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German Pages 272 Year 1992
MICHAEL LÖFFELHERGER
Marsilius von Padua Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat im "defensor pacis"
Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 57
Marsilius von Padua Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat im "defensor pacis"
Von Michael Löffelherger
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Löffelberger, Michael: Marsilius von Padua : das Verhältnis zwischen Kirche und Staat im "defensor pacis" I von Michael Löffelberger. Berlin : Duncker und Humblot, 1992 (Schriften zur Rechtsgeschichte ; H. 57) Zug!.: München, Univ., Diss., 1991 ISBN 3-428-07523-4 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 3-428-07523-4
Vorwort Der Einfluß von Marsilius von Padua auf die Politik wie die Geistesgeschichte wird noch heute weitgehend gegensätzlich beurteilt. Auch die so ausgezeichneten Untersuchungen von A. Gewirth und G. de Lagarde konnten nicht alle offenen Fragen lösen. So ist vor allem die Bedeutung der Theologie für die im "defensor pacis" vertretenen Thesen weitgehend unberücksichtigt geblieben. Mit ursächlich hierfür ist die Tatsache, daß die Theologie des 13. und des 14. Jahrhunderts in vielen Bereichen noch weitgehend unerforscht ist. Im Mittelpunkt der theologischen Auseinandersetzung jener Zeit stand die Frage des Verhältnisses des freien menschlichen Willens zur Gnade Gottes. Dieses war und ist innerhalb der christlichen Lehre auf Grund der sich widersprechenden Aussagen in den Briefen des Heiligen Paulus stets umstritten gewesen. Die Wiederentdeckung der ethischen Schriften des Aristoteles in der Scholastik hatte eine Neubewertung des menschlichen Willens in Theologie wie Philosophie zur Folge. Die hiennit verbundenen Probleme wurden erst in jüngster Zeit behandelt. Grundlegende Untersuchungen stehen noch weitgehend aus. In vorliegender Untersuchung beschränke ich mit auf die Untersuchung folgender Punkte: 1. Welche Auffassung vertritt Marsilius hinsichtlich des "liberum arbitrium" des Menschen? 2. In welchem Verhältnis stehen irdische und künftige Glückseligkeit zueinander? 3. Welche Auswirkungen hat die Betonung des Willens auf die im "defensor pacis" vertretene Gesetzeslehre? 4. Der Begriff der Kirche. 5. Die Organisation der Kirche.
Abschließend werde ich noch die wesentlichen Unterschiede zwischen der Auffassung von der Kirche bei Marsilius und Martin Luther aufzeigen. An dieser Stelle möchte ich Professor Dr. Sten Gagner für seine große Anteilnahme danken, mit der er das Entstehen dieser Arbeit verfolgt hat. Er hat
6
Votwort
mir in zahlreichen persönlichen Unterredungen mit Rat und Tat beigestanden, viele Gesichtspunkte aufgezeigt, die ich ansonsten übersehen hätte. Gewidmet ist das Buch meinen Eltern, die die Veröffentlichung leider nicht mehr erleben durften.
Rosenheim, Mai, 1990 Michael Löffelherger
Inhalt A. Leben und Werk ............ ......... ......................... ... ... ........................ ... .. .......... 15 I. Lebensgeschichte ..... .. ........ ... ..................... ... .. .. ... ..................... ... ... ... ... ... 15 II. Die Entstehungsgeschichte des "defensor pacis", die Frage der Urheberschaft .. .... ... 18 l. Die Frage der Urheberschaft . ...... ................. . .. .... ........ ................... ... ... ... 18 2. Zur Entstehung des "defensor pacis" ............... . .... .. ................. ... .... .. .. .... .... 19
m. Das Schrifttum zum "defensor pacis" .. . ... ...... ..... . ... .............. .. .... ....... ......... ... 21 IV. Zentrales Vorhaben des "defensor pacis" .. ...... ....... ...... .... ... .... ..... .... .... .... ... ... . 24 B. Die Rechtrertiguna des Menscheu ... .............................. .................. ... .. .. ......... ... 26 I. Gnade Gottes und menschliches Verdienst, die beiden Elemente der Rechtfenigung nach Marsilius ... ... .. ... . .. ......... .. . ...... ... ........... ....... .. .. ...... .. .... 27 II. Die Rechtfenigung des Menschen nach dem Neuen Testament. ......... ... ......... .... .. . 30
m.
Die Wende in der Rechtfenigungslehre: Augustinus und seine Lehre von der Gnade Gottes .. ......................... .. .. . .. ........................ .. .. ... ... ... ............ ... ... .. .... ... . 32
IV. Pelagius .. ......... ........ ...... . ......... ..... ............ ......... ................. .... . ... ...... .. .. 36 V. Die Feststellungen von A. Gewinh u. J. Quillet zu der Rolle der Freiheit des menschlichen Willens im "defensor pacis" .... . ..... .. .. .... .. .............. .. . .. .. ... .... .... .. 40 VI. Thornas von Aquin und die Lehre vom "liberum arbitrium" ............ ... ... .. ... .. .... .... 46 VU. Bonaventura und die Freiheit des menschlichen Willens .......... ... ... ....... .. ... .. .. .... .49
vm. Die Freiheit des menschlichen Willens als Prinzip der Moralität bei Wilhelm von
Ockham ....... ..... ........ .. ..... ... .... .... ..... ............ .. .. ...... . ....... .... . ..... ... .. .. ....... 50 ,
IX. Marsilius und die menschliche Willensfreiheit. ... ..... ... ... .. ...... .. . ........... .. ... ... ..... 55 X. Die Rolle der Gnade Gottes hinsichtlich der Rechtfenigung des Menschen ... ... ... ... .. 60 l. Der Mensch vor dem Sündenfall ... ... . ..... ......... . .... .. .... .... ..... ... ... ... ... ... ..... .. 61 2. Die Folgen des Sündenfalles .. .. .......... ............ ....... .............. .......... ...... ... .. 62 3 . Der Beitrag der Gnade Gottes im Rahmen der Rechtfenigung des Menschen nach Marsilius .. ..... ........ ... ... ............ .. ... .. ... ... ... ................. .. .. . ... .... .... ... 63
8
Inhalt 4. Die Lehre von der Gnade bei Thomas von Aquin .... ... ..................... .............. 64
5. Die Gnadenlehre Wilhelm von Oclchams ............ ... ... ................................ ... 69 XI. Die Lehre von der Prädestination ... . ..... ... ............ ... ......... ... ............ ....... ... .... 77
XII. Kune Zusammenfassung von Kapitel B ............. .. ..... ...................... .... .. .. ... .... 79 C. Das zweifache Ziel des Mensche.o .. ............................. ................... ....... ...... ... .... 81 I. Die diesseitige Glückseligkeit ..... ........ ..... ....... ....... ........... .... .. ........ ..... .... ... . 82 ß. Aristoteles ............................ .. ......... .. .............. ....... ... ..... .... .......... ... ... .... 82
m. Da• Verhältnis zwischen "felicitas civilis" und der Glückseligkeit des künftigen Le-
bens .... .................... ......... .. ......................... ... .. ....................... ............. 84 I. Bisherige Untersuchungsergebnisse ...................... .. .................. .... ....... ... ... 84
2. Thomas von Aquin und das zweifache Ziel menschlichen Lebens .... ... ... .. ...... .... 87 3. Marsilius ..................... . .. ............................ ... ... ..................... ... ... ....... 89 IV. Die Eigenverantwortung der Menschen fiir die Ausgestaltung ihrer staatlichen Ordnung ....... .................... ...... ... ...................... ...... ........................ ... . ...... ... 90
V. Kune Zusammenfassung von Kapitel C .. .... ...... .. .... .. ... ... .. .. ..... ..... .. .... ...... .. ... 91
D. Die Gesetzeslehre ...... ... .. .... .... .. .. ........... .. ... .. . ... ..... ... ... ...... ..... ....... .. .. ... ..... ... . 93 I. Die Bedeutung des Begriffes "Iex• ... ...... ............. ... .. . .. .................. . .. ... .... ... ... 93 II. Die Lehre vom Naturgesetz bei Marsilius ............ .... .................. .. .. .. .. .... ......... 96 I . Die Unterscheidung zwischen ideeller und existentieller Naturrechtslehre durch Hans Welzel ... ... .. ........... .. ... ............ ........... .... .. ....... .. ........ ....... ...... .. .. 98 2. Der Begriff der "Iex naturalis" ......................... ... ...................... .... .. .... .. .. . 99 3. Die ideelle Naturrechtslehre ........................... .. ... .. .. .................... ......... . 101 a) Die Stoa .. .. .. . .... ..... ... .. .... ............. ... ...... . ........ ..... ... ............. .... .. ..... 101 b) Der Beitrag des Christentums .................. .... ....... .. .. .. ............ .. .. .. ........ 103 c) Die Lehre vom Naturgesetz bei Thomas von Aquin ...................... ...... .... . 104 d) Marsilius und die idealistische Naturrechtslehre .... .................................. 107 4. Die existentielle Naturrechtslehre nach Hans Welzel .. ...... ... ............. .... .. ..... .. 108 a) Duns Scotus .............. . .. .. .......... .. ........... . .............. .......... .. .. .. .. ....... . 108 b) Wilhe1m von Oclcham .. ...... ...................... .. ................ .. ...... .... .. .. .. .... . 111
Inhalt
9
5. Marsilius und die existentielle Naturrechtslehre .. .. .. ................... .... .... ......... . 113
m. Das göttliche Gesetz ... .......... ............ .. ............. ............ .. .. ......... ... .... ...... 120 1. Wesen und Aufgabe des göttlichen Gesetzes ........ ...... .. ......... ....... ... .. .... ... .. 121 a) Das göttliche Gesetz als geschriebenes Gesetz .. .. . .... .................. .. .. .... ...... 121 b) Die beiden Aufgaben des göttlichen Gesetzes .... ...... ............. ... ... ... ........ .. 124 2. Die Gebote und Vernote des göttlichen Rechts .... .... ... ............ ....... .... .. ...... .. 124 a) Die alleinige Autorität der Heiligen Schrift nach Marsilius ............... ... ...... .. 125 b) Das Verhältnis zwischen Neuern und Altem Testament. ................. ....... .. ... 128 c) Die Auslegung der Heiligen Schrift ........... .. .. ... ...... .. , ........ . .... .......... .. .. 132 IV. Die Exkommunikation .. ... .. .... ... ... ...... .. .......... ........ ....... .... ..... ..... ....... ...... 136 V. Zusammenfassung von Kapitel D . ... .... .... ....... ..... .. ....... ....... .... ... ... .... ......... 139
E. Der Begriff der "elddesia" im "deFeosor pacis" ............ ... ... ...... ... ........... ....... ... ... 141 I. Bestimmung des Begriffes "ell.lesia" durch Marsilius .. ... ........ ...... ... .... ... ...... ... 141
n.
Bisherige Untersuchungen bezüglich der von Marsilius vertretenen Lehre von der Kirche ....... ...... ...... ... .. ..... ....... ..... ... . ... ... ..... . .. .. ........ .. .. ............. .. .... ... .. 142 I. Alan Gewirth ... ... .............. ............................ ... ........... .......... .. .... ... .... 142 2. Jeannine Quillet ....... . ..... ... .. ......... .............. ... .. . ...................... ...... .. ... . 144 3. Georges de Lagarde ... ..... .. .... ........... ........... ....... .................. .. ....... ... ... 145 4 . Johannes Heckel .. ... ...... .. .. ...... .... .... ..... ..... . .............................. . ..... ... . 147
5. Heiner Bielefeldt ... ...... ... .. ................... .... ..... ... ................. .. .. ... ... ... ..... 150
m. Die Lehre vom Reich Gottes im "Defensor pacis" ; die Unterscheidung zwischen
"regnum Christi in hoc seculo" und "regnum futurum Christi" ............. ... ... ... .... . !51
IV. Reich Gottes und Kirche im Neuen Testament ......... ... ... .... .... .. ........ . .. ... ... .. ... 153
1. Die "basileia" Gones als Mittelpunkt der Lehre Jesu ... ........ .. ..... ... ...... ... ...... 153 2. Die Kirche .. ............. ...... ... .. ....................... ... .... ............ ........ ... . .. .... .. 155 3. Der Beitrag des Heiligen Paulus zur christlichen Ell.lesiologie ..................... .. 156 V. Der Wendepunkt in der Ell.lesiologie: Augustinus ... ... ... ... ...... .. .... ...... ......... .. . 158 I . Der Gottesstaat .. ... ... .. ........ .... ... .. ............ .... ... ............ .... .... .... ........... . 159
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Inhalt 2. Die Kirche ...................... . .. .................... .. ... .... .. ..................... ... ..... ... 163 VI. Die Lehre von der Kirche in der Scholastik ...... .... ........ ................ ...... ... ... ... .. 165
1. Unterscheidung zwischen sichtbarer und wahrer Kirche durch die Theologie der Scholastik .................. .. .......................... ... ... ....... .............. ... . .. ... .. 165 2. Thomas von Aquin und seine Auffassung von der Kirche ................... ......... .. 166 VD. Marsilius und seine Unterscheidung zwischen "ccclesia univcrsalis" und "ccclesia particularis • .................... .. .. ... ........... .... .. ... .. ...... .... ................ .. .. ... ...... .. 168 VIII. Zusammenfassung von Kapitel E ............... ..... ..... ... ... ..................... .... ... ... .. 173 F. Aufbau und Organisation der Kirche ........................................................ ....... 175 I. Die Gleichheit aller Priester in ihrer Schlüsselgewalt .. ... ... ........ .......... ... ..... ..... . 175 U. Die Verwaltung der Sakramente als Schwerpunkt der priesterlichen Gewalt .. .... .. ... 186 l. Marsilius und seine Auffassung vom Sakrament der Buße ........ ........ ... ........ ... 186
2. Die Lehre vom Bußsakrament in der Scholastik ... .. ..... .................. .. ..... .. .. .. . 189 a) Die altkirchliche Tradition: Petrus Lombardus .... .. ........................ ...... .. .. . 189 b) Die neue kirchliche Pruis: die klassische Lehre vom Sakrament der Buße des Heiligen Thomas von Aquin .............. ..................... .. .... ......... ...... .. .... 190 c) Wilhelm von Ockham .... .... .................... .......... ........ .. .............. .. ...... . 193 3. Marsilius .................... . .. ... .. ............ ........ .. .... ........ .............. ... .... ..... .. 193
m.
Die Unterordnung des Klerus unter die weltliche Gewalt .. .... .. .... .. ......... ........ ... 195 1. Die Unterordnung von Papst und Klerus unter die weltliche Gewalt kraft ausdrücklicher Anordnung Christi ... .. ...... .. ...... .. .. . ... ............. ......... ..... . .... ... . .. ..... 196 2. Das Verhältnis zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt bei Paulus; seine Trennung zwischen Priester- und Herrscheramt ...... .... .. .... .................. .... .. .. ...... 200
IV. Die •ecclesia universalis • .... .............. .. .............. .. .... .. ................... .. .. .. ...... 202 l. Trennung zwischen "ecclesia universalis" und "ecclesia Romans" .. .. ............. ... 203
2 . Wesen und Aufgaben der "ecclesia universalis" ...... .... .. .... .. ...... ...... .... .... .. .. 205 3. Die Repräsentation der "ecclesia universalis": die Gesamtheit der Gläubigen bzw. das allgemeine Konzil .. . ... .. .. .. ..... .... .. ...... .. .. ..... ... ......... ... ..... .... .. ....... ... 206 a) Überblick über die bisherigen Untersuchungen des "defensor pacis" bezüglich der Frage des Konziliarismus ........ .. .. .. ..... .... .......... .. .... .... ...... .. .... .... .. 207 b) Das Konzil als Repräsentant der "universitas fidelium• ........ .. .. .... .. .. .... ...... 209
Inhalt
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c) Die Zusammensetzung des allgemeinen Konzils .. ........................... ... .... .. . 212 d) Die Unfehlbarkeit der Entscheidungen des allgemeinen Konzils ...... ... ......... . 215 e) Die Befugnis zur Einberufung eines allgemeinen Konzils sowie zur Ausführung seiner Entscheidungen: der menschliche Gesetzgeber, der keinen höheren über sich kennt ................. .............................. ... . ..................... ... ..... ... . . 217 aa) Die Befugnis zur Einberufung eines allgemeinen Konzils ........ ... .... .. ... . 217 bb) Die Ausführung der Beschlüsse des allgemeinen Konzils ........ ... ... ... ... . 219 cc) Der gläubige menschliche Gesetzgeber, der keinen höheren über sich kennt ................ ... ........................... .... .... ................. ........ .... . 221 4. Aufgabe und Stellung des Papstes innerhalb der • ecclesia universalis • .... .... .. ... . 223
5. Der Mythos der Alten Kirche ......... .. ... ........... ... ............ ............ . .. .... .. ... . 226 V . Die • ecclesia particularis • .... ... ............... .. ........ . .. ... ......................... ... .. .... 228 l. Wesen und Aufgaben der "ecclesia particularis" ... .. .... .... .............. .. ... ...... ... . 229
2. Die Unterscheidung zwischen Klerus und Laien; die Priester als besonderer Stand im Staate ....... ............... ... ................ ......... ... . .. ..................... . .. ... ... .. .. 230 3. Der menschliche Gesetzgeber: die Amtseinsetzung der Geistlichen ......... ..... .... . 232 VI. Zusammenfassung von Kapitel F ........... ... ......... . ... ... ........ ................ ... .. .... . 236
G. Marsilius und Martin Luther ....... ......................... ......................................... 238 I. Die unterschiedliche Auffassung von der Gnade Gottes und der Freiheit des menschlichen Willens bei Martin Luther und Marsilius von Padua ............ .... ... . .. ...... ... . 239 II. Die Kirche nach Martin Luther ... ............... .. ...... ........ ............... ...... .. .... .. .. . 244 l. Die Lehre von den beiden Reichen ................. . .. ... .. ................ ....... ..... .. .. . 244
2. Die Aufhebung der Unterscheidung zwischen Klerus und Laien durch Martin Luther ...... ..... ... .......... ........ ..... ... . .. ... ...... . .. ... ... ... ... . ... ........ ... ... ........ 245 3. Die Unterscheidung zwischen sichtbarer und wahrer Kirche .. .. ........ .. .. .. ........ . 246 a) Die "ecclesia spiritualis" ... ........................ .... .. ... .. ..................... .. .. .. .. . 246 b) Die sichtbare Kirche ................................. .. .......................... .. ..... .... 248 c) Wesentliche Unterschiede zwischen Marsilius und Martin Luther .. .... .. .. .. .. ... 250 III. Der Angriff Martin Luthers gegen die römische Kirche, seine Schrift • An den christlichen Adel deutscher Nation• ........ ........... .. .. .. .... .... .. .. .. .. ...... .. .... ..... .. 251
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Inhalt IV. Das Verhältnis von Kirche und Staat: die Zwei-Regimente Lehre Martin Luthers ... . 254 V. Zusammenfassung von Kapitel G ............. ..... .... ..... .. .... .. ............. .......... .. .. . 258
Nachwort ................................................................. ........................... ... ........ 260 Literatunerzeichnis ................... ... ...................................................... ........... .. 262
Abkürzungen I. Zeitschriften, Sammelwerke, allgemeine Abkürzungen: Concilium =
Concilium. Internationale Zeitschrift für Theologie
CR=
Corpus Reformatorum, Berlin 1834 ff; Leipzig 1906 ff.
CUP=
Chartularium universitatis Parisiensis
DA=
Deutsches Archiv: für die Erforschung des Mittelalters 1937 bis 43; für die Geschichte des Mittelalters, 1950 ff.
DHGE =
Dictionnaire d'histoire et de geographie ecclesiastique, hrsg. von A. Baudrillart u.a., Paris 1912 ff.
DS =
Denringer-Schönmetzer (Quellensammlung)
EKL =
Evangelisches Kirchenlexikon. Kirchlich-theologisches Handwörterbuch, Göttingen 1955 ff.
FStud
=
Franziskanische Studien, Wer! 1914 ff.
=
GCS
Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten 3 Jahrhunderte, Leipzig 1897 ff.
HdbDG
=
Handbuch der Dogmengeschichte, hrsg. von M. Schmaus u.a.
HdbKG
=
Handbuch der Kirchengeschichte, hrsg. von H. Jedin
HJ =
Historisches Jahrbuch der Görresgesellschaft, 1850 ff.
HZ=
Historische Zeitschrift
JTHS LuJ
=
=
The Journal of theological Studies, London 1899 ff. Lutheijahrbuch
14
Abkürzungen
Mansi
=
J.D. Mansi, Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio, Neudr. Paris 1899 ff.
M.G.
=
Monumenta Germaniae Historica, 1826 ff.
M.G. Const.
=
MI\G
Constitutiones et Acta publica imperatorum et regum (MGH Legum Sectio IV) Mitteilungen des Instituts für \sterreichische Geschichtsforschung, 1880 ff.
NS
=
Neue Serie
PG
=
J.P. Migne: Patrologia. Series Graeca
PL
=
J .P. Migne: Patrologia. Series Latina
RHR
=
Revue d' histoire ecclesiastique, Löwen 1900 ff.
RSR
=
Recherehes de sciences religieuses, Paris 1910 ff.
Speculum
=
Speculum. A Journal of medieval studies, 1926 ff.
WA=
M. Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Weimar 1883 ff.
WdF =
Wege de,r Forschung
ZKG
=
Zeitschrift für Kirchengeschichte
ZRG
=
Zeitschrift der Savignystiftung für Rechtsgeschichte
A. Leben und Werk I. Lebensgeschichte Aus der Biographie des Marsilius von Padua können trotz zahlreicher Untersuchungen - am umfassendsten beschäftigte sich bis heute Johannes Haller 1 mit seinem Leben - nur wenige Tatsachen als gesichert angesehen werden. Alles weitere beruht in der Regel auf Vermutungen des jeweiligen Gelehrten. Marsilius von Padua wurde zwischen 1275 und 1280, 2 nach anderer Ansicht 1290,3 als Sohn des Universitätsnotars Bonmatteo dei Mainardini geboren. Die Familie der Mainardini gehörte den Populanen an. Für das frühe Leben des Marsilius bildet ein halb scherzhafter, schwer verständlicher und schlechtüberlieferter Brief des Dichters und Historikers Albertino Mussato die nahezu einzige Quelle. 4 Dieser Brief, den Musatto seinem Freund Marsillius gewidmet hat, läßt eine genaue Datierung der in ihm angesprochenen Ereignisse nicht zu. Diese werden nur angedeutet, das Jahr der Abfassung des Briefes ist nicht festgehalten. Er dürfte um das Jahr 1319 verfaßt worden sein. 5 Aus diesem Brief erfahren wir, daß Marsilius einst geschwankt habe, ob er Jurist oder Arzt werden solle. Dem Rat seines Freundes Mussato folgend habe er sich schließlich der Medizin zugewandt. Ob dies vor dem Jahre 1311 oder
1Haller, Zur Lebensgeschichte des Marsilius von Padua. 2siehe hierzu : Scholz, Marsilius von Padua. Defensor Pacis, Einführung S. LIV mit weiteren Nachweisen. So kommt z.B. Brampton zu dem Schluß, Marsilius sei etwa um 1278 geboren (Marsilius of Padua. Life, S. 50! ff., 501); Riezler hingegen läßt Marsilius um 1270 geboren sein. (Die literarischen Widersacher der Päpste zur Zeit Ludwigs des Bayern, S. 30 ff. 3 Haller, S. 167 ff., 175 . 4Der Text des Briefes ist als Anhang veröffentlicht bei: Haller, S. 195 ff. 5Previte-Orton, The defensor pacis of Marsilius of Padua, Einführung S. IX f., datiert die Verfassung des Briefes auf das Jahr 1326, Brampton, S. 503, hingegen glaubt feststellen zu können, der Brief sei um das Jahr 1312 verfaßt worden. Er beruft sich hierbei auf Vaois, Jean de Jandun et Marsile de Padoue, auteurs du "defensor pacis" ,S. 560 ff.; Haller hingegen glaubt beweisen zu können, der Brief stamme aus der Zeit, als Marsilius sich zu seinem zweiten Aufenthalt in Paris anschickte, d.h . aus dem Jahre 1319. (Haller, 170 ff., 180 f.) Die Darlegung Hallers für diese Annahme ist schlüssig und einleuchend, kann aber nicht als gesichert angesehen werden.
16
A. Leben und Werk
zwischen Juli 1311 und März 1312 geschah, 6 mag dahingestellt bleiben. Ab Herbst 1312 lebt Marsilius jedenfalls in Paris. Er lehrte dort als Magister Artium an der Universität Philosophie. Wo und wann Marsilius den Magistergrad erworben hat, ist unbekannt. Vers 41 ff. des Briefes ist jedoch zu entnehmen, daß Marsilius bereits an der Universität seiner Heimatstadt Padua philosophische Studien betrieben hat. Sein dortiger Lehrer dürfte der bekannte Arzt und Philosoph Pietro d'Abano gewesen sein.? Von Weihnachten 1312 bis März 1313 bekleidet Marsilius das Amt des Rektors der Pariser Universität. 8 Die folgenden Jahre im Leben des Marsilius liegen wieder völlig im Dunkel. Im Herbst 1313 soll sich Marsilius, Bürger des guelfischen Paduas, in den oberitalienischen Kämpfen der Partei der Ghibellinen angeschlossen haben. Dieser sein erster Versuch in der Politik soll mit einer persönlichen Enttäuschung geendet haben. Marsilius soll zu seinem Medizinstudium zurückgekehrt sein. In welchem Jahr dies war, ist unbekannt. Am 13. Oktober 1316 wird Marsilius von Papst Johannes XXII. eine Exspektanz auf ein Kanonikat an der Domkirche zu Padua verliehen. 9 Die Quellen schweigen wieder, ob Marsilius diese kirchliche Pfründe je besessen hat. Ebensowenig ist ihnen zu entnehmen, Marsilius sei Geistlicher gewesen. Die verliehene Anwartschaft auf ein Kanonikat verpflichtete ihn jedenfalls nicht zum Empfang der priesterlichen Weihen. Die Verleihung dieser Pfründe erfolgte aus Anlaß des Papstwechsels. Dies war der regelmäßige Weg, auf dem ein Gelehrter der damaligen Zeit in der Kirche zu Amt und Würden gelangte.10 Zumindest zur Erwerbung der Exspektanz, die Marsilius am 14. 10. 1316 übertragen wurde, scheint Marsilius persönlich in Avignon am Hofe des Papstes gewesen zu sein. 11 In der Zeit von 1316 bis 1318 widmete er sich wahrscheinlich wieder seinen Studien der Medizin bzw. Philosophie. Er schloß sich damals, wie Vers 71 f. uns mitteilt, einem berühmten Doktor an. Ob es sich hierbei um den Exekutor
6Es handelt sich um die Interpretation des Verses 19 aus Mussato's Brief "Me, bene si recolis, Paduae dum regna manerent, .. . " d.h . die Übersetzung: "als in Padua das Reich - d.h. die Reichsbeamten- weilte",d.h. unter Heinrich VII. zwischen dem 20. Juli 1311 und dem 15 . März 1312, oder "als Padua noch seine Herrschaft- seine Freiheit - besaß", d.h. vor dem 20. Juli 1311. 7so: Scholz, EinleitungS. Llll. 8oenifle et Chatelein, Chartularium universitalis Parisiensis li, 2 S. 158. 9oer Text der Urkunden befindet sich z.B. in: Rietzler, Vatikanische Akten zur deutschen Geschichte, S. 5 Nr. 6, 66 Nr. 100; die Expektanz auf ein Kanonikat wurde mit Schreiben vom 5. April 1318 auf die nächste in der Diozöse Padua freiwerdende Pfriinde erweitert. !Oso: Haller, S. 178. llzu der Tatsache, daß Marsilius das Leben am päpstlichen Hofe zu Avignon kannte, siehe: Marsilius, Defensor pacis, II c 24.
I.· Lebensgeschichte
17
der Exspektanz, den berühmten Arzt und Archidiakon von Bologna, Wilhelm von Brescia, oder einen anderen Gelehrten jener Zeit gehandelt hat, ist uns nicht überliefert. 12 1318/19 wendet sich Marsilius erneut der Politik zu. Er unterstützt wieder aktiv die italienischen Ghibellinen. Er gehört 1319 deren Gesandtschaft an, die den Bruder des französischen Königs, den Grafen Karl von Manche, zur Übernahme der Führerschaft ihrer Partei bewegen sollte.l3 Der Plan scheiterte an dem Widerstand der Kurie und des französischen Hofes. 14 1320 scheint eine erneute Wendung im Leben des Marsilius eingetreten zu sein. Marsilius lebt wieder in Paris, lehrt an der dortigen Universität Philosophie. Er soll daneben den Beruf eines Arztes ausgeübt haben. Vor allem muß Marsilius, und dies ist wichtig, 1320 das Studium der Theologie aufgenommen haben. Diesen Schluß läßt die Aussage eines gewissen Franziskus aus Venedig vom 20.5.1328 zu, Marsilius habe vor seiner Abreise eine theologische Vorlesung halten wollen. Hierfür habe er sich von mehreren Freunden eine größere Summe Geldes geborgt. 15 Um eine solche Vorlesung halten zu dürfen, muß Marsilius mindestens seit 1320/21 theologische Vorlesungen gehört haben. 16 Am 24. Juni 1324 schließt Marsilius sein berühmtestes Werk, seinen "defensor pacis" ab. Erst im Jahre 1326 verzeichnen zeitgenössische Chronisten dessen Erscheinen. 17 Durch die Entdeckung seiner Verfasserschaft ist Marsilius gezwungen, zusammen mit Johann von Jandun an den Hof Ludwigs des Bayern zu fliehen. Am 23. 10.1327 werden mehrere Sätze aus dem "Defensor pacis" als ketzerisch verurteilt. Mit Spruch vom 20. April 1329 wird die Verurteilung von Marsilius und Johann von Jandun als der Verfasser des "Defensor pacis" aufrecht erhalten. I&
12Für Wilhelm von Brescia spricht sich Haller, S. 179 f. aus, da dieser Exekutor der beiden Expektanzen des Marsilius gewesen sei. Richard Scholz, EinleitungS. LVI Anm. 1 hingegen meint, Vers 71 f. könne ebensogut auf Johann von Jandun anspielen. 13 scholz Richard, EinleitungS. LVI; Haller, S. 180 f. 14Für den Widerstand des päpstlichen Hofes siehe den Brief des Papstes Johannes XXD. vom 29 . April 1319 an Bemard-Jourdain IV, Sieur de L'Isle Jourdain in: Molla!, Registres de Jean XXD. Lettres secretes nr. 860. In diesem Brief spricht Papst Johannes XXD. gereizt von "illum Ytalicum, qui dicitur Marcillo" und seine Ghibellinischen Genossen. 15 Aussage des Franzislrus von Venedig in: Baluze, Miscellanea, Ausgabe Mansi U, S. 280 ff., Lucca 1761. 16siehe hierzu : Haller, S. 183. 17Kiosener, Chroniken der deutschen Städte Vill, S. 70. 18Bullen Papst Johannes XXD. vom 23. Oktober 1327 (M.G. Const. VI n. 277) und vom 20. April 1329 (M. G . Const. VI S. 336, 477). 2 Löffelberg"'
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A. Leben und Werk
Während des Romzuges 1329 gehören Marsilius und Johann von Jandun zu den einflußreichsten Ratgebern des deutschen Kaisers. Die Ereignisse in Rom, vor allem die Kaiserkrönung Ludwigs des Bayern durch das römische Volk, sind wesentlich von Marsilius geleitet worden. Mit dem Zusammenbruch der Italienpolitik Ludwigs des Bayern verschwindet auch Marsilius von der politischen Bühne der damaligen Zeit. Marsilius soll weiter am Hofe Ludwigs des Bayern in München gelebt haben. Er soll dort als Arzt tätig gewesen sein.l9 Aus diesen späten Jahren stammen seine Schriften: a) "Tractatus de translatione Romani imperii", b) "Defensor minor" sowie c) Schriften über die kaiserliche Jurisdiktion in Ehesachen. 1342/43 verstirbt Marsilius. Jedenfalls wird er von Papst Clemens VI. in einer Rede aus dem Jahre 1343 als verstorben bezeichnet. 20
ß. Die Entstehungsgeschichte des "defensor pacis", die Frage der Urheberschaft Die Entstehungsgeschichte des "defensor pacis" liegt ebenso wie das gesamte Leben des Marsilius im Dunkel. Sicher ist alleine, daß der "defensor pacis" am 24. Juni 1324 vollendet wurde.21 Strittig ist bereits, wer den "defensor pacis" verfaßt hat.
1. Die Frage der Urheberschaft. In Teil 1 Kapitel 1 § 6 bekennt Marsilius, er sei der alleinige Verfasser des "defensor pacis". Doch bereits viele Zeitgenossen hielten den "defensor pacis" für ein gemeinsames Werk von Marsilius und Johann von Jandun.22 In den beiden Bullen gegen den "defensor pacis" werden Marsilius von Padua und Johann von Jandun gemeinsam als Urheber des Werkes bezeichnet.23 Auch Franziskus aus Venedig führt in seiner oben erwähnten Aussage neben Marsilius Johann von Jandun als Verfasser des "defensor pacis" mit an.24 Dieser Widerspruch führte immer wieder dazu, die Einheit des "defensor pa19siehe hierzu: Scholz, EinleitungS. LVID. 2°siehe hierzu: Scholz, EinleitungS. LVID Arun. 2. 21vgl. Haller, S. 185 ff.; Scholz, EinleitungS. LVID. 22siche hierzu: Haller, S. 185 Anm. 2. 23 Aussage des Franziskus von Vendig in: Baluze, Miscellanea, Ausgabe Manis ll, S. 280 ff. Lucca 1761. 24Bullen Papst Joahnnes XXll. vom 23.0ktober 1327 {M.G.Const. VI n 277) und vom 20. April 1329 {M.G. Const. VI S. 336, 477).
D. Zur Entstehung des "defensor pacis"
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cis" zu bestreiten. Vor allem Teil 1 Kapitel 2 bis 18 wurden als das Werk des Franzosen Johann von Jandun angesehen. 25 Neuere Untersuchungen bestätigenjetzt aber die Annahme, daß der "defensor pacis" ausschließlich von Marsilius von Padua verfaßt wurde. 26 So ergaben Stilvergleiche, daß zwischen dem Stil Johann von Janduns und dem des "defensor pacis" keine Ähnlichkeit, zwischen Teil 1 und den Teilen 2 und 3 des "defensor pacis" hingegen keine wesentlichen Stilunterschiede bestehen. Darüberhinaus liegt zwischen dem • defensor minor" und dem "defensor pacis" Stilgleichheit vor. 27 So kommt Richard Scholz zu dem Schluß, der "defensor pacis" bilde stilistisch eine Einheit, sei von einem Autor geschrieben. Auch könne inhaltlich nicht auf die Urheberschaft zweier Personen geschlossen werden. Schließlich sei zu bedenken, daß Padua nach Paris die zweite Hochburg des Averroismus gewesen sei. Pietro d'Abano, ein bedeutender Vertreter dieser Lehre, sei der erste Lehrer von Marsilius gewesen. Eine Beeinflussung des Marsilius durch Johann von Jandun sei zwar nicht auszuschließen, ebensowenig aber auch festzustellen. Nachweisbar ist nur die Freundschaft der beiden Männer während der in Betracht kommenden Zeit der Abfassung des "defensor pacis", die einen gegenseitigen Gedankenaustausch zur Folge gehabt haben könnte. 28 Auch A. Gewirth29 und G. de Lagarde30 halten die alleinige Urheberschaft des Marsilius für erwiesen. Nach G. de Lagarde sei vor allem bemerkenswert, daß Johann von Jandun selten Aristoteles zitiere, ohne nicht dieses Zitat mit einer Anmerkung von Averroes zu verbinden. Der Autor des "defensor pacis" habe sich im Gegensatz hierzu auf eine alleinige Zitierung der Schriften des Aristoteles beschränkt. 31 Eine Beeinflussung durch Johann von Jandun halten auch Gewirth und G. de Lagarde für möglich, an einer alleinigen Urheberschaft des Marsilius sei jedoch nicht zu zweifeln. 2. Zur EntsTehung des "defensor pacis"
Nach heutiger Erkenntnis gilt als gesichert, daß Marsilius den "defensor pacis" alleine verfaßt hat. Augenfällig ist die unterschiedliche Thematik von Teil I und Teil II. Teil I besticht durch seine Nüchternheit. Marsilius läßt hier
25so z.B. : Riezler, Die literarischen Widersacher der Päpste, S. 56; Valois, Jean de Jandun et Marsile de Padoue, auteurs du "defensor pacis", S. 571. 26 insbes. : Scholz, EinleitungS. V ff., LI ff.; Lagarde de, Le "defensor pacis", S. 33 ff.; Gewirth , John of Jandun and the Defensor Pacis, S. 267- 272. 27so: Scholz, EinleitungS. LII Lagarde de , S. 36 ff. 28scholz, S . Lill. 29Gewirth, S. 269 f. 30Lagarde de, S. 39. 31 Lagarde de, S . 35.
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A. Leben und Werk
an Hand der aristotelischen Philosophie vor den Augen des Lesers seine Lehre vom Staat entstehen. In Teil II tritt er hingegen als unversöhnlicher Gegner des Papsttums hervor. Er versucht voller Leidenschaft den Machtanspruch der Kirche zu bekämpfen. Marsilius offenbart sich in seinem "defensor pacis" zugleich als nüchterner Gelehrter wie als glühender Politiker, leidenschaftlicher Gegner des Papsttums, das er für die innere Zerrissenheit seiner Heimat Italien verantwortlich macht. 32 Unter diesem Lichte ist die Entstehung des "defensor pacis" eingehender zu betrachten. Wann Marsilius mit der Abfassung des "defensor pacis" begonnen hat, ist bis heute unbekannt. Gesichert ist hingegen, daß er seinen "defensor pacis" am 24. Juni 1324 vollendet hat. 33 Veröffentlicht wurde der "defensor pacis" erstmals im Jahre 1326. 34 Ob Marsilius diese Veröffentlichung selbst veranlaßt hat, ist unbekannt. Hiergegen spricht, daß Marsilius für das Jahr 1326 die Abhaltung eines Bibelkurses geplant, Johann von Jandun am 19. Juni 1324 in Paris ein Haus auf Lebenszeit gemietet hatte. 35 Beides läßt den Schluß zu, daß Marsilius und Johann von Jandun sich auf einen längeren Aufenthalt in Paris eingerichtet hatten. Ferner steht einer geziehen Veröffentlichung durch Marsilius die Tatsache entgegen, daß der "defensor pacis" noch im Jahre 1327 nicht erhältlich war. In der ersten Vorladung durch die Kurie vom 9.4.1327 wurde gegen Marsilius und Johann von Jandun der Vorwurf der Häresie noch nicht erhoben. Anhaltspunkte für einen Ketzerprozeß haben der Kurie damals offensichtlich noch nicht vorgelegen. Erst am 23.10.1327 erfolgte die Verurteilung mehrerer Sätze aus dem • defensor pacis" als ketzerisch. 36 Weshalb hat Marsilius seinen "defensor pacis" nicht unmittelbar nach der Fertigstellung veröffenlicht? Hatte nicht im Jahre 1324 die Auseinandersetzung zwischen Papst Johannes XXII. und Ludwig dem Bayern ihren ersten Höhepunkt erreicht. Eine Schrift wie der "defensor pacis" wäre für Ludwig den Bayern von großem Nutzen gewesen. Schließlich versucht Marsilius hier den Nachweis zu erbringen, daß der Anspruch des Papsttums auf weltliche Macht mit der Lehre Christi und der Apostel in Widerspruch stehe. Richard
32vgl. hierzu den BriefMussato's bei: Haller , 190fT. 33Dies ergibt sich aus der Angabe in den beiden ältesten Handschriften. Siehe hierzu: PreviteOrton, The Defensor Pacis of Marsilius of Padua, Einleitung S. XI, S. SO I. 34 siehe hierzu u.a. das Gedicht "Oe Bavarii apostasia", abgedruckt in: Neues Archiv XXV S. 714. 3Soie Absicht des Marsilius, im Jahre 1326 einen Bibelkurs abzuhalten, ist der Aussage des Franziskus von Venedig zu entnehmen; s.o.: S. 18 Anm. 23; zur Miete des Hauses durch Johann von Jandun siehe: Valois, S. 588 . 36Bullen Johannes X:XU. vom 3., 9. April 1327: M. G. Const. VI n 274; vom 23 . Oktober 1327: M. G . Const. VI n 277.
III. Das Schrifttum zum "defensor pacis"
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Scholz übergeht das Problem der Nichtveröffentlichung. Johannes Haller vermutet, daß der "defensor pacis" nicht zur Veröffentlichung bestimmt gewesen sei. Er stelle lediglich eine Denkschrift dar, die geheim bleiben sollte. 37 Dieser Lösungsvorschlag überzeugt wenig. Ein Pamphlet wie den "defensor pacis" verfaßt man nicht, um es anschließend im Schreibtisch ruhen zu lassen. Marsilius selbst gibt zu erkennen, daß er mit seinem "defensor pacis" aktiv in die Auseinandersetzung zwischen Papsttum und Kaiser eingreifen will. Ludwig der Bayer soll die im "defensor pacis" entwickelten Lehren in die Wirklichkeit umsetzen, hierdurch seiner Heimat Italien den Frieden sichem.38 Jede Antwort auf die Frage, aus welchem Grunde Marsilius im Jahre 1324 seinen "defensor pacis" nicht veröffentlicht hat, kann nur eine Vermutung darstellen.
m. Das Schrifttwn zum "defensor pacis" Der "defensor pacis" hat in den letzten Jahrzehnten eine Beachtung gefunden, die über die Grenzen nationaler Geschichtsschreibung und eines einzelnen Wissenschaftsgebietes weit hinausreicht. An den Versuchen einer Interpretation beteiligten sich neben der Geschichte die Philosophie, die Rechtswissenschaften und die Politikwissenschaften. Die Vielseitigkeit der Studien spiegelt eine universale Anteilnahme wieder, wie sie in der Regel nur richtungsweisenden Schriften zuteil wird. Dies hat ein umfangreiches Schrifttum zur Folge. Jedoch baut nur ein Teil dieser Untersuchungen auf dem historischen Quellenstudium des "defensor pacis" auf. Nicht zuletzt die im 19. Jahrhundert entdeckte "Aktualität" hat vor allem die Gattung der allgemein gehaltenen Aufsätze befruchtet. Diese lassen den Text des "defensor pacis" weitgehend außer acht, suchen vorgefaßte Meinungen im "defensor pacis" wiederzufmden. Bei der Untersuchung dieser Schriften treten unüberbrückbare Gegensätze hervor. Je nach dem Standpunkt des einzelnen Verfassers wird Marsilius Geschichtsfälscher, unsympathische Person, ruchloser und kriecherischer Kleriker voller Habgier und schamloser Ideen genannt. 39
37Haller, S. 187.
38Marsilius, defensor pacis, I c I § 6 = 7, 16- 8, 16. ll "Defensor pacis" di Marsilio Patavino. p. 178; "ll canonico patavino e una figura antipatica, un malvagio ecclesiastico, ehe dopo mendicati benefici alla corte di Avignone, dominato dalla cupiodigia, nella lotta scoppiata tra Giovanni XXII e Ludovico il Bavaro, si fece campione di quest' ultimo prendendo a difendeme Ia causa col "Defensor Pacis".
39Piovano,
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A. Leben und Werk
Andere verleihen ihm hingegen Ehrentitel wie "Herold der Wahrheit", 40 "Verkünder nationaler Befreiung", 41 "Italienischer Patriot "42 und "religiöser Reformator" . 43 Dem Vorwurf, Marsilius zertrete die Kriterien einer gesunden Theologie, 44 steht das Lob gegenüber, er habe sich von den Fesseln der mittelalterlichen, im christlichen Glauben wurzelnden Staatsauffassung befreit. 45 Diese Arbeiten begnügen sich fast ausschließlich mit den eigenen Thesen, übergehen die vorliegenden Antithesen. Sie überlassen es dem Leser selbst zu entscheiden, ob Marsilius als "nüchterner politischer Denker" 46 oder als "visionärer Schriftsteller•47 zu beurteilen sei. Die einen halten den Text des "defensor pacis" fiir klar, eindeutig und sorgfältig verstandesmäßig, 48 wäh-
40Noorden, Kirche und Staat zur Zeit Ludwigs des Bayern, S. 264: " ... , trug dieser ebenso hellsichtige wie kühne Denker sich der deutschen Reichsgewalt zum Herold der Wahrheit an." 41 Noorden, S . 266: "Unser deutsches Vaterland im 14. Jahrhundert, mit welchem des Papstes Bullen wie mit feiler Ware schalteten und dem der paduaDisehe Staats- und Gonesgelehrte den Tag der nationalen Befreiung verkündete, war ein von Parteiung zerrissenes, nach außen geschwächtes und innerlich brüchiges Reich." 42so u.a.: Previte-Orton, Marsilius of Padua, p. 140: "It (i . e. the attitude of Marsilius) is an emotion that has not ceased to stir in ltaly from the age of Dante to that of Garibaldi. The first impulse to, the primum mobile of, bis theories, is a national patriotism of which he is one of the earliest exponents." siehe hierzu: Segall, Der "Defensor Pacis" des Marsilius von Padua, S. 2 f., A. 7. 43Huraut, Etude sur Marsile de Padoue. These de Ia Theologie protestante, p. 10: "Si nous avons choisi Marsile de Padoue pour objet de notre etude, c'est qu'il nous semble etre de tous les ecrivains politiques du moyen-age celui qui a le plus hautement et le plus hardiment affirme les nouvelles tendances reformatrices qui ont ouvert Ia voie a Ia Re forme du XVIe siecle." p. 55: "Marsile a ete un reformateur (religieux)." 44 Piovano, p. 178: " ... ; anzi il canonico cortigiano, calpestando i criteri di una sana teologia, fa1sificando Ia storia .. . " - " ... ; restaurando nella famiglia cristiana del secolo di Dante il piu inverecondo despotismo dei Cesari pagani insieme col Caesoropapismo dei Cesari christiani di Bisanzio." 45 vgl. hierzu unter vielen: Stimming, Marsilius von Padua und Nikolaus von Cues, zwei politische Denker des späteren Mittelalters, S. 121: "Indem Marsilius Gott als die causa remota ausschied und den Staat lediglich unter irdischen Gesichtspunkten ins Auge faßte, hatte er sich von den Fesseln, welche das Denken der anderen mittelalterlichen Staatstheoretiker einengten, frei gemacht." 46 so: Scholz, Battaglia, Marsilio da Padova e Ia filosofia politica del Medio Evo, S. 116: "Aber Marsilius bleibt noch immer, ganz anders als die zahlreichen anderen politischen Projektemacher und Weltverbesserer seiner Zeit vom Schlage etwa eines Pierre Dubois, ein nüchterner, politischer Denker." 47so: Previte-Orton, p. 138: "The two (Lewis of Bavaria and John xxm provided an unattractive background for the visions of Marsilius"; p. 139: "It (the "defensor pacis") does not even give a lively picture of its own age; its visionary schemes were too unreal and too impossible." 48 so u.a.: Scholz, Marsilius von Padua und die Idee der Demokratie, S. 80: Marsilius stellt in seinem Traktat "das klare System einer völlig neuen gesellschaftlichen Ordnung" auf. PreviteOrton, p. 168: "The clear and narrow intellectual vision ofMarsilius made him a forerunner."
m. Das Schrifttum zum "defensor pacis"
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rend andere ihn als obskur und nebulös49 bezeichnen. Für die eine Seite enthält er "wirklich moderne Postulate" ,so andere kommen zu dem Ergebnis, der "defensor pacis" sei tief im mittelalterlichen Denken verwurzelt. 51 Aus dem "defensor pacis" wird der Grundsatz der allgemeinen Glaubensfreiheit52 ebenso wie die staatliche Verpflichtung zur Verfolgung der Ketzer5 3 herausgelesen. Die Bemühungen, das marsilianische Staatsideal als "Demokratie" zu charakterisieren, sind immer wieder bejaht, 54 aber auch vemeint55 worden. Neben diese Arbeiten traten in jüngster Zeit so hervorragende Untersuchungen des "defensor pacis" wie die von A. Gewirth,56 J. Quillet57 und G. de Lagarde. 58 Sie haben Licht in viele bisher dunkle Fragen gebracht. Es sind
49 so u.a.: Hashagen, Marsilius von Padua im Lichte der neueren Forschung; S. 277: "Voller Disharmonien und Widersprüche, legt er sein herrliches Talent besonders in eine rücksichtslose Energie des Denkens. "siehe auch: Segall, S. 5 Anm. 17. 5°so u .a.: Friedberg, Die mittelalterlichen Lehrenüber das Verhältnis von Staat und Kirche, Augustinus Triumphus - Marsilius von Padua, S. 91: "Nur einer von allen gibt uns ... einen Kern von Ideen, die als wesentlich moderne bezeichnet werden dürfen."; weitere Nachweise siehe bei Segall, S. 5 Anm. 18. 51 so: Schneider-Windmüller, Staat und Kirche im "Defensor pacis" des Marsilius von Padua, S. 34: "Obwohl Marsilius die Autoriliit des souveränen Volkes aufs sliirkste betont, vertritt er doch Anschauungen, die vollkommen mittelalterlich-christlich sind."; S. 35 : "So sind die Ansichten des Marsilius doch noch tief im mittelalterlichen Denken verwurzelt. • R.W. and A.J. Carlyle, A History od Medieval Political Theory in the West, VI p . 9: "He represents not the beginning of some modern and revolutionary doctrine, but the assertion of traditional principles. • 52 so: Riezler, Die literarischen Widersacher der Päpste zur Zeit Ludwig des Baiern, S. 230: "Das Verlangen nach religiöser Duldsamkeit, ausgesprochen zu einer Zeit, die noch keine Verschiedenheit der christlichen Religionsgesellschaften kannte, darf man wohl als den kühnsten und staunenswürdigsten seiner Gedanken auffassen.· 53 so u.a.: Scholz, Marsilius von Padua und die Genesis des modernen Staatsbewußtseins, S. 102: "Freilich weiß er auch nichts von religiöser Toleranz, und die Ketzerverfolgung wird echt mittelalterlich als staatliche Pflicht anerkannt." 54 so u.a.: Bezold, Die Lehre von der Volkssouveränität während des Mittelalters, S. 346: "Diese Staatstheorie (des Marsilius) ist in ihrer Grundlage wie in ihrer Ausführung durch und durch demokratisch." Schneider-Windmüller, S. 9 f.: "Marsilius entscheidet sich fiir die Demokratie als die nach seiner Ansicht wünschenswerteste Staatsform." 55so u.a.: Scholz, Marsilius von Padua und Deutschland, p. 31 : "Von Glaubens- und Gewissensfreiheit im "Defensor Pacis" zu reden, ist ebenso falsch, wie von modernen demokratischen Idealen." 56Gewirth, Marsilius of Padua, The defender of peace, Vol. 1: Marsilius of Padua and medieval political philosophy. 57Quillet, La Philosophie politique de Marsile de Padoue. 58de Lagarde, La naissance de l'esprit laique au declin du Moyen Age, vo. ill, le "Defensor Pacis".
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A. Leben und Werk
aber noch weiterhin viele Fragen offen geblieben. So konnten alle drei die Frage des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat, d.h. zwischen irdischen und geistlichen Werten, nicht befriedigend lösen. Hierauf werden wir in unserer Untersuchung ausführlich eingehen.
IV. Zentrales Vorhaben des "defensor pacis" Wie wir sehen werden, verfolgt Marsilius mit seinem "defensor pacis" mehrere Ziele. Zum einen will er den Wert des Friedens für die bürgerliche Gesellschaft aufzeigen. Er beschreibt die Früchte des Friedens und wie dieser zu sichern ist. Hierzu geht er auf den Gegensatz des irdischen Friedens, die "discordia" ein. Er führt dem Leser die Folgen der Zwietracht für das "civile regimen", ihre Ursachen und Gründe vor Augen. Er zeigt eine ganz besondere Ursache für die innere Unruhe in den staatlichen Gemeinschaften auf, den Anspruch des Papstes auf "plena potestas". 59 Ein Großteil des "defensor pacis" ist diesem Vorhaben gewidmet. In Teil I werden zuerst die Bedingungen für den Frieden in der bürgerlichen Gesellschaft an Hand der politischen Schriften des Aristoteles herausgearbeitet. Anschließend wird dem Leser die "singularis causa", die den bürgerlichen Frieden bedroht, ins Bewußtsein gerufen. Es ist dies der Anspruch des Papstes auf "plena potestas" . Eine solche Gewalt des Papstes ist mit der von Aristoteles übernommenen Staatslehre nicht vereinbar. In Teil II weist Marsilius jetzt nach, daß nach dem göttlichen Gesetz dem Papst, ja der ganzen Kirche keine zwingende Gewalt zukomme. Marsilius führt in diesem zweiten Teil einen Angriff gegen das päpstliche Machtsystem, die kirchliche Hierarchie. Dieser wird grundlegend geführt; das heißt, daß Marsilius in seinen Angriff den Armutsstreit, die Dogmen- und die Kirchengeschichte mit einbezieht.
Darüberhinaus versucht er die Kirche grundlegend zu reformieren. Der "defensor pacis" wird insoweit zu einem kirchenreformatorischen Pamphlet. Er bildet in Teil II eine kirchenpolitische Streitschrift in der letzten großen Auseinandersetzung zwischen Papsttum und Reich im ausgehenden Mittelalter. Der "defensor pacis" hat somit (a) eine staatstheoretische Programmatik, (b) einen Angriff gegen die gegenwärtige Papstkirche und (c) den Versuch einer Reform der Kirche
59Marsilius, defensor pacis, I c I § 7.
IV. Zentrales Vorhaben des "defensor pacis"
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zum Inhalt. Auf welchen dieser drei Punkte Marsilius den Schwerpunkt gelegt hat, diese Frage kann nicht eindeutig beantwortet werden. Offenkundig ist, daß Marsilius seine Staatstheorie nicht abstrakt als solche, sondern konkret in Abwehr der Gegenposition der Papstkirche entwickelt hat. Der "defensor pacis" behandelt konkret das Verhältnis der weltlichen zur geistlichen Gewalt. Diese Frage beschäftigte das gesamte Mittelalter, wie Kölmel in seiner Untersuchung "regimen Christianum" nachweist. 60 Das Verhältnis zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt steht im Mittelpunkt des "defensor pacis". Diese Frage ist zugleich ein ausgesprochen theologisches Problem, nämlich das des Reiches Christi, seiner Ordnung und seines Verhältnisses zur Realität irdischen Wohlergehens. Das Verhältnis zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt wird auch den Mittelpunkt dieser Untersuchung bilden. In den bisher vorliegenden Arbeiten ist dieses Problem nicht zufriedenstellend gelöst worden. Hier sollen die theologischen wie philosophischen Grundprobleme aufgezeigt werden. Es sind dies im wesentlichen die Frage des Verhältnisses des Menschen zu Gott, die Lehre vom Reich Gottes und von der Kirche, die Übernahme der aristotelischen Lehren im Mittelalter sowie die Frage des Verhältnisses des menschlichen zum göttlichen Gesetz. Abschließend ist auf die irdische Kirche, ihre Organisation und ihr Verhältnis zu den Staaten dieser Welt einzugehen.
6iliter ab eo disposita sunt. ltaque qui resistit vi vel dolo potestati, id est homini habenti potestatem, in hiis scilicet que ad potestatem pertinent, ut in tributo et huiusmodi, 'Dei ordinacioni resistit', id est habenti potestatem Dei ordinacione, non ergo secundum Dei ordinacionem agil." 126Marsilius, defensor pacis, II c 5 § 4 = 185, 17- 18: "Ergo si aliud imperator, aliud Deus iubeat, contempto illo, obtemperandum est Deo." 127Marsilius, defensor pacis, II c 5 § 4 = 185, 19 - 21 : "Non tarnen dixit Augustinus: si aliud imperator et aliud episcopus seu papa iubeat, quod tarnen dicere debuisset, si papa iurisdiccionis gradu superior esset." 128Marsilius, defensor pacis, li c 5 § 7.
202
F. Aufbau und Organisation der Kirche
und Gewalten untertan zu sein. 129 Kein Streiter Gottes, d.h. vor allem kein Priester, dürfe sich in weltliche Geschäfte verwickeln. An Hand der einschlägigen Stellungnahmen der Kirchenväter bekräftigt Marsilius die eindeutige Forderung des Apostels Paulus: Priesteramt und Richteramt sind zwei grundsätzlich voneinander getrennte Ämter. Auch die weltliche Gewalt habe ihren Ursprung in Gott. Ihr sind alle, Priester wie Laien unterworfen. Auch der Klerus habe seine Steuern zu zahlen, den Anordnungen der weltlichen Gewalt Folge zu leisten.l30 Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß nach Marsilius innerhalb einer staatlichen Gesellschaft alle, Priester wie Laien, aufgrund ausdrücklicher Anordnung der Heiligen Schrift der weltlichen Gewalt des Herrschers unterworfen sind. Auch die weltliche Gewalt stammt von Gott. Marsilius untermauert hierdurch seine Forderung nach Einheit der Staatsgewalt, l3l die bereits Aristoteles vertreten hat. Alle Mitglieder der christlichen staatlichen Gesellschaft sind dem weltlichen Herrscher unterworfen. Ausschließlich diesem kommt auf dieser Welt eine zwingende Gewalt zu. Diese Feststellung spielt in der von Marsilius entworfenen Organisation der Kirche eine entscheidende Rolle. Diese ist vor allem durch die Versagung jeglicher weltlicher Befugnisse aufgrund unmittelbar durch Gott verliehener Machtbefugnisse gekennzeichnet. Beispielhaft sei hier nur die Einsetzung der Priester in ihr Amt angeführt. Auch diese ist - worauf bereits an dieser Stelle hingewiesen sei - ohne den weltlichen Herrscher nicht möglich. Wir werden hierauf an anderer Stelle ausführlich eingehen.I32 Wir wollen uns jetzt der "ecclesia universalis", ihrem Wesen, ihren Aufgaben und ihrer Organisation, zuwenden. Auch bezüglich der "ecclesia universalis" trägt Marsilius seiner Forderung Rechnung, der Kirche komme auf dieser Welt keine zwingende Gewalt zu. IV. Die "ecclesia universalis" Unter "ecclesia universalis" versteht Marsilius, wie wir bereits festgestellt haben, die "universitas fidelium", die Gesamtheit aller, die an Christus
l29Marsilius, defensor pacis, II c 5 § 7. 13~arsilius, defensor pacis, II c 5 § 5.
Marsilius beruft sich insoweit vor allem auf Römer 13, I- 8. 131Marsilius, defensor pacis, I c 17. 132siehe insoweit unten: S. 232 ff.
IV. Die "ecclesia universalis"
203
glauben. Diese ist Teil des Reiches Christi auf dieser Welt, des "corpus Christi mysticum".133 1. Trennung zwischen "ecclesia universalis" und "ecclesia Romana" Die "ecclesia universalis" stellt die Gesamtheit aller Gläubigen dar. Alleine ihr, d.h. der Gesamtheit aller Gläubigen, gilt das Versprechen Jesu: "Ich werde bei euch sein bis ans Ende der Welt." Den Gläubigen steht zur Erhaltung des Glaubens der Heilige Geist immer bei, wie Marsilius unter Berufung auf die Heilige Schrift ausdrücklich feststellt. 134 Aus dieser Verheißung Jesu schließt Wilhelm von Ockham auf die Irrtumslosigkeit der Universalkirche. Alleine die "ecclesia universalis" sei unfehlbar, denn nur ihr gelte das Versprechen Jesu. 135 Wilhelm von Ockham wendet sich hier gegen die auch ihm bekannte mittalalterliche Tradition, die der römischen Kirche lrrtumslosigkeit zuschrieb. 136 Er begründet seine Auffassung mit der Feststellung, daß die römische Kirche geschichtlich nicht auf den Ursprung der Kirche und des Glaubens in der Verheißung Christi zurückgehe. 137 Die römische Kirche ist für Wilhelm von Ockham nicht mehr von Gott erwählt als die Kirche von Jerusalem. "Diese aber hat Gott vom Glauben abfallen lassen. Also ist es verwegen zu sagen, daß Gott niemals alle Römer vom Glauben werden abfallen lassen." 138
133siehe insoweit oben: S. 168 f. l3~arsilius, defensor pacis, II c 19 § 2 = 385, 8 - 20: "ex scriptura quidem, dicente veritate Matthei 28 et ultimo: 'Et ecce ego vobiscum sum onulibus diebus, usque ad seculi consummacionem'. . .. quibus (fidelibus) scilicet ad fidei conservacionem spiritum sanctum pie tenendum est semper adesse . ... ldem aperte convincitur ex Actuum 15 (= 15, 28), dicente apostolorum et fidelium congregacione post ambiguitatis illius determinacionem: 'Visum est enim spiritui sancto et nobis'." 135ockham, Dia!. I lb 5 c 7 = Ed. Lyon I, 37vb: "ecclesiae, qui erat temporibus apostolorum, promisit Christus, se cum ea usque ad finem saeculi pennansurum, cum dicitur Matth. ult.: 'vobiscum sum omnibus diebus usque ad consummationem saeculi'. In quibus verbis Christus iMuit manifeste, quod ab illo Iernpore usque ad finem saeculi numquam ecclesia a fide catholica esset recessura, et illa ecclesia, quae errare non polest, post tempora apostolorum nequamquam incepit." 136siehe insoweit: Schlageter, S. 361. 137vgl. insoweit: Sch1ageter, S. 362 f. 1380ckham, Dia!. I 1b. 5 c 23 = Ed. Lyon I, 44rab: "apostoli Petrus et Paulus non aliter fundaverunt ecclesiam romanam, nisi Romanos in tide sollicite instruendo et eos ad fidem et bona opera doctrina et exemplo hortando, doctrinam miraculis confinnando et tandem civitatem romanam suo martyrio consecrando. Sed praedicta omnia fecit Christus hierosolimitanae ecclesiae, quia ipsam diligenter in fide instruxit ipsamque ad fidem et bona opera doctrina et exemplis et miraculis hortabatur, pro qua etiam sicut pro ceteris mortem accepit, et sie Hierosolima sua passione et morte consecrata fuit. Et tarnen per omnia illa ecclesia hierosolimitana in fide mi-
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F. Aufbau und Organisation der Kirche
Jobarmes Schlageter stellt hierzu fest, daß nach Wilhelm von Ockham die apostolische Herkunft der römischen Lokalkirche dieser keine Sicherheit gewähre. 139 Alleine der Gesamtkirche gilt die Verheißung Christi. Nur in ihr wird die "ununterbrochene, geschichtliche Kontinuität im Glauben sichergestellt."140 Auch Marsilius trennt die "ecclesia universalis" bzw. "catholica" von der "ecclesia Romana". 141 Er stellt ebenfalls ausdrücklich fest, daß die Verheißungen Jesu nicht Petrus, sondern allen Aposteln galten. 142 Im Gegensatz zu Wilhelm von Ockham begründet Marsilius nicht so ausführlich an Hand der Theologie die Trennung zwischen "ecclesia universalis" und
nime extitit confirmata, cum tarnen opera, vita et doctrina et mors Christi multo maioris efficaciae sunt quam doctrina, opera et vita et martyrium apostolorum Petri et Pauli. Etiam alii apostoli fundaverunt ecclesiam antiochenam. Beatus enim Paulus plures fundaverat ecclesias. Alii etiam apostoli alias ecclesias suo martyrio consecrarunt. Et tarnen nulla earum erat in fide confirmata. Ergo consimiliter non apparet aliud fuisse factum in ecclesia romana, unde in fide confirmata ... Non magis electa fuit a Deo ecclesia romana quam ecclesia hierosolimitana, sed Deus permisit, ecclesiam hierosolimitanam totam a fide recedere . Ergo est temerarium dicere, quod Deus numquam permittet, omnes Romsnos a fide recedere. • 139schlageter, S. 366. 140schlageter, S. 337. 141vgl. insoweit u.a.: Marsilius, defensor pacis, II c 16 § 14 = 350, 10- 19: "Quod si dicatur, episcopum aliquem eo fieri beati Petri singulariter et principaliter successorem, quia per Romanum eierum aut per ipsum cum reliquo populo ad episcopatum eligitur, et eo fieri episcopum universalis ecclesie, quamquam specialius civitatem Romanam respiciat, quamdiu extiterit ipsa; dicendum, quod quamvis hoc dieturn multiplices possit pati calumpnias, unico tarnen modo sufficienter repelli potest, quoniam ex sacra scriptura convinci non polest, sed oppositum magis, quemadmodum ... " Marsilius, defensor pacis, U c 18 § 7 = 380, 6- 16: "Ex iam dicta vero quasi consuetudinaria prioritate, aliarum ecclesiarum consensu spontaneo, Romanorum episcopi, secundum ipsorum ulteriorem a principio processum, auctoritatem quandam decreta seu ordinaciones constituendi super universalem ecclesiam, quantum ad ecclesiasticum ritum et actus eciam sacerdotum, et illorum observacionem precipiendi ampliorem sumpserunt usque ad tempora Constantini predicti. Utrum autem id facere potuerint Romanorum episcopi sola ipsorum auctoritate, an aliorum oportuerit ad hec intervenire consensum, in sequentibus dicturi sumus." 142Marsilius, defensor pacis, Il c 19 § 2 = 385 , 8-17; Textstelle zitiert oben S. 171 FN 151; U c 28 § 7 = 535, 18 - 537, 4: "Ad aliam vero canonis auctoritatem sumptam ex Luce 22; dixit enim Christus beato Petro: 'Ego autem rogavi pro te, Petre, ut non deficiat fides tua; et tu aliquando conversus, confirma fratres tuos'; ex qua quidem serie inferunt aliqui duo, unum, quod solius ecclesie Romane fides deficere nequit, ... ; secundum vero, quod ex hoc Christus ipsum reliquorum apostolorum prelatum fecerit: dico neutrum sequi ex verbis Christi per virtutem sermonis .... Primum quidem iam dictorum non sequitur, propteria quod omnibus dixit Christu Matthei ultimo (Matth. 28, 19 - 20): 'Euntes ergo docete omnes gentes etc . Et ecce ego vobiscum sum omnibus diebus usque ad consummacionem seculi.' ... reliqua consequencia sirniliter nulla est. Quod probo eciam per scripturam .. .. 'Quod uni dico, omnibus dico .' (Mark. 13,
37)" .
IV.
Die "ecclesia universalis"
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"ecclesia Romana". Diese ergibt sich für ihn im wesentlichen aus der Geschichte der Kirche.143 2. Wesen und Aufgabe der "ecclesia universalis"
Die "universitas fidelium", d.h. die Gemeinschaft aller Gläubigen, bildet für Marsilius die "ecclesia universalis". Diese Gemeinschaft ist im wesentlichen eine Gemeinschaft im Glauben, d.h. eine geistliche Gemeinschaft. Hierfür spricht, daß die "ecclesia universalis" das "corpus Christi mysticum", das irdische Reich Christi bildet. Das "corpus mysticum" der Kirche stellt jedoch stets eine mystische Gemeinschaft mit Christus dar. 144 Auch Wilhelm von Ockham sieht die "ecclesia universalis" im wesentlichen als mystische Gemeinschaft mit Christus. Die "ecclesia universalis" habe daneben für Wilhelm von Ockham, wie Johannes Schlagetee ausführt, eine bleibende Identität und eine stetige Präsenz. 145 Wesentliche und entscheidende Aufgabe der "ecclesia universalis" ist für Marsilius die Wahrung der Einheit des Glaubens. Da nur die "ecclesia universalis", nicht jedoch der Papst und auch nicht die römische Kirche unfehlbar sind, kommt alleine ihr die Entscheidung in Glaubensfragen und die Auslegung der Heiligen Schrift zu.146 Im Mittelpunkt der Ausführungen des "Defensor pacis" zur "ecclesia universalis" steht jetzt nicht deren geistiges Wesen, sondern ihre sichtbare Form auf dieser Welt, d.h. die Gesamtheit aller auf den Namen Jesu Getauften. Marsilius selbst geht nicht auf die Frage ein, ob die sichtbare "ecclesia universalis" mit der Gesamtheit der Gläubigen identisch ist. Er spricht stets nur von der "universitas fidelium". Seinen Aussagen über den Glauben ist jedoch zu entnehmen, daß der Getaufte von seinem wahren Glauben abfallen kann. 147 Hieraus folgt, daß die Gesamtheit der Getauften nicht mit der
143 siehe insoweit: Marsilius, defensor pacis, li c 18: "Oe origine ac statu primo ecclesie christiane, et unde Romanus episcopus et ecclesia predictam auctoritatem ac super ceteros sibi quendam primaturn assurnpsit. • 144vgl. insoweit nur die Auffassung von der Kirche bei Thomas von Aquin oben S. 166 ff. 145siehe insoweit: Schlageter, S. 338. 146Marsilius, defensor pacis, 11 c. 19 §§I, 2; U c 28 § 13. 147vgl. insoweit: Marsilius, defensor pacis, I c. 6 § 4 = 31 , 20 - 25 : "... ; turn quia per illius (= evangelisches Gesetz) observacionem et sacrarnentorum curn ipsa et in ipsa institutorum recepcionern nobis confertur gracia divina, collata roboratur et arnissa recuperatur, per quarn ex Dei ordinacione, curn rnerito passionis Christi, congruitate quadern, ut dixirnus, opera nostra fi-
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F. Aufbau und Organisation der Kirche
"universitas fidelium" identisch ist. Marsilius behandelt jetzt in seinem "Defensor pacis" die Organisation der "ecclesia universalis". Da die Gesamtheit der wahren Gläubigen auf dieser Welt außer Gott niemand kennt, kann es sich hierbei nur um die der sichtbaren "ecclesia universalis", d.h. der Gesamtheit der Getauften handeln. Auch H. Bielefeldt gelangt zu der Feststellung, Marsilius unterscheide implizit zwischen dem spirituellen Wesen der Kirche als einer Glaubensgemeinschaft und ihrer institutionellen Außenseite.148 H. Bielefeldt bezieht sich insoweit auf folgende Aussage von J. Hekkel zum Wesen der Kirche bei Marsilius: "In der ersten Gestalt erscheint die Kirche als sakramental verfaßter Körper: Als Taufgemeinschaft wird sie sakramental begründet und von dem Priestertum in Vollmacht sakramentaler Weihegewalt betreut. In der zweiten Gestallt stellt sie sich als Gemeinschaft menschlichen Rechts dar, in welcher berufsmäßig angestellte Religionsdiener ein öffentliches Amt für den Kultus und die Seelsorge bekleiden. Die erste Gestalt darf man gemäß der Terminologie des Marsilius geistlich, die andere zeitlich oder weltlich nennen ... "149 Inwieweit diese Aussage von J. Heckel zutreffend ist, können wir erst am Ende unserer Untersuchung der Ekklesiologie des "defensor pacis" sagen. Richtig ist, daß Marsilius zwischen dem geistigen Wesen der Kirche und ihrer sichtbaren Form unterscheidet. Diese Unterscheidung hat bereits Augustinus vorgenommen. Ihm sind insoweit die meisten Theologen der Scholastik gefolgt, wie wir gesehen haben. ISO Wir wollen uns jetzt der Organisation der sichtbaren "ecclesia universalis" zuwenden. 3. Die Repräsentation der necclesia universaUs ": die Gesamtheit der Gläubigen bzw. das allgemeine Konzil
Die "ecclesia universalis" ist die Gesamtheit aller Gläubigen. Sie besteht aus allen Lokalkirchen dieser Welt. Wer repräsentiert jetzt die "ecclesia universalis" für alle sichtbar auf dieser unserer Welt? Marsilius versucht insoweit
unt meritoria felicitatis eteme." siehe hierzu die von Marsilius vertretene Auffassung von der Wiederaussöhnung des Menschen mit Gott, auf die wir in Kapitel 2 ausfiihrlich eingegangen sind . Insoweit betont Marsilius das Erfordernis verdienstlicher Werke, die Ausfluß des wahren Glaubens sind. 148 Bielefeldt, Von der päpstlichen Universalherrschaft zur autonomen Bürgerrepublik, s. 107 f. 149 Heckel, Marsilius und Martin Luther, S. 283. 150Erinnert sei hier nur an die Unterscheidung zwischen •congregatio fidelium • und sichtbarerer irdischer Kirche durch Thomas von Aquin. Siehe insoweit oben S. 166 ff.
IV. Die •ecclesia universalis"
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nachzuweisen, daß der "ecclesia Romana" innerhalb der "ecclesia universalis" keine herausgehobene Stellung zukomme, daß die "ecclesia universalis" nicht durch den Papst repräsentiert werde. Diese Aufgabe komme vielmehr der Gesamtheit der Gläubigen, bzw. dem von dieser eingesetzten allgemeinen Konzil zu. Wir müssen uns daher der im "defensor pacis" vertretenen Auffassung von Wesen und Aufgabe des Konzils zuwenden. An den Anfang wollen wir hierbei die bisherigen Untersuchungsergebnisse stellen. a) Oberblick über die bisherigen Untersuchungen des "defensor pacis" bezüglich der Frage des Konziliarismus Die Rolle, die der "defensor pacis" für die Ausbildung des Konziliarismus gespielt hat, ist bis heute umstritten. Einen kurzen Überblick über die unterschiedlichen hierzu seit der Jahrhundertwende vertretenen Ansichten gibt uns Remigius Bäumer in seinem Aufsatz "Die Erforschung des Konziliarismus".151 Auf diesen wird hier weitestgehend Bezug genommen. Erstmals weist K. Hirsch in seiner im Jahre 1903 erschienenen Untersuchung "Die Ausbildung der konziliaren Theorie im 14. Jahrhundert" auf die Bedeutung des "defensor pacis" für die Ausbildung des Konziliarismus hin. Marsilius sei als Urheber des Konziliarismus zu betrachten.152 Im Gegensatz zu K. Hirsch bilden nach F. Bliemetzrieder das "Decretum Gratiani" und die kanonistische Tradition die Hauptquelle des Konzilsgedankens.I5 3 H. X. Arquilliere sieht die Wurzeln des Konziliarismus in der mittelalterlichen Lehre vom häretischen Papst, d.h. ebenfalls in der Kanonistik, begründet. 154 Die Kirche, die durch das Konzil repräsentiert wird, hat die Frage zu entscheiden, ob der Papst Häretiker ist. Hieraus hat sich das Konzil zur höchsten Glaubensinstanz entwickelt. 155 H. Posch streicht im Jahre 1929 die Reformvorschläge Wilhelm Durandus des Jüngeren heraus. 156 Dieser habe sich auf die
151Bäumer, Die Erforschung des Konziliarismus, S. 3 - 56 . 152Hirsch, Die Ausbildung der l::onziliaren Theorie im 14. Jahrhundert, S. 32. 153 Bliemetzrieder, Das Generalkonzil im Großen Abendländischen Schisma, S. V. 154Arquilliere, L'appel au Concile sous Philippe Je Bel et Ia genese des theories conciliaires, 5 . 23-55. 155 Arquilliere, S. 54 f. 156Posch, Die Reformvorschläge des Wilhelm Durandus jun. auf dem Konzil von Vienne, S. 288- 303.
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F. Aufbau und Organisation der Kirche
Verfassung der Alten Kirche besonnen. Diese Rückbesinnung bildet nach M. Seidlmayer ein weiteres Element des Konzilsgedankens. 157 M. Seidlmayer wendet sich gegen die Auffassung von F. Bliemetzrieder, das "Decretum Gratiani" und die übrige Kanonistik bildeten die Hauptquelle des Konziliarismus. Der Konziliarismus der ersten Schismajahre habe keine Revolutionierung, sondern eine Renaissance des alten Kirchenbegriffes, d.h. der ursprünglichen Verfassung der Kirche anbahnen wollen. 158 Dieser Gedanke der Rennaissance wird von B. Tierney in "Foundations of the conciliar theory" 159 wiederaufgegriffen. Nach B. Tierney können Marsilius und Wilhelm von Ockham nicht als Begründer der konziliaren Theorie angesehen werden. Diese sei vielmehr der logische Höhepunkt von Vorstellungen, die in der Kanonistik des Mittelalters eingebettet sind. In einzelnen Aussagen der mittelalterlichen Kanonisten des 13. Jahrhunderts wurde den späteren Konzilstheoretikern ein fertiges Rezept geliefert. 160 Auch H. Jedin stimmt in seiner "Kleinen Konziliengeschichte" der Auffassung zu, die Wurzeln der konziliaren Theorie seien bei den Kanonisten des 12. und 13. Jahrhunderts zu suchen. 161 Die Ableitung der konziliaren Idee von Marsilius und Wilhelm von Ockham entspreche hingegen nicht der geschichtlichen Wirklichkeit. Im Gegensatz hierzu vertritt P. de Vooght im Jahre 1960 wieder die Auffassung, die wesentlichen Gedanken der konziliaren Idee gingen auf Marsilius zurück. 162 1965 veröffentlicht A. Franzen seinen Forschungsbericht "Das Konstanzer Konzil. Probleme, Aufgaben und Stand der Konzilsforschung". 163 Er unterscheidet hier zwischen "konziliaristisch" und "konziliar". Unter "Konziliarismus" versteht er die Lehre, die grundsätzlich das Konzil über das Papstturn stellt. Diese sei in ihrer radikalen Form von Marsilius und Wilhelrn von Ockham entwickelt worden. "Konziliar" sind hingegen solche Gedanken, die sich mit der Stellung des Konzils befassen und diesem in den bekannten Ausnahmefallen (Häresie usw.) gegenüber der Person, nicht dem Amt des
157seidlmayer, Die Anfange des Großen Abendländischen Schismas, S. 177 f. 15 8seidlmayer, S. !93 . I5 9Tiemey, Foundations ofthe conciliar theory.
16~iemey, S. 164, 220 ff. I6 1Jedin, Kleine Konziliengeschichte , S. 61 ff., 63. 162de Vooght, Hussiana, S. 187 ff. 163 Franzen, Das Konstanzer Konzil. Probleme, Aufgaben und Stand der Konzilsforschung, s. 555 - 574.
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Papstes, den Vorrang zusprechen. 164 Die mittelalterliche Kanonistik des 12. und 13. Jahrhunderts habe lediglich konziliare Auffassungen vertreten, während die konziliaristischen Elemente sehr wohl neuartig, häretisch und marsilianisch seien. 165 H. J. Sieben vertritt in "Die Konzilsidee des lateinischen Mittelalters" ebenfalls die Auffassung, Marsilius habe als Begründer des Konziliarismus zu gelten. 166 Soweit die bisherigen Untersuchungsergebnisse. Wir wollen uns jetzt dem "Defensor pacis" selbst zuwenden.
b) Das Konzil als Repräsentant der "universitas fidelium" Wie wir gerade gesehen haben, ist die im "Defensor pacis" vertretene Auffassung bezüglich des allgemeinen Konzils bis heute umstritten. Im Mittelpunkt der meisten Untersuchungen steht die Frage, ob der Papst oder das Konzil höher gestellt seien, d.h. die Frage der Machtverteilung zwischen Papst und Konzil. Marsilius soll sich jetzt in seinem "defensor pacis" für eine vollständige Unterordnung des Papstes unter das allgemeine Konzil aussprechen. Er wird als Begründer des Konziliarismus angesehen. 167 Im Gegensatz hierzu geht nach J. Quillet Marsilius auf diese Frage der Über-Unterordnung zwischen Papst und Konzil nicht ein, nimmt vielmehr in seinem "defensor pacis" bewußt die Rolle des Konzils in der Alten Kirche wieder auf. 168 Wir wollen eingangs der Frage nachgehen, ob Papsttum wie allgemeines Konzil für Marsilius ihre Grundlage in der Heiligen Schrift finden . Die maß-
l64 Franzen, S. 562. 165 Franzen, S. 562. 166sieben, Die Konzilsidee des lateinischen Mittelalters, S. 366- 409 . 167vgl. insoweit u.a.: J. Sieben, S. 371 ff.; Gewirth, S. 285 f.: "It is in Marsilius that the antecedent conciliar Iendeneies reach their culmination, for he completely reverses the traditional doctrine of the relation between pope and general council. It is the lauer, not the former, which is referred to in Christ's promise that he would be with his disciples until the end of the world; it is the council, therefore, which is guided be the Holy Spirit; ...The reversal of authority is sufficiently drastic in itself; but its full scope is understood only when it is recognized as far more fundamental change than the mere substitution of the council for the pope. It is not merely a numerical change from one prelate to several. Marsilius is the founder of conciliarism because he provides for thc dependence not only of the pope upon the general council, but also of the council upon the laity and hence upon the whole church. • im übrigen vgl. hierzu die Zusammenfassung durch Säumer. 168Quillet, S. 174: "L'originalite des theses du D.P. est de recuser entierement !es termes du problerne ainsi pose: il ne s'agit pas de savoir qui, du Pape ou du concile, est superieur; il s'agit d'un retour delibere a Ia tradition primitive. C'est pourquoi il est toujours paradoxal de voir en Marsile de Padoue un revolutionnaire par rapport a son temps. • 14 Löffelherger
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geblichen Stellen für die Einsetzung des Papsttums durch Christus sind nach Marsilius: Matth. 16, 18- 19: "Du bist Petrus, ... "; Lulc 22, 32: "Ich aber habe für die gebetet, Petrus, ... "; Joh. 21, 15 - 17: "Weide meine Schafe, weide meine Lämmer." 169 Auf die Auslegung dieser Stellen durch Marsilius sind wir bei der Behandlung der Frage der priesterlichen Gewalt ausführlich eingegangen. 170 Marsilius vertritt insoweit die Auffassung, daß diesen Stellen keine Hervorhebung des Petrus gegenüber den übrigen Apostel durch Christus entnommen werden könne. Die Heilige Schrift gehe vielmehr von der Gleichheit aller Apostel aus. Eine ähnliche Auffassung, jedoch mit ausführlicher theologischer Begründung, treffen wir bei Wilhelm von Ockham an. Im Gegensatz zu Marsilius ist für diesen den Worten Jesu "Du bist Petrus" das Modell eines monarchischen Aufbaus der Kirche zu entnehmen, das es grundsätzlich zu verwirklichen gelte. Der römischen Kirche und dem Papsttum komme daher innerhalb der "ecclesia universalis" eine hervorgehobene Stellung zu.l 71 Marsilius hingegen bestreitet auch dies. Für ihn ist das Papstturn ausschließlich menschlichen Ursprungs, wurde nicht durch Christus eingesetzt. 172
Im Gegensatz hierzu berichte die Heilige Schrift von den Apostelkonzilien, auf denen die Glaubensfragen jener Zeit entschieden wurden. 173 Die allge-
16 9Marsilius, Defensor pacis, II c 27 § 2 = 519 f.; Textstelle zitiert oben S. 177 FN 11. 170siehe hierzu oben: S . 176 ff. 171siehe hierzu oben: S. 178 ff. 172Marsilius, defensor pacis, II c 22 § 5 = 423, 5-9: "Non est igitur episcopus aliquis aut ecclesia caput sive principalior aliarum, inquantum huiusmodi, virtute verbarum scripture. Caput enim ecclesie simpliciter et fidei fundamentum, Dei ordinacione immediata, secundum scripturam sive veritatem, unicum est Christus ipse, .. . • Marsilius, defensor pacis, II c 22 § 6 = 424, 17-426, 13: "Alio ver modo episcopum aliquem aut ecclesiamesse ve1 statui caput et ceteris principaliorem auctoritate generalis concilii vel fidelis legislatoris humani, convenienter intelligi polest sie, ut videlicet ipsius sit officium, cum suo tarnen collegio sacerdotum, quos sibi fidelis legislator humanus aut generale concilium ad hoc associare voluerit, ... Hoc igitur solo et ultimo modo episcopum aut ecclesiam aliquam unicam statuere aliarum caput seu principaliorem in cura pastorali, absque iurisdiccione coactiva, quamvis non sit lege divina preceptum, quoniam et sine hoc fidei unitas, licet non sie faciliter, salvaretur, expedire dico ad hanc unitatem facilius et decencius observandam. • 173siehe hierzu u .a.: Marsilius, defensor pacis, U c 20 § 5 = 395, 27-396, I: "Sie namque fecerunt apostoli cum senioribus de hiis que dubia circa evangelium occurrerunt, ut apparet Actuum 15, et ... Non enim dubium illud de cirumcisione beatus Petrus aut alter apostolus seorsum
IV. Die "ecclesia universalis"
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meinen Konzilien sind als Nachfolger dieser Apostelkonzilien zu sehen. Sie alleine repräsentieren, wie Marsilius ausdrücklich feststellt, die "universitas fidelium", d.h. die "ecclesia universalis" . 174 Der Papst verdankt seine Stellung dem allgemeinen Konzil. Dieses überträgt ihm bestimmte Aufgaben, wie wir noch ausführlich sehen werden. Die Auffassung, das allgemeine Konzil repräsentiere die "universitas fidelium", stellt nach H. J. Sieben eine Neuerung jener Zeit dar. Die entscheidende Voraussetzung für die Anwendung des Repräsentationsgedankens bilde die Vorstellung von der Kirche als Korporation, d.h. die Kirche als "congregatio fidelium" besitze als solche alle Rechte ursprünglich in sich. 175 Hierzu ist anzumerken, daß das allgemeine Konzil nach Marsilius ausschließlich die "ecclesia universalis" repräsentiert. Diese stellt jedoch eine im wesentlichen geistliche Gemeinschaft dar. Ob man bezüglich dieser "ecclesia universalis" von einer Korporation sprechen kann, erscheint zumindest sehr zweifelhaft. Ausdrücklich finden wir den Repräsentationsgedanken bereits bei Michael von Cesena erwähnt. 176 Auch bei Wilhelm von Ockham treffen wir im Dialog auf den Gedanken der Repräsentation der "ecclesia universalis" durch das allgemeine Konzil. Wilhelm von Ockham verwirft jedoch diese Auffassung. Er stellt insoweit fest, daß alleine der "ecclesia universalis", nicht hingegen
aut singulariter diffinivit, sed convenerunt super hiis omnes apostoli et seniores sive periciores in lege." siehe hierzu im einzelnen: Marsilius, defensor pacis, II c 16 §§ 5, 6 = 341 ff. 1 7~arsilius, defensor pacis, IJ c 19 § 2 = 385, 22- 29 : "Cum igitur fidelium congregacio seu conci1ium gencrale per successionem vere representet congregacionem apostolorum et seniorum ac reliquorum tune fidelium, in determinandis scripture sensibus dubiis, in quibus maxime periculum eterne dampnacionis induceret error, verisimile, quinimo certurn est, deliberacioni universalis concilii spiritus sancti dirigentis et relevantis adesse virtutem. • Marsilius, defensor pacis, II c 20 § 2 = 393, 13 - 27: "Huic consequenter ostendo, quod huius determinacionis auetorilas principalis, mediat& vel immediat& solius sit generalis concilii Christianorum aut valencioris partis ipsorum vel eorum, quibus ab universitate fidelium Christianorum auctoritas hcc conccssa fuerit; sie videlicet, ut omnes mundi provincie seu communitates notabiles secundum sui legislatoris humani determinacionem, sive unici sive pluris, ... , qui tamquam iudices secundum iudicis significacionem primam, vicem universitatis fidelium representantes, iam dicta sibi per universitates auctoritate concessa ... • 17 \iehe hierzu : Lumpe, Zu repraesentare und praesentare im Sinne von "rechtsgültig vertreten", in: AHC 6 S. 274- 290. Vgl. hierzu: Sieben, S. 349. 176Michael von Ccsena, Litterae deprecatoriae (1333), Goldast II 1360: "Universalis autem ccclesia in fide et moribus errare non potest, cum sit articulus fidei, cui non polest subesse falsum: credo in unam sanctam catholicam et apostolicam etc. Concilium etiam generale rite et debite celebratum, cum repraesentet universalem ecclesiam et vicem gerat universalis ecclesiae, quae errare non polest, ipsum quoque similiter errare in fide et moribus minime polest.· !4•
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F. Aufbau und Organisation der Kirche
dem allgemeinen Konzil das Versprechen Christi gelte, "ich werde bei euch sein bis ans Ende der Welt" . 177 Nur die "ecclesia universalis", nicht aber das allgemeine Konzil sei daher unfehlbar. Das Konzil handle jetzt in Vertretung der "ecclesia universalis". Die Gläubigen geben somit gewissermaßen den Teilnehmern des allgmeinen Konzils ihre Zustimmung mit, damit diese als Vertreter der "ecclesia universalis" handeln können. 178 Nach Marsilius repräsentieren ausschließlich die allgemeinen Konzilien als Nachfolger der Apostelkonzilien die "ecclesia universalis". Das Papsttum ist hingegen menschlichen Ursprungs, scheidet somit bereits aus diesem Grunde als Repräsentant der "ecclesia universalis" aus. c) Die Zusammensetzung des allgemeinen Konzils
Unter einem allgemeinen Konzil versteht Marsilius grundsätzlich die Gemeinschaft aller Gläubigen. Er ist sich hierbei sehr wohl bewußt, daß diese nicht an einem Ort zusammengerufen werden kann. Zu verwirklichen ist lediglich ein Konzil, dessen Mitglieder von der Gesamtheit der Gläubigen gewählt wurde. 179 Die Wahl der Mitglieder durch die Gesamtheit der Gläubigen stellt fiir Marsilius in der Praxis die beste Form der Einsetzung eines allgemeinen Konzils dar. Das allgemeine Konzil repräsentiere die Gläubigen, die es gewählt haben und hiermit die Kirche.L80 An dem allgemeinen Konzil haben neben den Priestern auch Laien teilzunehmen.181 Ihre Gegenwart ist fiir Marsilius vor allem wegen des mangelnden
177ockham, Dial. III I, 3 c 9; siehe insoweit auch : Kölmel, Wilhelm Oclcham und seine kirchenpolitischen Schriften, S. 94 . 178ockham, Dial. III I, 3 c 13. siehe hierzu: Kölmel, S. 95. 179 siehe insoweit: Marsilius, defensor pacis, U c 20 § 2; hier: 393, 13 - 17: "Huic consequenter ostendo, quod huius determinacionis auetorilas principalis, mediata vel immediata solius sit generalis concilii Christianorum aut valencioris partis ipsorum vel eorum, quibus ab universitate fidelium Christianorum auetorilas hec concessa fuerit; .. . " 18 ~arsilius, defensor pacis, II c 20 § 2 = 393, 17 - 26 : "sie videlicet, ut omnes mundi provincie ... eligant fideles, presbyteros primum et non presbyteros consequenter, idoneos tarnen, ... , vicem universitatis fidelium representantes, ... " 181 Marsilius, defensor pacis, U c 20 §§ 13 ff.; hier: 400, 8 - 14: "Quod autem predix.imus, generale concilium eciam per nonsacerdotes integrari posse, deliberandis quoque per concilium convenienter una cum sacerdotibus suum apposituri et interposituri decretum, suadebimus primum ex Ysidori predicto codie, ... " Nachdem Marsilius festgestellt hat, daß in der Alten Kirche auch Laien an den Konzilien teilgenommen hatten, beschreibt er anschließend in II c 20 § 14 den Zustand der Kirche seiner Zeit. Dieser erfordere die Teilnahme von Laien. Marsilius, defensor pacis, II c 20 § 14 = 401,
IV. Die "ecclesia universalis"
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Ausbildungsstandes und der Lebensführung des Klerus unverzichtbar. Marsilius geht insoweit nach G. de Lagarde konform mit der Tradition, d.h. den Konzilien der Alten Kirche. Auf diesen hätten ebenfalls Laien teilgenommen, sie hätten unter dem Schutz des Kaisers gestanden. 182 Im Gegensatz zu G. de Lagarde sieht A. Gewirth in der Forderung nach Teilnahme von Laien einen Wendepunkt in der Konzilienauffassung. Bis dahin wären grundsätzlich nur die Bischöfe auf den Konzilien anwesend gewesen.I83 Die Forderung nach Teilnahme der Laien findet ihre theologische Grundlage in der von Marsilius vertretenen Auffassung von der Kirche. Kirche im eigentlichen Sinne sei die Gemeinschaft der Gläubigen. Marsilius lehnt insoweit eine Beschränkung auf den Klerus ausdrücklich ab. Von dem umfassenden Kirchenbegriff "Gemeinschaft der Gläubigen" gehe auch die Heilige Schrift aus. 184 Die Laien gehören voll zur Glaubensgemeinschaft, sind deshalb auch mitverantwortlich fiir den rechten Glauben. Das allgemeine Konzil repräsentiert jetzt die Kirche, d.h. die Gemeinschaft der Gläubigen. Da zu dieser auch die Laien zählen, müssen auch diese auf dem allgemeinen Konzil vertreten sein. 185 Diese Auffassung tritt bei Wilhelm von Ockham im Gegensatz zu Marsilius jetzt ganz deutlich zu Tage. Dieser wendet sich ebenfalls gegen eine Einengung des Begriffes der Kirche auf die Kleriker. Diese um faßt für ihn neben den Klerikern auch die Laien. 186 Im Unterschied zu Marsilius
27 - 402, 4: "Propter quod in horum defectum nonsacerdotes approbatos fideles, iuxta fidelis legislatoris determinacionem, scripture sacre doctos sufficienter, vita et moribus eciam talibus episcopis et sacerdotibus prepollentes, perutile, quinimo necessarium, legi divine ac recte racioni consonum est tali concilio interesse, ipsorumque deliberacione cum reliquis dubia circa fidem et quesita cetera diffiniri. • 182vgl.: de Lagarde, S. 213. 183 siehe insoweit: Gewirth, S. 287: "This inclusion of laymen in the generat council marks a decided change from the antecedent doctrine, in which the council was composed only of bishops." Gewirth verweist insoweit u.a. auf Corp. jur. can., Decret. Gratiani I d 17, 18 passim = PL 187, 93 ff. und Wilhelm Durandus. l8~arsilius, defensor pacis, II c 2 §§ 2 u. 3; siehe insoweit oben S. 142 ff. 185Marsilius, defensor pacis, II c 20 § 2 = 393 , 25 f., Textstelle zitiert oben S. 212 FN 180. 186ockham, Dia! I lb 5 c 31 = Ed . Lyon I, 49 vab : "Secundo modo accipitur hoc nomen ecclesia pro congregatione Christianorum fidelium generali vel particulari, qui tarn viros quam mulieres comprehendere polest. Et sie accipitur ecclesia Act. II, ... In duabus significationibus preaedictis dieuni isti nomen ecclesiae accipi in scriptura divina. Et ideo dicunt, quod ad ecclesiam, secundum quod in in scriptura divina (quae est totius fidei catholicae fundamentum) accipitur, ita laici ct mulieres fideles pertinentur et sunt personac ecclesiasticae, sicut clerici. In iure autem cononico hoc nomen ecclesiae significationes habet alias a praedictis; quia clerici nomen ecclesiae ad clericos restrinxerunt, clericos solummodo vocantes ecclesiam. Cum tarnen, sicut dieturn est, secundum quod scriptura divina utitur nomine ecclesiae, ita sunt de ecclesia sicut clerici."
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F. Aufbau und Organisation der Kirche
betont Wilhelm von Ockham, daß auch die Frauen zur Gemeinschaft der Gläubigen zählen. Als Mitglieder der Kirche komme den Laien ein Mitspracherecht in Sachen des Glaubens zu. Wilhelm von Ockham beruft sich insoweit auf das Prinzip "was alle betrifft, muß ·auch von allen behandelt und bestätigt werden", das auch für den Bereich des Glaubens gelte. 187 Aus diesem Grunde hätten Laien an allgemeinen Konzilien teilzunehmen, sei ihnen fiüher auf diesen ein Mitspracherecht eingeräumt worden. 188 Entsprechend dem Vorbild der Alten Kirche und als Ausfluß seines Kirchenbegriffes fordert Marsilius die Teilnahme von Laien an den allgemeinen Konzilien. Der Klerus ist den Laien aber keinesfalls ausgeliefert. Beide, Laien wie Priester, haben an der Willensbildung teilzunehmen. Den Priestern kommt hier gegenüber den Laien eine hervorgehobene Stellung zu. Sie sind die Experten in Glaubensfragen. Ihre einstimmigen Entscheidungen in Glaubensfragen sind vom Konzil als definitiv anzunehmen. Nur wenn sich die Priester untereinander nicht einig sind, haben die Laien an der Entscheidungsbildung mitzuwirken. Es entscheidet dann der "valentior pars" der Gläubigen, d.h. des Konzils, das diese repräsentiert. 189 Auch für Wilhelm von Ockham ist es zuerst Sache der Kleriker, die Glaubenswahrheiten zu erkennen. 190 Auf dem allgemeinen Konzil müssen somit neben den Klerikern auch die Laien vertreten sein, wie Marsilius ausdrücklich feststellt. Wir wenden uns jetzt der Frage zu, welche Qualität den Entscheidungen eines allgemeinen Konzils zukommt.
187oclcham, Dial. I lb 6 c 94; Wilhelm von Ockham, Dial. I lb 6 c 84 = Ed. Lyon I, 97vb: "haec regula, quod omnes tangit, ab omnibus tractari debet, intelligenda est: si ab omnibus polest et non apparet ratio manifesta, quare aliquis debeat ab huiusmodi tractatui repelli. Nunc autem non possunt omnes, neque laici, neque clerici, ad concilium generale convenire. Et ideo non omnes debent interesse per seipsos. Debent tarnen omnes, quae voluerunt, nisi appareat ratio manifesta repellendi eos, per procuratores et alios gerentes, mediate vel immediate, in speciali vel cum aliis, vices eorum, concilio interesse." vgl. insoweit auch: Wilhelm von Ockham, Dia!. I lb 6 c 100. Siehe hierzu : Joh. Schlageter, S. 440 ff. 188vgl. insoweit: Schlageter, S. 448 ff. 189 Marsilius, defensor pacis, II c 20 § 5 = 396, 9 - 14: "Unde sacerdotibus invicem dissidentibus de credendis ad salutem eternam, de ipsorum saniori parte fidelium pars valencior habet iudicare, quamvis ipsis omnibus concordantibus, in quibus dubium videbatur, credendum sit in predictis, sie tarnen promotis ad ordines, quemadmodum diximus 17 huius." 190oclcham, Dia!. I lb 6 c 95 .
IV. Die "ecclesia universalia"
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d) Die Unfehlbarkeit der Entscheidungen des allgemeinen Konzils Nach Marsilius sind ausschließlich die kanonischen Schriften und deren Auslegung durch ein allgemeines Konzil als unwiderruflich wahr im Glauben hinzunehmen. In ihnen offenbart Gott den Menschen seine Voraussetzungen für die Wiedererlangung des ewigen Lebens. 19 1 Die Unfehlbarkeit der Entscheidungen des allgemeinen Konzils ist erforderlich, 192 da nur so den Gläubigen das wahre Verständnis dessen eröffnet wird, was für die ewige Seligkeit notwendig ist. Sie ist im übrigen in der Heiligen Schrift begründet. Das Versprechen Christi, er werde bei seinen Jüngern bis ans Ende der Welt sein, bedeutet, daß Christus nie von den Gläubigen weichen werde. Diesen steht zur Erhaltung ihres Glaubens immer der Heilige Geist bei. Als Beispiel führt Marsilius die Lösung der Frage der Beschneidung aus der Apostelgeschichte an. Die diesbezügliche Entscheidung des Apostelkonzils sei vom Heiligen Geist getragen gewesen.I93 Dasselbe gelte für die "congregacio fidelium" bzw. das "concilium generale", die die Urkirche und das Apostelkonzil repräsentieren. Der Beratung des allgemeinen Konzils steht somit die Kraft des Heiligen Geistes bei, der die Leitung inne hat und ihm seine Offenbarungen eingibt. 194 Hinter dieser Auffassung steht die Lehre von der lrrtumslosigkeit der Gesamtkirche, der "universitas fidelium". Daß diese unfehlbar ist, war- wie wir gesehen haben - allgemein anerkannt. 195 Relativ neuen Datums ist hingegen die Übertragung des Merkmals der "Unfehlbarkeit" auf die kirchlichen Au-
191 Marsilius, defensor pacis, II c 19 § I = 384, 20- 31 ; siehe insoweit oben S. 126 f.; bezüglich der Problematik der Auslegung der Heiligen Schrift s.o.: 132 ff. 192Marsilius, defensor pacis, ll c 19 § 3 = 386, 2- 9: "quoniam frustra dedisset Christus Iegern salutis eteme, si eius verum intellectum, et quem credere fidelibus est necessarium ad salutem, non aperiret eisdem hunc querentibus et pro ipso invocantibus simul, sed circa ipsum fidelium pluralitatem errare sineret. Quinimo talis Iex non solum ad salutem foret inutilis, sed in horninum etemam perniciem tradita videretur." I93Marsilius, defensor pacis, II c 19 § 2 = 385, 8- 22: "ex scriptura quidem, dicente veritate Mattbei 28 et ultimo: 'Et ecce ego vobiscum sum omnibus diebus, usque ad seculi consummacionem' .... quibus scilicet ad fidei conservacionem spiritum sanctum pie tenendum est semper adesse. Unde Ieronymus: 'Qui ergo usque ad consummacionem seculi cum discipulis se esse prorninit, et illos ostendit semper esse victuros, et se numquam a credentibus recessurum' . ldem aperte convincitur ex Actuum 15, dicente apostolorum et fidelium congregacione post ambiguitatis illius deterrninacionem: 'Visum est enim spiritui sancto et nobis'. (Apg 15, 28) Asseruerunt enim et asserit scriptura ipsorum determinacionem in dubietate illa circa fidem factam esse a spiritu sancto. • 19 ~arsilius, defensor pacis, II c 19 § 2 = 385, 27 - 29: "..., verisirnile, quinimo certurn est, deliberacioni universalis concilii spiritus sancti dirigentis et revelantis adesse virtutem." 195zur Unfehlbarkeit der "ecclesia universalis" siehe oben: S. 203 ff.
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F. Aufbau und Organisation der Kirche
toritätsträger, d.h. auf den Papst beziehungsweise das allgemeine Konzil. 196 Die Unfehlbarkeit der kirchlichen Autoritätsträger ist in der Theologie stets strittig gewesen. So ist auch in der Kanonistik eine traditionelle Lehre bezüg· lieh eines häretischen Papstes anzutreffen. 197 Wir wollen uns hier auf die Frage der Unfehlbarkeit der Entscheidungen eines allgemeinen Konzils in Glaubensfragen beschränken. Die Frage der Fehl· bzw. Unfehlbarkeit eines allgemeinen Konzils wird von den Kanonisten nicht erörtert. Theologisch wird die Unfehlbarkeit mit dem Repräsentationsgedanken begründet: allge· meine Konzilien sind unfehlbar, denn sie repräsentieren die unbestritten unfehlbare "ecclesia universalis", wie u.a. Michael von Cesena feststellt. 198 Den Gedanken der Repräsentation der "ecclesia universalis" durch das allgemeine Konzil treffen wir auch bei Marsilius an. Als Repräsentant der "ecclesia uni· versalis" steht dem allgemeinen Konzil der Heilige Geist bei, sind dessen Ent· scheidungen in Glaubensfragen unfehlbar.1 99 Im Gegensatz zu Marsilius überträgt Wilhelm von Ockham die Auffassung von der Unfehlbarkeit der "ecclesia universalis" nicht auf das allgemeine Konzil, aber auch nicht auf den Papst bzw. die römische Kirche. Unfehlbar ist für ihn in Einklang mit der Tradition ausschließlich die "ecclesia universalis". Daher dürfe man nicht glauben, daß jede Entscheidung des Konzils vom Hei· Iigen Geist inspiriert sei; vielmehr sei auch menschliche Weisheit in den Beratungen des Konzils sehr wohl tätig. 200 Alleine die "ecclesia universalis", nicht das allgemeine Konzil, repräsentiere die Urkirche. Es könne daher • insoweit anders als Marsilius · nicht aus der Unfehlbarkeit der Urkirche auf die Unfehlbarkeit des allgemeinen Konzils geschlossen werden 201
Im Unterschied zu Marsilius sind für Wilhelm von Ockham die Entscheidungen der Generalkonzilien202 auch nicht uneingeschränkt als notwendig für die ewige Seligkeit zu glauben. Vielmehr sei nur der Schrift, den Evangelisten, den Aposteln und der Gesamtkirche, nicht aber den Generalkonzilien,
196so: Sieben, S. 362 mit weiteren Nachweisen. 197siehe hierzu. Sieben, S. 362 ff. 198Michael von Cesena, Litterae deprecatoriae (1333), Goldast li 1360; Textstelle zitiert oben S . 212 FN 176; zum Gedanken dem Repräsentation der "ecclesia universalis" durch das allgemeine Konzil s.o. S. 210 ff. 199Marsilius, defensor pacis, II c 19 § 2; II c 20 § 2; Textstellen zitiert oben S . 211 FN 174. 200üclcham, Dial. lll, I, 3 c.S; zur Unfehlbarkeit der "ecclesia universalis" bei Wilhelm von Oclcham s.o.: S. 203 FN 135; siehe hierzu: Kölmel, Wilhelm Oclcham und seine kirchenpolitischen Schriften, S. 92 f., auf dessen Untersuchung hierbezuggenommen wird. 201oclcham, Dial. ill I, 3 c. 9. 202oclcham, DiaI. m I, 3 c. 1.
IV. Die "ecclesia universalis"
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den Dekretalien, den päpstlichen Erlassen oder irgendwelchen Lehrern verpflichtender Glaube zu erweisen. Letztere könnten nur in casu Autorität besitzen; sie können alle irren, auch das Generalkonzil. 203 Eine generelle Irrtumsfreiheit bezüglich der Auslegung der Heiligen Schrift ist für Wilhelm von Ockham für die Wiedererlangung der ewigen Seligkeit darüberhinaus auch nicht erforderlich. 204 Anders Marsilius; dieser vertritt in seinem "Defensor pacis" die Auffassung von der Unfehlbarkeit der Entscheidungen der Generalkonzilien. Diesen steht als Nachfolgern der Apostelkonzilien der Heilige Geist bei. Sie repräsentieren die "ecclesia universalis", sind daher unfehlbar. Die Beachtung der Entscheidungen des allgemeinen Konzils in Glaubensfragen ist für die Wiedererlangung des ewigen Lebens erforderlich. e) Die Befugnis zur Einberufung eines allgemeinen Konzils sowie zur Ausführung seiner Entscheidungen: der menschliche Gesetzgeber, der keinen höheren über sich kennt
Durch die Einberufung eines allgemeinen Konzils werden seine Teilnehmer verpflichtet, auf diesem zu erscheinen. Die Teilnahme kann unter Umständen sogar erzwungen werden. Die Einberufung eines allgemeinen Konzils stellt somit eine temporale Handlung dar. Wie wir gesehen haben, steht die Ausübung zwingender Gewalt aufgrund ausdrücklicher Anordnung Christi nicht der Kirche, sondern ausschließlich der weltliche Gewalt zu. 205 Wem kommt jetzt die Aufgabe zu, für die "ecclesia universalis" auf dieser Welt zwingende Anordnungen zu erlassen? aa) Die Befugnis zur Einberufung eines allgemeinen Konzils
Dies sei Aufgabe des gläubigen menschlichen Gesetzgeber, der keinen höheren über sich kennt, stellt Marsilius bezüglich der Einberufung eines allgemeinen Konzils fest. 206 Er begründet dies zum einen ausdrücklich mit dem Hinweis, daß zwingende Rechtsprechung auf dieser Welt ausschließlich dem
203ockham, Dial. III I, 3 c 5. 204siehe insoweit: Ockham, Dial. III I, 3 c 10, II, 14- 19. 205siehe insoweit oben: S. 196 ff. 206Marsilius, defensor pacis, II c 21 § I = 402, 20 - 25: "Nunc autem ostendere volo, ad solius humani legislatoris fidelis superiore carentis auctoritatem pertinere, aut eius vel eorum, cui vel quibus per iam dieturn legislatorem potestas hec commissa fuerit, generate concilium convocare, personas ad hoc idoneas determinare, .... •
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F. Aufbau und Organisation der Kirche
menschlichen Gesetzgeber zukomme.2°7 Darüberhinaus sei dies auch die Praxis der Alten Kirche gewesen, wie dem Kodex des Isidor zu entnehmen sei. 208 Als Beispiel sei hier nur das Konzil von Nikäa angeführt, das Kaiser Konstantin einberufen habe. 209 Daß diese Befugnis dem römischen Bischof nicht zustehe, begründet Marsilius darüberhinaus an Hand des Beispiels des häretischen Papstes. Dieser würde im Falle einer Bezichtigung der Häresie die Einberufung eines allgemeinen Konzils verzögern oder ganz hintertreiben. 210 Im Gegensatz zu Marsilius besitzt nach Wilhelm von Ockham grundsätzlich der Papst die Befugnis zur Einberufung eines allgemeinen Konzil. Nur im Notfall kann diese überlieferte kirchliche Ordnung im Interesse des Glaubens und der Kirche durchbrochen werden. Ein solcher liegt zum Beispiel bei Häresie des Papstes vor. In diesem Falle erhalten jedoch zunächst die Prälaten und Theologen das Recht zur Konzilseinberufung, dann erst die weltlichen Machthaber und schließlich jeder Katholik. 211 Wilhelm von Ockham steht insoweit - anders als Marsilius - in Einklang mit der kirchlichen Ordnung. Das Einberufungsrecht darf erst bei kirchlichem Notstand innerhalb der gestuften Amtsordnung von anderen realisiert werden. 21 2
Im Gegensatz hierzu überträgt Marsilius die Befugnis zur Einberufung vom Papst auf den menschlichen Gesetzgeber, der keinen höheren über sich kennt. Die Grundlage bildet seine vollständige Trennung zwischen weltlichem und
207Marsilius, defensor pacis, II c 21 § I = 402, 31 - 404, 6: "Que quamvis demonstrata sint 1S prime, 4, S et 9 ac 17 huius, in quibus per demonstracionem ostensum est et auctoritate scripture certificatum amplius, iurisdicciones coactivas super omnes indifferenter sacerdotes et nonsacerdotes, personarum determinaciones et approbaciones, officiorum quoque instituciones omnium ad solius humani legislatoris fidelis auctoritatem, minime vero ad sacerdotis aut sacerdotalis collegii solius, inquantum huiusmodi, pertinere." 208Marsilius, defensor pacis, II c 21 § I = 403, 6 - 9: "volumus tarnen nunc ea persuadere per iam dieturn Ysidori codicem plerisque locis, maxime vero, in quibus ea que facta sunt legi divine ac recte racioni consona recitat." 209Marsilius, defensor pacis, II c 21 § 2 = 403, 10- 17: "Primum quidem igitur in capitulo (nach R. Scholz zitiert Marsilius hier aus Pseudo-Isodorus ed. Hinschius p. 256), cui titulus: 'Incipit prefacio Niceni concilii', ubi sie inquit: 'lbique Arium 318 residentibvus episcopis . adesse iubet', Constantinus videlicet, 'ac de eius proposicionibus iudicare', episcopos scilicet. Ecco quod iussu legislatoris congregati fuerunt episcopi et sacerdotes in concilio supradicto. Idem rursum in capitulo, cui titulus: 'Incipit concilium 630 episcoporum', ubi sie inquit ...• 21 ~arsilius, defensor pacis, II c 21 § 3 = 404, 14 - 20: "Quod autem ad solum Romanum episcopum .. . non pertineat auctoritas supradicta, ... , quod si reus esset ipse aut cum suo collegio crirninis alicuius, propter quod expediret huiusmodi concilium convocare, verisimile est, ipsum talem congregacionem quantumpossei differre vel auferre totaliter; .. ." 211wilhelm von Oclcham, Dial. I lb 6 c 84 = I, 96 vb. 212so: Schlageter, S. 454.
IV. Die "ecclesia universalis"
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geistlichem Bereich. Die Einberufung eines allgemeinen Konzils gehört dem weltlichen Bereich an. Hieraus folgt, daß insoweit ausschließlich der gläubige menschliche Gesetzgeber zuständig ist. bb) Die Ausführung der Beschlüsse des allgemeinen Konzils Darüberhinaus kommt dem gläubigen menschlichen Gesetzgeber, der keinen höheren über sich kennt, die Aufgabe zu, EntscheidWlgen des allgemeinen Konzils für verbindlich auch für diese Welt zu erklären Wld gegebenenfalls durchzusetzen. Die Wlfehlbaren EntscheidWlgen des allgemeinen Konzils, die die AuslegWlg der Heiligen Schrift betreffen, verpflichten den Gläubigen nur in Bezug auf sein künftiges Leben. Sie sind auf dieser Welt grundsätzlich nicht verbindlich. 213 Dasselbe gilt hinsichtlich Fragen des kirchlichen Ritus sowie der DurchsetzWlg der FeststeliWlg der Häresie. Zur Wahrung der Einheit des Glaubens kann jedoch eine Beachtung der EntscheidWlgen des allgemeinen Konzils auch auf dieser Welt erforderlich sein. Insoweit ist aufgrund der strikten TrennWlg zwischen geistlichem Wld weltlichem Bereich aus-schließlich der menschliche Gesetzgeber zuständig.2 14 Die Richtigkeit dieser FeststellWlg belegt Marsilius an Hand von Beispielen aus dem Kodex des Isidor. 215 Beispielhaft sei hier die heilige VerordnWlg der erhabenen Kaiser Valentinianus Wld Marcianus nach dem Konzil von Chalkedon angeführt. In dieser wird das Konzil bestätigt Wld die VerdammWlg der Ketzer angeordnet.216 Nach Marsilius bestätigt der Kodex Isidors, daß die AuslegWlg der
2I 3Marsilius, defensor pacis, II c 21 §§ I, 4fT., hier: § 4 = 405, I - 8: "Quod vero diffinitorum seu iudicatorum et reliquorum ordinatorum, prime significacionis iudicio, per generale concilium obseJVacionis coaclivum ferre preceptum seu dare decretum super omnes indifferenter, tarn sacerdotes quam nonsacerdotes, eiusque precepti sive decreli transgressores arcere pena reali aut personali vel utraque, in hoc eciam seculo transgressoribus infligenda, sit auetorilas hurnani legislatoris fidelis superiore carentis ... • 214zur Trennung zwischen geistlichem und weltlichem Bereich siehe oben S. 90 ff. 215 Marsilius, defensor pacis, li c 21 §§ 4 ff.; hier§ 4 = 405, I -10: "Quod vero diffinitorum seu iudicatorum et reliquorum ordinatorum, prime significacionis iudicio, per generale concilium obseJVacionis cactivum ferre preceptum seu dare decretum super omnes indifferenter, tarn sacerdotes quam nonsacerdotes, eiusque precepti sive decreti transgressores arcere pena reali aut personali vel utraque, in hoc eciam seculo transgressoribus infligenda, sit auetorilas humani legislatoris fidelis superiore carentis, suadere volumus primum ex hiis que racionabiliter acta sunt et recitat Ysidorus codice predicto plerisque locis. • 2 16Marsilius, defensor pacis, I1 c 21 § 4 = 405, 23 - 406, 7: "!dem apparet rursum ex capitulo immediate subnixo, cui titulus: 'Incipit sacra Valentiniani et Marciani Augustorum post concilium Chalcedonense, in confinnacione eiusdem concilii et dampnacione hereticorum.' In qua series talis habetur: ' Hac lege decemimus eos qui Eutychetis errore decipiuntur ad exemplum Apollinariorum, quos Eutyches secutus est, quos vemerabiles patrum regule, id est ecclesiastici canones, et divarum principum sacratissime sancciones condempnant, nullum episco-
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F. Aufbau und Organisation der Kirche
Heiligen Schrift dem allgemeinen Konzil zukomme, während die verbindliche Durchsetzung der Beschlüsse eines allgemeinen Konzils dem menschlichen Gesetzgeber zustehe. 217 Im Gegensatz zu Marsilius hat nach Wilhelm von Ockham grundsätzlich der Papst auf dieser Welt die Anordnungen eines allgemeinen Konzils durchsetzen, sofern diese für die Gemeinschaft der Gläubigen heilsnotwendig sind. Denn der Papst hat eine umfassende, pastorale Leitungsbefugnis.218 Diese unterliegt jedoch vieWiltigen Grenzen. Die Anordnungen eines allgemeinen Konzils sind nach Marsilius für diese Welt erst verbindlich, wenn der gläubige menschliche Gesetzgeber dies an-
ordnet. Diese Verbindlicherklärung stellt jetzt menschliches Recht dar. Auf das Verhältnis zwischen göttlichem und menschlichen Recht sind wir an anderer Stelle bereits eingegangen. 219 Nach A. Gewirth besteht insoweit ein Gegensatz zwischen der Betonung der Freiwilligkeit des Glaubens und der Möglichkeit von Sanktionen, mit denen der menschliche Gesetzgeber die Konzilsentscheidungen versehen kann.22o
pum, nullum presbyterum, nullos creare vel appellare clericos, ipsumque Eutychen nomine presbyteri, quo indigne utens expoliatus est, in totum carere. Si quis tarnen contra diffinita nostra episcopos, prebyteros ceterosque clericos ausi fuerint ex hiis creare, tarn facientes quam factos, vel presumentes sibi, clericorum bonorum amissione, periculo subiacere exilii perpetui precipimus'." 217Marsilius, defensor pacis, II c 21 § 7 = 410, II - 22: "Ex hoc autem edicto attendenti apparet intencio trium conclusionum iam propositarum: unius quidem, quod dubia que circa Iegern divinam fuerint, expedit diffinire; secunde vero, quod diffinicio hec non ad singularis persone vel collegii auctoritatem pertinet, sed ad concilium generale; tercie quidem, quod huiusmodi convocare seu precipere concilium, personas ad hoc idoneas statuere ac determinare, et per ipsum concilium diffinita et ordinata servari statuere, statutorum quoque transgressores arcere in statu et pro statu presentis seculi, auetorilas sit solius humani legislatoris fidelis seu eius auctoritate principantis. • 218ockham, Oe imp c 8 = 20 f.: "omnia possibilia principi et rectori morali, quae sunt necessaria ad procurandam animarum salutem aeternam et ad regimen et gubemationem fidelium, ad papalem pertinet principatum: Nisi enim omnia talia .. . pertinerent ad apustolicum principatum, non esset per Christus sufficienter ecclesiae suae provisum, sed in necessariis sibi deticeret. •
Ockham, Oe imp c I 0 = 26: "haec est plenitudo potestatis, qua papa praeeminet et praefulget, qua regulariter vel casualiter omnia polest, quae necessaria regimini fidelium dinoscuntur. • siehe insoweit: Joh. Schlageter, S. 414 ff. 219 s.o.: S. 121 ff. 220Gewirth, S. 287: "There is the contrast between the generality of the council and the particularity of individual states. Since each state is independent, who will guarantee that its 'legislator' will elect representatives to the council and support its decisions? lf it be held that such support, like faith itself, is to be entirely voluntary, there is the further contrast between the noncoerciveness of faith and the coercive sanctions which the several legislators are to attach to the council's decisions. •
IV. Die "ecclesia universalis"
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A. Gewirth übersieht hierbei, daß die Aufgaben des allgemeinen Konzils und seine Befugnisse weitgehend beschränkt sind. So ist eine Auslegung der Heiligen Schrift nur zulässig, sofern die Stelle zweifelhaft ist. Im übrigen wird eine Verbindlicherklärung einer solchen Auslegung für diese Welt grundsätzlich nicht in Betracht kommen. Etwas anderes gilt für die Festlegung des kirchlichen Ritus, die Verdammung der Ketzer und die Einsetzung der Priester. Insoweit ist jedoch der persönliche Glaube des Einzelnen nicht betroffen. Wir wenden uns jetzt dem gläubigen menschlichen Gesetzgeber, der keinen höheren über sich kennt, zu.
cc) Der gläubige menschliche Gesetzgeber, der keinen höheren über sich kennt Dem gläubigen menschlichen Gesetzgeber, der keinen höheren über sich kennt, kommt die Befugnis zur Einberufung eines allgemeinen Konzils sowie zur Ausführung seiner Entscheidungen zu. Wen bezeichnet Marsilius jetzt konkret als gläubigen menschlichen Gesetzgeber, der keinen höheren über sich kennt? Insoweit ist festzuhalten, daß Marsilius dem Gedanken einer Weltmonarchie eher ablehnend gegenübersteht.221 Diese Bedenken teilt grundsätzlich auch Wilhelm von Ockham, wie Wilhelm Kölmel feststellt. Wilhelm von Ockham tritt im Unterschied zu Marsilius schließlich doch für die Weltmonarchie ein. Weltmonarch ist der römische Kaiser. De jure sind diesem alle Reiche untertan, denn dem römischen Reich waren einst die gesamten Länder des Erdkreises untertan gewesen. Dieses Rechts konnte das Imperium nur durch die Gesamtheit beraubt werden, die aber ein solches Urteil nicht aussprach. De facto besitzen die weltlichen Staaten jedoch eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber dem Reich 222 Wilhelm von Ockham berücksichtigt insoweit die tatsächlichen, politischen Gegebenheiten seiner Zeit.
221 Marsilius, defensor pacis, I c 18 § 10 = 118, 14 - 22: "Utrum autem universitati civiliter vivencium et in orbe totali unicum numero supremum omnium principatum habere conveniat, aut in diversis mundi plagis, locorum situ quasi necessario separatis, et precipue in non communicantibus sermone ac moribus, et consuetudine distantibus plurimum, diversos tales principatus habere conveniat Iernpore quodam, ad hoc eciam forte movente causa celesti, ne hominum superflua propagacio fiat, racionabilem habet perscrutacionem, aliam tarnen ab intencione presenti." 222siehe insoweit: Kölmel, Wilhelm Ockham und seine kirchenpolitischen Schriften, S. 107.
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Wendet sich Marsilius auch gegen eine universale Weltmonarchie, so erkennt er doch einen gläubigen menschlichen Gesetzgeber, der keinen höheren über sich kennt, an. Diesen stellt er der "ecclesia universalis" gegenüber. Der Tradition folgend versteht er hierunter das römische Reich, dem de jure die gesamte Christenheit untersteht. Seine Bürger bilden daher gleichzeitig die sichtbare "ecclesia universalis". Die Befugnisse des römischen Reiches - und hier des römischen Kaisers als weltlicher Herr der Christenheit - behandelt Marsilius ausschließlich in Bezug auf die "ecclesia universalis", nicht bezüglich der Fürsten dieser Welt. Es sind dies im wesentlichen die Einberufung eines allgemeinen Konzils, 22 3 die Durchsetzung der Entscheidungen eines allgemeinen Konzils auf dieser Welt224 sowie die Ein- bzw. Absetzung des Papstes. 225 A. Gewirth stellt insoweit fest: "even this superiore carens, however, is still only a "particular state without a suzerain," not a "supreme" state in the sense in which the empire was in some theories regarded as havin universal hegemony. "226 Inwieweit dem römischen Kaiser Befugnisse gegenüber den weltlichen Königen und Fürsten zustehen, läßt Marsilius offen. Otto Bornhak führt zur Stellung des gläubigen, menschlichen Gesetzgebers, der keinen höheren kennt, aus: "Indem Marsilius das naturrechtliche Dogma von der Volkssouveränität auf die Kirche überträgt und gleichzeitig die ausgedehnte Mandatarbefugnis des weltlichen Herrschers beibehält, wird das Konzil zu einer mit umfassenden Rechten ausgestatteten Körperschaft (D.P. li c 21, 22), die dem Kaiser nicht nur die Möglichkeit sondern geradezu die Pflicht einer für jene Zeit unerhörten tatsächlichen Leitung und Beeinflussung aller kirchlichen Verhältnisse darbietet (D.P. II c 21 § 8), weil ihm allein die Sanktionierung der Konzilsbeschlüsse und die Aufsicht über ihre Ausführung zugeschrieben wird. (D.P. II c 22) Dem Papst bleibt nichts als das Recht, gegebenenfalls den Antrag auf Zusammentritt eines allgemeinen Konzils zu stellen, während die tatsächliche Berufung dem weltlichen Herrscher zufallt."227 0. Bornhak berücksichtigt hier weder die Skepsis des Marsilius gegenüber einer Universalmonarchie des Kaisers noch den geistlichen Charakter der Kirche. Aufgrund seiner strikten Trennung zwischen weltlichem und
223Marsilius, defensor pacis, ll c 21. 22~arsilius, defensor pacis, II c 21. 225 Marsilius, defensor pacis, II c 22 §§ 9, II ff.; hier § II = 430, 10 - 14: "Huius autem rursum institucionis auctoritatem esse fidelis legislatoris humani aut eius auctoritate principantis iuxta consilium et detenninacionem generalis concilii, convinci polest eisdem racionibus et auctoritatibus, .. ." 226Gewirth, S. 131. 227Bomhak, Staatskirchliche Anschauungen und Handlungen am Hofe Kaiser Ludwigs des Bayern, S. 36 f.
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geistigem Bereich ist für Marsilius eine weltliche Instanz erforderlich, die die weltlichen Belange der "ecclesia universalis" vertritt. Dies ist der gläubige menschliche Gesetzgeber, der keinen höheren kennt. 4. Aufgabe und Stellung des Papstes innerhalb der "ecclesia universaUs"
Die Gemeinschaft aller Gläubigen, d.h. alle "ecclesiae particulares" bilden die "ecclesia universalis". Ihre wesentliche Aufgabe ist die Wahrung der Einheit des Glaubens sowie die Reinhaltung der katholischen Lehre von Intümem. Insoweit hat sie zweifelhafte Stellen der Heiligen Schrift auszulegen sowie das Vorliegen häretischer Lehren festzustellen. Die "ecclesia universalis" wird insoweit durch das allgemeine Konzil repräsentiert, das diese Aufgaben wahrnimmt. 228 Die verbindliche Durchsetzung der Beschlüsse des allgemeinen Konzils auf dieser Welt kommt dem gläubigen menschlichen Gesetzgeber zu, der keinen höheren über sich kennt. 229 Welche Aufgabe hat jetzt der Papst zu erfüllen, von wem ist ihm diese Befugnis verliehen worden? Marsilius stellt insoweit fest, daß der römischen Kirche bzw. dem Papst innerhalb der "ecclesia universalis" nach der Heiligen Schrift keine hervorgehobene Stellung zukomme. Die Heilige Schrift gehe vielmehr von der Gleichheit aller Kirchen und derselben Schlüsselgewalt aller Priester, gleich ob einfacher Priester, Bischof oder Papst aus.230 Weder ein Bischof noch eine Kirche sei als Haupt bzw. Führung über die anderen eingesetzt worden. Es sei nirgends erwähnt, daß Petrus das Haupt der Kirche sei. Grund und Fels des Glaubens sei vielmehr ausschließlich Christus. 231
228 zur Zusammensetzung der "ecc lesia universalis" s.o. S. 168 ff. ; zu ihren Aufgaben s .o. S. 205 ff. ; zur Repräsentation der "ecclesia universalis" durch das allgemeine Konzil s.o .: S. 206 ff. 229 zu den Aufgaben des gläubigen menschlichen Gesetzgebers, der keinen höheren kennt, s.o.: s. 217 ff. 230vgl. insoweit u.a.: Marsilius, defensor pacis, II c 22 § 6 = 423, I - 4: "Et quoniam numero unus est dator interioris auctoritatis et caracteris eiusdem speciei et gracie, Deus ipse, ideoque omnes episcopi sive sacerdotes equalis sunt auctoritatis et meriti a Deo dati, secundum quem modum leronymus intellexit." Zur Gleichheit der priesterlichen Schlüsselgewalt s.o.: S. 222 ff.; Marsilius, defensor pacis, ß c 22 § 6 = 425, 18 - 21 : "Cuius eciam, cum sibi per legislatorem fidelem dati et instituti collegii parte valenciori sive maiori, iudicare sit super episcopos et ecclesias, non subinvicem positas, de contencionibus spiritualibus proprie dictis, .. . " 231 Marsilius, defensor pacis, II c 22 § 5 = 423, 5 - 7: "Non est igitur episcopus aliquis aut ecclesia caput sive principalior aliarum, inquantum huiusmodi, virtute verborum scripture." Marsilius, defensor pacis, II c 22 § 5 = 423, 29 - 424, I : "Nusquam tarnen Cepham dixit ecclesie caput, nec ecclesiam illi tamquam capiti fore subiectam, cum tarnen hec dicta fuerint, postquam Christus surrexit a mortuis et super celos ascendit." Marsilius, defensor pacis, II c 28 §§ 5 ff.; hier: 532, 20- 534, 8: "Ad eas vero canonis auctoritates , quibus videtur ostendi, bea-
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Gott hat somit der römischen Kirche bzw. dem römischen Bischof keine Vorrangstellung eingeräumt. Eine solche kann ihre Grundlage nur in der menschlichen Ordnung finden. Der Papst ist nicht kraft göttlichen Rechts, sondern durch ein allgemeines Konzil bzw. durch den gläubigen menschlichen Gesetzgeber, der keinen höheren kennt, als Haupt eingesetzt worden. 232 Er unterscheidet sich von den übrigen Priestern und Bischöfen nicht bezüglich seiner "potestas ordinis", sondern ausschließlich in seiner "dignitas et officium". 2 33 Dem Papst kommen nach Marsilius vor allem folgende Aufgaben und Befugnisse zu: (I) Er hat dem gläubigen menschlichen Gesetzgeber, der keinen höheren über sich hat, strittige Glaubensfragen vorzulegen. Dem menschliche Gesetzgeber kommt die Aufgabe zu, gegebenenfalls ein allgemeines Konzil einzuberufen. Der Papst hat zuvor mit dem Priesterkollegium, das ihm der gläubige menschliche Gesetzgeber bzw. das allgemeine Konzil beigeordnet hat, über die Frage der Vorlage zu entscheiden. 234
tum Petrum superiorem dignitate ceteris apostolis non solum humana eleccione, verum eciam immediate Christi ordinacione, cum primo inducebatur ex Mattbei 16 (18- 19): 'Tu es Petrus, et super hanc petram edificabo ecclesiam meam; et ibi dabo claves regni celorum' etc. ; per que verba Christus ipsum videtur instituisse in sui saltem absencia caput et fundamenturn ecclesie: dico caput et fundamenturn ecclesie unicum esse et fuisse ordinacione immediat& Dei, et hoc Christum, apostolurum vero neminem, eciam in absencia Christi ... inquit enim Augustinus, et sumptum est ex Libro Rectractacionum: 'Dixi in quodam loco de apostolo Petro, quod in illo tamquam in petra edificata sit eeclesia . Sed seio me postea sepissime sie exposuisse, quod a Domino dieturn est: 'Tu es Petrus, et super hane petram edificabo ecclesiam meam' , ut super hunc intelligeretur, quem confessus est Petrus, dicens: 'Tu es Christus filius Dei vivi'; ac si Petrus ab hae petra appellatus personam ecclesie figuraret, que super hanc petram edificatur. Non enim dieturnest illi: tu es petra, sed 'tu es Petrus'; petra autem eral Christus quem confessus Simon, sicul ei Christus seilicet, Iota ecclesia confitetur, dictus est Petrus.' ... Et quod addebatur: 'Tibi dabo elaves regni eelorum' etc ., nullam Petro super reliquos apostolos auctoritatem tribuit, quoniam hanc eandem iudieiariam potestatem ceteris apostolis tribuit secundum Ieronymum et Rabanoum, ... • bzgl. weiterer Beweise fiir eine Vorrangstellung des Petrus siehe: defensor paeis, ll c 28 §§ 6 - II. 232Marsilius, defensor pacis, II c 22 § 6 = 424, 17 - 20: • Alio vero modo episcopum aliquem aut ecclesiam esse vel statui capul el ceteris principaliorem auctoritate generalis concilii vel fidelis legislatoris humani, convenienter intelligi potest sie, ut .. . • Marsilius, defensor pacis, ll c 22 § 9 = 428, 21 - 24: "Cuius autem sit auetorilas instituendi prioritatem hanc, dicendum, quod generalis concilii aut fidelis legislatoris humani superiore earentis." 233 siehe insoweit die Ausfiihrungen zur priesterlichen Gewalt S. 175 ff. 23~arsilius, defensor pacis, II e 22 § 6 = 424, 20- 425, 3: "ut videlieet ipsius sit officium, ... , deliberacione prehabita, si casus emerserit fidei, aut fidelium evidens necessitas, sibi delatus, propter quem expediens omnino videatur generate concilium convocare, id insinuare atque significare debeat fideli legislatori superiori carenti, iuxta cuius coactivum preceptum id debeal quemadmodum dix.imus congregari."
IV. Die "ecclesia universalis"
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(2) Er hat den Vorsitz auf dem allgemeinen Konzil zu führen. Er ist für den ordnungsgemäßen Ablauf des Konzils, die Leitung der Sitzung, sowie die Ausführung der Beschlüsse durch den gläubigen menschlieben Gesetzgeber zuständig. 235 (3) Er hat zusammen mit seinem Priesterkollegium über Bischöfe und Kirchen, die einander nicht untergeordnet sind, über geistliche Streitigkeiten im eigentlichen Sinne Gericht zu halten. Hierunter fällt u.a. die Frage, ob diese den kirchlichen Ritus beachten usw. Die Durchsetzung kommt aber ausschließlich dem gläubigen menschlichen Gesetzgeber zu. 236
Nur insoweit ist es zulässig, aber auch zweckmäßig,237 einen Bischof bzw. eine Kirche als Haupt und Führung über die anderen einzusetzen. Hierzu ist derjenige Bischof, der durch seine Lebensführung und theologische Gelehrsamkeit unter den übrigen hervorragt, zu bestimmen. Unter den Kirchen soll es diejenige sein, die die meisten Kleriker besitzt, die das reinste Leben führen, sich durch ihre theologische Gelehrsamkeit auszeichnen. Bei Gleichwertigkeit ist dem römischen Bischof und der römischen Kirche der Vorrang einzuräumen. Dies sei durch die Geschichte und die hierdurch hervorgerufene Gewöhnung gerechtfertigt. 238 Für die Einsetzung des Papstes und der ihm zur Seite stehende Gruppe von Klerikern ist das allgemeine Konzil bzw. der oberste menschliche Gesetzgeber zuständig. 239 Im Gegensatz zur überkommenen Lehre ist nach Marsilius das Papsttum nicht durch Gott eingesetzt, vielmehr menschlichen Ursprungs. Gegen diese Auffassung wendet sich Wilhelm von Ockham. Dieser erkennt auch die Gleichwertigkeit aller Kirchen an, 240 der römischen Kirche kommt jedoch eine institutionelle Vorrangstellung innerhalb der "ecclesia universalis" zu. Der Papst bildet das irdische Haupt der Kirche. Die Kirche kann jetzt aber für
235Marsilius, defensor pacis, ll c 22 § 6 = 425, 3 - 17. 236Marsilius, defensor pacis, li c 22 § 6 = 425, 18 -21, Text zitiert oben S. 223 FN 230. 23 7Marsilius, defensor pacis, li c 22 § 7 = 427, 7 - 10: " ... , expediens fuit unum esse aliorum priorem, cuius sit auetorilas ceteros ordinandi et reliqua expediencia precipiendi circa concilium celebrandum ... " 238Marsilius, defensor pacis, li c 22 § 8; zum Vorrang der römischen Kirche : 427, 24- 29: "quamvis ceteris paribus aut non multum distantibus Romanus episcocus aut ipsius ecclesia, quamdiu locus habitabilis extet, pluribus congruenciis videatur meruisse preferri: primum quidem, propter episcopi sui primi beati Petri aut Pauli vel utriusque excellentem Iidern et caritatem, ... " 239Marsilius, defensor pacis, U c 22 § 9 = 428, 21 - 24, Textstelle zitiert S. 224 FN 232. 240wi1helm von Ockham, Dial. I lb 5 c 23 : Non magis electa fuit a Deo ecclesia romana quam ecclesia hierosolimitana, sed Deus pennisit, ecclesiam hierosolimitanam totam a Iide recedere." 15 Lö!Telberger
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F. Autbau und Organisation der Kirche
Ockham gewisse Zeit auch ohne ihr irdisches Haupt auskommen, nicht jedoch ohne ihr himmlisches Haupt, d.h. ohne Christus. 241 Die gesamte kirchliche Macht und hiermit auch die geistliche Gewalt des Papstes findet nach Wilhelm von Ockham jedoch ihre Grenzen in der christlichen Freiheit. Diese stellt die entscheidende Grenze des kirchlichen Leitungsamtes dar. 242 Denselben Gedanken treffen wir im "Defensor pacis" u.a. bei der Behandlung des Sakramentes des Buße sowie der Rechtfertigungslehre an. Er bildet eine entscheidende Grundlage der strikten Trennung zwischen geistlichem und weltlichem Bereich. Marsilius geht jedoch über die Begrenzung der päpstlichen Gewalt mittels der christlichen Freiheit durch Wilhelm von Ockham hinaus, indem er dessen Einsetzung durch Christus verneint. Wir wollen abschließend noch kurz auf die Frage eingehen, ob Marsilius eine bereits einmal existierende Verfassung der "ecclesia universalis" hier vor Augen geschwebt ist, die es wiederherzustellen gilt.
5. Der Mythos der Alten Kirche Eine Vielzahl der Untersuchungen des "Defensor pacis" beschäftigt sich auch mit der von Marsilius vertretenen Auffassung von der Kirche. Diese wird hierbei sehr häufig unter der in Teil I des "Defensor pacis" vertretenen organologischen Staatsauffassung betrachtet. So stellt z.B. T. Struve fest, Ziel der Ekklesiologie des "Defensor pacis" sei der Ausschluß der Priester von weltlicher Gewalt. 243 Diese Feststellung ist zutreffend. T. Struve fuhrt insoweit aus: "Diese von Marsilius aus dem Organismusvergleich mit letzter Konsequenz abgeleitete Unterordnung der Kirche unter die staatliche Gewalt ist in der Tat einmalig innerhalb der staatstheoretischen Literatur des Mittelalters. Während sich die kaiserliche Publizistik weitgehend auf die Abwehr der von kirchlicher Seite erhobenen Forderungen beschränkte, ohne selbst neue Argumente in die Diskussion einzuführen, entwickelte Marsilius eine in sich geschlossene, rational begründete, konsequent laizistische Staatslehre .... Indem Marsilius an der Verbindung von Kirche und Staat festhält, bleibt er der christlichmittelalterlichen Anschauung durchaus verbunden. Was er im Interesse der Einheit des Staates fordert, ist lediglich die Unterordnung auch der Kirche unter die Regierungsgewalt des weltlichen Herrschers. Denn die Tätigkeit der Priester bedeutet fiir Marsilius nicht mehr als nur eine unter den
241ockham, Dial. I lb 5 c 24; siehe insoweit: Schlageter, S. 365 ff. 242siehe insoweit: Schlageter, S. 399 ff., 422 ff.; Kölmel , Wilhelm Ockham und seine kirchenpolitischen Schriften, S. 88. 243 struve, Die Entwicklung der organologischen Staatsauffassungen im Mittelalter, S. 278.
IV. Die "ecclesia universalis"
227
übrigen für den Bestand des Staates notwendigen Funktionen.244 Andrzej Wojtowicz wiederum sieht in Marsilius den Vertreter einer demokratischen Kirchenverfassung. Dies stelle eine Neuerung in der mittelalterlichen Gedankenwelt dar. 245 Auf die vielen Zitate aus der Heiligen Schrift wird weitestgehend nicht eingegangen, der Theologie jener Zeit wenig Beachtung geschenkt. So wird auch vielfach übersehen, daß bezüglich der sichtbaren "ecclesia universalis" Marsilius die Verfassung der Alten Kirche vor Augen schwebt. Der Mythos der Alten Kirche spielt im "Defensor pacis", wie J. Quillet zutreffend feststellt, 246 eine entscheidende Rolle. So beruft sich Marsilius ausschließlich auf die Konzilien der Alten Kirche. Diese wurden vom Kaiser einberufen, unter dem Schutz und der äußeren Leitung des Reiches abgehalten. Die Entscheidungen der Alten Konzilien wurden in gleicher Weise wie die kaiserlichen Gesetze verkündet. Im Gegensatz hierzu standen die Konzilien zu Beginn des 11. Jahrhunderts, die Marsilius nicht erwähnt, unter der Schutzherrschaft des Papstes. Louise Handelmann sieht in dem Mythos der Alten Kirche den Einfluß spiritueller franziskanischer Gedanken. Diese wende Marsilius jetzt im Unterschied zu den Franziskanern auf die Kirche als Ganzes an.247 Die Verfassung der Alten Kirche bildet für Marsilius das Ideal der sichtbaren Kirche, das es wiederherzustellen gilt. In dieser herrschte für ihn die strikte Trennung zwischen geistlichem und weltlichem Bereich, die das Neue Testament angeordnet hat. Diese Trennung gewährleistet zum einen die Einheit der staatlichen Gewalt, zum anderen die Reinhaltung der christlichen
244struve, S . 283 f. 245wojtowicz, Model wladzy panstwowej Marsyliusza z Padwy, Das Modell der Staatsgewalt des Marsilius von Padua, S. 130. 246Quillet, S. 173. 247 so auch: Handelman, "Ecclesia primitiva": "Alvarus Pelagius and Marsilius of Padua", S. 444: "Marsilius' interest in the "ecclesia primitive" as a model for total community refonn was even clcarer in his second version of thc ecclesia primitive, !hat is, the agc of the early church councils and Christian emperors. In this version "perfecta" no further meant the assumption of cvangelical poverty but rather, a total Christian community. Marsilius based this second model on Pseudo-lsidore's "Decretales, chaptcr "De prirnitiva ecclcsia in Concilio Niceno". S. 447: "Marsilius, in his model of the "ecclesia prirnitiva", also showed strong Franciscan influencc, with a clear grasp of the poverty argument which plagued the order. Further more, Marsilius's rcflection of Spirirual Franciscan thougt was not surprising, given the Spirirual criticism of thc papacy. Even though he showed Franciscan sympathies, however, Marsilius applied his refonn model to the church as a whole and did not differentiale Franciscan refonn from general refonn. In so doing Marsilius used an ancient historical model, not just abstract political ideas or contemporary ltalian, communal modles, to fonn his notions of church structure." 15*
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F. Aufbau und Organisation der Kirche
Lehre von weltlichen Einflüssen. 248 Marsilius kommt es - was zu oft übersehen wird - auf beide Folgen dieser Trennung an. V. Die "ecclesia particularis" Wie an anderer Stelle bereits erwähnt, versteht Marsilius unter Kirche im eigentlichen Sinne "die Gesamtheit der Gläubigen, die an den Namen Christi glauben und ihn anrufen, und alle Teile dieser Gemeinschaft". 249 Eine ähnliche Auffassung treffen wir bei Wilhelm von Ockharn an, der wie Marsilius seinen Klerus und Laien umfassenden Kirchenbegriff der Heiligen Schriftentnimmt.2 50 Beide wenden sich gegen eine Beschränkung des Begriffes der Kirche auf den Klerus. Zur Kirche gehören neben den Kleriker auch die Laien. 251 Die Bezeichnung der Kirche als "universitas fidelium" weist auf den mystischen Charakter der Kirche hin. 252 Dies gilt auch für den Nachsatz "und von allen Teilen dieser Gemeinschaft". Unter diesen fallen vor allem die "ecclesiae particulares", z.B. die römische Kirche, aber auch die Kirche eines souveränen Fürstentums. Nach J. Heckel bilde für Marsilius die "ecclesia particularis" den Schwerpunkt seines Interesses, die sich mit der civitas räumlich und persönlich decke. 253 Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt A. Gewirth. 254 G. de Lagarde wendet hiergegen ein, daß der örtlichen Gemeinschaft nicht die Befugnis zur Einsetzung ihrer Geistlichen zukomme, vielmehr dem menschlichen Gesetzgeber als höchster weltlicher Autorität. 255 Insoweit ist festzustellen, daß weder A. Gewirth noch nach J. Heckel dies in ihren Untersuchungen behaupten.
248vgl. insoweit allgemein u.a. : Dahl, Neutestamentliche Ansätze zur Lehre von den beiden Regimenten, vor allem S. 27 f. 249Marsilius, defensor pacis, D c 2 § 3 = 144, 22- 27; Textstelle zitiert S. 142 FN 4. 2500ckham, Dia! I lb 5 c 31; Textstelle zitiert oben S. 213 FN 186. 251 s.o.: s. 213 ff. 252siehe insoweit zur "ecclesia universalis" oben S. 206 IT. 253Heckel, Marsilius und Martin Luther, S. 292 254Gewirth, S. 301: "The Marsilian church-state is far more "congregationalist" than royalist, in that it is the local congregation, the universitas fidelium eius loci, which on both spiritual and temporal grounds controls such matters as excommunication of its members, the designation of his priests, and the election of members to the generat council, just as it makes the laws and elects the ruler. • 255de Lagarde, 239: "Ces hesitations sont tres symptomatiques d'une logique complaisante, mais elles ne changent rien au fait que ce n' est pas Ia communaute locale de Ia paroisse ou diocese qui designe son pasteur, mais le legislateur humain, c'est-a-dire l'autorite collective supreme. •
V. Die • ecclesia particularis"
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Für Marsilius ist die "ecclesia particularis" als Teil der "ecclesia universalis" grundsätzlich ebenfalls eine geistliche Gemeinschaft. Sie tritt daneben nach außen hin sichtbar auf dieser unserer Welt in Erscheinung. Marsilius wendet sich - wie bereits bei der "ecclesia universalis" - der sichtbaren "ecclesia particularis" zu. Er behandelt jetzt in seinem "defensor pacis" ihr Wesen, ihre Aufgaben und ihre Organisation. Die sichtbare "ecclesia particularis" ist insoweit ebenso wie die sichtbare "ecclesia universalis" weitgehend von dem Gedanken der Kirche als geistlicher Gemeinschaft geprägt.
1. Wesen und Aufgaben der "ecclesia particularis" Der von Marsilius vorgenommenen Bestimmung des Begriffes "ecclesia" als "Gesamtheit der Gläubigen, die an den Namen Christi glauben und ihn anrufen und alle Teile dieser Gesarntheit" 256 ist zu entnehmen, daß es sich auch bei der "ecclesia particularis" um eine im wesentlichen geistliche Gemeinschaft handelt. Von dieser ist die sichtbare Form der "ecclesia particularis", die Gesamtheit der Getauften eines Landes zu unterscheiden. Diese ist in einem christlichen Staat grundsätzlich mit der Gesamtheit seiner Glieder identisch. Welche Aufgaben kommen jetzt der sichtbaren "ecclesia particularis" zu? Ist die "ecclesia universalis" für die Wahrung der Einheit des Glaubens zuständig,257 so obliegen der "ecclesia particularis" vor allem folgende beiden Aufgaben, die Verkündigung des Wortes Gottes sowie die Verwaltung der Sakramente. Beide Aufgaben kommen dem Klerus zu. 258 Auf seine Rolle werden wir anschließend ausfuhrlieh eingehen. Marsilius betont hier die Bedeutung der Verkündigung des Wortes Gottes. Den Hintergrund bildet seine Auffassung von der christlichen Freiheit. Der Priester hat den Christen die Gebote Gottes zu verkünden, deren Einhaltung für die Wiedererlangung der ewigen Seligkeit erforderlich ist. Der Einzelne hat freiwillig, d.h. aus Liebe zu Gott, diese Gebote zu beachten. Im Gegensatz zu Wilhelm von Ockham hat nach Marsilius, wie wir bei der Behandlung der Frage der
25 6Marsilius, defensor pacis, II c 2 § 3 = 144, 22- 27 . 257zu den Aufgaben der sichtbaren "ecclesia universalis" s.o.: S. 205 ff. 258Marsilius. defensor pacis, I c 6 § 10 = 33, 17 - 19: • ... , sacerdocio vero predicacio legis divine et secundum illam sacramentorum administracio, ... • Marsilius, defensor pacis, I c 6 § 8 = 32, 24 - 26: Sacerdotalis igitur finis est hominum disciplina et erudicio de hiis que secundum evangelicam Iegern necessarium est credere, agere vel omittere propter etemam salutem consequendam et miseriam fugiendam. •
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F. Aufbau und Organisation der Kirche
Unfehlbarkeit der Entscheidungen eines allgemeinen Konzils gesehen haben, der Gläubige alle Gebote Gottes zu kennen. 2 59 Daneben steht dem Priester kraft seiner priesterlichen Gewalt die Verwaltung der Sakramente zu. Insoweit beschränkt sich Marsilius im wesentlichen auf die Erörterung des Bußsakramentes. Hierauf sind wir bereits ausführlich eingegangen. 260 2. Die Unterscheidung zwischen Klerus und Laien; die Priester als besonderer Stand im Staate
Mitglieder der sichtbaren "ecclesia particularis" sind alle auf den Namen Jesus Christus Getauften, d.h. neben dem Klerus auch die Laien. Marsilius lehnt, wie bereits mehrfach betont, die Beschränkung des Begriffes der Kirche auf den Klerus ab. 261 Die Priester nehmen gegenüber den Laien innerhalb der Kirche eine hervorgehobene Stellung ein, sind geistlichen Standes. Sie unterscheiden sich von den Laien zum einen durch ihre priesterliche Gewalt; diese wurde ihnen von Gott verliehen. Sie besteht im wesentlichen in der Verwaltung der Sakramente.262 Daneben bildet der Klerus innerhalb einer christlichen staatlichen Gesellschaft einen besonderen Stand im Staate.26 3 Diese Auffassung geht auf Aristoteles zurück, der die Berufsstände des Staates in sechs Gattungen, Bauern, Handwerker, Krieger, Geldleute, Priester und den Richterstand oder Rat eingeteilt hat. 264 Das christliche Priestertum unterscheidet sich jetzt grundlegend von einem heidnischen Priestertum und mithin auch seine Rolle innerhalb der staatlichen Gemeinschaft. Der Grund hierfür liegt nach Marsilius in der Tatsache begründet, daß die heidnischen Religionen im Unterschied zum katholischen christlichen Glauben keine richtige Vorstellung von Gott, dem künftigen Leben, dessen Glückseligkeit bzw. Pein und von dem diesbezüglich eingesetzten Priestertum gehabt haben. 265 Den
259siehe insoweit oben S. 217 ff. 260zur priesterlichen Schlüsselgewalt, v .a. zum Bußsakrament, s.o .: S. 186 ff. 26 lsiehe insoweit oben S. 213 f. 262zur Verleihung der priesterlichen Gewalt durch Gon siehe oben S. 181 ff. 263 Marsilius, defensor pacis, I c 5 § 10 = 25, 18 - 20: "Superest autem nobis de sacerdotalis partis necessitate dicere, de qua non omnes homines sie senserunt concorditer, ut de necessitate reliquarum parcium civitatis. • 26~arsilius, defensor pacis, I c 5 § I = 20, 12 - 15: • .. . , quod partes seu officia civitatis sunt sex generum, ut dixit Anstoteies 7 Politice, capitulo 6: agricultura, artificium, militaris, pecuniativa, sacerdocium et iudicalis seu consiliativa. • 26 5Marsilius, defensor pacis, I c 5 § 14 = 28, 8- 21: "Verum quia gentiles et omnium relique Ieges aut secte, que sunt aut fuerunt extra catholicam fidem christianam, aut que ante ipsam fuit
V. Die • ecclesia patticularis •
231
Menschen wurde lediglich vorgegaukelt, es gebe ein Jenseits und dort warteten auf sie Freude oder Leid je nach ihren Werken in dieser Welt. Eigentliche Aufgabe der heidnischen Priester war nicht die Unterstützung der Menschen hinsichtlich der Erlangung des ewigen Heils, sondern die Sicherstellung der Moralität des menschlichen Handeins im persönlichen wie im staatlichen Leben. Diese ist für ein befriedigendes Leben in der gegenwärtigen Welt notwendig. 266 Im Gegensatz hierzu erkennt Marsilius die von der christlichen Religion vertretene Auffassung von der Schöpfung der Welt durch Gott, vom Sündenfall Adams und Evas, vom Verdienst des Leidens Christi sowie von der Möglichkeit der Wiederaussöhnung des Menschen mit Gott als absolut wahr an. 267 Die entscheidende Aufgabe der christlichen Priester ist es jetzt, die Menschen aufihrem Weg der Wiederaussöhnung mit Gott zu unterstützen. Sie haben diese zu belehren, was zu tun bzw. zu unterlassen sei, um das ewige Heil wiederzuerlangen. Darüberhinaus haben sie die von Gott eingesetzten Sakramente zu verwalten. 268 Die gleichzeitig hiermit verbundene Gewährleistung der Moralität des menschlichen Handeins stellt für Marsilius nur eine unbeabsichtigte Nebenfolge dar. Der christliche Staat wiederum hat seinen Bürgern die Voraussetzungen, die
für die Wiedererlangung der ewigen Glückseligkeit erforderlich sind, zu
schaffen. Somit hat der christliche menschliche Gesetzgeber sicherzustellen, daß in seinem Staat allen Gläubigen das Wort Gottes durch Priester verkündet und die von Gott eingesetzten Sakramente gespendet werden. Die Priester stellen demzufolge einen besonderen Stand im Staate dar. Ihre Aufgabe besteht in der Sicherstellung des künftigen Gutlebens. Dem christlichen menschlichen Gesetzgeber kommt die Befugnis zur Festlegung der erforderlichen Anzahl von Priestern und zur Einsetzung derselben in ihren jeweiligen Aufgabenhereich zu.2 69
Mosaicam Iegern, vel que ante hanc fuit sanetarum patrum credulitatem et generaliter extra tradicionem eorum, que in sacro canone, vocata Biblia, continentur, non recte senserunt de Deo, ut quia humanum ingenium secuti sunt aut falsos prophetas vel doctores errorum, ideoque nec de futura vita ipsiusque felicitate vel miseria, nec de vero sacerdocio proptcrea instituto recte senaerunt. Locuti tarnen sumus in ipsorum ritibus, ut eorum a vero sacerdocio, Christianorum scilicet, differencia et sacerdotalis pattis necessitas in communitatibus manifestius apparet. • 266Marsilius, defensor pacis, I c 5 §§ II - 13. 267vgl. insoweit: Marsilius, defensor pacis, I c 6 §§ I - 7. 268Marsilius, defensor pacis, I c 6 § 8. 26 9Marsilius, defensor pacis, I c 4, 5; ß c 17, 18; so auch: J. Quillet, S. 184: "Deja sur le plan de Ia demonstration rationelle et du bien commun, le sacerdoce est necessaire, bien que Ia raison humaine ne dispose pas d 'argument pour le demontrer. Mais, s' agissant du sacerdoce chretien, son existence est doublement fondee: d 'une patt, comme dans toutes Ies autres religions, parce qu ' il repond a une necessite morale, donc sociale et politique, d'autre patt, parce
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F. Aufbau und Organisation der Kirche
3. Der menschliche Gesetzgeber: die Amtseinsetzung der Geistlichen
Wie wir gesehen haben, unterscheidet Marsilius zwischen der Verleihung der "auctoritas essentialis", der priesterlichen Schlüsselgewalt, und der "auctoritas non essencialis", d.h. der Ennächtigung, die priesterliche Schlüsselgewalt auszuüben und der Einsetzung des Priesters in Amt und Besitz. Durch das Sakrament der Weihe prägt Gott unmittelbar den priesterlichen Charakter, die "auctoritas essentialis", in die Seele des Priesters ein. 270 Die Spendung des Weihesakramentes ist dem Bischof vorbehalten. Insoweit stimmt Marsilius mit der herrschenden kirchlichen Lehre überein. Wem kommt jetzt die Befugnis der sekundären Einsetzung des Priesters in Amt und Besitz zu? Die Lösung dieser Frage sucht Marsilius in der Heiligen Schrift zu finden. Er stellt fest, daß Christus selbst den Aposteln keine bestimmten Gemeinden zugewiesen habe. Er habe vielmehr alle beauftragt, ohne Unterschied überall und über jedes Volk ihr Amt auszuüben. 271 Die Zuweisung eines bestimmten Volkes bzw. einer bestimmten Gemeinde erfolgte hingegen grundsätzlich unmittelbar durch die menschliche Ordnung. Die Apostel haben hierdurch keine weiteren geistlichen Befugnisse erhalten, die sie nicht schon vorher besessen hätten. 272 Gott habe dem Priester seine Schlüsselgewalt nicht für ein
qu'il est vrai, et qu'il repond a Ia finalite de l'homme, dont l'existence se deroule a Ia fois dans ce monde et dans l'autre. ll faut que l'homme vivant en societe puisse trouver dans I' organisation sociale chargee de lui proeurer Ia vita sufficiens ce qui correspond a ses besoins et a tous ses besoins. Comment, des lors, ne pas attacher une importance primordiale a Ia vraie doctrine, celle de Ia Nouvelle Loi, dont nous trouvons deux exposes dans le defensor pacis. Puisque dans Ia societe parfaite, le clerge veritable a sa place, et qu 'il repond a une exigence fondamentale, celle des fins dernieres, il est pour le moins indispensable de se demander quelle est sa place dans I' economie de Ia societe, ... " 270s.o.: S. 182 ff. 271 Marsilius, defensor pacis, II c 17 §§ 2, 3 = 356, 13- 357, 18: "Ante tarnen quam hic proposita singulariter prosequamur, expedit narrare primum institucionis et deterrninacionis episcoporum seu presbyterorum modum circa statum et inicium ecclesie primitive, unde cetera postmodum derivata sunt. ... (folgt Eph . 4, 15; 5, 23 ; I. Kor. 10, 4; Gal. 2, 8- 9 ; Röm. 11, 23 - 14) ... Ex quibus verbis senciendum videtur, quod ea potestate seu caractere, qua quis sacerdos instituitur, indifferenter habet potestatem ubique ministrandi et super omnem populum, quamvis divina revelacione vel humana quadam ordinacione quidam ad certurn locum aut populum magis deterrninentur quam ad reliquuum, precipue temporibus hiis. Hec autem videntur scripture ac racioni consona. Nam generalem unicuique apostolorum tradens Christus adrninistracionem, Mattbei 28 dixit apostolis indifferenter: 'Euntes ergo docete omnes gentes', nerninem deterrninando ad locum aut populum." 272 Marsilius, defensor pacis, II c 17 § 3 = 358, 5 - 10: "Ecce determinacionem apostolorum ad certurn populum et provincias humana ordinacione factam immediate. Constat autem, quod ex tali deterrninacione, sive facta immediata Dei revelacione sive ipsorum invicem ordinacione, ipsos non recipisse perfeccionem perspinturn sanctum, quam prius non habuissent."
V. Die "ecclesia particularis"
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Volk oder ein Gebiet, sondern für alle Menschen verliehen. 273 Die Apostel seien entweder infolge einer Offenbarung Christi oder infolge gütlicher Einigung untereinander für ein bestimmtes Gebiet zuständig gewesen. Sie haben ihre Nachfolger in der Regel nach gemeinsamer Beratung eingesetzt. 274 Waren alle oder mehrere Apostel nicht erreichbar, konnte die Einsetzung des Nachfolgers auch ein Apostel alleine vornehmen. Marsilius begründet diese Möglichkeit der Einsetzung mit der Tatsache, daß die Apostel den Heiligen Geist besaßen. 275 Nach der Zeit der Apostel erfolgte die Einsetzung der Bischöfe und sonstigen kirchlichen Diener ausschließlich durch die Gesamtheit der Gläubigen.276 Die Wahl sei auch die Fonn der Einsetzung der Priester und Bischöfe in ihr sekundäres Amt, ihren Sprengel, in der Alten Kirche gewesen. Auf diese Art und Weise seien viele bedeutende Heilige in ihr Amt eingeführt worden.2 77 In der Alten Kirche erfolgte die Berufung in ein kirchliches Amt generell durch Wahl. Diese wurde von der gesamten Gemeinde, Klerus wie Volk vorgenommen.278 In den christlichen Gemeinschaften kommt die Befugnis, die Personen zu wählen, zu bestimmen und vorzuschlagen, die zu den kirchlichen Weihen erhoben werden sollen, ausschließlich dem menschlichen Gesetzgeber bzw. der Gemeinschaft der Gläubigen zu.2 79
273 Marsilius, defensor pacis, II c 17 § 4 = 358, 20 - 23: "Non ergo determinatus est quisquam ex episcopali seu sacerdotali potestate, quam essencialem diximus, ad locum aut populum, sed indifferenter respicit omnes." 274Apg 6, 6; Marsilius, defensor pacis, II c 17 § 6 = 359, 24 - 360, 4: "Deinde dico, quod suorum successorum primorum, maxime ante populorum conversionem, institucionis secundarie seu determinacionis causa factiva immediata fuerunt et esse debuerunt omnes aut plures apostolorum vel ipsorum unicus secund um modum predictum, ut si simul omnes aut ipsorum plures aut unicus tantum reperti fuerint ibidem. Hoc autem convincitur primum ex scriptura, nam ipsos sie egisse legimus Actuum 6 in diaconorum institucione, ... " 275Marsilius, defensor pacis, II c 17 § 7. 276Marsilius, defensor pacis, li c 17 § 5 = 359, 8 - 14: • .. . , quod post mortem apostolorum aut in ipsorum absencia episcoporum et aliorum ecclesie seu spiritualium ministrorum institucio secundaria modorum convenientissimo possibilium humane conversacioni facta est per universitatem fidelium in loco sive provincia, super quam iam dicti ministri debent institui, numquam per aliquod singulare collegium aliud vel personam." Marsilius belegt dies jetzt anband von Apg 6, 1-.S ( = Defensor pacis, II c 17 § I 0) . 277Marsilius, defensor pacis, II c 17 §§ 11, 12, 13; Marsilius veiWeist insoweit auf die Einsetzung des Heiligen Gregorius und der Heiligen Nikolaus. 278 siehe hierzu: Baus/Ewig, Die Reichskirche nach Konstantin dem Großen, Erster Halbband: Die Kirche von Nikaia bis Chalkedon, S. 291 ff. mit weiteren Nachweisen. 279Marsilius, defensor pacis, II c 17 § 9 = 363, 21 - 27: " ... , quod in communitatibus fidelium iam perfectis ad legislatorem humanum solummodo seu fidelem multitudinem eius loci, super quam intendere debet promovendus minister, pertineat eligere, determinare ac presentare
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F. Aufbau und Organisation der Kirche
Marsilius unterscheidet hinsichtlich der Einsetzung eines Geistlichen zwischen folgenden drei Stufen: Wahl- Einsetzung in Amt und Besitz (= sekundäre Einsetzung)- Weihe (=primäre Einsetzung). Die Weihe erfolgt insoweit unmittelbar durch den Bischof, mittelbar durch Gott. Wem kommt jetzt jeweils die Befugnis zu, einen Geistlichen zu wählen bzw.ihn in Amt und Besitz einzusetzen? Dies sei Aufgabe des gläubigen Gesetzgebers bzw. des gläubigen Volkes.280 An anderer Stelle stellt Marsilius fest, daß die Wahl durch die Gesamtheit der Gläubigen zu erfolgen habe.281 Dem Klerus räumt Marsilius im Rahmen der Wahl eine herausgehobene Stellung ein. Er vergleicht die Wahl eines Geistlichen mit der Exkommunikation. Wie bei dieser gesteht er auch hier den Priestern ein sichereres Urteil hinsichtlich der Eignung eines künftigen Geistlichen zu. Ihre Wahl stelle jedoch nur ein Urteil von Sachverständigen in der ersten Bedeutung von Richter bzw. Gericht dar. 282 Die Einsetzung des Geistlichen in sein Amt hat der gläubige Gesetzgeber bzw. kraft dessen Ermächtigung der gläubige Herrscher vorzunehmen. 283 Die Richtigkeit dieser Feststellung sieht Marsilius durch eine entsprechende Einsetzungspraxis der gläubigen Könige Frankreichs bestätigt. Auch die Gesetze der römischen Herrscher bestimmen diese Art und Weise der Wahl und Einsetzung der Bischöfe und Priester in ihr Amt. 28 4
personas prornovendas ad ecclesiasticos ordines; et quod nemini sacerdoti vel episcopo singulariter neque ipsorurn soli collegio ... • 2 80siehe: Marsilius, defensor pacis, II c 17 § 9. 28 1Marsilius, defensor pacis, II c 17 § II = 367, 9- 13: "Cum igitur eleccio prestancior fieri possit per fideliurn universitatern quarn per unicurn horninern, eciam episcopum, aut collegiurn unicurn, apparet, quod ad ipsam rnagis quam ad unicarn singularern personarn aut singulare collegiurn talis eleccio seu presidis institucio debeat pertinere. • 2S2Marsilius, defensor pacis, II c 17 § § 14 = 368, 29 - 370, 3: • ... Quoniarn, esto sacerdotes de talibus arnplius et cercius haben~ iudiciurn reliqua civiurn rnultitudine ... Verurntarnen hoc sane tenendurn, quod bene posita Iex confonniter legi divine statuere debet, principantern de hoc credere iudicio sacerdoturn aut legis divine doctorurn et aliorurn honestorurn virorurn, quemadrnodurn de prornovendis in reliquis disciplinis, tarn de disciplina, quarn de rnoribus, iudicio peritorurn et approbatorurn debet examine uti; iudicio, inquarn, peritorum dicto secundurn primarn iudicis aut iudicii significacionern. Quoniam iudicio tercie significacionis auctoritate legislatoris habet principans approbare vel reprobare personas, statuere vel rernovere ab officiorurn exercicio, quemadrnodurn ostensurn est 15 prime . ..., velut demonstraturn est 10 huius et 17 prirne." 283Marsilius, defensor pacis, II c 17 § 15. 28~arsilius, defensor pacis, U c 17 § 17.
V. Die "ecclesia particularis"
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Bezüglich der Befugnis des gläubigen menschlichen Gesetzgeber zur Einsetzung der Geistlichen besteht allgemeine Übereinstimmung. 285 Den Hintergrund dieser Auffassung bildet die strenge Trennung zwischen spiritualem und temporalem Bereich. Spiritual ist ausschließlich die Verleihung der priesterlichen Schlüsselgewalt durch Gott, nicht jedoch die Wahl und die Einsetzung eines Geistlichen. Wahl und Einsetzung gehören somit der temporalen Ordnung an, sind Aufgabe des gläubigen menschlichen Gesetzgebers. Dieser ist in der christlichen Gemeinschaft ausschließlich fiir die temporale Ordnung zuständig. Als Vorbild dient Marsilius hier ebenso wie hinsichtlich der Organisation der "ecclesia universalis" die Verfassung der Alten Kirche. 286 Inwieweit unterscheidet sich Marsilius von der kirchlichen Auffassung? Auch diese unterschied zwischen Wahl, Weihe und Einsetzung eines Geistlichen. Wahl und Weihe kommen hierbei der Kirche, die Regalieninvestitur dem weltlichen Herrscher zu. 287 Im Unterschied zu Marsilius soll nach der kirchlichen Vorstellung die Wahl der Bischöfe kirchlichen Wahlkollegien und nicht der Gesamtheit der Gläubigen bzw. dem gläubigen menschlichen Gesetzgeber zustehen. 288 Der entscheidende Unterschied liegt in der strikten Trennung zwischen spiritualem und weltlichem Bereich durch Marsilius. Demzufolge entscheidet ausschließlich der gläubige weltliche Gesetzgeber über die Einsetzung eines Geistlichen, da diese dem temporalen Bereich angehört. Abschließend sei nur noch darauf hingewiesen, daß nach Marsilius die Priester den Stand der verdienstlichen Armut zu wahren haben. Insoweit wird auf die einschlägigen Untersuchungen zu dieser Frage verwiesen.289 Der gläubige menschliche Gesetzgeber hat jedoch fiir die notwendige Versorgung des Klerus zu sorgen. 29°
285vgl. insoweit: Quillct, S. 187 ff.; de Lagarde, S. 235 ff. ; Gewirth, S. 280 f. 286 so: Quillet, S. 188. 287vgl. insoweit: Kempf, Die gregorianische Reform, S. 401 - 461. 288vgl. insoweit: Hinschius, System des katholischen Kirchenrechts, Bd 2 S. 604 ff. 289Marsilius, defensor pacis, II c II - 14; zur verdienstlichen Armut siehe u .a.: Quillet, S. 203 - 227. de Lagarde, S . 329- 344. 29~arsilius, defensor pacis, n c 17 § 16 = 371' 26 - 31 : •. .. ; hiis tarnen semper adiciendo, secundum omnem eventum fidelem populum lege divina obligari, si potens fuerit, ad evangelicorum ministrorum sustentacionem in victu et tegmento decenti, quibus contenti debent esse, ut ex 1 ad Timotheum ultimo monstraturnest 14 huius .. . "
236
F. Aufbau und Organisation der Kirche
VI. Zusammenfassung von Kapitel F Die von Marsilius in seinem "defensor pacis" entworfene Organisation der Kirche ist von folgenden Gedanken geprägt: +die "universitas fidelium" stellt grundsätzlich eine geistliche Gemeinschaft dar. + alle Geistlichen besitzen kraft ausdrücklicher Anordnung Christi dieselbe priesterliche Schlüsselgewalt. + der altkirchlichen Tradition bezüglich des Sakramentes der Buße. Es entscheidet ausschließlich Gott, wem er die Sünden vergeben will. + der christlichen Freiheit. Diese bildet eine entscheidende Grenze hinsichtlich der kirchlichen Organisation. + der strikten Trennung zwischen temporalem und spiritualem Bereich. Die Ausgestaltung des temporalen Bereiches hat Gott den Menschen in eigener Verantwortung überlassen. Marsilius behandelt in seinem "defensor pacis" jetzt ausschließlich die sichtbare Erscheinungsform der Kirche, der "ecclesia universalis" wie der "ecclesiae particulares". Die Kirche tritt hier als grundsätzlich spirituale Gemeinschaft in den temporalen Bereich. Marsilius hält jetzt auch insoweit seine strikte Trennumg zwischen temporalem Bereich und spiritualem Bereich auf recht, wie wir sowohl bezüglich der "ecclesia universalis" wie den "ecclesiae particulares" gesehen haben. Wesentliche Aufgabe der "ecclesia universalis" ist die Wahrung der Einheit des Glaubens. Alleine der "ecclesia universalis" gilt das Versprechen Christi, er werde bei ihnen sein bis ans Ende der Zeit. Die "ecclesia universalis" kann somit nicht irren. Ihr obliegt die Auslegung der Heiligen Schrift sowie die Entscheidung in Glaubensfragen. Die "ecclesia universalis" ist jetzt nicht mit der "ecclesia Romana" identisch, wird vielmehr durch die Gesamtheit der auf den Namen Christi Getauften, d.h. "aller ecclesiae particulares" gebildet. Sie wird auf unserer Welt durch das allgemeine Konzil repräsentiert. Marsilius überträgt den Gedanken der Unfehlbarkeit der "ecclesia universalis" auf das allgemeine Konzil, das diese repräsentiert. Ausgehend von seinem umfassenden Kirchenbegriff haben auf dem allgemeinen Konzil auch Laien teilzunehmen. Die Einberufung sowie die Ausführung der Beschlüsse des allgemeinen Konzils kommt, da es sich insoweit um temporale Angelegenheiten handelt, dem gläubigen menschlichen Gesetzgeber zu, der keinen höheren auf dieser Welt kennt. Dies ist der römische Kaiser. Das Amt des Papstes wurde jetzt nach Marsilius nicht durch Christus eingesetzt, hat seinen Ursprung vielmehr in der menschlichen Ordnung. Das allgemeine Konzil bzw. der gläubige menschliche Gesetzgeber übertragen insoweit dem Papst gewisse Aufgaben be-
VI. Zusammenfassung von Kapitel F
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züglich der "ecclesia universalis". Konkret schwebte Marsilius die Verfassung der Alten Kirche vor Augen, die er wiederherstellen möchte. Im Gegensatz zur "ecclesia universalis" ist die "ecclesia particularis" für die Verkündigung des Wortes Gottes sowie die Verwaltung der Sakramente zuständig. Hinsichtlich der sichtbaren "ecclesia particularis" steht für Marsilius jetzt der Klerus im Mittelpunkt des Interesses. Er stellt fest, daß dieser einen besonderen Stand im Staate bilde. Die Einsetzung eines Geistlichen in sein Amt ist Aufgabe des gläubigen menschlichen Gesetzgebers, da es sich insoweit um eine temporale Maßnahme handle. Die priesterliche Gewalt verleiht hingegen unmittelbar Gott dem Priester durch das Sakrament der Weihe. Darüberhinaus haben die Priester den Stand der verdienstlichen Armut zu wahren, der menschliche Gesetzgeber für ihre lebensnotwendige Versorgung zu sorgen. Marsilius vertritt einen doppelten Kirchenbegriff sowohl bezüglich der "ecclesia universalis" wie der "ecclesia particularis" aus.291 Der von Marsilius vertretene Dualismus zwischen spiritualer und temporaler Ordnung führt jedoch zu keiner von der staatlichen Gesellschaft getrennten kirchlichen Gesellschaft. Vielmehr geht auch Marsilius weiter von der christlicher Gesellschaft des Mittelalters aus. Der Klerus ist insoweit lediglich ein besonderer Stand im Staate. 292
291 so: Bielefeld, S. 107; Heclcel, Marsilius und Martin Luther, S. 282. 292so auch: de Lagarde, S. 216.
G. Marsilius und Martin Lother Wenden wir uns zuletzt der Frage nach dem Einfluß des "defensor pacis" auf die Schriften Martin Luthers zu. 1 Insoweit wird versucht nachzuweisen, daß Martin Luther Gedanken aus dem "defensor pacis" übernommen habe.2 Manche zählen Marsilius von Padua zu den Vorreformatoren, 3 andere hingegen verneinen jegliche Beziehung zwischen Marsilius und Martin Luther bzw. schätzen diese als äußerst gering ein. 4 Gesichtert ist alleine, daß der "defensor pacis" erstmals im Jahre 1522 in Druck erschienen ist. 5 Die bedeutendsten Schriften Martin Luthers, die sich mit dem Verhältnis von Kirche und Staat befassen, stammen in etwa aus derselben Zeit. Seine Kampfschrift an den christlichen Adel deutscher Nation, von des christlichen Standes Besserung, verfaßte Martin Luther im Jahre 1520. Die Schrift "Von weltlicher Obrigkeit, wie weit man ihr gehorsam sei" stammt aus dem Jahre 1523. Martin Luther wurde bereits in den Anfängen der Reformation der "defensor pacis" als abschreckendes Beispiel entgegengehalten. Daß er diesen gelesen hat, ist nach Johannes Heckel weder erwiesen noch sehr wahrscheinlich. Dennoch finden wir bei beiden Autoren zahlreiche gleichlautende Thesen vorgetragen. 6 So verneinen beide einen Anspruch der Kirche auf weltliche Gewalt. Wir wollen uns hier auf einen Vergleich ihrer Auffassungen von der
1Die umfassendste Untersuchung stammt von Hecke!, Marsilius von Padua und Martin Luther. Ein Vergleich ihrer Rechts. und Soziallehre. 2vgl. hierzu : Hecke!, Marsilius von Padua und Martin Luther, S. 269 f. 3siehe u.a.: Pastor, Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters I, S. 69; Bihlmeyer-Tüchle, Kirchengeschichte ß, 364 bezeichnet den vollen Bruch des Marsilius mit derüberlieferten mittelalterlichen Gedankenwelt und mit der bestehenden Kirchenverfassung als ein "deutliches Praeludium der Reformation"; de Lagarde, Marsile de Padoue, Wien (1934), 146: "Ainsi, avec deux siecles d'avance, se dessine deja l'histoire de Ia Reforme du XVIe siecle." 4so u.a. Scholz, Marsilius von Padua und die Genesis des modernen Staatsbewußtseins, S. 88ff., 101: "Nichts verbindet den ganz positivistisch und juristisch gedachten Kirchenbegriff des Defensor pacis mit dem lutherischen Protestantismus." 5vgl. hierzu: Staehelin, L'edition de 1522 du "Defensor pacis" de Marsile de Padoue, S. 209 ff. 6vgl. hierzu: Hecke!, Marsilius und Martin Luther, S. 271 .
I. Die unterschiedliche Auffassung von der Gnade Gottes
239
Kirche und des Verhältnisses der Kirche zur weltlichen Gewalt beschränken. Die Grundlage soll die Lehre von der Gnade Gottes bilden.
I. Die unterschiedliche Auffassung von der Gnade Gottes und der Freiheit des menschlichen Willens bei Martin Luther und Marsilius von Padua Wie wir oben gesehen haben, sind für Marsilius neben der Gnade Gottes verdienstliche Werke des freien menschlichen Willens für die Erlösung des Menschen erforderlich. Der Mensch wurde von Gott mit einem freien Willen ausgestattet; er ist aus eigener Kraft fähig, das Gute zu wählen und das Böse zu meiden. Gott wird daher grundsätzlich nur diejenigen in sein Reich aufnehmen, die freiwillig seine Gebote erfüllt haben. Marsilius vertritt bezüglich der Erlösung des Menschen eine ähnliche voluntaristische Auffassung wie Wilhelm von Ockham. 7 Martin Luther wendet sich mit seiner Lehre von der Gnade Gottes gegen diese seiner Meinung nach falsche scholastische Auffassung von der Erlösung des Menschen. Diese habe die menschliche Freiheit zu stark betont, hierdurch Gottes freie Gnadenwahl eingeschränkt. Bezüglich der hier wiedergegebenen Lehre Luthers von der Rechtfertigung wird auf die Untersuchung E. Iserlohs, Die protestantische Reformation, bezug genommen. 8 In seiner "Vorlesung über die Psalmen" und seiner "Römerbriefvorlesung" arbeitet Martin Luther seine Auffassung von Gericht und Rechtfertigung heraus. Die beiden Grundgedanken bilden seine Lehre von der bleibenden Sünde und von der fremden Gerechtigkeit. 9 Nach Luther ist und bleibt der Mensch während seines Erdendaseins Sünder. Unter Sünde versteht er nicht die Tatsünde sondern die wurzelhafte Sünde, die BegierliehkeiL Diese geht allen verkehrten Handlungen voraus. Ihr ionerstes Wesen sind Eigengerechtigkeit,
7zur Neubewertung der menschlichen Freiheit durch Wilhelm von Ockham s.o .: S. 51 ff.; zur Auffassung von der menschlichen Willensfreiheit bei Marsilius siehe: S. 55 ff. 8vgl. hierzu: lserloh, Martin Luther und der Aufbruch der Reformation, S. II - 115; hier: "Martin Luther, Herkunft- Studiengang - Entwicklung zum Reformator" (= S. II - 44). 9Martin Luther, Römerbriefvorlesung, WA 56, S. !57: "Die Summe dieses Briefes ist: zu zuerstören, auszurotten und zu vernichten alle Weisheit und Gerechtigkeit des Fleisches, .. . wie sehr sie auch von Herzen und aufrichtigen SiMes geübt werden mag, und einzupflanzen, aufzurichten und groß zu machen die Sünde.· Martin Luther, WA 56, 158: "DeM Gott will uns nicht durch eigene, sondern durch fremde Gerechtigkeit und Weisheit selig machen, durch eine Gerechtigkeit, die nicht aus uns kommt und nicht aus uns wächst, sondern von anderswoher zu uns kommt; die auch nicht unserer Erde entspringt, sondern vom Himmel kommt. So muß man also eine Gerechtigkeit lehren, die ganz und gar von außen kommt und eine fremde Gerechtigkeit ist. Darum muß erst die eigene, in uns heimische Gerechtigkeit ausgerottet werden."
240
G. Marsilius und Martin Luther
Selbstgefälligkeit und Selbstsucht. Die Selbstbewgenheit droht die Handlungen des Menschen aufzufressen und zu verderben. 10 Der Mensch kann nur Gutes wollen und wirken, sofern der Glaube ihn erleuchtet und die Liebe ihn frei macht. Ohne Glaube und Liebe kann er nur Böses tun, selbst wenn er Gutes tut. 11 Diese verkehrte Grundhaltung des Menschen ist wirkliche Sünde. Sie wird erst in einem langsamen Prozeß durch Gottes Gnade beseitigt. 12 Gerecht ist detjenige, der seine Erbsünde annimmt und sich aus freien Stücken zur Verdarnnis bekennt. Dieser hat Gott genug getan. Voraussetzung hierfür ist nach Martin Luther der Glaube. 13 Der Mensch bedarf der äußeren Rechtfertigung, um seine verkehrte Grundeinstellung zu überwinden. Diese ist ein Geschenk Gottes an den Menschen. Der Mensch kann sie nicht aus eigener Kraft, sondern ausschließlich durch den Glauben an Gottes Wort erlangen. 14 Martin Luther wendet sich ausdrücklich gegen Aristoteles, der lehrte, daß die Gerechtigkeit sich aus dem gerechten Handeln ergebe. Dies sei nicht richtig. Die Gerechtigkeit gehe vielmehr dem Handeln voraus. 15 Martin Luther bezeichnet die Gerechtigkeit daher als Rechtfertigungsgnade. Sie ist ein Ergriffensein des Menschen von der Kraft Gottes. Der Heilige Geist bekommt Macht über den Menschen, richtet dessen ganze Existenz auf Gott hin aus. Läßt der Mensch sich vom Heiligen Geist ergreifen, ist er gerecht. Er wird frei von der Sünde, läßt Gott wirken und hält selber stille. 16 Die Gerechtigkeit ist für Martin Luther mit dem Glauben an Christus identisch. 17 Der Mensch wird durch seinen Glauben mit Christus eins. Im Glauben wird ihm die Gemeinschaft mit Christus geschenkt. Der Glaube ist das Bindemittel zwischen dem Herzen und dem Wort Gottes. Durch ihn werden beide zu einem Geist vermählt. 18
l~artin Luther, WA 56, S. 356. IIMartin Luther, WA 56, S . 355 . 12Die Erfahrung, daß der Mensch immer wieder sündigt, hatte Martin Luther bereits in seiner frühen Klosterzeit gemacht. In seiner "Vorlesung über die Psalmen, WA 4, 364 schreibt er: "Wir sündigen also immer wieder, wir sind immer unrein." In seiner Römerhrietvorlesung , WA 56, 274 schreibt er: "Darum kämptfe ich mit mir, ohne zu wissen, daß die Vergebung zwar wirklich ist, daß es aber keine Hinwegräumung der Sünde gibt, es sei denn in der Hoffnung, das heißt, daß die Sünde hinwegge scha fft werden soll durch das Geschenk der Gnade, die sie hinwegzuräumen beginnt, so daß sie fürderhin nicht mehr als Sünde angerechnet wird. " 13Martin Luther, Römerbrietvo rlesung, WA 56 , 419, 12- 16. 14 Martin Luther, WA 56, 172. 15Martin Luther, WA 56, 172. 16Martin Luther, WA 56, 277. 17Martin Luther, Vorlesung über den Galaterbrief (1516/ 17). WA 57 II 69; zur Vorlesung über den Galaterbrief siehe: Iserloh, Martin Luther und der Aufbruch der Reformation, S. 31 f. 18Mart in Luther, Hebräerbrietvorlesung (1517/18) , W A 57, III 157; zur Hebräerbrietvorlesung siehe . Iserloh, S. 32- 35 .
I. Die unterschiedliche Auffassung von der Gnade Gottes
241
In seiner Schrift "disputatio contra scholasticam theologiam" 19 setzt sich Martin Luther offiziel mit der "ockhamistischen" Schultheologie auseinander. Er tritt hier für die Lehre des Heiligen Augustinus von der Schlechtigkeit des Menschen ein. Ohne Gottes zuvorkommende Gnade20 kann der Mensch nur Böses tun. Einzig Gott bestimmt, wem er seine Gnade schenkt. Es gibt somit keine natürliche Moralität. Die Gnade ist mit der Gottesliebe untrennbar verbunden; sie ist Voraussetzung für die Erfüllung der Gebote des göttlichen Gesetzes. 21 Die zuvorkommende Gnade ermöglicht die Gottesliebe des Menschen erst. Sie formt und ordnet das Tun des Menschen von Grund auf auf Gott hin. Für Martin Luther ist ausschließlich die göttliche Gnade für die Erlösung des Menschen ursächlich. Der Mensch kann von sich aus nicht das ewige Heil erlangen, nicht einmal die ihm von Gott angebotene Gnade annehmen oder ablehnen. Diese von Luther vertretene Ablehnung der Freiheit des menschlichen Willens stellt eine Absage an den Humanismus seiner Zeit dar. 22 Sie führte zu der Auseinandersetzung zwischen Martin Luther und Desiderius Erasmus von Rotterdam23 um die Freiheit des menschlichen Willens, in der Martin Luther seine Auffassung von der menschlichen Freiheit umfassend begründete. In seiner Schrift "De Iibero arbitrio diatribe sive collatio" setzt sich Erasmus mit Martin Luthers Gnadenlehre auseinander. Auch für Erasmus liegt das Schwergewicht der Erlösung des Menschen auf der Gnade Gottes. 24 Der Mensch bedarf der zuvorkommenden und der mitwirkenden Gnade Gottes. Diese ist ursächlich für seine verdienstlichen Werke, bewirkt diese jedoch nur zusammen mit dem freien Willen. 25 Die Stellen der Heiligen Schrift, die von
19Martin Luther, "disputatio contra scholasticam theologiam" vom 4. Septernher 1517, WA I, 224- 228; zur "disputatio con scholasticam theologiam" siehe : lserloh, S. 42- 44. 20vgl. hierzu: Iserloh, Die protestantische Reformation, S . 36 ff, 42 ff. 21 Iserloh, S . 43. 22; vgl. hierzu : lserloh, Luthers Absage an den Humanismus. Der späte Erasmus, S . 146 ff.; Fuchs, Der Humanismus in Deutschland;lserloh, Der deutsche Humanismus. 23 zu Erasmus von Rotterdam siehe: Fuchs, Erasmus, Reuchlin, Hutten. 24 Erasmus, De Iibero arbitrio, S. 90, 7 - 13: "Pelagius Iibero arbitrio visus est tribuere plus
satis, Scotus tribuit affatim. Lutherus primum mutilabat tantum amputato dextro brachio, mox nec hoc contentus prorsus iugulavit liberum arbitrium et e medio sustulit. Mihi placet iBorum sententia, qui nonnihil tribuunt Iibero arbitrio, sed gratiae plurimum. " 25Erasmus, 30, 22-29: "Ergo, qui longissime fugiunt a Pelagio, plurimum tribuunt gratiae, Iibero arbitrio pene nihil nec tarnen in totum tollunt: negant hominem posse velle bo num sine gratia peculiari, negant posse incipere, negant posse progredi, negant posse perficere sine principali 16 Löffelherger
242
G. Marsilius und Martin Lulhcr
einer absoluten Vorherbestimmung des Menschen ausgehen, seien vorsichtig auszulegen. Erasmus kann sich keine christliche Ethik ohne die Freiheit, das Gute zu wählen und das Böse zu verwerfen, vorstellen. Eine solche Freiheit bestätigen die Heilige Schrift, die Philosophen und der gesunde Menschenverstand. Luthers Feststellung, daß alles, was der Mensch tue, nicht aus freiem Willen sondern aus reiner Notwendigkeit geschehe, ist mit seinem humanistischen Menschenbild nicht vereinbar. Er stellt Martin Luther die Frage, welcher Schwache weiterhin unter diesen Umständen den dauernden und mühevollen Kampf gegen das eigene Fleisch führen werde? Welcher Böse wird hinfort noch sein Leben zu bessern trachten? 26 Mit "De servo arbitrio" tritt Martin Luther der von Erasmus vertretenen Wahlfreiheit des Menschen entschieden entgegen. Die in der Heiligen Schrift enthaltene Lehre laute eindeutig: Gott ist Gott, d.h. absolut und unbedingt, der Mensch ist Mensch, d.h. bedingt und von Gott abhängig. 27 Für den Christen sei es heilsam und notwendig zu wissen, daß der eigene Wille nichts zum Heil auszurichten vermag. Dies sei das Wesen der christlichen Lehre.28
perpetuoque gratiae divinae praesidio. Horum sententia satis videtur probabilis, quod relinquat homini studium et conatum et tarnen non relinquit, quod suis ascribat viribus. • 26Erasmus, 9, 20- 10, II: "Fingamus igitur in aliquo sensu verum esse, quod docuit Vuyclevus, Lutherus asseruit, quicquid fit a nobis, non Iibero arbitrio, sed mera necessitate fieri, quid inutilius, quam hoc paradoxon evulgari mundo? Rursum fingamus esse verum iuxta sensum aliquem, quod alicubi scribit Augustinus, deum et bona et mala operari in nobis et sua bona opera remunerari in nobis et sua mala opera punire in nobis. Quantam fenestram haec vulgo prodita vox innumeris mortalibus aperiret ad impietatem, praesertim in tanta mortalium tarditate, socordia, malitia et ad omne impietatis genus irrevocabili pronitate? Quis infirrnus sustinebit perpetuam ac laboriosam pugnam adversus camem suam? Quis malus studebit corrigere vitam suam?" 27Martin Lulher, De servo arbitrio 1525, WA XVIII, 712, 29-38: • ... , Electi tarnen manebunt. ldem dicetur illis, qui quaerunt: Cur perrnisit Adam ruere, et cur nos omnes eodem peccato infectos condit, cum potuisset illum servare et nos aliunde vel primum purgato semine creare. Deus est, cuius voluntatis nulla est caussa nec ratio, quae illi ceu regula et mensura praescribatur, cum nihil sit illi aequale aut superius, sed ipsa est regula omnium. Si enim esset illi aliqua regula vel mensura aut caussa aut ratio, iam nec Dei voluntas esse posset. Non enim quia sie debet vel debuit velle, ideo rectum est, quod vult. Sed contra : Quia ipse sie vult, ideo debet rectum esse, quod fit. Creaturae voluntati caussa et ratio praescribitur sed non Creatoris voluntati, nisi alium illi praefeceris creatorem." 28 Martin Lulher, WA XVIII 614, I - 2f.: "lgitur non est irreligiosum, curiosum aut supervacaneum, sed imprimis salutare et necessarium Christiano, nasse, an voluntas aliquid vel nihil agat in iis, quae pertinent ad salutem. lmo ut scias, hic est cardo nostrae disputationis, hic versatur status causae huius. Nam hoc agimus, ut disquiramus, quid nam possit liberum arbitrium, quid patiatur, quo modo se habeat ad gratiam Dei. Haec si ignoraverimus, prorsus nihil Christianarum rerum noscemus, erimusque omnibus gentibus peiores. Qui hoc non sentit, fateatur sese non esse Christianum. Qui vero reprehendit vel contemnit, sciat sese esse summum Christianorum hostem. Nam si ignoravero, quid, quatenus et quantum ego possum et quantum Deus in me polest et faciat, cum Deus operetur omnia in omnibus . lgnoratis vero operibus et potentia
I. Die unterschiedliche Auffassung von der Gnade Gottes
243
Diese gehe von Gottes freischenkender Gnade aus. Die Unfreiheit des Willens sei hingegen Zeichen des Menschen als Geschöpf überhaupt. Der Mensch sei entweder vom Bösen oder vom Geist Gottes besessen. In beiden Fällen handle er notwendig. Denn auch wenn der Wille durch den Heiligen Geist geändert werde, sei er anschließend nicht frei. Er könne, solange ihn Gottes Geist und Gnade beseele, nicht anders handeln. Zur besseren Verdeutlichung vergleicht Martin Luther den menschlichen Willen mit einem Reittier, dessen Reiter entweder Gott oder der Satan ist. 29 Er vertritt somit eine Prädestinationslehre im strengen Sinne. Gott weiß nicht nur. wer einst in sein Reich eingehen wird, sondern er bestimmt diese auch noch selbst. Gegenüber Gott verbleibt dem Menschen kein Spielraum. Diese Feststellung ist für Martin Luther beruhigend. Das Heil sei dem menschlichen Willen entzogen, der Mensch könne somit auch nicht von einem Dämon überwältigt werden. 30 Doch woher weiß der Mensch jetzt, daß er zu den von Gott Erwählten zählt. Diese Frage kann auch Martin Luther nicht zufriedenstellend beantworten. Unter den Schülern Martin Luthers war seine Auffassung von der Gnade und von der Prädestination weiter umstritten. Insoweit wird auf die Abhandlung E. Iserlohs, "Der Kampf um die rechte Lehre im Luthertum" verwiesen.3 1 Abschließend bleibt festzuhalten, daß sich Martin Luther und Marsilius grundlegend bezüglich ihrer jeweiligen Gnadenlehre unterscheiden. Marsilius betont die Freiheit des menschlichen Willens, eine Lehre von der Vorherbestimmung Gottes ist im "Defensor pacis" nicht anzutreffen. Martin Luther hingegen verneint jegliche menschliche Freiheit gegenüber Gott. Ursächlich für die Wiederaussöhnung sei ausschließlich Gottes Gnade. Als Konsequenz vertritt er eine Prädestinationslehre im strengen Sinne. Diese unterschiedliche
Dei, Deum ipsum ignoro . lgnorato Deo colere, laudare, gratias agere, servire Deo non possum, dum nescio, quantum mihi tribuere, quantum Deo debeo. Oportet igitur certissimam distinctionem habere inter virtutem Dei et nostran, inter opus Dei et nostrum, si volumus pie vivere. Ita vides, hoc problema esse partem alteram totius summae Christianarum rerum, in quo pendet et periclitatur cognitio suiipsius, cognitio et gloria Dei . Quare non est ferendum in te, Mi Erasme, ut hoc nosse irreligiosum, curiosum et vanum apelles. Multa tibi debemus, Sed pietati omnia debemus. ". 29 Martin Luther, WA XVIII 635, 17-22: "Sie humana voluntas in medio posita est, ceu iumentum, si insederit Deus, vult et vadit, quo vult Deus, ut Psalmus dicit: Factus sum sicut iumentum et ego semper tecum. Si insederit Satan, vult et vadit, quo vult Satan, nec est in eius arbitrio ad utrum sessorum currere aut eum quaerere, sed ipsi sessores cenant ob ipsum obtinendum et possidendum." Vgl. hierzu: A. Adam, Die Herkunft des Lutherwortes vom menschlichen Willen als Reittier Gottes; LuJ 29 (1962) 25 - 34. 3~artin Luther, W A XVIII 783. 31 Iserloh, Der Kampf um die rechte Lehre im Luthertum, S. 354-376 . 16•
244
G. Marsilius und Martin Lutber
Auffassung in der Gnadenlehre hat Auswirkungen auf die jeweilige Lehre von der Kirche.
ll. Die Kirche nach Martin Luther Die Ekklesiologie Martin Luthers ist von seiner Gnaden- und Prädestinationslehre geprägt. Augustinus folgend unterscheidet er zwischen dem anhebenden Reich Christi und dem Reich der Welt. 32 1. Die Lehre von den beiden Reichen In seiner Schrift "Von weltlicher Obrigkeit" trennt Martin Luther die Welt
in zwei transzendente Reiche, das Reich Christi und das Reich der Welt. Au-
gustinus folgend bezeichnet Martin Luther mit Reich Christi das Reich des Guten und mit Reich der Welt das Reich des Bösen. Jeder Mensch gehört bereits während seines Lebens einem dieser beiden transzendenten Reiche an. 33 Die Ursprünge dieser Lehre sind unbestritten in der Unterscheidung des Heiligen Augustmus zwischen der "civitas Dei" und der "civitas terrena" zu suchen. 34 Die Interpretation der Zwei-Reiche-Lehre Luthers ist jedoch bis heute kontrovers. 3 5 Geht S. Grundmann von einer Zwei-Reiche-Lehre im Sinne Augustins aus, darf nach Paul Althaus Luthers Zwei-Reiche-Lehre nicht mit dem Gegensatz von Gottesreich und Satansreich zusammengebracht werden. Vielmehr sei für Martin Luther "Reich" grundsätzlich mit dem Begriff "Regiment" identisch. 36 Für Paul Althaus steht ausschließlich die Regierweise Gottes im Vordergrund. "Gott regiert die Welt auf eine doppelte Weise: die eine hilft zur Erhaltung dieses leiblichen, irdischen, zeitlichen Lebens, damit zur Erhaltung der Welt, die andere zum ewigen Leben, das heißt zur Erlösung der Welt. Das erste Regiment führt Gott mit der linken, das zweite mit der rechten Hand. •37 Paul Althaus trennt nicht zwischen Reich und Regiment,
32Einen guten Überi>lick über Lutbers Lehre von den zwei Reichen bieten die beiden Bände aus der Reihe WdF: Bd. CVII: Reich Gottes und Welt. Die Lehre Lutbers von den zwei Reichen, hrsg. von H.-H. Schrey; Bd . LXXXV: Lutber und die Obrigkeit, hrsg. von Guntber Wolf. 33Martin Lutber, Von weltlicher Obrigkeit, 18: "Hier müssen wir Adams Kinder, d.h. alle Menschen, in zwei Teile teilen: die einen zum Reich Gones, die andem zum Reich der Welt gehörig. Die zum Reich Gottes Gehörenden, das sind alle, die als wahrhaft Glaubende in Christus und unter Christus sind.· 34 so: Grundmann, Kirche und Staat nach der Zwei-Reiche-Lehre Lutbers, S. 341 - 369 . 3\iehe hierzu die Nachweise bei Grundmann, S. 341 ff. 36siehe hierzu : Altbaus, in: EKL m Sp. 1929. 37siehe hierzu : Altbaus, in: EKL m Sp. 1928.
II. Die Kirche nach Martin Luther
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verwendet beide Begriffe vielmehr weitgehend synonym. Er legt den Schwerpunkt auf die Regimente-Lehre, die Reiche-Lehre wird vorwiegend funktional gedacht. Paul Althaus wird insoweit nicht dem Wortlaut der Schriften Martin Luthers gerecht. Dieser beginnt seine Schrift "Von weltlicher Obrigkeit" mit der Feststellung, daß in der Heiligen Schrift ein scheinbarer Widerspruch in den Aussagen über den Gebrauch des Schwertes bestehe. Zum einen rede die Bibel von der Pflicht, den Bösen zu strafen, zum anderen von der Pflicht, das Böse zu leiden. 38 Diesen Widerspruch versucht Luther durch die Unterscheidung von zwei Gruppen, die verschiedenen Reichen angehören, zu lösen. Diese beiden von Luther unterschiedenen Reiche sind das Reich Gottes und das Reich der Welt.3 9 Im Reich Christi sind im Gegensatz zum Reich der Welt40 das Schwert und Obrigkeit nicht erforderlich. 4 1 Bereits die Überschriften der Schrift "Von weltlicher Obrigkeit" belegen, daß Martin Luther eine Zwei-Reiche-Lehre vertritt. Darüberhinaus finden wir die Einteilung der Menschheit in zwei "Völker" in der Promotionsdisputation von Palladius und Tilemann wieder. 42 Im übrigen ist das Lutherwort vom menschlichen Willen als Reittier Gottes43 nur verständlich, wenn dieser von einer 2-Reiche-Lehre ausgeht. Im "defensor pacis" treffen wir hingegen eine "Zwei-Reiche-Lehre" nicht an. Eine solche setzt eine strenge Prädestinationsauffassung voraus, wäre mit der von Marsilius vertretenen Freiheit des menschlichen Willens nicht vereinbar. Die Zwei-Reiche-Lehre bildet jetzt die theologische Grundlage der Ekklesiologie Martin Luthers. 2. Die Aufhebung der Unterscheidung zwischen Klerus und Laien durch Martin Luther
Marsilius behält, wie wir gesehen haben, die Unterscheidung zwischen Priestern und Laien bei. Dem geistlichen Stand kommt innerhalb der Kirche eine hervorgehobene Aufgabe zu. Die Priester unterscheiden sich durch ihre
38Martin Luther, Von weltlicher Obrigkeit, 15 ff. 39Martin Luther, Von weltlicher Obrigkeit, 18 ff. ~artin Luther, Von weltlicher Obrigkeit, 20 ff. 41Martin Luther, Von weltlicher Obrigkeit, 19. 42Luther selbst schreibt in der Promotionsdisputation von Palladius und Tilemann 1537, WA XXXIX 1, 221, 9: "Misericordia IBnturn regnat super iustos et sanctos, super iniustos et impios cst ira Dei. Dum est aliquis iniustus ct peccator incredulus, impoenitens, non est in misericordia. Sed ubi convertitur et accipit fidem in Christum, cst iustus et sanctus, etiamsi adhuc in came eius inhabitet peccatum. lmpium non apprehendit misericordia, sed iustos, qui cupiunt credere, ut et sint peccatores. • 43 Martin Luther, De servo arbitrio, WA XVID, 635, 17- 22; zitiert oben S. 243 FN 29.
246
G. Marsilius und Martin Luther
priesterliche Gewalt von den übrigen Gläubigen. Diese hat ihnen Gott verliehen. Marsilius beschränkt jetzt die Kirche nicht auf den Klerus, geht vielmehr von einem umfassenden Kirchenbegriff aus. Diesen entnimmt er der Heiligen Schrift. Neben dem Klerus gehören auch die Laien der Kirche an. 44 Im Gegensatz zu Marsilius hebt Martin Luther die Unterscheidung zwischen den Priestern als geistlichem Stand und den Laien als weltlichem Stand auf. Unter Berufung auf den ersten Brief des Heiligen Apostels Paulus an die Korinther stellt Martin Luther fest, daß alle Christen geistlichen Standes seien. 45 Der Priesterstand ist für ihn kein besonderer Stand mehr, sondern lediglich ein Amt. Dieses überträgt die Gemeinschaft der Gläubigen gemäß der Heiligen Schrift den Priestern. Die christlichen weltlichen Herrscher sind ebenso wie die Priester getauft, gleichfalls geistlichen Standes. Der Priester kann somit nicht aufgrund seines Standes - Herrscher wie Priester sind beide geistlichen Standes - dem Herrscher übergeordnet sein. 46 3. Die Unterscheidung zwischen sichtbarer und wahrer Kirche
Als Folge seiner Zwei-Reiche-Lehre unterscheidet Martin Luther Augustinus47 folgend zwischen sichtbarer und wahrer Kirche. Die wahre Kirche bezeichnet Martin Luther als "ecclesia spiritualis". a) Die "ecclesia spiritualis"
Die "getauften Gläubigen", d.h. diejenigen, denen Gott seine Gnade geschenkt hat, sind Mitglieder der "ecclesia spiritualis". 48 Sie bilden im Verhältnis zu Christus das "corpus Christi mysticum", im Verhältnis zueinander eine geistliche Bruderschaft. 49 Sie sind das anhebende Reich Christi. 50 Haupt
44zum Begriff der Kirche bei Marsilius siehe oben: S. 141 ff. 45Martin Luther, An den christlichen Adel, 70: "Man hat es erfunden, daß Papst, Bischöfe, Priester und KlostelVolk der geistliche Stand genannt werden, Fürsten, Herren . . . der weltliche Stand . .. . weil alle Christen wahrhaftig geistlichen Standes sind, und es zwischen ihnen keinen Unterschied außer dem des Amtes allein gibt, wie Paulus 1 Kor 12, 12 sagt .. . " 46 siehe hierzu: Martin Luther, An den christlichen Adel, S. 71 f. 47zur Unterscheidung zwischen sichtbarer und wahrer Kirche durch Augustinus s.o.: S. 163 ff. 48Martin Luther, Ad librum ... Ambrosii Catharini ... responsio 1521, WA Vß 742, 34: "Cum ecclesia non significet nisi sanctam fidelium congregationem, qui spiritu dei vivuni ct aguntur, qui sunt corpus et plcnitudo Christi, ut Paulus dicit." 49vgl. hierzu: Martin Luther, Brief vom 18. Juni 1523, WA Br. ill 92, 81 : (Die Christen sind) durch cynerley tauffe, sacramcnt, got und geist, dadurch wir alle geystliche Brüder u. Schwestern werden.
II. Die Kirche nach Martin Luther
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der "ecclesia spiritualis" ist ausschließlich Christus. Von ihm strömt die göttliche Lebenskraft über die Christenheit. Die "ecclesia spiritualis" hat kein irdisches Haupt; Christus hat niemanden als seinen Stellvertreter eingesetzt. 5 I Er ist der alleinige Inhaber des Kirchenregimentes. 52 Sein Regiment bat nichts mit Herrschaft53 an sich zu tun, ist seelsorgerischer Dienst. Für Martin Luther gibt es in der "ecclesia spiritualis" keine Obrigkeit weltlicher oder kirchlicher Art, sie ist auf dem Prinzip des "ministeriums" aufgebaut. Jedwede "potestas iurisdictionis" hat sich Christus vorbehalten. 54 Martin Luther bezeichnet die "ecclesia spiritualis" als die wesenhafte, inwendige, geistliche Christenheit,55 als "communio sanctorum•.56 Die "ecclesia spiritualis" bildet eine verborgene Kirche. 57 Sie ist mittels der Vernunft nicht feststell bar, aber göttliche Wirklichkeit, die Gegenwart des Heiligen Geistes. Sie hat auch eine irdische Schauseite. Diese ist zwar nicht für den natürlichen Menschen, 5S jedoch für den geisterfüllten, den gläubigen Christen, wahrnehmbar. 59
50~fartin Luther, Brief vom 4. Oktober 1522, WA Br. II 605, 8: "Regnum dei ist ecclesia Christi.· 5 1Martin Luther, Wider Hans Worst 1541, WA LI 494, 25: (Die Kirche ist) ein geistlich Reich (und kann) kein ander Heubt (haben) denn ein geistlichs, welches ist Christus. Martin Luther, Von dem Papsttum zu Rom 1520, WA VI 297, 39: Allein Christus ym hymel ist hie das heubt und regiret allein. Im übrigen siehe hierzu: Hecke!, Kirche und Kirchenrecht nach der Zwei-Reiche-Lehre, 225. 52Martin Luther, Briefvom Dezember 1523 WA Br. m 21o, 31: Sed Ecclesia si non regitur per fidem, charitatem et reliqua dona Spiritus sancti, tune non regitur, neque est ecclesia, sed synagoga Satanae. Christus autem solus sie regit ecclesiam. 53 Martin Luther, Matth. 18-24 in Predigten ausgelegt 1537 - 1540, WA XLVD 233, 9: So wil (Christus) ... sein reich unterschieden haben von dem Wein reiche. In der weit mus ein unterscheid! sein der leuthe, das ettliche oben an sitzen und regiren, die andem aber sich regiren lassen. 233, 32: (Es) will der Herr Christus in seiner k.irchen gahr keine Herrschaft haben, sondern alle unser arbeit soll dahin gerichtet sein, Ich mit predigen und du mit zuhören, das wir Christum lernen erkennen. 239, 17: Die Maioritet und Herliekeil horet alhier auff. Man mus auff des herm Christi wortt und lehre achtung haben und darmit sich regiren lassen. Das wort mus es thun, sonst sind wir alle gleich. 5~artin Luther, Brief vom Dezember 1523, WA Br. m 210, 34: Christus solus est rector, pastor, fundamentum, magister ecclesiae. Martin Luther, Von den Schlüsseln 1530, WA XXX 2, 487, 12: Gon (hat) seine Christliche k.irchen keinem menschenwöllen befelhen zu regiren, Sondern haus fur und bey sich selbs behalten. 55Martin Luther, Von dem Papsttum zu Rom 1520, W A VI 296, 7. 56Martin Luther, Großer Katechismus 1529, S. 655. 57Martin Luther, De servo arbitrio 1525, WA XVID 653, 28. 58Martin Luther, Ad librum ... Ambrosii Catharini ... responsio 1521, WA VD 710, 1: Igitur sicut Petra ista sine peccato, invisibilis et spiritualis est sola fide perceptibilis, ita necesse est et Ecclesiam sine peccato, invisibilem et spiritualem, sola fide perceptibilem esse. 59Martin Luther, Promotionsdisputation von Johannes Macchabäus Scotus 1542, WA XXXIX 2, 149, 6: Ecclesia catholica ... est talis congregatio, quam nisi Spiritus sanctus revelaverit, non
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G. Marsilius und Martin Luther
b) Die sichtbare Kirche Der "ecclesia spiritualis", der inneren Kirche, stellt Luther die äußere Kirche gegenüber. Mitglied der äußeren Kirche wird man durch den Ritus der Taufe. Martin Luther nennt die äußere Kirche "ecclesia extema" .60 Er unterscheidet hinsichtlich der sichtbaren Kirche zwischen der sichtbaren "ecclesia universalis w und den sichtbaren "ecclesiae particulares". 61 Im Gegensatz zur herrschenden Auffassung der römischen Amtskirche ist für Martin Luther die sichtbare "ecclesia universalis" als Ganzes weder orgamstert, noch organisierbar. Mit dieser Feststellung tritt Luther dem Machtanspruch der römischen Kirche entgegen. 62 Die "ecclesia universalis" ist in "ecclesiae particulares", d.h. in Landeskirchen, unterteilt. Im Gegensatz zur sichtbaren "ecclesia universalis" sind die "ecclesiae particulares" äußerlich organisierbar. Diese sind alle gleichwertig. Ihre wesentliche Aufgabe besteht in der Verkündigung des Wortes Gottes und der Verwaltung der Sakramente. 63 Martin Luther nimmt die ursprüngliche Auffassung des Heiligen Augustinus vom Wesen der wahren Kirche als rein geistlicher Kirche wieder auf. Nach Johannes Hecke! bildet diese Herausstellung des geistlichen Wesens der Kirche Christi den Schwerpunkt der Ekklesiologie Martin Luthers. Das bisherige Verständnis von der Kirche hat nach Luther an einer theologisch unzulässigen Überbetonung ihrer äußeren Erscheinung sowie an einer unrichtigen Auffassung von Kirche und Recht gekrankt. 64
possumus eam comprehendere, quia est in came et apparet visibilis, est in mundo et apparet in mundo, sed tarnen non est mundus nec in mundo, ac nemo eam videt. 6 ~artin Luther, Ad librum .. . Ambrosii Catharini ... responsio 1521, WA VU 709, 20: "Extemam ecclesiam" siehe hierzu: Hecke!, lnitia iuris ecclesiastici Protestantium, S. 15; Hecke!, Kirche und Kirchenrecht nach der Zwei-Reiche-Lehre, S . 230 f. 6 1Martin Luther, Ad librum ... Ambrosii Catharini ... responsio 1521, WA VU 710; vgl. hierzu: Hecke!, Lex charitatis, S. 13 8 f. 62 so: Hecke!, Kirche und Kirchenrecht nach der Zwei-Reiche-Lehre, S. 230. 63 Martin Luther, Predigt vom 30 . März 1540, WA IL 109, 31: Got ist nicht on kirchen, kirchen nicht on Got.; Martin Luther, 110, 10: Dasverbum macht Ecclesiam.; Martin Luther, Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe 1533, WA XXXVIU, 216, 2 mit 5: Die Kirche bekennet im Vater unser, das sie sundige und jrre, aber es wird jr alles vergeben ... Denn sie bleibt eine unterthenige sunderin fiir Gott bis an den Jungsten tag, und ist allein heilig jnn Christo jrem Heilande, durch gnade und vergebunge der sunden. Christus hat seinen Jüngern äußerlich wahrnehmbare Zeichen hinterlassen, um ihnen ein Urteil über die geistliche Kirche auf Erden zu ermöglichen. Es sind dies die schriftgemäße Wort- und Sakramentsverwaltung. (Martin Luther, Wider Hans Worst 1541 , WA LI 507, 31) Martin Luther, Wider das Papsttum zu Rom, vom Teufel gestiftet 1545, WA LIV 276, 28: "In Christo sind alle Kirchen gleich.· so: Hecke!, Kirche und Kirchenrecht nach der Zei-Reiche-Lehre, S. 230 f. 64 Heckel, Kirche und Kirchenrecht nach der Zwei-Reiche-Lehre, S. 231 .
II. Die Kirche nach Martin Luther
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Zwischen geistlicher und äußerer Kirche besteht sowohl ein lebensnotwendiger Zusammenhang als auch zugleich eine unauthebbare Spannung. So stellt Martin Luther hinsichtlich der sichtbaren "ecclesia universalis" fest, daß diese nicht irren könne, 6 5 zum anderen, daß sie das Gesicht einer Sünderio habe. 66 Die Feststellung, die äußere Kirche habe das Gesicht einer Sünderin, ist Ausfluß seiner Lehre von den beiden Reichen. 67 Das Volk Christi ist in den eschatologischen Kampf6 8 zwischen Gott und dem Satan einbezogen. 69 Die Kirche in der Welt ist deshalb eine "Ritterkirche", eine "ecclesia militans". 70 Der Satan versucht mit List und Gewalt in die Schar der Christen einzubrechen und diese zur Sünde zu verleiten.7 1 Die dem Ansinnen des Satans erlegenen bezeichnet Luther als Namenschristen. Diese bilden mit dem Satan zusammen das "corpus mysticum diaboli", die Teufels- oder Heuchelkirche. 72 Soweit der Einfluß der Teufelskirche reicht, verliert die äußere Partikularkirche den Zusammenhang mit der geistlichen Kirche Christi, wird zur gernachten Kirche.73 Konkret bedeutet dies, daß der "ecclesia manifesta" neben den gläubigen Christen auch die reinen Namenschristen, Mitglieder des Reiches des Satans, angehören. Die äußere Kirche soll jetzt nach Johannes Heckel kein "corpus perrnixtum" sein. 74 Fest steht jedoch, daß Martin Luther die ursprüngliche Auffassung Augustins vertritt. Nach diesem wie nach Martin Luther sind neben den wahren Christen auch die Scheinchristen Mitglieder der
65 Martin Luther, Thesen de lege 1535, WA XXXIX I, 48, 5: Quare non est arrogandum ulli post apostolos hoc nomen, quod non possit errare in Iide, nisi soli ecclesiae universali. 66Martin Luther, Praelectio in psalmum 45, 1532, WA XL 2, 560, 10. 67Die Einteilung der Menschheit in zwei "Völl::er" ist bis heute umstritten. Luther selbst jedoch schreibt in der Promotionsdisputation von Palladius und Tilemann 1537, WA XXXIX I , 221, 9: Misericordia !anturn regnat super iustos et sanctos, super iniustos et impios est ira Dei. Dum est aliquis iniustus et peccator incredulus, impoenitens, non est in misericordia. Sed ubi convertitur et accipit Iidern in Christum, est iustus et sanctus, etiamsi adhuc in came eius inhabitet peccatum. lmpium non apprehendit misericordia, sed iustos, qui cupiunt credere, ut et sint peccatores. 68Martin Luther, Matth. 18 - 24 in Predigten ausgelegt 1537- 1540, WA XLVII 263 , 40: Disc zwcene l::onigc und Potentaten, der Herr Christus und der Teuffel .. . haben zwej Heer widereinander auff erden zu feld liegen. 69 übcr die dreifache Anfechtung der Kirche vgl. den Brief vom 8. September 1541 , WA Br. IX 510. 7~artin Luther, Predigt vom 22. September 1528, WA XLVI 499, 13: Ecclesi Saneta non facit, quod vellet, et habet camem, quae contra spiritum, ut non faciat. Ergo Ecclesia Saneta non est sancta, sed peccatrix. 500, 16: Ideo dicitur Militans Ecclesia, Ein Ritterl::irchen, quae in perpetua pugna contra peccatum. 71Martin Luther, Wider Hans Worst 1541, WA LI 516, 32. 72Martin Luther, Wider Hans Worst 1541, WA LI 477, 25; ecclesia diaboli sive simulata. 73Martin Luther, Von dem Papsttum zu Rom 1520, W A VI 297, 2. 74Hecl::c1, Kirche und Kirchenrecht nach der Zwei-Reiche-Lehre, S. 235.
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G. Marsilius und Martin Luther
sichtbaren Kirche. Ob man diese Tatsache mit dem Begriff "corpus permixtum" oder mit anderen Worten umschreibt, kann dahingestellt bleiben. Der von Martin Luther vertretene Kirchenbegriff spiegelt unverkennbar augustinische Gedanken wieder. Augustinus folgend ist für Martin Luther die wahre Kirche nicht mit der Gemeinschaft der Getauften identisch. Sie ist für beide eine reine Geisteskirche. Die Betonung des geistlichen Wesens der Kirche bildet jetzt die Grundlage für den Angriff Martin Luthers gegen die römische Kirche. c) Wesentliche Unterschiede zwischen Marsilius und Martin Luther
Wie Martin Luther vertritt auch Marsilius die Auffassung, daß Haupt der Kirche ausschließlich Christus sei. Dieser habe niemanden zu seinem Stellvertreter auf Erden eingesetzt, sich jede "potestas iurisdictionis" vorbehalten.7-5 Demzufolge betont Marsilius das "ministerium" des Priesteramtes.76 Es tritt bei ihm ebenfalls der Gedanke der Kirche als vor allem geistlicher Gemeinschaft hervor.77 Er unterscheidet ebenfalls zwischen der sichtbaren "ecclesia universalis" und den "ecclesiae particulares" .78 Gott hat für ihn ebenfalls keiner der "ecclesiae particulares" eine hervorgehobene Stellung eingeräumt.79 Im Gegensatz zu Martin Luther ist für Marsilius die sichtbare "ecclesia universalis" jedoch organisiert, kommt dieser die Wahrung der Einheit des Glaubens zu. Sie wird durch die Gemeinschaft der Gläubigen bzw. das allgemeine Konzil vertreten. Die wesentliche Aufgabe der "ecclesiae particulares" besteht für Marsilius in der Verkündigung des Wortes Gottes und der Verwaltung der Sakramente. Im Gegensatz zu Martin Luther betont Marsilius
75 Marsilius, Defensor pacis, ß c 22 § 5 = 423,5 ff; Textstelle zitiert: S. 172 FN 153. 76 Dieses ergibt sich im wesentlichen aus der Beschränkung der priesterlichen Schlüsselgewalt durch Marsilius (siehe insoweit oben S. 175 ff.: Die Gleichheit aller Priester bzgl. ihrer Schlüsselgewalt; S. 186 ff.: Die Auffassung des Marsilius vom Sakrament der Buße) sowie der Betonung der Bedeutung der Verkündigung des Wortes Gottes durch die Priester. Marsilius vergleicht den Priester daher auch mit einem Arzt der Seele. 77Dies ergibt sich nicht zuletzt aus der Bezeichnung der Kirche als "universitas fidelium" (= Defensor pacis, ß c 2 § 3 = 144, 22 ff.); siehe insoweit oben S. 141 ff.; zur geistlichen Gemeinschaft der "ecclesia universalis" siehe oben S. 203 ff.; zum geistlichen Wesen der "ecclesia particularis • siehe oben S. 229. 78Diese Unterscheidung ist bereits seiner Definiton des Begriffes der Kirche • .. . , oder von Teilen derselben" (Defensor pacis ß c 2 § 3) zu entnehmen. 1m einzelnen siehe hierzu oben S. 207 f.; 228 ff. 79 Auf die Frage der Vorrangstellung einer Kirche ist Marsilius ausfUhrlieh in Defensor pacis, ß c 22 eingegangen. Eine solche habe die Heilige Schrift nicht angeordnet. Diese gehe vielmehr von der Gleichheit aller Priester und Kirchen aus. Im einzelnen siehe hierzu oben S. 175 ff.; 203 ff; 228 ff.
m. Der Angriff Martin Luthers gegen die römische Kirche
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in seinem "defensor pacis" nicht die Unterscheidung zwischen sichtbarer und wahrer Kirche. Die Kirche stellt für ihn eine im wesentlichen geistliche Gemeinschaft dar, deren sichtbare irdische Form Marsilius in seinem "Defensor pacis" behandelt. Die Gemeinschaft der Gläubigen ist auch für Marsilius nicht mit der Gesamtheit der auf den Namen Christi Getauften identisch. 80 Er hat insoweit seiner Auffassung von der menschlichen Willensfreiheit Rechnung zu tragen. Die wahre Kirche besteht als Folge nicht aus einer festen, vorherbestimmten Anzahl von wahren Gläubigen, ihre Mitgliederzahl ist vielmehr fließend. Erst beim Jüngsten Gericht entscheidet Gott abschließend, wer in sein Reich eingehen wird. Der Kirchenbegriff Martin Luthers ist hingegen von dem Gedanken der Prädestination geprägt. Die wahre Kirche bilde für ihn eine von Gott vorherbestimmte Gemeinschaft wahrer Gläubiger.
m. Der Angriff Martin Luthers gegen die römische Kirche, seine Schrift "An den christlichen Adel deutscher Nation"
Zur Zeit Martin Luthers wurde der Kirche vorgeworfen, Gnadengüter mit übergroßem Gewinn zu verwalten. Bei der Eintreibung ihrer diesbezüglichen Geldforderungen schrecke sie vor schwersten Kirchenstrafen nicht zurück. Daneben wandte man sich gegen das Ausmaß des Kirchenbesitzes. Vor allem griff man die Bevorrechtigung der Geistlichen an. Diese waren von allen Leistungen freigestellt, unterstanden nicht der weltlichen Gerichtsbarkeit. Die Kritik fand immer neue Nahrung an der Verweltlichung und dem oft wenig vorbildlichen Lebenswandel boher und niederer Geistlicher. Die Kirche verlor hierdurch an Glaubwürdigkeit als Verwalterio und Vermittlerio des göttlichen Heils. 8! Diese Klagen gegen die Kirche wurden in ungewöhnlicher Einmütigkeit von allen Ständen und Gruppen vorgetragen. Mit seiner Kampfschrift "An den christlichen Adel deutscher Nation, von des christlichen Standes Besserung" wendet sich Martin Luther gegen diese Mißstände der römischen Kirche. 82 Ursächlich hierfür sind für ihn vor allem folgende drei Punkte: (1) der Anspruch der römischen Kirche, die weltliche Gewalt besitze kein Recht über sie, vielmehr stehe umgekehrt die geistliche über der weltlichen Gewalt.
80zur Fnge der Unterscheidung zwischen wahrer und sichtbarer Kirche durch Marsilius siehe oben S. 201 ff.; 228 ff. 8lvgl. hierzu: Fuchs, Das Zeitalter der Reformation, S. 54 ff. m.w. Nachweisen. 82ygl. hierzu: Iserloh, Martin Luther und der Aufbruch der Reformation, S. 66ff.
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G. Marsilius und Martin Luther
(2) der Anspruch des Papstes, für alle verbindlich die Heilige Schrift auszulegen. (3) die alleinige Befugnis des Papstes, ein Konzil einzuberufen. 83 Dieselben Punkte hat auch Marsilius in seinem "Defensor pacis" angegriffen. 84 Wie Marsilius widerlegt Martin Luther den Anspruch der Kirche auf Freistellung von der weltlichen an Hand der Heiligen Schrift. Marsilius geht von einem umfassenden Kirchenbegriff aus; neben dem Klerus gehören auch die Laien der Kirche an. 85 Die Unterwerfung der Kirche und hier vor allem des Klerus unter die weltliche Gewalt begründet er der Tradition seiner Zeit folgend an Hand des Vorbildes Christi. Dieser- wahrer Mensch und wahrer Gott - hatte sich der weltlichen Gewalt unterworfen; er wollte insoweit der Kirche ein Beispiel geben. 86 Im Gegensatz hierzu beruft sich Martin Luther auf den ersten Brief des Heiligen Apostels Paulus an die Korinther sowie dessen Brief an die Ephesser. Diesen entnimmt er, daß alle Christen geistlichen Standes seien. 87 Der Priesterstand ist für Martin Luther kein besonderer Stand mehr, sondern lediglich ein Amt. Dieses überträgt die Gemeinschaft der Gläubigen gemäß der Heiligen Schrift den Priestern. Die christlichen weltlichen Herrscher sind ebenso wie die Priester getauft, gleichfalls geistlichen Standes. Der Priester kann somit nicht aufgrund seines Standes - Herrscher wie Priester sind beide geistlichen Standes - dem Herrscher übergeordnet sein.
83Martin Luther, An den christlichen Adel, 69: Die "Romanisten" haben mit großem Geschick drei Mauem um sich gezogen; damit haben sie sich bisher geschützt, so daß niemand sie hat reformieren können. Dadurch ist die ganze Christenheit schrecklich verdorben worden. Zum ersten: Wenn man ihnen mit weltlicher Gewalt zugesetzt hat, haben sie festgesetzt und gesagt, die weltliche Gewalt habe kein Recht über sie, sondern umgekehrt stehe die geistliche Gewalt über der weltlichen. Zum zweiten: Wollte man sie mit der Heiligen Schrift widerlegen, setzten sie dem entgegen, es gebühre niemandem, die Schrift auszulegen als dem Papst. Zum dritten: droht man ihnen mit einem Konzil, so erfinden sie, es könne niemand ein Konzil einberufen als der Papst. 8 ~arsilius, defensor pacis, U c 23; hier geht Marsilius auf die unterschiedlichen Bedeutungen des Anspruchs des Papstes auf plenitudo potestatis ein, die er anschließend an Hand der Heiligen Schrift verneint. 85Marsilius, defensor pacis, li c 2 § 3; zur Frage des von Marsilius vertretenen Kirchenbegriffes siehe oben: S . 142 ff., 213 f. 86Marsilius, defensor pacis, U c 4; siehe insoweit oben S. 197 ff. die Behandlung der Frage der Unterordnung des Klerus unter die weltliche Obrigkeit durch Marsilius. 87Martin Luther, An den christlichen Adel, 70: Man hat es erfunden, daß Papst, Bischöfe, Priester und Klostervolk der geistliche Stand genannt werden, Fürsten, Herren ... der weltliche Stand . ... weil alle Christen wahrhaftig geistlichen Standes sind, und es zwischen ihnen keinen Unterschied außer dem des Amtes allein gibt, wie Paulus I Kor 12, 12 sagt. ..
01. Der AngriffMartin Luthers gegen die römische Kirche
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Die Unterordnung der Priester unter die weltliche Gewalt entnimmt Martin Luther wie Marsilius Kapitel 13 des Römerbriefes. 88 Dem Anspruch des Papstes, alleine zur Auslegung der Heiligen Schrift berechtigt zu sein, stehen ebenfalls die Worte der Heiligen Schrift entgegen. Diese Befugnis lasse sich vor allem nicht den Worten Christi "Du bist Petrus, ... " sowie "Ich habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht vergehe" entnehmen. Christus habe vielmehr für alle Christen gebetet. Die Befugnis stehe daher jedem Christen zu. 89 Auch Marsilius spricht dem Papst die Befugnis zur Auslegung der Heiligen Schrift ab. Irrtumslos sei ausschließlich die "ecclesia universalis". Diese werde durch das allgemeine Konzil repräsentiert. Ihm alleine komme die Befugnis zur Auslegung der Heiligen Schrift zu. 90 Auch nach Martin Luther kann ausschließlich die "ecclesia universalis" nicht irren. 91 Im Gegensatz zu Marsilius wird diese jedoch nicht durch das allgemeine Konzil repräsentiert, ist vielmehr nicht organisierbar. Irrtumsfrei ist für Martin Luther somit jeder wahre Gläubige. Die Befugnis des Papstes zur Einberufung eines Konzils bestreitet Martin Luther mit einer entsprechenden Begründung wie Marsilius. Die Heilige Schrift sehe ein solches Recht nicht vor. Würde dem Papst diese Befugnis zukommen, könnte dieser durch ein Konzil nicht getadelt werden. Im übrigen habe Petrus das Apostelkonzil nicht einberufen. Das Konzil von Nizäa sei von Kaiser Konstantin, nicht vom Bischof von Rom einberufen und bestätigt worden. 92
88Martin Luther, An den christlichen Adel, S. 73: "Denn so sagt St. Paulus allen Christen: 'Eine jede Seele' - ich meine auch die des Papstes! - 'soll der Obrigkeit untertan sein; denn sie trägt nicht umsonst das Schwert, sie dient Gott damit, zur Bestrafung der Bösen und zum Lob den Rechtschaffenen. • vgl. hierzu: Marsilius, Defensor pacis, 11 c 5 §§ 4, 5; siehe insoweit oben s. 202 f. 89siehe hierzu: Martin Luther, An den christlichen Adel, S . 75, 76. 9(\{arsilius, Defensor pacis, 11 c 20 § 14; zur Auslegung der Heiligen Schrift siehe oben S. 133 ff. 91 Martin Luther, Thesen de lege 1535, WA XXXIX 1, 48, 5: "Quare non est arrogandum ulli post apostolos hoc nomen, quod non possit errare in fide, nisi soli ecclesiae universali . • 92 12. Martin Luther, An den christlichen Adel, 78: "Sie haben auch keine Begrundung in der Schrift, daß es allein dem Papst zustehe, ein Konzil einzuberufen oder zu bestätigen, sondern nur ihre eigenen Gesetze. Diese gellen nur, sofern sie der Christenheit und Gones Gesetzen nicht schaden. Wenn nun der Papst zu tadeln ist, hören diese Gesetze schon auf, weil es schädlich für die Christenheit ist, ihn nicht durch ein Konzil zu tadeln. So lesen wir Apg 15, 6, daß das Apostelkonzil nicht St. Petrus einberufen hat, sondern alle Apostel und die [!testen. Wenn das nun St. Petrus allein zugestanden hätte, wäre es kein christliches sondern ein ketzerisches Konzil gewesen. Auch das hochberiihmte Konzil von Nizäa hat der Bischof von Rom weder einberufen noch bestätigt, sondern der Kaiser Konstantin, und nach ihm haben viele andere Kaiser das gleiche getan, und es sind doch die allerchristlichsten Konzile gewesen. Soll aber der Papst allein die Vollmacht haben, so sind sie alle ketzerisch gewesen. Auch wenn ich die Konzile ansehe, die der Papst abgehalten hat, finde ich nichts Besonderes, das durch sie ausgerichtet worden
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G. Marsilius und Martin Luther
Hierdurch reißt Luther die drei Mauem der römischen Kurie, die er als Ursprung aller Mißstände ansieht, nieder. Martin Luther wendet sich in seiner Schrift "An den christlichen Adel" gegen die Verweltlichung der römischen Kirche, ihre Auswirkungen auf das römische Reich und seine deutschen Fürstentümer. Einen grundlegenden Bruch mit der römischen Kirche vollzieht Martin Luther hier noch nicht. 93 Er glaubte damals noch, die bekämpften Mißstände stellten lediglich eine Entstellung der Kirche dar. In seiner Schrift "Von weltlicher Obrigkeit" wird sich Martin Luther vollständig von dem überlieferten Kirchenbegriff lösen. Hier werden wir jetzt seine Auffassung von der Kirche als reiner Geisteskirche antreffen. 94 Von Augustinus ausgehend erfaßt Martin Luther die wahre Kirche immer weniger als eine sichtbare, äußere Institution, die ihre Einheit in der Amtsnachfolge der Bischöfe fmdet. Die wahre Kirche bildet vielmehr lediglich eine kleine Schar von Christen. Diese unterscheiden sich von den bloßen Namens- und Scheinchristen durch ihren Glauben an die von der Bibel bezeugte Ordnung.
IV. Das Verhältnis von Kirche und Staat: die Zwei-Regimente-Lehre Martin Luthers Als Grundlage für die Lösung der Frage des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat dient Martin Luther seine Auffassung vom geistlichen Wesen der wahren Kirche und seine Aufhebung der Unterscheidung zwischen Klerus und Laien. Er unterscheidet ausschließlich zwischen wahren Christen, d.h. Geistlichen und Scheinchristen. Die Priester bilden für ihn keinen besonderen Stand, üben vielmehr lediglich ein Amt aus, das ihnen die Gemeinschaft der Gläubigen übertragen hat. Im Mittelpunkt seines Interesses steht daher nicht die Frage der Unterordnung des Klerus sondern des wahren Christen unter die weltliche Obrigkeit. Im Gegensatz hierzu beschäftigte sich Marsilius vor allem mit der Eingliederung der sichtbaren Kirche in die staatliche Gesellschaft. Die Frage, ob auch der wahre Christ der weltlichen Obrigkeit
wäre. • Marsilius beruft sich bei der Frage der Befugnis zur Einberufung eines allgemeinen Konzils ebenfalls auf die Einberufung des Konzils von Nizäa durch Konstantin (Defensor pacis, D c 21 § 2); das Recht der Einberufung komme dem gläubigen, menschlichen Gesetzgeber zu, der keinen höheren kenne. Siehe insoweit oben S. 217 ff. 93zu den Gründen, die M. Luther zur Abfassung von • An den christlichen Adel deutscher Nation" veranlaßten, siehe: Iserloh, Martin Luther und der Aufbruch der Reformation, S. 69 ff. 94zur Kirche als reiner Geisteskirche siehe oben: S. 246 ff.
IV. Das Verhältnis von Kirche und Staat
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unterliegt, ist für ihn ohne praktische Bedeutung. Im Mittelpunkt seines Interesses liegt die Unterordnung des Klerus unter die staatliche Obrigkeit. Diese Frage löst Marsilius im wesentlichen an Hand des Verhaltens Christi. Christus selbst war der weltlichen Gewalt unterworfen, mithin unterliegen ihr alle Christen. 95 Im Gegensatz zu Marsilius beschäftigt sich Martin Luther eingehend mit den Schriften des Heiligen Paulus. Dieser schreibt an Timotheus, daß die wahren Christen, die Mitglieder des Reiches Christi, weder Schwert noch Obrigkeit benötigen. 96 Sie unterstehen nur dem geistlichen Regiment Gottes. Das Gesetz ist ausschließlich um der Ungerechten willen, der Mitglieder des Reiches der Welt, gegeben. Zu ihnen zählt nach Martin Luther auch die Mehrzahl der getauften Christen. 97 Sie alle unterstehen dem weltlichen Regiment Gottes. Denn "Gott hat zwei Regimente angeordnet: das geistliche, welches Christen und rechtschaffene Leute schafft durch den Heiligen Geist und Christus, und das weltliche, welches den Dochristen und Bösen wehrt, daß sie äußerlich Frieden halten und still sein müssen wider ihren Willen. "98 Diese beiden Regimente sind sorgfältig zu unterscheiden. Ohne Christi geistliches Regiment, d.h. ohne den Heiligen Geist im Herzen, kann niemand vor Gott rechtschaffen werden. Die Allgemeinheit hingegen, die unchristlich ist, kann ohne Gottes weltliches Regiment nicht in Frieden auf dieser Erde leben. 99 Die weltliche Gewalt ist von Gott somit der Ungerechten wegen eingerichtet. Diese sind für Martin Luther ihrem Wesen nach böse. Einer würde den anderen fressen, niemand wäre imstande, Weib und Kind anzuleiten, seiner Nahrung nachzugehen und Gott zu dienen. Zur Vermeidung des vollkommenen Chaos unter diesen Menschen sind sie der staatlichen Obrigkeit unterworfen.100 Der Staat ist für Martin Luther im Gegensatz zu Thomas Hobbes 10 1
95 Marsilius, defensor pacis, n c 4 u. 5; siehe insoweit oben s. 195 ff. 96Martin Luther, Von weltlicher Obrigkeit, S. 19; Paulus, !. Tim I, 9: "Dem Gerechten ist kein Gesetz gegeben, sondern dem Ungerechten. •. 97Martin Luther, Von weltlicher Obrigkeit, 20: "Es sind ja nur wenige gläubig und nur der kleinere Teil verhält sich nach Christenart, daß er dem Übel nicht widerstrebt, ja daß er nicht gar selber Übel tut.· 21: "Denn wenn das nicht so wäre, so würde, wo doch alle Welt böse und unter tausend kaum ein rechter Christ ist, eins das andere fressen .. . • 21: "Denn die Welt und die Masse ist und bleibt unchristlich, auch wenn sie alle getauft sind und Christen heißen.· . 98Martin Luther, Von weltlicher Obrigkeit, S. 21. 99Martin Luther, Von weltlicher Obrigkeit, S. 22 . l~artin Luther, Von weltlicher Obrigkeit, S. 20 ff. IOivgl. insoweit: Thomas Hobbes, Vom Menschen, vom Bürger, S. 59, 85 .
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G. Marsilius und Martin Luther
jetzt nicht aus dem freiwilligen Zusammenschluß der Menschen entstanden, vielmehr der Tradition folgend göttlichen Ursprungs. Er wurde von Gott um der Ungerechten willen eingesetzt, wie u.a. dem Brief des Heiligen Apostel Paulus an Timotheus zu entnehmen ist. Martin Luther setzt die Begriffe Gesetz, weltliche Obrigkeit und Staat gleich. Die weltlichen Staaten wie die weltliche Obrigkeit sind von Gott eingesetzt. Aufgabe der weltlichen Obrigkeit ist es, den Unchristen und Bösen zu lehren, daß diese äußerlich Frieden halten und still sein müssen wider ihren Willen. Der weltlichen Obrigkeit unterstehen grundsätzlich nur die Unchristen. Nur diese bedürfen der weltlichen Obrigkeit. Diese gehört somit dem "Reich der Welt" an. Mittels Einsetzung weltlicher Obrigkeit herrscht Gott über die Unchristen. Die weltliche Obrigkeit stammt unmittelbar von Gott. Diese Herrschaft bezeichnet Martin Luther als weltliches Regiment Gottes. Sie ist grundsätzlich auf die Unchristen beschränkt. Martin Luther kann jedoch nicht verkennen, daß auch die wahren Christen der weltlichen Obrigkeit unterworfen sind. Diese Tatsache hat bereits der heilige Apostel Paulus in seinem Brief an die Römer anerkannt. 102 Bei Paulus steht aber auch, daß der wahre Christ nur den Geboten Gottes unterworfen sei. Diese beiden Stellen stellen für Martin Luther nur einen vermeindlichen Widerspruch dar. Die Heilige Schrift will hiermit ausdrücken, daß der wahre Christ für sich selbst keiner weltlichen Obrigkeit mehr bedarf. Als Mitglied des Reiches Christi lebt er wieder im Naturzustand vor dem Sündenfaii. 103 Er lebt auf Erden jedoch nicht für sich selbst, sondern vor allem auch für seinen Nächsten. Aufgrund des Gebotes der Nächstenliebe hat er seinem Nächsten zu dienen. Für die Unchristen ist jetzt die weltliche Obrigkeit von größtem Nutzen. Ohne diese würden sie im Kriegszustand leben. Die weltliche Obrigkeit sorgt für den Frieden unter den Nichtchristen. Aufgrund des Gebotes der Nächstenliebe hat der wahre Christ dem Nichtchristen zu dienen. Er hat sich daher der weltlichen Obrigkeit zu unterwerden. Indem er die Gebote der weltlichen Obrigkeit aufs genaueste befolgt, hat er den Nichtchristen ein vorbildliches Beispiel zu geben. Hierzu ist er aufgrund des Gebotes der Nächstenliebe verpflichtet. Würde er sich der weltlichen Obrigkeit nicht freiwillig unterwerfen, würde er nicht Gottes Gebote befolgen. Er wäre kein
I02Martin Luthcr, Von weltlicher Obrigkeit, 24 ff.; dies ist auch die Auffassung des Heiligen Apostels Paulus gewesen, der festgestellt hat, daß "alle Seelen der Amtsgewalt und Obrigkeit untertan sein sollen." (Paulus, Römer 13, I) Vor allem hat sich Jesus Christus selbst der weltlichen Gewalt unterworfen. (S . 30 ff.) . I03Matth. 5, 39 zu Paulus, Römer 13, I; Martin Luther, Von weltlicher Obrigkeit, S. 24 f.
IV. Das Verhältnis von Kirche und Staat
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wahrer Christ mehr. Als Unchrist wäre er jedoch der weltlichen Obrigkeit unterworfen.l04 Der wahre Christ unterwirft sich auf Grund des Gebotes der Nächstenliebe freiwillig der weltlichen Obrigkeit. Johannes Heckel gab demzufolge seiner Abhandlung über die Rechts- und Soziallehre Martin Luthers den bezeichnenden Titel "Lex charitatis". Auch der wahre Christ ist - wenn auch freiwillig - der weltlichen Obrigkeit unterworfen. Das Rechtsverhältnis des Christen zum Staat ist nicht das einer erzwungenen, sondern einer freiwilligen Einordnung, die ihm sein gläubiger Gehorsam gegenüber Gottes Willen gebietet. Der Rechtstitel der Stellung des Christen im Staat, gleichgültig ob als Untertan oder als Obrigkeit, ist die "Iex charitatis". Durch ihre Verwirklichung wird der Christ zum Helfer Gottes im "regnum mundi" und im Staat. Der Christ hat somit zwar nicht staatsrechtlich, wohl aber rechtstheologisch im Staat einen anderen Status als der Nichtchrist. Für Martin Luther stellt sich weiter die Frage, ob die weltliche Obrigkeit von ihren Untertanen, vor allem den wahren Christen, uneingeschränkte Beachtung verlangen darf, oder ob dieser Grenzen gesetzt sind. Dieser Frage widmete sich Luther aus konkretem Anlaß. Über ihn war die Reichsacht verhängt worden. Hierdurch waren die weltlichen Fürsten verpflichtet, die Anhänger Martin Luthers gefangen zu nehmen, seine Schriften zu vernichten. Durfte die weltliche Obrigkeit diese konkreten Maßnahmen treffen? Aus seiner Sicht konnte die Antwort hierauf nur nein lauten. Martin Luther hatte jedoch den göttlichen Ursprung der weltlichen Obrigkeit anerkannt. Die weltliche Obrigkeit ist von Gott eingesetzt. Sie stellt Gottes Ordnung in der Welt dar. Sie erstreckt sich auf alle Menschen, gleichgültig ob Christen oder Nichtchristen. Die weltliche Obrigkeit hat hierbei zwei Hauptaufgaben zu erfüllen; sie hat erstens den Frieden zu erhalten, zweitens Recht und Gerechtigkeit allen ihr unl~rstehenden Menschen gegenüber walten zu lassen. Der Aufgabenbereich der weltlichen Obrigkeit erstreckt sich jedoch nur auf äußerliche, weltliche Dinge. Er endet dort, wo es um Dinge der menschlichen Seele, des Gewissens und des Glaubens geht. An dieser Grenze beginnt der Bereich des geistlichen Regimentes Gottes, das gänzlich anders geartet ist als sein weltliches Regiment. Überschreitet die weltliche Obrigkeit diese ihr gezogene Grenze, besitzt der Christ ihr gegenüber jedenfalls ein passives Widerstandsrecht.l05
l~artin Luther, Von weltlicher Obrigkeit, S. 24 ff. , 32 ff. 105Martin Luther, Von weltlicher Obrigkeit, S. 35 - 48; siehe hierzu auch: Stolzenau, Die Frage des Widerstandes gegen die Obrigkeit bei Luther zugleich in ihrer Bedeutung fiir die Gegenwart. 17 Löffelherger
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G. Marsilius und Martin Luther
Abschließend bleibt festzustellen, daß der wahre Christ aufgrund der "Iex charitatis" gleichzeitig auch der weltlichen Obrigkeit unterworfen ist. Er untersteht zwei verschiedenen Gesetzeskreisen, dem göttlichen und dem menschlichen Gesetz. Verstößt das menschliche gegen das göttliche Gesetz, darf er sich jedenfalls passiv der menschlichen Obrigkeit widersetzen. Auch Marsilius betont, daß alle Bürger, d.h. auch der Klerus der weltlichen Obrigkeit unterworfen sind. Er bezieht sich insoweit ebenfalls auf das 13. Kapitel des Römerbriefes. Im Unterschied zu Martin Luther treffen wir bei ihm eine Unterscheidung zwischen weltlichem und geistlichem Regiment Gottes nicht an. Marsilius betont vielmehr, Gott habe den Menschen die Ausgestaltung ihrer staatlichen Ordnung grundsätzlich in eigener Verantwortung überlassen. Die staatliche Gewalt stammt somit unmittelbar von den Menschen, mittelbar von Gott. 106 Ursächlich hierfür ist die unterschiedliche Auffassung bezüglich der menschlichen Freiheit. Doch beschränkt auch Marsilius die Staatsgewalt ebenso wie Martin Luther durch das göttliche Gesetz. Überschreitet die weltliche Obrigkeit diese ihr gesetzte Grenze, ist der christliche Bürger berechtigt, sich dieser zu widersetzen.1°7 Im Gegensatz zu Martin Luther unterliegt nach Marsilius jeder christliche Staatsbürger zwei verschiedenen Rechtskreisen, als Bürger den menschlichen, als Christ den göttlichen Gesetzen. Nur ein Verstoß gegen die menschlichen Gesetze ist hierbei auf Erden mit Strafe bedroht. Der christliche Staatsbürger hat daher stets zu fragen, ob sein Handeln nach beiden Gesetzeskreisen zulässig ist. Darüberhinaus bildet das göttliche Gesetz die Grenze der menschlichen Gesetzgebungsbefugnis.
V. Zusammenfassung von Kapitel G Marsilius wie Martin Luther wenden sich beide gegen den Anspruch der Kirche auf weltliche Gewalt, verneinen eine solche. Hinsichtlich ihrer Auffassung von der Kirche bestehen viele Gemeinsamkeiten, aber auch grundlegende Unterschiede, wie wir gerade gesehen haben. So vertreten beide einen umfassenden Kirchenbegriff, d.h. wenden sich gegen eine Beschränkung auf den Klerus. Beide betonen das geistliche Wesen der Kirche, scheiden von diesem die sichtbare Kirche auf dieser Welt.
106siehe: Marsilius, defensor pacis, I c 9 § 2 (Einsetzung der Regierung); I c 12 § I (Ursache menschlicher Gesetze); siehe insoweit oben S. 90 ff. 107Marsilius, defensor pacis, ll c 5 §§ 4, 5; siehe insoweit oben S. 201 f.
V. Zusammenfassung von Kapitel G
259
Im Gegensatz zu Marsilius besteht für Martin Luther die wahre Kirche aus den von Gott Prädestinierten. Darüberhinaus hebt Martin Luther die Unterscheidung zwischen Klerus und Laien auf. Für ihn sind alle geistlichen Standes. Das Priestertum wird hierdurch zu einem reinen Amt. Unterscheiden Martin Luther wie Marsilius auch zwischen der "ecclesia universalis" und den "ecclesiae particulares", ist für Martin Luther im Gegensatz zu Marsilius ausschließlich die "ecclesia particularis", nicht jedoch die "ecclesia universalis" organisierbar. Marsilius widerum betont die entscheidende Aufgabe der "ecclesia universalis", die Wahrung der Einheit des Glaubens. Darüberhinaus begründen beide die Unterordnung aller Bürger unter die staatliche Gewalt auf unterschiedliche Weise. Marsilius entnimmt diese der ausdrücklichen Anordnung Christi, während Martin Luther sich insoweit auf das Gebot der Nächstenliebe bezieht.
Nachwort Als wesentliches Ergebnis vorliegender Untersuchung bleibt festzuhalten,
daß im "defensor pacis" sowohl bezüglich der Rechtfertigung des Menschen
als auch hinsichtlich der Gesetzeslehre voluntaristische Gedanken anzutreffen sind. So vertritt Marsilius eine voluntaristische Naturrechtslehre. Ähnlichkeiten mit der diesbezüglichen Auffassung Wilhelm von Odeharns sind vorhanden. Auch seine Auffassung vom Bußsakrament ist von der Betonung des Willens geprägt. Marsilius nimmt insoweit die sogenannte altkirchliche Tradition wieder auf, fordert als innere Disposition die "contritio" des Sünders. Bezüglich der Kirche vertritt Marsilius einen doppelten Kirchenbegriff, d.h. er unterscheidet zwischen der Kirche als geistlicher Gemeinschaft von Gläubigen und der sichtbaren irdischen Kirche. Hinsichtlich der sichtbaren irdischen Kirche unterscheidet Marsilius zwischen der "ecclesia universalis" und den "ecclesiae particulares". Erstere ist für die Wahrung der Einheit des Glaubens, letztere sind für die Verkündigung des Wortes Gottes sowie die Verwaltung der Sakramente zuständig. Im Mittelpunkt seines Interesses steht jetzt die richtige Organisation der "ecclesia universalis". Diese entnimmt Marsilius der Heiligen Schrift sowie der Verfassung der Alten Kirche. Er stellt jetzt fest, daß die "ecclesia universalis" nicht mit der "ecclesia Romana" identisch sei. Darüberhinaus komme der Römischen Kirche innerhalb dieser auch keine hervorgehobene Stellung zu. Wie alle Geistlichen dieselbe priesterliche Gewalt besitzen, so ist auch keine Kirche einer anderen übergeordnet. Unfehlbar sei ausschließlich die "ecclesia universalis", d.h. die Gesamtheit aller Gläubigen. Die "ecclesia universalis" behandelt Marsilius jetzt im bezug zum Römischen Reich, die "ecclesia particularis" im Verhältnis zum jeweiligen Landesherren. Weder die "ecclesia universalis" noch die "ecclesia particularis" bildet eine besondere, von der staatlichen getrennte Gesellschaft. Die "ecclesia universalis" ist vielmehr als eine Einheit mit dem Römischen Reich, die "ecclesia particularis" als Bestandteil der christlichen staatlichen Gesellschaft zu betrachten.
Nachwort
261
Die "ecclesia universalis" wird durch das allgemeine Konzil repräsentiert. Dieses ist unfehlbar, ihm kommt die Aufgabe der Auslegung der Heiligen Schrift zu. Als Folge seiner strikten Trennung zwischen Spiritualem und Temporalem ist für den gesamten temporalen Bereich der "ecclesia universalis" der gläubige menschliche Gesetzgeber, der auf Erden keinen höheren kennt, zuständig. Dies ist der Römische Kaiser. Diesem kommt somit die Einberufung des allgemeinen Konzils sowie die Ausführung der Beschlüsse des allgemeinen Konzils zu. Im Gegensatz zum allgemeinen Konzil hat das Papsttum seinen Ursprung in der menschlichen Ordnung. Dem Papst kommen somit nur diejenigen Befugnisse zu, die ihm das allgemeine Konzil bzw. der gläubige menschliche Gesetzgeber, der keinen höheren kennt, übertragen. Hinsichtlich der "ecclesia particularis" stellt Marsilius fest, daß der Klerus insoweit einen besonderen Stand im Staate bilde. Für seine Einsetzung als temporaler Handlung ist ausschließlich der menschliche Gesetzgeber zuständig. Grundlegend revolutionäre Gedanken konnten hinsichtlich der Kirche im "defensor pacis" nicht angetroffen werden. Alle Gedanken wurden bereits vor Marsilius vertreten. Stets tritt jedoch sein Voluntarismus hervor. Im Mittelpunkt des "defensor pacis" steht nach allem die Reform der Kirche. Als Vorbild dient insoweit die Verfassung der Alten Kirche. Dieser ist somit unter die kirchenpolitischen Streitschriften einzuordnen. Abschließend ist darauf hinzuweisen, daß noch viele Fragen weiterhin ungelöst sind. Ursächlich hierfür ist vor allem, daß Theologie wie Philosophie jener Zeit noch weitgehend unerforscht sind. Es ist zu hoffen, daß sich auch einmal die Theologie näher mit Marsilius beschäftigt, ihn nicht nur unter die Häretiker jener Zeit einreiht.
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