom nicht nur auf Unterstützung, sondern unter Römern und Deutschen auch auf Ablehnung gestoßen ist: »Der gutgesinnte Teil der Bevölkerung von Rom nahm an dieser Wahl und Bestätigung des Gegenpapstes großen Anstoß, da ihnen der Bayer gegen den Glauben und die heilige Kirche zu handeln schien, und wie wir selbst später aus dem Mund seiner eigenen Leute als sicher vernommen haben, daß die Klügeren der Ansicht waren, er habe übel gehandelt. Auch waren seitdem viele, insbesondere die Niederdeutschen in seiner Umgebung, ihm nicht mehr in dem Grad ergeben wie zuvor.«1198
Diese hier berichtete Ablehnung vieler Zeitgenossen hat für einige Chronisten vermutlich den Anlaß gegeben, sich durchaus reflektierend über die Legitimität dieser Papsteinsetzung zu äußern. Eine ganze Reihe von Chroniken, die Informationen zur Legitimität der kaiserlichen Papsterhebung enthalten, sind hierzu bisher kaum herangezogen worden,1199 wie sie auch insgesamt zum Romzug noch nicht hinreichend gewürdigt wurden, obwohl sie zu den wertvollsten Quellen gehören. Als zeitlich nächster Quellenautor verbindet der kaiserlich gesinnte Nicolaus Minorita seinen Bericht über die Einsetzung des neuen Papstes mit Überlegungen über die Legitimität von Ludwigs Vorgehen: »Weiterhin erklärte der genannte Kaiser, daß die Kardinäle, die zu unserer Zeit die Wähler der Päpste sind, die Begünstiger eines Häretikers seien, ehrlos und exkommuniziert und jedes Wahlrechts beraubt, deswegen weil sie dem besagten Herrn Johannes, einem offenkundigen Häretiker und durch ihn [den Kaiser] wegen Häresie 1198 Villani, Buch 11, Kap. 73, Z. 35 – 42, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 610: »Di questa lezione e confermagione del detto antipapa la buona gente di Roma forte si turbarono, parendo loro che ’l detto Bavero facesse contra fede e la santa Chiesa; e sapemmo poi di vero da la sua gente medesima, che quegli ch’erano savi, parve loro ch’egli non facesse bene; e molti per la detta cagione mai poi non gli furono fedeli come prima, spezialmente quegli de la bassa Alamagna ch’erano co·llui.« Die Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 138. Diesen Passus hat Agnolo di Tura del Grasso nicht übernommen. 1199 Eine Ursache dafür könnte sein, daß zu diesen Chroniken keine oder nur abgelegen gedruckte Übersetzungen vorliegen.
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rechtskräftig verurteilt, mannigfaltig und auf viele Weisen begünstigt hatten, nachdem er öffentlich und offenkundig wegen vieler Häresien in üblem Ruf stand, und er wollte für die Kirche Sorge tragen für einen anderen Papst. Unter Beachtung des alten Brauchs (more antiquitus observato) wählten der Kaiser gemeinsam mit dem römischen Klerus und Volk am Tag der Himmelfahrt des Herrn, der der 12. Mai des genannten Jahres war, den Bruder Petrus von Corbaria vom Orden der Minderbrüder zum Papst, das heißt zum höchsten Kapuzenträger (summum cuculum), und nannten ihn Nikolaus V. Denn vor Papst Nikolaus II., der im Jahr 1058 in Sens als erster durch die Kardinäle gewählt worden war, bestimmten die Kaiser mit dem römischen Klerus und Volk den höchsten Priester für die Stadt Rom und den ganzen Erdkreis, und setzten sie zuweilen aus vernünftigen Gründen ab, wie aus einigen Geschichten und Chroniken erhellt.«1200
Nicolaus Minoritas Darstellung der an der Wahl beteiligten Personengruppen stimmt mit dem in Avignon abgelegten Schuldbekenntnis des Gegenpapstes überein. Die zeitliche Einordnung der Wahlhandlung läßt sich nach Nicolaus Minorita dahin präzisieren, daß sie am frühen Morgen des 12. Mai 1328, vor der kaiserlichen Investitur auf dem Petersplatz, stattgefunden hat. Nur Nicolaus Minorita nimmt sich des grundlegenden Problems dieser Papstwahl an, nämlich daß kirchenrechtlich klar geregelt war, daß allein die Kardinäle das Recht zur Papstwahl hatten. Es ist eine interessante und nur bei Nicolaus Minorita zu findende Information, daß Kaiser Ludwig die Kardinäle zu Ketzern erklärt habe, um sie ihres Wahlrechts zu entsetzen, um diesem Legitimitätsdefekt zu begegnen. Nicolaus’ historisches Rechtfertigungsargument jedoch, daß es vor Papst Nikolaus II. nicht nur einige Beispiele dafür gab, sondern allgemein der Brauch gewesen sei, daß die Päpste nicht allein durch Klerus und Volk von Rom gewählt worden sind, sondern daß die »Kaiser gemeinsam mit dem römischen Klerus und Volk« zur Papstwahl berechtigt waren, ist auch gegenüber einer Leserschaft des 14. Jahrhunderts wenig erfolgversprechend. Allerdings berichtet auch Nicolaus Minorita über »einige«, die Bedenken bezüglich der Rechtmäßigkeit dieser kaiserlichen Maßnahme hatten, vor allem weil sie geistliche und weltliche Jurisdiktion als getrennte Sphären ansahen. Daher, so berichtet Nicolaus Minorita, fertigten Gelehrte und Juristen eine 1200 Nicolaus Minorita, ed. G/l/Flood, 1996, S. 201: »Deinde praefatus imperator, adserens cardinales, nunc summorum pontificum electores, haeretici fautores, infames et excommunicatos et omni iure electionis privatos, ex eo quia dicto domino Ioanni, haeretico notorio et per eum de haeresi sententialiter condemnato, multifarie multisque modis faverant postquam fuit publice et notorie de pluribus haeresibus diffamatus, volensque providere Ecclesiae de alio summo pontifice, more antiquitus observato, una cum clero et populo Romano in die Ascensionis Domini, quae fuit 12 dies Maii anni praedicti, fratrem Petrum de Corbaria, Ordinis Fratrum Minorum, in summum pontificem, id est summum cuculum elegerunt, et Nicolaum quintum vocaverunt. Nam ante Nicolaum papam II, qui primus fuit electus per cardinales in civitate Senensi anno Domini 1058, imperatores cum clero et populo Romano Urbi et Orbi de summo pontifice providebant, et interdum ex causis rationabilibus deponebant, ut patet cuilibet historias et chronicas perlegenti.«
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Antwort darauf an, die auf dem kanonischen Recht beruhte.1201 Diese Gutachten und ihre Autoren sind nicht überliefert. Sie hätten die Hauptquellen für die legitimatorischen Überlegungen am kaiserlichen Hof sein können. Ob es konkurrierende Ansichten gab und wer sich äußerte, kann daher nicht gesagt werden. Anders als bei der Absetzung Johannes’ XXII. müssen daher die zugrundeliegenden legitimatorischen und politischen Auffassungen aus dem kaiserlichen Handeln erschlossen werden. Heinrich von Herford betont ebenfalls den Rückgriff auf das Papstwahlrecht vor der Einführung des Vorwahlrechts der Kardinalbischöfe durch Papst Nikolaus II. im Jahr 1059. Auch sonst bestätigt er, was aus anderen Quellen über die Wahl bekannt ist: »Ludwig sorgte dafür, daß ein anderer Papst durch den römischen Klerus und das Volk nach Sitte der Vorväter (more patrum antiquorum) gewählt wurde, und setzte ihn gemäß den Kanones, wie man sagt, ein, nämlich den Petrus von Corvaro vom Orden der Minderbrüder.«1202
Der rechtfertigende Charakter dieser Darstellung wird noch verstärkt durch den, wenn auch unter distanzierendem Vorbehalt gegebenen, Hinweis auf die angebliche kirchenrechtliche Legitimierung der kaiserlichen Einsetzung.
1201 Nicolaus Minorita, ed. G/l/Flood, 1996, S. 201 – 202: »Quia a nonnullis fuit haesitatum hactenus et adhuc haesitatur, quomodo imperator potuit ferre sententiam supra dictam, et maxime cum iurisdictiones clericorum et saecularium sint destincte, fuit responsum a prudentibus et iuristis quod de iure hoc potuit facere et debebat, ex eo quod scriptum est in sacris canonibus (23 q. 5 c. [20] Principes, ubi dicitur quod ›per regnum terrenum caeleste regnum proficit, ut qui intra Ecclesiam positi contra fidem et disciplinam agunt rigore principum conterantur, ipsamque disciplinam quam utilitas Ecclesiae exercere non praevalet, cervicibus superborum potestas principalis imponat.‹ Haec ibi. Et sunt verba Isidori, ut dicit glossa ordinaria, quod ›laici habent iurisdictionem multipliciter intra Ecclesiam: quandoque in personis, cum sunt incorrigibiles; item, quandoque in ambitionem alicuius, ut cum quis se facit inthronizare nulla electionecanonica praecedente; item, cum clerici volunt fidem subvertere; item, cum clerici sunt falsarii; item, cum schisma faciunt et excommunicationem contemnunt; item, ubicumque ecclesiastica potestas deficit, ut hic; item, cum tributum petunt ab Ecclesia.‹ Haec glossa. Quia vero hic deficiebat potestas ecclesiastica, dictus imperator tulit sententiam contra eum. Hoc idem notatur 17 D. c. [4] Nec licuit, ubi dicitur quod ubicumque deficit potestas ecclesiastica, semper recurrendum est ad brachium saeculare.)« 1202 Heinrich von Herford, ed. Potthast, 1859, S. 246: »[…] Lodewicus […] papam alium per clerum populumque Romanum more patrum antiquorum eligi procuravit, et secundum canones, ut dixit, substituit, scilicet Petrum de Corbaria de ordine fratrum minorum.« An anderer Stelle heißt es (S. 249): »Petrus de Corbaria, quidam de ordine minorum, per clerum et populum Romanun in papam eligitur, adnitente imperatore, sicut dictum est anno istius duodecimo.« – »Petrus von Corvaro aus dem Orden der Minderbrüder wurde durch den römischen Klerus und das Volk zum Papst gewählt, mit Zustimmung des Kaisers, wie gesagt, in dessen 12. Regierungsjahr.«
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Einen weiteren Einblick gibt der Bericht Johanns von Winterthur. Er spekuliert selbst über mögliche Motive und Legitimationsgründe Ludwigs: »Die Überlegung oder der Beweggrund, warum Ludwig der Bayer, der wie gesagt in Rom gekrönt wurde, mit dem römischen Volk versuchte und wagte, einen anderen Papst zu wählen und einzusetzen, war, weil die Römer sagten: sooft der Papst seinen Sitz an andere Orte verlege, wie es damals lange Zeit der Fall war, könnten sie nach den ihnen zugestandenen Befugnissen rechtmäßig einen anderen Papst machen. Und das war gemacht worden vermittels des Rates und der Hilfe Ludwigs des Bayern«.1203
Der Chronist schreibt den Römern also die Initiative für die Wahl des neuen Papstes zu, aber Ludwig als Kaiser wird die Ermöglichung der Durchführung zugewiesen. Er läßt die Römer darüber hinaus auf Rechte bei der Papstwahl verweisen, die dem entsprechen, was Ludwig der Bayer im Kaisergesetz vom 23. April 1328 erlassen hat. Wenn nicht Unkenntnis oder eine verdrehte Information die Basis dieser Nachricht ist, dann kann sie als Anhaltspunkt für die Entstehung des Kaisergesetzes dienen: Dessen, unter Mitwirkung der Römer entstandene Formulierung könnte auf dem von Johann von Winterthur angeführten Anspruch der Römer basieren, die ihn von Ludwig durch ein Kaisergesetz kodifizieren lassen wollten. Aber der Chronist stellt noch weitere Überlegungen zur Wahl des Gegenpapstes vor : »Oder vielleicht war der Beweggrund des römischen Volkes, einen neuen Papst zu wählen, daß ihnen möglicherweise in Erinnerung kam, daß in den vergangenen Zeiten sehr viele Kaiser, wie einige Chroniken bezeugen, Ähnliches taten, [nämlich] den Papst, der eben dann die Kirche regierte und der die Rechte und Würdezeichen der Weihung und Bestätigung ihnen willkürlich versagte, entfernten, wegtrieben und einen anderen einsetzten, der ihnen das Geschenk des päpstlichen Segens gern erteilte und ihnen die bezeichneten Gewalten, wie sie verlangt hatten, übertrug.«1204
Die hier vorgestellte Überlegung bezieht sich nicht, wie Johann von Winterthur mißverständlich formuliert, auf den Beweggrund der Römer, sondern vielmehr 1203 Johann von Winterthur, ed. Baethgen, 1924, S. 87, Z. 11 – 18: »Racio vel motivum, quod Ludwicus Bawarus Rome, sicut dictum est, coronatus cum populo Romano attemptavit et ausus erat papam alium eligere et instituere, fuit, quod Romani dixerunt, quod, quandocumque papa tranferret sedem suam ad alia loca, sicut tunc longo tempore actum fuit, ex privilegiis ipsis concessis licite possent alium papam creare. Quod et factum erat mediante consilio et auxilio Ludwici Bawari«. Übersetzung nach Freuler, 1866, S. 108 – 109. 1204 Johann von Winterthur, ed. Baethgen, 1924, S. 87, Z. 24 – 32: »Vel forte motivum Romani populi ad creandum novum papam fuit, quod forte in memoriam eis venit, quod plurimi imperatores in temporibus retroactis, sicut alique cronice testantur, similia fecerunt, papam tunc temporis ecclesie presidentem, iura et insignia eis temere consecracionis et confirmacionis negantem amovendo, repellendo et alium instituendo, qui voluntarie eis munus benedictionis papalis inpendit, predicta eis, sicut exegerant, conferendo.« Übersetzung nach Freuler, 1866, S. 109.
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auf die Legitimität ihres Vorgehens. Anders als diese Passage vielleicht vermuten läßt, berichtet Johann von Winterthur an anderer Stelle keineswegs, wie einige andere Chronisten, daß es der neue Papst gewesen wäre, der Ludwig zum Kaiser gekrönt habe, sondern berichtet zutreffend Ludwigs Kaiserkrönung vor der Wahl des Gegenpapstes. Der Beweggrund früherer römischer Herrscher, nämlich deswegen einen neuen Papst wählen zu lassen, um sich dann von diesem zum Kaiser krönen zu lassen, wird nicht zum Motiv Ludwigs des Bayern erklärt. Deren Beispiel dient Johann von Winterthur nur dazu, um zu zeigen, daß es historische Vorbilder und damit eine Rechtfertigung für Kaiser Ludwig gab, den Papst abzusetzen und einen neuen einzusetzen. Diese historische Rechtfertigung erweitert Johann um ein interessantes Argument: »In einer Chronik wird gelesen, daß Papst Hadrian in Gegenwart Karls, des Königs der Franken und Kaisers der Römer, zu Rom eine Synode hielt und Karl das Recht gab, das Oberhaupt der Kirche zu wählen und den päpstlichen Stuhl zu bestellen. Dasselbe wünschten vielleicht die Römer vereint mit dem Bayer wieder zu erhalten und versuchten die genannte Sache. Aber nicht auf den Felsen, sondern auf Sand hätten sie mit solchen Absichten und Handlungen gebaut, weil, wie auch in den Annalen zu lesen steht, die Nachfolger des erwähnten Karl auf das besagte Recht lange vor jenes Bayern Zeit verzichtet hatten.«1205
Johann von Winterthur nennt das in der Zeit des Investiturstreits gefälschte Decretum de investuris Hadrians I. als legitimatorische Grundlage für die Wahl Nikolaus’ V. Dieses Dekret haben auch Landolfo Colonna und Marsilius von Padua in ihren Traktaten über die Translatio imperii angeführt.1206 Der Chronist weist jedoch die Initiative zur Neuwahl eines Papstes den Römern zu, die das kaiserliche Recht für sich zu nutzen suchten. Für die Suche nach der unmittelbaren Herkunft dieser Legitimation dient Johanns Hinweis, daß das Wissen der Römer über die angebliche Hadrianssynode nicht etwa über Urkunden oder Rechtssammlungen, sondern durch eine Chronik bekannt war. Die Nachricht über die Synode ist in den Chroniken von Martin von Troppau und Tolomeo von Lucca überliefert, aber auch Landolfos und Marsilius’ Traktate können durchaus als Chroniken verstanden werden.1207 Zwar findet sich in allen diesen Chroniken 1205 Johann von Winterthur, ed. Baethgen, 1924, S. 87, Z. 32 – S. 88, Z. 5: »Legitur in una cronica, quod Adrianus papa celebrans synodum Roma presente Karolo rege Francorum et inperatore Romanorum dedit Karolo ius eligendi summum pontificem et sedem apostolicam ordinandi. Quod resumere forsitan Romani una cum Bawaro cupientes predictum factum attemptarunt. Sed non super petram, sed pocius super harenam sic intendendo et faciendo edificassent, quia – sicut eciam in libris annalibus legitur – successores Karoli memorati prefato iuri longe ante istius Bawari renunciaverunt tempora.« Die Übersetzung nach Freuler, 1866, S. 109. 1206 Vgl. ausführlich oben S. 172 ff. 1207 Marsilius’ Traktat wurde in der späteren Chronistik auch als Chronik bezeichnet, vgl. oben S. 98.
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immer auch der Hinweis, daß Karl der Große das ihm übertragene Recht nie ausgeübt habe. Diesen Passus übernimmt auch Marsilius. Aber die Folgerung daraus, nämlich daß das den Kaisern verliehene Recht zur Papstwahl außer Übung geriet und deshalb nicht mehr bestünde, bestreitet Marsilius. Vielmehr weist Marsilius ausdrücklich darauf hin, daß Karl der Große dieses Recht weder zurückgewiesen noch aufgegeben hätte. Woher Johann von Winterthur diesen Bericht hat und vor allem, warum er die Wahl Nikolaus’ V. mit der Synode Papst Hadrians verbindet, kann nicht letztgültig geklärt werden. Zwar ist es denkbar, daß Johann die Hadrianssynode selbst aus Chroniken kannte und in seiner Darstellung lediglich über mögliche Rechtfertigungen der Römer spekulierte. Es scheint aber viel wahrscheinlicher anzunehmen, daß Johann gemeinsam mit den Nachrichten über die Wahl des Gegenpapstes auch die von ihm angeführte Rechtfertigung erhalten hat. Unter den Chroniken, die über die Synode Papst Hadrians berichten, vertritt allein Marsilius die Auffassung, daß das den Kaisern übertragene Papstwahlrecht nicht außer Kraft ist. Daher ist durchaus naheliegend, daß es Marsilius selbst war, der in Rom mit der Hadrianssynode als Argument auftrat. Hier ist deutlicher als anderswo der Einfluß erkennbar, den ein einzelnes Argument des Marsilius auf den Gang der Ereignisse in Rom hatte. Auch wenn es den Zeitgenossen von verschiedenen Autoren bekannt werden konnte und damit kein originär marsilianisches Argument darstellte, so stellte es doch eine Wiederbelebung eines von den kurialen Autoren der Zeit vehement abgelehnten Arguments dar. Daher scheint es plausibel, Marsilius als unmittelbaren Ideengeber anzusehen. Der Rückgriff auf alte Rechtsnormen spielt auch in der ersten Redaktion der Chronik des Johann von Viktring eine wichtige Rolle. Darüber hinaus hebt Johann die Rolle von Ratgebern und auch den Beratungswillen von Ludwig hervor : »Als er [Ludwig] aber in Rom war, soll er, damit er nicht durch Nichtstun träge werde, gesagt haben: ›Gebt einen Rat, was wir tun sollen.‹ Es näherten sich aber [welche], die in seinen Augen Weise zu sein schienen, die entschieden, daß ihm die verdiente Krone des Kaisertums aufzusetzen sei. Weil Papst Johannes das als lächerlich ansah und es kurzerhand, weil jener vom apostolischen Stuhl weder approbiert noch bestätigt worden war, abschlug, es selbst oder durch andere zu tun, bewiesen sie mit alten Satzungen der Römer, wiederhervorgeholten und auch neuen, die ähnlich nachgebildet wurden, die keiner mit gesundem Geist als dem Recht oder der Ordnung der Kirche entgegengesetzt beurteilt, daß der höchste Pontifex an seinem Sitz die Residenz haben müsse, und sowohl ihm als auch allen [anderen Päpsten] die Abwesenheit für so lange Zeit verboten sei, und, weil er das Gesetz der Satzung übertreten hat und niemals die Laterankirche betreten hat, behaupteten sie, daß er sich unrechtmäßig in Schreiben Bischof nenne, und faßten zusammen, daß er nicht von Rechts wegen Papst sei.«1208 1208 Johann von Viktring, Buch 5, Kap. 7, Rec. A, ed. Schneider, Bd. 2, 1910, S. 93, Z. 15 – S. 94,
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Der Verweis auf die alten Satzungen wird hier deutlich und sprachlich reizvoll verbunden mit der Erklärung, daß die neueren Urkunden, nämlich Ludwigs Kaisergesetz, auf den alten beruhen. Überraschend erscheint danach die Darstellung der Rolle Ludwigs: »Daher behaupteten sie [die Römer], daß sie sich aufgrund ihrer Satzungen einen anderen Papst wählen können, verwirrten Ludwig, damit er beipflichtet, nahmen die Adligen, verschiedene Prälaten, Bischöfe und Äbte zu Hilfe, machten und verleiteten die römischen Adligen, die den Ruhm ihrer Stadt, der einst verblüht war, wieder aufrichten wollten, zu Verbündeten ihrer Tat. Ludwig aber [antwortete] auf die Behauptung dieses Vortrags und dieser mündlichen Rede öffentlich, daß er der Gesetze nicht kundig sei und die Bestimmungen ihrer Stadt nicht kenne, daß er unberührt sein und seine Hände heraushalten und sich unbefleckt von dieser Angelegenheit erhalten wolle. Ausrufend schienen alle zu sagen: ›Über uns und unsere Söhne häuft sich dieses als Schuld an, wenn wir die Grenze und die Richtschnur der Wahrheit überschreiten.‹ Und sie liebkosten die Ohren des Volkes mit vorgelesenen und vor der ganzen Menge ausgebreiteten Büchern.«1209
Inwieweit Johann von Viktrings Hinweis auf die dem Volk vorgelesenen Bücher im Wortsinne zu verstehen ist oder ob der Chronist lediglich sagen wollte, daß das Volk mit Hilfe einer gelehrten Argumentation überzeugt werden sollte, kann nicht entschieden werden. Ebenso ist unklar, um welche Bücher oder auch nur um welche Art Bücher es sich handelte. Der Herausgeber der Chronik hat vermutet, daß dies ein Hinweis darauf sei, daß Johann von Viktring den Defensor pacis kannte.1210 Festzuhalten bleibt jedoch, daß Johann von Viktring wenigstens Z. 1: »Rome autem existens, ne ocio marcesceret, dixisse fertur : ›Inite consilium, quid agere debamus.‹ Accedentes autem, qui sapientes in oculis suis videbantur, coronam sibi imperii debitam diffiniunt imponendam. Quod quia Iohannes papa ridiculum estimabat et precise, tamquam non approbato neque confirmato per sedem apostolicam, per se vel per alios fieri denegaret, antiquis statutis Romanorum, que nullus censet sane mentis contra ecclesie ius vel formam posita, revolutis et novellis similiter replicatis argumentabant summum pontificem in sede sua debere habere residenciam et tam sibi quam omnibus absenciam tanti temporis interdictam et, quia statuti legem transgressus fuerit et pontificatum Lateranensis ecclesie nunquam intraverit, eum frustra se scribere episcopum asserebant et non esse de iure antistitem conferebant.« 1209 Johann von Viktring, Buch 5, Kap. 7, Rec. A, ed. Schneider, Bd. 2, 1910, S. 94, Z. 1 – 13: »Igitur posse ex suis statutis asserunt papam alium se creare, Ludewicum implicant, ut assenciat, nobiles et diversos prelatos, episcopos et abbates advocant, Romanos nobiles pro gloria sue Urbis erigenda, que dudum elanguit, complices facti faciunt et inducunt. Ludewicus autem publice declamacionis et vive vocis oraculo [respondit] se legum inscium et civitatis eorum ignorare sancita, se immunem esse velle et excutere manus suas ac impollutas ab hoc negocio conservare. Exclamantes omnes dicere videbantur : ›Super nos et filios nostros piaculum hoc excrescat, si metas vel regulas excedimus veritatis‹. Et lectis atque coram universa multitudine expansis libris aures populi demulcebant.« Der Herausgeber weist darauf hin, daß der zweite Satz ohne finites Verb bzw. Prädikat überliefert ist; die Emendation ist von mir. 1210 Johann von Viktring, ed. Schneider, Bd. 2, 1910, S. 94, Anm. 3.
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eine Mitteilung darüber machen wollte, daß gelehrte Anschauungen zur Unterstützung und Legitimierung der kaiserlichen Papsterhebung auch gegenüber der römischen Öffentlichkeit verwendet wurden. Im Unterschied zu anderen Berichten ist hier nicht die Rede von Urkunden oder Privilegien, sondern von »Büchern«, was auf einen argumentativen Inhalt verweist. Ein weiterer Unterschied besteht darin, daß es bei Johann von Viktring nicht die Römer sind, die Ludwig gegenüber Rechtstitel vorlegen, sondern daß im Auftrag des Kaisers die Legitimität seines Vorgehens gegenüber den Römern bewiesen werden soll. In der letzten Fassung seiner Chronik berichtet Johann von Viktring dagegen sehr viel kürzer über die Einsetzung des Gegenpapstes: »Im gleichen Jahr, im Monat Mai, ließ er vermittels einiger Kleriker den Bruder Petrus von Corvaro aus dem Minoritenorden widerrechtlich als Papst einsetzen; derselbe wurde von den Seinen Nikolaus V. genannt, und so brachte er die Abgötterei in das Haus Gottes und ein Ungeheuer in die Kirche des heiligen Petrus. Das Volk aber und der Klerus von Rom hatten, in völliger Verblendung befangen, Augen ohne zu sehen: sie boten jenem Kniebeugung und Fußkuß; ebenso das Kriegsvolk des Kaisers selbst.«1211
Diese Darstellung ist Ludwig gegenüber kritischer und läßt die entlastenden Aussagen über den Einfluß von Ratgebern und vor allem Ludwigs öffentliche Distanzierung weg. Der Kaiser erscheint als Akteur, während den Römern lediglich die Anerkennung und Huldigung des Gegenpapstes angelastet wird. Auch die zweite Fortsetzung der Chronik des Wilhelm von Nangis berichtet über den Einfluß von Ratgebern und über Urkunden zur Legitimierung der Papstwahl. Über Kaiser Ludwig heißt es: »Und als er etwa einen Monat in der Stadt Rom verbracht hatte, erhoben sich gewisse Söhne des Teufels, die verderbliche Zwietracht im Garten der Kirche säten, und sie sprachen so: ›Deswegen hat Gott uns und der Stadt Rom, die von alters her Haupt der ganzen Welt genannt wurde und auch war, ein Haupt gegeben, nämlich den Kaiser, damit wir und unsere Stadt, und ja sogar die ganze Welt, in dem Arm seiner Macht in weltlichem Sinne verteidigt und beschützt werden. Es ist gut und durchaus zuträglich, daß wir auch ein anderes Haupt haben, das auf dem Stuhl des heilige Petrus sitzt und uns nach der Sitte der Vorväter die geistlichen Dinge darreicht.‹ Als diese sagten, daß sie authentische und mit der Autorität der heiligen Vorväter gemachte Urkunden hätten, in denen enthalten zu sein schien, daß wenn der Papst, nachdem er ausreichend oft von den Bürgern und dem Volk von Rom aufgefordert wurde, nicht auf den Stuhl des 1211 Johann von Viktring, Buch 5, Kap. 7, Rec. B. D. A2, ed. Schneider, Bd. 2, 1910, S. 132, Z. 23 – S. 133, Z. 3: »Eodem anno mense Maii per aliquos de clero intrudi fecit in papatum fratrem Petrum de Corbario de ordine fratrum Minorum, qui vocatus est a suis Nicolaus quintus, et ydolum in domo Dei et monstrum in beati Petri kathedra collocavit. Populus et clerus Romanus quasi acrisia percussus, oculos habens et non videns, illi genuflexiones et pedum oscula, sicut et ipsius imperatoris populus, exhibebant.« Die Übersetzung nach Friedensburg (GdV, Bd. 86 = 14. Jhdt., Bd. 8), 1888, S. 224 – 225.
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heiligen Petrus steigen will oder es verzögert, deswegen die Gewalt und die Autorität, einen anderen Papst zu wählen, an die Kanoniker von St. Peter und St. Johannes im Lateran zurückfällt, hat diese Rede dem ganzen Volk am meisten gefallen. Und so schritten sie zur Wahl eines anderen Papstes, und sie wählten einmütig, wenn auch nichtswürdig, einen gewissen Minderbruder, der Bruder Petrus Rainalutii genannt wurde, und weihten den Gewählten und setzten ihn ehrenvoll auf den Stuhl des heiligen Petrus, so wie es Gewohnheit ist, daß es von alters her mit den anderen Päpsten geschieht.«1212
Der Chronist gibt auch eine interessante Nachricht zur Bewertung der Rolle Kaiser Ludwigs: »Jedoch behaupteten einige, daß diese Wahl nicht eines Papstes, sondern eines Gegenpapstes, nicht aus Zustimmung und Überzeugung Herzog Ludwigs geschehen ist; aber er vermochte nicht, den Lärm des lärmenden Volkes zur Ruhe zu bringen, und hat, mehr aus Notwendigkeit gezwungen als aus Willen, geduldet, was das Volk machen wollte.«1213
Nach der in dieser Chronik referierten Meinung »einiger« handelte Ludwig nicht aus eigenen Antrieb und Willen, sondern gedrängt, wenn nicht gezwungen vom römischen Volk. Der Einfluß von Ratgebern und politischer Druck von seiten des römischen Volks gehört noch bei weiteren Chronisten zu den wenigen Umständen, die zur Papsterhebung berichtet werden. Heinrich Taube von Selbach schreibt in seiner Chronik im Abschnitt zur Kaisergeschichte: »Im selben Jahre erhob Ludwig, um dem römischen Volke zu gefallen, und auf die Einflüsterung einiger Geistlichen und Laien hin, einen Mönch vom Orden der Min1212 Continuationis chronici Guillelmi de Nangiaco pars altera (1317 – 1340), ed. G8raud, 1843, S. 87 – 88: »Cumque per mensem vel circiter in civitate romana permansisset, surrexerunt quidam filii diaboli zizaniam pessimam in horto Ecclesiae seminantes, et dixerunt sic: ›Ex quo Deus dedit nobis et civitati romanae, quae ab antiquo dicitur et est caput totius mundi, unum caput scilicet imperatorem, in brachio potentiae suae temporaliter nos et civitatem nostram, imo et totum mundum, defendi et tueri; bonum est et omnino expedit quod habeamus et caput aliud quod in sede sancti Petri resideat, et more praecedentium patrum nobis spiritualia ministret.‹ Maxime ut ipsi dicebant, quod ipsi habebant chartas authenticas et praecedentium patrum sanctorum auctoritate factas, in quibus contineri videbatur, quod ubi Papa, sufficienter requisitus per cives et populum Romanum, nollet vel differet ad sedem sancti Petri accedere, ex hoc ad canonicos sancti Petri et sancti Johannis Lateranensis devolvebatur potestas et auctoritas Papam alium elegendi, quod verbum toti populo placuit. Et sic ad electionem alterius Papae processerunt, et quemdam fratrem Minorem, qui dicebatur frater Petrus Rainalutii, unanimiter licet nequiter elegerunt, et electum consecraverunt, et in cathedra sancti Petri honorifice, quomodo solitum est aliis Papis antiquitus fieri, posuerunt.« (Die Interpunktion von mir korrigiert.) 1213 Continuationis chronici Guillelmi de Nangiaco pars altera (1317 – 1340), ed. G8raud, 1843, S. 88: »Asserunt tamen nonnulli quod hujusmodi non papae sed antipapae electio, de Ludovici ducis assensu et conscientia non processit; sed nequins tumultuationem tumultuantis populi sedare, quod voluit populus facere, necessitate magis quam voluntate compulsus, toleravit.«
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derbrüder namens Peter von Corvaro und machte ihn (nach seiner Krönung, davon unten) zum Papst oder vielmehr zum Gegenpapst«.1214
Es scheinen nach dieser Darstellung weniger einzelne Römer als vielmehr die am Hof des Kaisers befindlichen Berater Einfluß auf den Kaiser ausgeübt zu haben. Dieser Eindruck wird bestätigt durch eine andere Quelle. In der zweiten bayerischen Fortsetzung der Sächsischen Weltchronik heißt es: Ludwig »saczt mit der Roemer willen und mit seiner maister rat einen andern pabst ze Rom. Und da heten Roemer ein weil einen guten glauben an, aber nicht lang.«1215 Hugo Spechtshart von Reutlingen identifiziert die Franziskaner als Ludwigs Ratgeber, die sich nun darüber freuen konnten, wie Hugo Spechtshart spottend hinzufügt, einen eigenen Papst zu haben.1216 Einige Chroniken, die nur knapp über die Erhebung des Gegenpapstes berichten, schreiben den Römern die Initiative und in ihrer Bewertung damit auch die Schuld daran zu. Albertino Mussato stellt auch in diesem Zusammenhang die Rolle der Römer besonders heraus.1217 Ganz ähnlich stellt es die Glosse zur 1214 Heinrich Taube, ed. Bresslau, 1922, Reges, S. 40, Z. 14 – 18: »Eodem anno idem Ludwicus ad complacendum populo Romano et ad suggestionem quorundam clericorum et laycorum quendam fratrem de ordine Minorum nomine Petrum de Curvario erexit et [Anm., Z. 23: post coronationem suam, ut infra] prefecit in papam vel potius in antipapam«. Zur Geschichte der Päpste heißt es etwas knapper(Papae, S. 24, Z. 2 – 6): »Ubi ad suggestionem quorundam clericorum et populi Romani predictum papam Iohannem deponere presumpsit et de consilio predictorum quendam fratrem Minorem dictum Petrum de Curvario novum papam ordinavit.« – »Hier vermaß er [Ludwig] sich, auf die Einflüsterung einiger Geistlichen und des römischen Volkes hin, den Papst Johannes abzusetzen und er setzte auf den Rat der Genannten einen Minderbruder namens Peter von Corvaro als neuen Papst ein.« 1215 Zweite Bairische Fortsetzung der sächsischen Weltchronik, ed. Weiland, 1877, S. 338, Z. 25 – 27. 1216 Hugo von Reutlingen, Buch 1, Vers 675 – 679, ed. Gillert, 1881, S. 43: »Sicque potens factus turpes consurgit ad actus, / Papam namque novum creat et vocat hunc Nicolaum, / Ordine de fratrum quem sumpserat ille Minorum, / Quorum consiliis fuerat deceptus iniquis, / Qui congaudebant, proprium papam quod habebant.« 1217 Mussato, ed. Böhmer, 1843, S. 176: »Moxque sub hec sumpta sibi Romani, auctore Ludovico eorum rege et principe, omnia legitime agendi potestate, ut quecunque constituerunt legis vigorem haberent, deposito ac revocato Ioanne, magnis instantiis induxere virum unum ordinis Minorum, eo usque vita et honestate probatum, Petrum de Corvaria, summi ponificatus sedem et diadema suscipere, preficientibus illum Ludovico et Romanis sub plenitudine potestatis.« – »Kurz danach nutzten die Römer die Vollmacht ihres Königs und Herrn Ludwig, daß Gesetzeskraft haben sollte, was sie beschlössen. Nachdem Johannes abgesetzt und abberufen war, veranlaßten sie in fliegender Eile einen Mann aus dem Minoritenorden, der von ehrbarem und erprobtem Lebenswandel war, Pietro von Corvaro, den Sitz und die Krone des höchsten Pontifex anzunehmen, indem Ludwig und die Römer ihn kraft ihrer Machtvollkommenheit ernannten.« Übersetzt in Anlehnung an Engelsing, Albertino Mussato, 1982, S. 45 – 46. Von einer »Tiara«, wie Friedensburg, Quellen, zweite Hälfte, 1887, S. 11, und ihm folgend Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 38, übersetzen, spricht Mussato jedoch nicht.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern II: Kaiser und Kirche
Reimchronik des Hugo Spechtshart von Reutlingen dar.1218 Mit deutlicher Kritik an der Einsetzung des Gegenpapstes berichtet die Chronica de ducibus Bavariae.1219 Einige italienische Chroniken stellen jedoch weniger die Initiative als vielmehr die – legitimierende – Mitwirkung der Römer heraus, nämlich Marcha di Marco di Battagli da Rimini,1220 die Cronaca di Pisa von Ranieri Sardo1221 und
1218 Hugo de Rutlingen, ed. Böhmer/Huber, 1868, S. 133: »Et quia prefatus papa Johannes manens in Avinione noluit venire Romam, idcirco Ludwicus imperator factus, licet hoc factum fuerit contra voluntatem pape, cum consensu et iussu Romanorum quendam ordine fratrum Minorum papam novum creavit, quem Nycolaum vocavit.« – »Und weil Papst Johannes in Avignon verblieb und nicht nach Rom kommen wollte, deswegen wählte der zum Kaiser erhobene Ludwig, freilich war dies gegen den Willen des Papstes gemacht worden, mit dem Einverständnis und im Auftrag der Römer einen neuen Papst aus dem Orden der Minderbrüder, den er Nicolaus nannte.« 1219 Chronica de ducibus Bavariae, ed. Leidinger, 1918, S. 159, Z. 19 – 29: »Cum autem ibidem fere per annum cum omni suo exercitu more potentis cesaris permansisset, nemine sibi nisi solo domino apostolico resistente, tandem Romanorum inductus vel pocius seductus consilio gloriam, quam gloriose acquisiverat maculavit. Quendam enim papam vel pocius antipapam in Romana ecclesia sublimavit, qui tamen non diu rexit. Imperatore enim ad Alemanniam reverso ipse a Romanis derelictus ad Avionem [sic!], ubi tunc papalis sedes erat, festinavit et domini Iohannis pape gracie se tradidit emendandum. Et sic scisma illud divina clemencia ordinante penitus est sopitum.« – »Als er in dieser Stadt, nach Art eines mächtigen Kaisers, mit seinem ganzen Heer etwa ein Jahr verblieben war, ohne daß außer dem Heiligen Vater irgend jemand ihm Widerstand leistete, befleckte er endlich, von den Römern bewogen, oder vielmehr verführt, den guten Ruf, den er ruhmvoll gewonnen hatte, indem er einen Papst, oder eigentlich einen Gegenpapst, in der römischen Kirche erhob. Dieser behauptet sich freilich nicht lange, denn, als der Kaiser nach Deutschland zurückgekehrt war, wurde er von den Römern selbst im Stich gelassen und begab sich eilends nach Avignon, wo sich damals die Kurie befand, um seine Bestrafung der Gnade des Herrn Papstes Johann anheimzustellen. Und so wurde jenes Schisma durch Gottes gnädige Fürsorge gänzlich beseitigt.«Die Übersetzung folgt Friedensburg, Quellen, erste Hälfte, 21941, S. 96, und Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 1, 1987, Kap. 9, S. 192. 1220 Marcha di Marco di Battagli da Rimini, ed. MassHra, 1912 – 1913, S. 43, Z. 20 – S. 44, Z. 5: »Hic autem, pro iniuriis Iohannis pape XXII iniuste contra ipsum Ludovicum illatis et multotiens perpetratis, pro detrimento et obprobrio ipsius pape et vindicta, in urbe alium papam creavit de consensu omnium Romanorum fratrem Petrum de Crovaria [sic!] de ordine Minorum, qui paulo post cardinalium ordinationem presumpsit, tunc papa Iohanne cum romana curia in Avinione morante. Ad quod scisma quasi tota Alamania et Lombardia et Tuscia et Marchia Trivisana et Cicilia et maior pars ordinis fratrum Minorum cum eorum generali, cum multis magistris in theologia, et episcopus Venetiarum et multi prelati occulte et multi Ytalie magnates et romanus populus cum eorum imperatore et rex Cicilie unanimiter consenserunt.« 1221 Cronaca di Pisa di Ranieri Sardo, ed. Banti, 1963, S. 82, Z. 10 – 18: »Nel dicto anno lo dicto inperadore misser Lodovico fecie a suo modo, chon sua gente et di quella de’ Pisani et cholla chericieria e populo, uno frate minore lo quale avea nome frate Piero da Chorbaia, et fecielo papa in Roma et si fu chiamato papa Niccholaio quinto; et dentrk nel rengnio insino alla Molara chon questo papa et chon dodici suoi chardinali, nonestante che l’altro papa fussi a Vingnione, et assedik gli magiori baroni del rengnio et poi gli lascik a priegho de’ Cholonnesi andare via et pocho adoperk.«
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Die Erhebung des Gegenpapstes Nikolaus V.
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der Sieneser Chronist Andrea Dei.1222 Eine Besonderheit stellen die voneinander abhängigen in Straßburg entstandenen Chroniken des Matthias von Neuenburg1223 und Jakob Twingers von Königshofen1224 dar, die – anders als der ebenfalls aus Straßburg stammenden Fritsche Closener – allein oder vor allem die Römer als Akteure benennen. Einige Chronisten, die Ludwig ablehnend gegenüberstehen, geben allein Kaiser Ludwig als Akteur an und verbinden diese Nachricht in aller Regel mit dem Hinweis auf das durch ihn entstandene Schisma. Unter den in Deutschland entstandenen Chroniken stellen es die Vita des Balduin von Luxemburg,1225 Fritsche Closener1226 und die Autobiographie Kaiser Karls IV.1227 so dar, und unter den in Italien entstandenen Chroniken ist das die Aussage in den Storie Pistoresi,1228 bei Guillelmus Cortusius1229 und dem Mailänder Chronisten Gal1222 Cronica Sanese di Andrea Dei, in: RIS, Bd. 15, 1729, Sp. 80D-E: »E in questo tempo, e del mese di Maggio a d' 12. il d' dell’Assunzione el detto Imperadore col Chericato, e Popolo di Roma fece Papa uno, che ebbe nome Frate Pietro di Corvana dell’Ordine de’ Frati Minori.« 1223 Matthias von Neuenburg, Kap. 52a, ed. Hofmeister, 1924, S. 368, Z. 12 – S. 369, Z. 2: »Post hec Petrum de Corberio fratrem Minorem in summum pontificem, quantum in eis est, [cives Romani] creaverunt, et ob hoc multis creatis cardinalibus et episcopis per illos magnum in ecclesia Dei scandalum est subortum.« 1224 Jakob Twinger von Königshofen, Kap. 2, ed. Hegel, 1870, S. 469, Z. 13 – 14: »[…] do e mahtent die Romer und der künig einen barfu˚ssen zu˚ bobeste zu˚ Rome.« Im Abschnitt zur Papstgeschichte (ebenda, Kap. 3, S. 583, Z. 16) wiederholt der Chronist diese Angabe leicht e verändert: »[…] davon mahtent die Romer einen barfu˚ssen zu˚ bobeste«. 1225 Gesta Baldewini, lib. III, cap. 6, (caput 255 des ganzen Werkes), ed. Wyttenbach/Müller, 1838, S. 248: »Sequenti vero anno millesimo trecentesimo vicesimo nono Ludowicus imperator Romae quemdam nomine Nicolaum, de ordine fratrum minorum, antipapam creavit, et in sedem beati Petri collocavit. Et ecce haeresis praenosticata hic fuit consummata.« Zenz, Taten der Trierer, Bd. 5: Balduin von Luxemburg, 1961, (als Kapitel 243), S. 54, übersetzt: »Im folgenden Jahr 1329 ließ Kaiser Ludwig in Rom einen Mann namens Nikolaus aus dem Orden der Minderbrüder zum Gegenpapst wählen und setzte ihn auf den Stuhl des heiligen Petrus. Und siehe, die vorausgesagte Häresie war hier geschehen.« 1226 Fritsche Closener, ed. Hegel, 1870, S. 69, Z. 6 – 7: »[…] do maht er einen barfußen zu˚ eime bobeste, darumbe sich sit groß zweiunge hub in der kristenheit.« 1227 Vita Caroli quarti, Kap. 4, ed. Hillenbrand, 1979, S. 88: »Et post hoc creaverat antipapam, nomine Nicolaum, ordinis Minorum, qui post hoc traditus fuit ad manus pape et in penetencia mortuus fuit.« 1228 Storie Pistoresi, Kap. 67, ed. Barbi, 1907 – 1927, S. 116, Z. 12 – 20: »E quando fu coronato, fece un altro papa e molti cardinali: lo papa ebbe nome papa Nicola, dell’ordine de’ Frati minori di san Francesco. Di cik nacque in fra’ cristiani grande resia, perk che’era un altro vero ragionevole papa, stato gi/ piF di XV anni papa: molto predicarono li Frati minori contro a papa Giovanni per papa Nicola; e tutta la parte imperiale ghibellina teneano, s' laici come cherici e prelati, per tutta Italia l’oppinione di papa Nicola, e la parte guelfa l’oppinione di papa Giovanni. Lo papa Nicola per ditto Bavaro privoe molti vescovi e prelati di quelli che avea fatti papa Ioanni, e ponea in loro luogo gente ghibellina, che erano contro a papa Ioanni e a Santa Chiesa, la qual cosa dispiacea alla maggior parte de’ Romani, e non parea loro che ’l papa nuovo fosse ragionevolemente fatto.« 1229 Guillelmus de Cortusius, Buch III, Kap. 11, ed. Pagnin, 1941 – 1975, S. 48, Z. 35 – S. 49, Z. 2:
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vano Fiamma in seinem Manipulus florum1230 und in seinem Opusculum de rebus gestis, in dem er an einer Stelle hinzufügt, daß Ludwig den Gegenpapst »aus eigener Autorität« eingesetzt habe.1231 Gar keine Nachricht über die Erhebung des neuen Papstes geben die kaiserlich gesinnte Chronica Ludovici imperatoris quarti und die anonyme Chronaca Sanese.
6.3.6 Die Erhebung des neuen Papstes in der Auffassung Kaiser Ludwigs Kaiser Ludwig selbst äußerte sich erstmals im Rahmen der Versöhnungsverhandlungen mit Benedikt XII. im Spezialprokuratorium vom 28. Oktober 13361232 und später noch in weiteren Prokuratorien1233 zur Wahl des Gegenpapstes, vor allem über seine Motive und aber auch über die Rechtmäßigkeit seines Vorgehens. Ludwig wies seine Gesandten an: »Erstens zuzugeben und anzuerkennen, daß Wir einverstanden waren, eine Abstimmung angeordnet und nicht verhindert haben, sondern vielmehr danach strebten, daß Petrus von Corvaro zum Gegenpapst befördert wurde und die Handlungen eines Papstes vornahm und daß Herr Papst Johannes seligen Angedenkens faktisch der Papstwürde entsetzt und als Abgesetzter bekanntgegeben wurde.«1234
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»Et, asserens velle de novo Pastore providere, fratrem suum, unum de Ordine Sancti Francisci, Romane urbis fecit episcopum, qui nominatus fuit Nicolaus Quintus. Hic sibi constituit hereticos cardinales. Ipse etiam a Summo Pontifice fuit pronunciatus hereticus. Hec fuerunt eodem anno, mense Aprilis.« Manipulus florum, in: RIS, Bd. 11, 1727, Kap. 366, Sp. 732B: »[…] et quemdam Fratrem Petrum Ordinis Minorem Antipapam instituit, qui dictus est Nicolaus. Hic Cardinales multos fecit, et schismata in Ecclesia, et scandala multa nimis.« Opusculum de rebus gestis, Kap. 129, ed. Castiglioni, 1938, S. 4, Z. 2 – 3: »[…] et quendam Petrum de Corbaria instituit papam, sive antipapam«, und S. 6, Z. 9 – 10: »[…] et papam, imo antipapam, propria auctoritate, instituit«. Riezler, Vatikanische Akten, 1891, Nr. 1841, S. 637 – 644; die geringfügig abweichende Überlieferung der Sammlung Losse ist aufgelistet in Nova Alamanniae, Bd. 1, 1921, Nr. 417, S. 259 – 260; eine moderne deutsche Übersetzung von Berthold, in: Berthold (Hg.), Kaiser, 1960, Nr. 37, S. 206 – 222; die zeitgenössische Überlieferung in deutscher Sprache bei Riezler, Widersacher, 1874, Stück A, S. 312 – 319. Auf der Grundlage dieses Prokuratoriums wurde – allerdings mit Abänderungen, die im folgenden kursiv hervorgehoben sind – das Prokuratorium vom 18. September 1343, Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, Bd. 2/II, 1976, Nr. 1534, S. 834 – 844, formuliert. Gleichlautend mit letzterem sind das Prokuratorium von März/April 1344, ebenda, Nr. 1548, S. 881 – 888, und die deutschsprachige Fassung eines nur bruchstückhaft überlieferten Prokuratoriums aus der Zeit von November 1344 – März 1345, das Nr. 1534 zur Vorlage hatte, ebenda, Nr. 1559, S. 903 – 910. Die Prokuratorien Nr. 1548 und 1559 sind im Unterschied zu den vorhergehenden im objektiven Stil formuliert. Riezler, Vatikanische Akten, 1891, Nr. 1841, S. 638: »Primo ad confitendum et recognoscendum nos consensisse, suffragium constitisse [wohl: constituisse] et non impedivisse, sed verius ad hoc operam dedisse, quod Petrus de Corbario efficeretur antipapa et actus faceret pape et quod felicis recordationis dominus papa Johannes de facto papatui pri-
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Ludwig gesteht in umfassender Weise seine Mitwirkung an der Einsetzung des Gegenpapstes: Die Wahlhandlung sei auf seine Anordnung hin vollzogen worden, und es sei sein Wille gewesen, daß ein Gegenpapst eingesetzt werde und als Papst regiere. Allerdings muß bei der Bewertung dieser Aussage in Betracht gezogen werden, daß der Text der Prokuratorien bei Ludwigs Versöhnungsverhandlungen von Vorgaben des kurialen Verhandlungspartners abhingen, wie an dieser Stelle selbst erkennbar ist. Interessant ist, daß Ludwigs Absetzungserklärung gegen Johannes XXII. zwar an dieser Stelle als Vergehen genannt wird, aber gegenüber der Einsetzung des Gegenpapstes nur eine zweitrangige Rolle spielt. Ohne kuriale Vorgaben sind die von Ludwig angeführten Entschuldigungsgründe für sein Handeln entstanden. Ludwig weist die Schuld für die Einsetzung des Gegenpapstes Papst Johannes XXII. zu: »[…] ferner, weil Wir erlaubt und für die Folge dauernd befohlen haben, daß er [Nikolaus V.] als solcher [scil. als Papst] angesehen und geehrt werden solle, deshalb, weil der Herr Papst Johannes beabsichtigte, einen anderen zum Kaiser wählen zu lassen, wie man sagte, und bestrebt war, Uns durch seine Sentenzen und Prozesse abzusetzen.«1235
Ludwig stellt seine Politik hier als einen Akt der Selbstverteidigung dar. Ludwig bezieht sich dabei auf die Pläne Johannes’ XXII., die Kurfürsten zur Neuwahl eines römisch-deutschen Königs zu veranlassen.1236 Dieser Vorstoß fand zwar letztendlich keinen Erfolg bei den uneinigen Kurfürsten, mußte Ludwig aber in Rom bekannt geworden sein und alarmiert haben. Dies könnte durchaus ein varetur et privatus denunciaretur.« Riezler, Widersacher, 1874, S. 313: »Ze dem ersten daz si an vnsrer stat vnd in vnserm namen vnd fuer vns veriehen vnd erkennen sullen, daz wir vnser helf vnd gunst dar zu geben haben, daz Petrus de Corbario antipabst wurd vnd babstlich werck tet vnd daz wir daz nicht hinderten vnd daz her Johans babst des stuols ze Rom beraubt wurd vnd daz er gekuendet wurd, daz er priuiert waer.« Vgl. das Spezialprokuratorium vom 18. September 1343, Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, Bd. 2/II, 1976, Nr. 1534, § 2, S. 835 – 836: »[…] primo ad confitendi et recognoscendi nos consensisse, suffragium prestitisse et non impedivisse, sed verius ad hoc operam dedisse, quod Petrus de Corbario efficeretur antipapa et actus faceret pape et quod felicis recordacionis dominus Johannes papa XXII. de facto privaretur et privatus denunciaretur«. Die späteren Prokuratorien, ebenda, Nr. 1548, § 2, S. 881, und Nr. 1559, § 2, S. 904, sind mit diesem im wesentlichen gleichlautend. 1235 Riezler, Vatikanische Akten, 1891, Nr. 1841, S. 638: »[…] item, quod permisimus et consequenter mandavimus, eum pro tali [papa] habere et honorari, ex eo, quia dominus papa Johannes alium in imperatorem eligi, ut dicebatur, procurabat et nos suis sententiis et processibus deponere conabatur.« Vgl. Riezler, Widersacher, 1874, Stück A, S. 313: »[…] vnd daz wir verhangten und baten, daz man in fuer einen babst hiet vnd erte, vnd teten daz dar umb, wan der babst Johans schuof, als man sagt, daz man einen andern ze kaiser erwelte, vnd daz er mit seinen processen vnd sentencen vns vlais entsetzen«. Die späteren Prokuratorien Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, Bd. 2/II, 1976, Nr. 1534, § 6, S. 836; Nr. 1548, § 6, S. 882; Nr. 1559, § 6, S. 904, sind um den letzten Halbsatz gekürzt, aber ansonsten im wesentlichen gleichlautend. 1236 Stengel, Avignon, 1930, S. 36 – 58.
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weiterer Beweggrund für Ludwig gewesen sein, einen neuen Papst zu erheben. Auch wenn dies im Rückblick unter dem Eindruck des gescheiterten Pontifikats Nikolaus’ V. kaum als eine erfolgversprechende Abwehrmaßnahme erscheint, so konnten die römischen Akteure die weitere Entlegitimisierung des avignonesischen Papstes für einen erforderlichen und dringenden politischen Schritt halten. In jedem Fall eignete sich dieser Zusammenhang dafür, in den diplomatischen Noten der Rekonziliationsverhandlungen Ludwigs Position zu stärken, indem Johannes XXII. eine weitere Schuld zugewiesen werden konnte: »Ferner, daß Wir das erlaubt haben, um Böses mit Bösem zu vergelten, und damit besagter Herr, Papst Johannes, wie er Uns beraubt hat, auch selbst beraubt würde, wie er einen neuen Kaiser einsetzen wollte, auch ein anderer Papst faktisch eingesetzt würde, und da Beleidigungen durch seine Beauftragten ausgesprochen wurden, sie auch Beleidigungen hören sollten. Ferner, daß Wir nicht glaubten, dabei recht, sondern unrecht zu tun, und daß Wir nicht glaubten, daß Herr Papst Johannes abgesetzt und ein anderer in Wahrheit gewählt sei, sondern daß Wir in Wort und Tat zum Schein handelten und sprachen, als Erwiderung auf das tatsächliche Vorgehen [des Papstes] gegen Uns, wie das viele weise Männer beurteilen und beurteilten.«1237
Ludwig stellt sein Handeln als eine Art erzieherische Symbolpolitik gegenüber seinem Widersacher Johannes XXII. dar. Er selbst habe nicht mit vollständiger Überzeugung und Konsequenz gehandelt, sondern um dem Widersacher dessen tatsächlich ausgeübtes Unrecht vor Augen zu führen. Dabei habe er sich in der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit seiner Maßnahmen auf das Urteil ungenannter weiser Männer verlassen, die nicht nur damals so geurteilt hätten, sondern auch jetzt noch so urteilten. In den späteren Prokuratorien wird dieser Punkt jedoch nachgiebiger formuliert. Auch der Hinweis auf die Weisen und ihr Urteil unterbleibt.1238 1237 Riezler, Vatikanische Akten, 1891, Nr. 1841, S. 638: »Item, quod illa fieri permisimus, redderemus malum pro malo et sicut dictus dominus Johannes papa privabat, etiam privaretur, et sicut alium regem Romanorum constitui procurabat, etiam alius papa de facto constitueretur et cum iniurie per eius officiales dicerentur, etiam iniurie audirentur. Item quod non credebamus nos in predictis bene, sed male fecisse nec credebamus dictum dominum Johannem papam fore depositum, nec alium vere creatum, sed dicto et facto sic simulate faciebamus et dicebamus, sicut de facto contra nos procedebatur, prout multi sapientes iudicant et iudicabant.« Vgl. Riezler, Widersacher, 1874, Stück A, S. 314: »[…] vnd daz wir der sache dar verhangten, daz wie vebel wider vebel teten vnd als vns babst Johans entsatzt, daz er also wurd entsetztet, daz also ein ander babst gesetztet wurd, als er einen roemischen kuenig wolt entsetzen vnd swann di seinen vnrecht teten, daz si dann vnred hin wider horten; vnd gelauben ouch, daz wir an den vorgeschriben sachen vebel haben getan vnd nicht wol vnd daz wir nicht gelaubten, daz babst Johans entsetzet wer noch daz der ander nicht recht ze babst gesetzet waer, aber wir veriehen vnd mit worten taten wir also vnd sprachen, als man wider vns tet vnd precediert mit dem vnrechten, als weis luet sprechent vnd ouch da sprachen.« 1238 Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, Bd. 2/II, 1976, Nr. 1534, § 11, S. 836: »Item quod si-
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Schließlich stellt Ludwig sein Handeln als alternativlos dar, denn nur die Intransigenz des damaligen Papstes habe Ludwig keinen anderen Weg gelassen: »Ferner, daß Wir, ohne alle Hoffnung auf Aussöhnung mit Papst Johannes und der Kirche dastehend, wie Uns schien, dies zuließen, daß Wir es ungern getan haben und daß Wir sonst auf keine Weise dies oder ähnliches gegen ihn und die Kirche getan hätten.«1239
Nachdem das Handeln Papst Johannes’ XXII. als Ursache dafür angeführt wird, daß Ludwig die Einsetzung eines Papstes zulassen wollte, seine Mitwirkung also nur eine duldende gewesen sei, weist Ludwig den Römern die Initiative zu: »Ferner, daß die römischen Bürger verschiedener Stände, deren Gunst Wir brauchten und deren Willen Wir deshalb befolgten, Uns auf verschiedenen Wegen und verschiedene Art dazu brachten, eine Zustimmung zu geben, wenn auch mit Hinterge-
mulabamus ore et opere, sed non corde, nos velle illa fieri, ut redderemus malum pro malo, quia credidimus et adhuc credimus nos iniuste fuisse privatos multis privacionibus contra nos factis, et ideo malum pro malo reddere volebamus, et quod, sicut dictus dominus Johannes papa privabat, et privaretur, et sicut alium regem Romanorum constitui procurabat, et alius papa de facto constitueretur, et cum iniurie per eius officiales dicerentur, et iniurie audirentur. Semper tamen credebamus nos in predictis male facere nec credebamus dictum dominum papam Johannem fore depositum nec alium vere creatum, sed dicto et facto sic faciebamus et dicebamus, sicut de facto, ut nobis videbatur, contra nos procedebatur.« Ebenda, Nr. 1548, § 11, S. 882, ist im wesentlichen gleichlautend mit Nr. 1534, aber ohne Hinweis auf die gegenseitigen Beleidigungen. Kleine Änderungen hat Nr. 1559, § 11, S. 904: »Item, das er den glichen tet mit worten und werchen und niht mit dem hertzen, das die vordern getat also geschaehen darumb, das er übel wider übel taet, wan er glaubt, das man in ze unreht priviert haet mit vil privationen, die gen im beschehen sint, und darumb wolt er uebel wider übel tu˚n. Und als bapst Johannes in priviert, das er also priviert würd, und als er schaffen wolt, daz ein ander Roemischer kuenig gesetzt würde, daz also ein ander bapst gesetzt würd. Und als sin official unred spraechen, daz auch si unreht hin wider horten. Er glaubt aber all wegen und glaubt noch, daz er übel dar an taet, noch hat er gelabt noch glabt, daz bapst Johans mit unreht entsetzt waer und ein anderr ze reht gesetzt waer ; aber er sprach und tet also, als man gen im ane recht tÞt als in ducht.« 1239 Riezler, Vatikanische Akten, 1891, Nr. 1841, S. 639: »Item quod extra omnem spem concordie cum dicto domino papa Johanne et ecclesia, ut nobis videbatur, positi, hec fieri permisimus, quia inviti, et nullo modo eadem vel similia alias contra ipsum et ecclesiam fecissemus.« Vgl. Riezler, Widersacher, 1874, Stück A, S. 314: »Si sullen ouch sprechen, daz wir di selben noch dhein suemlich sache gen babst Johans noch dem stuol vngern getan hieten, denn daz wir waren von allen gedingen komen, daz wir nicht verrichte moechten werden mit babst Johans, als vns daucht.« Vgl. Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, Bd. 2/II, 1976, Nr. 1534, § 14, S. 836: »Item quod ista fieri non permisissemus, si aliquam viam concordie invenissemus, sed extra omnem spem concordie cum dicto domino papa Johanne et ecclesia, ut nobis videbatur, ponebamur.« Die zweite Hälfte fehlt. Ebenda, Nr. 1548, § 14, S. 882, ist weitgehend gleichlautend mit Nr. 1534, ebenso Nr. 1559, § 14, S. 905: »Item, das er das nie getan haet, haet er iendert einen weg funden einer rihtung; aber in ducht doch, das er gelaet waer uz allen gedingen einer rihtung mit bapst Iohannem und mit der kirchen.«
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danken, um beim Verfolgen Unseres Ziels über Unsere schlimme Lage wegzukommen, obwohl Wir dabei unrecht zu handeln glaubten und glauben.«1240
Ludwig stellt sein Verhältnis zu den Römern als durchaus angespannt und potentiell bedrohlich dar, so daß seine Zustimmung als ein Nachgeben vor der drohenden Ungunst der Römer erscheint, das eben nur vorgegeben gewesen sei. Ludwig unterläßt es auch nicht, zusätzlich zur Darstellung seiner Motive und der Umstände, die Frage der Legitimität seines Vorgehens anzusprechen: »Ferner, daß einige dies in die Wege leiteten, die solche Zwietracht begrüßten und sagten, es sei dies dem römischen Volk und dem Kaiser erlaubt, und die das mit alten Urkunden und verschiedenen Autoritäten bewiesen.«1241
Hier zeigt sich eine auffällige Ähnlichkeit mit den Angaben zur Legitimität in einigen chronikalischen Quellen. In den späteren Prokuratorien heißt es dagegen: »Ferner, daß einige dies in die Wege leiteten, die solche Zwietracht zu erreichen suchten, die nicht versöhnt werden könne, und sagten, daß das dem römischen Volk zustünde, jedoch haben Wir dem, was sie sagten, nicht geglaubt noch glauben Wir es.«1242 1240 Riezler, Vatikanische Akten, 1891, Nr. 1841, S. 639: »Item quod cives Romani diversarum conditionum ad huiusmodi consensum prestandum per diversas vias et modos nos induxerunt, quorum favore nos indigebamus et eorum propterea voluntati consensimus, simulate tamen, ut in prosecutione positi possemus transire tempus nostrum, licet nos crederemus et credimus male facere in predictis.« Vgl. Riezler, Widersacher, 1874, Stück A, S. 314: »Si sullen ouch sprechen, daz vns di burger ze Rom mit manigerley weg vnd weis dar zu brachten, daz wir vnsern willen dar zu gaben vnd irn willen volhangten, wan wir irer gunst da bedorften, vnd daz wir vnser zeit mit in mochten vertreiben, wan wir vnder vnsern veinden warn, wie daz war, daz wir gelaubten vnd gelauben, daz wir dar an vnrecht teten.« Die späteren Prokuratorien Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, Bd. 2/II, 1976, Nr. 1534, § 13, S. 836; Nr. 1548, § 13, S. 882; Nr. 1559, § 13, S. 905, folgen diesem Text im wesentlichen. 1241 Riezler, Vatikanische Akten, 1891, Nr. 1841, S. 638: »Item, quod quidam ista fieri procurabant, qui discordiam talem affirmabant et dicebant hoc populo Romano licere et imperatori, et instrumentis antiquis et auctoritatibus diversis hoc conprobabant.« Riezler, Widersacher, 1874, Stück A, S. 313: »[…] vnd daz vns ouch ettlich luet an di vorgeschriben sache weisten, di der selben mizzehelung gyrick waeren vnd di sprachen, daz ein kaiser vnd daz volch ze Rom daz wol getuon moecht vnd daz wolten si beweisen mit alten briefen vnd auctoriteten.« 1242 Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, Bd. 2/II, 1976, Nr. 1534, § 7, S. 836: »Item quod quidam ista fieri procurabant, qui discordiam talem affectabant, que non posset pacificari, et dicebant hoc populo Romano licere, licet nos dictis eorum non crederemus nec credamus.« (Hervorhebung der Unterschiede von mir.) Ebenda, Nr. 1548, § 7, S. 882, ist im wesentlichen gleichlautend mit Nr. 1534; ebenso Nr. 1559, § 7, S. 904: »Item, daz etlich daz schu˚ffen, die gern sahen ain sogtan missehellung, diu niht geriht moeht werden, und sprachen, das das volk ze Rome daz wol getu˚n moeht, wie daz waer, daz er iren worten darueber niht glaubte noch glaube.«
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Nun versucht Ludwig, sich weiter zu entlasten: Einerseits wird die Darstellung des Konfrontationswillens der ungenannten geistigen Urheber der Papsteinsetzung weiter gesteigert, andererseits wird der Kaiser nicht mehr unter denjenigen erwähnt, die das Recht zur Einsetzung eines Papstes haben sollen, und zudem unterbleibt der Hinweis auf die alten Urkunden und die Autoritäten. Offen bleibt aber, wer diejenigen waren, deren Anteil am Geschehen als so hoch dargestellt wird, daß Ludwig sie als diejenigen bezeichnet, die dieses politische Geschehen in die Wege geleitet haben (procurabant), und deren Motiv die Verstärkung der Zwietracht zwischen Papst und Kaiser gewesen sein soll. Ob damit Berater aus der Umgebung des Kaisers, wozu auch Marsilius zu rechnen wäre, oder die Wortführer unter den Römern gemeint sind, oder Vertreter beider Gruppen,1243 läßt sich danach nicht entscheiden. Der schärfere Ton, in den Prokuratorien von 1343 und 1344/45, als es um die Initiatoren dieser Politik geht, könnte – gerade wenn auch Marsilius gemeint gewesen ist – möglicherweise darauf zurückzuführen sein, daß Marsilius in der Zwischenzeit verstorben und eine eventuell vorher geübte Zurückhaltung ihm gegenüber nun entfallen konnte.
6.3.7 Der Einfluß von Marsilius und Johannes von Jandun auf die Papsterhebung im Spiegel der Quellen Nach den päpstlichen Prozessen gegen die Kaiserkrönung und die daran Beteiligten vom 31. März 1328 hat Johannes XXII. erst ein Jahr später, am 20. April 1329, weitere Prozesse erlassen. Diese Prozesse gegen Ludwig den Bayern und den Gegenpapst, Pietro von Corvaro, enthalten die ersten offiziellen kurialen Verurteilungen des Absetzungsurteils gegen Johannes XXII. und der Erhebung des Gegenpapstes. In dem Prozeß gegen Ludwig ist jedoch lediglich von Gloriosus Deus die Rede, die Erhebung des Gegenpapstes wird allein in dem Prozeß vom selben Tag gegen Pietro von Corvaro selbst thematisiert: »Allerdings weil der besagte Pietro der offenkundige und augenscheinliche Verteidiger und Beschützer des besagten Schismatikers und Häretikers Ludwig war und in jene Häresie verfallen zu sein erkannt wird, nämlich daß es demselben Ludwig als Kaiser zugestanden hat und zusteht, einen Papst abzusetzen und einzusetzen, die er so sehr durch Annahme seiner eigenen Wahl durch den besagten Ludwig oder durch diese [diesen?] und gewisse gewählte Bevollmächtigte des römischen Klerus, de facto angenommen hat, nach dem Absetzungsurteil, das von Ludwig ohne Berechtigung de
1243 Letzteres meint Miethke, Ockhams Weg, 1969, S. 420.
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facto gegen Uns geschleudert wurde, und wegen vieler anderer, die er in sich getragen hat und in sich trägt.«1244
Der Prozeß verurteilt die Annahme der Wahl zum Papst durch Pietro von Corvaro, die als eine einwilligende Handlung und vor allem auch als Annahme einer Häresie, die als eine der in Licet iuxta doctrinam verurteilten Lehren des Marsilius zu erkennen ist, nach der es dem Kaiser zusteht, einen Papst abzusetzen und auch einzusetzen. Der Prozeß subsumiert das Geschehen in Rom geradezu unter diesen Grundsatz des Marsilius. Ludwig habe nicht nur, als Voraussetzung der Neuwahl eines Papstes, eine Absetzungserklärung gegen Johannes XXII. erlassen, sondern als Kaiser auch Pietro Corvaro als Papst eingesetzt. Die Wahl zum Papst wird etwas unentschieden entweder Ludwig als Kaiser allein oder ihm gemeinsam mit dem dreizehnköpfigen Klerikergremium zugeschrieben.1245 Daß es Marsilius’ politische und ekklesiologische Grundsätze waren, die die legitimatorische Grundlage für Ludwigs Politik hinsichtlich des Papsttums bildeten, wird noch weiter deutlich im Schuldbekenntnis des Pietro von Corvaro vom 6. September 1330: »Besonders gebe ich zu, daß ich begreife und glaube, daß es dem Kaiser nicht zusteht, den Papst abzusetzen und auch nicht, einen einzusetzen, vielmehr denke ich, daß dies als häretisch anzusehen ist, so wie es in dem Prozeß gegen die Häretiker Marsilius von Padua und Johannes von Jandun, der von Euch, Heiligster Vater, über diese und einige andere Irrlehren abgehalten wurde, den ich gewissenhaft studiert habe, enthalten ist.«1246
Für die Frage, welche anderen Einflüsse gegebenenfalls auf die politischen Handlungen Ludwigs des Bayern eingewirkt haben, ist festzuhalten, daß auch in dieser wichtigen Quelle keine anderen Urheber als Marsilius und Johannes von 1244 MartHne/Durand, Thesaurus, Bd. 2, 1717, Sp. 767E-F: »Sane quia dictus Petrus dicti Ludovici schismatici et haeretici defensor et fautor notorius et manifestus existit, et in illam haeresim, scilicet quod eidem Ludovico sicut imperatori licuerit et liceat papam deponere et instituere, tam per acceptationem electionis de ipso per ipsum Ludovicum, vel per eos [eum?] et certos electos cleri Romani procuratores, acceptatam de facto, post depositionis sententiam per dictum Ludovicum de facto contra nos temere fulminatam, et propter multa alia quae gessit et gerit, incidisse noscatur.« 1245 Zum Wahlkörper und den präziseren Angaben von Pietro von Corvaro in seinem Schuldbekenntnis vgl. oben S. 351 ff. 1246 MartHne/Durand, Thesaurus, Bd. 2, 1717, Sp. 813A-B: »[…] et specialiter recognosco me tenere et credere quod ad imperatorem non pertinet deponere et nec instituere papam, immo hoc tenere haereticum reputo, prout in processu contra haereticos Marsilium de Padua et Johannem de Janduno, per vos, Beatissime Pater, super hoc et nonnullis aliis erroribus habito, quem diligenter studui, continetur.« Da in der Forschung bis heute meist der unvollständige Abdruck des Schuldbekenntnisses bei Baluze verwendet wurde, in der diese Passage nicht enthalten ist, ist diese Äußerung des Gegenpapstes über Marsilius m. W. noch nicht herangezogen worden.
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Die Erhebung des Gegenpapstes Nikolaus V.
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Jandun für die Auffassung, daß ein Kaiser einen Papst absetzen und einsetzen kann, genannt werden. Zeitgenössische Stellungnahmen papsttreuer Autoren zu Ludwigs Politik greifen vor allem die kaiserliche Erhebung eines Gegenpapstes auf. Zwei der Autoren schreiben in zeitlicher Nähe zu dem Ereignis und unter dem Eindruck des de facto bestehenden Schismas. Beide heben die Wirkung von bestimmten Ratgebern auf Ludwigs Politik hervor. Francesco von Perugia,1247 der Generalinquisitor für Toskana und Neapel, kommentiert zur Erhebung des Gegenpapstes durch Ludwig den Bayern: »[…] dabei benutzte er [Ludwig] nicht den Rat der getreuen Fürsten, sondern gewisser Gewaltherrscher Italiens, geleitet nicht in der Lehre katholischer Gelehrter, sondern der Häretiker Marsilius von Padua und Johannes von Jandun und gewisser anderer, die von ihren heiligen Orden abtrünnig geworden waren«.1248
Francescos Bemerkung gibt auch einen Einblick in die zeitgenössischen Vorstellungen von Herrscherberatung im allgemeinen: Es erscheint nicht als bemerkenswert, daß Ludwigs politisches Handeln von Beratern beeinflußt oder geleitet gewesen sei, sondern daß andere als die gewöhnlichen Berater Ludwigs Gehör fanden. Dabei werden unterschieden einerseits die weltlichen Berater, nämlich die Fürsten des Reiches, die Ludwig zugunsten italienischer, ghibellinischer Fürsten zurückstellt, und andererseits die geistlichen Berater oder vielmehr deren katholische Anschauung, die Ludwig zugunsten vor allem der Lehre von Marsilius und Johannes von Jandun übergeht. Vermutlich noch vor der Resignation des Gegenpapstes verfaßte ein anonymer Geistlicher aus der Normandie ein umfangreiches Gedicht »Über den Glaubensabfall des Bayern«.1249 An der Kurie sollte ihn das 33 Strophen umfassende Gedicht empfehlen und dazu beitragen, eine Pfründe zu erhalten. Der Autor kennt Marsilius und Johannes von Jandun, die »schlangenartigen Zwillinge«, persönlich, seit er sie selbst hat Naturphilosophie lesen hören. Ihre Abweichung vom rechten Weg sei damals bereits erkennbar gewesen.1250 Er hat sie 1247 Vgl. zu seiner Person oben S. 286. 1248 Franciscus Toti, Contra Bavarum, in: Scholz, Streitschriften, Bd. 2, 1914, S. 84: »[…] consilio utens non fidelium principum, sed quorundam Ytalie tyrannorum, regulatus doctrina non doctorum catholicorum, sed Marsilii de Padua et Iohannis de Ianduno hereticorum et quorundam aliorum a suis sacris religionibus apostaticantium«. 1249 De Bavari apostasia. Ein zeitgenössisches Gedicht über Kaiser Ludwig den Bayern, mitgetheilt von Otto Cartellieri, in: NA 25 (1900), S. 710 – 715. 1250 De Bavari apostasia, ed Cartellieri, 1900, Strophe 7, S. 712: »O serpentini gemini, / quanta vos agit furia! // Frustra certe nitimini, / tandem vincet ecclesia. // Vos audivisse memimi / legentes naturalia; // Sed iam viam discrimini / vestra dabat fantasia.« Die Bedeutung der beiden Magister als »große Gelehrte der Natur und der Astronomie« findet ihren Niederschlag auch bei Villani, Buch 10, Kap. 264, Z. 8, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 439. Die beiden vorhergehenden Strophen des Gedichts beziehen sich auch bereits auf Marsilius und
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Der Romzug Ludwigs des Bayern II: Kaiser und Kirche
also vermutlich als Student an der Universität Paris kennengelernt. Er kennt aber auch Licet iuxta doctrinam sehr gut, aus der er die Häresien der beiden Pariser Gelehrten zusammenstellt.1251 Ihre Loslösung von der Kirche wird auch Ludwig angelastet, allein der Papst könne noch gegen die beiden »Zauberer« vorgehen.1252 Ihr Werk sei es auch gewesen, daß ein Gegenpapst geschaffen wurde.1253 Dieses Gedicht, voll von teilweise schwer verständlichen Anspielungen, stellt in verallgemeinernder Weise eine Kritik an Ludwig dem Bayern dar, der bereit war, Berater auszuwählen, die er als Ketzer hatte erkennen müssen, und deren Rat schließlich den Glaubensabfall des Bayern durch die Erhebung eines schismatischen Papstes weithin sichtbar machte. Ein weiterer publizistischer Autor, der sich zu Marsilius und Johannes von Jandun äußerte und ihnen einen großen Einfluß auf die Politik Ludwigs des Johannes von Jandun: Strophe 5, S. 712: »Hii codicillos, cartulas / et libellos conficiunt; // Falsas conscribunt notulas / super textus quos nesciunt. // Dantes hiis aures patulas / ad hereses alliciunt; // Sacras tenentes regulas / persecuntur et odiunt.« Strophe 6, S. 712: »Diu in dyaleticis / luserunt isti pariter ; // Sed nunc in theologicis / insaniunt enormiter. // Gentibus Gebellinicis / tortuosum prebent iter ; // Gravem ecclesiasticis / mortem procurant iugiter.« 1251 De Bavari apostasia, ed Cartellieri, 1900, Strophe 13, S. 712: »Item suggerunt plebibus / cumulando mala malis, // Quod pape, pontificibus / inest potestas equalis // Necnon et sacerdotibus, / quam apex imperialis, // Quibus vult aufert et quibus / vult auget ut principalis.« Strophe 14, S. 713: »Item fraus horum docuit / per malicie studium, // Quod Christus nullum statuit / spiritalem vicarium. // Et sic Petro non tribuit / auctoritatis bravium, // Quod tamen istud diluit / est verax ewangelium.« Strophe 15, S. 713: »Item processu devio / docet hec gens mortis rea, // Quod procurante Poncio / pro cesare in Iudea // Christum mortis supplicio / dedit ut iudex in ea, // Ut ipsum iuridictio / perimeret cesarea.« Strophe 16, S. 713: »Item horum perfidia / presumpsit dogmatizare, // Quod non potest ecclesia / quemquam excommunicare, // Si cesaris potencia / nolit illud tolerare. // Propter hoc et similia / decuit hos condampnare.« Strophe 17, S. 713: »Item promulgant fatui / papam ab imperatore // pose pro libito sui / constitui in honore, // Corrigui et destui; / pro tam stupendo errore // Dignum est illos destrui / heresearcharum more.« Strophe 18, S. 713: »Hunc, nomine Ludovicum, / quondam ducem Bavarie, // Summi ducis inimicum / et tocius ecclesie, // Non rectum calcantem vicum, / sed semitam malicie, // Ut alterum Fredericum / extermina, rex glorie!« 1252 De Bavari apostasia, ed Cartellieri, 1900, Strophe 19, S. 713: »Sicut sub nequam Nerone / defecit Symom inpius // Et Iannes sub Pharaone / ac Mambres eius socius, // Ita sub isto predone / Iohannes et Marsilius // Deficiant, Ihesu bone, / ne sequatur deterius!« Strophe 20, S. 713: »A Moyse legifero / Ianes et Mambres devicti // Fluctu fuerunt aspero / cum Egyptiis amicti: // Sic dante rege supero / a papa magi predicti // Ut a Moyse altero / cum suis erunt afflicti.« 1253 De Bavari apostasia, ed Cartellieri, 1900, Strophe 22, S. 713 – 714: »Antichristi precursores / antipapam creavere; // Tyrannos habet fautores, / qui volunt vi presidere. // Ius abiciunt et mores / procedere nolunt vere. // Tuos, Christe, servitores / ab horum manu tuere!« De Bavari apostasia, ed Cartellieri, 1900, Strophe 29, S. 714: »M. C. ter. X. bis. V. ac I / monstrant annorum numerum, // Quoniam isti scismati / prebuit actor scelerum // Et nephario dogmati / cursum dedit pestiferum, // Qui vero Christi plasmati / pressuras infert onerum.« Haller, Lebensgeschichte, 1929, S. 186, glaubt, daß sich die Jahresangabe 1326 in dieser Strophe auf Marsilius’ Ankunft bei Ludwig bezieht.
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Die Erhebung des Gegenpapstes Nikolaus V.
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Bayern, namentlich auf die Erhebung des Gegenpapstes, zuschreibt, ist Konrad von Megenberg. In vier seiner Schriften nimmt er zu den häretischen Gelehrten Stellung,1254 allerdings geht er in seiner Ökonomik und dem Tractatus contra Occam, beide von 1354, nicht auf ihren Einfluß auf das politische Geschehen ein.1255 Ausdrücklich äußert sich Konrad über ihrem politischen Einfluß in seinem Planctus ecclesiae in Germaniam, der jedoch keine politische Schrift im engeren Sinn darstellt.1256 Nach Abschluß einer ersten Fassung 1337 übergab Konrad 1338 das Werk leicht überarbeitet dem päpstlichen Nuntius Arnald von Verdalle, der von Papst Benedikt nach Deutschland geschickt worden war, um erneut Rekonziliationsverhandlungen mit Ludwig aufzunehmen.1257 Konrad vertritt zwar den Vorrang des Papstes vor dem Kaiser, kann aber im Unterschied zu anderen kurial gesinnten Autoren auch als ein Verteidiger der Rechte des Imperiums angesehen werden. Über Ludwigs Aufenthalt in Rom schreibt er :
1254 Der Hinweis von Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 41, Anm. 228, Konrad polemisiere ebenfalls in seinem »Buch der Natur« gegen den Defensor pacis, konnte nicht bestätigt werden. 1255 Konrad von Megenberg, Ökonomik, 3 Bücher, hrsg. von Sabine Krüger, Stuttgart 1973 – 1984 (MGH Staatsschriften des späteren Mittelalters, III. Band: Die Werke des Konrad von Megenberg, 5. Stück). Im dritten Traktat des II. Buchs setzt sich Konrad in großem Umfang argumentativ mit den Lehren des Marsilius auseinander, wie sie in Licet iuxta doctrinam bekanntgemacht wurden. – Konrad von Megenberg, Tractatus contra Wilhelmum Occam (De coronatione Caroli IV.), in: Scholz, Streitschriften, Bd. 2: Texte, 1914, S. 346 – 391. Eine kritische Edition ist in Vorbereitung: MGH Staatsschriften des späteren Mittelalters, II. Band: Die Werke des Konrad von Megenberg, 3. Stück: Tractatus contra Occam. Vgl. zu Konrads Schrift Scholz, Streitschriften, Bd. 1: Analysen, 1911, S. 127 – 140; Ibach, Leben, 1938, S. 106 – 111. Die Schrift ist an Kaiser Karl IV. gerichtet, kurz nach Beginn seines ersten Romzugs von 1354, Inhalt ist die Widerlegung einer 1348 verfaßten Schrift des vermutlich 1349 verstorbenen Ockham, die gegen den Unterwerfungseid Karls IV. gegenüber Papst Clemens VI. gerichtet war. Konrad lernte diese Schrift Ockhams erst 1354 kennen und verfaßte daraufhin seine Gegenschrift in nur sieben Wochen. Darin will er seiner Ansicht über die Person Ockhams Nachdruck verleihen, indem er die Passagen aus den Predigten Papst Clemens’ VI. im Konsistorium vom 10. April und 11. Juli 1343, die Marsilius und Ockham betreffen, zitiert. Dazu dreht Konrad die Reihenfolge der Aussagen von Clemens VI. um: zuerst wird die für Konrads Traktat gegen Ockham wichtige Aussage, nämlich daß Marsilius seine Irrlehren von Ockham bezogen habe, herangezogen, und erst danach die etwas gekürzte Aussage vom April, nach der Clemens VI. selbst vor seinem Pontifikat 240 Irrlehren bei Marsilius identifiziert habe. Konrad übernimmt also den Irrtum Papst Clemens’, wonach Marsilius Auffassungen Ockhams übernommen habe. 1256 Konrad von Megenberg, Planctus ecclesiae in Germaniam, bearbeitet von Richard Scholz, Leipzig 1941 (MGH Staatsschriften des späteren Mittelalters, II. Band, 1. Stück); seitenparallele Übersetzung: Konrad von Megenberg, Klagelied der Kirche über Deutschland (Planctus ecclesiae in Germaniam), bearbeitet von Horst Kusch, Berlin 1956 (Leipziger Übersetzungen und Abhandlungen zum Mittelalter, Reihe A, Bd. 1); zuvor gedruckt in: Scholz, Streitschriften, Bd. 2, 1914, S. 188 – 248. 1257 Vgl. zu Arnald von Verdalle und Ludwigs Rekonziliationsverhandlungen mit Papst Benedikt XII. unten S. 441 f.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern II: Kaiser und Kirche
»Dann ging er [Ludwig der Bayer] nach Rom und suchte des Petrus Spuren. Er ist ein argloser Laie, viel Geistlichkeit ist ihm freundlich gesinnt, und er wollte nicht ohne ihren Rat eine Entscheidung treffen. Einen Gegenpapst ließ er wählen und gab ihm in gelehrten Geistlichen eine Stütze. Die Strickträger fragen, was die wahre Lehre sei, es fragt Jandunus, es fragt auch Marsilius von Padua. Jeder erklärt, der Kaiser besitze dieses Ehrenrecht – doch vielleicht zu Unrecht –, den Papst dürfe er seit alters von Rechts wegen wählen, dazu sei er immer befugt gewesen. Und jeder zeigt ihm die Gesetze und verweist immer wieder auf sie.«1258
Konrad greift zunächst den weitverbreiteten Vorwurf gegen die Abwesenheit des Papstes in Rom auf und entschuldigt Ludwigs spätere Handlungen damit als vom Papst selbst verursacht.1259 Er nimmt Ludwig auch vor dem in päpstlichen Dokumenten häufig geäußerten Vorwurf in Schutz, im allgemeinen ein Feind der Kirche zu sein, indem er dessen Verbindung zur Geistlichkeit betont. Darüber hinaus zeichnet Konrad ein Bild von Ludwig, das dessen gewollte Abhängigkeit von geistlichen Beratern hervorhebt. Die politische Handlung Ludwigs, die auch von Konrad herausgestellt wird, die Wahl des Gegenpapstes, ist auf den einhelligen Rat der Berater zurückzuführen, daß der Kaiser dazu befugt sei. Auch deren von Konrad angeführter Verweis auf die alten »Gesetze« soll Ludwig entlasten. Zum Urteil über Ludwigs Handeln, so plädiert Konrad, soll nicht die tatsächliche Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit seines Handelns zugrunde gelegt werden, sondern das, was Ludwig aufgrund seiner Beratung für rechtmäßig halten mußte. Verantwortlich seien vielmehr die Minoriten, Johannes von Jandun und Marsilius.1260 Konrad von Megenberg erwähnt Marsilius und Johannes von Jandun auch in der Schrift De mortalitate in Alamanniam, die 1350 verfaßt wurde,1261 also schon 1258 Konrad von Megenberg, Planctus ecclesiae in Germaniam, pars I, cap. 44, Vers 831 – 841, ed. Scholz, 1941, S. 55 – 56: »Romam tunc pecit, Petri vestigia quesit. / Est simplex laycus, multus sibi clerus amicus, / Nec voluit reri quid consilio sine cleri, / Antipapam nasci sinit, hunc cleri sale pasci. / Querunt cordigeri, que sint sentencia veri, / Querit Iandunus, sic Marsilius Paduanus. / Induperatorem retinere dat omnis honorem / Hunc, fors sed false, papam de iure creasse / Antiquitus, posse, semper sibi iure fuisse; / Et leges monstrat sibi quilibet atque remonstrat, / Par iungas agrafum decreti, denoto verum.« Übersetzung nach Kusch, 1956, S. 75 – 77. 1259 Ibach, Leben, 1938, S. 40 – 41, sieht Konrads Hinweis dagegen als ein Anzeichen für Ludwigs Reue, die sich im Besuch Roms zeige: »Johann XXII. hat ihn zu Unrecht verstoßen. Denn Ludwig hat seine Sünden bereut; vergeblich ist er nach Rom gezogen, um dort die Spuren des Hl. Petrus zu suchen.« 1260 Ibach, Leben, 1938, S. 104, Anm. 445. 1261 Sabine Krüger, Die Krise der Zeit als Ursache der Pest? Der Traktat De mortalitate in Alamannia des Konrad von Megenberg, in: Festschrift für Hermann Heimpel zum 70. Geburtstag am 19. September 1971, Bd. 2, hrsg. von den Mitarbeitern des Max-PlanckInstituts für Geschichte, Göttingen 1972 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 36/II), S. 839 – 883 (Edition S. 863 – 883). Zur Schrift vgl. auch schon Ibach, Leben 1938, S. 66 – 88.
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Die Erhebung des Gegenpapstes Nikolaus V.
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nicht mehr zu Lebzeiten des Marsilius und auch nach dem Tod Kaiser Ludwigs des Bayern. Die bemerkenswerte Schrift befaßt sich mit den von den Zeitgenossen diskutierten Ursachen für die große Pestepedemie von 1347/48. Als Fernursache wird auch der Zorn Gottes über die Menschen angeführt, der sie mit der Pest strafen will. Als Anlaß für Gottes Zorn sieht Konrad den Niedergang in der Moral und der Wissenschaft in seiner Zeit. Und dafür sind eben auch Marsilius und Johannes von Jandun verantwortlich zu machen: »Die Laien und das Volk hatten gewünscht, die kirchlichen Prälaturen zu regieren, [und es geschah] noch mehr, das zu mißtönend ist: Es waren in unseren Zeiten zwei Drachen erschienen, die unheilvollsten Geifer ausspien, die ein gegossenes Kalb geschmiedet hatten, das die Schlüssel der Kirche geradezu raubte, nämlich Johannes von Jandun und Marsilius von Padua, die die Mondkugel und den nächtlichen Lauf dem Sonnenlichte und der Helligkeit des Tages vorzogen: sie behaupteten unter anderem, daß der römische Kaiser dies als sein Recht habe, daß er den Stellvertreter Gottes auf Erden einsetzen kann.«1262
In metaphorischer Sprache werden Marsilius und Johannes von Jandun als Drachen bezeichnet. Vielleicht soll sich das Bild vom gegossenen Kalb, das auf die Israeliten am Fuße des Bergs Sinai, die sich vom wahren Gott abwandten, verweist, auf deren häretische Lehre beziehen, die von vielen anstelle der wahren Lehre angenommen wurde. Das Sonne-Mond-Gleichnis, das in der kurialen Lehre die Abhängigkeit des Kaisertums vom Papsttum verdeutlichen sollte, wird von Konrad herangezogen, um die »verkehrte« Auffassung Marsilius’ und Johannes von Janduns zu verbildlichen, die den Mond, nämlich das Kaisertum, der Sonne, nämlich dem Papsttum, überordnen. Mit ihrem Beitrag zur Zerrüttung der herkömmlichen Weltanschauung werden Marsilius und Johannes von Jandun nach ihrem Tod noch für die Pestepedemie mitverantwortlich gemacht. Gemeinsam ist diesen Quellen die Aussage, daß Ludwig seine schlimmsten Vergehen aufgrund der Beratung durch Marsilius und Johannes von Jandun beging. Konrad von Megenberg wollte, allerdings nur in den Jahren 1337/38, in denen sich die öffentliche Meinung in Deutschland allgemein sehr zugunsten Kaiser Ludwigs entwickelte, Ludwig den Bayern im Planctus ecclesiae durchaus entlasten. Der Topos vom eigentlich guten Herrscher, der nur von bösen Beratern zur sündhaften Tat verführt wurde, erscheint in der publizistischen Lite1262 Konrad von Megenberg, De mortalitate in Alamannia, ed. Krüger 1972, S. 872: »Desiderant layci ac populares ecclesiasticas regere prelaturas, immo quod absurdum est nimis, venerunt duo nostris temporibus dracones virus pessimum evomentes, qui quendam conflaverunt vitulum conflatilem directe claves ecclesie auferentem, Iohannes videlicet de Ianduno et Marsilius de Padua, qui lunarem globum nocturnumque cursum solari luci et claritati diei pretulerunt, asserentes inter alia imperatorem Romanum hoc suo iure habere, ut vicedeum statueret in terra.«
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Der Romzug Ludwigs des Bayern II: Kaiser und Kirche
ratur am deutlichsten im Compendium maius und im Planctus ecclesiae des Konrad von Megenberg. Ein erstaunlich positives Bild von den Beratern Ludwigs des Bayern vermitteln dagegen drei elsässische Chronisten. Die 1362 abgeschlossene deutschsprachige Weltchronik des Straßburger Weltpriesters Fritsche Closener bemerkt unmittelbar vor der Nachricht über den Tod Ludwigs des Bayern im Jahr 1347: »In den ziten wart daz buch gemaht daz do heißet defensor pacis. daz bewiset mit redelichen sprüchen der heiligen geschrift, daz ein bobest under eime keiser sol sin und daz er kein weltlich herschaft sol han. es bewiset auch des bobestes un der cardinal grit und ire hofart und ire simonie die sü gewonlich tribent und sich des beschonent mit falschen glosen.«1263
Diesen Text Closeners hat der spätere Straßburger Chronist Jakob Twinger von Königshofen in seine Anfang des 15. Jahrhunderts abgeschlossene Chronik übernommen: »Defensor pacis: In disen ziten wart das buch gemaht das do heisset defensor pacis. das bewiset mit der heilgen geschrift, das der bobest under eime keyser sol sin, und bewiset ouch des bobestes und der cardinale grit und hochfart und symonye. das selbe buch het der bobest abegeton un bi dem banne verbotten zu schribende oder zu lesende.«1264
Nach dem Tod Kaiser Ludwigs des Bayern ist die Resonanz auf den Defensor pacis offenbar noch so groß, daß auch bei Laien – für die diese beiden Chronisten schreiben – das Buch als bekannt beim Leser vorausgesetzt wird. Möglicherweise sind inzwischen Abschriften des Defensor pacis im Umlauf gewesen, da die beiden Straßburger Chronisten im Unterschied zu anderen Quellenautoren des 14. Jahrhunderts den Titel des Werkes kennen und nennen. Andererseits fällt auf, daß Marsilius und Johannes von Jandun, die in den päpstlichen Bullen als Verfasser genannt wurden, nicht erwähnt werden. Die Angaben zum Inhalt des Buches beziehen sich zum einen auf die kritisierten Mißstände in der Kirche und zum anderen auf das rechte Verhältnis der Gewalten. Closeners Charakterisierung des Inhalts des Defensor pacis ist daher nicht allein der Verurteilungsbulle entnommen. Andererseits wird der Einfluß des Autors des Defensor pacis auf die Politik Ludwigs des Bayern von Closener nicht explizit erwähnt. Lediglich die prominente Plazierung dieser Stelle unmittelbar vor der Nachricht vom Tode Kaiser Ludwigs weist darauf hin, daß der 1263 Fritsche Closener, ed. Hegel, 1870, S. 70, Z. 5 – 10. – Von einem Erscheinen des Defensor pacis im Jahr 1326, wie Haller, Lebensgeschichte, 1929, S. 186 mit Anm. 1, und in seiner Rezension der Ausgabe des Defensor pacis von Richard Scholz, in: ZSRG KA 23 (1934), S. 404 – 414, hier S. 411, meint, berichtet Fritsche Closener nicht. 1264 Jakob Twinger von Königshofen, ed. Hegel, 1870, cap. 2, S. 473, Z. 1 – 6. – Zur Verwendung von Closeners Chronik in Jakob Twingers Geschichtswerk vgl. zuletzt Moeglin, Bild, 2002, S. 209 und 221.
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Gegenseitige Krönungen Nikolaus’ V. und Ludwigs des Bayern?
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Autor den Defensor pacis rückschauend in besonderem Maße mit der Regierung Ludwigs des Bayern verbinden will. Closeners Notiz hat noch in eine weitere historische Darstellung Eingang gefunden. Eine Handschrift aus Colmar, die dem späteren 14. Jahrhundert angehört, enthält als Fortsetzung der Chronik von Jakob de Voragine Auszüge aus der Chronik von Matthias von Neuenburg.1265 Der unbekannte Exzerptor fügt Closeners Notiz in lateinischer Sprache in die Wiedergabe des Textes von Matthias von Neuenburg ein: »In dieser Zeit wurde das Defensor pacis genannte Buch veröffentlicht, in dem die Simonie und Habgier des Papstes und der Kardinäle dargestellt wurde, und daß der Papst dem Kaiser unterworfen sei.«1266 Diesen Satz verbindet der Exzerptor jedoch im Unterschied zu Closener und Jakob von Königshofen nicht mit dem Tod Ludwigs des Bayern, sondern fügt ihn bei der Darstellung der römischen Geschehnisse von 1328 im Anschluß an die Erhebung des Gegenpapstes ein. Die historische Einordnung der Abfassungszeit des Defensor pacis ist damit zwar in allen drei Chroniken unzutreffend, läßt aber Schlußfolgerungen auf ihre Rezeption des Werkes zu. Während Closener und Jakob von Königshofen das Buch nur recht allgemein, aber an prominter Stelle, mit Ludwigs Regierung verknüpfen, will der anonyme Exzerptor einen konkreten Zusammenhang zwischen diesem Buch und der Erhebung des Gegenpapstes herstellen.
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Gegenseitige Krönungen Nikolaus’ V. und Ludwigs des Bayern?
Zehn Tage nach der Einsetzung des neuen Papstes, am Pfingstsonntag, fand in Rom eine weitere Zeremonie statt, deren Bedeutung in der Forschung allerdings umstritten ist: Ludwig der Bayer nahm am 22. Mai an Nikolaus V. die Krönung vor, woraufhin Nikolaus V. wiederum Ludwig den Bayern krönte. Ein Vorgang, der einmalig in der Geschichte von Papsttum und Kaisertum war und geblieben ist. Die Forschung hat sich jedoch fast ausschließlich mit dem beschäftigt, was viele für eine zweiten Kaiserkrönung Ludwigs des Bayern hielten. Der singuläre Vorgang der Krönung eines neuen Papstes durch den Kaiser tritt dagegen ganz in den Hintergrund.1267 1265 Colmar, BibliothHque de la Ville, Ms. 10. 1266 Matthias von Neuenburg, II. Fassung rec. WAU, cap. 52a, ed. Hofmeister, 1924 – 1940, S. 369, Z. 10 – 12: »Isto tempore liber appellatus Defensor pacis editur, in quo describitur symonia et avaricia pape et cardinalium et quod papa subiectus sit imperatori.« 1267 Eine der Ausnahmen ist die nationalistische Schrift von Karl Wimmer, Kaiser Ludwig der Bayer im Kampfe um das Reich, München 1942, S. 58: »Ein deutscher Kaiser krönt einen Papst! Welch eine unerhörte Kühnheit!«
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Der Romzug Ludwigs des Bayern II: Kaiser und Kirche
Zu Ludwigs Krönung durch den neuen Papst, vier Monate nachdem Ludwig von vier Syndici des römischen Volkes und drei Bischöfen zum Kaiser gekrönt worden war, haben sich in der Forschung zwei gegensätzliche Deutungen herausgebildet, die sich hinsichtlich des politischen Gewichts der zweiten Kaiserkrönung unterscheiden: 1. Ludwig habe aus Einsicht in die Unrechtmäßigkeit seiner Kaiserkrönung ohne Papst vom 17. Januar seinem Kaisertum nun durch den neuen Papst eine legitime Grundlage geben wollen.1268 2. Ludwig habe mit den gegenseitigen Krönungen dem Volk von Rom nur eine weitere Darstellung imperialer Pracht darbieten wollen, ohne dabei eine im engeren Sinne politische, programmatische oder gar konstitutive Handlung vorzunehmen.1269
1268 Höfler, Welt, 1878, S. 345: »Ludwig schienen selbst über die Rechtmäßigkeit der ersten Krönung Bedenken gekommen sein. Das Kaiserthum bedurfte seiner Natur nach des Papstthums, es war auf die Krönung durch den Papst angewiesen«; Tesdorpf, Römerzug, 1885, S. 53; Altmann, Römerzug, 1886, S. 103: Ludwig wollte »seine durch das Volk erfolgte Krönung, da er die Ungesetzmäßigkeit derselben eingesehen hatte, durch seinen Papst dem herrschenden Gebrauche gemäß erneuern oder vielmehr legalisieren lassen«; Schoenian, Idee, 1919, S. 103: »[…] der Makel der Krönung, der wegen ihres Vollzugs durch Laienhand seinem Kaisertum noch anhaftete, [war] durch die nachträgliche Handlung des Gegenpapstes getilgt worden«; Eichmann, Kaiserkrönung, Bd. 1, 1942, S. 301: »Der Kaiser hat den Mangel der Rechtmäßigkeit selbst empfunden, indem er sich nachträglich von seinem Gegenpapst krönen ließ«; Kölmel, Regimen christianum, 1970, S. 558; Moraw, Verfassung, 1985, S. 233; Hundt, Ludwig der Bayer, 1989, S. 193: »Offenbar war Ludwig sein ›Volkskaisertum‹ selbst nicht ganz geheuer«; Thomas, Ludwig der Bayer, 1993, S. 212; Pauler, Könige, 1997, S. 159: »[…] offensichtlich genügte ihm die Volkskrönung als Legitimation seines Kaisertums nicht.« 1269 Gregorovius, Geschichte, Bd. 6, 1867, S. 163: »Am 17. Mai zog der Kaiser nach Tivoli, nur auf vier Tage und zu einem leeren Gepränge, da er den Römern ein pomphaftes Krönungsschauspiel geben wollte«; Riezler, Widersacher, 1874, S. 48: »Und wiederum gab man dem jubelnden Volke ein nie gesehenes Schauspiel, indem sich am Pfingsttage der Kaiser und der neue Papst gegenseitig die Kronen aufsetzten«; Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 195: »Aber man hatte noch ein unerhörtes Schauspiel für das Volk«; Chroust, Romfahrt, 1887, S. 162, glaubt, »daß Ludwig in dieser zweiten Krönung nichts anderes als eine nachträgliche Zeremonie sah, die an der Thatsache der Krönung durch die Syndici nichts ändern konnte, sondern derselben nur die kirchliche Weihe gab, die unbeschadet der Gültigkeit der ersten Krönung hätte fortbleiben können«; Lindner, Geschichte, 1890, S. 377, sieht in der Krönung »nur eine Feierlichkeit, nicht aber eine Erneuerung der Kaiserkrönung«; Matthias, Beiträge, 1908, S. 61; Benker, Ludwig der Bayer, 1980, S. 163; Berg, Italienzug, 1987, S. 174, Anm. 132: »Der Besuch Tivolis steht im Zusammenhang mit der Absicht, das römische Volk mit einem erneuten Schauspiel zu begeistern. Zu diesem Zwecke plante man eine wiederholte Kaiserkrönung, welche jetzt vom Gegenpapst vorgenommen werden sollte.«
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Gegenseitige Krönungen Nikolaus’ V. und Ludwigs des Bayern?
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6.4.1 Die Krönungen vom 22. Mai 1328 in den chronikalischen Quellen Die Mehrzahl der erzählenden Quellen, die Auskunft über die Ereignisse des Romzugs geben, berichten weder über die Krönung Nikolaus’ V. durch den Kaiser noch über eine zweite Krönung Ludwigs des Bayern durch den neuen Papst noch über andere Ereignisse an Pfingsten 1328.1270 Das ist zu bedenken, wenn ein Teil der Forschung diesem Geschehen eine eminente Bedeutung zuspricht. Von einer gegenseitigen Krönung von neuem Papst und Kaiser berichtet lediglich eine einzige Quelle, nämlich die Chronik Giovanni Villanis. Andere Quellen, die abweichende Nachrichten über die Ereignisse des Pfingstsonntags 1328 geben, wurden in der Forschung bisher nur vereinzelt oder ungenügend herangezogen. Villani berichtet im Anschluß an die Darstellung der Kardinalserhebungen und Pfründen- und Privilegienvergabe des neuen Papstes, daß Ludwig den Papst im Palast von St. Peter zurückließ und mit dem größten Teil seiner Truppen am 17. Mai von Rom nach Tivoli aufbrach.1271 Villani fährt dann unter der Überschrift »Wie Ludwig von Bayern sich von seinem Gegenpapst nochmals krönen und als Kaiser bestätigen ließ« fort: »Am Samstag, den 21. Mai, verließ der Bayer Tivoli wieder und kam nach San Lorenzo fuori le Mura, wo er abstieg und seine ganze Schar ringsum lagern ließ. Am Pfingstsonntagmorgen aber zog er in Rom ein. Der Gegenpapst kam ihm mit seinen schismatischen Kardinälen bei San Giovanni im Lateran entgegen. Dann durchzogen sie gemeinsam Rom und stiegen bei St. Peter ab, wo der Bayer dem Gegenpapst die scharlachrote Biretta (berriuola) auf das Haupt setzte. Darauf krönte der Gegenpapst Ludwig von Bayern noch einmal und bestätigte ihn damit, so als ob er Papst wäre, als rechtmäßigen Kaiser (confermandolo, s' come papa, a essere degno imperadore). Und danach erneuerte der Bayer den Urteilsspruch, den Kaiser Heinrich gegen König Robert, die Florentiner und andere ausgegeben hatte.«1272 1270 Keine Nachricht darüber geben zum Beispiel die Chronica de ducibus Bavariae, die Chronica Ludovici imperatoris quarti, Matthias von Neuenburg, Fritsche Closener, die Fortsetzung der Chronik des Wilhelm von Nangis, Kaiser Karl IV. in seiner Selbstbiographie, Nicolaus Minorita, die Vita des Balduin von Luxemburg, Peter von Zittau, die Chronaca Sanese anonimo, Galvano Fiamma, Guillelmus de Cortusii, Heinrich von Herford, die Zweite bairische Fortsetzung der Sächsischen Weltchronik und Wilhelm von Egmond. 1271 Villani, Buch 11, Kap. 75, Z. 36 – 40, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 612: »E fatte le dette cose, il detto Bavero lascik il suo papa ne’ palagi di San Piero in Roma, e egli cogli piF di sua gente si part' di Roma e andonne a Tiboli, a d' XVII del detto mese di maggio.« 1272 Villani, Buch 11, Kap. 76, Überschrift und Z. 1 – 14, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 612: »Come Lodovico di Baviera si fece ricoronare e confermare imperadore al suo antipapa. Sabato, a d' XXI del sopradetto mese di maggio, il detto Bavero si part' da Tiboli, e venne a San Lorenzo fuori le Mura, e ivi albergk, e tutta sua gente intorno acampata. Poi la domenica mattina, il d' de la Pentecosta, entrk in Roma, e ’l suo antipapa co’ suoi sismatici cardinali gli vennono incontro insino a San Giovanni Laterano, e poi ne vennono per Roma insieme col detto Bavero; e ismontati a Santo Pietro, il Bavero mise a l’antipapa la berriuola dello
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Villani stellt die gegenseitigen Krönungen von Kaiser und Papst vor allem als eine symbolische Bestätigung des Kaisers dar,1273 die Krönung des neuen Papstes tritt ganz dahinter zurück. Das wird auch in seinem weiteren Bericht deutlich. Ludwigs Aufenthalt in Tivoli erscheint in Villanis Bericht lediglich als notwendig, um – der Tradition der Kaiserkrönungen entsprechend – von außerhalb in die Stadt einziehen und dabei den Vorabend1274 vor den Mauern Roms verbringen zu können.1275 Das Nachtlager außerhalb Roms vor dem Tag der Kaiserkrönung war eine der Traditionen, die bei der Krönung im Januar nicht befolgt werden konnte und die Ludwig nun nachholte. Auch der vor einer Kaiserkrönung übliche Krönungszug vom Lateran zum Petersdom, der im Januar bei Santa Maria Maggiore begann, wurde nun der Tradition entsprechend scarlatto in capo, e poi l’antipapa coronk da capo Lodovico di Baviera, confermandolo, s' come papa, a essere degno imperadore. E cik fatto, il detto Bavero confermk la sentenzia data per Arrigo imperadore contra lo re Ruberto e contra i Fiorentini e altri.« Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 141. Villani verwendet degno in diesem Kapitel in anderen Zusammenhängen noch dreimal, wo eine Übersetzung allein mit »rechtmäßig« sinnvoll ist, so daß auch an dieser Stelle so übersetzt werden sollte. 1273 In der Übersetzung von Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 141, wird außer acht gelassen, daß confermandolo ein Gerundium ist, das eine gleichzeitige Handlung ausdrückt und – in diesem Fall – mit modaler oder finaler Bedeutung zu übersetzen ist. Sie übersetzen: »Darauf krönte der Gegenpapst Ludwig von Bayern aufs neue und bestätigte als Papst ihn als rechtmäßigen Kaiser […]«, so als hätte Villani von zwei Handlungen berichtet, zuerst von einer Krönung und danach von einer Bestätigung. Um Villani besser verstehen zu können, ist ein Blick auf Agnolo di Turas Chronik hilfreich, die viele Passagen von Villani kaum verändert übernimmt, aber weniger ambivalent ist und zeigt, wie Villani von einem Zeitgenossen und Landsmann verstanden wurde. Und er zeigt, wie er jedenfalls nicht verstanden werden kann: Chronaca Senese di Agnolo di Tura del Grasso, ed. Lisini/ Iacometti, 1939, S. 473, Z. 23 – 29: »E poi il detto Bavaro si part' di Roma e andk a Tiboli a d' 17 di magio. Lodovico di Baviera detto il Bavaro a d' 21 di magio si part' da Tiboli e vene a San Lorenzo fuori le mura e ivi albergk e tutta sua gente acanpata. Poi la mattina seguente, el d' de la Pentecoste, entrk in Roma. El suo antipapa co’ suo’ cismatici cardinali li veneno incontro infino a San Giovanni Laterano e poi insieme veneno per Roma col detto Bavaro, e smontati a San Pietro, il Bavaro resse all’antipapa la bernuola dello scarlatto in capo, e poi l’antipapa coronk di nuovo il Bavaro come degnio inperadore.« 1274 Berg, Italienzug, 1987, S. 174 mit Anm. 133, meint, daß Ludwig schon am Samstag, den 21. Mai, nach Rom zurückkehrte und die Nacht vor dem Pfingstsonntag nicht vor den Mauern der Stadt bei San Lorenzo verbrachte. Er beruft sich dafür auf eine Urkunde Ludwigs, die mit dem Datum 21. Mai in Rom ausgestellt wurde (MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 456, S. 375 – 376). Das Datum einer Urkunde ist jedoch nicht in jedem Fall geeignet, Aufschluß über das Itinerar des Herrschers zu geben. Während der Kaiser in Tivoli war, blieb die Kanzlei offensichtlich in Rom, wo sie die Urkunde ausfertigte. Dies kann als Beleg dafür angesehen werden, daß Ludwigs Abwesenheit als nur vorübergehend und kurz geplant war. 1275 Vgl. Chroust, Romfahrt, 1887, S. 161. Drei ganz andere Gründe bringt Höfler, Welt, 1878, S. 345: Ludwig hätte den Ausbruch der heißen Jahreszeit gefürchtet, schon »Gedanken der Heimkehr« in sich getragen und der gefährlichen Situation durch die Besetzung der Tibermündung durch die Neapolitaner ausweichen und eine bessere Versorgung aus dem Umland erreichen wollen.
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Gegenseitige Krönungen Nikolaus’ V. und Ludwigs des Bayern?
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vollzogen. Ein Unterschied zu den Krönungszügen anderer Kaiserkrönungen war jedoch, daß der Papst und seine Kardinäle den Kaiser dort einholten. Ludwig wurde damit eine Ehrerbietung vom Papst erwiesen, die seine Vorgänger nicht erfahren haben. Damit wurde gleichzeitig auch das Zeremoniell für die Krönung des neuen Papstes beachtet, das ebenfalls einen Krönungszug vom Lateran zu St. Peter vorsah.1276 Nach seiner Krönung erließ Kaiser Ludwig Edikte,1277 wie es nach einer Krönung üblich war und wie Ludwig es auch schon nach der Kaiserkrönung im Januar getan hatte. Daher wird in der Forschung über die zweite Kaiserkrönung geurteilt, Ludwig habe nach der Erhebung eines neuen Papstes diejenigen traditionellen Elemente nachholen wollen, die nicht Bestandteil der Krönung im Januar waren.1278 Diese Krönung sollte nur ergänzt, nicht etwa korrigiert werden.1279 Die zeitliche Reihenfolge dieser beiden Krönungen spielt für ihre Deutung eine Rolle. Zuerst krönte Kaiser Ludwig den neuen Papst, aber nicht mit der Tiara oder einer anderen Krone, die als Symbol weltlicher Macht hätte gelten können, sondern mit der schlichten Biretta, die auch jeder Priester trägt.1280 Allein die scharlachrote Farbe, die Kardinälen vorbehalten ist, verweist auf einen herausgehobenen Rang seines Trägers. Kaiser Ludwig wies Nikolaus V. mit dieser Krönung ein neues Verständnis vom Papsttum zu. Er sollte kein weltlicher Herrscher sein, und seine Stellung sollte diejenige der Kardinäle, die an der Leitung der universalen Kirche teilhaben, nicht in dem Maße überragen, wie es die Päpste seiner Zeit beanspruchten. Diese Krönung war im vollen Umfang eine Absage an die Lehre von der plenitudo potestatis. Erst danach, als vom Kaiser auf diese Weise gekrönter Papst, krönte Nikolaus V. Ludwig den Bayern. Der Höhepunkt der beiden Krönungen war die von Ludwig, sie geschah zuletzt, und die vorausgehenden Handlungen bereiteten sie vor. Nur zwei weitere italienische Chroniken geben eine knappe Notiz zu den Ereignissen des Pfingstsonntags 1328. Mussato berichtet zwar, daß der Papst die
1276 Eichmann, Weihe, 1951, S. 1. Eine Besitzergreifung des Laterans hat weder im Zusammenhang mit diesem Krönungszug noch vorher stattgefunden. Nikolaus residierte im Franziskanerkloster bei Santa Maria Aracoeli. 1277 Sie sind nicht überliefert. Vgl. die Edikte Kaiser Heinrichs VII. gegen Robert von Neapel vom 26. April 1313 (MGH Const. IV/2, 1914 – 1927, Nr. 946, S. 985 – 990), gegen die Florentiner vom 24. Dezember 1311 (ebenda, Nr. 716, S. 701 – 705) und gegen andere Städte vom 11. April 1312 (ebenda, Nr. 768, S. 757 – 763) und vom 23. Februar 1313 (ebenda, Nr. 916, S. 933 – 951). 1278 Thomas, Ludwig der Bayer, 1993, S. 211 – 212. 1279 Sperling, Studien, 1918, S. 48. 1280 Gregorovius, Geschichte, Bd. 6, 1867, S. 164: Tiara; Olenschlager, Staats-Geschichte, 1755, S. 202, und Tesdorpf, Römerzug, 1885, S. 53: Scharlachmütze; Höfler, Welt, 1878, S. 345: Baret; Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 196: papalina; Chroust, Romfahrt, 1887, S. 162, Anm. 1: schlichte Bischofsmütze.
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Krone empfangen habe, sagt aber nicht, wann und von wem,1281 und Andrea Dei erwähnt die Erhebung des neuen Papstes im Zusammenhang mit der Rückkehr des Kaisers aus Tivoli, ohne jedoch konkret die Krönung oder einen anderen Erhebungsakt zu benennen.1282 Auch keine deutsche Chronik berichtet darüber, daß Nikolaus V. von Kaiser Ludwig gekrönt wurde. Außer Villani gibt es keine erzählende Quelle, die erwähnt, daß Kaiser Ludwig die Krönung des neuen Papstes vorgenommen hat. Die Vertreter der These, daß Ludwig der Bayer aus Einsicht in die Unrechtmäßigkeit seiner Kaiserkrönung durch römische Bürger seine Kaiserwürde mit einer zweiten Kaiserkrönung durch den neuen Papst auf eine rechtmäßige Grundlage stellen wollte, haben sich auf Villanis Bericht gestützt. Villani sagt davon jedoch nichts.1283 Der Guelfe Villani, der sich über die Unrechtmäßigkeit der »Kaiserkrönung durch das römische Volk« ohne Mitwirkung oder Autorisierung durch den Papst empört,1284 hätte ein Eingeständnis Ludwigs in die Unrechtmäßigkeit dieser Krönung sicher nicht unerwähnt oder unkommentiert gelassen – sofern sie aus der Tatsache oder den besonderen Umständen der Krönung vom Pfingstsonntag ableitbar gewesen wäre. Teile der älteren Forschung haben gemeint, daß außer Villani noch weitere Quellen von einer gegenseitigen Krönung von Nikolaus V. und Ludwig dem Bayern berichten, so etwa die Annales Florentini.1285 Tatsächlich berichten die Annales Florentini jedoch nicht von einer wechselseitigen Krönung: »Nachdem Ludwig in Rom gegen den Willen des Papstes von Sciarra Colonna gekrönt wurde, wobei keine gewohnte Feierlichkeit beachtet wurde, setzte er durch seinen Urteilsspruch Papst Johannes ab und machte Petrus von Corbaria vom Minoritenorden zum Papst, beschloß, sich von diesem ein zweites Mal die Krone aufsetzen zu lassen, und sie wurden sich gegenseitig zu Urhebern ihrer falschen Würde.«1286
Ludwig und Pietro von Corvaro wurden, den Annales Florentini zufolge, auf durchaus unterschiedliche Weise zu Urhebern der Würde des anderen: Ludwig »machte« Pietro zum Papst, während dieser jenen lediglich (zum zweiten Mal) krönte. Von der Krönung des Papstes durch Ludwig ist keine Rede. Die erste 1281 Mussato, ed. Böhmer, 1843, S. 176: Die Römer bewogen »Petrum de Corvaria, summi pontificatus sedem et diadema suscipere«. 1282 Cronica Sanese di Andrea Dei, in: RIS, Bd. 15, 1729, Sp. 81A: »E il d', che ’l Papa fu fatto, ’l Omperadore se ne andk a Tiboli, che d’inde era venuto.« 1283 Vgl. Matthias, Beiträge, 1908, S. 61. 1284 Vgl. oben S. 315. 1285 Z. B. von Matthias, Beiträge, 1908, S. 60, allerdings mit ausdrücklichem Vorbehalt im Hinblick auf die »Glaubwürdigkeit« der Annales Florentini. 1286 Annales Florentini, ed. Böhmer/Huber, 1868, S. 676: »Ludovicus Rome preter pontificis voluntatem a Scarra Colunensi, nulla solita solennitate servata, coronatus, sua sentencia Iohannem pontificem privat, et Petrum Corbariensem ordinis Minorum pontificem facit, a quo iterum imponi sibi coronam iubet et sibi invicem false sue dignitatis autores fiunt.«
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Kaiserkrönung, die vor der Einsetzung des Gegenpapstes stattfand, ist für den Verfasser der Annales Florentini wirkungslos, da sie erstens gegen den Willen Papst Johannes’ XXII. vollzogen worden, zweitens Sciarra Colonna der Koronator gewesen und drittens die gewohnte Feierlichkeit nicht beachtet worden sei. Nur in der Darstellung dieser erst 1431 abgefaßten Annalen läßt sich das Motiv finden, das manche Historiker Ludwig unterstellt haben: Die angebliche Einsicht Ludwigs in die rechtliche Wirkungslosigkeit der ersten Krönung habe eine Krönung durch den neuen Papst verlangt. Allerdings können die Annales Florentini nicht als Quelle für die Ereignisse des Jahres 1328 gelten. Als Vorlage der Annales Florentini bei der charakteristischen Wendung, daß Ludwig und Pietro »sich gegenseitig Urheber ihrer falschen Würden waren«, ist Leonardo Bruni zu erkennen.1287 Bruni berichtet im Unterschied zu den Annales Florentini jedoch nicht von einer Krönung durch den Gegenpapst, sondern allein von einer Bestätigung, die Ludwig von seinem Papst erfahren habe.1288 Antonin von Florenz, der ebenfalls Bruni benutzt hat, folgt seiner Vorlage an dieser Stelle fast wörtlich.1289 Auf Antonin hat sich dann Olenschlager berufen, um gegen die Tatsache einer zweiten Kaiserkrönung und für eine bloße Bestätigung des Kaisers durch den neuen Papst zu argumentieren.1290 Über eine Krönung oder Bestätigung Ludwigs durch den neuen Papst geben auch einige deutsche Chroniken einen – sowohl problematischen als auch interessanten – Bericht. In der 1341 abgeschlossenen ersten Redaktion seiner Chronik berichtet Johann von Viktring von einer Kaiserkrönung durch den von ihm heftig verurteilten Gegenpapst: »Ludwig empfing von diesem [Nikolaus V.] gemeinsam mit der Königin die Kaiserkrone, beugte vor ihm das Haupt, versprach ihm ein treuergebener Sohn zu sein, beging häufig Feste mit seiner Gefährtin, die ihn begleitete, und hatte unbegrenzte Vergnügungen.«1291 1287 Zu den Abhängigkeiten der drei florentinischen Chroniken des 15. Jahrhunderts vgl. oben S. 273 f. 1288 Leonardo Bruni, Buch V, Kap. 146, ed. Hankins, 2004, S. 134: »Ipse verus falsus pontifex sibi cardinales creavit, ac cetera veri pontificis officia aemulatus, Ludovicum in imperio confirmavit. Ita falsus imperator falsusque pontifex sibi invicem auctores dignitatis fuerunt, altaria sacrasque urbis sedes mutuo profanantes.« 1289 Antonin, titulum XXI, cap. VI, § IX, Bd. 3, 1586, S. 326b D: »Ipse vero falsus pontifex sibi cardinales creauit ac caetera veri pontificis officia aemulatus Ludouicum Bauarum in imperio confirrmauit. Ita falsus imperator, & falsus pontifex sibi invicem authores dignitatis fuere, altaria sacrasque urbis aedes mutuo profanantes […].« Abweichend die Wiedergabe Antonins bei Rinaldi, ad a. 1328, § 44, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 360b: »[…] Ludovicus tiaram Pontificiam pseudopontifici, isque Bavaro diadema imperiale imposuit«. Von Rinaldi nicht als Zitat gekennzeichnet. 1290 Olenschlager, Staats-Geschichte, 1755, S. 202 – 203. 1291 Iohannes Victoriensis, liber V, cap. 7, rec. A, ed. Schneider, Bd. 2, 1910, S. 94, Z. 21 – S. 95, Z. 3: »Ludewicus coronam imperii una cum regina ab eo suscipit, caput ei flectit, devotum
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Diese Krönung erscheint in dieser Fassung der Chronik nicht als wiederholte, sondern als einzige Kaiserkrönung, von einer vorhergehenden erfährt der Leser nichts. Nach diesem Bericht verdankt Ludwig seine Kaiserwürde also allein einer Krönung durch den Gegenpapst.1292 In der überarbeiteten Fassung der Chronik von 1343/44 findet sich jedoch ein ganz anderer Bericht: Johann erwähnt allein die Kaiserkrönung vom Januar durch den Präfekten von Rom.1293 Ob Johann nach dieser Verbesserung der letzten Redaktion die Krönung durch den Gegenpapst für einen Irrtum oder lediglich für nicht mehr erwähnenswert hält, kann nicht entschieden werden. Sie wird in dieser Fassung stillschweigend korrigiert. Auch Heinrich Taube von Selbach berichtet in der ursprünglichen Fassung seiner Chronik von nur einer Kaiserkrönung durch den Gegenpapst und korrigiert seine Darstellung in einer späteren Überarbeitung. In dem Abschnitt über die Geschichte Papst Johannes’ XXII. schreibt er zunächst: »In der Stadt Rom aber wurde Ludwig von Nikolaus zum Kaiser gekrönt. Und von da an schrieb und nannte er sich Kaiser.«1294 Ein späterer Zusatz an dieser Stelle korrigiert jedoch, daß Ludwig noch vor der Einsetzung des Gegenpapstes vom Präfekten der Stadt gekrönt worden sei.1295 An späterer Stelle in der Chronik, in dem Abschnitt über die Geschichte Ludwigs, heißt es im Anschluß an die Erhebung des Gegenpapstes: »Im besagten Jahr im Monat Januar wurde derselbe Ludwig im Rom zum Kaiser gekrönt und von dieser Zeit an hat er sich in
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se filium repromittit, cum consorte sua, que eum comitabatur, frequenter sollempnizavit et solacia habuit infinita«. Nur wenige Chronisten kennen allein eine Kaiserkrönung durch Nikolaus V. Unter der Überschrift »Ludwig wart keyser und wurdent zwene bebeste«, die eine andere Reihenfolge nahelegt, berichtet Jakob Twinger von Königshofen, Kap. 2, ed. Hegel, Bd. 1, 1870, S. 469, Z. 9 – 17: »Hienoch fur der künig gein Rome und wart von den Römern herliche enpfangen. der bobest war vor gebetten, das er von Avion gein Rome keme und den künig zu keyser krönete oder aber ieman den gewalt empfühle, den künig zu krönende. das wolte der bobest nüt tun. do mahtent die Römer und der künig einen barfussen zu bobeste zu Rom. der barfusse mahte vil cardinale und bischove und krönete künig Ludwig zu keyser also er was 14 jor künig gewesen. dis geschach noch gotz geburte 1328 jor.« Weiter unten heißt es, Kap. 3, Bd. 2, 1871, S. 583, Z. 14 – 18: »[Papst Johannes XXII.] wart ouch gebetten, daz er künig Ludewig von Peyern hiesse zu keyser krönen. daz wolte der bobest nüt tun. dovon mahtent die Römer einen barfussen zu bobeste: von dem wart er gekrönet, also dovor bi dem keyser Luewige geschriben stet.« Zu den Berichten von Johann von Viktring und Heinrich Taube von Selbach über den Präfekten als Koronator vgl. oben S. 315. Heinrich Taube von Selbach, Papae. Iohannes XXII., ed. Bresslau, 1922, S. 24, Z. 13 – 15: »Et in urbe predicta predictus Ludwicus a prefato Nycolao antipapa est coronatus in imperatorem et ab hoc in posterum se imperatorem scripsit et appellavit.« Übersetzung nach Grandaur (GdV, Bd. 85), 1883, S. 19. Heinrich Taube von Selbach, Papae. Iohannes XXII., ed. Bresslau, 1922, S. 24, Z. 16 – 19: »Scias, quod prius ante ordinacionem predicti Nycolai fuit Ludwicus coronatus a quodam layco antiquo Romano, prout infra invenies tempore euisdem Ludwici.«
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Schriftstücken Kaiser genannt.«1296 Der Koronator bleibt ungenannt, aber auch zu dieser Stelle findet sich ein späterer Zusatz, der im Zusammenhang mit dem Zusatz in dem Abschnitt über Papst Johannes steht: »Man darf aber nicht meinen, daß ihn der genannte Gegenpapst zuerst gekrönt hätte, sondern dies tat ein alter Präfekt der Stadt Rom und Herr von Viterbo an dem Sonntag, an dem man das ›Omnis terra‹ singt. Und nach dieser Krönung machte er noch im selben Jahre, in dem nächstfolgenden Monat April, den genannten Peter, wie gesagt, zum Gegenpapst, welcher ihn dann das Schwert der weltlichen Gewalt (gladius temporalis) handhaben ließ.«1297
Die Nachricht über eine Krönung Ludwigs durch Nikolaus V. wird, im Unterschied zu Johann von Viktring, nicht korrigiert, sondern harmonisierend als eine zweite Krönung dargestellt.1298 Dabei wird die Krönung durch den Präfekten als konstitutive Kaiserkrönung herausgestellt, während der zweiten Krönung durch den Gegenpapst diese Bedeutung nicht mehr zukommt. Etwas überraschend nach der Abwertung der Krönung durch den Gegenpapst, schreibt Heinrich Taube dieser zweiten Krönung eine Bedeutung zu, die ein geradezu papalistisches Verständnis der zwei Gewalten beinhaltet: Mit der zweiten Krönung habe Ludwig vom neuen Papst die Legitimation zur Ausübung der weltlichen Gewalt erhalten. Ohne die erste Kaiserkrönung als unrechtmäßig zu verurteilen, soll die zweite Krönung durch einen Gegenpapst aber doch ihre Mängel heilen. In einem späteren Werk Heinrich Taubes, den Vitae episcoporum Eichstetensium, in dem auch der Romzug Ludwigs mit einer kurzen Notiz vermerkt wird, ist jedoch von einer Krönung oder einer nachträglichen Übertragung der weltlichen Gewalt durch den Gegenpapst keine Rede mehr.1299
1296 Heinrich Taube von Selbach, Reges. Ludovicus IV., ed. Bresslau, 1922, S. 40, Z. 22 – S. 41, Z. 2: »Anno predicto in mense Ianuario coronatur idem Ludwicus in imperatorem in Urbe et ab eo tempore citra se imperatorem scripsit.« Übersetzung nach Grandaur (GdV, Bd. 85), 1883, S. 31. 1297 Heinrich der Taube von Selbach, Reges. Ludovicus IV., ed. Bresslau, 1922, S. 41, Z. 9 – 16: »Non intelligas, quod antipapa predictus ipsum coronaverit a principio, set quidam antiquus Romanus, prefectus Urbis et dominus in Bitervio, dominica, qua cantatur ›Omnis terra‹. Et post hanc coronacionem eodem anno de mense Aprilis sequenti predictum Petrum antipapam, ut predicitur, fecit, qui postea exercicium gladii temporalis commisit eidem.« Übersetzung nach Grandaur, Kaiser- und Papstgeschichte von Heinrich dem Tauben, 1883 (GdV, Bd. 85), S. 31. 1298 Das Urteil von Matthias, Beiträge, 1908, S. 60, mit Anm. 4, Heinrich Taube von Selbach berichte nicht von einer erneuten Krönung, beruht darauf, daß Matthias den Abschnitt über Kaiser Ludwig nur unzureichend und den über Johannes XXII. gar nicht herangezogen hat. 1299 Heinrich Taube von Selbach, Vitae episcoporum Eichstetensium, ed. Bresslau, 1922, S. 127, Z. 22 – 23: »[…] coronatus in inperatorem [sic!] in urbe Romana per prefectum ibidem«.
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Eine Besonderheit bietet der Glossator der Reimchronik Hugo Spechtsharts von Reutlingen. Er berichtet über Pietro von Corvaro, daß er »als Papst eine gewisse Zeit lang alle päpstlichen Rechte ausübte, indem er Bischöfe einsetzte, exkommunizierte, absolvierte, Bullen ausstellte, Ludwig als Kaiser approbierte, absolvierte und alle Dinge tat, die einem wahren Papst zustehen.«1300
Von einer Kaiserkrönung durch den Gegenpapst berichtet der Glossator nichts. Seiner Darstellung zufolge war Ludwig schon zuvor »mit dem Einverständnis der Römer von einem berühmten Bischof zum Kaiser geweiht« worden.1301 Dem neuen Papst blieb daher nur noch die Approbation. Die Angabe, daß der neue Papst Ludwig – aus dem Bann des abgesetzten Johannes XII. – absolvierte, ist singulär. Sie gehört zur generellen Linie des Autors, Ludwigs Politik als rechtmäßig darzustellen.
6.4.2 Die Krönungen vom 22. Mai 1328 in den urkundlichen Quellen Während mehrere chronikalische Quellen von einer zweiten Krönung Ludwigs durch den neuen Papst oder eine Bestätigung durch ihn berichten, aber außer Villani keine erzählende Quelle explizit eine Krönung des Papstes durch den Kaiser erwähnt, geben die urkundlichen Quellen ein genau entgegengesetztes Bild. Es gibt – mit nur einer, aber recht seltsamen Ausnahme – keine urkundliche Quelle, in der eine zweite Krönung des Kaisers erwähnt wird, aber mehrere Dokumente, die belegen, daß Kaiser Ludwig selbst den neuen Papst gekrönt hat. Von diesem Quellenbefund ausgehend erheben sich die Fragen, ob eine zweite Kaiserkrönung überhaupt stattgefunden hat und welche politische Bedeutung sie gegebenenfalls hatte. Die zeitlich nächste Quelle ist ein Brief der Florentiner an Papst Johannes XXII. vom 22. und 23. Mai 1328, in dem sie ihm mitteilen, was sie selbst aus Rom gehört hatten: »Nach all diesem haben wir auch erfahren, daß derselbe Bayer mit seinem Geschöpf, das er Gegenpapst nennt, und fünf anderen Geschöpfen, die er Kardinäle nennt, am 17. dieses Monats in die Gegend von Tivoli geritten ist, und daß er mit den Genannten nach
1300 Hugo von Reutlingen, ed. Böhmer/Huber, 1868, S. 133: »Qui papa per aliquod tempus omnia iura papalia exercuit episcopos statuendo, excommunicando, absolvendo, litteras bullando, Ludwicum imperatorem approbando, absolvendo, et omnia faciendo que competunt vero pape.« In der Reimchronik selbst findet sich diese Information jedoch nicht. Vgl. Matthias, Beiträge, 1908, S. 60, der auch die Edition der Reimchronik (1881) hätte kennen können, jedoch nicht heranzieht. 1301 Vgl. oben S. 258 f.
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Gegenseitige Krönungen Nikolaus’ V. und Ludwigs des Bayern?
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Rom zurückkehren soll, damit er an der Krönung des erwähnten Geschöpfs, das Gegenpapst genannt wird, teilnehmen kann.«1302
Die Florentiner berichten, nur die Krönung des Gegenpapstes habe Ludwigs Anwesenheit in Rom erfordert, nicht auch eine eigene Krönung Ludwigs durch den Gegenpapst. Eine Absicht Ludwigs, sich vom neuen Papst ein zweites Mal krönen zu lassen, war den Florentinern unbekannt oder nicht mitteilungswürdig. Bisher unbeachtet blieb eine Quelle, aus der Ludwigs eigene Bewertung seiner Krönung durch den neuen Papst erschlossen werden kann. In einem ohne Datum überlieferten Brief,1303 der bald nach den Ereignissen des Pfingstsonntags verfaßt wurde, schreibt Kaiser Ludwig den Städten der Wetterau, daß Gott ihn den Völkern zur Leuchte gegeben habe, daß sein Lob bis ans Ende der Welt reiche, denn nach Erledigung der Angelegenheiten der nord- und mittelitalienischen Landschaften und der Stadt Rom und ihres Umlandes, nach dem Vollzug seiner feierlichen Kaiserkrönung, der Absetzung des abtrünnigen Jakob von Cahors, der Einsetzung (institutio) des sehr heiligen Herrn Papst Nikolaus V. und der Wahl von Kardinälen, rücke er nun nach Apulien vor, um Robert von Provence [König Robert von Neapel] zu vernichten und um der ganzen Welt den Frieden zu geben.1304
1302 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 454, S. 373, Z. 40 – 43: »Post hec omnia habuimus etiam, quod ipse Bavarus cum ydolo suo quod antipapam nominat et quinque alis ydolis que cardinales appellat ad partes Tiburtinas equitavit die XVII. mensis huius et quod Romam reverti debet cum predictis, ut intersit coronationi ydoli quod antipapa dicitur antedicti.« Zuvor bei Ficker, Urkunden, 1865, Nr. 118, S. 70 – 71. Das von den Florentinern gegebene Datum von Ludwigs Aufbruch stimmt mit dem späteren Bericht Villanis überein, die Nachricht, daß Nikolaus und seine Kardinäle Ludwig nach Tivoli begleitet hätten, jedoch nicht. Daß die Nachricht der Florentiner, der neue Papst und die neuen Kardinäle hätten Ludwig nach Tivoli begleitet, falsch ist, meint Chroust, Romfahrt, 1887, S. 161, Anm. 1. 1303 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 466, S. 384 – 385; überliefert in der Chronik Wilhelms von Egmond, ed. Hordijk, 1904, S. 227 – 228; danach auch gedruckt bei Böhmer, FRG, Bd. 1, 1843, Briefe Ludwigs des Baiern, Nr. 10, S. 203; Böhmer, RI. Additamentum primum, 1841, Ludwig der Baier, Nr. 2707, S. 276. Zur Abfassungszeit plädiert Böhmer für Ende Mai, Schwalm für Anfang Juni, und Altmann, Römerzug, 1886, S. 105, Anm. 4, für Ende Juni 1328. 1304 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 466, S. 385, Z. 4 – 12: »Dedit nos Deus in lucem gentium, ut sit laus nostra usque ad supremum et ultimum terre. Ecce enim peractis feliciter que circa statum Lombardie, Tuscie ac Campanie Maritimeque, campestrium et montanarum necnon et urbis Rome eiusque districtuum et vicinarum partium fuerant facienda, perfectisque que circa sollempnitatem coronationis nostre et destitutionem illius apostatici Iacobi de Cathorco ac institutionem sanctissimi viri domini Nicholai pape quinti et creationem cardinalium extiterant adimplenda, in auctore salutis in Apuliam potenter progredimur ad illius hostis pestiferi Robberti de Provintia exterminium sempiternum. Quo favente Domino breviter consummato totum mundum in pacis commodum reponemus.«
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Der Romzug Ludwigs des Bayern II: Kaiser und Kirche
Ludwig berichtet hier von den großen politischen Ereignissen, die in Rom und auf dem Weg dorthin stattfanden – aber eine zweite Kaiserkrönung erwähnt er nicht. Dabei ist der Brief zu einer Zeit verfaßt worden, als Ludwig und sein Papst auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs standen, und nicht erst, wie viele andere Quellen, unter ganz anderen Umständen, nach der Resignation Nikolaus’ V. Zu dieser Zeit hätte alles dafür und noch nichts dagegen gesprochen, den Empfängern dieses Schreibens von einer zweiten Kaiserkrönung zu berichten, jedenfalls sofern sie legitimatorisch von Bedeutung oder auch nur von Vorteil gewesen wäre. Stattdessen teilt Ludwig allein die Kaiserkrönung vom Januar mit, zwar ohne die Koronatoren zu erwähnen, aber so, daß für die Empfänger deutlich wird, daß sie ohne Autorisierung Papst Johannes’ XXII. vollzogen wurde. Ludwig versucht also auch nicht, die zweite Krönung durch den neuen Papst als ergänzende oder zusätzliche Legitimation seines Kaisertums zu verwenden. Ludwig hat einer Krönung durch Nikolaus V., wenn es sie gab, also eine weitaus geringere Bedeutung beigemessen als den anderen berichteten Ereignissen. Nach Ludwigs eigener Auffassung hatte diese zweite Krönung gewiß keine konstitutive oder rechtliche Bedeutung. Auch der Prozeß Johannes’ XXII. gegen den Gegenpapst vom 20. April 1329 enthält nicht den Vorwurf, dieser sei Koronator einer zweiten Kaiserkrönung Ludwigs gewesen. Zu diesem Zeitpunkt, als Kaiser Ludwig sich noch in Italien befand und Nikolaus V. noch sein Amt als Papst ausübte, wäre dies noch ein relevanter Vorwurf gewesen. Die Kurie hätte damit erstens dem Gegenpapst eine weitere Verfehlung vorwerfen und zweitens gegen ein Kaisertum Ludwigs vorgehen können, das sich auf eine Krönung durch einen immerhin in Teilen des Reichs anerkannten Papstes gestützt hätte. Die Unrechtmäßigkeit dieser Kaiserkrönung darzulegen, wäre von Bedeutung gewesen. Dagegen wird Pietro von Corvaro sehr wohl vorgeworfen, daß er sich von Ludwig hat krönen lassen.1305 Diese Krönung wurde in Avignon als die tatsächliche Papstkrönung angesehen, deren rechtliche Ungültigkeit ausführlich dargelegt wurde. Eine zweite Kaiserkrönung dagegen war der Kurie zu dieser Zeit entweder unbekannt, sollte verschwiegen werden oder wurde als unerheblich angesehen. Über ein Jahr später wurde in einem päpstlichen Dokument jedoch eine Kaiserkrönung durch den Gegenpapst erwähnt. Am 31. Juli 1330 ließ Papst Johannes XXII. ein umfangreiches Schreiben an den Erzbischof Balduin von Trier, König Johann von Böhmen und Herzog Otto von Österreich verfassen,1306 in dem 1305 MartHne/Durand, Thesaurus, Bd. 2, 1717, Sp. 763 – 771, der Prozeß Sp. 763D – 770C, hier Sp. 765E-F: »Dictusque Petrus […] prius tamen a Jacobo dudum episcopo Castellano suis exigentibus demeritis excommunicato et deposito consecratione seu verius exsecratione recepta, a dicto Ludovico, cui etiam si verus imperator, et dictus Petrus verus summus existeret pontifex, competere non poterat, se fecit ut summus pontifex coronari«. 1306 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 814, S. 686 – 691; Sauerland, Urkunden, Bd. 2, 1903,
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Gegenseitige Krönungen Nikolaus’ V. und Ludwigs des Bayern?
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er deren Bemühungen um eine Versöhnung des Papstes mit Ludwig dem Bayern zurückwies.1307 Als einer der Gründe, der gegen eine Versöhnung mit Ludwig und gegen eine Anerkennung von Ludwigs Kaisertitel spräche, wird in diesem Schreiben erstmalig und auch einmalig eine Kaiserkrönung Ludwigs durch den Gegenpapst angeführt: »Soviel aber zum Kaisertum: Weil man den Kaisertitel durch Salbung, Weihe und Krönung erlangt, und zwar indem sie von dem wahren römischen Pontifex oder jemandem mit dessen Vollmacht gewährt werden, ist offenbar, daß derselbe Bayer keinerlei Recht besitzt, weil gesagt und anerkannt wird, daß er nicht von dem wahren Papst, sondern von dem Gegenpapst die Salbung, Weihe und Krönung empfangen hat.«1308
Verwunderlich ist, daß an keiner Stelle die von der Kurie schon mehrfach verurteilte Kaiserkrönung vom 17. Januar 1328 durch die römischen Syndici erwähnt wird.1309 Die hier mitgeteilte Kaiserkrönung durch den Gegenpapst erNr. 1930, S. 347 – 354; MartHne/Durand, Thesaurus, Bd. 2, 1717, Sp. 800 – 806; größerer Auszug in Rinaldi, ad a. 1330, § 29 – 33, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 445a-447b; Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 104, S. 223. 1307 Vgl. das Schreiben des Papstes an Herzog Otto von Österreich, ebenfalls vom 26. September 1330, in dem die Briefe Ottos an den Papst vom 2. Februar, 23. April, 26. Mai und 17. Juni 1330 inseriert sind, Riezler, Vatikanische Akten, 1890, Nr. 1388, S. 484 – 486. 1308 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 814, cap. 4, S. 690, Z. 11 – 16: »Quantum ad imperium autem, quia nomen imperatoris per inunctionem, consecrationem et coronationem quis nanciscitur factas quidem a vero Romano pontifice seu alio eius auctoritate, patet ipsum Bavarum ius aliquod non habere, quia non a vero summo pontifice, sed ab antipapa recepisse dicitur et noscitur supradicta scilicet inunctionem, consecrationem et coronationem.« Rinaldi, ad a. 1330, § 32, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 447a. Vgl. Tesdorpf, Römerzug, 1886, S. 53, Anm. 1, der als einziger der einschlägigen Autoren aus diesem Schreiben zitiert, aber nur diese Stelle, nicht die in der folgenden Anmerkung anführt. 1309 In zwei von vier Drucken dieser Quelle ist merkwürdigerweise an anderer Stelle von einem Krönungsakt die Rede, bei dem Ludwig vom Gegenpapst gesalbt, aber von den Römern gekrönt worden sein soll, Sauerland, Urkunden, Bd. 2, 1903, Nr. 1930, S. 350, und MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 814, S. 687, Z. 40 – 41: »A quo quidem Petro se pati inungi seu fedare potius non erubuit ac per Romanos, quibus hoc non competit, etiam coronari.« (Hervorhebung von mir.) Diese Stelle widerspricht der oben angeführten Aussage desselben Briefes, Ludwig sei von Nikolaus nicht nur gesalbt und geweiht, sondern auch gekrönt worden. Die ältere Forschung verwendete die an dieser Stelle abweichenden Abdrucke bei MartHne/Durand oder Rinaldi, die bei der Wiedergabe dieses Satzes die Römer nicht vorkommen lassen, so daß auch an dieser Stelle Nikolaus V. sowohl als Konsekrator als auch als Koronator erscheint, MartHne/Durand, Bd. 2, 1717, Sp. 800 – 806, hier Sp. 802C, und Rinaldi, ad a. 1330, § 29 – 33, hier § 29, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 445b: »A quo quidem Petro se pati inungi, seu foedari potius non erubuit, ac etiam coronari.« Da diese Stelle aber von keinem der einschlägigen Autoren zitiert wird, ist der Unterschied bisher noch nie aufgefallen. In diesem Schreiben liegt also in einigen Druckversionen ein immanenter Widerspruch vor. Sauerland, Urkunden, Bd. 2, 1903, Nr. 1930, S. 354, weist bereits auf die Fehlerhaftigkeit des Drucks bei Rinaldi hin; er und Schwalm haben ihrem Druck den Eintrag im Vatikanischen Register zugrunde gelegt, Vat. Reg. 115II fol. 171 – 173, Nr. 1971.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern II: Kaiser und Kirche
scheint also nicht als eine zweite oder nachträgliche, sondern als die einzige Kaiserkrönung, die an Ludwig vollzogen wurde. Zudem wird dem Gegenpapst zugeschrieben, daß er zusammen mit der eigentlichen Krönung auch die Salbung und Weihe an Ludwig vollzogen haben soll, was in keiner anderen Quelle zu finden ist. Schon bald darauf wird diese Darstellung der Kaiserkrönung Ludwigs jedoch von der Kurie zurückgenommen. In einem Schreiben Papst Johannes’ XXII. vom 26. September 1330 an dieselben Empfänger1310 wird die Aussage vom 31. Juli korrigiert: »In der Antwort, die Wir dir, liebster Sohn, und Unserem ehrwürdigen Bruder, Balduin dem Erzbischof von Trier, über die Handlung des Bayern geschickt haben, wurde irrtümlich erwähnt, daß derselbe Bayer von Petrus von Corvaria, dem damaligen Gegenpapst, zum Kaiser gekrönt und gesalbt worden wäre, obwohl er in Wahrheit von diesem weder gesalbt noch gekrönt worden war.«1311
Darauf wird richtiggestellt, daß Ludwig zwar de facto, aber unrechtmäßig, von Bischof Giacomo von Castello gesalbt und von gewissen Römern gekrönt wurde.1312 Bisher nicht beachtet von der Forschung ist der bemerkenswerte Schlußsatz des Schreibens: »Aus dieser Salbung und Krönung konnte er [Ludwig] sich allerdings weniger Recht erwerben, als wenn sie von Petrus, dem damaligen Gegenpapst, versucht worden wären.«1313 Über die Ursachen für die singuläre Zuschreibung der Kaiserkrönung an den Gegenpapst im Schreiben vom 31. Juli 1330, die sich von allen vorherigen und nachmaligen Verlautbarungen der Kurie zu dieser Frage unterscheidet, kann man wohl nur Vermutungen anstellen. Möglicherweise hat die Kurie erst in der ersten Hälfte des Jahres 1330 von einer zweiten Kaiserkrönung erfahren oder 1310 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 872, S. 726; Rinaldi, ad a. 1330, § 27, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 444b; Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 108, S. 223 – 224. 1311 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 872, S. 726, Z. 15 – 18: »In responsione, quam tibi fili carissime venerabili et fratri nostro Balduino archiepiscopo Treverensi super facto Bavari misimus, fuit per errorem insertum, quod idem Bavarus per Petrum de Corvaria dudum antipapam coronatus in imperatorem fuerat et inunctus, cum secundum veritatem ab eo nec inunctus fuerit nec etiam coronatus.« 1312 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 872, S. 726, Z. 19 – 25: »Set inunctus fuit seu verius execratus a Iacobo dudum episcopo Castellano tunc suis demeritis exigentibus deposito, excommunicato et ut hereticorum fautore condempnato. Coronatus autem de facto extitit, cum de iure posset a nemine coronari, cum privatus fuisset omni iure, si quod sibi competierat ex electione in discordia celebrata de ipse, a quibusdam Romanis, ad quos non pertinebat imperatoris coronatio, etiamsi esset coronandus de iure. Quod utique ipsi Romani post discessum Bavari de Urbe publice in Urbe et coram nobis per litteras et nuncios sunt confessi.« 1313 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 872, S. 726, Z. 25 – 26: »Ex quibus unctione et coronatione omnino minus iuris sibi queri potuit, quam si a Petro tunc antipapa attemptata fuissent.«
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Gegenseitige Krönungen Nikolaus’ V. und Ludwigs des Bayern?
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Gerüchte erhalten. Dieser zweiten Krönungszeremonie durch einen, wenn auch schismatischen Papst wurde für eine gewisse Zeit lang die höhere, die entscheidende Bedeutung beigemessen, so daß die Krönung vom Januar – in der Bewertung der Kurie – als nicht mehr erwähnenswert angesehen wurde. Erst die genaueren Kenntnisse über das Wesen dieser zweiten Krönung durch den Gegenpapst haben das Gesamtbild von den Kaiserkrönungen bei der Kurie zurechtgerückt. Möglich wäre es, daß der Kurie neue und verläßlichere Informationen durch den Gegenpapst selbst zugekommen sind. Tatsächlich unterwarf sich Nikolaus V. in der Zeit dazwischen, nämlich am 25. August 1330, der Kurie in Avignon und legte am 6. September 1330 ein umfassendes Schuldbekenntnis ab,1314 dessen Inhalt jedoch nicht von den Anklagen des Prozesses gegen ihn aus dem vorausgegangenen Jahr abweicht: »[…] ich elender […] habe mir erlaubt, von dem exkommunizierten und abgesetzten Jakob, einst Bischof von Castello, geweiht oder vielmehr entweiht zu werden, und von dem genannten Häretiker Ludwig dem Bayern gekrönt zu werden, obwohl ihm eine derartige Krönung keineswegs zugestanden hätte, auch wenn er wahrer Kaiser gewesen wäre, zumal er es tatsächlich weder war noch ist, sondern ein offenkundiger und verwerflicher Häretiker, und ich wahrer Papst gewesen wäre, zumal ich es in Wahrheit nicht war, sondern ein Gegenpapst oder vielmehr ein Schismatiker, Häretiker und Widersacher.«1315
Während die Krönung durch Kaiser Ludwig erwähnt und sogar hervorgehoben wird, findet sich in seinem Schuldbekenntnis nichts über eine Krönung, die Nikolaus V. an Ludwig dem Bayern vorgenommen hätte. Stattdessen heißt es auch hier, daß Ludwig sich von gewissen treulosen Römern de facto zum Kaiser krönen ließ.1316 In Abhängigkeit von diesen Vermutungen wäre das Schreiben vom 31. Juli 1330 durchaus als Hinweis darauf zu werten, daß der Gegenpapst eine Form von Krönung an Ludwig vorgenommen hat. Allerdings bewertet die
1314 MartHne/Durand, Thesaurus, Bd. 2, 1717, Sp. 806 – 816; Baluze, Bd. 1, 1693, S. 145 – 152; Rinaldi, ad a. 1330, § 11 – 24, ed. Theiner, Bd. 24, 1872, S. 438a-442b; Böhmer, RI, 1839, Päbste, Nr. 105 und 106, S. 223. 1315 MartHne/Durand, Thesaurus, Bd. 2, 1717, Sp. 806 – 816, hier Sp. 811A-D: »[…] ego miser […] consecrari, immo exsecrari ab haeretico et schismatico Jacobo dudum Castellano episcopo excommunicato et deposito, et coronari a dicto haeretico Ludovici de Bavaria me permisi; licet ad eum etiamsi verus imperator extisteret, sicut revera non erat nec est, sed haereticus manifestus et reprobus, egoque verum essem papa, sicut in veritate non eram, sed antipapa potius schismaticus, haereticus et iniquus, nequaquam talis coronatio pertineret.« 1316 MartHne/Durand, Thesaurus, Bd. 2, 1717, Sp. 810F: »[…] idem perfidus Ludovicus datus in sensum reprobum, se de facto fecisset in imperatorem a certis Romanis perfidis coronari«.
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Kurie diese Krönung nicht als etwas, das eine vollwertige Kaiserkrönung hätte sein wollen.
6.4.3 Erörterung Trotz des auffällig negativen Befundes in urkundlichen Quellen kann wohl nicht bezweifelt werden, daß der Gegenpapst eine Form von Krönung an Ludwig vorgenommen hat. Neben Villanis ausdrücklicher Nachricht sprechen vor allem auch die von Villani berichteten Umstände für eine Krönungszeremonie an Ludwig am 22. Mai 1328. Aber die Frage muß vorgelegt werden, welchen Charakter und welche Bedeutung diese Krönung hatte, die in keinem urkundlichen Dokument der Zeit unwidersprochen bezeugt ist und von den meisten Chroniken, die über den Romzug berichten, nicht erwähnt wird. Eine überlieferungsgeschichtliche Besonderheit dieser Krönung ist es, daß sie von drei Quellenautoren zunächst erwähnt, zu einem späteren Zeitpunkt von denselben Quellenautoren zugunsten der dann vorgetragenen Krönung vom Januar aber ganz bestritten (Papst Johannes XXII., Johann von Viktring) oder in ihrer Bedeutung marginalisiert wird (Heinrich Taube von Selbach). Eine konstitutive Funktion im Sinne der Besitzergreifung der Kaiserwürde und der Annahme des kaiserlichen Titels konnte diese zweite Kaiserkrönung nicht gehabt haben. Gegen die häufig vertretene Auffassung, Ludwig habe mit einer zweiten Krönung eingestanden, daß die Krönung vom Januar unrechtmäßig oder ungenügend gewesen sei, spricht, daß es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, daß Ludwig die Krönung durch Nikolaus V. als rechtlich relevant oder als bedeutsamer als die Krönung vom Januar angesehen hätte. Ludwig hat die Krönung vom 22. Mai 1328 selbst in keiner erhaltenen Quelle erwähnt. Auch sonst existiert kein Anhaltspunkt für einen Wechsel in der Entscheidung, welche Krönung die Besitzergreifung der Kaiserwürde repräsentiert. Ludwig datierte nicht nur seine Urkunden stets mit der Epoche vom 17. Januar 1328,1317 sondern bestimmte auch durch das Gesetz vom 14. April 1328, daß seine Kaiserjahre in Notariatsinstrumenten anzugeben seien. Diese gesetzliche Regelung ließ keine andere Krönung mehr zu, die als Epoche hätte gelten können. Drei Monate nach der Krönung vom 17. Januar und nur vier Tage vor dem Absetzungsurteil gegen Johannes XXII. war der Plan, einen neuen Papst einzusetzen, bereits gefaßt. Eine Kaiserkrönung durch einen neuen Papst war nun eine von der Tradition be1317 Als Beispiel seien Urkunden genannt, die Ludwig im folgenden Jahr ausstellen ließ. Sie geben bereits nach dem 17. Januar und nicht erst nach dem 22. Mai das zweite Jahr seines Kaisertums an: Zwei Urkunden vom 26. Januar 1329 (MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 547, S. 455, und Nr. 548, S. 455 – 456) und zwei Urkunden vom 15. Februar 1329 (MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 549, S. 456, und Nr. 550, S. 457).
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reitgestellte Handlungsoption. Möglicherweise sollte vor dem Hintergrund dieser historischen Vorbilder die Krönung durch Römer und Bischöfe im Gesetz vom 14. April als allein konstitutiv dokumentiert werden. An eine Revision der Grundlage der Kaiserwürde wurde nicht gedacht. Wodurch unterschied sich Ludwigs Krönung vom 22. Mai 1328 von einer regulären Kaiserkrönung? Andere Elemente einer Kaiserkrönung als die von Villani genannten Umstände des kaiserlichen Einzugs nach Rom werden von keiner anderen Quelle genannt. Nirgends findet sich etwa ein Beleg für eine Wiederholung der Salbung oder der Weihe des Kaisers,1318 für die Teilnahme der Kaiserin oder die Beteiligung anderer Bischöfe oder der Römer, weder beim Krönungszug noch bei der Krönung selbst. Eine Messe wird zwar ebenfalls nirgendwo erwähnt, darf aber als sicher gelten, da es sich um den Pfingstsonntag handelte, und zudem der Petersdom als Ort der Ereignisse bei Villani genannt wird. Der zeremonielle Aufwand spricht dafür, daß es sich um mehr als ein bloßes »Unter-Krone-gehen« Ludwigs anläßlich der Pfingstmesse und auch um mehr als ein bloßes »Aufsetzen«1319 der Kaiserkrone handelte, aber um weniger als eine tatsächliche Kaiserkrönung mit konstitutiver Funktion. Die Vermutung liegt nahe, daß es sich bei Ludwigs zweiter Krönung in Rom um eine Festkrönung handelte.1320 Die Merkmale einer Festkrönung sind: Sie wird an einem hohen kirchlichen Feiertag wie Ostern, Pfingsten oder Weihnachten begangen, sie findet feierlich im Rahmen einer Meßfeier statt, der Koronator besitzt mindestens Bischofsrang, eine Salbung ist ausgeschlossen, da sie nur bei der Erstkrönung zulässig ist, die die Voraussetzung für eine spätere Festkrönung darstellt. Hinweise auf Festkrönungen sind in der mittelalterlichen Historiographie jedoch selten.1321 Fast alle diese Merkmale sind auch Bestandteil von Villanis Bericht über Ludwigs zweite Krönung. Mit ihrer Charakterisierung als Festkrönung ist aber über ihre politische Bedeutung noch nicht viel gesagt. Die Begrifflichkeit für Wiederholungskrönungen hat sich in der Forschung zunehmend differenziert. Brühl führte den Begriff der Befestigungskrönung für
1318 Eine wiederholte Salbung oder Weihe behaupten, ohne dafür eine Belegstelle angeben zu können: Chroust, Romfahrt, 1887, S. 162; Sperling, Studien, 1918, S. 48; Kölmel, Regimen Christianum, 1970, S. 558; Thomas, Ludwig der Bayer, 1993, S. 212. 1319 Grundmann, Wahlkönigtum, in: Gebhardt, Bd. 1, 1970, S. 529. 1320 Vgl. Hans-Walter Klewitz, Die Festkrönungen der deutschen Könige, in: ZSRG KA 28 (1939), S. 48 – 96; Carlrichard Brühl, Fränkischer Krönungsbrauch und das Problem der »Festkrönungen«, in: HZ 194 (1962), S. 265 – 326; Kurt-Ulrich Jäschke, Frühmittelalterliche Festkrönungen? Beiträge zu Terminologie und Methode, in: HZ 211 (1970), S. 48 – 96; Carlrichard Brühl, Art. Festkrönung, in: HRG, Bd. 1 (1971), Sp. 1109 – 1110; ders., Kronen- und Krönungsbrauch im frühen und hohen Mittelalter, in: HZ 234 (1982), S. 1 – 31. 1321 Brühl, Art. Festkrönungen, in: LexMA, Bd. 4 (1989), Sp. 409.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern II: Kaiser und Kirche
Wiederholungskrönungen mit besonderem politischem Gewicht ein.1322 Die Beispiele für Befestigungskrönungen beziehen sich jedoch meist auf Fälle, in denen ein Herrscher z. B. durch eine Gefangennahme politisch beschädigt worden war, und eine Befestigungskrönung ihn als den »allein rechtmäßigen Herrscher« ausweisen sollte.1323 Als Beispiele können die wiederholten Krönungen von Kaiser Ludwig dem Frommen 835, Kaiser Ludwigs II. 872 oder König Richard Löwenherz’ 1194 angeführt werden. Die zweite römische Krönung Ludwigs des Bayern besaß diesen politischen Zweck jedoch nicht. Sie war eine Wiederholungskrönung sui generis. Um die politische Bedeutung von Ludwigs wiederholter Kaiserkrönung würdigen zu können, ist es nötig, sie als einen Bestandteil der gegenseitigen Krönung von Papst und Kaiser zu betrachten. Ludwig wollte auch damit programmatisch seine Auffassung vom Verhältnis der Gewalten, wie sie seinem politischen Handeln seit seiner Kaiserkrönung im Januar zugrunde lag, demonstrieren. Der neue Papst wurde nicht vom Prior archidiaconorum gekrönt, sondern vom Kaiser, der den Papst zuvor bereits gewählt und investiert hatte. Gleichzeitig verlor die Papstkrönung an Bedeutung für den Papst. Sie galt nicht mehr als notwendig zur Ausübung der Amtsgeschäfte, die der Papst bereits seit seiner Wahl, Einsetzung und Weihe ausübte. Seine Krone war keine Tiara, kein weltliches Machtsymbol, sondern die Biretta eines Kardinals. Schließlich fand die Krönung des Papstes in einem zeremoniellen Rahmen statt, der viel eher auf die Festkrönung des Kaisers ausgerichtet war. Die Krönung, die der Papst erst im Anschluß am Kaiser vollzog, ließ dem Papst kaum noch eigene Autorität. Die direkte Aufeinanderfolge der beiden Krönungshandlungen ließ die Krönung des Papstes an Ludwig nicht als Ausübung eines eigenen Rechts, sondern vielmehr als Pflicht des neuen, soeben gekrönten Papstes deutlich werden. Vom Papst gekrönt zu werden, erschien als Recht des Kaisers. Den papalistischen Ansprüchen auf eine Überordnung des Papstes über den Kaiser wurde durch diese praktische Handlung widersprochen und die Überordnung des imperium über das sacerdotium augenfällig gemacht. Eine politisch bedeutungslose Prachtdarstellung, wie die ältere Forschung oft gemeint hat, war das nicht. Ludwig demonstrierte mit seiner zweiten Krönung in Rom möglicherweise zudem auch seine politischen Grundsätze zur Kaiserkrönung. Er machte damit deutlich, daß es auch nach seiner Kaiserkrönung vom Januar 1328 durchaus noch möglich sein sollte, daß ein Papst einen Kaiser krönt. Die Kaiserkrönung durch die Römer wurde dadurch insofern relativiert, als diese nicht als Präzedenzfall dienen sollte, nach dem künftige Kaiserkrönungen generell ohne Papst 1322 Brühl, Krönungsbrauch, 1962, S. 282. 1323 Ebenda, S. 284.
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stattfinden sollten. Aber die Krönung durch den Gegenpapst, nachdem Ludwig den Kaisertitel bereits angenommen hatte, sollte auch demonstrieren, daß mit einer Kaiserkrönung nicht die Übertragung des Kaisertums verbunden ist, und daß der Koronator nicht die Instanz ist, die das Kaisertum vergibt. Die zweite Kaiserkrönung wirkt daher auch auf die Bewertung der ersten zurück. Die Bedeutung der Römer als Koronatoren wurde durch die Wiederholungskrönung, die nun ein anderer legitimer Koronator vornahm, relativiert. Der Charakter und die politische Bedeutung der Krönung vom 17. Januar 1328 als autonome Kaiserkrönung wurden durch die Wiederholungskrönung mit dem neuen Papst als Koronator nicht gemindert, sondern bestärkt.
6.5
Die kaiserlichen Urkunden für Johannes von Jandun
6.5.1 Die Ernennung zum Bischof von Ferrara Am 1. Mai 1328 ist Johannes von Jandun von Kaiser Ludwig zum Bischof von Ferrara ernannt worden.1324 In der Inscriptio der kaiserlichen Urkunde wird Magister Johannes Doktor der Theologie genannt, seine Herkunft aus der Diözese Reims wird erwähnt, und er wird ausdrücklich als Ratgeber des Kaisers bezeichnet.1325 Der bisherige Bischof wird wegen crimen laesae maiestatis ab1324 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 444, S. 366 – 368; Böhmer, RI. Additamentum primum, 1841, Ludwig der Baier, Nr. 2706, S. 276. 1325 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 444, S. 366, Z. 15 – 17: »[…] venerabili viro magistro Iohanni de Genduno Remen. dyoc. sacre theologie doctori, consciliario nostro dilecto«. Dies ist die einzige Quelle, die Johannes von Jandun einen Doktorgrad in Theologie zuschreibt. Dagegen sagten bei den an der theologischen Fakultät in Paris vom 1. September bis 31. Dezember 1375 abgehaltenen Nachforschungen nach dem Übersetzer des Defensor pacis mehrere Fakultätsmitglieder aus, daß weder Marsilius noch Johannes von Jandun einen theologischen Doktorgrad der Universität Paris verliehen bekommen haben, Pincin (Hg.), Marsilio da Padova, 1966, Appendice, Nr. 2, S. 571 – 577, hier Z. 224 – 231, S. 576 – 577: »Postmodum vero ipsis magistris, sic in dicto loco capitulari congregatis, sciscitantibus inter se an aliquis seu aliqui ipsorum unquam de predictis magistris Marsilio de Padua et Johanne de Janduno aut cuius sciencie titulo ipsi insigniti fuissent noticiam habuisset vel haberet nonnulli ex ipsis affuerunt doctores et magistri, asserentes se jamdiu a suis antiquioribus doctoribus didicisse et intellexisse quod predicti Marsilius et Johannes de Janduno nunquam fuerunt doctores nec eciam graduati in predicta theologie facultate nec aliud scire se dicebant de premissis.« Denifle/Chatelain, Chartularium Universitatis Parisiensis, Bd. 3, 1894, Anm. 17 zu Nr. 1406, S. 227, erklären daher den theologischen Grad in Ludwigs Ernennungsurkunde damit, daß Kaiser Ludwig selbst Johannes von Jandun den »Magistergrad in Theologie« verliehen habe. Abgesehen davon, daß hier eine Verwechslung vorzuliegen scheint zwischen dem Magistergrad, den Johannes von Jandun von der Artes-Fakutät erhalten hat und der in Ludwigs Ernennungsurkunde auch nicht auf die Theologie bezogen wird, und dem tatsächlich erklärungswürdigen Doktorgrad der »heiligen Theologie«, ist die Verleihung eines Doktor-
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Der Romzug Ludwigs des Bayern II: Kaiser und Kirche
gesetzt, aber nicht von Ludwig allein, sondern gemeinsam mit Volk und Klerus von Rom.1326 Kaiser Ludwig setzt dann allein Johannes von Jandun als Bischof von Ferrara ein.1327 Die geistlichen Ämter in der Diözese sollten durch die Wahl des Klerus und des gläubigen Volks des Bistums bestimmt werden. Dem Bischof soll allein das Recht der Bestätigung bleiben.1328 Ausdrücklich behielt Ludwig sich und seinen Nachfolgern, den Romani principes, das Recht vor, die Bi-
grades durch einen Kaiser vor Karl IV. sonst nicht bekannt, vgl. Schubert, König, 1979, S. 33 mit Anm. 38. Kaiser Ludwig müßte dann als derjenige gelten, der dieses Recht, das der Papst ebenfalls ausübte, für sich als Kaiser erstmalig in Anspruch nahm. Sonst könnte aber wohl nur an einen – ebenfalls ungewöhlichen – Kanzleifehler gedacht werden oder daran, daß Johannes von Jandun den theologischen Doktorgrad eben nicht in Paris, sondern anderswo erworben hat. Darüber ist aber sonst nichts bekannt. Die Untersuchungen zu Johannes von Janduns Doktorgrad im Jahr 1375 beruhen vielleicht auch auf der Kenntnis dieser Ernennungsurkunde. Zum Recht, Lehrbefugnisse und wohl auch akademische Grade zu verleihen, das alle Regenten nach Marsilius haben sollten, vgl. oben S. 162 f. 1326 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 444, § 1, S. 366, Z. 22 – 30: »Hec quamvis intenta meditatione pensemus in universis ecclesiis fidelium christianorum, hoc tamen in ecclesia Ferarie propter ipsius solempnitatem et singularitatem diligentius attendentes nec minus vocati iam pastoris ipsorum sive episcopi nostri et imperii Romani notorie rebellis malitiam atque perfidiam considerantes et manifeste videntes, prefatum pastorem [sive episcopum rebellem omni iure], si quod illi ius competebat in episcopatu predicto, necnon et omni offitio et benefitio ecclesiastico auctoritate nostra cum cuncto clero et Romano populo privamus ipsumque propter sui contumatiam et rebellionem sibique adherentes aut qualitercumque obedientes vel prestantes consilium, auxilium et favorem crimine lese mayestatis reorum pennis omnimodis ipso facto volumus subiacere.« 1327 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 444, § 1, S. 366, Z. 31 – S. 367, Z. 3: »Quod ne propter pastoris seu rectoris carentiam seu deffectum ecclesiastica religio seu disciplina et divini cultus exercitium in ecclesia prefata turbetur aut totaliter deperdatur, ne rursum etiam clericorum seu spiritualium ministrorum res aut persone per quemquam indebite pertractentur aut quamvis aliam violentiam patiantur, facimus, ordinamus et constituimus supradictum magistrum Iohannem episcopum seu pastorem et administratorem ecclesie sive episcopatu predicti, auctoritate qua supra tenore presentium propterea concedentes et comittentes eidem vel eius vices gerentibus plenam et liberam administrationem, distributionem et institutionem omnium et spiritualium et temporalium episcopatus et ecclesie supradicte per se vel alios sibi substitutos ydoneos exercendam, iurisdictionem quoque realem et personalem meri et mixti imperii clericorum omnium seu ecclesiasticarum personarum et religiosarum exemptarum et non exemptarum, cuiuscumque status, religionis aut conditionis existant, suorum quoque bonorum omnium mobilium et immobilium, quocumque nomine censeantur, omnem quoque auctoritatem visitandi religiosa ecclesiastica loca, corrigendi, disponendi et huiusmodi consueta cetera faciendi et cum premissis potestates et auctoritates quaslibet in suffrageneos omnes episcopatus predicti per episcopum solitas exerceri.« 1328 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 444, § 2, S. 367, Z. 12 – 15: »Ita tamen quod officiorum seu prelationum que curam habuerint animarum institutionem fieri volumus per ellectionem cleri et fidelis populi eidem subiecti sive comissi, iure tamen confirmationis sic ellectorum prefato episcopo, pastori et administratori simpliciter reservato.«
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schofsernennung widerrufen zu können. Dieses Recht sollten ebenso Klerus und Volk von Rom haben.1329 Dem Urteil Schmugges, nach dem diese Ernennung als »ein Musterbeispiel für die Anwendung der Ideen« des Defensor pacis gesehen werden kann,1330 muß man einerseits beipflichten, es andererseits aber auch einschränken. Denn durch Marsilius’ Theorie kann nicht die Mitwirkung von Klerus und Volk von Rom erklärt werden. Während die Zustimmungsrechte von Klerus und Volk des Bistums Ferrara sowohl auf die Tradition der früheren Kirchengeschichte als auch auf die Theorie des Defensor pacis zurückgeführt werden könnten, ist die Mitwirkung der Römer wohl nur praktisch-politisch durch die hochpolitisierte Situation in Rom in dem Zeitraum nach der Absetzung von Johannes XXII. und vor der Wahl eines neuen Papstes zu erklären. Theoretisch muß dem aber eine universalistische Konzeption der Rolle der Römer in der Kirche zugrunde gelegen haben, die nur mühsam mit dem Defensor pacis erklärt werden könnte. Auch an dieser Stelle ist wieder zu beobachten, daß eine Orientierung an den Schriften des Marsilius nicht in reiner und konsequenter Form stattfindet. Nach dem Bericht des Chronisten Villani hat Ludwig bereits im Sommer 1327 auf einer Versammlung in Mailand Bischöfe ernannt, nämlich für Cremona, Como und Citt/ di Castello.1331 Urkunden darüber sind nicht erhalten, so daß die Urkunde für Johannes von Jandun besonders wertvoll ist. Ob die Ernennungen der anderen Bischöfe ähnliche Bestimmungen enthielten wie die für Johannes,
1329 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 444, § 6, S. 368, Z. 25 – 31: »Institutionem autem prefati episcopi, pastoris et administratoris per nos factam in persona supradicti magistri Iohannis volumus in robore continuo duraturam, nisi per nos immediate tantummodo aud successores nostros Romanos principes fuerit revocata, privilegia quoque, rescripta vel concessiones per predecessores nostros vel alios quoscumque iudices ecclesiasticos aud seculares in contrarium premisse institutionis factas per nostram auctoritatem, cleri et Romani populi ex certa causa et scientia tenore presentium per omnia revocantes.« Vielleicht ist diese Befugnis der Römer der Grund dafür, daß sich das Original dieser Urkunde im Tabularium des vatikanischen Archivs befindet. Denkbar wäre, daß die Urkunde zweifach ausgefertigt worden wäre, eine Ausfertigung für Johannes von Jandun und eine für die Römer, diese könnte später in die Hände der Kurie gelangt sein. Zum Begriff des princeps Romanus (in der Urkunde bereits S. 368, Z. 14 und 25), der in dieser Zeit von verschiedenen Seiten gelegentlich, von Marsilius jedoch konsequent verwendet wurde, vgl. oben den Abschnitt »Der römische König und Kaiser als princeps Romanus«. 1330 Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 37; Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 200, bemerkt, »daß die Grundsätze des Defensor pacis auch hier gewahrt worden sind.« 1331 Villani, Buch 11, Kap. 33, Z. 26 – 29, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 560: »E nel detto parlamento in dispetto di santa Chiesa fece tre vescovi, uno in Chermona, e l’altro in Commo e l’altro, uno de’ Tarlati, a la Citt/ di Castello.« Eubel, Gegenpapst, 1891, S. 300 und 305 – 306, hält die Ernennung eines Bischofs von Como durch Ludwig für möglich, bezweifelt aber die Ernennung von Bischöfen für Cremona und Citt/ di Castello, da später der Gegenpapst für diese Bistümer Bischöfe ernannt hat.
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läßt sich daher nicht sagen, und auch nicht, ob und wie Ludwig der Bayer seine Legitimation, Bischöfe zu ernennen, vor seiner Kaiserkrönung anders darstellte. Jedoch hat Johannes von Jandun wohl nie tatsächlich das Bischofsamt in Ferrara ausgeübt. Der Grund dafür ist in der Forschung umstritten. Es ist einerseits vermutet worden, daß Johannes sein neues Amt nicht habe antreten können, weil er auf dem Weg dorthin gestorben sei,1332 andererseits ist gemeint worden, daß Kaiser Ludwig selbst die Ernennung zurückgezogen habe,1333 vielleicht weil die Ernennung in der veränderten politischen Situation in Ferrara nicht mehr ohne weiteres durchzusetzen war.1334 Schmugge urteilt etwas zu pessimistisch, wenn er sagt: »Umsonst versuchte Marsilius hier, seine kirchenpolitischen Vorstellungen in die Praxis umzusetzen und gleichzeitig seinem Freund Johannes einen Dienst zu erweisen.«1335 Auch wenn Johannes von Jandun das ihm übertragene Bischofsamt nicht tatsächlich antreten konnte, so haben Marsilius’ Vorstellungen doch Wirksamkeit gewonnen: Der Kaiser vollzog mit der ausgefertigten Urkunde den rechtsetzenden Akt, mit derjenigen Legitimation, die Marsilius ihm zuschrieb, aus eigenem Recht einen Bischof zu ernennen und das Bischofsamt im wesentlichen so auszugestalten, wie es dem Defensor pacis entsprach. Marsilius hat also nicht nur versucht, seine Vorstellungen durchzusetzen; es ist ihm auch gelungen, diese politische Handlung des Kaisers an seiner Theorie zu orientieren.1336 Ludwigs Entscheidung, Johannes von Jandun die Bischofswürde von Ferrara zu verleihen, ist auch die Manifestation eines politischen Anspruchs auf Ferrara. Bereits am 14. Oktober 1323 hat Ludwig die ghibellinischen Este mit Ferrara belehnt,1337 obwohl König Rudolf 1278 die Romagna an Papst Nikolaus III. abgetreten hatte,1338 die seitdem zum Patrimonium Petri gehörte. Mit der Besetzung dieses Bischofsstuhls konnte der Anspruch auf Zugehörigkeit zum Reich weiter bestärkt werden. Marsilius beklagt im Defensor pacis ausdrücklich, daß die Päpste sich Ferrara und Bologna angeeignet hätten, die doch zum kaiserli1332 Riezler, Widersacher, 1874, S. 56, der allerdings noch die überholte Forschungsmeinung vertritt, daß Johannes von Jandun bereits im Mai oder Juni gestorben sei. 1333 Schwalm, Reise, 1900, S. 751. 1334 Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 37. 1335 Ebenda. 1336 Ganz anders Altmann, Römerzug, 1886, S. 100 mit Anm. 2, der als Motiv Ludwigs für die Ernennung Johannes’ zum Bischof in Ferrara ein Emanzipationsbestreben des Kaisers gegenüber den beiden Pariser Magistern erkennen will: »Wohl aus diesem Grund schickte er Johann von Jandun nach Ferrara, indem er ihn zum Bischof dieser Stadt ernannte.« 1337 MGH Const. V, 1909 – 1913, Nr. 806, S. 629 – 631. Das wirft auch Papst Johannes XXII. Ludwig in seinem dritten Prozeß gegen ihn vom 23. März 1324 vor, MGH Const. V, 1909 – 1913, Nr. 881, S. 692 – 699, hier § 5, S. 696. Vgl. hierzu und zum folgenden Scholz, Defensor pacis, 1932 – 1933, S. 481, Anm. 2. 1338 Die Dokumente und Schreiben zu diesem Vorgang, MGH Const. III, 1904 – 1906, Nr. 192 – 202, S. 177 – 189.
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chen Verfügungsrecht gehörten.1339 Mit dieser Einsetzungsurkunde demonstrierte Ludwig auch sein kaiserliches Verfügungsrecht über Ferrara.
6.5.2 Die Bestallung als kaiserlicher secretarius und consiliarius Etwa zweieinhalb Monate, nachdem Kaiser Ludwig Johannes von Jandun zum Bischof von Ferrara eingesetzt hatte, ernannte er ihn am 14. Juli 1328, noch in Rom, zu seinem secretarius und consiliarius.1340 Die Bestallungsurkunde stellt eine interessante und bisher unterschätzte Quelle dar. Sie ist nicht nur im Hinblick auf Johannes von Jandun interessant, sondern ist auch deswegen wichtig, weil sie eine ähnliche Bestallung auch für Marsilius wahrscheinlich macht. Es kann vermutet werden, daß Ludwig auch für Marsilius zu irgendeinem Zeitpunkt eine urkundliche Ernennung zum Ratgeber mit Versorgung am Hofe ausgestellt hat. Überliefert ist ein solches Dokument jedoch nicht. Kaiser Ludwig hätte in noch höherem Maße als für Johannes von Jandun Veranlassung gehabt, Marsilius als Ratgeber zu bestallen. Es kann weiter vermutet werden, daß erstens die Begründung für die Ernennung noch umfangreicher und vielleicht besonders aufschlußreich ausgefallen ist, und zweitens vielleicht auch, daß die Versorgung etwas großzügiger gestaltet wurde. Die bemerkenswerte Arenga der Urkunde nimmt vor allem auf Ludwigs kaiserliche Stellung Bezug, die Johannes von Jandun als echter Eiferer für das Kaisertum gefördert habe: »Es ziemt sich, daß die kaiserliche Voraussicht, der die Sorge für das ganze Gemeinwesen übertragen ist, als Unterstützer dieser Sorge kundige Männer, die Gott fürchten, bewährt und eifrig im Handeln, echte nicht falsche Eiferer für das Kaisertum und die kaiserliche Stellung zu Hilfe nimmt.«1341
Darauf folgt eine Beurteilung der Verdienste Johannes von Janduns, die auf eine enge Bindung zum Kaiser schließen läßt. Als seine Verdienste für die kaiserliche 1339 DP II, 25, § 14, ed. Scholz, 1932/33, S. 481, Z. 11 – 15. 1340 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 474, S. 391 – 392; Böhmer, RI. Additamentum primum, 1841, Ludwig der Baier, Nr. 2708, S. 276. Schwalm, Reise, 1900, S. 751, vermutet, daß Kaiser Ludwig Johannes damit dafür entschädigen wollte, daß dieser das Bistum von Ferrara doch nicht erhalten sollte. 1341 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 474, S. 391, Z. 39 – S. 392, Z. 1: »Imperialem providenciam, cui Deo instituente tocius rei publice cura commissa est, huius sollicitudinis subministratores assumere convenit viros gnaros, timentes Deum, agendorum expertos atque sollicitos, certos non fictos imperii et imperialis culminis zelatores.« Vgl. zu der umfangreichen Arenga Bansa, Studien, 1968, S. 81, der jedoch trotz der Hervorhebung einer besonderen Förderung des Kaisertums lediglich eine »Aufzählung der notwendigen Eigenschaften eines Mannes im Königsdienst« sieht; Fischer, Studien, 1987, S. 87.
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Stellung werden auch Taten und Werke hervorgehoben, ohne jedoch konkrete Handlungen zu nennen: »Wir haben Uns aber davon überzeugt, daß ein in allem so ehrlicher, gebildeter und durch sittlichen Ernst reifer Mann gewiß Johannes von Jandun, Unser ergebener, lieber Getreuer ist, wie lange Zeit bis jetzt und auch gegenwärtig sowohl seine Reden als auch seine Taten und Werke offenkundig zeigen.«1342
Mit diesem Lob wird auch die Ratgebertätigkeit nachträglich autorisiert. Es fällt auch an dieser Stelle auf, wie sehr Johannes von Janduns Verdienste für das Kaisertum hervorgehoben werden. In der Dispositio wird dann bestimmt: »Daher haben Wir, nachdem Wir seine Verdienste für den Vorteil des Gemeinwesens gesehen und sorgfältig überdacht haben, um Unsere Würde und dazu die Unseres Hofes von seiner Gegenwart geziemend zu vergrößern, wie auch andere durch das Beispiel seiner Erhöhung mit ihren Kräften auch auf den Nutzen des Gemeinwesens hinzulenken, der zu verteidigenden Ehre und Stellung des Kaisertums und der kaiserlichen Würde rege Sorge und erfolgreiche Werke hinzugesellen, den genannten Johannes als Unseren Sekretär oder Ratgeber aufgenommen und veranlaßt, daß er zur Gemeinschaft Unserer persönlichen Familiaren gezählt und gerechnet wird.«1343
Nachdem die Zugehörigkeit zu Ludwigs familiaritas bereits in dem päpstlichen Prozeß Quia iuxta doctrinam vom 3. April 1327 belegt ist, überträgt Ludwig Johannes nun den Ehrentitel eines secretarius und nimmt ihn in den engeren Kreis der persönlichen Familiaren auf. Zur Ernennung gehörte auch ein Anspruch auf Versorgung am kaiserlichen Hof: »Auf Grund des vorliegenden Schreibens gewähren Wir ihm aber auch, solange er lebt und sich Unserem Hof anschließen will, einen Platz oder den Aufenthalt in Unserem Gefolge, Lebensunterhalt aus Unserem Hof für sich und drei Familiaren und Futter für drei Pferde gemäß der Gewohnheit Unseres Hofes oder der römischen Kaiser, wie sie bis heute in solchen Dingen beachtet wird.«1344 1342 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 474, S. 392, Z. 1 – 4: »Talem vero per omnia certitudinaliter fore perspeximus honestum virum, disciplinatum et morum gravitate maturum Iohannem de Genduno devotum fidelem nostrum dilectum, quemadmodum dudum hactenus et inpresenciarum eciam ipsius tam sermones quam gesta et opera manifeste demonstrant.« 1343 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 474, S. 392, Z. 4 – 10: »Eius ergo meritis inspectis et diligenter pensatis rei publice comodo, nostri honorificencia necnon et curie nostre ab ipsius presencia decore maiori, utque eciam ceteri sue promocionis exemplo virtutibus intendere ad rei quoque publice utilitatem, imperii et imperialis apicis procurandum honorem et statum curas vigiles et operas efficaces aponant, prefatum Iohannem in nostrum secretarium sive consiliarium assumpsimus ipsumque nostrorum familiarium domesticorum consorcio annumerari fecimus et ascribi.« 1344 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 474, S. 392, Z. 10 – 14: »Tenore siquidem eciam presencium, quam diu vixerit curiamque nostram sequi voluerit, concedentes eidem locum sive hospicium in nostra comitiva, victum ex nostra curia pro se ac tribus familiaribus et
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Diese Bestimmung kann in Beziehung gesetzt werden zur Hofhaltungs- und Regierungsordnung des Herzogtums Niederbayern vom 20. August 1294.1345 Es wird vermutet, daß die Anzahl der Pferde der begünstigten Person, deren Versorgung verbrieft wurde, Schlußfolgerungen auf die Bedeutung und den Rang der Person zuläßt.1346 So erhielten nach dieser Hofhaltungsordnung hochrangige Personen wie der Obristschreiber die Versorgung für sechs Pferde, der Hofmeister für fünf Pferde, der Marschall und ein Arzt jeweils für drei Pferde, der Küchenmeister und der Schneider erhielten die Versorgung für je zwei Pferde.1347 Welche Veränderungen in der Hofhaltung sich in den 34 Jahren und zwischen einem bayerischen Herzogshof und dem Kaiserhof ergeben haben, läßt sich nicht sagen, da eine Hofhaltungsordnung aus der Zeit Ludwigs des Bayern nicht bekannt ist. Die Veränderungen werden jedoch im Hinblick auf diese Bestimmungen nicht sehr groß ausgefallen sein. Johannes von Jandun wurde im Vergleich also nicht allzu großzügig versorgt. Weiter wurde angewiesen: »Wir befehlen und teilen allen Beamten Unseres Hofes, die für die genannten zu verteilenden und zuzuweisenden Dinge eingeteilt sein werden, ausdrücklich mit, daß sie sich redlich bemühen sollen, dieselben dem schon genannten Johannes oder dessen Familiaren oder Gesandten zuzuteilen.«1348
Kaiser Ludwig behielt sich jedoch vor, Einzelheiten der weiteren Versorgung selbst zu bestimmen und darüber hinaus bald großzügiger für Johannes von Jandun zu sorgen:
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pabulum pro tribus equis iuxta conswetudinem curie nostre seu imperatorum Romanorum hactenus in talibus observatam.« Die Wiedergabe von Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 38, führt ein wenig in die Irre. Franz Michael Wittmann (Hg.), Monumenta Wittelsbacensia. Urkundenbuch zur Geschichte des Hauses Wittelsbach, 2. Band: 1293 – 1397, 1861, Nr. 198, S. 52 – 60; Theo Herzog (Bearb.), Landshuter Urkundenbuch, 1959 – 1963, Nr. 162, S. 90 – 94; mit Auslassungen abgedruckt in: Karl Bosl (Hg.), Dokumente zur Geschichte von Staat und Gesellschaft in Bayern, Abteilung 1: Altbayern vom Frühmittelalter bis 1800, Band 2: KarlLudwig Ay (Bearb.), Altbayern von 1180 – 1550, München 1977, Nr. 488, S. 611 – 614. Zur Interpretation vgl. Erich Stahleder, Die Burg Landshut, genannt Trausnitz, im Mittelalter, in: Wittelsbach und Bayern I/1: Die Zeit der frühen Herzöge. Von Otto I. zu Ludwig dem Bayern. Beiträge zur Bayerischen Geschichte und Kunst 1180 – 1350, hrsg. von Hubert Glaser, München/Zürich 1980, S. 240 – 252, bes. S. 244 – 245. Diesen Hinweis verdanke ich dem Unterricht von Herrn Prof. Dr. Rainer Polley, Archivschule Marburg. Stahleder, Burg Landshut, 1980, S. 245a. Monumenta Wittelsbacensia, Bd. 2, 1861, Nr. 198, S. 53 – 54. MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 474, S. 392, Z. 14 – 16: »Precipientes et expresse mandantes officialibus omnibus curie nostre, qui ad predicta distribuenda et assignanda pro tempore statuti fuerint, ut eadem iam dicto Iohanni aut eius familiaribus vel nunciis integre studeant assignare.«
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Der Romzug Ludwigs des Bayern II: Kaiser und Kirche
»Die aber zur Notwendigkeit und zur Annehmlichkeit gehörenden Dinge an Bekleidung und derartigen übrigen Dinge behalten Wir Unserer Anordnung vor, den Johannes und dessen Anhang geziemend zu versorgen, bis Wir dann für die genannten notwendigen und annehmlichen Dinge des Johannes aus sicheren Einkünften und an einem sicheren Ort reichlicher sorgen.«1349
Die Tatsache, daß zwar für Johannes von Jandun, aber nicht für Marsilius, eine kaiserliche Bestallung als consiliarius überliefert ist, hat in der Forschung zu weiterreichenden Überlegungen geführt. Schütz stellt heraus, daß nicht alle gelehrten Anhänger des Kaisers von diesem mit Ämtern versehen worden seien. So hätten Marsilius, Wilhelm von Ockham, Michael von Cesena und Bonagratia von Bergamo kein Amt von Ludwig erhalten. Schütz meint darin Ludwigs Bemühungen zu erkennen, vor allem im Hinblick auf erwartete Rekonziliationsverhandlungen mit dem Papst die Rechtgläubigkeit des Herrschers zu erhalten. Johannes von Jandun und Heinrich von Thalheim haben im Unterschied zu den vorgenannten Gelehrten Ämter erhalten können, weil jener tatsächlich eben nicht Mitverfasser des Defensor pacis gewesen sei, und dieser sich nicht literarisch zum Armutsstreit geäußert habe.1350 Dagegen ist einzuwenden, daß immerhin an der Kurie geglaubt wurde, daß Johannes von Jandun Mitverfasser des Defensor pacis gewesen sei. Diese Auffassung ist Ludwig im Mai und im Juli 1328 bekannt gewesen, da sie in den päpstlichen Prozessen gegen ihn wegen der Aufnahme der beiden Ketzer bereits im Jahr 1327 mehrfach zur Sprache gekommen war. Dieser Irrtum ist an der Kurie nie revidiert und gegenüber der kaiserlichen Seite im Rahmen der Rekonziliationsverhandlungen auch immer wieder vorgebracht worden.1351 Ludwig mußte also in jedem Fall fürchten, daß die Verleihung von Ämtern an Johannes von Jandun das Ansehen seiner Rechtgläubigkeit an der Kurie beeinträchtigen würde. Zudem ist die besondere kaiserliche Wertschätzung für Marsilius sowohl von der Kurie erkannt worden als auch für den Historiker heute erkennbar. Marsilius’ persönliche Mitwirkung bei der Gestaltung der Wahl des Gegenpapstes ist der Kurie bekannt gewesen. Die an Johannes von Jandun verliehenen Ämter haben nie zu einem expliziten Vorwurf in den Rekonziliationsverhandlungen geführt, auch sonst gibt es keinen Hinweis darauf, daß die Kurie Kenntnis davon hatte. 1349 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 474, S. 392, Z. 16 – 20: »Que vero ad necessitatem atque comoditatem pertinent in vestibus et huiusmodi reliquis, disposicioni nostre reservamus eidem Iohanni ac ipsius familie providenda decenter, usque quo demum pro predictis eiusdem Johannis necessariis et comodis de certis redditibus et in certo loco duxerimus uberius providendum.« 1350 Schütz, Kampf, 1980, S. 394. 1351 Eine unbeantwortete Frage ist, warum die kaiserliche Seite im Verlauf der Rekonziliationsverhandlungen nie auf diesen Irrtum hingewiesen hat.
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Das Ende des Italienzuges
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Das Ende des Italienzuges
Auch für das Ende des Italienzuges, die Zeit vom Verlassen Roms im August 1328 bis zur Ankunft in München zu Beginn des Jahres 1330, geben einige Quellen Auskunft über Marsilius’ Rolle in Ludwigs Gefolge. Villani erwähnt Marsilius an keiner Stelle in Verbindung mit dem Höhepunkt des Konflikts, der Politik Ludwigs in Rom, sondern verknüpft erst seine Darstellung von Ludwigs Rückweg von Rom im Herbst des Jahres 1328 noch einmal mit Marsilius. Im Anschluß an Ludwigs Beschluß, auf dem Landweg nach Pisa zu ziehen, berichtet Villani: »Und so ist es gemacht worden, daß sie am 10. September Corneto verließen, und auf dem Weg starb in Montalto der heimtückische Häretiker und Magister und Verführer des Bayern Magister Marsilius von Padua.«1352
Marsilius ist bekanntlich nicht 1328 bei Montalto gestorben. In der Forschung wurde schon häufig dafür plädiert, in dieser Nachricht eine Verwechslung des Marsilius mit seinem Begleiter Johannes von Jandun zu sehen.1353 Aus einem Briefwechsel zwischen dem Franziskanergeneral Gerard Eudes und Michael von Cesena geht hervor, daß Johannes von Jandun tatsächlich auf dem Weg nach Pisa gestorben ist. Gerard Eudes beschuldigte Michael von Cesena, der im September 1328 in Pisa mit Ludwig dem Bayern zusammentraf, in einem im Sommer 1331 verfaßten Brief, daß er persönlichen Umgang mit den Häretikern Marsilius von Padua und Johannes von Jandun gepflogen hätte und noch immer pflege.1354 Michael von Cesena antwortete darauf in einem Brief aus München vom Dezember 1332, daß er keinen Kontakt zu Johannes von Jandun gehabt habe, da dieser in Todi gestorben sei, bevor er nach Pisa kommen konnte, er selbst aber 1352 Villani, Buch 11, Kap. 101, Z. 41 – 44, ed. Porta, Bd. 2, 1991, S. 647: »E cos' fu fatto; che a d' X di settembre si partirono di Corneto, e vegnendo, mor' a Montalto il perfido eretico e maestro e conducitore del Bavero maestro Marsilio da Padova.« Übersetzung nach Friedensburg/Lohmer, Geschichte, Bd. 2, 1987, S. 171. 1353 Abschließend geklärt hat das unter Berücksichtigung aller Quellen Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, Anhang II, S. 121 – 122; weitere Literatur bei Pincin, Marsilio, 1967, S. 165, Anm. 69. Nach Otto, Politik, 1911, S. 170 – 171, könnte Marsilius auch nur schwer erkrankt gewesen sein, und das Gerücht von seinem Tod hat Eingang in Villanis Bericht gefunden; nach Eubel, Gegenpapst, 1891, S. 29, verwechselt Villani Marsilius mit dem deutschen Abt Franz, der vom Gegenpapst zum Kardinalbischof von Albano ernannt worden war und in dieser Zeit gestorben ist. 1354 Nicolaus Minorita, ed. G/l/Flood, 1996, Responsio Geraldi Odonis ad litteram excusatoriam Michaelis de Caesena, S. 961 – 974, hier S. 965 – 966: »[…] tu autem, sicut tota novit Ecclesia, manifestis haereticis, puta Petro de Corbario, dudum sacrilego et haeretico antipapae, Marsilio de Padua, Ioanni de Genduno et quampluribus aliis etiam, in criminibus et sacrilegiis communicasti, communicas et communicare non cessas.« Zuvor gedruckt bei Alban Heysse, Duo documenta de polemica inter Gerardum Oddonem et Michaelem de Cesena, in: AFH 9 (1916), S. 134 – 183, dieser Brief S. 140 – 153, das Zitat S. 144 – 145.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern II: Kaiser und Kirche
nie in Todi gewesen sei.1355 Da Villanis Angabe über die Zeit von Ludwigs Aufenthalt in Corneto zutreffend ist,1356 scheint auch Montalto als Ort, an dem Johannes von Jandun gestorben ist, plausibel, die Zeit müßte entsprechend zwischen dem 10. und 15. September 1328 vermutet werden.1357 Villani setzt seine beiden kurzen Erwähnungen von Marsilius an wichtige Stellen seiner Darstellung des Konflikts zwischen Kaiser und Papst. Zuerst wird Marsilius im Zusammenhang mit dem Ausbruch und als einer der Auslöser des Konflikts genannt, und schließlich wird Marsilius’ Rolle als Verführer Ludwigs nach dem Höhepunkt des Konflikts resümierend dargestellt. Bei beiden Erwähnungen ist der dabei angeführte Sachverhalt unzutreffend. Dies zeigt aber umso deutlicher, wie groß die Bedeutung ist, die Villani Marsilius im Rahmen des Konflikts zwischen Papst und Kaiser zuschreibt. Ludwig der Bayer verließ Pisa endgültig Mitte April 1329 und zog Richtung Mailand, das unter Azzo Visconti schließlich eine kaiserfeindliche Position eingenommen hatte. Das kaiserliche Heer belagerte Mailand von April bis Juni 1329, jedoch ohne Erfolg. Ludwig zog von dort aus zunächst nach Südosten über Pavia und Cremona nach Parma.1358 Über Marsilius’ Verhältnis zu Ludwig dem Bayern in dieser Zeit geben die Akten eines Inquisitionstribunals, das 1329 und 1330 in Bologna abgehalten wurde, Auskunft. Dort sagte am 8. Dezember 1329 ein aus Mailand stammender Zeuge aus, daß er Marsilius von Padua zu Pferd gemeinsam mit Ludwig am 28. November 1329 in Parma gesehen hätte.1359 Eine
1355 Nicolaus Minorita, ed. G/l/Flood, 1996, Replicatio Michaelis ad litteram Geraldi, S. 975 – 1008, hier S. 1005 – 1006: »Ulterius dicis mendaciter quod ego communicavi magistro Ioanni de Ianduno, cum ille manifeste mortuus fuerit in Tuderto antequam Pisas veniret, ego autem in Tuderto pedem non posui nec etiam ponere cogitavi.« Zuvor gedruckt bei Heysse, Duo documenta, 1916, dieser Brief S. 153 – 183, Zitat S. 181, der jedoch venirem statt veniret hat, das sich dann auf Michael von Cesena bezöge, was wenig überzeugend ist, da es unplausibel vor ego stünde. Gegen venirem spricht zudem, daß Michael von Cesena sich bereits seit Anfang Juni 1328 in Pisa aufgehalten hat, so daß Johannes von Jandun bereits davor gestorben sein müßte. Da ihm vom Kaiser aber noch am 14. Juli 1328 in Rom die Bestallungsurkunde als secretarius ausgestellt wurde, kann das nicht stimmen, vgl. Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 121 – 122. 1356 Berg, Italienzug, 1987, S. 178. 1357 Schmugge, Johannes von Jandun, 1966, S. 122. 1358 Berg, Italienzug, 1987, S. 185 – 192. 1359 Bock, Studien, 1935/36, S. 68: »Eodem anno, die VIII. Decembris Beltramus condam Petri Gracie de Mediolano citatus coram fratre Egidio inquisitore predicto iuravit ut supra. Interrogatus si cognoscit Ludovicum de Bavaria vel aliquos fautores vel defensores vel complices suos, respondit, quod bene cognoscit dictum Ludovicum et quod vidit eum in Parma. Item dicit, quod cognoscit Marsilium de Padua et magistrum Matheum de Pergamo, quos vidit in Parma equitantes cum dicto Bavaro. Item dicit, quod vidit Marsilium de Rubeis equitantem cum dicto Bavaro; que omnia vidit a decem diebus citra. Item dicit, quod publica vox et fama est, quod predictus Marsilius de Rubeis et illi de domo sua introduxerunt dictum Bavarum in Parma. Actum Bononia in domo fratrum Predicatorum,
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ähnliche Beobachtung gab am selben Tag noch ein anderer Zeuge zu Protokoll, der ebenfalls aus Mailand stammte.1360 Die Wertschätzung Ludwigs für seinen Ratgeber noch am Ende des Romzugs wurde dadurch auch öffentlich ins Bild gesetzt. Das gemeinsame Auftreten spricht gegen die Vermutung einzelner Forscher, Ludwig habe sich bereits in Rom von Marsilius als Berater losgesagt.1361 Marsilius besaß am Ende des Romzugs nicht nur immer noch das Vertrauen des Herrschers, sondern vermutlich eine höhere Wertschätzung als zu Beginn des Romzugs. Parma war die letzte längere Station von Ludwigs Italienzug, wo er sich vom 17. November bis zum 9. Dezember aufhielt. Von hier kehrte er über Palazzolo sull’Oglio nahe dem Lago d’Iseo, wo er am 14. Dezember urkundete, nach Trient zurück, wo er vor Weihnachten 1329 eintraf. Erst im Februar 1330 kehrte der Kaiser ins nordalpine Reich zurück.1362 Eine andere, bisher wenig beachtete Quelle, belegt, daß sich Marsilius zu einer ungenannten Zeit vom Heer des Kaisers löste und eigenständig in Como aufhielt.1363 In der Absolution der Comasken durch Papst Benedikt XII. vom 16. Mai 1341 wird unter ihren Verfehlungen aufgeführt, daß sie sowohl Gesandte Ludwigs als auch »Prediger des Gegenpapstes«, als die vor allem Franz von Ascoli, Ubertino von Casale und Marsilius von Padua genannt werden, die in Como Reden gegen den Papst gehalten haben, bei sich aufgenommen haben.1364 Marsilius hat also auch auf dem Rückweg von Rom, wie auch schon auf dem
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presentibus fratribus Oliverio de Bononia et Johanne converso, ambobus ordinis Predicatorum.« Bock, Studien, 1935/36, S. 68: »Ibidem et statim Petrinus condam Jacobi de Mediolano citatus comparuit coram dicto fratre Egidio inquisitore et iuravit ut supra. Interrogatus ut supra respondit, quod bene cognoscit dictum Bavarum et quod vidit ipsum in Parma equitantem. Item dicit, quod cognoscit Marsilium de Padua et magistrum Matheum de Pergamo et Marsilium de Rubeis et Andreas de Rubeis et vidit eos equitantes cum dicto Bavaro in Parma; que omnia vidit a decem diebus citra. Item dicit, quod est publica vox et fama, quod Marsilius de Rubeis et illi de domo sua introduxerunt dictum Bavarum in Parma. Acta Bononia in domo predicta coram predictis fratribus. Ego frater Matheus notarius supradictus predictis interfui et scripsi de mandato dicti fratris Egidii inquisitoris.« Offler, Empire, 1956, S. 35, Anm. 1, vermutet, daß die beiden Mailänder Zeugen sich an Marsilius erinnerten, weil sie ihn bei einem angeblichen Aufenthalt in Mailand im Jahr 1319 gesehen hatten. Viel wahrscheinlicher scheint, daß sie Marsilius in jüngerer Zeit, nämlich zwischen April und November 1327, in Mailand gesehen hatten. Tesdorpf, Römerzug, 1885, S. 53 – 54; Altmann, Römerzug, 1886, S. 103. Berg, Italienzug, 1987, S. 193 – 195. Marsilius war bereits mit Ludwig von März bis Mai 1327 in Como, vgl. Berg, Italienzug, 1987, S. 153 – 155. Otto, Politik, 1911, S. 177, Anm. 2 (nach Vat. Reg. 129, fol. 90) : »[…] quod aliquibus temporibus nuncios dicti Ludovici et quondam Petri de Corbario tunc antipape scismatici et apostatici […] et predicatores ipsius antipape et precipue Franciscum de Esculo et quondam Ubertinum de Elia de Casati sancti Evasii et Marsilium de Padua, scismaticos, ut dicebatur, tunc temporis per ecclesiam denotatos, predicantes contra predecessorem nostrum, receperunt«; Riezler, Vatikanische Akten, 1891, Nr. 2103e, S. 761.
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Hinweg in Mailand, das Gefolge Ludwigs verlassen und eigenständig eine propagandistisch-politische Tätigkeit entfaltet. Die Quelle gibt keine Zeitangabe für Marsilius’ Aufenthalt in Como, aber da er als Prediger des Gegenpapstes bezeichnet wird, muß es in der Zeit nach der Erhebung des Gegenpapstes gewesen sein. Da Marsilius im November 1329 in Parma belegt ist, hat er sich entweder etwa im Frühjahr 1329 vermutlich während oder unmittelbar nach der Belagerung Mailands, von wo Ludwig weiter nach Südosten aufbrach, bereits nach Norden bewegt und ist dann in Parma wieder zu Ludwig gestoßen, oder er hat sich erst danach vom kaiserlichen Gefolge getrennt. In diesem Fall ist es wahrscheinlich, daß Marsilius auch erst zu einem späteren Zeitpunkt als Ludwig in München eingetroffen ist.1365 Das Schreiben Papst Johannes’ XXII. an König Johann von Böhmen vom 31. Juli 1330, in dem über Ludwig gesagt wird, daß er Marsilius – aber nicht mehr den inzwischen verstorbenen Johannes von Jandun – an seinem Hof behalten habe, belegt, daß sich Marsilius spätestens zu dieser Zeit wieder bei Ludwig aufhielt.1366 Die chronikalische Notiz Johanns von Viktring, wonach Ludwig bei seiner Rückkehr nach Deutschland Marsilius mit sich führte, könnte – falls sie im wörtlichen Sinne zu lesen ist – eher dafür sprechen, daß Marsilius gemeinsam mit Ludwig Italien verließ. Die Notiz Johanns von Viktring über Marsilius wurde in der Forschung bisher selten herangezogen und wenig Bedeutung beigemessen.1367 Über das Ende des Romzugs berichtet der Chronist, daß Ludwig im Jahr 1330 nach Deutschland zurückkehrte, »und mit sich Rechtskundige führte, [nämlich] Marsilius von Padua und gewisse andere aufgrund von Ruhm und Wissen berühmte [Männer], die sich an Kissen unter ihrem Haupt gewöhnt hatten und Wein, der im Glas goldgelb schimmert, zutranken«.1368 1365 Otto, Politik, 1911, S. 177, vermutet, daß Marsilius Ludwigs Gefolge bereits in Monza, also im April 1329, verließ, an anderer Stelle meint derselbe, Marsilius von Padua, 1925, S. 210, daß Marsilius in Como zurückblieb, während Ludwig bereits wieder in Deutschland eintraf. Von Marsilius’ Aufenthalt in Parma, den Bock 1935/36 bekannt machte, wußte Otto allerdings noch nichts. 1366 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 814, § 3, S. 688, Z. 24 – 25: »Marsilium quoque de Padua condempnatum de heresi in sua familiaritate detinere presumit.« Die von Johannes XXII. am 16. Dezember 1330 ausgesprochene Suspension des Interdikts über Como spricht ebenfalls dafür, daß sich zu dieser Zeit die häretischen Prediger nicht mehr in der Stadt aufhielten, Riezler, Vatikanische Akten, 1891, Nr. 1407, Anm. 2, S. 490, vgl. Otto, Marsilius von Padua, 1925, S. 210, Anm. 145. 1367 Chroust, Romfahrt, 1887, S. 195, Anm. 2; Otto, Politik, 1911, S. 179; Pincin, Marsilio, 1967, S. 171. 1368 Johann von Viktring, lib. VI, cap. 1, rec. A, ed. Schneider, Bd. 2, 1910, S. 148, Z. 4 – 10: »Anno Domini MCCCXXX Ludewicus […] in Alemanniam reversus, ducens secum legistas Marsilium de Pa[dua] et quosdam alio[s] fama et sc[iencia] celebres, qui pulvillos suo sub capite consuerunt et vinum flavescens in vitro propinaverunt«. Der von mir
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Der Einschub, in dem Marsilius genannt wird, wurde vom Chronisten als Randnotiz nachgetragen. Damit werden die als Rechtskundige bezeichneten Männer nicht ohne Anerkennung beschrieben, aber allein Marsilius wird namentlich erwähnt. Die Erwähnung dieser Rechtskundigen hat mehrere Funktionen. Zunächst hat Johann das Ende des Romzugs damit verbunden, daß Ludwig sich nun mit bestimmten Gelehrten umgibt. Damit wird es in der Retrospektive als eines der wichtigsten Merkmale des Romzugs dargestellt, daß Ludwig Beratung durch andere als die üblichen, im weiteren Sinne zum Hof gehörigen Ratgeber gesucht und empfangen hat. Im abschließenden Halbsatz wird einerseits Ludwigs Wertschätzung der Berater und andererseits Johanns Verurteilung derselben dargestellt. Seine Verurteilung macht Johann auch hier deutlich mit dem Motiv der Frevler, die es sich wohlergehen lassen, das Johann bereits bei der Darstellung des Kaisers und seiner Gemahlin verwendete, nachdem sie sich angeblich vom Gegenpapst haben krönen lassen.1369 Johann bezeichnet Marsilius jedoch nicht als Häretiker, was bemerkenswert ist, da die Aufnahme des als Häretiker verurteilten Marsilius Ludwig in den meisten anderen Quellen angelastet wird. Eine weitere Besonderheit seiner Darstellung ist, daß Marsilius als Rechtskundiger bezeichnet wird. Auch wenn Marsilius in Wahrheit kein Jurist gewesen ist, läßt diese Angabe darauf schließen, daß der Quellenautor Ludwig in einer vor allem rechtlichen Auseinandersetzung mit dem Papst sieht. Vielleicht kennt Johann von Viktring auch Ludwigs Prokuratorium für seine Versöhnungsverhandlungen mit der Kurie, in dem Ludwig die Aufnahme des Ketzers Marsilius damit entschuldigt, daß er seinen Ansichten durchaus gefolgt sei, wenn es zur Verteidigung der Reichsrechte von Vorteil war.1370 In der überarbeiteten Fassung der Chronik ist die Marginalnotiz zu dem Entwurf, in der Marsilius genannt wird, nicht mehr enthalten. Zur Rückkehr Ludwigs nach Deutschland schreibt Johann nun: »Und er hatte Rechtsgelehrte bei sich, die seine Handlungen verteidigten und gegen den Papst schrieben, den hervorgehobene Abschnitt von Marsilium bis celebres ist als Randnotiz geschrieben worden, Schneider, S. 148, Anm. c). Meine Übersetzung beruht darauf, daß das Possessivpronomen suo im abschließenden Relativsatz hier direkt reflexiv übersetzt werden muß, sich also nicht auf Ludwigs Haupt bezieht, und daß consuerunt in diesem Fall nicht von consuere, sondern von consuescere kommt. Der Hinweis von Schneider, S. 148, Anm. 5 und 6, daß Johann von Viktring hier als Vorlage »Ezech. 13, 18: ›Vae quae consuunt pulvillos sub omni cubitu manus et faciunt cervicalia sub capite‹« und »Prov. 23, 31: ›Ne intuearis vinum, quando flavescit, cum splenduerit in vitro color eius‹« verwendete, ist wohl nicht zutreffend. 1369 Johann von Viktring, liber V, cap. 7, rec. A, ed. Schneider, Bd. 2, 1910, S. 94, Z. 21 – S. 95, Z. 3: »Ludewicus coronam imperii una cum regina ab eo [scil. antipapa] suscipit, caput ei flectit, devotum se filium repromittit, cum consorte sua, que eum comitabatur, frequenter sollempnizavit et solacia habuit infinita«. 1370 Vgl. unten S. 439 f.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern II: Kaiser und Kirche
sie, wie es heißt, selbst einen Ketzer nannten.«1371 Über die Gründe für Johanns Textänderung kann man nur spekulieren. Neben dem Umstand, daß Marsilius zur Abfassungszeit der letzten Redaktion nicht mehr am Leben war, könnte es vor allem eine Rolle gespielt haben, daß die Tendenz der Entwurfsfassung, Ludwig zu entschuldigen, in der späteren Redaktion nicht mehr zur Geltung kam, und daher der entlastende Hinweis auf Ludwigs Berater fallengelassen wurde.
6.7
Zusammenfassung
Ludwig der Bayer verwirklichte bereits mit den Kaisergesetzen vom 14. April 1328 einen kirchenpolitischen Anspruch auf universaler Ebene, der über den seiner Vorgänger hinausging. Das zeigt sich bereits an der Form als Kaisergesetze und daran, daß auf den Papst nicht nur Häresie, sondern auch Majestätsverbrechen als Vergehen angewendet werden sollen. Die so vorbereitete, vom Kaiser gemeinsam mit dem Klerus und Volk von Rom erlassene, gesetzliche Grundlage für die spätere Absetzung zeigt, daß hier bereits Marsilius’ Grundsätze wirksam geworden sind. In dem Absetzungsurteil gegen Johannes XXII. sind es vor allem die Legitimationsgründe, die Marsilius beigesteuert hat. Dabei ist das Merkmal, das Marsilius als geistigen Urheber erkennen läßt, vor allem die ausdrücklich vorgetragene Autorität des Kaisers für dieses Vorgehen. Keine geistliche Versammlung handelte hier mit eigener Autorität, wenn auch gelenkt durch den Willen des Kaisers, wie bei früheren Papstabsetzungen, sondern es ist der Kaiser, der hier seine Befugnis ausübt.1372 Der Befund der Quellen ist nicht so eindeutig, wenn es darum geht, Ludwigs 1371 Johann von Viktring, lib. V., cap. 9, rec. B.D.A2, ed. Schneider, Bd. 2, 1910, S. 138, Z. 2 – 4: »Habuitque secum legistas, qui sua opera fovebant contra papam scribentes, ipsum, ut dicitur, hereticum appellantes.« Vgl. Friedensburgs Übersetzung Johann von Victring, Das Buch gewisser Geschichten, 1888, S. 231 – 232. 1372 Vgl. auch Kölmel, Regimen Christianum, 1970, S. 558, der als einziger Forscher den Vorgang vor dem Hintergrund der Begrifflichkeiten von Marsilius’ Theorie beurteilt: Marsilius’ »Einfluß ist in dem Absetzungsdekret gegen Johann XXII. zu erkennen. Es ist der äußere Höhepunkt von Ludwigs Kampf, wiederum singulär, indem der Kaiser auf das Mittel des synodalen oder, wie es der herrschenden Lehre entsprochen hätte aber aussichtslos war, der konziliaren Absetzung verzichtete und nun selbst als principans und Inhaber der vom legislator übertragenen Zwangsgewalt in Aktion tritt. Auch dieser Akt erfolgt ganz in der Linie und im Stile der Gedanken, die im Defensor pacis ihren literarischen Ausdruck gefunden haben. Das gesetzgebende Recht und Wahlrecht des Volkes, der universitas civium, gilt auch für den Papst, so wird Nikolaus V. vom fidelis legislator humanus mit dem fidelis principans-imperator an der Spitze erhoben.« Allerdings ist das nicht ganz richtig, da der Kaiser auch bei der Erhebung des neuen Papstes als Bevollmächtigter des supremus legislator fidelis handelt, und Klerus und Volk von Rom den die Wahlentscheidung des Kaisers beratenden Geistlichen und Laien im Defensor pacis entsprechen.
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Zusammenfassung
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Motiv für die Erhebung des Gegenpapstes zu bestimmen. Selbst wenn die Initiative zur Wahl eines neuen Papstes bei der herrschenden römischen Faktion um Sciarra Colonna lag, und Ludwig lediglich beabsichtigte, aus politischer Notwendigkeit daran mitzuwirken, so hat er doch das Erhebungsverfahren in einer Weise an sich gezogen wie noch kein Kaiser vor ihm in der langen Geschichte kaiserlich bestimmter Papstwahlen. Es war eben keine Rückkehr zum Papstwahlverfahren des ersten Jahrtausends, sondern ein vom Kaiser dominiertes Erhebungsverfahren, das nur scheinbar und äußerlich Elemente der älteren Papstwahl enthielt. Ludwig ließ die Römer nicht nur gewähren, sondern bestimmte zum einen, mit welchem Verfahren der neue Papst zu erheben war, und zum anderen nahm er bei jedem Akt des Erhebungsverfahrens die bestimmende Stellung ein. Betrachtet man die großen Ereignisse von Ludwigs Politik in Rom, die Kaiserkrönung, die Absetzungserklärung gegen Johannes XXII. und die Erhebung eines neuen Papstes in ihrer Abfolge, dann lassen sich mehrere Tendenzen erkennen. Es zeigt sich eine Steigerung der Konfrontation mit Johannes XXII., womit auch ein wachsender Widerwille in Ludwigs Gefolgschaft und Heer und auch eine geringer werdende Akzeptanz und Legitimation einhergeht, die sich in den Quellen darin spiegelt, daß legitimatorische Überlegungen in einer größeren Anzahl von Quellen und in ihnen in einem größeren Umfang dargelegt werden. Ebenso zeigt sich ein immer größer werdender Umfang der demonstrierten kaiserlichen Befugnisse und kaiserlichen Eigenrechte, die ihren Höhepunkt in der Erhebung des neuen Papstes finden, mit seinen verschiedenen Erhebungsakten bis hin zu der die Entmachtung des Papsttums demonstrierenden Krönung durch den Kaiser. Dies geht einher mit einer immer stärkeren persönlichen Beteiligung des Marsilius. Bei der Absetzung Johannes’ XXII. und bei der Erhebung des neuen Papstes treten in den erzählenden Quellen Personengruppen hervor, die Einfluß darauf genommen haben: die Römer, geistliche Berater und Marsilius selbst als Akteur. Schwer zu entscheiden ist die Frage, wer in stärkerem Maße Ludwig zum Handeln bewegt hat. In den erzählenden Quellen treten vor allem bei der Papsterhebung die Römer sehr viel deutlicher hervor.1373 Eine ganze Reihe von Argu1373 Chroust, Romfahrt, 1887, S. 143 – 144, hat vermutet, daß Marsilius und andere nicht direkt und allein versuchten, Einfluß auf die kaiserliche Politik zu gewinnen, sondern über die Verbindung mit den Anführern der ghibellinischen Partei Roms, vor allem natürlich mit Sciarra Colonna. Der Wille des Volkes habe so von ihnen gelenkt werden können. Auf diesem Weg sei Ludwig indirekt von ihnen beeinflußt worden. Erklärungsbedürftig wird dabei allerdings die Rolle des Marsilius. Nach Chroust hat Marsilius mit eigenen Zielen gehandelt, die dem Kaiser allerdings vom römischen Volk vorgetragen wurden; erst so sei der Kaiser überzeugt worden. Chrousts Auffassung entspricht jedoch kaum dem engen Beratungsverhältnis, das Marsilius und der Kaiser besaßen.
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Der Romzug Ludwigs des Bayern II: Kaiser und Kirche
menten spricht jedoch für seinen entscheidenden Einfluß: Schon die Kaisergesetze weisen materiell und noch mehr formell auf die Theorie des Marsilius. Die einzelnen Akte der Papsterhebung entsprechen allein Marsilius’ spezifischen ekklesiologischen Grundsätzen. Der neue Papst wurde von einer Versammlung des Kaisers mit Vertretern von Klerus und Volk von Rom gewählt, die der Kaiser zu diesem Zweck einberufen hatte. Kaiser Ludwig bestätigte den neuen Papst durch kaiserliches Dekret und investierte ihn mit Fischerring und Mantel. Die Weihe vollzog Giacomo Alberti, der wenige Tage später vom neuen Papst zum Kardinalbischof von Ostia erhoben wurde, dessen besondere Würde das Recht auf die Weihe sowohl des Kaisers als auch des Papstes umfaßte. Bereits nach der Weihe handelte Nikolaus V. als voll erhobener Papst, indem er Privilegien ausstellte und Kardinäle ernannte. Diese Befugnisse kamen einem gewählten Papst nach geltendem Brauch erst nach seiner Krönung zu, die den Beginn seiner Amtszeit markierte und als Epoche seiner Urkundendatierungen fungierte. Diese Abwertung der Krönung unter den Bestandteilen der Erhebungszeremonien zeigte sich dann bei der Krönung durch Kaiser Ludwig. Ludwig demonstrierte die Abhängigkeit des Papstes auch noch dadurch, daß er ihn selbst krönte – ein Vorgang, der in der Geschichte des Papsttums singulär war und blieb. Lediglich die Weihehandlung und die Wahl durch clerus und populus konnte Ludwig nicht selbst vollziehen. Die Krönung mit der Biretta eines Kardinals anstelle einer Krone zeigte weiterhin, wie schon die Entwertung der Krönung im Rahmen der Erhebung, wie das Papstamt der weltlichen Herrschaft entkleidet werden sollte. Zudem sind selbst einzelne Argumente aus den Schriften des Marsilius in den erzählenden Quellen mehrfach faßbar. Die Zuweisungen des päpstlichen Prozesses gegen den Gegenpapst und dessen eigenes Schuldbekenntnis an Marsilius als spiritus rector dieser kaiserlichen Papsterhebung sind so nachdrücklich und so ausschließlich, daß zumindest an der Überzeugung der beiden Päpste kaum gezweifelt werden kann. Seine Mitwirkung an der Aufstellung und Leitung des Klerikergremiums zeigt seinen persönlichen Einfluß. Generell werden von mehreren Quellen die Beratungsbedürftigkeit des Kaisers und die Tätigkeit von Beratern so massiv hervorgehoben, daß besonders an denjenigen Berater gedacht werden muß, der auch sonst im Geschehen erkennbar ist. Ein weiterer, bisher unterschätzter Gesichtspunkt ist die kaiserliche Einsetzung Johannes von Janduns zum Bischof von Ferrara. Diese kirchenpolitische Maßnahme ist kaum auf Forderungen des römischen Volks zurückgegangen. Hier zeigt sich vielmehr, und zwar noch vor der Wahl des neuen Papstes, daß Marsilius den Kaiser von der Ausübung von Rechten gegenüber Geistlichen überzeugte, die er nach der Theorie des Marsilius besaß. Nur wenige Historiker, die den Romzug untersucht haben, äußern sich explizit zu dem Verhältnis von Marsilius’ Theorie und der gegenseitigen Krönung von Papst und Kaiser. Die Studien zum Einfluß des Marsilius auf Ludwig den Bayern haben sich dieser Frage noch weniger angenommen. Die Antworten auf
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Zusammenfassung
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diese Frage fallen überraschend einhellig aus: Tesdorpf beurteilt die Krönung Ludwigs durch Nikolaus V. als »den Anfang einer rückläufigen Bewegung« in der Politik Ludwigs, die »durchaus nicht den Intentionen des Marsilius« entsprochen habe. »Mit diesem Schritte annullierte doch Ludwig die Rechtmäßigkeit seiner ersten Krönung durch Sciarra Colonna und gab, indem er eine Bestätigung und Krönung vom Papstthume annahm, demselben einen grossen Theil jener Machtfülle zurück, welche ihm die Theorien des Defensor pacis abgesprochen hatten.«1374 Als Ursache dafür vermutet Tesdorpf die Durchsetzung von Machtansprüchen des neuen Papstes gegenüber Kaiser Ludwig.1375 Ähnlich äußert sich Altmann, der zudem die Absicht Ludwigs zu erkennen glaubt, er habe durch die zweite Kaiserkrönung öffentlich demonstrieren wollen, daß »er nicht mehr auf den Bahnen der Verfasser des ›defensor pacis‹ wandele.«1376 Die Bewertung der zweiten Kaiserkrönung als einer ideologischen Wende hängt erstens ab von ihrer Beurteilung als einer tatsächlichen Kaiserkrönung, die Ludwigs Kaisertum neu begründen sollte, und zweitens von der Interpretation der Krönung vom Januar als einer »Volkskrönung«, die als solche eine Verwirklichung der theoretischen Positionen des Marsilius gewesen sein soll. Es ist gezeigt worden, daß weder das eine noch das andere zutrifft. Tatsächlich kann die gegenseitige Krönung von Papst und Kaiser in der Form, in der sie 1328 vollzogen wurde, als Symbolisierung des Verhältnisses zwischen der geistlichen und weltlichen Gewalt verstanden werden, wie gerade Marsilius es sich vorstellte. Mit der Krönung in Form einer Festkrönung, die Nikolaus V. an Ludwig vollzog, werden zwei Grundsätze des Marsilius zur Geltung gebracht: Erstens wird deutlich, daß es der Papst ist, der mit der Krönung des Kaisers eine Pflicht zu erfüllen hat. Korrespondierend dazu hat der römische princeps ein Recht auf die Krönung durch den Papst.1377 Der von Ludwig erhobene Papst erfüllte mit dieser nicht-konstitutiven Krönung seine Pflicht gegenüber dem Kaiser, ohne daß Ludwigs Kaisertum in Abhängigkeit von seinem Papst geriet. So kann Ludwig auch in seinem Schreiben an die Städte der Wetterau diese Festkrönung durchaus verschweigen, ohne den Empfängern etwas Wichtiges vorzuenthalten. Ein in jedem Detail so singulärer Vorgang wie die gegenseitigen Krönungen vom 22. Mai 1328 erleichtert die Suche nach geistigen Urhebern. Hier zeigt sich nicht die Abkehr Ludwigs von Marsilius, wie die ältere Forschung gemeint hat, sondern eher noch deutlicher als anderswo Marsilius’ geistige Urheberschaft. 1374 Tesdorpf, Römerzug, 1885, S. 53. 1375 Tesdorpf, Römerzug, 1885, S. 54: »Es muß dem Papste gelungen sein, den Einfluß des Marsilius irgendwie zu überflügeln.« 1376 Altmann, Römerzug, 1886, S. 103; ähnlich Wimmer, Kaiser Ludwig der Bayer, Anm. 196/ 197 auf S. 222: »Den Gedankengängen des Marsilius entspricht diese Handlung nicht. Es wäre interessant, genau zu wissen, welchen Einflüssen dabei der Kaiser unterlegen ist.« 1377 Vgl. oben bes. S. 126 f.
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7 Ausblick: Marsilius von Padua und Ludwig der Bayer nach dem Romzug
7.1
Zur Verwendung des Defensor pacis in der kaiserlichen Kanzlei
Über die Tatsache hinaus, daß die politische Theorie des Marsilius Einfluß auf den Inhalt kaiserlicher Erlasse in Rom hatte, haben einige Autoren vermutet, daß nicht nur Gedanken, sondern auch einzelne Formulierungen des Defensor pacis in den Text kaiserlicher Urkunden eingeflossen seien. Diese Vermutung bezieht sich zeitlich auf die Phase nach dem Abzug aus Rom und formal auf den Arengenteil von kaiserlichen Urkunden. Müller behauptet, daß der Defensor pacis »als Fundgrube für Arengen kaiserlicher Briefe verwendbar erschien«,1378 und Bornhak vertritt die These, daß der Defensor pacis »eines der wichtigsten Nachschlagewerke der kaiserlichen Kanzlei Ludwigs des Bayern gewesen ist«.1379 Diese weitreichende These ist jedoch kaum aufgegriffen worden.1380 Sie darf aber besonderes Interesse beanspruchen, da in Herrscherurkunden die Arenga den Ort der monarchischen Propaganda darstellen kann.1381 Zuerst hat Müller für diese These die Mandate des Kaisers an die Städte Speyer und Worms vom 27. Oktober 1329 herangezogen, in denen Ludwig von den Räten und Bürgern dieser Städte verlangt, daß Prozesse, Briefe und sonstige von Johannes XXII. gegen ihn gerichteten Äußerungen nicht veröffentlicht 1378 Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 216; ihm vorsichtig zustimmend Valois, Jean de Jandun, 1906, S. 602 – 603 mit Anm. 1. 1379 Bornhak, Anschauungen, 1933, S. 134. 1380 Zwar äußert sich Miethke, Publikum. Einführung, 1992, S. 5 mit Anm. 12 und 13, und ders., Wirkungen, 1998, S. 186 mit Anm. 38, ablehnend gegenüber einer möglichen Benutzung des Defensor pacis in der kaiserlichen Kanzlei bei politischen Entscheidungen und der inhaltlichen Gestaltung des dispositiven Bestandteils von Urkunden und Proklamationen, hat dabei aber nicht die These von der wörtlichen Übernahme von Formulierungen in Arengen im Blick. 1381 Fichtenau, Arenga, 1957, S. 10; vgl. jüngst zur Arengenforschung Hermann Hold, Unglaublich glaubhaft. Die Arengen-Rhetorik des Avignonenser Papsttums, 2 Bde., Frankfurt am Main u. a. 2004.
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werden. In den gleichlautenden Arengen werden, meint Müller, Passagen des ersten Kapitels des Defensor pacis wiedergegeben,1382 Bornhak glaubt, auch direkte wörtliche Entlehnungen feststellen zu können.1383 Tatsächlich werden Motive angeschlagen, die an den einleitenden Abschnitt des Defensor pacis erinnern, wenn es sich bei der wörtlichen Übereinstimmung, die Bornhak beobachtet hat, auch um ein geläufiges Bibelzitat handelt, das nicht unbedingt aus dem Defensor pacis entnommen worden sein muß. Über diese Urkunde hinaus meint Bornhak weitere Beispiele für eine Verwendung des Defensor pacis in der kaiserlichen Kanzlei gefunden zu haben. Er macht geltend, daß es weitere Urkunden gäbe, die zwar keine wörtlichen Entlehnungen enthalten, man aber »in den Urkunden des Kaisers ganz deutlich die Nachklänge der Lektüre des ›Defensor pacis‹« heraushöre.1384 Als Beispiel dient die Arenga des mahnenden Schreibens des Kaisers wiederum an die Stadt Worms vom 14. Februar 1331, den vom Papst providierten Bischof Salman nicht anzuerkennen.1385 Wörtliche Entlehnungen fänden sich zudem in einer Reihe von 1382 Einen Vergleich in Form einer Synopse stellt Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, Beilagen, Nr. 16, S. 373, vor. Die Arenga der Urkunden lautet, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nrrn. 656 und 657, S. 554 – 555, hier S. 554, Z. 23 – 35: »De summis celorum ad yma mundi descendens unigenitus Dei filius, ut hominem de laqueo servitutis eriperet, in quem ipsum inpegerat suggestio serpentina, vestem nostre mortalitatis induit, volens proprii aspersione sangwinis incendia perpetui cruciatus extinguere ac suos eterna morte possessos vite perhennis efficere possessores, sue peregrinacionis cursu expleto salubri cum regrederetur ad patriam, suis discipulis pacem inter se habendam cum proximis testamento reliquid dicens: ›Pacem meam do vobis, pacem meam relinquo vobis‹, sue pietatis exemplo ostendens omni humane creature pacem tamquam bonum optimum et desiderabile cunctis gentibus amplectendam. Sane inter cetera desiderablilia cordis nostri Salvatoris evestigio eiusque cuius bella gerimus suffragio incitati pacem et tranquillitatem cunctis Christi fidelibus affectamus, ob quod sedula vigilamus solercia et quod possumus diligencie studium adhibemus, ut possint laudabiliter toti mundo sublatis impedimentis quibuslibet iuxta desiderii nostri plenitudinem pax et tranquillitas auctore Domino provenire.« Zuvor gedruckt bei Böhmer, FRG, Bd. 1, 1843, Briefe Ludwigs des Baiern, Nr. 11, S. 204 – 205, hier S. 204; Regest in Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nrrn. 1063 und 1062, S. 65; Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern, Heft 2, 1994, Nr. 69, S. 29. Als Vorlagen für die Urkunde sollen gedient haben: DP I, 1, §1, ed. Scholz 1932/33, S. 1, Z. 5 – 6: »Omni quippe regno desiderabilis debet esse tranquillitas, in qua et populi proficiunt, et utilitas gencium custoditur«; ebenda, S. 3, Z. 3 – 4: »Nec solum hanc invicem ipsos habere, verum eandem aliis optare docebat«; ebenda, S. 3, Z. 6 – 9: »Hec rursum fuit hereditas, quam sibi passionis et mortis instante tempore suis discipulis testamento reliquit, dum Iohannis 14o dixit: Pacem relinquo vobis, pacem meam do vobis.« 1383 Bornhak, Anschauungen, 1933, S. 134. In der Einschätzung dieser Urkunde folgt ihm Segall, »Defensor pacis«, 1959, S. 21 mit Anm. 15, der darin eine »echte politische Zielsetzung« zu erkennen glaubt, sonst aber der Vermutung einer Verwendung des Defensor pacis in der kaiserlichen Kanzlei ablehnend gegenübersteht. 1384 Bornhak, Anschauungen, 1933, S. 134, Anm. 1. 1385 In der Urkunde heißt es, MGH Const. VI/2,1, 1989, Nr. 21, S. 14, hier Z. 16 – 19: »Et quoniam secundum utriusque iuris precepta non nisi litterarum sciencia prediti morum
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kaiserlichen Urkunden, in denen der von Marsilius programmatisch verwendete zweigliedrige Friedensbegriff »pax et tranquillitas« dazu dienen könne, die Benutzung von Marsilius’ Werken nachzuweisen.1386 Marsilius verwendet den Begriff pax in dieser Zwillingsform, weil die vielfältigen Bedeutungen von Frieden im Mittelalter es nötig machten, einen weiteren Begriff zur Erläuterung beizugeben, der erst verständlich machte, welche Art von Frieden gemeint war.1387 Einschränkend gegenüber Bornhaks Heuristik ist jedoch zu sagen, daß Marsilius’ doppelter Friedensbegriff zwar ein Merkmal von dessen Theorie, aber nicht originär ist.1388 Die Verwendung der verschiedenen Begriffe für Frieden (pax, honestate ceterisque virtutibus prepollentes nedum ad pontificalis apicem dignitatis verum etiam ad quodlibet aliud beneficium ecclesiasticum assumi debent et tales, qui subditis verbo et exemplo preesse valeant pariter et prodesse«; zuvor gedruckt bei Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, Anhang, Urkunde Nr. 4, S. 389 – 390; Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 1253, S. 77. Das sei zurückzuführen auf folgende Stellen im Defensor pacis: DP II, 11, § 6, ed. Scholz, 1932/33, S. 261, Z. 5 – 6: »[…] omnium quasi opposita perpetrare, que secundum doctrinam evangelicam aliis predicant observanda«; DP II, 20, § 14, ed. Scholz, 1932/33, S. 401, über die Ernennung ungeeigneter Bischöfe; DP II, 24, § 2, ed. Scholz, 1932/ 33, S. 452 – 453, über die Unrechtmäßigkeit des päpstlichen Provisionsrechts; vgl. Bornhak, Anschauungen, 1933, S. 134, Anm. 1. 1386 Im DP I, 1, § 1, ed. Scholz, S. 2, Z. 2 – 9: »Cassiodorus in prima suarum epistolarum, hac serie iam premissa, tranquillitatis seu pacis civilium regiminum commoditates et fructus expressit, ut per hos tamquam optimos, humanum optimum, eius vite scilicet sufficienciam explicans, quam sine pace ac tranquillitate nemo consequi potest, ad pacem habendam invicem, et hinc tranquillitatem, voluntates hominum excitaret.« Weitere Belegstellen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, sind: DP I, 1, § 4, S. 5, Z. 18; DP I, 1, § 6, S. 8, Z. 10 – 11; DP I, 5, § 11, S. 27, Z. 14; DP I, 19, § 3, S. 127, Z. 18; DP I, 19, § 12, S. 135, Z. 8 – 9; DP II, 8, § 7, S. 226, Z. 5 – 6; DP II, 26, § 13, S. 504, Z. 9 – 10; DP III, 3, S. 611, Z. 24; DP III, 3, S. 612, Z. 4. Auch im Defensor minor verwendet Marsilius den zweigliedrigen Friedensbegriff: DM 7, § 3, ed. Jeudy/Quillet, 1979, S. 214/216: »Sed si fieret talis transitus ultramarinus pro cogendis infidelibus ad obediendum principi et populo Romano in praeceptis civilibus, et tributis debitis exhibendis, quemadmodum de iure tenentur, talis transitus, ut puto, meritorius esset censendus, quoniam ad pacem et tranquillitatem omnium civiliter viventium ordinatus.« DM 12, § 3, ed. Jeudy/Quillet, 1979, S. 258: »Quinimmo plures provinciae considerantes bonitatem regiminis Romanorum, tranquille atque pacife vivere volentes, propter earum evidentem utilitatem, elegerunt se sponte subiicere atque custodire per Romanum populum et ipsius principem supradictos.« Vgl. zu den Belegstellen Bornhak, Anschauungen, 1933, S. 134, Anm. 1. Nur selten verwendet Marsilius tranquillitas alleinstehend, z. B. DP I, 1, § 1, S. 1, Z. 5; DP I, 2, § 1, S. 10, Z. 14; DP I, 5, §1, S. 20, Z. 8; DP I, 19, § 1, S. 125; DP II, 5, § 7, S. 193, Z. 3; pax außer imTitel des Werks gar nicht; an einer Stelle quies et tranquillitas, DP I, 5, § 10, S. 26, Z. 7 – 8. 1387 Zur Verwendung von pax in Zwillingsbegriffen vgl. Dietrich Kurze, Krieg und Frieden im mittelalterlichen Denken, in: Heinz Durchhardt (Hg.), Zwischenstaatliche Friedenswahrung in Mittelalter und Früher Neuzeit (Münstersche Historische Forschungen, 1), Köln/ Wien 1991, S. 1 – 44; wiederabgedruckt in: ders., Klerus, Ketzer, Krieg und Prophetien. Gesammelte Aufsätze, hrsg. von Jürgen Sarnowsky, Marie-Luise Heckmann und Stuart Jenks unter Mitwirkung von Mario Glauert, Warendorf 1996, S. 344 – 392, hier S. 366. 1388 Miethke, Politiktheorie, 2008, S. 215, verweist sehr viel überzeugender auf den genuin Marsilianischen Begriff der potestas coactiva »als ein Schibboleth für eine unmittelbare
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quies tranquillitas) war in den Arengen mittelalterlicher Kaiserurkunden weit verbreitet,1389 auch in Arengen von Papsturkunden.1390 Der Doppelbegriff pax et tranquillitas wurde in König Ludwigs Kanzlei auch vor der Abfassung des Defensor pacis bereits verwendet.1391 Auch in der philosophischen Literatur vor dem Defensor pacis spielt er bereits eine Rolle. Nicht lange vor Marsilius verwendete Dante die Verbindung von pax mit tranquillitas.1392 Als wirkungsmächtiger Urheber für diesen Friedensbegriff ist jedoch Augustinus anzusehen, der in De civitate Dei den »Frieden der Menschen als geordnete Eintracht« und den »Frieden aller Dinge als Ruhe der Ordnung (tranquillitas ordinis)« definiert.1393 Den Befunden in den Quellen soll nun nachgegangen werden, um abschließend zu beurteilen, ob hinreichende Anhaltspunkte für eine Benutzung des Defensor pacis bestehen. Bornhak findet Marsilius’ Zwillingsbegriff außer in den Mandaten für Worms und Speyer vom 27. Oktober 1329 auch in den Arengen einiger weiterer Urkunden.1394 Er nennt die in Trient ausgestellte Urkunde vom 4. Januar 1330, mit der die Privilegien der Stadt Heilbronn bestätigt werden,1395 die zwei gleichlautenden Schreiben an den Reichsvikar in Mantua und die Stadt Cremona vom 23. April 1330,1396 die Bestätigung der Privilegien des Klosters
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Marsiliusrezeption«. Miethke hat hier jedoch vor allem an Werke der politischen Theorie gedacht. Fichtenau, Arenga, 1957, S. 69 – 71; Fischer, Studien, 1987, S. 49 – 50. Fischer, Studien, 1987, S. 49. In einem Mandat an die Stadt Straßburg vom 10. Januar 1315 heißt es, MGH Const. V, 1909 – 1913, Nr. 201, S. 182, hier Z. 23 – 24: »[…] ut pacem patrie et tranquillitatem per districtus imperii transeuntibus prepararemus«. Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 61, S. 4. Vgl. Bansa, Studien, 1968, S. 81; Fischer, Studien, 1987, S. 50. Dante, Monarchia, I, iv, 2; I, xvi, 2; III, xv, 11; vgl. den Hinweis auf Dante bei Erben, Berthold von Tuttlingen, 1923, S. 76b, Anm. 3. Sancti Aurelii Augustini episcopi De civitate Dei libri XXII, hgg. von Bernard Dombart und Alfons Kalb, 2 Bde. (Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana), Stuttgart 51981, lib. XIX, cap. 13, Bd. 2, S. 377, Z. 3 – 8: »[…] pax hominum ordinata concordia […] pax civitatis ordinata imperandi et oboediendi concordia civium […] pax omnium rerum tranquillitas ordinis.« Vgl. den Hinweis auf Augustinus als begriffliche Vorlage für Marsilius bei Segall, »Defensor pacis«, 1959, S. 19, Anm. 5. Zum Friedensbegriff bei Augustinus vgl. Kurze, Krieg, 1996, bes. S. 360. Bornhak, Anschauungen, 1933, S. 134, Anm. 1 (fortgesetzt auf S. 135). Zum »Frieden« in den Urkunden Ludwigs des Bayern vgl. Bornhak, Studien, 1968, S. 81; Fischer, Studien, 1987, S. 50 – 52. MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 672, S. 569 – 570, hier S. 569, Z. 9 – 13: »Solercia imperialis celsitudinis ad hoc precipuum curis continuis agitatur, qualiter fidelibus ac devotis imperii serenitas pacis amene ac felicis status tranquillitas suis preparetur temporibus et ad recompensandos ipsorum labores largifluis consolacionum decorentur muneribus, variis quoque beneficiorum donis et graciis multiplicibus predotentur.« Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 1076, S. 66 (irrtümlich mit Datum 5. Januar); Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern, Heft 1, 1991, Nr. 69, S. 33. MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nrrn. 741 und 742, S. 631 – 632, hier S. 631, Z. 25 – 28: »Imperialis nostre celsitudinis debitum nos frequenter cura vigili ad hoc sollicitat et hortatur, quod tibi et universis nostris fidelibus in Ytalia, que sponsa nostra dilecta fore
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Königsbrück vom 29. Mai 1330,1397 die Belehnung König Johanns von Böhmen mit der Stadt Brescia vom 10. August 13311398 und aus einem späteren Zeitraum die Bestätigung der Privilegien der Abtei Murbach im Elsaß vom 2. Juni 1342.1399 Bornhaks Liste, die auch nur beispielhaft sein kann,1400 läßt sich für den ersten Zeitraum eine deutsche Urkunde an die Stadt Weißenburg vom 17. Februar 1330 hinzufügen, in deren Arenga es heißt: »[…] daz wir vnsern vnd des richs vndertanen vnd getrewen fride vnd gemach behalten vnd meren mit allen sachen vnd wir chu˚nnen vnd mu˚gen«.1401 Für den späteren Zeitraum kann noch eine Urkunde vom 24. Januar 1341 hinzugefügt werden: Kaiser Ludwig schwört Philipp VI. von Frankreich auf Lebenszeit dessen Verbündeter zu sein »propter bonum pacis et tranquillitatis sacri imperii et regni Francie ac totius christianitatis«.1402
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dinoscitur, per succursus nostros salubres et potentes Altissimo concedente preparemus tranquillitatis et pacis comodum et augmentum.« Böhmer, RI. Additamentum primum, 1841, Ludwig der Baier, Nr. 2722, S. 277, und Böhmer/Ficker, RI. Additamentum tertium, 1865, Ludwig der Baier, Nr. 3271, S. 359. Winkelmann, Acta imperii inedita, Bd. 2, 1885, Nr. 519, S. 327 – 328, hier S. 327, Z. 37 – 39: »Opus summe delectationis nostre est, cum religiosis personis et eorum piis locis pro augmento cultus divini, quem semper erudimus, pacis et tranquillitatis comoda procuramus.« Böhmer, RI. Additamentum secundum, 1846, Ludwig der Baier, Nr. 2976, S. 320; Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern, Heft 2, 1994, Nr. 91, S. 36 – 37. Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, Bd. 1, 1921, Nr. 238, S. 136 – 137, hier S. 136: »Ex quo eterni regis disposicio ineffabilis, que cuncta nimirum provide et recte disponit, nos tamquam inmeritos ad suum ac tocius servicium orbis evocavit, ex crediti regiminis debito cura vigili, iugi quoque meditacione et assidua sollerter ad hoc intendimus, ut status rei publice, a quo salus nostri dependet imperii, prospere et salubriter gubernetur subiectisque imperii pax et tranquillitas nostris preparetur temporibus, salus et prosperitas in conmissis nobis imperii finibus augeatur, quod felici revera progressu progreditur, cum in commisse nobis solicitudinis partem, quam ad dei laudem unice gubernare nequimus, coadiutores ydoneos evocamus.« Regest in MGH Const. VI/2,1, 1989, Nr. 143, S. 89; fehlt in Böhmer, RI. Lünig, Reichsarchiv, Bd. 19, 1720, V. Absatz: Von Gefuersteten Praelaten, V. Von den Abteyen Murbach und Lueders, Nr. 54, S. 981 – 983, hier S. 981a: »[…] Augustalis sublimitas, quae ex officio sibi desuper credito, curis agitatur optimis ut quibuslibet Imperii fidelibus amaene pacis serenitatem, ac felicis status tranquilitatem preparet et instauret«. Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 2248, S. 141; Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern, Heft 4, 1998, Nr. 192, S. 106 – 107. Die meisten Urkunden Ludwigs liegen nur in Regestenform veröffentlicht vor; die für den Rechtsinhalt unerhebliche Arenga wird nicht wiedergegeben. Aber auch auf der Grundlage von Volltexteditionen wäre eine vollständige Liste nur sehr mühsam zu erstellen, da so allgemeine Begriffe wie pax und tranquillitas im Register üblicherweise nicht indiziert werden. Zitiert nach Bansa, Studien, 1968, S. 81, der weder Druckort noch Archivsignatur angibt; Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 1080, S. 67; als Regest auch schon verzeichnet bei Regesta sive rerum Boicarum autographa, ed. Lang, Bd. 6, 1837, S. 319. Zitiert nach Fischer, Studien, 1987, S. 52, die ebenfalls weder Druckort noch Archivsignatur angibt; Böhmer, RI, 1839, Ludwig der Baier, Nr. 2135, S. 134.
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Zu diesen Beispielen für die mögliche Übernahme von Formulierungen aus Marsilius’ Werk in kaiserlichen Urkunden soll es noch eine weitere Verbindung zur kaiserlichen Kanzlei gegeben haben. Ein weiterer Autor, Wilhelm Erben, ist überzeugt, daß der Text des Defensor pacis einem Angehörigen der kaiserlichen Kanzlei, nämlich dem Notar Berthold von Tuttlingen,1403 bekannt gewesen sein muß. Berthold verfaßte ein literarisch-propagandistisches Werk in Form eines fiktiven Briefwechsels von zehn Briefen zwischen Papst Johannes XXII. (Ep. 1, 3, 5, 8, 10) einerseits und Ludwig dem Bayern (Ep. 2, 4, 6, 9) und den Römern (Ep. 7) andererseits.1404 Der Inhalt der Briefe ist an tatsächliche Dokumente der beiden Kontrahenten angelehnt. Wann er es verfaßt hat, ist nicht bekannt, sicher ist nur, daß es nach Gloriosus Deus war, weil darauf Bezug genommen wird. Den Zweck des Werks sieht Erben in der Verdeutlichung und Propagierung von Ludwigs Position in der Auseinandersetzung mit Papst Johannes XXII.1405 Ob es tatsächlich ein Publikum oder eine Außenwirkung dieser fiktiven Briefsammlung gegeben hat, ist unbekannt. Erben muß zunächst wohl mindestens insofern zugestimmt werden, als einem hochrangigen Angehörigen der kaiserlichen Kanzlei, der eine argumentative Schrift zur Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Papst verfaßte, wenn nicht der Text, so doch wenigstens einige Inhalte des Defensor pacis bekannt gewesen sein müssen. Bei den Ludwigs Partei zugeordneten Briefen soll es gedankliche Entnahmen und in einigen Fällen auch wörtliche Übernahmen aus dem Defensor pacis gegeben haben, meint Erben.1406 Als Beispiele dafür führt auch Erben den doppelten Friedensbegriff pax et tranquillitas an, der in einem Brief Ludwigs und in dem Brief der Römer, in dem sie Johannes XXII. aufforderten, nach Rom zurückzukehren, Verwendung fand,1407 und zudem ein Bibelzitat aus dem Defensor 1403 Vgl. zu ihm Erben, Berthold von Tuttlingen, 1923; Bansa, Studien, 1968, S. 247 – 249. 1404 Erben, Berthold von Tuttlingen, 1923, V. Anhang, S. 161 – 175. Eine genauere Untersuchung dieses Werks wäre sicher lohnenswert. 1405 Erben, Berthold von Tuttlingen, 1923, S. 76b und S. 80b. Dagegen vermutet Bansa, Studien, 1968, S. 247, daß die Briefsammlung »lediglich aus literarischem Interesse« geschrieben sei. 1406 Erben, Berthold von Tuttlingen, 1923, S. 76a-b. 1407 Erben, Berthold von Tuttlingen, 1923, V. Anhang, Ep. 4, Z. 53 – 59, S. 166: »Cuius rei causa, cum pio geramus affectu, nos vobis cunctisque ecclesie fidelibus pacem ac pacis tranquillitatem, deo propicio, pro viribus allaturos, vestram paternitatem affectuose requirimus ac eciam in domino exhortamur, ut adhuc contenti patrimonio beati Petri, contra nos ac Romanum imperium a ceptis illicite penitus desistatis, ne aliena nimium appetentes, nos adeo incitati, ut ulterius supersedere nullatenus valeamus, vos a vestris constituamus penitus alienum, quia vulgariter dicitur : ›Qui totum vult, totum amitti‹, caventes et attendentes, ne de vobis verificari contingat illud psalmi: ›Homo, cum in honore esset, non intellexit, conparatus est iumentis insipientibus et similis factus est illis.‹« Ebenda, Ep. 7, Z. 25 – 35, S. 169 – 170: »Ipse [scil. Ludowicus imperator Romanus] est enim, per quem mundo universo pacis et tranquillitatis opulencia subinfertur copiosa; ipse est basis firma fidelium, fidei fundamentum, robur et columpna tocius ecclesie militantis; faber celestis
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pacis, das Berthold für das Prohemium seiner Schrift heranzog.1408 Doch Erben schränkt selbst ein, daß Berthold das Bibelzitat selbständig gewählt haben und pax et tranquillitas auf einer anderen Vorlage beruhen könnte.1409 Da nun sowohl in Arengen kaiserlicher Urkunden als auch in einem literarisch-propagandistischen Werk eines hochrangigen Kanzleimitarbeiters möglicherweise Spuren des Defensor pacis entdeckt wurden, stellt sich die Frage, ob in beiden Fällen dieselbe Person, nämlich Berthold von Tuttlingen, der Urheber war. Erben glaubt auch, Berthold von Tuttlingen als Diktator der beiden Urkunden, die die größten Übereinstimmungen mit dem Defensor pacis aufzuweisen scheinen, nämlich die Mandate an die Städte Worms und Speyer vom 27. Oktober 1329, erkannt zu haben.1410 Als Beleg zieht er Textpassagen aus zwei fiktiven Briefen der Propagandaschrift Bertholds von Tuttlingen heran, die sich auch in der Arenga dieser beiden Mandate finden,1411 aber nicht im Verdacht stehen, aus dem Defensor pacis entnommen worden zu sein. Ein Beweis dafür, daß Berthold auch der Urheber des Arengentexts war, ist das jedoch nicht, da
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eum tamquam summum angularem lapidem in fundamento fidei, preter quod nemo aliud ponere potest, ut in ipso ecclesiam dei firmissime stabiliret, radicaliter fidei posuit in structura; ipse enim, per quem populus orphanatus, qui sub multis retro principibus in tenebris ambulabat, accepit lucem magnam; ob quod devota plebs Vrbis beatisssime, percipiens principis huius sacrati occursum eiusque adventum, de lacu miserie et de luto fecis, in quo detinebatur adversancium potentatu horrendo captiva, eripi non diffidens, leto ex corde ad dominum exclamabat: ›Lux fulgebit hodie super nos, quia natus est nobis dominus et datus est nobis divina ex providencia imperator et rex iustus, cuius imperium super sue magnificencie humerum gloriose nimirum et magnifice requievit.‹« (Hervorhebungen von mir.) Vgl. Erben, Berthold von Tuttlingen, 1923, S. 76b mit Anm. 3. Erben, Berthold von Tuttlingen, 1923, V. Anhang, Prohemium, Z. 8 – 9, S. 161: »Ipse est pater luminum, a quo omne datum optimum et omne donum perfectum desursum descendens«; vgl. DP I, 1, § 6, ed. Scholz, 1932/33, S. 7, Z. 20 – 22: »›Omne datum optimum et omne donum perfectum, desursum descendens est a patre luminum‹«. Vgl. Erben, Berthold von Tuttlingen, 1923, S. 76b mit Anm. 4. Erben, Berthold von Tuttlingen, 1923, S. 77a, denkt konkret an die Absetzungsbulle Papst Innozenz’ IV. gegen Kaiser Friedrich II. vom Juli 1245 als Vorlage (MGH Const. II, 1896, Nr. 400, S. 508 – 512, hier S. 508, Z. 36, und S. 509, Z. 2), allerdings läßt Berthold in seinen fiktiven Briefwechseln die kaiserliche Partei diesen Friedensbegriff für sich in Anspruch nehmen. Erben, Berthold von Tuttlingen, 1923, S. 77a-b. Erben, Berthold von Tuttlingen, 1923, V. Anhang, Ep. 1, Z. 6 – 7, S. 162: »[…] sue peregrinacionis cursu expleto salubri, priusquam de ymis mundi summa scanderet ad celorum«, das entspricht in der Arenga, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nrrn. 656 und 657, S. 554 – 555, hier S. 554, Z. 23 und Z. 27: »De summis celorum ad yma mundi descendens […] sue peregrinacionis cursu expleto salubri«. Erben, Berthold von Tuttlingen, 1923, V. Anhang, Ep. 4, Z. 53 – 54, S. 166: »[…] geramus affectu, nos vobis cunctisque ecclesie fidelibus pacem ac pacis tranquillitatem«; das entspricht in der Arenga, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nrrn. 656 und 657, S. 554 – 555, hier S. 554, Z. 32 – 33: »[…] gerimus suffragio incitati pacem et tranquillitatem cunctis Christi fidelibus affectamus«. Vgl. Erben, Berthold von Tuttlingen, 1923, S. 77b, Anm. 3.
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Ausblick: Marsilius von Padua und Ludwig der Bayer nach dem Romzug
diese Übereinstimmungen auch anders erklärt werden können.1412 Am wahrscheinlichsten ist, daß Berthold von Tuttlingen die formelhaften Wendungen, wie sie für Arengen typisch sind, in seinen fiktiven Briefen aus einer Vorlage entnommen hat, die auch der Urheber des Arengentexts verwendet hat. Gegen Erbens These spricht auch, daß in der Forschung heute angenommen wird, daß die Mundatoren von Urkunden in der Kanzlei Ludwigs des Bayern häufig auch die Urheber der Texte waren, ohne daß es eines Entwurfs eines anderen, höherrangigen Kanzleimitarbeiters, wie eines Notars, bedurft hat.1413 Der Mundator der Mandate vom 27. Oktober 1329, Leonhard von München, hat auch die oben aufgeführte Urkunde vom 4. Januar 1330 mundiert,1414 die ebenfalls pax et tranquillitas enthält. Für die Verwendung dieser Friedensformel ist daher wohl der Mundator Leonhard verantwortlich, und damit ist ein Einfluß des Defensor pacis auf den Text dieser Arengen, der bei dem propagandistisch tätigen Kanzleinotar als Diktator noch eher zu vermuten wäre, nicht mehr wahrscheinlich. Allerdings lassen sich die wenigen Beispiele für die mögliche Verwendung des Defensor pacis interessanterweise sehr reizvoll in den Verlauf des Verhältnisses von Marsilius zum kaiserlichen Hof einpassen. Die mögliche Verwendung des Defensor pacis in kaiserlichen Urkunden scheint in einem abgrenzbaren zeitlichen Rahmen stattgefunden zu haben. Sie begann erst im Herbst 1329 und endete zunächst zu einem Zeitpunkt vor dem Herbst des Jahres 1331, für den man den Beginn eines »Schreibverbotes« für die verketzerten Ratgeber an Ludwigs Hof vermutet hat. Mit diesem Publikationsverbot könnte durchaus auch ein Verbot, den Defensor pacis in kaiserlichen Urkunden zu verwenden, einhergegangen sein. Auch wenn die Münchner Minoriten bald nach 1331 wieder begannen, Schriften gegen Johannes XXII. zu verfassen, so ist doch der Defensor pacis in den Diplomen Ludwigs zunächst lange nicht mehr zu erkennen. Wenn tatsächlich in den Jahren 1341 und 1342 in zwei Urkunden Anklänge an den Defensor pacis zu finden sind, dann könnte es damit erklärt werden, daß Marsilius genau in dieser Zeit weitere Schriften, nämlich den Defensor minor und die Gutachten zur Ehesache der Margarete Maultasch, verfaßt hat und damit wieder politisch an Bedeutung gewann.
1412 Bansa, Studien, 1968, S. 249, Anm. 311, wertet Erbens Argumentation noch nicht als einen Beweis, hält Berthold als Verfasser der Arengen aber »auch nicht unmöglich«. Bansa äußert sich ebenda, S. 31, grundsätzlich skeptisch gegenüber der Möglichkeit, über einen Diktatvergleich einen bestimmten Notar zu identifizieren. 1413 Über den Mundator als Urheber des Arengentextes vgl. Bansa, Studien, 1968, S. 104, und Fischer, Studien, 1987, S. 51. 1414 Vgl. die Liste der von Leonhard mundierten Stücke bei Bansa, Studien, 1968, S. 194. Zu Leonhard vgl. den Exkurs bei Fischer, Studien, 1987, S. 152 – 161.
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Zur Verwendung des Defensor pacis in der kaiserlichen Kanzlei
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Die Vorlage für die Passage in der Arenga der beiden Mandate an Speyer und Worms, die am umfangreichsten aus dem Defensor pacis geschöpft zu haben schien, ist wohl vielmehr das Baumgartenberger Formularbuch,1415 das sich auch auf eine Sammlung spätstaufischer Kanzleibehelfe zurückführen läßt.1416 Allerdings ist in der Kanzlei Ludwigs des Bayern das Baumgartenberger Formularbuch wohl nicht selbst oder direkt benutzt worden, da nur ein Teil der dort verzeichneten Arengen in Ludwigs Urkunden verwendet wurde. Bansa meint daher, daß in der Kanzlei lediglich ein Auszug des Formelbuchs vorgelegen habe,1417 während Fischer vermutet, daß die kaiserliche Kanzlei und der Autor des Baumgartenberger Formelbuchs eine gemeinsame Vorlage benutzt haben, die von geringerem Umfang als die Baumgartenberger Sammlung war.1418 Die These vom Einfluß des Marsilius auf die Gestaltung kaiserlicher Urkunden konnte Bornhak nur noch versuchen zu retten, indem er auf die Möglichkeit verwies, daß es Marsilius gewesen sein könnte, der die kaiserliche Kanzlei und Berthold als Verfasser der Propagandaschrift auf diese Kanzleibehelfe hingewiesen hat.1419 Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die These von einer Verwendung des Defensor pacis als Nachschlagewerk für formelhafte Bestandteile kaiserlicher Urkunden nicht nachgewiesen werden konnte, auch die fiktive Brief1415 Baumgartenberger Formelbuch, ed. Baerwald, 1866, S. 93 – 94: »Unigenitus Dei filius Jesus Christus, qui ut reconciliationem servum Domino ad yma descendit de mundo transiturus ad patrem pacis hereditatem suis in testamento quodammodo delegavit ›pacem‹ inquiens: ›meam do vobis pacem relinquo vobis‹«. Vgl. Bansa, Studien, 1968, S. 37, Anm. 11 und S. 81 mit Anm. 206; Fischer, Studien, 1987, S. 51 mit Anm. 306 und S. 141 mit Anm. 247 und 248. – Der weitere Text der Arenga, MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nrrn. 656 und 657, § 2, S. 554, Z. 37 – S. 555, Z. 5, ist einem Schreiben Kaiser Friedrichs II. an den Papst vom Juli 1239 entnommen, Jean-Louis-Alphonse Huillard-Br8holles, Historia diplomatica Friderici secundi, 6 Bde., Paris 1852 – 1861, Bd. 5, pars 2 (1237 – 1241), 1859, S. 348 – 351, hier S. 348, vgl. Fischer, Studien, 1987, S. 51 mit Anm. 305 und S. 119 mit Anm. 70. Der Brief ist in die Briefsammlung des Petrus de Vinea eingegangen. Bereits Böhmer, FRG, Bd. 1, 1843, S. 205, Anm. 1, bemerkt zur Arenga von Ludwigs Mandat: »In den kirchlichen streitigkeiten war der styl aus der zeit des Petrus von Vinea von der reichscanzlei beibehalten worden, wovon dies eine probe.« Bornhak, Anschauungen, 1933, Exkurs I: Zur Verwendung der Briefsammlung des Petrus de Vinea in Aktenstücken der Zeit Ludwigs des Bayern, S. 134 – 141, hier S. 135 – 136, kommt durch einen Vergleich zum selben Ergebnis. 1416 Bansa, Studien, 1968, S. 37. 1417 Ebenda. 1418 Fischer, Studien, 1987, S. 141. 1419 Bornhak, Anschauungen, 1933, S. 139: »Die Möglichkeit scheint daher gegeben, daß Marsilius vielleicht schon früher die kaiserliche Kanzlei und den dort tätigen Berthold von Tuttlingen darauf hingewiesen hat, wie brauchbar Briefe und Aktenstücke aus der Zeit Friedrichs II. für die Stilisierung von Erlassen gegen Johannes XXII. sein konnten, und daß eine solche, vielleicht sogar persönliche Anregung sich auswirkte, als Berthold nicht nur in dem eben besprochenen Falle, sondern auch später bei der Abfassung seiner Briefdichtung neben dem ›Defensor pacis‹ mancherlei Vorlagen der staufischen Zeit heranzog.«
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Ausblick: Marsilius von Padua und Ludwig der Bayer nach dem Romzug
sammlung des Berthold von Tuttlingen ist nicht nachweisbar unter Benutzung des Defensor pacis abgefaßt worden. Aber auch wenn die eingangs angeführten Thesen von Müller und Bornhak in dieser Form zurückgewiesen werden müssen, so kann es vielleicht doch ein Reflex der kaiserlichen Kanzlei gewesen sein, daß gerade der von Marsilius verwendete Friedensbegriff in den Zeiten Konjunktur hatte, als Marsilius von Ludwig als Ratgeber besonders geschätzt wurde.
7.2
Marsilius in Ludwigs Rekonziliationsverhandlungen mit der Kurie
Die Ausgleichsverhandlungen zwischen Ludwig dem Bayern und den Päpsten Johannes XXII., Benedikt XII. und Clemens VI. bieten ein reiches Quellenmaterial,1420 das auch Licht auf Ludwigs Romzug und Marsilius’ Rolle dabei wirft. Die Interpretation der Quellen und bereits die Feststellung des Wesens dieser Quellen werfen jedoch Probleme auf, die die Forschung lange Zeit beschäftigt hat,1421 ohne alle Fragen endgültig beantworten zu können.1422 Schon bald nach seiner Rückkehr aus Italien begann Ludwig einen Ausgleich mit Papst Johannes XXII. zu suchen.1423 In der neuen politischen Konstellation nahmen die Luxemburger König Johann von Böhmen und Erzbischof Balduin von Trier und der Habsburger Herzog Otto von Österreich Kontakt mit dem Papst auf und baten im Mai 1330 um Wiederaufnahme Ludwigs in die Kirche.1424 Die Antwort fiel schroff ablehnend aus. Der Papst führte eine Liste an Gründen an, warum die 1420 Die Gesandtschaftsakten zu den Rekonziliationsverhandlungen zwischen Ludwig und den Päpsten Johannes XXII., Benedikt XII. und Clemens VI. sind sehr verstreut gedruckt. Ruth Bork, MGH Const. VI/2, 1331 – 1335, Faszikel 1: 1331, 1989, S. 6*, bemerkt zum Editionsplan der Constitutiones, daß die Akten der Rekonziliationsverhandlungen zu umfangreich seien, um hier gedruckt zu werden, sie würden daher gesondert gedruckt werden. Das ist wünschenswert. 1421 Vgl. Bock, Prokuratorien, 1933/34, S. 251: »Es gibt wohl keine schwierigere Aufgabe in der wechselvollen Geschichte Kaiser Ludwigs IV. als die Klärung der diplomatischen Fragen, die die Aktenstücke über die Verhandlungen mit der Kurie seit dem Beginn der dreissiger Jahre [des 14. Jahrhunderts] dem Historiker stellen.« 1422 Die Forschung fand nach zahlreichen Einzelstudien mit zwei Dissertationen ihren vorläufigen Abschluß: Auf Hermann Otto Schwöbel, Der diplomatische Kampf zwischen Ludwig dem Bayern und der römischen Kurie im Rahmen des kanonischen Absolutionsprozesses 1330 – 1346 (Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit, Bd. 10), Weimar 1968, folgte bald darauf Alois Schütz, Die Prokuratorien und Instruktionen Ludwigs des Bayern für die Kurie (1331 – 1345). Ein Beitrag zu seinem Absolutionsprozeß (Münchner Historische Studien, Abteilung Geschichtliche Hilfswissenschaften, Bd. 11), Kallmünz 1973, der in vielen Punkten der vorangegangenen Forschung widersprach. 1423 Vgl. zu den Verhandlungen auch oben S. 228 – 294. 1424 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 761 – 763, S. 648 – 650 vom 24. bis 26. Mai 1330.
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Marsilius in Ludwigs Rekonziliationsverhandlungen mit der Kurie
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Fürsprache der deutschen Fürsten für den gebannten Herrscher inakzeptabel sei. Im Schreiben vom 31. Juli 1330 an König Johann von Böhmen heißt es dazu: »Und weil er [Ludwig], mit diesen [Untaten] noch nicht zufrieden, sich nicht gescheut hat, Marsilius von Padua und Johannes von Jandun, die ein gewisses Buch geschrieben haben, das viele Irrlehren enthält, und zu ihm wie zu einem Schutzherrn der Häretiker flüchteten, bereitwillig und damit sie jene [Irrlehren] öffentlich predigen aufzunehmen, und dazu anderen Häretikern in Italien öffentlich Gunst zu gewähren, ist er zum öffentlichen und offenkundigen Begünstiger von Häretikern erklärt und als ein Begünstiger von Häretikern durch die prüfende Gerechtigkeit verurteilt worden.«1425
Darüber hinaus sei Ludwig auch deswegen als Häretiker verurteilt worden, weil er sich mit diesen Häresien durch die Tat und durch das Wort verbunden habe.1426 Papst Johannes brachte den deutschen Fürsten damit seine Prozesse gegen Ludwig vom 23. Oktober 1327 (Dudum volentes) und vom 20. April 1329 in Erinnerung. Weiter unten wird Ludwig vor allem die fortdauernde Verbindung mit dem Häretiker Marsilius zur Last gelegt: »Und er [Ludwig] hat es auch gewagt, Marsilius von Padua, nachdem dieser wegen Häresie verurteilt wurde, in seiner Hofgemeinschaft (familiaritas) zu belassen.«1427 Hier wird allein Marsilius genannt, Johannes von Jandun jedoch nicht. Zwar ist dieser bereits verstorben, aber ebensowenig wie Marsilius wurde er nach der gemeinsamen Verurteilung als Häretiker 1327 von Ludwigs Hof entfernt. Im unmittelbaren Anschluß stellt der Papst heraus, wozu es führte, daß Ludwig Marsilius an seinem Hof belassen hat. »Er ist von derartigen Ratgebern umgeben, von einem Rat derartiger [Männer], daß Wir sagen: er wird irregeleitet, er wird regiert.«1428 Der Einfluß der Ratgeber – und in diesem Zusammenhang ist besonders Marsilius gemeint – auf Ludwig wird von der Kurie offenbar als bestimmend angesehen. Eine Entlastung Ludwigs ist damit jedoch nicht verbunden, da sonst kein Hinweis gegeben wird, daß Ludwig ohne diese Ratgeber oder vor deren Aufnahme als 1425 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 814, § 3, S. 687, Z. 20 – 25: »Et quia hiis non contentus Marsilium de Padua et Iohannem de Ianduno, qui quendam librum composuerant plures hereses continentem et ad eum velut hereticorum patronum fugerant, prompte recipere et ut illas predicarent publice, necnon et hereticis aliis in partibus Italie publice non erubuit impertiri favorem, fuit declaratus hereticorum fautor publicus et notorius et ut hereticorum fautor exigente iusticia condempnatus.« 1426 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 814, § 3, S. 687, Z. 25 – 29: »Sane quia diucius expectatus ab hiis non resipuit, sed velut venumdatus, ut faciat malum, nedum favorem impendere curavit hereticis, sed ipsis heresibus facto et verbo se publice non est veritus inmiscere, fuit merito pronunciatur hereticus et ut hereticus exigente iusticia condempnatus, prout hec in processibus apostolicis plenius continentur.« 1427 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 814, § 3, S. 688, Z. 24 – 25: »Marsilium quoque de Padua condempnatum de heresi in sua familiaritate detinere presumit.« 1428 MGH Const. VI/1, 1914 – 1927, Nr. 814, § 3, S. 688, Z. 25 – 26: »Talibus est stipatus consiliariis, talium consilio, ne dicamus decipitur, gubernatur.«
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gutwillig anzusehen sei, wie es etwa der anonyme Autor des Compendium maius octo processuum papalium ausspricht oder Konrad von Megenberg anklingen läßt. Der Vorwurf lautet vielmehr, daß Ludwig sich freiwillig diesem Einfluß ausgesetzt habe. Bestimmte Forderungen an die Fürsten, wie etwa auf die Entfernung dieser Ratgeber vom Hof des Herrschers hinzuwirken, werden in diesem Ablehnungsschreiben nicht aufgestellt. Ein Jahr später wurde dann doch der Anfang für Verhandlungen gelegt. Im folgenden Dokument aus der kaiserlichen Kanzlei sind die Forderungen des Papstes in deutscher Wiedergabe überliefert. In einem Beschluß des kaiserlichen Rats von 1331 sind die Antworten des Kaisers auf die Forderungen des Papstes, eigene Gegenforderungen des Kaisers und die päpstlichen Forderungen selbst enthalten.1429 Unter den zehn aufgeführten Forderungen des Papstes bezieht sich gleich die erste auf Marsilius: »Der bapst eyschet von dem kaiser, daz er maister Marsilien vnd die barfuozzen ze seiner gehorsam twinge; wellen sie des mit willen nicht tuon, daz er sie dann an irm rechten vorlighe [vertighe?].«1430
Diese Forderung wurde durchgängig in den zahlreichen folgenden Versöhnungsverhandlungen von den Päpsten aufgestellt: Der Kaiser soll Marsilius und die Franziskaner zum Gehorsam gegenüber dem Papst bringen. Allerdings bleibt unklar, und es ist in der Forschung auch nicht diskutiert worden, was es heißt, wenn der Kaiser Marsilius und andere zu Häretikern verurteilte Gelehrte zum Gehorsam der Kirche bringt. Die Forderung kann wohl nur als Abschwören der von der Kirche festgestellten Irrtümer verstanden werden. Der folgende Konditionalsatz ist bisher wegen Riezlers unzureichender Wiedergabe nicht richtig verstanden worden.1431 Es heißt wohl: Wenn sie das nicht freiwillig tun, dann müssen sie eben gegen ihren Willen vom Kaiser zur Rechenschaft gezogen werden (»rechtfertige«), also von diesem als Ketzer bestraft werden. Von einer Auslieferung an die Kurie, wie gemeint wurde,1432 ist nicht die Rede. Die Antwort Ludwigs, wie sie in diesem Beschluß des kaiserlichen Rats festgehalten wurde, lautete: »Ze dem ersten antwrt der kaiser vnd all sein weiser rat, pfaffen vnd layen, daz maister Marsilius vnd die barfuozzen mit dem kaiser besamt sullen sein vnd all di mit rat oder mit der tat dem kaiser beholfen wern vnd sein; so daz beschehen ist, so lazzen di Cardinal innen vnd vzzen disputieren meister Marsilius vnd der barfuozzen sachen; 1429 Vgl. oben S. 288 f. 1430 Riezler, Widersacher, 1874, Aktenstück C, S. 329 – 332, hier S. 329; meine Emendation. 1431 Ich habe das Manukript nicht selbst eingesehen, so daß ich nicht entscheiden kann, ob das sinnlose vorlighe auf einem Schreibfehler des Kanzlisten oder auf einen Lesefehler Riezlers beruht; letzteres erscheint wahrscheinlicher. 1432 Schwöbel, Kampf, 1968, S. 48, Anm. 37.
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Marsilius in Ludwigs Rekonziliationsverhandlungen mit der Kurie
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werden di loeblich befunden, si besten; werden aber si vnloeblich befunden, si zergen; wolten si nicht ablazzen, wann di sache vnloeblich gevrteilt wrde, so wil der kaiser von bot der kirchen wider si tuon, was er ze rechte sol.«1433
Zunächst sollen Meister Marsilius und die Minoriten nicht von Ludwig zum Gehorsam gezwungen werden, sondern in die Versöhnung Ludwigs mit einbezogen werden, sie sollen gemeinsam mit Ludwig wieder in die Kirche aufgenommen werden.1434 Diese Forderung wird ausgeweitet auf weitere, ungenannte Personen, die dem Kaiser behilflich waren oder noch sind. Durch die Beschreibung dieses Personenkreises fällt auch ein Licht auf Marsilius und die Franziskaner : Durch Rat oder Tat hat Ludwig ihre Hilfe angenommen. Der Kaiser bekennt also einerseits die Tatsache, daß er deren Hilfe in Anspruch genommen hat, und andererseits bekennt er sich noch insofern zu ihnen, als er sich nicht von ihnen trennen lassen will, sondern den Papst auffordert, auch sie wieder in die Kirche aufzunehmen. Nachdem das geschehen ist, so lautet die weitergehende, bemerkenswerte Forderung, sollen die Lehren des Marsilius und der Franziskaner diskutiert werden. Umstritten ist in der Forschung jedoch, ob Marsilius und die Franziskaner selbst ihre Ansichten vor den Kardinälen vortragen sollen,1435 ob die Kardinäle im Rahmen einer Disputation untereinander die (schriftlich eingereichten) Ansichten prüfen sollen,1436 oder ob die Kardinäle eine Diskussion der umstrittenen Ansichten in Auftrag geben sollen.1437 Der Wortlaut legt jedoch nahe, hier die Forderung sowohl nach einer nicht-öffentlichen Diskussion im Konsistorium (innen) als auch nach einer öffentlichen (vzzen) im Auftrag des Kardinalskollegiums zu sehen. Die Diskussion der von Papst Johannes XXII. als häretisch verurteilten Lehren vor den Kardinälen soll diesen die Richterfunktion zuweisen; auch über den Papst, der dann geirrt haben müßte, wenn die Kardinäle Marsilius und den Minoriten Recht geben. Die Forderung nach öffentlicher Diskussion sollte sicher nicht nur der Wahrheitsfindung, sondern nach dem Verbot, die ketzerischen Lehren öffentlich zu äußern, auch der Beeinflussung der öffentlichen Meinung dienen. Es scheint im kaiserlichen Rat durchaus als möglich empfunden worden zu sein, daß diese Diskussion einen Sieg für die Ansichten der Franziskaner und sogar derjenigen Marsilius’ zum Ergebnis haben könnte. Der Sieg hätte bereits darin bestanden, daß die Kardinäle diese Ansichten als nicht notwendigerweise häretisch anerkennen. Das Risiko des Scheiterns wurde von den kaiserlichen 1433 Riezler, Widersacher, 1874, Aktenstück C, S. 329 – 332, hier S. 330. 1434 Offler, Meinungsverschiedenheiten, 1954/55, S. 196 mit Anm. 21. 1435 Am weitesten geht Müller, Kampf, Bd. 2, 1880, S. 143, der wiedergibt, »daß in Gegenwart des Kaisers und aller Anhänger desselben die Sache jener literarischen Bundesgenossen mit den Cardinälen besprochen und disputiert werden solle.« 1436 Riezler, Widersacher, 1874, S. 91. 1437 Offler, Meinungsverschiedenheiten, 1954/55, S. 196.
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Ausblick: Marsilius von Padua und Ludwig der Bayer nach dem Romzug
Beratern offenbar als gering angesehen. Aber auch bei einer erneuten Verurteilung hätten Marsilius und die Franziskanerdissidenten nicht mehr verloren als ohnehin schon, nur daß ihnen auf diese Weise Gelegenheit zur Propaganda im ganzen Abendland gegeben wurde. Noch einmal, im Jahr 1338, forderte Kaiser Ludwig eine Disputation über die strittigen Anschauungen der Franziskaner am Hof Papst Benedikts XII. Dieser Gesandtschaft des Kaisers, der Kurfürsten und der franziskanischen Theologen und Juristen wurden die unter dem Namen Nicolaus Minorita gesammelten Akten als Diskussionsgrundlage mitgegeben.1438 Benedikt XII. ließ diese Diskussion jedoch nicht zu und verweigerte der Gesandtschaft bereits das freie Geleit nach Avignon.1439 Eine Forderung nach Diskussion auch der Lehren des radikaleren Marsilius findet sich nach 1331 jedoch nicht mehr. Offensichtlich scheint, daß 1331 die Forderung nach öffentlicher Diskussion ihrer Auffassungen von den Emigranten selbst unmittelbar beeinflußt wurde.1440 Bock sieht in allen Punkten des Ratsbeschlusses den Einfluß ghibellinischer Auffassungen und des Marsilius.1441 Pincin vermutet, daß Marsilius selbst bei dieser Ratssitzung zugegen war.1442 Dafür spricht auch, daß das Aktenstück
1438 Nicolaus Minorita, ed. G#l/Flood, 1996, S. 1155: »Omnia quae sunt superius scripta per ordinem, fuerunt missa Avinionem per praefatum dominum Ludovicum IV, Romanorum imperatorem, et principes, sacri imperii electores, et etiam per magistros in sacra pagina Ordinis Minorum et doctores in utroque iure peritos, domino Benedicto XII et cardinalibus, ut deberent ad supra dicta omnia et singula respondere; et quod praedicti magistri et iuris periti erant parati in publico consistorio praedicta sustinere et constanter ac viriliter defensare. Et propter praedicta petebant securitatem et audientiam et consilium, offerentes se portare debitam poenam si deficerent in praedictis.« Zuvor mit leichten Abweichungen gedruckt in Nicolaus Minorita, ed. Böhmer/Huber, 1868, S. 588 – 608, hier S. 608. Diese Schlußbemerkung wurde offensichtlich erst einer späteren Fassung der Sammlung angefügt, vgl. Stengel, Avignon, 1930, S. 178, Anm. 4. 1439 Nicolaus Minorita, ed. G#l/Flood, 1996, S. 1155: »Quibus auditis et receptis, praefatus dominus Benedictus et eius consiliarii minime responderunt; nec magistris et aliis peritis dare audientiam et securitatem veniendi et standi Avinione voluerunt, pro eo quia responsiones veras et efficaces ad supra dicta minime valuerunt invenire.« Benedikt XII. sagt selbst in einem Schreiben vom 23. Januar 1339 an seinen Nuntius Arnald von Verdalle, B8no%t XII., Lettres closes, patentes et curiales se rapportant / la France, ed. Daumet, Fasc. 2, 1902, Nr. 560, Sp. 346 – 348, hier Sp. 346: »Ceterum quia non est de more ac honestate romane curie sceleratis hominibus dare conductum, illis hominibus de quibus fiebat in tuis litteris mentio, non concederemus eundem; sed si de sua salute soliciti gratis et spontanee ad Sedem apostolicam venerint veniam et misericordiam humiliter petituri, eos quos magis lucrifacere Domino quam perdere cupimus, misericorditer, prout eorum exegerit devotio et contritio meruerint, mansuete tractabimus et benigne, rigore iustitie oleo misericordie temperato.« Vgl. Stengel, Avignon, 1930, S. 179 mit Anm. 2 und 3. 1440 Offler, Meinungsverschiedenheiten, 1954/55, S. 196. 1441 Bock, Reichsidee, 1943, S. 324; das wird bestritten von Schütz, Prokuratorien, 1973, S. 267. 1442 Pincin, Marsilio, 1967, S. 179.
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Marsilius in Ludwigs Rekonziliationsverhandlungen mit der Kurie
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Riezler C in einem Punkt wahrscheinlich eine Position des Marsilius vertritt. Die zweite Gegenforderung des Kaisers an Papst Johannes lautet: »Ze dem andern, wan daz keiserreich alein von got ist vnd wertlich gerichte von dem keysertuom ist vnd geistlich gerichte von dem stuol, doch von gab der kaiser, vnd dis zwai gerichte sint gescheiden, daz der stuol wertlich gerichtes nicht enbruch, wan daz keysertum gaistlichs gerichtes nicht enbruchet.«1443
Offler und Schütz haben darin einen Gedanken des Defensor pacis wiedererkannt. Es wird keine bloße Trennung von geistlicher und weltlicher Gerichtsbarkeit gefordert, sondern die Existenz geistlicher Gerichtsbarkeit soll vom Zugeständnis des Kaisers abhängig sein, so wie es Marsilius’ Theorie fordert.1444 Im ganzen ist der Beschluß des kaiserlichen Rats von 1331 ein beeindruckendes Dokument für den über den Romzug hinausreichenden Einfluß des Marsilius, auch wenn das Schriftstück nur Entwurf geblieben ist und nicht als Instruktion für eine Gesandtschaft nach Avignon Verwendung fand. Die Instruktionen, die Kaiser Ludwig seinen Gesandten mit Datum vom 14. Oktober 1331 dann tatsächlich mitgab, weichen jedoch deutlich von den Erwiderungen ab, die zuvor im kaiserlichen Rat beschlossen wurden.1445 Zwei Traktate, Quoniam scriptura und Ut in composicione, die wahrscheinlich von Minoriten im Sommer 1331 verfaßt wurden, warnen Ludwig vor der Aufnahme von Versöhnungsverhandlungen mit dem Papst. Zudem belegen sie, daß Ludwig den Franziskanern an seinem Hof eine Art Schreibverbot auferlegt hat, wohl um die Verhandlungen mit dem Papst nicht zu gefährden.1446 Zu den Minoriten und zu Marsilius lautet die Instruktion: »Darnach umb die barfussen und umb Marsili sult ir sprechen das wir die gern in unser richtigung wellen nemen und mit uns bringen gehorsam dem stuel. Wolten sie des nicht volgen so woellen wir uns ir entzaussen und sie fuerbasz nicht mehr schirmen. Und 1443 Riezler, Widersacher, 1874, Aktenstück C, S. 331. 1444 DP II, 5, §10, ed. Scholz, 1932 – 1933, S. 197, Z. 11 – 24: »Cum igitur nulli episcopo iurisdiccio seu coactiva cuiusquam potestas in hoc seculo concessa sit lege divina, […], nec in quemquam presbyterum aut non presbyterum coactivam in hoc seculo iurisdiccionem habere quemquam episcopum sive papam, nisi eadem sibi per humanum legislatorem concessa fuerit, in cuius potestate semper est hanc ab ipsis revocare«. – »Da also keinem Bischof eine Rechtsprechung oder zwingende Gewalt über jemand in dieser Welt durch das göttliche Gesetz zugestanden ist, […], auch hat demnach kein Bischof oder Papst gegen einen Priester oder Nicht-Priester eine zwingende Rechtsprechung in dieser Welt, wenn sie ihm nicht der weltliche Gesetzgeber zugestanden hat; in dessen Gewalt liegt es immer, sie ihnen wieder zu entziehen«. Übersetzung nach Kunzmann, 1958, S. 355. Vgl. Offler, Meinungsverschiedenheiten, 1954/55, S. 197, Anm. 24, und Schütz, Prokuratorien, 1973, S. 285, der den Textvergleich zusammengestellt hat. 1445 Vor allem Offler, Meinungsverschiedenheiten, 1954/55, S. 200, hat diesen Umschwung herausgearbeitet. 1446 Offler, Meinungsverschiedenheiten, 1954/55, S. 194 – 195. Vgl. dazu zuletzt die Untersuchung der beiden Schriften von Dolcini, Marsilio e Ockham, 1988, S. 343 – 398.
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Ausblick: Marsilius von Padua und Ludwig der Bayer nach dem Romzug
daucht dann den Stuel das sie icht taeten das wider den glauben ware spraech uns der Stul darum zue so wolten wir den glauben schirmen.«1447
Marsilius und die Franziskaner sollen zwar unter den Gehorsam der Kirche zurückgeführt werden, aber nur im Rahmen einer Aussöhnung, die sowohl Ludwig als auch sie selbst umfaßt. Nur wenn sie sich weigern, daran teilzunehmen, würde Ludwig ihnen seinen Schutz entziehen. Sollte die Kurie dann urteilen, daß sie gegen den Glauben gehandelt haben, dann würde Ludwig den Glauben schützen, indem er selbst die Gelehrten bestraft, falls die Kirche ihn dazu auffordert.1448 Der Forderung des Papstes wird dabei nur vordergründig entsprochen. Ludwig will vielmehr die von ihm beschützten Ketzer in die Versöhnung miteinbeziehen. Auch die Bedingungen für eine Auslieferung dürften auf Mißfallen an der Kurie gestoßen sein. Ludwigs Antwort erscheint im ganzen jedoch deutlich nachgiebiger als in dem Beschluß des kaiserlichen Rats. Eine Disputation über die Meinungen der Franziskaner und des Marsilius wird nicht mehr ausdrücklich gefordert. Offler hat daraus gefolgert, daß die Minoriten – und so ist zu ergänzen: Marsilius – ihren bis dahin vorherrschenden Einfluß, wie er in Riezler C deutlich wurde, verloren hatten. Andere, nämlich weltliche und deutsche Berater, die an einer erfolgreichen Aufnahme von Verhandlungen mit der Kurie interessiert waren, hätten sich nun durchgesetzt.1449 Zu einem erfolgreichen Abschluß der Verhandlungen mit Johannes XXII. ist es auch daraufhin nicht gekommen. Gegen Offler ist jedoch festzuhalten, daß Ludwig in der Instruktion durchaus von der Kurie eine Überprüfung ihres Urteils über Marsilius und die Minoriten forderte. Auf welche Weise sie im Aussöhnungsverfahren durchgeführt werden sollte, bleibt allerdings offen. Im letzten Lebensjahr Johannes’ XXII. bildete sich eine Opposition gegen ihn im Kardinalskollegium. Unter der Führung des italienischen Kardinals Napoleone Orsini gründete sich der Widerstand zum einen auf die von Johannes XXII. geäußerte Ansicht zur visio beatifica und zum anderen auf dessen Weigerung, die päpstliche Kurie nach Rom zurückzuverlegen. In dieser Entwicklung sah Kaiser Ludwig die Möglichkeit, die kirchlichen Sentenzen gegen ihn auf ande1447 Gewold, Defensio Ludowici IV, 1618, S. 118 – 120, hier S. 118, danach gedruckt von Pincin, Marsilio, 1967, Appendice, Nr. 7, S. 259 – 261, hier S. 259; Gewolds Übersetzung ins Lateinische (sic), ebenda, S. 120 – 123, hier S. 121: »Deinde circa Fratres Minores, et circa Marsilium debetis dicere, quod hos libenter in nostram transactionem volumus suscipere et nobiscum perducere ad obedientiam Sedis. Quod si non vellent hac in parte obtemperare, volumus nos ab illis separare, et eos deinceps non amplius defendere. Et si videretur Sedi quod aliquid facerent, quod contra fidem esset, si Sedes circa hoc nos requireret, tunc vellemus fidem defendere.« 1448 Dagegen meint Riezler, Widersacher, 1874, S. 84, irtümlich, daß Ludwig Marsilius und die Minoriten von vornherein »zur Unterwerfung« bringen wolle, wenn dies nicht gelänge, ihnen seinen Schirm entziehen wolle; ähnlich Müller, Kampf, Bd. 1, 1879, S. 268. 1449 Offler, Meinungsverschiedenheiten, 1954/55, S. 201.
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Marsilius in Ludwigs Rekonziliationsverhandlungen mit der Kurie
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rem Weg als der Versöhnung mit seinem Hauptwidersacher, Johannes XXII., aufheben zu lassen. Ludwig nahm Verhandlungen mit diesen Kardinälen auf.1450 Er schlug vor, an einem sicheren Ort ein Konzil abhalten zu lassen, auf dem Johannes XXII. wegen Ketzerei abgesetzt werden solle.1451 Ein Bericht über diese Verhandlungen ist erhalten, den ein Bruder Walter, wohl ein Minorit, an Michael von Cesena geschrieben hat. Darin findet sich auch die acht Punkte umfassende Liste der Forderungen der opponierenden Kardinäle, deren Erfüllung durch Ludwig die Voraussetzung für die Abhaltung eines Konzils darstellen sollte. Die dritte Forderung lautet lapidar : »Über den Magister Marsilius: daß sich seiner entledigt werde.«1452 Riezler sieht in dieser Forderung, die auch von denjenigen Kardinälen, die Johannes XXII. feindlich gegenüberstehen, erhoben wurde, einen Beleg für die bedeutende Position des Philosophen.1453 Marsilius’ Entfernung vom Hof des Kaisers sollte aber nur seinen Einfluß beenden, nicht den verurteilten Ketzer bestrafen. Die Forderung der Kardinäle blieb damit weit hinter denen Johannes’ XXII. und seiner Nachfolger zurück. Um mit Ludwig eine Einigung erzielen zu können, sahen die Kardinäle sich vielleicht gezwungen, Marsilius zu schonen. Über den weiteren Verlauf dieser Verhandlungen fehlen die Quellen: Zu dem geplanten Konzil kam es wahrscheinlich deswegen nicht, weil Johannes XXII. im Dezember 1334 verstarb und er seine Ansichten über die visio beatifica kurz vor seinem Tod widerrufen hat. Verhandlungen mit dem neuen Papst Benedikt XII. hat Ludwig bereits im Herbst 1335 aufgenommen. Dabei wurden erstmals besiegelte, ins einzelne gehende Verhandlungsvollmachten ausgestellt, die Prokuratorien.1454 Diese Quellengattung hat die Forschung lange Zeit vor nicht unerhebliche Probleme gestellt. Auch wenn die Prokuratorien von Ludwig ausgestellt und seinen Gesandten zu Verhandlungen mit dem Papst mitgegeben wurden, war der Inhalt bereits das Ergebnis vorhergehender Forderungen der Kurie. Um Verhandlungen zu ermöglichen, mußte die kaiserliche Verhandlungsseite die päpstlichen Forderungen in ihre Vollmachten zunächst aufnehmen. Im Prokuratorientext 1450 Vgl. Bock, Reichsidee, S. 353 – 354, der jedoch die Initiative für diese Verhandlungen bei den Kardinälen sieht. 1451 Das Schreiben aus Überlingen vom 29. Juni 1334, Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, Bd. 1, 1921, Nr. 338, S. 181 – 182. 1452 Der einzige korrekte Druck des Schreibens der Kardinäle bei Eubel, Zu Nicolaus Minorita, 1897, S. 379 – 381, hier S. 380: »3. Item de magistro Marsilio, ut expediatur etc.« Zuvor gedruckt bei Höfler, Aus Avignon, 1868, Nr. I: Die Mission des Bruders Walter an den Hof von Avignon, S. 11 – 13, hier S. 12: »De Magistro Marsilio ut expediat sibi.« Davor bei Rinaldi, Annales ecclesiastici, ed. Theiner, Bd. 25, 1872, ad a. 1334, § 33, S. 14b: »De magistro Marsilio, ut expediatur, etc.« Das Schreiben ist nur im Codex 4009 der Bibliotheca Vaticana enthalten, in dem Teile der Nicolaus Minorita-Sammlung überliefert sind. 1453 Riezler, Widersacher, 1874, S. 85 – 86: »Man sieht, daß die extreme Stellung des früher so einflußreichen kaiserlichen Ratgebers auch von dieser Seite richtig gewürdigt wird.« 1454 Vgl. Schwöbel, Kampf, 1968, S. 80 und 185.
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fand sich damit gleichsam die weitestgehende Forderung. In diesem Sinne sind sie päpstliche Dokumente und Quellen für die päpstlichen Forderungen. Eine andere Quellengattung unter den Gesandtschaftsakten sind die kaiserlichen Instruktionen. Auch ihre Bedeutung und ihr Quellenwert waren lange Zeit umstritten. Es handelt sich dabei um in deutscher Sprache abgefaßte Anweisungen Ludwigs für seine Gesandten, die seinen tatsächlichen Willen und die Zugeständnisse enthielten, die er bereit war einzugehen.1455 Unklar ist noch, ob die Instruktionen geheim blieben, oder ob deren Inhalt auch den Verhandlungspartnern an der Kurie übermittelt wurde.1456 Am 5. März 1336 wird erstmals ein Generalprokuratorium neben den schon vorher verwendeten umfangreichen Spezialprokuratorien ausgestellt, das eine knappe Zusammenfassung der wesentlichen Artikel der Spezialmandate darstellt.1457 Im Hinblick auf Marsilius und Johannes von Jandun bekennt Ludwig »[…] besonders die Vergehen und Exzesse, die von Uns gemeinsam mit dem Gegenpapst Pietro von Corvaro, Johannes von Jandun, Marsilius von Padua, den Bruder Michael von Cesena und deren Anhänger begangen und getan und verübt wurden«.1458
Ludwig weist die Gesandten ferner dazu an: »Und hiermit Unsere Entschuldigungen zu sagen, zu machen, hinzuzufügen und vorzulegen und auch an Unserer statt und in Unserem Namen und für Uns die Irrlehren, alle und einzeln, die von Johannes von Jandun und Marsilius von Padua und Michael von Cesena und deren obengenannten und welchen anderen Anhängern auch immer gelehrt wurden, zu verurteilen und zu verfluchen und besonders diejenigen Artikel, die in der Konstitution ›Cum inter nonnullus‹ von der Kirche verurteilt worden sind und alle anderen Häresien und Arten welcher Häresien und Irrlehren auch immer zu verurteilen und zu verfluchen.«1459
Allgemein muß Ludwig zunächst zugeben, daß seine gegen Papst Johannes XXII. gerichteten Handlungen, die er gemeinsam mit verurteilten Häretikern began1455 Thomas, Ludwig der Bayer, 1993, S. 262 – 263. 1456 Letzteres meint Schütz, Prokuratorien, 1973, S. 110 – 133 (seine These S. 133), gegen den Rest der Forschung. 1457 Schwöbel, Kampf, 1968, S. 91. 1458 Schwalm, Reise. Nachtrag, 1901, Beilagen, Nr. 19, S. 713 – 723, hier S. 715: »[…] et specialiter delicta et excessus per nos commissos et factos ac perpetratos cum Petro de Corbario antipapa, Marsilio de Padua, Iohanne de Gianduno, fratre Michahele de Cesena et eorum sequacibus«. 1459 Schwalm, Reise. Nachtrag, 1901, Beilagen, Nr. 19, S. 713 – 723, hier S. 715: »Et cum hoc excusaciones nostras dicendi, faciendi, subiungendi et proponendi ac eciam vice et nomine nostro et pro nobis dampnandi et anathematizandi omnes et singulos errores dogmatizatos per Iohannem de Gianduno et Marsilium de Padua ac Michahelem de Cesena et eorum sequaces supradictos et quoscumque alios et specialiter dampnandi et anathematizandi articulos in constitucione ›Cum inter nonnullos‹ per ecclesiam dampnatos et omnes alias hereses et species heresum et errorum quorumcumque.«
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Marsilius in Ludwigs Rekonziliationsverhandlungen mit der Kurie
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gen hat, Unrecht waren, und daß er deren Lehren ebenfalls als Häresien betrachtet. Hervorzuheben ist, daß die Kurie nicht nur die Lehren, sondern besonders auch die Handlungen der Häretiker zum Gegenstand der Verhandlungen machen wollte. Sehr viel detaillierter ist der Text des kirchlich-disziplinarischen Spezialprokuratoriums Kaiser Ludwigs, das erstmals in der Fassung vom 28. Oktober 1336 überliefert ist.1460 Zwar muß der Vorwurf, die Ketzer Marsilius und Johannes an seinem Hof behalten zu haben, als Unrecht anerkannt werden, aber Ludwig führt eine Reihe von recht unterschiedlichen Entschuldigungsgründen an. Er weist seine Prokuratoren an: »Ferner : zuzugeben an meiner Statt und in Unserem Namen und für Uns, daß wir den Marsilius von Padua und Johann von Jandun, obwohl sie von der Kirche verdammt waren, bei Uns behalten haben. Deswegen sollen sie [die Prokuratoren] an unserer Stelle und in Unserem Namen Uns entschuldigen: [1] zum ersten, weil Wir sie deshalb behalten haben, weil sie gute Gelehrte (boni clerici) waren und von den Rechten des Reichs (iura imperii) viel zu wissen vorgaben, wie oben über die Minoritenbrüder gesagt ist; [2] ferner, weil Wir ausdrücklich gesagt haben, daß Wir Uns betreffs ihrer Meinungen und Schriften nicht einmengen wollten, soweit es gegen den Glauben und das kirchliche Dogma gehe; aber wenn sie etwas sagen oder wissen würden, was zur Verteidigung des Reichsrechts diene, so wollten Wir es gebrauchen; [3] ferner, weil Wir ihren Irrlehren niemals geglaubt haben noch glauben; [4] ferner, weil Wir sie bei Uns gehalten haben, um sie mit Uns zusammen in die Gnade der Kirche zurückzuführen; [5] ferner, weil Wir weder geglaubt haben noch glauben, daß Wir gut daran taten, sie zu behalten, ihnen Gunst zu erweisen und sie und ihre Anhänger gegen den Herrn Papst Johann predigen zu lassen, und trotzdem in vielerlei Hinsicht es erheuchelten und zuließen, daß den Klerikern und [kurialen] Sachverständigen tatsächlich geantwortet wurde, wie Uns schien; und Wir haben nicht geglaubt und glauben auch nicht, in diesem allen gut gehandelt zu haben, sondern schlecht.«1461
1460 Riezler (Hg.), Vatikanische Akten, 1891, Nr. 1841, S. 637 – 644. 1461 Riezler (Hg.), Vatikanische Akten, 1891, Nr. 1841, S. 640: »Item ad confitendum vice et nomine nostro et pro nobis, quod Marsilium de Padua et Johannem Giandunum per ecclesiam damnatos nobiscum tenuimus et super hoc vice et nomine nostro nos excusandi: [1] primo quod ipsos tenuimus, quia boni clerici erant et de iuribus imperii se multa scire dicebant, ut supra dictum est de fratribus Minoribus; [2] item quod expresse diximus, quod de eorum opionibus et scripturis nolebamus nos intromittere, in quantum essent contra fidem et ecclesie determinationem, sed si aliqua dicerent vel scirent, que essent pro defensione iuris imperii, illis volebamus uti; [3] item quod ipsorum erroribus numquam credidimus neque credimus; [4] item quod ipsos nobiscum tenuimus, ut ipsos una nociscum [nobiscum?] ad gratiam ecclesie reduceremus; [5] item quod neque credidimus neque credimus nos bene fecisse ipsos retinendo, favo-
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Ludwig entgegnet der Beschuldigung, den Ketzer Marsilius aufgenommen zu haben, daß er sich einerseits dessen theologischen Häresien nicht angeschlossen habe, aber andererseits dessen Rat angenommen habe, sofern er für die Rechte des Reiches nützlich war (§§ 1 und 2). Worauf sich diese knappe Aussage Ludwigs konkret bezieht, auf welche seiner politischen Handlungen, erfahren wir nicht. Ob Ludwig im Zusammenhang mit seiner Kaiserkrönung einen Rat des Marsilius gefolgt ist oder auch bei seiner Kirchenpolitik in Rom, wenn man diese als Ausübung von Rechten des Imperiums versteht, kann nach dieser Quelle nur als naheliegend vermutet werden. Es ist aber bemerkenswert, wie freimütig Ludwig Marsilius als Ratgeber für die Rechte des Kaiserreichs benennt. Der Quellenwert dieser Aussage ist besonders hoch, da diese Aussage weniger eine Entschuldigung als eine Selbstbezichtigung ist. Ludwigs wiederkehrende Bekundung, sich nicht in dogmatische Fragen der Gelehrten hineinziehen zu lassen (§ 2), ist der Sache nach natürlich unglaubwürdig, da er sich in der Papstabsetzungssentenz gegen Johannes XXII. in ihren unterschiedlichen Fassungen gerade auch die Ansicht der Franziskanerdissidenten in der dogmatischen Frage der Armut Christi zu eigen gemacht und gegen Johannes XXII. verwendet hat. Es folgt ein Reinigungseid bezüglich der verurteilten Irrlehren (§ 3), der recht zweifelhaft ist, weil Ludwig das kaiserliche Recht, einen Papst abzusetzen, in Rom ausübte, so wie Marsilius es vertrat. Dessen Ansicht dazu ist als häretisch verurteilt worden und findet sich in demselben Prokuratorium aufgeführt als Häresie des Marsilius, die auch Ludwig verurteilen will. Der nächste Punkt (§ 4) ist durchaus schwierig zu bewerten. Was auf den ersten Blick aussieht wie der – gegenüber der Kurie sicher erfolglose – Versuch, pädagogisches und patriarchalisches Verantwortungsgefühl vorzugeben, kann auf den zweiten Blick durchaus in der Linie seit dem Beschluß des kaiserlichen Rats von 1331 gesehen werden. Ludwig läßt sich von seinem Ratgeber, zu dem er sich in einer Form gegenüber der Kurie bekennt wie nie zuvor, nicht trennen. rem eis prestando ipsosque et eorum sequaces predicare contra dominum papam Johannem permittendo, simulabamus tamen multa et permittebamus, ut clericis et intelligentibus de facto responderetur, sicut de facto contra nos, ut nobis videbatur, procedebatur ; nec credidimus neque credimus nos bene fecisse in premissis, sed male.« Übersetzung nach Berthold, Kaiser, 1960, Nr. 37, S. 215. Es folgen die fünf inkriminierten Artikel des Defensor pacis nach Licet iura doctrinam. Die amtliche, zeitgenössische Übersetzung bei Riezler, Widersacher, 1874, III. Beilage, Aktenstück A, S. 312 – 319, hier S. 316: »Aber ze veriehen, daz wir Marsilium von Badem vnd Johannem von Gandunn, die ze ketzern verurtailt sint, bei vns gehabt haben, vnd dar veber vns ze entschuldigen, daz wir si bei vns heten dar vmb, daz sie guot maister warn vnd als vorgeschriben stat von den parfuozzen. Aber ze veriehen, daz wir gelouben vmb die artickel, di di selben maister gemacht habent vnd gelert, nicht gerecht vnd redlich sein, wan si verdampt sint, vnd verdampen vnd verbannen si als ein guoter kristen«. Die Übersetzung ist an dieser Stelle stark gekürzt. Auch hier folgen die fünf verurteilten Irrlehren.
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Marsilius in Ludwigs Rekonziliationsverhandlungen mit der Kurie
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Das Ziel eines Ausgleichs soll auch ihn umfassen, wenn dieses Ziel auch als Rückkehr in die Gnade der Kirche bezeichnet wird. Schließlich wird als Entschuldigungsgrund genannt, daß Ludwig seine Unterlegenheit in Hinblick auf akademisch gebildetes Personal in der rechtlichen Auseinandersetzung mit dem Papst durch Marsilius und die Minoriten ausgleichen wollte (§ 5).1462 Weiter unten im Prokuratorium ist der Text augenscheinlich allein von der Kurie bestimmt worden. Ludwig bekundet, »daß Wir alle und jeden einzelnen Ketzer und Schismatiker, die durch die Kirche gebrandmarkt sind oder gebrandmarkt werden müssen, ausrotten werden und besonders die oben genannten Johannes von Jandun, Marsilius von Padua, den Bruder Michael von Cesena, den Bruder Wilhelm von Ockham, den Bruder Bonagratia, den Bruder Heinrich von Talheim und alle ihre anderen Gesinnungsgenossen und Anhänger, wenn sie nicht zur Einheit der Kirche zurückkehren wollen; und daß Wir jede Ketzerei und jedes Schisma verabscheuen werden und verabscheuen und nach Kräften beseitigen werden, soviel Wir können.«1463
Hier zeigt sich eine Verschärfung im Ton und im Inhalt. Die Forderung der Kurie, daß Ludwig die Ketzer »ausrotten« soll, ist neu bei Benedikt XII. und wird von Clemens VI. später übernommen.1464 Die Forderung entschärft sich dann aber insoweit, als es sich um eine bedingte Aussage handelt, bei der das Ziel der Rückführung der Ketzer zum Glauben der Kirche im Vordergrund steht. Die mitgegebenen Instruktionen für die Gesandten enthalten im Unterschied zu denen der Jahre 1331 und 1343 keine Anweisung in bezug auf die Franziskaner, Marsilius und Johannes von Jandun.1465 Nach dem Scheitern der Verhandlungen vom Herbst 1336 wurde ein neues Verzeichnis von der Kurie zusammengestellt, das Benedikt XII. seinem Nuntius 1462 Riezler, Widersacher, 1874, S. 119, gibt den letzten Punkt anders und zutreffender als Bertholds Übersetzung wieder : »Er sei aber unter anderem von dem Motiv geleitet worden, daß diese Männer in den Punkten, wo ihm nach seinem Glauben Unrecht geschah, gelehrten Klerikern zu erwidern wußten.« 1463 Riezler, Vatikanische Akten, 1891, Nr. 1841, S. 642: »[…] quod universos et singulos hereticos et scismaticos per ecclesiam denotatos vel denotandos extirpabimus et specialiter supradictos Johannem de Ganduno, Marsilium de Padua, fratrem Michahelem de Cesena, fratrem Gwilhelmum Ocham, fratrem Bonamgratiam, fratrem Heinricum de Talhaim et omnes alios eorum socios et sequaces, si ad unitatem ecclesie redire noluerint; necnon quod omnem heresim et scisma detestabimur et detestamur et pro viribus exterminabimus toto posse.« Übersetzung nach Berthold, Kaiser, 1960, Nr. 37, S. 221. Die zeitgenössische Übersetzung bei Riezler, Widersacher, 1874, III. Beilage, Aktenstück A, S. 318: »[…] daz wir ouch all vnd ieglich ketzer, di sich vnder di kristenheit getaylt habent vnd das von der ecclesy bechunt sint, aus ieten vnd vs werfen wellen vnd besunderlichen Marsilium von Baden, Johann von Gandunn, bruoder Michahel vnder ander ir gesellen vnd nachuolger, ob si zu des stuols genaden nicht keren wellen vnd mit aller kraft vnd macht vs werffen wellen allen vngelouben oder da mizzehellung oder vngeloub von komen moecht.« 1464 Schwöbel, Kampf, 1968, S. 48, Anm. 37. 1465 Riezler, Widersacher, 1874, III. Beilage, Aktenstück B, S. 328 – 329.
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Ausblick: Marsilius von Padua und Ludwig der Bayer nach dem Romzug
Arnald von Verdalle zwischen Dezember 1338 und Mitte Januar 1339 mitgab. Dieser wurde nach Deutschland geschickt, um mit Ludwig erneut zu verhandeln.1466 Unter den von Ludwig dem Bayern zu bekennenden Vergehen gegen die Kirche heißt es: »Ferner, daß er Marsilius und Johannes von Jandun, die als Häretiker verdammt worden waren und die ihm ein häretisches Buch überreicht haben, in seine Hofgemeinschaft aufgenommen hat und erlaubt hat, daß diese Irrlehren veröffentlicht werden, und für sie gesorgt hat, sie aufgenommen und bei sich behalten hat.«1467
Auch diese Verhandlungen scheiterten. Nachdem auch mit dem neuen Papst Clemens VI. Ausgleichsverhandlungen aufgenommen worden waren, wurden am 18. September 1343 Prokuratorien ausgestellt. Sie waren weitgehend gleichlautend mit den früheren Prokuratorien. Zu den Abschnitten im kirchlich-disziplinarischen Spezialprokuratorium, die Marsilius betrafen,1468 gab es 1343 eine Anweisung in Ludwigs Instruktion für die Gesandten: »Item vmb die barfuozzen vnd vmb meister Marsilien suelt ir reden, daz wir vns mit iren oppinion, ez sei von gots armout oder von welherlei andern sachen die sein, die an den gelauben ruerent, nie nichtz bechuemert haben noch vns da mit nichtz bechuemern vnd swas die bebst vnd der stuol von Rom dar veber gesetzzt habent, daz gelauben wir als ein guoter kristen. Wir haben auch meister Marsili vnd die barfuozzen von irer oppinion noch von dheiner andern sache wegen bei vns nicht enthalten, dann daz si vns vnser vnd des reichs recht hulfen schirmen, wan si gelert sind, habent si aber dhein oppinion wider den stuol vnd di kirchen, dar inne si behertten wolten vnd mit vns ze gnaden nicht wolten chomen, dar auf wellen wir si nicht schirmen.«1469
Auch in der Instruktion wird freimütig bekannt, daß die Gelehrsamkeit des Marsilius von Ludwig zu nichts anderem verwendet wurde, als sein Recht und das Reichsrecht gegen Papst Johannes XXII. »zu schirmen«. Ludwigs Schutz für Marsilius sollte nur dann enden, wenn dieser nicht gemeinsam mit Ludwig an der Versöhnung mit der Kirche teilnähme. Die Anweisungen der Instruktionen weichen also nicht ab von dem Prokuratorium, sondern bestärken dessen Inhalt eher. In dem kirchlich-disziplinarischen Spezialprokuratorium von September 1343 ist gegenüber dem ansonsten gleichlautenden Dokument von 1336 eine 1466 Stengel, Avignon, 1930, S. 170 – 173. 1467 Stengel (Hg.), Nova Alamanniae, Bd. 1, 1921, Nr. 597, I, 6, S. 408: »Item quod Marsilium et Iohannem de Ianduni hereticos dampnatos offerentes ei quendam libellum hereticalem ad suam familiaritatem admist et ipsos errores publicari permisit et eis providit, recepit et sustinuit eosdem.« 1468 Stengel/Schäfer (Hgg.), Nova Alamanniae, Bd. 2/II, 1976, Nr. 1534, S. 834 – 844, hier § 34 – 44, S. 838 – 839. 1469 Riezler, Widersacher, 1874, III. Beilage, Aktenstück D, S. 332 – 333, hier S. 332.
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neue Entschuldigung dafür, daß Ludwig den als Häretiker verurteilten Marsilius an seinem Hof behalten habe, hinzugekommen. Er habe ihn auch deswegen bei sich behalten, »[…] weil der genannte Marsilius Arzt war, wie er gesagt hat.«1470 Dieser Passus muß wohl auf Ludwig zurückgehen.1471 Das Motiv dafür könnte sein, daß Ludwig zur Erklärung oder Entschuldigung für das Vertrauen, das er Marsilius entgegengebracht hat, anführt, daß Marsilius sich als Arzt bezeichnete.1472 Seltsam ist aber, daß es nicht heißt, daß Marsilius Arzt war, sondern daß Ludwig anführt, daß Marsilius gesagt habe, er wäre Arzt. Lange wurde in der Forschung vermutet, daß Marsilius in der Zeit nach dem Romzug als Arzt tätig war,1473 vielleicht sogar als Leibarzt des Kaisers.1474 Als Hinweis auf eine Stellung als Leibarzt des Kaisers kann dieser Passus wohl eher nicht gelten. Die distanzierte Formulierung dieser Aussage läßt eher darauf schließen, daß Marsilius eben nicht als Arzt in Diensten des Kaisers stand, sonst hätte Ludwig nicht allein Marsilius’ Selbstaussage angeführt. Anders wäre es, wenn Ludwig einen eventuell an ihn herangetragenen Verdacht, den Ketzer Marsilius ausgerechnet als Leibarzt zu beschäftigen, wodurch Marsilius sich nachweislich immer noch und regelmäßig in seinem persönlichen Nahbereich aufhalten würde, entgegentreten wollte. Eine kontroverse Rolle hat in der Forschung eine Quelle gespielt, in der jemand tatsächlich als Leibarzt des Kaisers bezeichnet wurde. Der ehemalige Minoritengeneral Michael von Cesena erläßt am 26. März 1330 in München vor 1470 Stengel/Schäfer, Nova Alamanniae, Bd. 2/II, 1976, Nr. 1534, § 39, S. 838: »Item quia dictus Marsilius medicus extitit, ut dixit.« Der Tatsache, daß Marsilius der Kurie bereits als verstorben bekannt ist, wird erst in dem Entwurf zu einem Notariatsinstrument von März oder April 1344 über die Bevollmächtigung von Prokuratoren durch Ludwig den Bayern zur Verhandlung der kirchlich-disziplinarischen Rekonziliationsbedingungen, das wohl an der Kurie entstanden ist, eingearbeitet, Stengel/Schäfer, Nova Alamanniae, Bd. 2/II, 1976, Nr. 1548, § 39, S. 884: »Item quia dictus Marsilius quondam medicus extitit, ut dixit.« Vgl. ebenda, § 34, S. 884: »[…] quod Marsilius de Padua, Johannem de Ganduno quondam per ecclesiam dampnatos«. Eine einsichtigere Formulierung bringt ein späteres Dokument, Stengel/Schäfer, Nova Alamanniae, Bd. 2/II, 1976, Nr. 1559, § 39, S. 907: »Item, wan der selb Marsili ein gu˚t arzat was, als er sprach.« Vgl. die lateinische Übersetzung bei Gewold, Defensio Ludowici IV, 1618, S. 187: »Item quia dictus Marsilius bonus medicus extitit, ut dixit.« Vielleicht ist in den älteren Dokumenten der Text korrupt; eine Selbstbezeichnung hervorzuheben, wenn sie sich vor allem auf das beigelegte Attribut bezieht, erscheint sinnvoller. 1471 Schwöbel, Kampf, 1968, S. 115, Anm. 308. 1472 Ebenda, S. 48, Anm. 37. 1473 Prinz, Marsilius von Padua, 1976, S. 53: Marsilius »scheint sich [nach dem Romzug] seinen Lebensunterhalt als Arzt verdient zu haben.« 1474 Die ältere Forschung nahm ohne weiteres an, daß Marsilius der Leibarzt des Kaisers war, z. B. Riezler, Widersacher, 1874, S. 77; vorsichtiger Miethke, Wirkungen, 1998, S. 193: »[…] seine Haupttätigkeit scheint er als Arzt, vielleicht auch als Leibarzt des Herrschers ausgeübt zu haben«.
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Ausblick: Marsilius von Padua und Ludwig der Bayer nach dem Romzug
Zeugen eine protokollarisch aufgenommene, umfangreiche Appellation gegen die päpstliche Bulle Quia vir reprobus vom 16. November 1329. Unter den Zeugen wird jemand anderes, Matteo von Bergamo, als »Arzt des Herrn Kaisers« bezeichnet.1475 Deswegen hat die ältere Forschung vermutet, daß Marsilius es erst von diesem Zeitpunkt an nicht mehr war,1476 oder es wurde angenommen, daß es mehrere Leibärzte gab, und Marsilius trotz der Existenz eines anderen weiterhin Leibarzt des Kaisers geblieben ist.1477 Der distanzierte Text der Prokuratorien spricht zwar kaum für die Vermutung, daß Marsilius Leibarzt des Kaisers war, läßt aber zu, daß er sich unabhängig vom Herrscherhof als Arzt seinen Lebensunterhalt verdiente.1478 Die Vorwürfe gegenüber Ludwig wegen der Aufnahme des Marsilius beschränken sich allerdings auf die Zeit bis zum Romzug. Ein Vorwurf, daß Marsilius die Gunst des Kaisers in so hohem Maße besessen habe, daß dieser ihn zu seinem Leibarzt machte, ist nie formuliert worden. Die weitere publizistische Tätigkeit des Marsilius, vor allem die Gutachten zur Wiederverheiratung der Margarete Maultasch, wird nicht erwähnt.1479 Das gleiche gilt für eine eventuelle Mitwirkung Marsilius’ an den Denkschriften, Vorlagen und Gesetzen der Jahre 1338 und 1339. Diese Quellengruppe aus Akten zu den Ausgleichsverhandlungen zwischen Ludwig dem Bayern und Johannes XXII. und dessen Nachfolgern ist in vielen Fällen problematisch, da bei den Prokuratorien nicht immer der jeweilige Urheber einzelner Textbestandteile erkennbar ist und auch beim Inhalt von Ludwigs Instruktionen an seine Gesandten schwer unterschieden werden kann, ob sie lediglich auf der taktischen Bereitschaft, geforderte Zugeständnisse im Sinne eines Ausgleichs anzuerkennen, und innerer Überzeugung beruhen. Aber der dialogische Charakter dieser Akten macht sie zu besonders wertvollen Quellen. Das Ringen um das gegenseitige Anerkennen von Positionen läßt diese deutlicher als anderswo hervortreten. Das ist vor allem im Hinblick auf Ludwig in1475 Nicolaus Minorita, ed. G/l/Flood, 1996, Appellatio Michaelis de Cesena contra libellum papae ›Quia vir reprobus‹, S. 624 – 866, hier S. 865: »Acta et facta fuerunt praedicta in Monacho, in domo Fratrum Minorum, in refectorio eiusdem domus, anno praedicto a nativitate Domini 1330, indictione 13, septimo Kalendas Aprilis, presentibus testibus vocatis et rogatis, venerabilibus viris dominis […] magistro Matthaeo de Pergamo, medico domini Imperatoris«. Zuvor gedruckt bei Karl Müller, Einige Aktenstücke und Schriften zur Geschichte der Streitigkeiten unter den Minoriten in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, in: ZKG 6 (1884), S. 63 – 112, hier S. 87. 1476 Lorenz, Deutschlands Geschichtsquellen, Bd. 2, 21887, S. 350. 1477 Valois, Jean de Jandun, 1904, S. 602, Anm. 4. 1478 Haller, Lebensgeschichte, 1929, S. 189, Anm. 1: »Daß er Ludwigs Leibarzt gewesen sei, wie allgemein behauptet wird, ist nirgends bezeugt, nur daß seine ärztliche Kunst ihn beim König empfohlen habe.« 1479 Wenn auch anzumerken ist, daß die Gesandtschaft vom Februar 1342 vermutlich auch wegen der Maultasch-Affäre scheiterte, vgl. Schwöbel, Kampf, 1968, S. 299 mit Anm. 452.
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Marsilius in Ludwigs Rekonziliationsverhandlungen mit der Kurie
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teressant, dessen Auffassungen in keiner anderen Quellengattung so vielschichtig erkennbar werden. Zudem wird die Bedeutung der Berater Ludwigs sowohl als Gegenstand der Verhandlungen als auch bei ihrem Einfluß auf die Formulierung von Ludwigs Positionen deutlich. Ludwigs Verhältnis zu Marsilius ist eines der ausdrücklich von kurialer Seite aufgeführten Hindernisse für die Versöhnung. Dabei äußert sich Johannes XXII. vor Beginn der Versöhnungsverhandlungen gegenüber den mit Ludwig verbündeten Fürsten auch über das Maß an Einfluß, das Marsilius auf Ludwig gehabt haben soll. Daß Ludwig von Marsilius nicht nur fehlgeleitet, sondern daß er »von ihm regiert« werde, ist die weitreichendste Formulierung, die ein Zeitgenosse über das Verhältnis von Kaiser und Berater ausgesprochen hat. Der Stellenwert, den Johannes XXII. Marsilius zuschreibt, zeigt sich auch daran, daß unter seinen Forderungen gegenüber Ludwig die Bestrafung des Ketzers Marsilius an erster Stelle steht. Die Zuschreibungen des Papstes fanden durchaus eine Entsprechung in Ludwigs Entgegnungen auf die päpstlichen Forderungen. Eine Bestrafung von Marsilius durch ihn oder Auslieferung an die Kurie wurde nie zugestanden. Ludwig bekannte, daß Marsilius und andere ihm mit Rat und Tat geholfen hätten. In späteren Verhandlungen führte Ludwig etwas bestimmter an, daß er den verurteilten Häretiker deswegen in seiner Hofgemeinschaft behalten habe, weil dieser durch seine Gelehrtheit eine Hilfe gegenüber den kurialen Angriffen gewesen sei. Ludwigs ausdrücklicher Hinweis auf seine Verwendung von Marsilius’ Kenntnissen über die Rechte des imperium müssen dabei in einem weiten Sinn gedeutet werden, die auch das Verhältnis zur Kirche umfassen. Diese Äußerungen Ludwigs stehen in einem scheinbaren Mißverhältnis zu seiner Bereitschaft, die geforderte Verurteilung der vom Papst indizierten Thesen des Defensor pacis anzuerkennen. Aber gerade der Gegensatz zwischen dem für den Verhandlungserfolg notwendigen Eingehen auf diese Forderungen der Kurie und Ludwigs freimütigem Hinweis auf die Bedeutung von Marsilius als seinem Ratgeber macht diese Hinweise so gewichtig. Marsilius’ Position als wichtiger Ratgeber Ludwigs zeigt sich auch nach dem Ende des Romzugs und der Resignation des Gegenpapstes in besonderer Weise darin, daß die Forderung nach öffentlicher Diskussion seiner theoretischen Positionen an der Kurie in das Protokoll der kaiserlichen Ratssitzung von 1331 aufgenommen wurde. Auch wenn die kaiserliche Gesandtschaft diese Forderung schließlich der Kurie nicht überbracht hat, gibt der Inhalt des Ratsprotokolls doch einen Einblick in den Einfluß, den Marsilius gewinnen konnte. Die Fortdauer seines Einflusses kann im Jahre 1334 darin gesehen werden, daß die gegen Johannes XXII. opponierenden Kardinäle, die bereit sind, ein Konzil von Kaiser Ludwig einberufen zu lassen, die Entfernung Marsilius’ vom kaiserlichen Hof zur Bedingung machten. Ob Marsilius sich auch in der Eigenschaft eines Leib-
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Ausblick: Marsilius von Padua und Ludwig der Bayer nach dem Romzug
arztes des Kaisers in dessen Nähe aufhielt, wie Teile der Forschung meinen, kann anhand der Quellen nicht als belegt gelten. Die Akten zu Ludwigs Rekonziliationsverhandlungen verstärken das aus anderen Quellen gewonnene Bild von Marsilius’ starkem Einfluß auf Ludwig. Dabei bekennt Ludwig ausdrücklich nicht nur im allgemeinen seine Verwendung Marsilius’ als Ratgeber und Mitwirkenden am politischen Handeln, sondern auch im besonderen die in den päpstlichen Prozessen nicht zur Sprache gekommene Bedeutung von Marsilius als Verteidiger des Kaisertums.
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8 Zusammenfassung
Marsilius von Paduas politische Theorie hat in mehreren Handlungsfeldern und teilweise bestimmend auf das politische Handeln Ludwigs des Bayern auf dessen Romzug gewirkt. Dabei hat Marsilius an mehreren Orten auch eine eigene, aktive politische Rolle gespielt, die der Kaiser ihm vor allem bei der Gestaltung der Kirchenpolitik zuwies. Die wenigen, grundsätzlichen Aussagen in Marsilius’ politischer Theorie zur Kaiserkrönung stimmen mit den Prinzipien der Kaiserkrönung Ludwigs des Bayern überein. Er verwirklichte bei seiner Kaiserkrönung am 17. Januar 1328 den Gedanken des Marsilius, daß der römische König zwar zum Kaiser gekrönt werden muß, um selbst von der Kaiserwürde und dem Kaisertitel Besitz zu ergreifen, daß aber nicht notwendig der Papst sein Koronator sein muß. Diese Auffassung kam vor allem dadurch zur Geltung, daß Ludwig die Kaiserkrönung weder unter Beteiligung des Papstes selbst noch durch von diesem autorisierte Legaten abhalten ließ. Sie wurde aber bereits zu einem früheren Zeitpunkt deutlich. Die der Kaiserkrönung vorausgehende Aufforderung Ludwigs an den Papst, die Krönung an ihm zu vollziehen, zeigt, daß Ludwig demonstrieren wollte, daß er es als Pflicht des Papstes ansah, den römischen König zum Kaiser zu krönen. Damit wurde dem Papst und anderen Zeitgenossen bereits der Grundsatz demonstriert, daß Ludwig es als sein Recht ansah, im Falle einer ablehnenden Antwort selbst seinen Koronator zu wählen. Die Entscheidung, das herkömmliche Krönungszeremoniell weitgehend beizubehalten und es nicht durch eine ganz neuartige Zeremonie zu ersetzen, läßt das Recht des coronandus, seinen Koronator zu wählen, noch deutlicher hervortreten. Ludwigs Verzicht auf eine zeremonielle Neuordnung der Kaiserkrönung zeigt aber auch die Absicht, Veränderungen zu vermeiden, die als eine Verstärkung der Bedeutung der Kaiserkrönung verstanden werden könnten. Die Krönung sollte nicht eine Übertragung von Rechten beinhalten oder konstitutiv für das Kaisertum sein, sondern eine feierliche Demonstration des bereits erworbenen Kaisertums darstellen. Diese von Ludwig der Kaiserkrönung zugewiesene Bedeutung zeigt sich auch daran, daß die führende Rolle unter den Koronatoren von einem römischen Amtsträger, dem Stadtpräfekten, einge-
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Zusammenfassung
nommen wurde. Es sollte damit deutlich werden, daß hier eine Pflicht gegenüber dem zu Krönenden erfüllt wurde, der bereits das Recht am Kaisertum besaß. Der Irrtum der älteren Forschung, daß der berühmte Sciarra Colonna Ludwigs Koronator gewesen sei, hat lange Zeit das Fehlurteil begünstigt, daß das von diesem geführte römische Volk ein Recht auf die Kaiserkrönung oder sogar auf Vergabe des Kaisertums beanspruchte. Diese beiden Grundgedanken Ludwigs zur Kaiserkrönung, wonach erstens der Papst die Pflicht zur Krönung, Ludwig aber gegebenenfalls das Recht auf die eigene Wahl eines Koronators hat, und zweitens die Kaiserkrönung zwar notwendig ist zur Ausübung des Rechts, den Kaisertitel zu führen, durch sie aber keine Autorität übertragen wird, entsprechen dem, was Marsilius im Defensor pacis schreibt. Nicht nur das Zeremoniell der Krönung, sondern auch die Äußerungen Ludwigs über seine Kaiserkrönung machen dies deutlich. Besonders seine späteren Gesetze und die Denkschriften aus seinem Umfeld aus den Jahren 1338 und 1339 formulieren diese Gedanken ausdrücklich. Aber auch in Gloriosus Deus sind sie an der Wortwahl erkennbar, wie auch in anderen zeitnahen Äußerungen Ludwigs während des Romzugs, sowohl bereits vor als auch nach der Krönung, nach denen er die Kaiserkrone »nehmen« will oder »genommen« hat. Auch der Verzicht Ludwigs und seiner Gemahlin, in Schreiben die Koronatoren zu nennen, zeigt ihre Auffassung, daß von der Kaiserkrönung und den Koronatoren keine Übertragung des Kaisertums ausging. Ebenso haben Verbündete des Kaisers, wie Castruccio Castracane in seinem Rundschreiben vom Tag der Kaiserkrönung, und kaisernahe Chronisten auf die Nennung von Koronatoren verzichtet. Ludwigs Kaiserkrönung unterschied sich von denjenigen seiner Vorgänger, denen die Krönung ebenfalls von einem Papst verweigert wurde, bereits dadurch, daß Ludwig nicht wie diese zuerst auf eine Absetzung des Papstes hinwirkte, um sich dann von einem neugewählten Papst krönen zu lassen. Es ist vielleicht nicht endgültig zu klären, ob Ludwig zur Zeit der Kaiserkrönung bereits plante, Johannes XXII. abzusetzen; in jedem Fall entschied Ludwig sich dafür, seine Kaiserkrönung ganz ohne päpstliche Beteiligung durchzuführen. Als er mit den Kaisergesetzen vom 14. April 1328 die Vorbereitungen für die Absetzung Johannes’ XXII. schuf, bekräftigte er mit dem Gesetz über die Datierung von Urkunden und Notariatsinstrumenten nach seinen Kaiserjahren die Rechtmäßigkeit seiner Kaiserkrönung vom 17. Januar 1328. Ausdrücklich betonte er dies in seinem Absetzungsurteil gegen Papst Johannes XXII. Die symbolische Krönung Ludwigs durch Nikolaus V. am 22. Mai 1328 kann nicht, wie Teile der Forschung meinen, als eine Rückführung auf das Prinzip päpstlicher Vergabe der Kaisertums bewertet werden. Marsilius’ Einfluß auf die politischen Prinzipien von Ludwigs Kaiserkrönung wird in den Quellen nicht ausdrücklich geäußert. Aber Ludwig selbst hat in den
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Dokumenten zu den Rekonziliationsverhandlungen als Entschuldigung auf den Vorwurf, daß er den verurteilten Ketzer Marsilius bei sich behalten habe, mehrmals darauf hingewiesen, daß Marsilius ihm half, die Rechte des imperium zu verteidigen. Ludwigs ausdrücklicher Hinweis auf die Bedeutung, die Marsilius für ihn hatte, wird inhaltlich verstärkt durch seine Aussage, an der Kaiserkrönung festzuhalten und sie als Verteidigung gegen die Gefahren, die von Papst Johannes XXII. ausgingen, darzustellen. Weiter können Ludwigs Aussagen in der Bestallungsurkunde für Johannes von Jandun als secretarius und consiliarius des Kaisers herangezogen werden, mit denen Johannes vor allem als Unterstützer des Kaisertums bezeichnet wird. Es kann kaum ein Zweifel möglich sein, daß Ludwig Marsilius in mindestens gleichem Maße als Ratgeber, der zur Festigung seines Kaisertums beitrug, ansah. Das Schweigen der Quellen zu Marsilius’ Wirkung auf die politischen Prinzipien der Kaiserkrönung einerseits und der freimütige Hinweis darauf durch Kaiser Ludwig andererseits kann durch dieselbe Ursache erklärt werden, nämlich dem Schweigen zu Marsilius’ Aussagen zum Kaisertum in der päpstlichen Verurteilung des Defensor pacis. Marsilius’ Positionen wurden auch später nicht in päpstlichen Dokumenten genannt und auch nicht in anderen Quellen erwähnt. Weder die Kurie noch andere Zeitgenossen, die den Inhalt von Marsilius’ Schriften ebenfalls nicht kannten, waren daher in der Lage, das Verhältnis zwischen Marsilius’ Theorie und Ludwigs Kaiserkrönung zu erkennen. Andererseits ermöglichte gerade dieser Umstand Ludwig, Marsilius’ Rat in den Versöhnungsverhandlungen in allgemeiner Weise zu erwähnen, ohne sich selbst als Verteidiger einer ausdrücklich verurteilten Häresie zu belasten. Eine persönliche Mitwirkung von Marsilius an der Kaiserkrönung oder ihrer Vorbereitung, die über die Beratung hinausgeht, ist in keiner Quelle bezeugt. In einem päpstlichen Dokument ist dagegen davon die Rede, daß Marsilius und Johannes von Jandun nicht gemeinsam mit Ludwig, sondern erst später in Rom eintrafen. Da jedoch keine weiteren Angaben über den Zeitpunkt gemacht werden, läßt sich die Frage, ob Marsilius und Johannes von Jandun am Tag der Kaiserkrönung anwesend waren, nicht beantworten. Es läßt sich lediglich aufgrund der großen Bedeutung von Marsilius als Ratgeber bereits in Trient und Mailand vermuten, daß er zur Kaiserkrönung ebenfalls in Rom war. Zu den Eigenheiten bei Ludwigs Kaiserkrönung, die nicht aus Marsilius’ theoretischen Aussagen ableitbar waren, gehören vor allem die Beteiligung der vier römischen Krönungssyndici an der Zeremonie. Sie findet in Marsilius’ politischer Theorie keine konkrete oder direkte Entsprechung. Nach dem von Marsilius vertretenem und von Ludwig angenommenem Grundsatz, daß nicht die Kaiserkrönung und damit auch kein Koronator kaiserliche Rechte verleiht, hatten auch die beteiligten Bischöfe und die Repräsentanten des stadtrömischen Volkes keine konstitutive Funktion. Die wegen der Beteiligung der römischen
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Krönungssyndici von der überwiegenden Mehrheit der älteren Forschung vorgenommene Charakterisierung als stadtrömische Kaiserkrönung oder eines »Volkskaisertums« konnte anhand der Quellen nicht bestätigt werden. Die Beteiligung der Römer steht daher zwar nicht im Widerspruch zu Marsilius’ Doktrinen, sie ist aber erklärungsbedürftig. Eine wichtige Erklärung ist in den politischen Umständen zu sehen, die Ludwig in Rom vorfand. Er mußte mit den Römern, die nun selbst die Stadtherren waren, aus politischen Gründen eine enge Verbundenheit eingehen. Die Beteiligung an der Krönung band die Römer an Ludwig, stabilisierte die neue ghibellinische Herrschaft und brachte die Römer in einen für Ludwig vorteilhaften, noch deutlicheren Gegensatz zu Papst Johannes XXII. Ob die Mitwirkung der Römer auch auf einer politisch-theoretischen Ebene Bedeutung gehabt hat, ist anhand des Quellenbefunds nicht erkennbar. Denkbar wäre es, da mit der Beteiligung laikaler Koronatoren im Sinne von Marsilius’ Theorie im allgemeinen auf den weltlichen Ursprung des kaiserlichen Amts verwiesen werden konnte. Im besonderen konnte damit auf den früheren Ursprung des Kaisertums in der Stadt Rom hingewiesen, und an den in Marsilius’ Sinne ursprünglichen populus Romanus erinnert werden. So wäre dies eine Demonstration gegen die Ansprüche des Papstes gewesen, ohne den Römern Rechte an dessen Stelle einzuräumen. Ob aus der Tatsache, daß neben die – üblichen – drei kardinalbischöflichen Konsekratoren gerade vier laikale Koronatoren traten, geschlossen werden kann, daß Ludwig auf das siebenköpfige Kurfürstenkollegium, auf deren Wahlhandlung er sein Kaisertum allein gründete, verweisen wollte, kann ohne unterstützenden Quellenbefund wohl nicht entschieden werden. Auch Ludwigs Auffassung vom Kaisertum als Institution wich in mancherlei Hinsicht von den Vorstellungen des Marsilius ab. Auch wenn Ludwig als Rechtsgrundlage für das kaiserliche Amt genauso wie Marsilius die Wahl durch die Kurfürsten ansah, wies er mehrmals auf den göttlichen Ursprung des Kaisertums hin, während Marsilius einen konsequent diesseitigen, allein auf Konsens beruhenden Ursprung für das Kaisertum vertrat. Eine zweite Abweichung von Marsilius, die von der Frage nach dem Ursprung des Kaisertums abhängt, ist der von Ludwig – allerdings verhalten und nur rhetorisch – vertretene Anspruch auf Überordnung über die anderen abendländischen Herrscher. Der Grund, warum Ludwig hier von Marsilius abwich, ist wohl in der Stärke dieser kaiserlichen Tradition zu sehen. Gegen die päpstlichen Ansprüche wurde von Ludwigs Vorgängern oft und mit Erfolg die göttliche Begründung des Kaisertums vertreten. Sie konnte von Ludwig auch deswegen als für die Zeitgenossen akzeptabel eingeschätzt werden, weil sie – im Unterschied zur stadtrömischen Kaisertheorie – nicht im Widerspruch zum Recht der Kurfürsten auf Wahl des Kaisers stand.
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Marsilius’ Theorie des Kaisertums war dagegen nicht nur neuartig, sondern auch kaum als Legitimation an eine politische Öffentlichkeit vermittelbar. Im Vergleich mit Marsilius’ Theorie des Kaisertums hat seine Theorie über das Verhältnis von Kirche und politischer Gemeinschaft in Ludwigs politischem Handeln eine noch umfassendere, in den Quellen sehr viel deutlicher hervortretende, und Marsilius auch als politischen Akteur einbeziehende Rolle gespielt. Allerdings ist weniger klar erkennbar, welche der Beteiligten in welchem Maße zu den römischen kirchenpolitischen Handlungen drängten, ob es im Ursprung Ludwig selbst oder Marsilius war, der die Absetzung Johannes’ XXII. und Einsetzung eines neuen Papstes anstrebte, oder ob die Römer die ausschlaggebenden Beteiligten waren. Der erste Höhepunkt der Kirchenpolitik des Kaisers bestand in dem Absetzungsurteil gegen Papst Johannes XXII. vom 18. April 1328. Marsilius’ Einfluß ist bereits in dem vorbereitenden Kaisergesetz vom 14. April 1328 über das richterliche Vorgehen bei Häresie und Majestätsverbrechen sichtbar. Das Gesetz, das vor allem als rechtliche Grundlage für die Verurteilung Johannes’ XXII. dienen sollte, ist bereits formal als Kaisergesetz mit einem Geltungsanspruch auch über geistliche Personen und besonders den Papst ganz im Sinne von Marsilius’ Theorie abgefaßt. Die Gewalt des Kaisers über den Papst zeigt sich ebenfalls in der Form des Absetzungsurteils Gloriosus Deus und noch deutlicher in seiner inhaltlichen Rechtfertigung. Die Autorität des Kaisers, allein, ohne Beteiligung einer kirchlichen Instanz, den Papst seines Amts zu entheben, wird darin ausdrücklich angeführt. Das entspricht vollkommen der Position des Marsilius. Marsilius’ Einfluß auf den Inhalt des Absetzungsurteils ist nicht in allen Passagen spürbar. Das liegt auch daran, daß in Marsilius’ politischer Theorie der Fokus auf der Befugnis und der Legitimation des Herrschers, einen Geistlichen von seinem abtrennbaren Amt abzusetzen, liegt. Die in Gloriosus Deus genannten Tatbestandsgründe, die unter die Vergehen der Häresie und des Majestätsverbrechens fallen, und die Motive für das Vorgehen gegen Johannes XXII. spielen im Defensor pacis keine so große Rolle und sind vor allem darin spezifisch für Marsilius. Im weiteren Verlauf der Kirchenpolitik Kaiser Ludwigs in Rom nahmen der Einfluß und die Mitwirkung von Marsilius noch zu. Das Kaisergesetz vom 23. April 1328 über die Residenz des Papstes verdeutlichte die von Ludwig beanspruchte Verfügungsgewalt über das päpstliche Amt im besonderen und über die Ordnung und die Ämter der Kirche im allgemeinen. Ludwig wich zwar von Marsilius’ Lehre ab, wenn er in dem Gesetz Rom als Sitz des Papstes auf eine Anordnung Christi zurückführte, aber er folgte Marsilius’ Theorie insofern, indem er als Kaiser die Bestimmung Roms zur päpstlichen Residenz mit diesseitiger Rechtskraft versah.
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Die chronologisch nächste überlieferte kirchenpolitische Verfügung des Kaisers ist in mehreren Hinsichten interessant. Ludwig setzte am 1. Mai 1328 den Gefährten des Marsilius, Johannes von Jandun, zum Bischof von Ferrara ein. Nicht nur die Tatsache, daß es sich bei dem Begünstigten um den Kollegen und Freund des Marsilius handelte, auch der Inhalt der umfangreichen Einsetzungsurkunde zeigt bis in die Einzelheiten, daß Marsilius’ Theorie in der Praxis zur Anwendung kam. Das ist ein weiterer sicherer Beleg dafür, daß Ludwig die ekklesiologischen Vorstellungen von Marsilius nicht nur in bezug auf das Papstamt, sondern auch im Hinblick auf weitere Ämter der Kirche umsetzte. Vor allem sprechen natürlich auch Marsilius’ eigene Ämter und Vollmachten in Mailand und Rom für die Wirksamkeit seiner ekklesiologischen Grundsätze im politischen Handeln Ludwigs des Bayern. Eine wichtige Schlußfolgerung aus der Kenntnis von Marsilius’ politischen Ämtern zur Verwaltung des Mailänder Erzbistums ist, daß Ludwig der Bayer bereits vor dem Absetzungsurteil gegen Johannes XXII. im Frühjahr 1328 auf die theoretischen Überlegungen des Paduaner Philosophen vertraute. Am deutlichsten war Marsilius’ Wirkung auf die kaiserliche Kirchenpolitik in allen Phasen der Erhebung des neuen Papstes. Marsilius’ Ausführungen zur Einsetzung des Papstes durch den Kaiser sind gerade für die eigentliche Wahl besonders spezifisch und entsprachen dem Vorgang bei der Wahl Nikolaus’ V. besonders auffällig. Die von Ludwig einberufene Versammlung aus einem Gremium von dreizehn gewählten römischen Klerikern und einer Gruppe von römischen Laien, deren Identität und Anzahl allerdings unbekannt ist, entsprach im Grundsatz der von Marsilius geforderten Beratungsversammlung, der der Kaiser bei seiner Wahlentscheidung folgen soll. Die Rolle des Kaisers, der mit der politischen Autorität der Christenheit handelte, wurde bei dem Einsetzungsakt vom 12. Mai 1328 in jeder Hinsicht augenfällig gemacht. Der neue Papst erhielt sein Amt vollständig aus der Amtsgewalt des Kaisers. Marsilius’ theoretische Positionen sind dabei konsequent umgesetzt worden. Der letzte Höhepunkt der kaiserlichen Kirchenpolitik in Rom war die Krönung des neuen Papstes durch Ludwig selbst. Auch dabei wurde das Verhältnis zwischen Kaiser und Papst im Sinne von Marsilius konsequent – aber über das von ihm ausdrücklich Geäußerte hinaus – demonstriert. Marsilius’ Einfluß auf Ludwigs Kirchenpolitik wird in mehreren Quellen erwähnt oder sogar herausgestellt. Im allgemeinen und mit Bezug auf die verurteilten Artikel wird dies ausdrücklich in den päpstlichen Prozessen und dem Schuldbekenntnis des Pietro von Corvaro ausgesagt. In einigen Quellen ist von dem Einfluß des Marsilius auf die Absetzung von Johannes XXII. die Rede. Das wird mit Deutlichkeit in dem Prozeß des Papstes gegen Ludwig vom 20. April 1329 ausgesagt, und Albertino Mussato schreibt noch konkreter, daß Marsilius selbst einer der Autoren von Gloriosus Deus gewesen ist. Die Erhebung des
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Gegenpapstes wird von zwei publizistischen Autoren auf Marsilius’ Einfluß zurückgeführt: von Francesco von Perugia und von Konrad von Megenberg im Planctus ecclesiae in Germaniam und in De mortalitate in Alamanniam. Anders als bei Ludwigs Kaiserkrönung verstärken die Quellenberichte zum Einfluß von Marsilius und Johannes von Jandun auf Ludwigs Kirchenpolitik das aus dem politischen Handeln Ludwigs gewonnene Urteil. Aber Ludwig selbst verweist, ebenfalls anders als bei der Kaiserkrönung, in keinem Dokument der Rekonziliationsverhandlungen im Zusammenhang mit der Absetzung Johannes’ XXII. oder der Einsetzung eines neuen Papstes auf Marsilius. Das spätere Schweigen Ludwigs steht in auffälligem Gegensatz zu seiner tatsächlichen Politik in Rom. Marsilius erscheint im Zusammenhang mit Ludwigs Kirchenpolitik im Unterschied zur Kaiserkrönung in mehreren Quellen als politischer Akteur. In dem päpstlichen Mandat vom 15. April 1328, in dem Johannes XXII. seinen Kardinallegaten Johannes von San Teodoro auffordert, Marsilius und Johannes von Jandun in Rom gefangenzunehmen, wird der Vorwurf geäußert, Marsilius habe diejenigen römischen Kleriker, die das vom Papst gebotene Interdikt einhielten, mit Gewalt zur Ausübung ihrer Pflichten als Geistliche gezwungen. Damit wird deutlich: Ludwigs Kirchenpolitik erfüllt Marsilius’ Anspruch auf herrscherliche Sanktionierung bei der Vernachlässigung von priesterlichen Amtspflichten. Eine weitere Mitwirkung Marsilius’ am politischen Geschehen kann in der Beteiligung an der Abfassung des Papstabsetzungsurteils vom 18. April 1328, die über eine bloße Beratung des Kaisers hinausgeht, gesehen werden. Noch aktiver gestaltete er dann den Ablauf der Papstwahl dadurch mit, indem er gemeinsam mit Giovanni Colonna das Klerikergremium wählen ließ und leitete, das bei der Wahlversammlung Pietro von Corvaro zum neuen Papst wählte. Es ist wahrscheinlich, daß der Vorwurf in dem päpstlichen Mandat vom 15. April 1328 gegen Marsilius, dieser habe, autorisiert vom Kaiser, die papsttreuen Kleriker mit Gewalt zur Ausübung ihrer seelsorgerischen Pflichten gezwungen, im Zusammenhang mit der Leitung dieses Gremiums steht. Marsilius bekam dadurch vom Kaiser die Gelegenheit, seine kirchenpolitischen Überzeugungen persönlich umzusetzen und zu gestalten. Seine politische Theorie wurde auch noch nach dem Abzug aus Rom wertgeschätzt. Als öffentliche Demonstrationen der Wertschätzung können das enge gemeinsame Auftreten in Parma, Ludwigs Forderung im Rahmen der Rekonziliationsverhandlungen, Marsilius’ Schriften in Avignon diskutieren zu lassen, und Ludwigs Weigerung, Marsilius ohne weiteres zu bestrafen, gewertet werden. Jedoch erlangte Marsilius nach dem Romzug nie wieder ein Amt, das ihm die Möglichkeit zu politischer Gestaltung gegeben hätte. Nicht zu entscheiden ist, ob die gelegentlich geäußerte Vermutung zutrifft, Marsilius sei nach dem Romzug Leibarzt des Kaisers geworden. Wenn es so war, dann würde es zwar einerseits
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das Fortdauern eines persönlichen Nahverhältnisses zwischen Marsilius und dem Kaiser belegen, aber wohl auch darauf hindeuten, daß Marsilius ein bedeutenderes politisches Amt eben nicht mehr ausübte. Auch die allgemeinen Hinweise in den Quellen auf die Bedeutung oder den Stellenwert von Marsilius’ Einfluß sind zahlreich. Albertino Mussato bezeichnet Marsilius in seinem Brief und im Ludovicus Bavarus als einen der wichtigsten Ratgeber Ludwigs des Bayern. Johann von Viktring deutet Marsilius’ Einfluß während des Romzugs metaphernreich an. Giovanni Villani verbindet seine Darstellung über den Ausbruch des Konflikts zwischen Johannes XXII. und Ludwig dem Bayern und das Ende des Romzugs mit Hinweisen auf den Einfluß des Marsilius. Heinrich Taube von Selbach deutet die Verbindung zwischen Ludwig und Marsilius seit den päpstlichen Prozessen gegen Ludwig an, auch wenn der genannte Zeitpunkt sachlich nicht richtig ist. Fritsche Closener erwähnt in deutscher Sprache als einziger Quellenautor auch den Titel des Defensor pacis. Papst Johannes XXII. hat mit der Verurteilung der kirchenpolitischen Aussagen des Defensor pacis bereits die Bedeutung von Marsilius deutlich werden lassen. Sein Befehl an mehrere Empfänger, Marsilius und Johannes von Jandun in Rom gefangenzunehmen, zeigt das politische Gewicht, das Johannes XXII. den beiden Gelehrten im römischen Geschehen zumaß. Die weitestgehende Aussage Johannes’ XXII. ist diejenige gegenüber dem König von Böhmen, daß Ludwig von Marsilius »regiert werde«. Die kuriale Publizistik verweist darauf, daß Ludwig »einst gut und ehrenwert« gewesen sei, es aber Marsilius gewesen sei, der ihn verdorben habe. Auch bei den langandauernden Versöhnungsverhandlungen ist Marsilius bis zu Ludwigs Tod Gegenstand der Verhandlungen. Auch die opponierenden Kardinäle, die 1334 den Kontakt zu Ludwig dem Bayern suchten, um ein allgemeines Konzil zur Absetzung von Johannes XXII. einzuberufen, stellten die Bedingung, daß Ludwig Marsilius von seinem Hof entfernen müsse. Die Vermittlung von Marsilius’ theoretischen Positionen fand am wenigsten in abschriftlicher Verbreitung seiner Schriften statt. Marsilius selbst verbreitete ihren Inhalt vor allem durch die mündliche Verkündung vor verschiedenem Publikum, vor allem auf öffentlichen Plätzen in Italien, das ist belegt für Trient, Mailand, Rom und Como. Dazu kam, nach einer Quelle, die Verbreitung auch des Wortlauts durch das Vorlesen des Defensor pacis. Aber auch in schriftlicher Form, wohl in der Art von Anschlägen, hat Marsilius in Mailand und in Rom seine Ansichten verbreitet. Politische Theorie und politisches Handeln haben sich aber auch umgekehrt beeinflußt. Die Ereignisse in Rom haben auf Marsilius’ eigene spätere politisch-theoretische Aussagen gewirkt. Der im Defensor pacis und in De translatione imperii noch nicht definierte Begriff des populus Romanus hat erst im Defensor minor seine Bedeutung erhalten. Dabei hat zur theoretischen Begriffsbestimmung sicher beigetragen, daß die Bewohner Roms
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Ludwig aus Rom vertrieben und König Robert von Neapel wenig später als neuen Herrscher angenommen haben. Auch auf politische Äußerungen anderer haben die politischen Geschehnisse in Rom gewirkt. Zum Beispiel in den Gesetzen, Weistümern und Denkschriften der Jahre 1338 und 1339, am pointiertesten in Subscripta videntur. Auch die umfangreiche politisch-theoretische Literatur des 14. Jahrhunderts hat auf die römischen Ereignisse mit theoretischen Überlegungen zum Kaisertum reagiert, z. B. bei Lupold von Bebenburg und Wilhelm von Ockham. Dies war weniger eine Reflexion auf Marsilius’ theoretisches Werk, das im Wortlaut und vollständig selbst auch kaum zugänglich war, sondern auf das – von Marsilius beeinflußte – politische Handeln Kaiser Ludwigs. Im Anschluß an die Frage, inwieweit Marsilius’ Theorie in der politischen Praxis wirksam wurde, muß auch die Frage gestellt werden, welchen Erfolg Marsilius hatte. Marsilius wollte seine politische Theorie verwirklichen, wie aus seiner Biographie und seinen Äußerungen im Defensor pacis hervorgeht. Dabei sollte nicht nur der von ihm beratene Herrscher seine Theorie in die Praxis umsetzen, sondern Marsilius wollte auch, wie er im Defensor pacis ankündigte, in eigener Person zur politischen Tat schreiten. Daß er mit seiner Mission als Einzelperson, unterstützt allein von seinem Freund und Begleiter Johannes von Jandun, Erfolg haben würde, war keineswegs voraussehbar. Als Erfolg kann bereits gewertet werden, daß er an Ludwigs Hof aufgenommen wurde, daß er den König nach Italien begleiten konnte, daß er als verurteilter Häretiker öffentlich seine Ansichten überall in Italien kundtun durfte, daß er in Mailand zu Ämtern gelangte, die aus seinen theoretischen Vorgaben entstanden sind, daß er in Rom auf die kaiserliche Politik an prominenter Stelle einwirken konnte, daß er in der zeitgenössischen Geschichtsschreibung so weitgehend Erwähnung fand und schließlich, daß er den kaiserlichen Schutz nie verlor. Begünstigend für Marsilius’ Einfluß während des Romzugs haben vor allem zwei Umstände gewirkt: Erstens galt es, während des Romzugs politische Fragen zu entscheiden, die sich in der nordalpinen Politik Ludwigs nicht gestellt hätten. Die schwierige Situation, in die Ludwig wegen seines Konflikts mit Johannes XXII. gestellt war, bedurfte einerseits vieler weitreichender Entscheidungen und eröffnete andererseits Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten, die die Reichspolitik nicht bot. Hier war die Möglichkeit stärker als sonst gegeben, Politik anhand einzelner politischer Handlungen zu gestalten. Zweitens hatte Marsilius wegen der Abwesenheit vieler regulärer Ratgeber Ludwigs während des Romzugs Zugang zu einem politischen Vakuum. Vor allem der letzte Faktor wird dadurch bestätigt, daß Marsilius’ Einfluß zwar nicht sofort, aber bald nach dem Romzug zurückging. Alte und neue Ratgeber des römisch-deutschen Herrschers setzten sich an die Stelle, die Marsilius während des Romzugs zu einem bemerkenswerten Anteil selbst ausgefüllt hatte.
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Auch wenn Marsilius viele einzelne Erfolge erreicht hatte, so blieb ein dauerhafter Erfolg, den Marsilius gewünscht hatte, aus. Eine wesentliche Ursache dafür war, daß viele der Forderungen und Thesen seiner politischen Theorie von den Zeitgenossen nur hätten akzeptiert werden können, wenn auch Marsilius’ theoretische Herleitung dafür bekannt gewesen wäre. Marsilius konnte durch die eigene, persönliche Verbreitung seiner Lehre Personen im Umfeld Ludwigs beeinflussen, indem er ihnen seine Argumentation vorstellte. Aber dieser Verbreitungsprozeß war in Deutschland nicht weit fortgeschritten. Der geringe Kenntnisstand der Historiographen, deutscher und italienischer, ist dafür bezeichnend. Eine weitergehende Frage, deren Beantwortung allerdings auch weitere Untersuchungen erfordert, ist: War Marsilius’ Einfluß auf Ludwigs Politik ein Glücksfall für Ludwig oder die deutsche Geschichte? In der Forschung wird Marsilius’ Einfluß auf Ludwig überwiegend negativ beurteilt, etwa wenn Altmann über Marsilius und Johannes von Jandun sagt, daß sie Ludwig aufgesucht hätten, um ihn in seinem Kampf gegen das Papsttum »aufzustacheln«.1480 Die Bewertung von Marsilius’ Einfluß hing auch immer davon ab, wie der Romzug beurteilt wurde. Dieser wurde in der älteren Forschung fast immer als Mißerfolg angesehen. Eine Neubewertung des Romzugs als zumindest teilweisen Erfolg gewinnt in der Forschung zunehmend Anhänger : Ludwigs Herrschaft im Reich wurde stabilisiert, das Kaisertum für die Deutschen bewahrt und die deutschrömische Königswahl uneingeschränkt mit den kaiserlichen Rechten verbunden und auf breiter politischer Basis vom Papst unabhängig erklärt. Die direkte Wirkung des Marsilius war in der Zeit unmittelbar nach seinem Tod gering. Die Ursache dafür war nicht nur, daß eine organisierte Anhängerschaft fehlte, wie sie etwa die Franziskanerdissidenten besaßen. Es spielte auch eine Rolle, daß Marsilius das Schicksal seines Werkes mit dem politischen Erfolg Ludwigs verknüpfte. Der mittelfristige Erfolg oder Mißerfolg Ludwigs hat auch über den Erfolg von Marsilius’ Theorie entschieden. Ludwigs Kaisertum hat zwar neben der Ablehnung der papsttreuen Kreise inner- und außerhalb des Reiches auch – eine in verschiedenen Phasen unterschiedlich große – Anerkennung erfahren. Die Rückkehr seines Nachfolgers Karls IV. zu einem Kaisertum, das aus päpstlicher Autorität abgeleitet wurde, hat die Kaiseridee 1480 Altmann, Römerzug, 1886, S. 14. – Riezler, Widersacher, 1874, S. 78: »Marsiglios Einfluß hatte auf dem italienischen Zuge, in den Jahren 1327 – 29 überwogen. Nachdem seine radicale Politik völlig gescheitert ist, treten in München die Minoriten mehr in den Vordergrund, ohne jedoch in gleichem Grade bestimmend auf den Gang der Dinge wirken zu können, wie es dem kühnen Italiener vorübergehend gelungen war.« – Ganz ähnlich meint Offler, Empire, 1956, S. 39: »It is often supposed that here, for once, the advice of Marsilio of Padua played a large part and if this be so, he was perhaps the most demaging gift that the Lombard Ghibellines ever slipped into Lewis’ pocket.«
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Ludwigs des Bayern und Marsilius von Paduas zunächst aber wieder begraben. Die Wirkung der von Marsilius inspirierten Kaiserkrönung auf die Entwicklung der Kaiseridee und die politische Theorie vom Kaisertum bedarf noch weiterer Forschung. Ein Mißerfolg, zumindest in kurzfristiger Betrachtung, war Ludwigs römische Kirchenpolitik. Die Zurücklassung seines Papstes und dessen Unterwerfung bald danach hat Marsilius’ neuen ekklesiologischen Konzepten den realpolitischen Erfolg genommen. Der Unterschied der ekklesiologischen Vorstellungen zu Marsilius’ autonomer Kaiseridee besteht auch darin, daß die Kaiseridee der Einschätzung vieler Zeitgenossen entgegenkam, die Ludwigs Herrschaft und Kaisertum zu Unrecht von Johannes XXII. bedroht sahen. Die Verteidigung dieser Herrschaft, des Friedens im Reich, konnte für viele offenbar auch ungewöhnliche Maßnahmen als gerechtfertigt erscheinen lassen. Für die ekklesiologischen Neuordnungsversuche dagegen konnte die Unterstützung der Zeitgenossen nicht gewonnen werden. Dabei hat es sicher auch eine große Rolle gespielt, daß Marsilius’ elaborierte Argumentation zugunsten der Zuständigkeit einer gläubigen universitas civium naturgemäß nur schwer aus den politischen Handlungen des – nur fiktiv ermächtigten – Regenten erkennbar war. Die legitimatorischen Überlegungen konnten kaum vermittelt werden. Dieser Politikbereich war der bei weitem innovativere, der gerade noch bei der Absetzung des Papstes Akzeptanz finden konnte, und zwar wegen der – scheinbaren, aber in Wirklichkeit doch ganz anders gelagerten – historischen Vorbilder. Ludwigs weitere Umsetzungen von Marsilius’ kirchenpolitischer Theorie, vor allem die ihr Programm so irritierend nachdrücklich demonstrierende mehraktige Erhebung des neuen Papstes, gingen über das Herkommen so weit hinaus, daß eine Zustimmung der Zeitgenossen über die Römer hinaus kaum zu erreichen war. Der in dieser Untersuchung behandelte Gegenstand ist mindestens seit 150 Jahren, seit Gregorovius’ Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter, von der modernen Geschichtsforschung bearbeitet worden. Zahlreiche Überzeugungen der Forschung zu vielen Aspekten und Details des Themas mußten hier korrigiert werden. Diese Untersuchung ist vor allem deswegen zu ihren abweichenden Resultaten gekommen, weil vieles von Grund auf und systematisch neu bearbeitet wurde. Das gilt zuerst für Marsilius’ politische Theorie, die erstmals mit dem Ziel eines systematischen Vergleichs mit Ludwigs römischer Politik untersucht wurde. Neue Ergebnisse konnten besonders für Marsilius’ Theorie des Kaisertums, vor allem in Hinblick auf die Bedeutung der Krönung und des populus Romanus, gewonnen werden. Auch Marsilius’ theoretisches Verhältnis zur Politikberatung und zum politischen Handeln hat Klärungen erfahren können. Der Romzug Ludwigs des Bayern hat in vielen Fällen eine andere Darstellung erhalten. Die Ergebnisse der älteren Forschung mußten dafür in großem Umfang
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in Frage gestellt werden, die Quellenbasis für diese Untersuchung konnte aufgrund neuer Editionen, aber auch aufgrund einer erweiterten Suche, verbreitert werden, und die vorliegenden Übersetzungen wurden einer notwendigen Überprüfung unterzogen. Nicht zuletzt hat auch Marsilius’ Biographie in einigen Fällen ein neues Bild erhalten. Zum Erkenntnisfortschritt sowohl beim Romzug als auch bei Marsilius’ Leben hat in besonderer Weise die quellenorientierte Untersuchung beigetragen. Weitere Untersuchungen in diesem Forschungsfeld sind auch heute noch auf zukünftige, grundlegende Arbeiten angewiesen. Als Beispiele sollen nur genannt werden: Eine erste kritische Edition von Landolfos Schrift über die Translatio imperii ist nötig, um eine kritische Neuedition von Marsilius’ De translatione imperii zu ermöglichen. Eine Übersetzung dieser so gestalteten Neuedition auch ins Deutsche wäre wünschenswert, das gilt ebenso für den Defensor minor. Eine Volledition der Universitätsschriften von Marsilius wird weitere Untersuchungen zu seinem Denken ermöglichen. Die Akten zu Ludwigs Rekonziliationsverhandlungen mit den Päpsten verdienen, als gemeinsame Quellensammlung herausgegeben zu werden, die auch eine noch zu leistende kritische Edition der im Bayerischen Hauptstaatsarchiv aufbewahrten deutschsprachigen Instruktionen umfassen möchte. Weitere, umfassende Untersuchungen zur Entwicklung der Kaiserkrönung im Verlauf des Mittelalters sind gefragt. Die einzige monographische Darstellung von Eduard Eichmann aus dem Jahr 1942 ist überholt. Auch die mittelalterliche Kaisertheorie muß mit systematischer Anlage untersucht werden, vor allem die Texte des theoretisch reichen 14. Jahrhunderts warten noch auf weitere Bearbeitung. Übersetzungen werden wegen der schwindenden Kenntnis des Lateinischen immer notwendiger. Das gilt für alle Quellengattungen, vielleicht am meisten für theoretische Texte, aber auch für die zahlreichen erzählenden Quellen, die in Deutschland zuletzt im 19. Jahrhundert übersetzt wurden und heute in manchen Fällen lediglich angepaßt an die zum Druckzeitpunkt gültige Rechtschreibung und unter Verzicht auf den Fraktursatz neu herausgegeben wurden. Grundständig neue Untersuchungen auch scheinbar »ausgeforschter« Themen vor allem der politischen und Verfassungsgeschichte werden sicher in vielen Fällen mit neuen Erkenntnissen belohnt, auch wenn der Forscher sich durch ein Dickicht an älteren Untersuchungen und Darstellungen schlagen muß. Die politische und die Geistes- und Verfassungsgeschichte des späten Mittelalters bieten noch ein weites Feld für die Forschung.
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Stichwortverzeichnis
Nicht aufgeführt werden: Defensor pacis, Johannes XXII., Ludwig der Bayer, Marsilius von Padua, Rom Aachen 18, 127, 221, 300 administrator in temporalibus 217 Albano 241, 263, 309, 411 Alfons IV., Kg. von Aragon 328, 331 Anagni 280, 308 Andrea Dei 35, 234, 239, 242, 246, 249, 265 – 267, 269, 271, 276, 335, 371, 390 Andrea de Reate 70 Andreas von Florenz 70 Apostolischer Stuhl 115 Appellation 19, 57, 120, 134 f., 189, 270, 326, 331, 444 Approbation 17 – 19, 95, 103, 109, 114, 213, 294 f., 298, 394 Arezzo 212, 214, 261 Aristoteles 74, 90, 105, 110 – 112, 136, 147, 176 – 180, 182, 184, 186, 308 Armutsstreit 57, 155, 264, 339, 341, 410 Arnald von Verdalle 297, 381, 434, 442 Arnold von Brescia 128, 228 Arnulf, Kg. 35 Artes 41, 50, 105, 177, 203, 403 Arzt 42, 49, 51, 70, 184, 409, 443 f. Astronomie, astronomisch 201, 220 f., 379 Augustiner, -eremiten 66, 231 Augustinus 424 Augustus 123 f., 132, 135, 237, 239 f., 252, 261 f.
Avignon 18 f., 30, 46, 54, 59, 62, 64, 71, 96, 128, 199 f., 204, 206 – 208, 221, 224 – 226, 287, 289, 293, 295 – 300, 303, 305, 316, 332, 334 f., 352 f., 356, 361, 370, 373, 396, 399, 434 f., 437, 442, 453 Balduin, Ebf. von Trier 39, 199 f., 257, 283, 288, 336, 371, 387, 396, 398, 430 Bartengebirge 300 Benedikt IX. 167 Benedikt XII. 24, 103, 211, 258, 289, 292, 294, 297, 372, 381, 413, 430, 434, 437, 441 Berater, Ratgeber 24, 60, 74, 80, 83, 88, 101, 104, 163, 176 f., 179, 184 – 187, 302, 306, 309, 324, 338 – 342, 365, 367 – 369, 377, 379 f., 382 – 384, 403, 407 f., 413, 415 – 418, 428, 430 – 432, 434, 436 f., 440, 445 f., 449, 454 f. Bertrand du Poujet 223, 260 Bischofseinsetzungen 174 Bischofsernennungen 218 Bischofsweihe 217, 315, 356 Bologna 33 – 36, 102, 107, 218, 220, 406, 412 Bonagratia von Bergamo 287, 410 Bonifaz VIII. 45 Bonn 18, 287, 356 Boul8 (Ratsversammlung) 177 – 180 Brandenburg 103, 205, 267 f. Brescia 51, 212, 425
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Stichwortregister
Caesar, Gaius Julius 93, 96, 132, 232, 282 f. Cangrande della Scala 46 f., 49 f., 87 Capitano del popolo 225, 231, 234, 243, 271 Castruccio Castracane 119, 193, 236 – 239, 245 – 248, 251, 255 f., 260, 263, 267 f., 271, 275 f., 317, 448 causa materialis 180 Chartres 96 Childerich 112 f. Cicero, Marcus Tullius 77 f. Citt/ di Castello 36, 274, 405 civitas perfecta 329 Clemens V. 95, 119 f., 228 Clemens VI. 24, 211, 289, 293, 381, 430, 441 f. Codex Iustiniani 245 Colonna, Giovanni 350 f., 355, 359, 453 Colonna, Landolfo 95 – 101, 112 f., 123 – 128, 132, 134 f., 140, 142 – 145, 172 – 174, 364, 458 Colonna, Sciarra 225, 229, 232, 243 f., 249, 265 – 269, 271 – 277, 280, 308, 317, 319, 343 f., 349, 390 f., 417, 419, 448 Colonna, Stefano 319 Como 211, 227, 405, 413 f., 454 Corneto 411 f. Cremona 405, 412, 424 Cum inter nonnullos 438 Dante 119, 138, 424 Defensor minor 21, 27 f., 89, 102 – 105, 107, 118 f., 128 – 130, 132 – 134, 136 f., 158 f., 202, 295, 423, 428, 454, 458 Dominikaner 35, 37, 218, 221, 233, 262 Drachen 383 Ekklesiologie, ekklesiologisch 79, 156 f., 208, 220, 327, 378, 418, 452, 457 Engelbert von Admont 138 Exkommunikation 19, 87, 159 f., 204 Exspektanz 44 Ferrara 120, 403 – 407, 418, 452 Festkrönung 295, 401 f., 419
Fidem catholicam 65 f., 103, 295, 348 Florenz 34 f., 54, 70, 105, 190, 242, 272 – 275, 391 Forma dispensationis super affinitatem consanguinitatis 104, 118, 160 Forma divorcii matrimonialis 104 Francesco della Giovanna 64 – 71 Frankfurt am Main 19, 26, 30 f., 34, 123, 294, 296, 421 Franziskaner 20 f., 24, 37, 107, 264, 284, 286 f., 339, 369, 432 – 436, 441 Franziskanerdissidenten 287, 434, 440, 456 Franziskanerspirituale 160 Franz von Marchia 287 Friedrich, der Schöne, von Österreich 17 f., 58, 189 f., 192, 200, 213, 282, 288 Friedrich I., römisch-dt. Kg. und Kaiser 128, 228 Friedrich II., römisch-dt. Kg. und Kaiser 128, 320, 427, 429 Friedrich II., Kg. von Sizilien 196 f. Galvano Fiamma 35, 212, 218, 283 f., 335 f., 372, 387 Generalkonzil 158 f., 161, 166 Gerard Eudes 411 Gerichtsbarkeit 155 f., 175, 210, 216, 318, 329, 435 Gesetz 28, 76, 81, 110 – 112, 114, 129 f., 136, 139, 150 – 152, 154, 156 – 159, 169, 171, 181 – 184, 213, 221, 294 – 296, 320 – 324, 343, 347 f., 365 f., 382, 400 f., 435, 444, 448, 451, 455 Gesetzgeber, gläubiger 109 – 112, 114 f., 128 – 130, 132, 136 f., 140 – 142, 144 f., 147 f., 150 – 155, 157 – 163, 165 f., 168 – 171, 175 f., 182, 208 – 210, 318, 329, 435 Gesetzgeber, höchster 145, 159, 175 Gesetzgeber, menschlicher 148, 158 Gesetzgebung 110 f., 136 f., 142, 147, 151, 181 f., 184, 347 f. Gesetzgebungsbefugnis, Gesetzgebungsgewalt, Gesetzgebungsrecht 130, 132 f., 137, 320 Gesetzgebungsmonpol des Kaisers 136 f.
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Stichwortregister
Gewalt, geistliche 17, 76, 81, 109, 111, 121, 127, 129, 134, 139, 148 f., 152, 161 f., 165, 167, 171 f., 190 f., 213, 217, 223, 292, 296, 310, 318, 333, 341, 350 f., 356, 363, 368, 384, 392 f., 402, 435, 451, 453 Gewalt, weltliche 53, 62, 174, 217, 279, 393, 419 Gewalt, zwingende 78, 110, 128, 151, 156, 158 f., 175, 183 f., 435 Gewohnheitsrecht 151, 168 – 170 Ghibelline, Ghibellinen 45, 47, 50, 190 – 192, 194 – 196, 201 Gloriosus Deus (1328) 107, 285 – 287, 311, 324, 326, 329 – 333, 341, 347, 377, 426, 448, 451 f. Graz 26, 39, 84 – 87, 121, 460 Gregor V. 125, 143 f. Guelfe, Guelfen 190, 201, 242, 245, 250 f., 342, 390 Gutachten 208, 362, 428, 444 Hadrian I. 172, 364 Hadrian III. 168 Häresie 54, 57 f., 66, 79 f., 86, 93, 183, 200, 207, 219, 224, 303 f., 306, 321 f., 325, 327, 331, 335, 337, 341, 360 f., 371, 377 f., 380, 416, 431, 438 – 440, 449, 451 Heerkaisertum 121, 146 Heinrich III. 168 Heinrich Taube von Selbach 37, 55, 58 f., 192 f., 205, 213, 230, 277, 279 – 281, 334, 357, 368 f., 392 f., 400, 454 Heinrich VII. 17 f., 26, 47, 49 f., 100, 119 f., 138 f., 200, 236 – 238, 240, 254, 260, 286, 311, 320, 389 Heinrich von Herford 37 f., 213, 221 f., 224, 261, 296, 299 f., 335 f., 362, 387 Heinrich von Thalheim 410 Hostiensis 116, 260, 357 imperium Romanum 116, 125, 134 f. Innozenz III. 126 Inquisition 63, 70 Inquisitionstribunal 218 f., 412 Inquisitor 53, 62 f., 65 – 67, 71, 412 f.
Insignien 18, 241, 243, 247 f., 250, 254 f., 258, 270, 276, 285 f., 354, 356 Interdikt 19 f., 103, 159 f., 211, 219, 242, 250, 313, 318, 351, 414, 453 iudex clericorum 217, 318 Jakob de Voragine 385 Jakob (Jaime) II., Kg. von Aragon 225 f., 228, 328 Jakob Twinger von Königshofen 38, 223, 336, 371, 384, 392 Johannes von Jandun 20, 23, 39, 43, 45, 51 – 60, 62 f., 65 f., 68, 72 – 74, 79 f., 83 – 85, 87, 90 f., 93, 105 f., 120, 200 f., 203 f., 206, 208, 220 f., 301 – 309, 313 f., 320, 336 f., 339, 377 – 384, 403 – 412, 414, 418, 431, 438, 441 f., 449, 452 – 456 Johann von Viktring 36 f., 83 f., 192, 212, 277 f., 280 f., 336, 365 – 367, 391 – 393, 400, 414 – 416, 454 Johann von Winterthur 37, 102, 192, 213, 230, 284, 336, 363 – 365 Johannes XII. 100, 143, 167, 330, 394 Johann-Heinrich von Luxemburg 103 Johann, Kg. von Böhmen 31, 195 f., 258, 396, 414, 425, 430 f. Jurisdiktion 149, 361 Jurist, Juristen 137, 361, 434 Justinian 136 Kaisergesetz 119, 294, 319 – 321, 323 – 325, 327, 334, 340, 343 – 348, 352, 363, 366, 416, 418, 448, 451 Kaiserkrönung 17 f., 20 f., 100 – 102, 109, 116 – 128, 139 f., 142, 146 f., 158, 189 f., 196 f., 199 – 201, 203, 205, 214, 221 – 225, 227 – 229, 231 – 233, 235 – 241, 244 – 248, 250 f., 254 – 264, 266, 269 – 271, 273 – 305, 307 – 311, 320, 323 f., 331, 335 f., 342 f., 347, 357, 364, 377, 385 f., 388 – 403, 406, 417, 419, 440, 447 – 449, 453, 457 f. Kaiserrecht 320 Kaiserreich 96, 99 f., 117, 122, 124 f., 133 – 135, 139, 215, 221, 294 f., 334, 440 Kaisersalbung 116, 260
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530
Stichwortregister
Kaisertitel 76, 126 f., 284, 291, 293, 397, 403, 447 f. Kaisertum 17, 20, 25, 56, 74, 81 f., 94, 109, 114, 116, 120 f., 123, 127 – 129, 132, 134 – 137, 139 – 147, 158, 191, 193 f., 199, 201, 213, 227 f., 231 f., 235, 237, 240, 245, 248, 252, 254, 258, 264, 270, 275 f., 279 – 283, 285 – 290, 293 – 297, 300 f., 304, 307 – 311, 320, 323 f., 342, 349, 365, 383, 385 f., 396 f., 400, 403, 407 f., 419, 446 – 451, 455 – 457 Kaiser und Papst 19, 167, 210, 308, 388, 412, 426, 452 Kaiserwahl 114, 117, 123, 131, 144, 146 Kaiserweihe 248 Kaiserwürde 116, 227, 231, 234 f., 284, 286, 292 f., 300, 309 f., 390, 392, 400 f., 447 Kanzlei 196, 305, 359, 388, 421 f., 424, 426, 428 – 430, 432 Kapitol 230 – 234, 250 f., 282, 318 Kardinalbischöfe 241, 263, 270, 309, 362 Kardinaldiakon 45, 286, 301, 303, 355 f. Kardinäle 45, 87, 161, 166, 176, 241, 260, 332 f., 346, 352, 358 – 361, 385, 387, 389, 394 f., 418, 433, 437, 445, 454 Karl der Große 95, 99 f., 109, 123 – 125, 128, 139 f., 142 f., 170, 172, 174, 213, 364 f. Karl, Herzog von Kalabrien 190, 205 Karl IV., römisch-dt. Kg. und Kaiser 39, 240, 258 f., 309, 336, 371, 381, 387, 404, 456 Karl IV., Kg. von Frankreich 47 f., 74, 199 Kleisthenes 178 Königskrönung 18, 122, 211, 287 f., 300 Königswahl 17, 19 f., 109, 116, 123, 135, 146, 294 – 296, 298, 456 Konrad III. 128, 228 Konrad IV. 131 Konrad von Megenberg 93, 381 – 384, 432, 453 Konsekratoren 21, 241, 254, 258, 263, 267, 270, 294, 450 Konsens 450 Konsistorium 211, 297, 345, 381, 433
Konstantin, der Große 121, 158, 166 Konstantinische Schenkung 166 Konstitution 18, 119, 317, 438 Kontrafaktur 98 f., 101 Konzil 19, 24, 30, 128, 137, 157 – 161, 163 – 166, 169, 172, 175 f., 322, 345, 437, 445, 454 Koronatoren 21, 122, 237, 239 f., 254, 260 f., 264 – 267, 269 f., 276, 280, 284, 291, 294, 309, 396, 403, 447 f., 450 Kurfürsten 17, 103, 115 – 117, 123, 125, 127, 133, 144 – 146, 198 – 200, 230, 233, 235, 258, 270 f., 283, 289, 294 f., 297 f., 300, 310 f., 373, 434, 450 Kurfürstenwahl 127, 144, 270 Kurverein von Rhense 101, 295 Laien 126, 144, 156, 167, 169, 176, 210, 216, 249, 254, 257 f., 261, 270, 276, 297, 301, 310, 324, 332, 352, 368, 383 f., 416, 452 Leoben 83 – 87 Leo III. 123 f. Leo VIII. 143, 170 Leo IX. 168 lex regia 136 f. Licet iuris (1338) 207, 294 – 296 Licet iuxta doctrinam (1327) 86, 90, 204, 206 – 209, 218, 305 – 307, 337, 378, 380 f. Lombardei 190, 211 f., 216, 221, 259 f., 300 Losse, Rudolf 32, 196 Lucca 63, 192, 221, 236, 245, 247, 251, 263, 267, 275 f. Ludwig der Brandenburger 199 Ludwig der Fromme, Kaiser 402 Ludwig II., Kaiser 402 Lupold von Bebenburg 24, 131, 139, 455 Mailand 23, 27, 34 – 36, 47, 59, 97, 127 f., 202, 211 – 221, 227 f., 239, 255, 261, 282 – 284, 302, 315 – 317, 341, 347, 405, 412 – 414, 449, 452, 454 f. Majestätsverbrechen (crimen laesae maiestatis) 321, 323, 331, 335, 416, 451 Manfredi di Vico 267 – 269, 276, 280 f.
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Stichwortregister
Manfred, Kg. von Sizilen 128 Margarete, Gemahlin Kaiser Ludwigs des Bayern 211, 239, 249, 252 Margarete Maultasch 103 f., 160, 428, 444 Marino Sanudo, der Ältere 199 Martin von Troppau 85, 97, 144 f., 168, 170, 279, 364 Matthias von Neuenburg 37, 192, 213, 265 – 267, 269, 278, 335, 371, 385, 387 Mediziner 51 Michael von Cesena 287, 326, 353, 410 – 412, 437 f., 441, 443 Monarchie 120, 132, 134 f., 138, 181, 185 Montalto 411 f. Monza 213, 221, 414 Mühldorf am Inn 18 München 20 f., 24 – 26, 29 f., 32, 35, 37, 84, 96, 101, 107, 192, 201, 233, 236, 275, 288, 385, 409, 411, 414, 428, 443, 456, 459 Mussato, Albertino 34, 43 f., 48 – 52, 191, 202 f., 212, 226, 230, 234, 282 f., 326, 333 f., 338 – 343, 369, 389, 452, 454 Naturphilosophie 65, 379 Neapel 18, 22, 28, 102, 133, 139, 190, 197, 199, 205, 225, 236, 269, 272, 340, 379, 389, 395, 455 nicht-universales Kaisertum 116, 137, 139 Nicolaus Minorita 38, 264 f., 321 f., 360 – 362, 387, 411 f., 434, 437, 444 Nicolaus Burgundus 232 f. Nikolaus II. 361 f. Nikolaus III. 235, 406 Nikolaus V. (Pietro von Corvaro), Gegenpapst 20, 33, 170, 215, 218 f., 259 – 263, 277, 279 f., 286, 293, 305, 307, 316, 320, 334, 336, 338, 342 f., 348 – 353, 355 – 361, 363 – 365, 367 – 373, 377 – 382, 385 – 400, 403, 405, 410 f., 413 – 419, 438, 445, 448, 453 Nürnberg 80, 193, 196, 261, 267 f., 272 Oberitalien 19, 117, 236 Ockham, Wilhelm von 22 – 24, 102, 104,
107, 131, 138, 287, 326, 332, 377, 381, 410, 435, 441, 455 Öffentlichkeit 123, 201, 219 f., 229, 367, 451 Ostia 241, 260 f., 263, 309, 357, 418 Otto I., der Große 24, 143 f., 167 f., 170, 330 f., 409 Otto, Herzog von Österreich 257, 396 f., 430 Otto III. 143 f. Papstabsetzung 168, 324, 330 f., 334, 336, 342, 416 Papsteinsetzung 360, 377 Papstkrönung 396, 402 Papstwahl 81, 161, 166, 168, 175 f., 346, 349, 351 f., 361, 363, 365, 367, 417, 453 Papstwahlrecht 362, 365 Papstwahlverfahren 161, 174, 417 Paris 20, 23, 27, 29 f., 39, 41 – 45, 47 f., 50 – 75, 78 – 83, 87 f., 90 – 93, 97, 101 f., 105 f., 206, 217, 220 f., 243, 308, 380, 403 f., 406, 429 Parma 34, 412 – 414, 453 Patrimonium Petri 300, 406 Paulus, Apostel 164 f., 198, 344 f., 350 Pest 78, 382 f. Peter von Zittau 39, 192, 260 f., 336, 357, 387 Petrus, Apostel 39, 42 f., 51, 86, 106, 123, 164 f., 198, 209 f., 236 – 239, 259, 261, 265 f., 277, 344 f., 349, 354, 357 f., 361 f., 367 f., 371 – 373, 378, 382, 390, 396, 398, 429 Pfalzgraf vom Lateran 241, 244 – 248, 256, 268, 271 Pfründe 44, 46, 379, 387 Philipp VI., Kg. von Frankreich 425 Philosoph 15, 22, 24, 43, 62, 73, 78, 92, 106, 217 f., 317, 437, 452 Philosophie 23, 43, 65, 93, 96, 106, 131, 136, 138, 308, 338 Pietro d’Abano 42 f., 51 Pippin 112 f. Pisa 205, 229, 259 f., 262 f., 267, 287, 326, 336, 370, 411 f.
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532
Stichwortregister
plenitudo potestatis 77, 109, 389 Polis 177 Politikberatung 23, 176, 183, 186 f., 457 politisches Handeln 21, 25, 78, 218, 379, 454 politische Theorie 20 – 25, 73, 78 f., 89, 97, 102, 109 – 111, 120 f., 130, 133, 146, 156, 174, 176, 180, 208, 216, 306, 311, 314, 324, 327, 329, 339, 347, 421, 424, 447, 449, 451, 453 – 457 populus Romanus 123 f., 127 – 137, 145, 147, 227, 230, 232, 329, 450, 454, 457 Porto 241, 263, 309 Präfekt der Stadt Rom, Stadtpräfekt, prefectus Urbis 240, 265 – 267, 269, 276, 278 – 281, 309, 393, 447 Predigt 304, 325, 327, 337, 354, 381 Priesterweihe 149 f., 153, 175, 315 Primicerius der römischen Richter 241, 244 princeps Romanus 117 – 120, 132 f., 146, 172, 174, 310, 405 Prozeß 17, 19 f., 54, 57, 59, 94, 100, 189, 200 f., 235, 254 – 256, 259, 304, 306 f., 336, 338, 342 f., 348 f., 352, 357, 377 f., 396, 406, 408, 452 prudentes 180 – 183, 185 f. Publikationsverbot 428 Publizistik 454, 471 Quia iuxta doctrinam (1327) 54, 57, 59 f., 62 f., 79 f., 88, 200 f., 203, 206, 305 f., 408 Quia vir reprobus 444 Quoniam scriptura (1331) 107, 435 Reichsrechte 197, 415 Reichsvikar 18, 47, 50, 190, 196, 216, 317, 424 Reichsvikariat 17, 46, 267 Richard Löwenherz 402 Richter 151, 156, 159, 167, 183 f., 215 f., 243 f., 321 f., 329, 356, 359 Roberto de Bardis 70 Robert, von Anjou, Kg. von Neapel 18,
190, 197, 199, 205, 225, 236, 269, 272, 387, 389, 395, 455 Sachsenhäuser Appellation 20, 57, 59, 305 Sachverständige 184, 187, 439 Salbung 126, 139, 241, 244, 246 f., 249, 254 – 260, 263 f., 268, 285, 292, 296 f., 309, 357, 397 f., 401 S. Giovanni in Laterano 251, 387 f. S. Lorenzo fuori le Mura 387 f. sapientes 182 f., 366, 374 Savelli, Giacomo 225, 229, 243 f., 265 – 269 Schisma 133, 293, 362, 370 f., 379, 441 Schismatiker 248, 255, 337, 340, 377, 399, 441 Schreibverbot 101, 428, 435 Sedisvakanz 18 Senator, Senatoren 231, 233, 235, 240, 243 f., 251, 256, 265 – 267, 269, 276, 282, 343 Senlis 45, 73 Staat und Kirche 19, 23, 153 f., 308 stadtrömische Kaiserkrönung 286, 311, 450 S. Maria in Aracoeli 250 f., 353, 389 S. Maria in Transpondina 241 S. Maria in Turribus 241, 249 S. Maria in Via Lata 244 S. Maria Maggiore 230, 242, 249, 388 Statthaltung 217, 313, 317 f., 351 St. Peter, Sankt Peter 214, 230, 237, 239 – 242, 244 f., 248 – 250, 320, 354, 368, 387, 389 Subscripta videntur 222, 296 – 299, 455 supremus legislator 129, 136, 141, 158 f., 329, 348, 416 Theologe, Theologen 62, 91, 185, 208, 434 Thomas von Aquin 85 Thronvakanz 17 Tiara 369, 389, 391, 402 Tibaldo di Sant’Eustachio 229, 267 – 269 Tirol 103 f. Tivoli 354, 386 – 388, 390, 394 f.
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Stichwortregister
Todi 411 f. Tolomeo von Lucca 97, 99 f., 364 Toskana 190, 223, 286, 300, 379 Tractatus de iurisdictione imperatoris in causis matrimonialis 104, 118, 160 Translatio imperii 94, 96, 99 – 102, 109, 134 f., 140 – 142, 145 – 147, 220, 364, 458 Translationstheorie 96, 109 Trausnitzer Sühne, Trausnitzer Vertrag 189 Trient 55, 80, 190, 193 – 195, 197, 200 – 202, 211, 220, 225, 413, 424, 449, 454 Ubertino von Casale 338 – 342, 413 Ugolino von Celle 119 universale Gesetzgebungsbefugnis 133, 146 f. universaler Bischof 167 universalis legislator fidelis 161 Universalmonarchie 137, 167 universitas civium 111, 132, 134, 136 f., 150, 329, 348, 416, 457 Ut in composicione 435 valencior pars 110 f., 114, 129 Velletri 260 f., 263 Venerabilem (1302) 96, 126 Veröffentlichung 23, 29, 32, 38, 43, 62, 66 f., 142, 382
Verona 35, 46 f., 97, 190, 192, 212, 225 vicarius in spriritualibus 216, 313 – 317 Vikariat 17, 314 Villani, Giovanni 34, 55, 58 f., 200, 221, 231, 241, 251, 320, 353, 387, 454 Visconti, Azzo 219, 412 Visconti, Galeazzo 216, 219 Visconti, Giacomo 216 Visconti, Giovanni 213, 215, 217, 315 Visconti, Matteo 47, 49 f., 59, 87, 211 visio beatifica 436 f. Viterbo 229 f., 260, 279 f., 302, 314 f., 318, 393 Volkssouveränitätstheorie 311 Wahlmonarchie 181, 185 f. Weihe 126, 150, 152 f., 170, 244, 247 – 249, 254, 257 – 259, 263 f., 291, 296, 356 – 359, 386, 389, 397 f., 401 f., 418 Weistum 294, 297, 299 f. Widmung 75, 100 Widukind, Chronist 121 Wilhelm von Holland 193, 196 f., 214, 227 Wilhelm von Moerbeke 177 – 179 Wilhelm von Nangis, zweiter Fortsetzer des, frz. Chronist 55 – 58, 80, 87, 208, 239, 336, 358, 367, 387
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