Marketing und Vertrieb: Fundamente für die marktorientierte Unternehmensführung [9 ed.] 9783110787771, 9783110787573

Marketing und Vertrieb – Umfassend, anschaulich und praxisorientiert aufbereitet für das Studium und als Ratgeber für di

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German Pages 1036 [1038] Year 2023

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Table of contents :
Vorwort zur 9. Auflage
Inhaltsverzeichnis
1 Grundlagen der marktorientierten Unternehmensführung
2 Management der marktorientierten Unternehmensführung
3 Marktinformationssysteme
4 Die Leistungsprogrammpolitik
5 Konditionenpolitik
6 Vertriebspolitik
7 Kommunikationspolitik
8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung
Kompetenzfragen
Literaturverzeichnis
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Marketing und Vertrieb: Fundamente für die marktorientierte Unternehmensführung [9 ed.]
 9783110787771, 9783110787573

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Peter Winkelmann, Torsten Spandl Marketing und Vertrieb

Peter Winkelmann, Torsten Spandl

Marketing und Vertrieb Fundamente für die marktorientierte Unternehmensführung 9., vollständig überarbeitete Auflage

ISBN 978-3-11-078757-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-078777-1 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-078792-4 Library of Congress Control Number: 2023935718 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: Gerhard Radetzky, Kaliber 42 Satz: Integra Software Services Pvt. Ltd. Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Vorwort zur 9. Auflage 2013, zwei Jahre vor meinem Ausscheiden aus der Hochschullehre, erschien die  8. Auflage dieses erfolgreichen Lehrbuches. Bis heute hat es gedauert, bis ich mit Torsten Spandl von der FHDW Hannover einen Partner gefunden habe, der meine Praxiserfahrungen und Ansichten zum betriebswirtschaftlichen Vertiefungsfach Marketing teilt und bereit ist, dieses Buch in eine Zukunft zu führen. Wir sind uns einig, dass in der Marketingliteratur ein Lehrbuch Sinn macht, wenn es aufeinander aufbauend wissenschaftliche Grundlagen mit Praxismethoden verbindet, die auf eine markt- bzw. kundenorientierte Verantwortung in der Praxis zielen. Stärker als in Lehrbüchern gemeinhin üblich legen wir unseren Fokus auf: – eine klare Trennung zwischen dem strategischen Marketing (marktorientierte Unternehmensführung) auf Führungsebene und operativen Funktionen von Marketing und Vertrieb auf Abteilungsebene. – Wir geben dem Vertrieb (Sales Management) eine besondere Priorität im Rahmen des Marketing-Mix. Wenn der Vertrieb keinen Umsatz und Deckungsbeitrag generiert, dann geraten Unternehmen in Existenznot. – Wir betonen eine Unterscheidung zwischen Konsumgütervermarktung und der Vermarktung gewerblicher Güter – dies sind unterschiedliche Welten, die eine differenzierte Betrachtung benötigen und verdienen. – Wir gehen speziell auf Marketing und Vertrieb für gewerbliche Produkte ein und erweitern das Investitionsgütermarketing in Richtung Geschäftskunden-Business. Nicht nur Maschinen und Anlagen werden vermarktet, sondern auch Gebrauchsund Verbrauchsgüter – sehr oft die gleichen Güter wie im Konsumgütergeschäft, aber mit anderen Spielregeln. – Was nicht gerechnet wird, wird nicht getan: Marketing und Vertrieb müssen heute unabdingbar mit Zahlen jonglieren und sich einer messbaren Verantwortung stellen. Analytik und Controlling nehmen wir deshalb in viele Bereiche des Buches auf – ebenso Bezüge zu IT-Systemen bzw. zur Digitalisierung. So wendet sich dieses Buch an Studierende, die nach Abschluss ihres Studiums Umsatzund Ergebnisverantwortung übernehmen bzw. kundenorientiert arbeiten möchten. Zum anderen bietet das Buch Führungskräften und Unternehmern einem aktuellen Überblick über neue Strömungen in Marketing und Vertrieb. Danken möchten wir den Partnern, die uns bei der 9. Auflage unterstützt haben: Stefan Giesen, unser Ansprechpartner vom Verlag De Gruyter, sowie die umsichtige Lektorin Lucy Jarman. Vielen Dank an David Jüngst für seine engagierte Unterstützung bei der Finalisierung des Manuskriptes. Wir danken Herrn Stefan Kießler für viele Aktualisierungsrecherchen und Frau Luisa Schenkemeyer für die wertvollen Hinweise aus Studierendensicht – beide von der FHDW Hannover. Auch danken wir der Hochschulleitung der FHDW Hannover für die geleistete Unterstützung und positive Zusprache. https://doi.org/10.1515/9783110787771-202

VI 

 Vorwort zur 9. Auflage

Das Titelbild stammt wieder von Herrn Gerhard Radetzky von der Agentur Kaliber42. Vielen Dank für Ihre und Eure Unterstützung. Es ist ein großes Projekt, ein Buch nach 10 Jahren zu aktualisieren. Es bleibt für die weiteren Auflagen noch viel zu tun. Viele Themen sind jetzt wieder State-of-the-Art, andere Kapitel sind Evergreens! Aber immer steht der Kunde im Mittelpunkt. Peter Winkelmann und Torsten Spandl Peter Winkelmann – www.vertriebssteuerung.de

Torsten Spandl – www.torstenspandl.com

LinkedIn Torsten Spandl: www.linkedin.com/in/torstenspandl/

Dieses Grundlagenbuch wird ergänzt durch das Vertiefungsbuch Vertriebskonzeption und Vertriebssteuerung, 5. Auflage, Verlag Vahlen, München 2012. Wissensfragen, die Aktualisierung der periodischen Statistiken sowie weitere Informationen werden im Download-Teil der Homepage www.torstenspandl.com zur Verfügung gestellt.

Vorwort zur 4. Auflage 

 VII

Vorwort zur 8. Auflage Ein Dankeschön geht an die Damen und Herren, die mich bei der 8. Auflage in besonderer Weise unterstützt haben: an Herrn Kötter von der AUMA und Herrn Radetzky von Kaliber42. Herzlichen Dank auch an Frau Hutschenreuter und an unsere Bibliotheksleiterin Frau Maier-Gilch, die mir beide so kollegial bei den Literaturaktualisierungen geholfen haben. Letztlich danke ich meinem Lektor, Herrn Ammon, vom Verlag Oldenbourg.

Vorwort zur 7. Auflage Das Buch hat sich jetzt auch in der Bachelor-Ausbildung bewährt. Ich bedanke mich wieder sehr bei Herrn Kötter von der AUMA, Frau Pensler von Nielsen, Herrn Nemitz von der GfK, Herrn Radetzky von Kaliber42 und Herrn Weger von Griesbeck Medien. Und ein Dankeschön wieder an den Oldenbourg Verlag, an „meinen“ Lektor, Herrn Dr. Schechler.

Vorwort zur 6. Auflage Die 5. Auflage wurde aktualisiert und weiter ausgebaut. Im Hinblick auf Bachelor-Studiengänge wurde die modulare Struktur weiter vertieft. Erneut haben mir Frau Epperlein und Herr Kötter von der AUMA, Frau Pensler von Nielsen, Herr Nemitz von der GfK, Herr Radetzky von Kaliber42 und Herr Weger von Griesbeck Medien geholfen. Ein Dank geht auch an meinen neuen Lektor im Oldenbourg Verlag, Herrn Dr. Schechler.

Vorwort zur 5. Auflage Die 4. Auflage wurde aktualisiert und durch aktuelle Themen erweitert. Besonders unterstützt haben mich wiederum Frau Epperlein von der AUMA und Frau Pensler von Nielsen, Herr Nemitz von der GfK, Herr Radetzky von Kaliber42 und Herr Weger von Griesbeck Medien. Bedanken möchte auch wieder bei meinem Lektor vom Oldenbourg Verlag, Herrn Weigert.

Vorwort zur 4. Auflage Das Buch hat viele Freunde gefunden. So wird eine neue Auflage erforderlich. Danken möchte ich Herrn Radetzky von Kaliber42, Herrn Weger von Griesbeck Medien und Herrn Weigert vom Oldenbourg Verlag. Auch Frau Deniers-Schlägel (Grote & Hart-

VIII 

 Vorwort zur 1. Auflage

mann), Frau Pensler (Nielsen), Herrn Kötter (AUMA) und Herrn Dr. Pirner (NFO Infratest) möchte ich für die langjährige Unterstützung danken. Ein Dank liegt mir aber besonders am Herzen: Meine Frau hat in besonders kameradschaftlicher Weise Korrektur gelesen.

Vorwort zur 3. Auflage Die Entwicklungen in Marketing und Vertrieb verlaufen so rasant, dass eine weitere Auflage sinnvoll wird. Wiederum wurde der gesamte Text überarbeitet. Die Themengebiete CRM, E-Business, Kundenbindung und Markenführung wurden ausgebaut. Vielen Dank sage ich erneut Herrn Radetzky und Herrn Weger für die grafische und technische Unterstützung.

Vorwort zur 2. Auflage Bedanken möchte ich mich sehr bei meinem Kollegen, Herrn Prof. Dr. H.-W. Schuster, der mich bei der Redigation sehr kollegial unterstützt hat. Verbunden bin ich auch Herrn Weger von der Firma Griesbeck Medien, Landshut, für die EDV-technische Unterstützung des Buches und Herrn Radetzky von der Landshuter Agentur gkw für das Foto auf der Umschlagseite.

Vorwort zur 1. Auflage Dieses Buch verbindet meine Erfahrungen aus langjährigen Führungstätigkeiten im internationalen Marketing und Vertrieb mit den theoretischen Grundlagen unseres Faches Marketing. Stärker als in Lehrbüchern gemeinhin üblich, – wird über Marketing und Vertrieb hinaus auf die Chancen einer marktorientierten Unternehmensführung eingegangen (Management-Sicht), – werden Marketing und Vertrieb in ihren operativen Funktionen betrachtet wer-den (Abteilungssicht). So wendet sich dieses Buch an Studenten der Betriebswirtschaftslehre, die nach Abschluss ihres Studiums gerne Umsatz- und Ergebnisverantwortung übernehmen bzw. kundenorientiert arbeiten möchten, zum anderen aber auch an Führungskräfte und Unternehmer, die sich einen aktuellen Überblick über neue Strömungen in Marketing und Vertrieb verschaffen möchten. Der Arbeit ging ein Abgleich von Praxiserfahrungen mit der geltenden Rahmenprüfungsordnung für den Studienschwerpunkt Marketing voraus. Das Ergebnis aus Sicht

Vorwort zur 1. Auflage 

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des Autors: Die Lernvorgaben für die jungen Studierenden im Marketingstudium sind sehr wohl praxistauglich. Zwei Aspekte stimmen allerdings nachdenklich: 1. Die deutsche Unternehmenspraxis, insbesondere die der kleinen und mittelgroßen Unternehmen, verdaut den amerikanisch geprägten, alle Unternehmensbereiche umspannenden Marketingbegriff nicht. In Deutschland steht das Marketing noch sehr in der Ecke von Marke und Werbung, während in der anderen Ecke geschrieben steht: Wir leben vom Verkauf. Die gut dotierten Stellenausschreibungen in der Wochenendpresse suchen den Marketing- und Vertriebschef. 2. Die deutsche Unternehmenspraxis ist noch stark an den klassischen Unternehmensfunktionen (wie sie z. B. Gutenberg geprägt hat) ausgerichtet. In vielen Unternehmen gelten die Verkäufer leider immer noch als „Klinkenputzer“. Der Bezug von Marketing und Vertrieb zu einer umgreifenden marktorientierten Unternehmensführung wird in Literatur und Praxis zu wenig herausgestellt. In renommierten Unternehmen gilt die Devise: Ohne Vertriebserfahrungen keine Karriere im Marketing! Dieses Buch ist also auch ein Plädoyer für das Vertriebsmanagement. Als eine Schrift aus der Praxis für die Hochschule und umgekehrt möchte es den Vertrieb aufwerten, aber auch das Marketingdenken in den Vertrieb tragen. Danken möchte ich denjenigen, die mir inhaltlich, beim Layout und bei den Korrekturen geholfen haben: meinem Kollegen Herrn Prof. Dr. Schuster, Herrn Katz und Herrn Radetzky sowie Frau Weileder, Frau S. Winkelmann, Herrn Grantz und Herrn Hein. Nicht zuletzt möchte ich mich bei Herrn Weigert und Herrn Hartl vom Oldenbourg Verlag für die engagierte Unterstützung dieses Lehrbuches bedanken. Peter Winkelmann

Inhaltsverzeichnis Vorwort zur 9. Auflage  1

 V

 1 Grundlagen der marktorientierten Unternehmensführung  1.1 Grundelemente des Marktgeschehens   1 1.1.1 Bedürfnis – Bedarf – Angebot – Nachfrage   2 1.1.2 Sachgüter – Dienstleistungen – Services   5 1.1.3 Privatmärkte und Geschäftsmärkte   11 1.1.4 Strategisches Dreieck der Marktteilnehmer   16 1.1.5 Käufer und Käuferverhalten   19 1.1.6 Kaufentscheidungstypen und Kaufprozesse   20 1.1.7 Kundenkontaktpunkte in der Customer Journey   24 1.1.8 Erklärungsansätze für das Käuferverhalten   26 1.1.9 Determinanten der Kaufentscheidung   32 1.1.10 Klassische Marktsegmentierung und Zielgruppenbildung   37 1.1.11 Neuere Marktsegmentierungen und Zielgruppenbildung   43 1.1.12 Vom Massenmarketing zum 1:1-Marketing   49 1.2 Der Weg zur marktorientierten Unternehmensführung   52 1.2.1 Abgrenzung von Marketing und Vertrieb nach strategischen und operativen Aufgabenstellungen   63 1.2.2 Etablierung der marktorientierten Unternehmensführung   69 1.2.3 Elemente der Markt- und Kundenorientierung   71 1.3 Marktorientierte Unternehmensführung im Zeitalter der Digitalisierung   75 1.3.1 Digitale Reifegrade und künstliche Intelligenz (KI)   75 1.3.2 Revolutionäre Erscheinungs- und Handlungsfelder des digitalen Marketing   78 1.3.3 Evolutionäre Erscheinungs- und Handlungsfelder des digitalen Marketing   81 1.3.4 Konzept einer Ethik für digitales Marketing   82 1.4 Handlungsoptionen für Marketing und Vertrieb im Rahmen der marktorientierten Unternehmensführung   83 1.4.1 Marketing- und Vertriebsinstrumente und der Marketing-Mix   84 1.4.2 Kombinationseffekte im Marketing-Mix   93 1.5 Einsatz der Marketinginstrumente in ausgewählten Wirtschaftsbereichen   94 1.5.1 Marktspielregeln in Konsumgütermärkten   94 1.5.2 Marktspielregeln in den Geschäftsmärkten   96 1.5.3 Marktspielregeln im Handels- und Dienstleistungssektor   98 1.5.4 Marktspielregeln für Nonprofit-Organisationen   99

XII 

2

 Inhaltsverzeichnis

Management der marktorientierten Unternehmensführung   101 2.1 Grundbegriffe des Managements der marktorientierten Unternehmung   101 2.2 Zielsystem und Zielpyramide der marktorientierten Unternehmensführung   105 2.2.1 Geschäftsmodelle als Ausgangspunkt der Zielformulierung   106 2.2.2 Ziele der marktorientierten Unternehmensführung   109 2.2.3 Ziel und Zielbeziehungen   114 2.2.4 Nachhaltigkeit als Ziel der marktorientierten Unternehmensführung   119 2.2.5 Kernkompetenzen und Wettbewerbsvorteile   120 2.3 Planung der marktorientierten Unternehmensführung   123 2.3.1 Planungsaufgaben und Planungsansätze   123 2.3.2 Rollierende und revolvierende Planung   128 2.4 Analysen von Marktpotenzial, Absatzvolumen, Marktanteil und Umfeld   130 2.4.1 Potenzialanalysen   130 2.4.2 Leitkonzept des House of Strategy   131 2.4.3 Wettbewerbsvergleiche als Ausgangspunkte für die Planung   133 2.4.4 SWOT-Analyse zur ganzheitlichen Positionsbestimmung   135 2.4.5 Polaritätenprofile zur Analyse von Stärken und Schwächen   137 2.4.6 Gap-Analyse zum Erkennen strategischer Planungslücken   139 2.4.7 Umfeldanalyse PESTEL   140 2.4.8 Wettbewerbsanalyse nach den 5 Forces   143 2.5 Offene Ansätze der Strategischen Planung    145 2.5.1 System der marktpositionsabhängigen Strategien von Kotler   145 2.5.2 Die 4-Felder Produkt-/Marktmatrix von Ansoff   147 2.5.3 Strategiematrix nach Michael Porter   149 2.5.4 Konzentrationsmatrix   150 2.5.5 Strategie-Baukasten von Becker   151 2.6 Geschlossene Konzepte der Strategischen Planung    154 2.6.1 Erfahrungskurveneffekt und Wachstumsdruck   155 2.6.2 Marktanteils-/Marktwachstumsportfolio   156 2.6.3 Marktattraktivitäts-/Wettbewerbsvorteils-Portfolio von McKinsey   160 2.6.4 Strategische Planungstableaus – mittel- und langfristige Business-Pläne   165 2.7 Abwehr- und Angriffsstrategien   168 2.8 Operative Planungen der marktorientierten Unternehmensführung   170 2.9 Kreativitätstechniken und Prognoseverfahren   173 2.10 Marketing- und Vertriebsorganisation   180 2.10.1 Aufbau- und Ablauforganisation für die marktorientierte Unternehmensführung   180 2.10.2 Grundsätze einer marktorientierten Organisation   182 2.10.3 Fundamentale Organisationsentscheidungen   183

Inhaltsverzeichnis 

 XIII

 187 Funktionale Organisation zur Marktorientierung  Geschäftsbereichs-/Spartenorganisation zur Marktorientierung   188 Matrix-Organisation   190 Prozessorganisation   192 Organisationsleitlinien für die Marktorientierte Unternehmung   193 Marketing und Vertrieb in der Aufbauorganisation   193 Führungseigenschaften und Führungserfolg für die marktorientierte Unternehmen   196 2.10.11 Führungsstile in Marketing und Vertrieb    198 2.11 Steuerung durch Marketing- und Vertriebscontrolling   202 2.11.1 Lotsenfunktion des Controlling   202 2.11.2 Aufgabenbereiche des Marketing- und Vertriebscontrolling   204 2.11.3 Erfolgsfaktoren guter Kennzahlensysteme   206 2.11.4 Steuerungskennzahlen für den Vertrieb   208 2.11.5 Verkaufsgebietscontrolling    211 2.11.6 Steuerungskennzahlen für Marketing   214 2.11.7 Benchmarking und Frühwarnung in Marketing und Vertrieb   215 2.11.8 Kundenerfolgs- und Kundendeckungsbeitragsrechnung   218 2.11.9 Balanced Scorecard (BSC) in Marketing- und Vertrieb   219 2.10.4 2.10.5 2.10.6 2.10.7 2.10.8 2.10.9 2.10.10

3

 223 Marktinformationssysteme  3.1 Marketingforschung und Marktforschung   223 3.2 Ziele der Marktinformationsgewinnung   226 3.3 Methoden zur Marktinformationsgewinnung   227 3.3.1 Erhebungsverfahren der Marktforschung   227 3.3.2 Sekundärforschung und Desk-Research   228 3.3.3 Markterkundung und Marktbeobachtung   231 3.3.4 Marktbefragungen   232 3.3.5 Experimente und Testverfahren   235 3.3.6 Panels und Trackings   239 3.4 Methoden zur Marktdatenauswertung   244 3.4.1 Ablauf einer Primärerhebung   244 3.4.2 Auswahl der Befragten   247 3.4.3 Fragenaufbau und Fragetechnik   256 3.4.4 Antworterfassung – Skalierungsverfahren   257 3.4.5 Beschreibung und Analyse der Erhebungsdaten   264 3.5 Datenverwaltung im Marktinformationssystem   269 3.5.1 Data Warehouse   270 3.5.2 Datamining   272 3.5.3 Closed Loop   273 3.6 Bedeutung des Marktinformationssystems für die marktorientierte Unternehmensführung   274

XIV 

 Inhaltsverzeichnis

4

Die Leistungsprogrammpolitik   277 4.1 Entscheidungsfelder der Leistungsprogrammpolitik   278 4.2 Ebenen und Elemente eines Produktes   279 4.3 Produkt-Nutzenhierarchie   282 4.4 Strategische Stoßrichtungen   283 4.4.1 Orientierung am Produktlebenszyklus   283 4.4.2 Orientierung an Produkt- und SGF-Portfolios   286 4.4.3 Orientierung an Positionierungen und Einzigartigkeiten   287 4.4.4 Orientierung an Kernkompetenzen   294 4.4.5 Orientierung an kaufmännischen Programmstrukturen   296 4.4.6 Orientierung am Dreiklang erfolgreicher Produkte   298 4.5 Produktinnovation   299 4.5.1 Innovationsformen   299 4.5.2 Strategien der Innovationsübernahme   305 4.5.3 Strategien des Trend-Managements   306 4.5.4 Innovative Produktentwicklung   306 4.5.5 Innovationstiming und Innovationsdiffusion   313 4.5.6 Innovationscontrolling   315 4.6 Produktgestaltung   317 4.6.1 Produktleistungsplanung und Qualitätsplanung   318 4.6.2 Produktäußeres und Produktdesign   323 4.6.3 Produkt-, Markenname und Logo   327 4.6.4 Etikett, Packungsbeilage, Aufdrucke und Imprints   331 4.6.5 Verpackung   331 4.7 Sortimentsplanung des Leistungsprogramms   333 4.7.1 Kriterien der Programm- und Sortimentsplanung   333 4.7.2 Kriterien der Programm- und Sortimentsbildung   334 4.7.3 Programmbreite und Programmtiefe   335 4.8 Ergänzende Dienstleistungen, Services und Kundendienst   337 4.8.1 Der Weg zur Dienstleistungsgesellschaft   338 4.8.2 Kundendienst – Pre-Sales und After-Sales (After-Market)   341 4.8.3 Innovative Supportkonzepte: Hotline, Help Desk und Chat Bot   343 4.8.4 Messung von Servicequalitäten   345 4.8.5 Organisation der Dienstleistungs- und Servicepolitik   349 4.8.6 Gewährleistung und Garantieleistungen   350 4.9 Das Produktmanagement als Koordinator des Leistungsprogramms   351

5

 355 Konditionenpolitik  5.1 Herausforderungen für die Preispolitik   355 5.2 Orientierungsgrößen für Preisstrategien   357 5.3 Preispositionierung und Preislagenstrategie   361 5.4 Konditionenpolitisches Instrumentarium   364

Inhaltsverzeichnis 

 XV

 364 Verhandlungselemente  Lieferungs- und Zahlungsbedingungen   367 Preis-Nutzen-Zusammenhänge   368 Die klassische Preis-/Absatz-Funktion   368 Das Phänomen des Nettonutzens   374 Psychologische Einflüsse auf die Preis-Absatz-Funktion und PreiskäuferTypologien   377 5.5.4 Preisschwellen-Einflüsse auf das Kaufverhalten   380 5.6 Angebotspreissetzung/Statische Preispolitik   382 5.6.1 Monopolistische Optimierung von Preis und Menge   382 5.6.2 Mengenoptimierung bei vollkommener Konkurrenz   386 5.6.3 Preisbestimmung auf unvollkommenen Märkten: Die doppelt geknickte PAF nach Gutenberg   388 5.6.4 Preisbestimmung auf unvollkommenen Märkten: Sonderfall der doppelt geknickten PAF für Automobile   389 5.6.5 Preisfindungsmodelle im Internet   391 5.6.6 Kostenorientierte Preisbestimmung und Break-Even-Analyse   393 5.6.7 Wettbewerbsorientierte Preisbestimmung   400 5.6.8 Preispolitik im intensiven Preiswettbewerb   403 5.6.9 Horizontale Preisdifferenzierung   404 5.6.10 Vertikale Preisdifferenzierung   407 5.6.11 Preisbündelung und Entbündelung   408 5.6.12 Pauschalpreise und Flatrates   409 5.6.13 Werteorientierte Preispolitik (Value-based-Pricing)   410 5.7 Dynamische Preispolitik   411 5.7.1 Initialpreissetzungen und Preisdynamik   411 5.7.2 Langfristige Preislagenstrategien   412 5.7.3 Kundenorientierte Konditionenstrategie: Der Preis-Eisberg   413 5.7.4 Strategien zur Preissteigerung   416 5.7.5 Neuere Preissetzungsansätze   417 5.8 Konditionensysteme in der Konsumgüterindustrie   418 5.8.1 Kostendruck und Konditionsspirale   418 5.8.2 Gestaltung von Konditionssystemen   421 5.4.1 5.4.2 5.5 5.5.1 5.5.2 5.5.3

6

 425 Vertriebspolitik  6.1 Das Dilemma des Vertriebsbegriffs   425 6.2 Marketinggrundlagen für den Vertrieb   432 6.2.1 Relationship-Marketing   432 6.2.2 Networking über Social Media   437 6.2.3 Faktoren der Kundennähe   440 6.2.4 Kundenzufriedenheit   441 6.2.5 Operationalisierung und Messung der Kundenzufriedenheit 

 449

XVI 

6.2.6 6.2.7 6.3 6.4 6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.5.4 6.5.5 6.5.6 6.5.7 6.5.8 6.5.9 6.6 6.6.1 6.6.2 6.6.3 6.6.4 6.6.5 6.6.6 6.7 6.7.1 6.7.2 6.7.3 6.7.4 6.7.5 6.7.6 6.7.7 6.7.8 6.7.9 6.8 6.8.1 6.8.2 6.8.3 6.8.4 6.9 6.9.1 6.9.2 6.9.3 6.9.4

 Inhaltsverzeichnis

Kundenempfehlungen   454 Kundenbindung   458 Entwicklung einer Vertriebskonzeption   461 Ziele und Aufgaben der Vertriebspolitik   467 Gestaltung des Vertriebssystems   471 Festlegung der Verkaufsform   471 Mitarbeitende in der Vertriebs- und Verkaufsorganisation   478 Strukturorganisation in Vertrieb und Verkauf   485 Organisation der Umsatzverantwortung   489 Ablauforganisation im Vertrieb   492 EDV-gestützte Vertriebssteuerung   494 CRM – Customer Relationship Management-Systeme zur Vertriebssteuerung   496 CRM – Elemente eines CRM-Systems   500 CRM – Einführung durch Aufgaben- und Prozessintegration   507 Gestaltung der Verkaufspolitik   511 Verkaufsprozess – Sales Cycle   513 Single/Double Loop Verkaufsprozess   516 Lead-Generierung und Verkaufstrichter-Management   520 Lead Progression-Management   524 Kundenbewertung und -qualifizierung   530 Verfahren der Kundenbewertung   534 Verfahren der Kundenbetreuung   553 Betreuungskonzeptionen in der Übersicht   553 Kundenkontaktanlässe und Kontaktziele   555 Kundenbesuch – Planung und Durchführung   558 Kundenbesuch – Gesprächsvorbereitung   561 Kundenbesuch – Einschätzung des Einkäufers   562 Kundenbesuch – Das Verkaufsgespräch   566 Kundenbesuch – Verhandlungsstile   570 Kundenbesuch – Nachbereitung und Besuchsberichte   573 Hybrider Kundenbesuch und Hybrid Selling – Besonderheiten   577 Spezielle Konzepte für Kundenbetreuung   579 Key Account Management   579 Kleinkunden-Management und Inside Sales   586 Beschwerdemanagement   590 Kundenrückgewinnungs-Management   594 Verkaufen über das Internet   597 E-Commerce   599 Social Commerce   605 Plattformen   607 Mobile Commerce   611

Inhaltsverzeichnis 

6.9.5 6.10 6.10.1 6.10.2 6.11 6.11.1 6.11.2 6.11.3 6.11.4 6.11.5 6.11.6 6.12 6.12.1 6.12.2 6.12.3 6.12.4 6.12.5 6.13 7

 XVII

 612 Digitale Messen, Events, Webinare  Vertriebskanalpolitik und Multi Channel Marketing   613 Kanalstrukturen   614 Zielsetzungen und Konflikte des Multi Channel Marketing   620 Groß- und Einzelhandel – dominierende Absatzkanaform vieler Branchen   623 Funktion des Absatzmittlers   623 Betriebstypen des Handels   631 Betriebstypen im Wandel   640 Zusammenarbeit von Hersteller und Handel   643 Zielkonflikte zwischen Hersteller und Handel   644 Elemente der Zusammenarbeit von Hersteller und Handel   647 Vertikale Marketing-Strategien der Hersteller   651 Betreiben eigener Stores und D2C   653 Flagship-Store   654 Werksverkauf und Factory Outlet Center   655 Shop-in-Shop-Konzepte   657 Vertragshändler- und Franchise-Systeme   657 Vertriebs- und Distributionslogistik   659

 663 Kommunikationspolitik  7.1 Bedeutung der Kommunikation   664 7.1.1 Rahmenbedingungen der Kommunikation   665 7.1.2 Kommunikationswirkung   668 7.1.3 Modelle der Kommunikationswirkung   670 7.1.4 Werbeverweigerung   673 7.2 Markenführung   675 7.2.1 Strategische Markenführung   680 7.2.2 Modelle der Markenführung   687 7.2.3 Markenwert   691 7.2.4 Operative Markenführung   698 7.2.5 Markenarchitekturen und Markenstrukturen   704 7.2.6 Markenentwicklungen   707 7.2.7 Marken-Kooperationen und Brand Licensing   712 7.3 Strategische Planung der Kommunikation   715 7.3.1 Integrierte Kommunikation   718 7.3.2 Strategien der Kommunikation   721 7.4 Operative Planung der Kommunikation   723 7.4.1 Abgrenzung mittels Positionierung als Ziel der Kommunikation  7.4.2 Corporate Identity und Image   726 7.4.3 Markenname und Claim   734 7.4.4 Bilder in der Kommunikation – Imagery   739

 725

XVIII 

7.4.5 7.4.6 7.4.7 7.4.8 7.5 7.5.1 7.5.2 7.5.3 7.5.4 7.5.5 7.6 7.6.1 7.6.2 7.6.3 7.7 7.8 7.8.1 7.8.2 7.8.3 7.8.4 7.8.5 7.8.6 7.8.7 7.9 7.9.1 7.9.2 7.9.2 7.9.3 7.9.4 7.9.5 7.9.6 7.9.7 7.9.8 7.9.9 7.10 7.10.1 7.10.2 7.10.3 7.10.4 7.10.5 7.10.6

 Inhaltsverzeichnis

Copy-Strategie der Kommunikation   746 Gendersensible Sprache   749 Content Marketing in der Kommunikation   750 Identifikation adressierbarer Daten   754 Kampagnenmanagement   755 Kampagnenplanung   758 Mediaselektion   761 Planung des Timings von Kommunikationsmaßnahmen   767 Die Rolle von Agenturen im Kampagnenmanagement   772 Marketing Automation im Spannungsfeld mit kreativer Kampagnenplanung   776 Umsetzung der Kommunikationsplanung   778 Budgetierung der Kommunikation   779 Kennzahlen zur Planung der Mediaselektion   784 Kennzahlen und Messungen zur Werbeerfolgskontrolle   787 Instrumente der Kommunikationspolitik – Mediawerbung   792 Klassikwerbung   797 TV- und Bewegtbildwerbung   797 Radio- und Audiowerbung   803 Printwerbung   808 Außen und OoH-Werbung   814 Messen, Ausstellungen, Events   819 Sponsoring   831 Public Relations und Öffentlichkeitsarbeit   835 Internetwerbung   841 Grundlagen der Onlinewerbung   842 Corporate Webseite   850 Suchmaschinenmarketing: SEO und SEA   852 Display- und Bannerwerbung   856 Mobilwerbung   861 E-Mail-Marketing und Newsletter-Werbung   862 Social Media Marketing   865 Influencer-Marketing und Werbung   871 Affiliate Werbung   875 Werbung in virtuellen Welten: In Game und Metaverse   876 Direktwerbung   878 Response-Elemente als Merkmale der Direktwerbung   883 Direktwerbung mit Print   884 Direktwerbung mit digitalen Medien   892 Direktwerbung mit dem Telefon   896 Verkaufsförderung und Couponing   901 Give Aways und Werbegeschenke   910

Inhaltsverzeichnis 

7.11 7.11.1 7.11.2 7.11.3 7.11.4 7.11.5 7.11.6 7.11.7 8

Weitere Instrumente der Kommunikation  Guerrilla Marketing   912 Product-Placement   913 Ingredient Branding   914 Retail Media   916 Screenless Marketing   918 Occasion-based Shopping   920 Corporate Publishing   921

 XIX

 912

 925 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung  8.1 Marktorientierung im Hyper-Wettbewerb   928 8.1.1 Neue Wettbewerbsdimensionen   928 8.1.2 4I-Leitprinzipien zur Weiterentwicklung der Marktorientierung   930 8.1.3 Marktorientierung in Zeiten zunehmender Volatilität   932 8.1.4 Agilität zur Reaktion auf Veränderungen in Marketing und Vertrieb   934 8.1.5 Resilienz in Marketing und Vertrieb   936 8.2 Nachhaltigkeit als marktorientierte Ausrichtung   941 8.2.1 SDG-Prinzipien der Vereinten Nationen (UNO)   941 8.2.2 ESG-Kriterien als Leitplanken der Marktorientierung   942 8.2.3 Nachhaltigkeit im Marketingmix   944 8.3 Wachstum als Zielfaktor der marktorientierten Unternehmensführung   947 8.3.1 Die Regeln des Wachstums   947 8.3.2 Datengesteuertes Marketing und Marketing Automation   950 8.3.3 Guided and automated Selling   951 8.3.4 Customer Experience Management   953 8.3.5 Flywheel Marketing   955 8.3.6 Neuromarketing   957 8.3.7 Avatare und virtuelle Influencer   963 8.4 Metaverse als neue Marktoption   965 8.5 Arbeitskräftemangel in Marketing und Vertrieb begegnen   968 8.5.1 Zum Umgang mit Arbeitskräftemangel   969 8.5.2 Upskilling und Capacity Building   970 8.5.3 Diversity Management   971

Kompetenzfragen  Literaturverzeichnis  Register 

 999

 975  979

1 Grundlagen der marktorientierten Unternehmensführung Wie kommt ein Austausch auf Märkten zusammen? Wie kann eine erfolgreiche Strategie für die Unternehmensführung gestaltet werden? Warum ist ein Unternehmen vom Markt aus zu führen? Was ist marktorientierte Unternehmensführung?

1.1 Grundelemente des Marktgeschehens Du gehst durch dunkle Nacht1. Schwärze umgibt Dich. Plötzlich ein Hungergefühl. Du sehnst Dich nach etwas Essbarem. Ein Bedürfnis ist geboren. Bilder von Buffets schwirren durch Deinen Kopf. Die Gedanken kommen zur Ruhe. Ja, ein Brötchen würde Dir jetzt guttun. So kommt der Bedarf in die Welt. Wo aber bekommt man ein Brötchen? Das Dunkel lichtet sich. Aus dem Dunkel schält sich die Silhouette eines Marktstandes. Und dort erkennst Du aufgeschichtet: Brötchen. Du gehst hin und fragst den Marketender, ob er zu so früher Stunde schon geöffnet hat. Antwort ja. Jetzt trifft die Nachfrage auf ein Angebot. Aber umsonst bekommst Du das Brötchen nicht. Der Marketender nennt einen Preis. Etwas tauschen will er auch nicht. Er will einen Dukaten. Du findest einen in der Hosentasche. So kannst Du kaufen. Er will verkaufen. Du akzeptierst. Eine Transaktion kommt zustande. Die Wirtschaft beginnt. Mittlerweile ist die Dunkelheit gewichen. Du siehst andere Marktstände um Dich herum. Du stehst mitten auf einem Marktplatz, in einem Markt. Überall lockt man Dich mit vielfältigen anderen Backwaren – die Preise differieren. Wettbewerb wird sichtbar. „Wenn Sie wieder ein Brötchen oder Brot brauchen, dann kommen Sie aber zu mir“, sagt der Marketender. Ein Beziehungsmarketing tritt neben die Transaktion. Er gibt Dir seine Privatadresse auf einem Zettel. „Hier können Sie mich erreichen, auch wenn nicht Markttag ist.“ Der Marketender bemüht sich um Kundennähe. „Hat das Brötchen denn geschmeckt?“, so möchte er Deine Kundenzufriedenheit erfragen. Wenn Du zufrieden bist mit dem Kauf und der Beziehung, dann wirst Du bestimmt gerne wiederkommen. So rechnet

1 Szenische Beschreibung: Winkelmann (2009), Einleitung Lektion 1 Lehrgang Vertriebsmanagement. https://doi.org/10.1515/9783110787771-001

2 

 1 Grundlagen der marktorientierten Unternehmensführung

der Marketender mit Deiner Kundenloyalität. „Bei 9 Brötchen gibt es eines extra“. Er möchte Dir den Folgekauf zusätzlich schmackhaft machen. Sein Ziel ist Kundenbindung. Aber so einfach lässt Du Dich nicht festlegen. Vielleicht sind andere Angebote attraktiver? Und so wird die Kunst des Verkaufens zur Herausforderung für den Marketender. Du hast mittlerweile andere Stände angeschaut und gelernt. Es gibt Backwaren in verschiedensten Formen. Du siehst bunte Plakate der einzelnen Stände, die Dich zum Kauf einladen. Werbung nimmt Dich in den Griff. Schon längst hast Du Brot, Gebäck und Kuchen im Kopf. Du darfst probieren, an einer Verlosung teilnehmen oder bekommst kleine Geschenke, wenn Du kaufst. Die Welt des Marketing zieht Dich in einen Strudel der Reize. Marken erobern Deine Gedanken. Du kannst schauen, aber Vorsicht beim Anfassen. Denn wenn Du kaufst, musst Du Dein Portemonnaie zücken. Und dann kommt ein Wunsch zum anderen. Das Marketing dreht die Räder der Welt – und wir leben vom Kaufen und Verkaufen.

1.1.1 Bedürfnis – Bedarf – Angebot – Nachfrage Aber ist es nicht auch ein Bedürfnis, sich einen Traum zu erfüllen, sich für etwas begeistern zu können, etwas, ohne Wenn und Aber zu genießen. Es gibt Menschen, die diese Frage für sich mit „ja“ beantwortet haben. Und wenn wir unsere Verkaufszahlen betrachten, können wir sagen: Es gibt immer mehr davon.2

Wirtschaft ist der fortdauernde Prozess einer organisierten Bedürfni­ serfüllung. Das Aufspüren von Kundenbedürfnissen, ihre Beeinflussung oder gar Schaffung stehen im Mittelpunkt der Marketing- und Vertriebsanstrengungen von Wirtschaftseinheiten (Unternehmen, Gewerbetreibende, Freiberufler, etc.). Bedürfnisorientiertes Denken und Handeln sind Säulen der Wirtschaftswelt. Jeder besitzt unendlich viele Bedürfnisse. Es geht um Wünsche, Mangelfühle und wirtschaftliche Zwänge. Sie verlangen unsere Aufmerksamkeit und drängen nach Erfüllung. „Ich möchte noch mehr Sachen haben,“ so die Puppe Bibi Girl in Michael Endes symbolstarkem Buch Momo.3 Maslow hat die traditionsreiche Hierarchie der Bedürfnisse entwickelt4 (siehe Abbildung  1.1). Seine Bedürfnispyramide beruht auf einer Grundannahme: ein befriedigtes Bedürfnis ist kein Motivator

2 o. V. (Das Prinzip Porsche), 2009. 3 Ende, (Momo), 2005, S. 97. 4 Vgl. zur Maslowschen Bedürfnispyramide: Maslow, (Motivation), 1954.

1.1 Grundelemente des Marktgeschehens 

 3

mehr. Also werden wir uns von Bedürfnisstufe zu Bedürfnisstufe entwickeln, bis wir uns auf Stufe der Selbstverwirklichung – so wir sie jemals erreichen – von der materiellen Welt lösen.

Selbstverwirklichung

Bildung, Wellness

Prestige - Status

Rolex, Ferrari

Zugehörigkeit zu Gruppen

Robinson Club

Absicherung eines Lebensstils

Altersversorgung

Sicherung der Existenz

Wohnung, Essen

Abbildung 1.1: Maslows Bedürfnispyramide.

Es gibt zunehmend Zweifel, ob die Bedürfnistheorie von Maslow noch in dieser Form gilt. Veränderungen sind zu beobachten, die in folgendem Satz anklingen: „Ich bin derzeit arbeitssuchend, aber meine Playstation verkaufe ich nicht.“ Maßgebliche Treiber der Veränderungen sind: – Der Wertewandel verändert die hierarchisch geschichtete Pyramide. Viele Menschen kämpfen um ihre Existenz und verzichten dennoch nicht auf Teile eines früher genossenen Prestigekonsums. – Einmal etablierte Bedürfnisse verlieren an Kraft. Vielleicht haben große SUV bald ausgedient. Für Manager sind hybride und elektrische Dienstwagen plötzlich medienwirksam. Diskussionen zur Nachhaltigkeit und Bewegungen wie Friday for Future tragen zur Veränderung von Bedürfnissen bei. – Konsumenten orientieren sich nicht prinzipiell an Bedürfnishierarchien. Sie springen innerhalb der Bedürfnisgruppen oder verfolgen verschiedene Bedürfnisziele gleichzeitig. Dies entspricht dem Typ des hybriden und multioptionalen Käufers. – Neben dem Kauf können Bedürfnisse auch anders befriedigt werden: durch Gebrauchtkauf, Leihe, Eigenfertigung, Geschenk, Tausch oder Betteln, Diebstahl und Raub Durch eine Auswahlentscheidung („Wähle ich Rennrad oder Fitness-Center zur Erfüllung meines Bedürfnisses nach mehr Bewegung?“) und

Nachhaltigkeit: Ein Begriff aus der Forstwirtschaft des 18. Jhrhd.: Nicht mehr Bäume fällen als nachwachsen.

4 

 1 Grundlagen der marktorientierten Unternehmensführung

durch Kaufkraft (bspw. digitale Zahlungsmittel, Bargeld, Kredit) wird aus einem Bedürfnis ein Bedarf. Wie decken wir Bedarf? In diesem Buch steht der klassische Kauf (die sog. Transaktion) Ware gegen Geld im Mittelpunkt. Orte des Austausches sind Märkte. Der auf Märkten wirksame Bedarf wird Nachfrage genannt. Fehlt zum Kochen eine Zutat, entsteht Bedarf. Dieser Bedarf wird erst im Supermarkt nachfragewirksam. Der Nachfrage muss auf Märkten ein entsprechendes Angebot gegenüberstehen. Der Preis wirkt als Regulativ und bringt Angebot und Nachfrage zum Ausgleich. Abbildung 1.2 zeigt den Weg hin zum Kauf.

VOM BEDÜRFNIS ZUM KAUFAKT Bedürfnis

Bedarf

– – – – – – – –

Alles beginnt mit Träumen, Wünschen und Gefühl eines Mangels. Motive und Emotionen geben Antrieb, diesen Mangel zu beheben. Bedürfnisse sind mengenmäßig und inhaltlich grenzenlos und bei vielen Gütern instabil (oft situationsbedingt) Der Kaufinteressent entscheidet sich für eine Bedürfnisalternative (Auswahlakt). Dabei wirkt die Kaufkraft als Restriktion (Kann ich mir das überhaupt leisten?). Selbstimage und Normen wirken als Filter (Steht mir das, darf ich das kaufen?). Einstellungen zu Anbietern und Marken prägen den Schritt vom Bedürfnis zum Bedarf (Kaffee ja, aber nicht von...).

– Damit aus Bedarf Nachfrage wird, sind Informationen über mögliche Orte und Zeitpunkte Nachfrage

– –

Angebot und Kaufakt

eines Kaufaktes (einer Transaktion) erforderlich. Nachfrage wird auf einem Markt wirksam (Wann ist wieder Wochenmarkt? Wo finde ich...? Bis wann geöffnet?). Dabei wirken Kaufanstrengungen auf den Käufer kaufverzögernd (Heute habe ich keine Lust zur Parkplatzsuche), desgleichen hemmen ihn eine oft auftretende Kaufträgheit oder letzte Unsicherheiten (Ich möchte es mir noch einmal überlegen; ich komme morgen wieder). Für eine Nachfrage sind also Kaufimpulse notwendig.

– – Der Nachfrage muss letztlich ein entsprechendes Angebotge genüberstehen. – Der Anbieter muss auch verkaufen wollen (Eigentlich möchte ich mein Auto doch noch etwas behalten...),

– und es ist eine Einigung über den Preis erforderlich (der Preis als Regulativ, um Angebot und Nachfrage zur Deckung zu bringen).

Abbildung 1.2: Vom Bedürfnis zum Kaufakt.

Märkte werden auf vierfache Weise definiert: (1) als physische Orte für den Austausch (Wochenmarkt, Flohmarkt, Börse, Supermarkt, Fachgeschäft, etc.), (2) als digitale Märkte für den Austausch (E-Commerce, Internet-Auktionen, etc.), (3) als Summe (Potenzial) aller tatsächlichen und potenziellen (1) Käufer eines Produktes (engere betriebswirtschaftliche Definition) oder (2) Käufer und Anbieter eines Produktes (weitere volkswirtschaftliche Definition); oft auch bezogen auf ein bestimmtes Kunden-

1.1 Grundelemente des Marktgeschehens 

 5

segment/Zielgruppe (Arbeitsmarkt, Heiratsmarkt, Single-Markt, Ärzte-Markt, etc.), (4) als Sammelbegriff für eine angebotene Güterkategorie (Gebrauchtwarenmarkt, Bio-Markt, Heimwerkermarkt, Reisemarkt, etc.). Kernaufgaben der marktorientierten Unternehmensführung sind Auf­ spüren von Kundenbedürfnissen, gezielte Bedürfnisbeeinflussung und Vermarktung bedürfnisgerechter Leistungen. Marketing entwickelt sich zur marktorientierten Unternehmensführung, wenn alle Unternehmensaktivitäten und  –ressourcen auf diese Ziele ausgerichtet sind. Alternative Ausrichtungen von Unternehmen sind: – Produktionsorientierung: verkaufen, was sich kostengünstig produzieren lässt. – Technikorientierung: verkaufen, was Forschung & Entwicklung wollen. – Einkaufsorientierung: verkaufen, was die Einkaufsabteilung beschafft. – Umweltorientierung: nur verkaufen, was der Umwelt nicht schadet. – Inhaberorientierung: verkaufen, was Eigentümer wollen (z. B., wenn sie als Erfinder an bestimmten Produkten hängen). – Shareholder Value Orientierung: verkaufen, was den Aktienkurs steigert. – Planwirtschaftsorientierung: verkaufen, was politisch angeordnet ist.

1.1.2 Sachgüter – Dienstleistungen – Services Kundenbedürfnisse werden durch Unternehmen befriedigt. „Unternehmen reagieren auf Käuferbedürfnisse, indem sie ein Nutzenversprechen machen, das heißt, sie bieten die Zusammenstellung von Vorteilen an, die diese Bedürfnisse befriedigen. … Dieses Angebot kann eine Kombination von Produkten, Dienstleistungen, Informationen und Erfahrungen sein.“5 Grundsätzlich gibt es materielle und immaterielle Güter (Dienste, Rechte, Werte, Ideen). Marketing und Vertrieb untergliedern in Sachgüter, Dienst- und Serviceleistungen. Abbildung  1.3 beschreibt die Systematik.

5 Kotler et al., (Marketing-Management), 2017, S. 11.

Simon stellt in seiner Hidden-Champion-Analyse 2007 fest, dass nur 50% der Großunternehmen der Marktorientierung den Vorrang geben, 31% der Technik, und 19% beurteilen Markt und Technik als gleich wichtig (Quelle: ASW 10/2007, S. 34).

6 

 1 Grundlagen der marktorientierten Unternehmensführung

ZUM ZUSAMMENHANG ZWISCHEN SACHGÜTERN DIENSTLEISTUNGEN UND SERVICE Sachleistungen 1 2

4 3

Serviceleistungen

Dienstleistungen

6

5

7

Abbildung 1.3: Systematik von Sachleistungen, Dienstleistungen und Serviceleistungen.

Die Leistungsstufen lassen sich folgendermaßen beschreiben: (1) Reines Sachgut: Getränk im Supermarkt. (2) Sachgut mit Service: Kauf bei Douglas mit Nutzung des Einpackservice. (3) Sachgut mit Dienstleistung und Service: Mobiltelefon mit Vertrag und Beratung. (4) Sachgut mit Dienstleistung: Kauf von Einbauküche mit Einbau. (5) Reine Dienstleistung: Steuerberater, Massage. (6) Dienstleistung mit Service: Friseur mit angebotenem Kaffee. (7) Reine Serviceleistung: Polizeieinsatz bei Großveranstaltung. In gleicher Weise können digitale Produkte (z. B. Software, Computer-Spiele) durch Dienstleistungen (z. B. IT-Schulung) oder Serviceleistungen (z. B. kostenlose Updates) begleitet werden. Oder umgekehrt: Ein Sachgut kann durch digitale Dienstleistungen oder Services begleitet werden. Sachleistungen und Sachgüter (materielle Güter) Materielle, d. h. sicht- und anfassbaren Sachgüter werden eingeteilt in: – Konsumgüter für Endverbraucher (Konsumenten): hergestellt z. B. von Nahrungs- und Genussmittel-, Kosmetika-, Pharma- oder von Gebrauchsgüterherstellern (Konsumelektronik, Foto und Optik, Heim und Garten, Sportartikel, Damenoberbekleidung (DOB) und Herrenkonfektion (HAKA), Haushaltswaren, OTC-Produkte (Over-the-Counter = freiverkäufliche Medikamente), Büroartikel etc.), – Gewerbliche Güter/Geschäftsgüter: die von Unternehmen auf allen dem Endkonsum vorgelagerten Wertschöpfungsstufen eingekauften, verbrauchten oder nicht an Konsumenten verkauften Produkte,

1.1 Grundelemente des Marktgeschehens 



 7

Öffentliche Güter, die von Bund, Ländern und Kommunen bereitgestellten Güter (Bsp.: Straßen, Kanalisation, Schulen, Militär).

Sachgüter werden weiterhin unterteilt in – Verbrauchsgüter, die beim Einsatz verzehrt oder merklich abgenutzt werden (Geschäftsgut: Leim, Schrauben, Konsumgut: Schokolade) und – Gebrauchsgüter, die für den dauerhaften (mehrfachen) Einsatz bestimmt sind (Geschäftsgut: Kran, Maschine, Konsumgut: Fernseher). Für Konsumgüter nimmt Ruhfus eine spezielle Einteilung vor in, die bis heute Bestand hat: – Güter des täglichen Bedarfs (Convenience-Goods): Butter, Milch, etc. – Güter des gehobenen Bedarfs (Shopping-Goods), Smartphone, Uhr, etc., – Güter des Einmalbedarfs/Spezialitäten (Speciality-Goods): Auto, Immobilie. Die erste Kategorie wird auch als Low-Involvement-Products oder als Fast Moving Consumer Goods (FMCG), die zweite und vor allem die dritte als High-Involvement-Products bezeichnet. Für jede dieser Konsumgüterarten gelten typische Einkaufs-Verhaltensweisen (Kaufprogramme) der Verbraucher, über die in Kapitel zwei gesprochen wird. Für gewerbliche Güter, auch Industrie- oder Investitionsgüter, werden differenziert: – Rohstoffe, Einsatzstoffe (Kakao, Kaffee, Mehl, Metalle, Flüssigkeiten etc.), – Energiegüter (Erdöl, Kohle, Gas, Wasser, Strom, Solarenergie), – Produktionsgüter (Maschinen und Anlagen für die eigene Produktion), – Verkaufsgüter (zum Weiterverkauf bestimmte gewerbliche Güter), – technische Dienstleistungen. Die Vermarktung technischer Sachgüter erfolgt im Rahmen von unterschiedlichen Geschäftsmodellen: (1) Ersatzteilgeschäft wird vielfach durch technischen Handel und andere, spezialisierte Dienstleister abgewickelt (z. B. im Rahmen von Wartungsverträgen). (2) Produktgeschäft umfasst Komponenten und Einzelaggregate, die i. d. R. eigenständige Funktionen erfüllen (z. B. Kran, Heizung). (3) Zuliefergeschäft beliefern einen Industriekunden als Vorlieferant (klassisches B2B: z. B. Automobilzulieferer).

Digitale Güter werden digital erzeugt, digital übertragen mit digitalen Rechten, bspw. NFT versehen.

8 

 1 Grundlagen der marktorientierten Unternehmensführung

(4) OEM­Geschäft ist ein spezielles Zuliefergeschäft, bei dem Komponenten an einen Original Equipment Manufacturer (den OEM) verkauft und von diesem in weiter zu veräußernde Seriengüter eingebaut werden. (5) Anlagengeschäft vermarktet komplexe industrielle Einheiten, die wiederum aus Güterbündeln der genannten Kategorien bestehen. Bsp.: Raffinerien, Walzwerke, Fabrikanlagen mit allen dazugehörigen Sachgütern und Dienstleistungen. (Groß-) Anlagen werden i. d. R. im Rahmen spezifischer Projekte vermarktet. Man spricht vom Projektgeschäft. (6) Objektgeschäft stellt ein komplexes Bauvorhaben mit Gewerken im Mittelpunkt. Objektgeschäfte sind typisch für Hoch- und Tiefbau, Heizung, Sanitär, Klima. Im Gegensatz zum Anlagen- oder Projektgeschäft steht der Zulieferer nicht einer Kundenfirma gegenüber. Er bedient Netzwerke von direkten und indirekten Kunden. (7) Systemgeschäft vermarktet Güter in komplexen Bündeln. Nach lateinischem Ursprung steht der Produktbegriff mit Produktion/ produzieren in Verbindung. Oft werden Dienst- und Serviceleistungen übersehen. Dienstleistungen und Services (immaterielle Güter) Bei immateriellen Leistungen werden kostenpflichtige Dienstleistun­ gen von (weitgehend) kostenfreien Diensten (Serviceleistungen) abgegrenzt. Dienstleistungen werden weiterhin unterschieden in: – private, gewerbliche (industrielle) oder öffentliche Dienstleistungen an Sachen, – private, gewerblich (industrielle) oder öffentliche Dienstleistungen an Menschen. Tabelle  1.1 zählt Merkmale auf, die Dienstleistungen von Sachgütern unterscheiden. Standen bei der traditionellen Betriebswirtschaftslehre die produktiven Sachgüter im Vordergrund des Interesses, so nimmt heute das Marketing für Dienstleistungen einen immer breiteren Raum ein.6 Unsere Wirtschaft ist durch große Dienstleistungsbranchen geprägt (Handel, Banken, Versicherungen, Verkehr, Bildung).

6 Vgl. z. B. Meffert; Bruhn, (Dienstleistungsmarketing), 2018, S. 4.

1.1 Grundelemente des Marktgeschehens 

 9

Tabelle 1.1: Konstituierende Merkmale von Dienstleistungen.7 Merkmale von Dienstleistungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Dienstleistungen sind immateriell Dienstleistungen sind nicht transport- und lagerfähig Dienstleistungen haben keine Abnutzung und Schwund Rückgabe und Umtausch von Dienstleistungen ist nicht möglich Dienstleistungen sind nicht wiederverkäuflich Dienstleistungen werden durch Werbung und Kommunikation versprochen Dienstleistungen werden zumeist durch menschliche Arbeitskraft erzeugt Qualität von Dienstleistungen hängt von Sorgfalt der Ausführung ab Bewertung von Dienstleistungen ist erst nach Erbringung möglich Dienstleistungen können nur begrenzt standardisiert werden Qualitätskonstanz bei Dienstleistungen ist schwer sicherzustellen Dienstleistungen sind tw. einfach zu kopieren und imitieren Kunden können Wettbewerbsvorteile von Dienstleistungen nur erahnen Kunden können Preis.-/Leistungsverhältnisse von Dienstleistungen schwer einschätzen

Services gelten als Schlüssel zur Wettbewerbsdifferenzierung. Sie bieten Mehrwerte (Added Values). Hierzu zählen allgemeine Mehrwerte (Schulung), Produkt- und Prozessverbesserungen und weitere Vorteile für Kunden. Somit kann ein Service als Dienstleistung verstanden werden, die neben der Hauptleistung (bspw. ein verkauftes Produkt oder eine umgesetzte Dienstleistung) erbracht wird. Unterschieden wird zwischen produktbezogenen und personenbezogenen Services.8 Vielfach wird Kundendienst auch als Service vermarktet, da er (1) vor, (2) während und (3) nach einem Kauf Nutzen für den Kunden anbietet. Service kann kostenlos (Garantieleistungen) oder kostenpflichtig (Reparatur) und obligatorisch (Einweisung) oder fakultativ (Training) sein. Tabelle 1.2 bringt Güterbegriffe der drei großen Marktbereiche in einen Zusammenhang. Viele Güterarten spielen in allen Märkten eine Rolle. Die PC-Wartung einer Softwarefirma wird Konsumenten, durch Wartungsvertrag gebundenen Firmen sowie staatlichen Einrichtungen angeboten.

7 Quelle: eigene Darstellung auf Basis von u. a. Meffert, (Dienstleistungsmarketing), 2018, S. 31 ff, Becker, (Marketing-Konzeption), 2019, S. 709, Haller, (Handelsmarketing), 2018, S. 212. 8 Vgl. Weis, (Marketing), 2018, S. 426.

10 

 1 Grundlagen der marktorientierten Unternehmensführung

Tabelle 1.2: Übersicht der Güter auf den Märkten. Konsumgütermärkte

Geschäftsmärkte

Märkte für öffentliche Grüter

Verbrauchsgüter

–  Milch –  Benzin

–  Dichtringe –  Betriebsstoffe

–  Wasser –  Professor

Gebrauchsgüter

–  Laptop –  KFZ

–  Maschinen –  Kran

–  Straße –  Schulgebäude

Dienstleistungen an Menschen

–  Friseur –  Taxifahrt

–  Beratung –  Kredite

–  Polizei –  ÖPNV

Dienstleistungen an Sachen

–  KFZ-Reparatur –  Wohnungs-Reinigung

–  EDV-Support –  Sicherheitsdienst

–  TÜV –  Patentschutz

Der Güterbegriff entstammt einer volkswirtschaftlichen Denkweise. Unternehmen „verwirklichen“ Güter (z. B. das Gut „Auto“) in Form konkreter Produkte (z. B. der VW ID4). Produkte sind für die Unternehmen Erfolgsträger, für Kunden Nutzenträger. Der Kunde erfüllt sein Bedürfnis durch ein konkretes Produkt eines Anbieters.  Dieser rechnet dem Produkt die betriebswirtschaftlichen Größen Erlöse und Kosten zu. Das Produkt wird zum Kostenträger. Marken und Markenartikel Wenn sich Motorradfans das Harley-Davidson Logo als Tattoo eingravieren lassen, um zu imponieren, dann hat es das Produkt geschafft: Es ist zur Marke geworden. Wenn das Papiertaschentuch mit dem Produktnamen Tempo, das Waschmittel mit Persil oder eine Küchenmaschine mit Thermomix gleichgesetzt wird, dann hat sich ein Produkt tief im Kopf des Kunden festgesetzt.9 Tabelle 1.3: Merkmale von Markenprodukten. Merkmale von Markenprodukten 1 2 3 4

Gleichbleibende Produktgestaltung mit Designkonstanz Gleichbleibende Qualität Hohe Preiskonstanz Starke Medienpräsenz und -kommunikation

9 Specht, (Marken), in ASW, 10/1997, S. 10; anschaulich ist auch die folgende Erklärung des Markenphänomens: „Eine Marke ist ein Raum im Kopf des Verbrauchers“, aus: Momberger, (gute Marken), in: Textilwirtschaft, 20/1997, S. 14.

1.1 Grundelemente des Marktgeschehens 

 11

Tabelle 1.3 (fortgesetzt) Merkmale von Markenprodukten 5 6 7 8

Hohe Wiedererkennung durch einprägsamen Markennamen und Verpackungsdesign Weite Verfügbarkeit Lange Lebensdauer bei Gebrauchsgütern Lange Ersatzteilversorgung bei Verbrauchsgütern

Eine Marke ist eine Produktpersönlichkeit, ein „Herkunftsnachweis eines Anbieters mit vertrauensaufbauender Wirkung.“10 Tabelle  1.3 fasst Merkmale von Markenprodukten (Markenartikeln) zusammen. Die Anzahl der in Deutschland angemeldeten Marken lag 2020 bei über 845.000. Viele weitere in Deutschland aktive Marken haben ihre Eintragungen in europäischen oder weiteren internationalen Markenregistern. Es ist vor allem das Versprechen eines stabilen Qualitäts- und Preisniveaus, mit dem ein Produkt zur Marke wird. Hierzu gibt sich die Markenartikelindustrie in der Regel 1–1 ½ Jahre Zeit und investiert Millionenbeträge.11 Ebenfalls aufwändig ist die dauerhafte Markenpflege zur Sicherung der Marke. Detailliert geht das Buch in Kapitel 7 auf die Markenstrategie ein.

1.1.3 Privatmärkte und Geschäftsmärkte Märkte sind Austauschmöglichkeiten und Orte, auf denen Anbieter und Nachfrager Güter, Dienste und Werte austauschen. In Abbildung 1.4 wird nach privaten (Privatmärkte, Consumer Markets) und gewerblichen Märkten (Geschäftsmärkte, Business Markets) unterschieden. Geschäftsmärkte sind Privatmärkten vorgelagert. In Geschäftsmärkten kaufen und verkaufen Einkäufer und Verkäufer entweder im Auftrag ihrer Firma (Firmenkunde kauft LKW) oder zur eigenen Nutzenerfüllung (Geschäftskunde kauft Laptop). Kaufakte erfolgen über alle Wertschöpfungsstufen von Vorlieferanten an Hersteller, an Handelsunternehmen oder an öffentliche Einkaufsstellen.

10 Vgl. Rede v. Specht zum 25. Deutschen Marketing-Tag im ASW, 10/ 1997, S. 10. 11 Lt. Aussage des Geschäftsführers des Wiesbadener Markenverbandes: vgl.  Gottschalk, (Marken-Kollisionen), in: ASW, 10/1997, S. 207.

Privatmärkte: BGB und Bruttoreise. Gewerbliche Märkte: HGB und Nettopreise (Vorsteuerabzug).

Abbildung 1.4: Märkte in der Übersicht.

C2CMärkte

Endstufe: Industrieunternehmen, OEM, fertigen mit Vorprodukten und Anlagen technische Ge- und Verbrauchsgüter

– –

B2BMärkte

B2BMärkte

Technischer Handel

KonsumgüterMärkte

Handelsmärkte Großhandel bezieht von Konsumgüterherstellern Großhandelssortimente und beliefert Einzelhandel / Facheinzelhandel / Spezialeinzelhandel

Handelsunternehmen beziehen Verbrauchsmaterial, Geschäftsausstattungen und maschinelle Einrichtungen

organisierte Märkte, Geschäftsmärkte

Dienstleistungsmärkte Dienstleistungsunternehmen verkaufen immaterielle Leistungen für Menschen und Maschinen / Einrichtungen an alle Wirtschaftsbereiche

Dienstleistungsunternehmen beziehen Verbrauchsmaterial, Geschäftsausstattungen und maschinelle Einrichtungen

Endverbraucher / Verbände, Vereinigungen, Institutionen / Kleingewerbe Konsument / Verbraucher/ Familie, Selbständige, Kleinunternehmer kaufen Dienstleistungen Verbrauchsgüter Gebrauchsgüter

B2CMärkte

Konsumgüterhersteller fertigen mit Vorprodukten und Anlagen Food- und Nonfood Produkte sowie ConsumerGebrauchsgüter

Vorlieferanten, Zulieferanten, Systemlieferanten kaufen selbst von Vorstufen oder verkaufen Rohstoffe für die Fertigung Hilfsgüter, die mittelbar oder unmittelbar mit dem Produktionsprozess in Zusammenhang stehen – Anlagen, Maschinen, Komponenten oder Systeme

Private Märkte Hobbymärkte Kleingewerbe

Öffentliche Märkte verkaufen oder verteilen öffentliche Dienstleistungen an alle Wirtschaftsbereiche

Öffentliche Hand, Bund, Länder und Gemeinden beziehen Verbrauchsmaterial, Ausstattungen, maschinelle Einrichtungen, Militärgüter

KLASSIFIKATION UND ZUSAMMENSPIEL VON MÄRKTEN: ANBIETER UND NACHFRAGER

12   1 Grundlagen der marktorientierten Unternehmensführung

1.1 Grundelemente des Marktgeschehens 

 13

Einkauf

Einkauf

Einkauf

Einkauf

Endkunde

Airbus

Verkauf

Turbine

Verkauf

Rotor

Verkauf

Stahl Schrauben

Verkauf

Verkauf

Verkauf

Einkauf

Die Investitionsgütermärkte sind nur ein Teil der gewerblichen Märkte. Auch Büromaterial oder das Kantinenessen für BMW sind gewerbliche Produkte. Je beratungsintensiver und höherwertiger Verkaufsgüter sind, desto eher werden Geschäfte in einer direkten Beziehung  – ohne Einschaltung von Vertriebspartnern  – abgewickelt. Man spricht dann von Business-to-Business-Märkten (B2B).

Airline

Abbildung 1.5: Vertriebskette eines Industrieproduktes.

Abbildung 1.5 verdeutlicht die Vielstufigkeit gewerblicher Märkte. Von Schraube bis Airbus ist ein weiter Weg. Rohstoffe, Verbrauchsmaterialien, Teile und Aggregate werden über Stufen der Wertschöpfung ge- und verkauft. Schätzungen zufolge ist das Umsatzvolumen der Geschäftsmärkte wegen dieser Mehrstufigkeit viermal so groß wie das klassischer Konsumgütermärkte.12 Original Equipment Manufacturer (OEM) sind Hersteller, die als Ausrüster komplette Maschinen und Anlagen an die nächste Stufe der Wertschöpfungskette verkaufen. In Consumer-Massenmärkten wird überwiegend indirekt vertrieben (indirekter Vertrieb). Für den Konsum bestimmte Ver- und Gebrauchsgüter fließen über Groß- und Einzelhandel zum privaten Endverbraucher. In diesen Marktbereichen verkaufen Hersteller auch direkt, ohne Einschaltung des Handels, an Endkunden (Konsumgüter-Direktvertrieb, z. B. Vorwerk). Neue digitale Marken vertreiben vielfach in den ersten Jahren ausschließlich direkt. Der Fachbegriff Direct-2-Consumer (D2C) hat sich etabliert und löst den sperrigen Begriff des Konsumgüter-Direktvertriebs ab. Zu den Business-to-Consumer-Märkten (B2C) gehören große Dienstleister wie Banken, Versicherungen, Energieversorger, Post, Bahn, Telekommunikationsanbieter. Technische Serienteile und Ersatzteile werden vielfach indirekt vertrieben. Technischer Handel oder Fachhandwerk beliefern Industriekunden,

12 Statement von Backhaus: vgl. Garber, (Mister B-to-B-Marketing), in: ASW, 11/2008, S. 14.

14 

 1 Grundlagen der marktorientierten Unternehmensführung

Serienhersteller (OEM), Wiederverkäufer, Freiberufler oder die öffentliche Hand. Handel und Handwerk nehmen wichtige Mittlerfunktionen wahr. Im Einkauf deckt die gewerbliche und öffentliche Wirtschaft ihren Güterbedarf beim Handel. Verkaufsseitig vermarktet die Industrie Leistungen an Handelspartner, die dann wiederum an gewerbliche oder private Endabnehmer verkaufen. Abbildung 1.5 hat einkaufende und verkaufende Organisationen der öffentlichen Hand berücksichtigt. Bund, Länder und Gemeinden werden mit ihrer Fülle von öffentlichen Einrichtungen als Nachfrager und Anbieter tätig, um Infrastruktur bereitzustellen (Straßen, Gefängnisse, Schulen u.v. a.m.), um öffentliche Dienstleistungen anzubieten (Kindergärten, Polizeischutz, Ausbildung, Abwasserversorgung, Bundeswehr) und um Eigenverbrauch zu decken. Auch unabhängige Institutionen, wie die Deutsche Bundesbank mit ihren Zentralbanken oder Gerichte, gehören hierzu. Ein Trend geht in Richtung Privatisierung öffentlicher Märkte (Bahn, Post, Müllabfuhr, Wasserversorgung etc.). Zunehmend entdecken Unternehmen auch Mitarbeiter als Kunden. Diese Spezialform des Direktvertriebs wird als Business to Employee (B2E) bezeichnet. Abbildung 1.6 verdeutlicht die unterschiedlichen Vertriebssysteme im Hinblick auf die Direktheit der Beziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern. Wichtige Begriffe werden ergänzend betrachtet: – Direktvertrieb bedeutet Verkaufen an private oder gewerbliche Endkunden ohne Einschaltung von Vertriebspartnern (Handel, Handwerk, u. a.). – Business to Consumer (BtoC oder B2C) bedeutet direktes Verkaufen vom Hersteller an private Endverbraucher. Beispiele: Banken, Versicherungen, Stromversorger, Deutsche Telekom, Deutsche Bahn. – Business to Business (BtoB oder B2B) umfasst direkte Transaktionen zwischen Geschäftsleuten. Firmen bzw. Geschäftsleute kaufen dabei für den eigenen Bedarf, zur Weiterverarbeitung oder als Wiederverkäufer. – Privatkunden- oder Konsumgütermärkte sind die Einkaufswelten der privaten Endverbraucher. Diese fragen Lebensmittel, Medizinund Pharmaprodukte, Körperpflege- und Reinigungsmittel, technische Gebrauchsgüter, Sport- und Freizeitprodukte sowie Konsumdienstleistungen nach (Food und Non-Food). Markenartikel werden überwiegend im indirekten Vertrieb verkauft; d. h., die Konsumgüterhersteller distribuieren über Groß- und Einzelhandel. Wir sprechen auch vom BtoBtoC-Vertrieb (B2B2C).

 15

Direkter Vertrieb

Direkter Vertrieb

Direkter Vertrieb

Direkter Vertrieb

Direkter Vertrieb

Konsument

Anbieter

Anbieter

Arbeitgeb.

Staat

C2C

B2C

B2B

B2E

G2C

Konsument

Konsument

Firmenkd.

Arbeitneh.

Bürger

Öffentl. Märkte

Anbieter

Anbieter

Anbieter

Handel Handwerk

Konsument

Handel Handwerk

B2B2B

Indirekter Vertrieb

B2B2C

Indirekter Vertrieb

Geschäftlicher Endverbraucher

Abbildung 1.6: Marktformen des direkten und indirekten Vertriebs.



Geschäftsmärkte werden auch als Gewerbe-, Industrie-13, Investitionsgüter- oder Produzentenmärkte bezeichnet. Sie leiten sich aus dem Endkonsum ab. Steigt die Konsumnachfrage, dann benötigen Unternehmen mehr Anlagen und Ausrüstungsgüter für ihre Produktion sowie mehr Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe als Bestandteile der zu fertigenden Produkte und zur Aufrechterhaltung von Produktion und Verwaltung (Büromaterial).

Aus Tabelle  1.4 lassen sich charakteristische Unterschiede zwischen privaten und gewerblichen Märkten ableiten. Diese unterschiedlichen Merkmale wirken sich auf nahezu alle geschäftlichen Prozesse aus – von der Kundenansprache bis zur Abwicklung von Kundenaufträgen.

13 Backhaus prägte diesen Begriff: vgl. Backhaus; Voeth, (Industriegütermarketing), 2010, S. 5 ff. Der klassische Begriff lautet Investitionsgüter bzw. Investitionsgütermärkte. Der Begriff Investitionsgütermärkte umfasst allerdings nur einen Teilbereich der gewerblichen Nachfrage. Auch technische Dienstleistungen für Unternehmen gehören zu den Geschäftsmärkten, werden aber nicht als Industrie- oder Investitionsgüter bezeichnet.

Öffentliche Hand

Bürger

B2G2C

1.1 Grundelemente des Marktgeschehens 

16 

 1 Grundlagen der marktorientierten Unternehmensführung

Tabelle 1.4: Privatmärkte und gewerbliche Märkte im Vergleich. B2C/Privatmärkte (Konsumgütermärkte)

B2B/Gewerbliche Märkte (Geschäftsmärkte)

Kaufentscheidungen stark emotional geprägt

Sachzwänge dominieren, Emotionen ergänzen

Bedürfnisse sind weckbar, beeinflussbar

Bedarf idR. durch Endnachfrage vorbestimmt

Eher große Zielgruppe

Eher kleine, fragmentierte Zielgruppen

Direktvertrieb ist die Ausnahme, Endkunden sind den Herstellern idR. nicht bekannt

Direktvertrieb ist die Regel, Kunden sind bekannt, und es bestehen idR. lange Beziehungen

Kauf ist idR. Einzelentscheidung

Kaufentscheidung im Kontext von Einkaufspolitik und Einkaufsabteilung

Familien/Verbrauchergruppen schließen sich nur in Ausnahmefällen zusammen

In vielen Märkten sind Zusammenschlüsse von Anbietern und/oder Nachfragern möglich (Arbeitsgemeinschaften, Einkaufsverbände, etc.)

Konsumenten kennen Produktzusammenstellungen idR. nicht (trotz Ausweis von Zutaten)

Produktzusammensetzungen durch Spezifikationen und Rezepturen bekannt

Einkaufsstätte und Nähe zur Einkaufsstätte hat für Kunden noch immer große Bedeutung

Entfernungen spielen für gewerbliche Kunden keine Rolle

Preise werden stark vom Markenimage geprägt

Preise werden vorrangig durch die Produktleistung und Marktmacht bestimmt

Großteil der Kaufentscheidungen (insb. für Güter des tägl. Bedarfs) sind ohne Risiko

Kaufentscheidungen für technische Güter sind mit besonderen Risiken verbunden

Produktwechsel für den Kunden einfach

Lieferantenwechsel ist idR. mit größeren Risiken verbunden (gilt nicht bei Commodities/Verbrauchsgütern)

Kompetenz des Kunden spielt bei den meisten Konsumprodukten keine Rolle (Ausn.: Weinkenner etc.)

Kompetenz des Kunden spielt große Rolle, jedoch sind Kompetenzen oft aufgeteilt (bspw. Einkäufer und Techniker)

Kaufabschlüsse erfolgen idR. durch Einigung und Übergabe ohne schriftlichen Vertrag

Zwischen Geschäftspartnern werden schriftliche Verträge geschlossen

Geschäftsgrundlage BGB

Geschäftsgrundlage HGB

Bruttopreisstellung, kein Vorsteuerabzug

Nettopreisstellung, Vorsteuerabzug

1.1.4 Strategisches Dreieck der Marktteilnehmer Die folgenden Fragen zeigen eine Checkliste, um einen Markt zu charakterisieren und Kaufprozesse zu analysieren.14 Die Checkliste kann für Marktanalysen genutzt werden. Abbildung 1.7 führt die Analysefragen auf. 14 Zur generellen Analyse des Marketingumfeldes vgl.  u. a. Kotler et al., (Marketing-Management), 2017, S. 201 ff für Konsumgütermärkte und 237 ff für Industriegütermärkte.

1.1 Grundelemente des Marktgeschehens 

 17

DIE 8 W-FRAGEN DER MARKTBESCHREIBUNG Marktteilnehmer:

WER bildet den Markt?

Kaufobjekte:

WAS wird verkauft/gekauft?

Kaufakteure:

WER tätigt den Verkauf/Kauf?

Kaufziele:

WARUM wird gekauft?

Kaufort/POS:

WO findet der Kaufvorgang statt?

Marktspielregeln:

WIE läuft der Kaufvorgang ab?

Kaufpreis

WELCHER Preis wird gezahlt?

Marktpotenzial:

WIE groß ist der Markt?

Die zentrale unternehmerische Frage: : Wie lässt sich das Geschäftsmodell des Anbieters beschreiben? Abbildung 1.7: W-Fragen zur Marktanalyse.

Das Spiel der Märkte wird von Marktteilnehmern bestimmt, die direkt oder indirekt Einfluss auf Angebot und Nachfrage nehmen. Einflüsse durch das politische und gesellschaftliche Umfeld einmal ausgeklammert (Öffentlichkeit, Staat, Fiskus, Umwelt), wird ein Anbieter folgende Interessengruppen zu beachten haben, die sich um die Gewinnung und Bindung von Kunden bemühen: (1) eigene Mitarbeiter mit Kundenkontakt: Außendienst, Innendienst, Service und Vertriebsleitung; zusammen bilden sie das Selling-Center, (2) Vertriebspartner: Online und Offline-Marktplätze, Handelsvertreter, Fachhandel, Fachhandwerker, Distributoren, (Handels-) Agenten etc., die oft auch für Konkurrenten arbeiten (3) Wettbewerber/Konkurrenten, die gleiche oder ähnliche Marktziele verfolgen und manchmal auch Kunden sind.15 Abbildung  1.8 bildet Marktakteure in einem Beziehungsdreieck ab. Grundlage bildet das strategische Dreieck der Marktteilnehmer von Simon.16 Pfeile kennzeichnen Stoßrichtungen für die Basis-Strategien des Marketing: (1) Erkennen, Wecken und Beeinflussen von Kundenbedürfnissen, (2) Suchen und Pflegen (Bindung) von Kunden und aktiver Verkauf, (3) gezielte Abwehr von und Angriffe gegen Wettbewerber, (4) Suche nach Vertriebspartnern: Auswahl und Führung sowie Abschirmung gegenüber Aktivitäten von Konkurrenten.

15 Ein weiter fassender Ansatz würde auch Lieferanten und Stakeholder mit einbeziehen. 16 Vgl. in Anlehnung an Simon, (Wettbewerbsvorteile), in: ZfB, 1988, S. 464.

18 

Bedürfnisse

 1 Grundlagen der marktorientierten Unternehmensführung

Bedarf

Kunde

Preis als Regulativ

Bedarfsbeeinflussungsstrategie

Nachfrage

Verkaufsstrategie

Bedürfnissweckungsstrategie

Vertriebspartner

Vertriebsstrategie

Wir

Wettbewerbsstr.

Konkurrenz

Angebot

Abbildung 1.8: Strategisches Dreieck der Marktteilnehmer.

Bedeutende Marktstrategien sind: (1) Marketingstrategien betreffend Image, Marke, Werbung, (2) Kundenstrategien, bspw. Leistungsangebote, Preisgestaltung, Verkauf, (3) Wettbewerbsstrategien, bspw. Angriff, Abwehr, Kooperation, (4) Vertriebspartnerstrategien, bspw. Suche nach und Führung von Partnern. Zwischen Anbietern und Kunden laufen absatzwirtschaftliche Vorgänge ab (sog. Transaktionen). Betriebswirtschaftlich wirken sich diese in Absatzmengen, Umsatzerlösen, Deckungsbeiträgen, Marktanteilen und Kundenzufriedenheit aus.  Für Anbieter, deren Konkurrenten und Vertriebspartner gilt: Erfolg hängt vom Kunden ab. Um Erfolg zu haben, muss man diesen Kunden und sein Verhalten kennen. Auf der Anbieterseite stehen verschiedene Unternehmensgrößen im Wettbewerb. Die Abgrenzung zwischen Unternehmensklassen lassen sich anhand quantitativer Maßstäbe festmachen. Tabelle 1.5 listet die 4 unterschiedenen Unternehmensgrößen auf. Tabelle 1.5: Größenklassen der KMU-Einteilung der Europäischen Union.

Mikrounternehmen Kleines Unternehmen Mittleres Unternehmen Großes Unternehmen

Mitarbeiter

Jahresumsatz

oder Jahresbilanz

E = O2

C = O3 E = O1

X => E = O2

C = O3

C => E = O4

Abbildung 3.4: Typische Experimentaldesigns.278

277 Vgl. Kreis et al., (Marktforschung), 2021, S. 45. 278 Vgl. zu den Test-Designs Homburg, (Marketingmanagement), 2012, S. 274–283.

3.3 Methoden zur Marktinformationsgewinnung 

 237

Abbildung  3.5 zeigt den häufig eingesetzten Grundtyp des Static Group Comparison. In zwei Supermärkten finden zwei strukturgleiche Käuferschichten ein Markenprodukt in gleicher Regalposition. Plötzlich wird die Regalposition des einen Produktes verbessert. Mehrkäufe der Testgruppe (Experimentalgruppe) im Vergleich zu einer Kontrollgruppe werden auf den Reizeinfluss zurückgeführt. Experimente dürfen nicht nur als Alternative zur Beobachtung oder Befragung verstanden werden. Alle klassischen Erhebungsverfahren können in Experimenten zur Anwendung kommen. Das Experimentaldesign Reiz

TESTGRUPPE

Reaktion -1

KONTROLLGRUPPE

Reaktion -2

Weichen R-1 und R-2 signifikant voneinander ab? (Rückschluss auf Reizeinfluss)

Abbildung 3.5: Beispielhaftes Experimentaldesign.

Zu unterscheiden sind verschiedene Arten von Experimenten bzw. von empirischen Tests:279 (1) Beobachtungsexperimente und Befragungsexperimente: Beobachtungsexperimente sind besonders gut geeignet, Hypothesen über das Verbrauchererhalten zu prüfen. Bsp.: Wie reagieren Kunden auf unterschiedliche Regalplatzierungen eines Produktes? Beobachtete erhalten keine Informationen über das Experiment. Befragungsexperimente bieten hingegen den Vorteil einer Interaktion mit den Befragten und erlauben somit auch das Testen komplizierter Sachverhalte. (2) Feldexperimente und Laborexperimente: Feldexperimente finden unter natürlichen Bedingungen statt. Dem Vorteil des Austestens unter realen Bedingungen steht der Nachteil nicht kontrollierbarer Störeinflüsse gegenüber. Laboruntersuchungen finden unter künstlichen Bedingungen statt. Sie gelten als Domäne der psychologischen und sozialpsychologischen Forschung. Für Marketing und Vertrieb ist das Feldexperiment vorherrschend.

279 Vgl. die Zusammenfassung bei Weis; Steinmetz, (Marktforschung), 2012, S. 221 ff.

238 

 3 Marktinformationssysteme

(3) Insbesondere bei Feldexperimenten werden unterschieden: Pro­ dukttests (getestet werden Produkteigenschaften unabhängig von den Verkaufsbedingungen), Storetests in ausgesuchten Einzelhandelsgeschäften (GfK-Storetest), bei dem Testprodukte unter realen Bedingungen vermarktet werden, und Markttests (regionale Testmärkte), die die Simulation flächendeckender, realer Marktsituationen zur Aufgabe haben. (4) Simultanexperimente und sukzessive Experimente: Die Unterscheidung bezieht sich darauf, ob im Experiment mit getrennten Versuchs- und Kontrollgruppen, die gleichzeitig untersucht werden, gearbeitet wird oder ausschließlich mit einer Gruppe. Beim Eingruppenexperiment fungiert diese zuerst als Kontroll- und dann als unter Reizeinfluss gesetzte Versuchsgruppe.280 (5) Simulationsexperimente: Die Simulation stellt eine Sonderform dar. Reale Prozesse werden in einem mathematischen Simulationsmodell reproduziert. Störgrößen können kontrolliert mit einbezogen werden. Weltsimulationsmodelle haben vor einigen Jahren eine besondere Rolle gespielt. Die zeitliche Reichweite der natürlichen Erdressourcen (Erdöl) wurde unter Annahmen des Bevölkerungswachstums und möglicher Klimaentwicklungen analysiert. Es ist still geworden um diese Art von Zukunftsvoraussagen.281 Für Experimente benötigt es ausgewählte Voraussetzungen, die Tabelle 3.4 auflistet: Tabelle 3.4: Voraussetzungen für Experimente. Kriterium

Beschreibung

Wiederholbarkeit

Kann das Experiment zu einem anderen Zeitpunkt mit gleichem Setup wiederholt werden?

Kausalanalyse

Die Wirkungsrichtung zwischen der unabhängigen und der abhängigen Variablen muss klar sein. Die Beziehung muss irreversibel (nicht umkehrbar) sein

Kontrolle der Erhebungsbedingungen

Es dürfen keine unkontrollierten Störeinflüsse in den Reiz-/ Reaktionsvorgang hineinwirken

Definition der Erhebungssituation

Es ist notwendig, die Erhebungssituation genau festzulegen und im Ablauf zu planen

280 Vgl. zu den Experimentaltypen: Weis; Steinmetz, (Marktforschung), 2012, S. 221 ff, vertiefend zu Experimenten siehe Kreis et al., (Marktforschung), 2021, S. 103 ff. 281 Vgl. Forrester, (Industrial Dynamics), 1972.

3.3 Methoden zur Marktinformationsgewinnung 

 239

Tabelle 3.4 (fortgesetzt) Kriterium

Beschreibung

Einhalten einer „Experimentalethik“

Der Vorgang der gezielten Beeinflussung der Experimentalgruppe darf nach strengem ethischem Maßstab die Grenze zur „bewussten Täuschung“ (Manipulation) nicht überschreiten.

Folgend sechs typische Fragestellungen aus der Käuferforschung werden mit Hilfe der dargestellten Experimente und Tests bearbeitet.282 (1) Akzeptanztests: Wie stark ist eine Kaufabsicht von bestimmten Reizen (z. B. Produktdesign oder Art der Warenpräsentation am POS) abhängig? (2) Präferenztests: Wird ein Produkt signifikant Wettbewerbsprodukten vorgezogen und wenn ja, welchen? Die Testsets sind dann Warenkörbe. (3) Deskriptionstests: Werden bestimmte Produkteigenschaften signifikant stärker wahrgenommen und bewertet als andere? Stimuli sind die abgefragten Produkteigenschaften. (4) Diskriminanztests: Durch welche Eigenschaften werden Produkte von verschiedenen Käufergruppen signifikant unterschiedlich wahrgenommen, bzw. welche Produkteigenschaften trennen Käuferschichten (z. B. Hochpreis- und Discountpreis-Käufer)? (5) Wahrnehmungstests: Durch welche Eigenschaften wird ein Produkt überhaupt von den Konsumenten bemerkt (auch: Awareness-Tests)? (6) Evaluationstests: Werden verschiedene Produkte von den befragten Konsumenten als Ganzheiten signifikant unterschiedlich empfunden bzw. beurteilt?

3.3.6 Panels und Trackings Panels kombinieren Methoden der persönlichen und schriftlichen Befragung sowie die der Beobachtung (wie beim TV-Panel mit Hilfe von Registriergeräten). Sie bilden die Grundlage für Zeitraumanalysen. Panels sind wichtige Produkte und Angebote größerer Marktforschungsinstitute. Es gehört Erfahrung dazu, über längere Zeiträume hinweg Befragungsprogramme aufzubauen und zu etablieren. Panels und Trackings sind Erhebungen, bei denen ein gleichbleibender, repräsentativer Kreis von Einzelpersonen, Haushalten oder

282 Vgl. in Anlehnung an Koch, (Marktforschung), 2021, S. 153.

Auf Panels entfallen 40% aller Marktforschungsbudgets.

240 

 3 Marktinformationssysteme

Unternehmen über einen längeren Zeitraum hinweg nach der gleichen Methode zu den gleichen Sachverhalten befragt wird. Beim Tracking können die Befragten variieren. Die Stichproben müssen jedoch in wichtigen demografischen Merkmalen strukturgleich sein. Die erhobenen Sachverhalte reichen von einfachen Erfassungen von Kaufentscheidungen über die Erhebung von Meinungen der Konsumenten zu neuen Produkten oder Produkteigenschaften bis hin zu komplexen Kundenbeurteilungen von Werbemaßnahmen oder Imagekampagnen für Auftraggeber aller Art. Abbildung 3.6 liefert eine Typologie der Panelformen.

Panels Konsumentenpanel

Industriepanel

Großhandelspanel

Handelspanel

Einzelhandelspanel

Panels b. Banken & Vers.

Speziell, bspw. Autobesitzer

allgemein

Einpersonenpanel

Gebrauchsgüterpanel

Verbrauchsgüterpanel

Haushaltspanel

Unternehmenspanel

Abbildung 3.6: Typologie von Panels.283

Single Source Panels erheben gleichzeitig Informationen über das Kaufverhalten wie auch über das Mediennutzungsverhalten.

Haushaltspanels Über die im Bereich Consumer Panels und Services laufenden Verbraucherpanels der GfK werden Daten zu den Konsumgewohnheiten von vielen tausenden Haushalten und Einzelpersonen in 26 Ländern erhoben. Haushalte bzw. Konsumenten erfassen täglich ihre Einkäufe für Fast Moving Consumer Goods (FMCG) per Electronic Diary, einem EAN-Handscanner, der es zudem erlaubt, Informationen über Produkte ohne EAN-Code anhand eines Codebuches einzugeben. Mit dem ScanIT können die eingescannten Daten am PC bearbeitet und über das Internet verschickt werden. Während im Bereich ConsumerScan Verbrauchsgüter erfasst werden, liefert der Bereich ConsumerScope Informatio-

283 Quelle: Weis, (Marketing), 2019, S. 280.

3.3 Methoden zur Marktinformationsgewinnung 

 241

nen zum Einkaufsverhalten bei langlebigen Gebrauchsgütern und zur Nutzung von Dienstleistungen wie z. B. Tourismus, Verkehr, Post etc. Diese Daten werden per Online- und Briefpanels gewonnen. Sie liegen teilweise auch im internationalen Vergleich vor. Verbraucherpanels liefern letztlich Erkenntnisse über soziodemografische Käuferstrukturen. So ermöglichen sie Segmentierungen mit Beschreibungen von Käufern nach Einstellungen. Die Stichproben sind umfangreich und repräsentativ und führen zu statistisch abgesicherten Ergebnissen zu zentralen Fragestellungen: (1) Erst- und Wiederkaufsraten von Produkten bei Konsumentenzielgruppen, (2) Warengruppentrends (Zukunft von Produkten und Produktgruppen), (3) Markentreue (Markenloyalität) und Markenwechsel, (4) Käuferwanderungen (in andere Kundensegmente), (5) Erfolgschancen von Produkteinführungen, (6) Erfolge von Marketingaktionen, VKF-Maßnahmen und von Werbekampagnen, (7) Marktmodellrechnungen, Prognosen, Simulationen u.v. a.m. Es gibt zahlreiche branchenbezogene Haushaltspanels. Das GfK-Textilpanel ist z. B. das größte deutsche Verbraucherpanel zur Untersuchung von textilen Warengruppen. Marktforschungsinstitute setzen für Haushaltspanels spezialisierte Analysepakete ein. Nielsen bietet beispielsweise im Rahmen des Homescan-Panels folgende Analysen an: – Warenkorb-Analyse: geht der Frage nach Besonderheiten der Käufer (Käuferschichten) nach, die eine bestimmte Marke X im Warenkorb haben (Wie wertvoll ist der Käufer einer bestimmten Marke?). – Analyse der Erst- und Wiederkäufe und der Determinanten, die über den Folgekauf einer Marke bei einem bestimmten Konsumententyp entscheiden. – Markenwechsel-Analyse, die z. B. folgenden Fragen nachgeht: – Substituiert Marke x das Wettbewerbsprodukt y, oder setzt sie sich on top? – Welche Marken erwirtschaften welche Gewinne bzw. Verluste? – Können neue Käufer für die Warengruppe gewonnen werden? – Heavy Buyer-Analyse, die das besondere Kaufverhalten jener Verbraucher untersucht, mit denen sich potenziell der höchste Umsatz erzielen läßt.

242 

 3 Marktinformationssysteme

Handelspanels Bei Handelspanels verdient das 1954 eingeführte Nielsen Einzelhandelspanel eine besondere Erwähnung. Dieses und weitere Panel fasst Abbildung 3.7 zusammen. 1999 wurde dieses Panel durch das scanningbasierte Handelspanel MarketTrack abgelöst. MarketTrack bietet vielfältige Möglichkeiten, Marketingaktivitäten zu analysieren. Die Informationen in der MarketTrack-Datenbank erlauben die Bewertung der wichtigsten Entwicklungen von Einzelartikeln, Marken, Warengruppen und Marktsegmenten. Die Gründe für die Umsatzentwicklung und der Marktanteil eines Produktes werden detailliert aufgezeigt. Im Einzelnen umfasst Nielsen MarketTrack: – Beurteilung einer Produkt-Performance, – Bewertung der Effektivität von Marketing- und Vertriebsstrategien, – Überprüfung der Effizienz taktischer Maßnahmen am POS durch wochengenaue Datenabgrenzung, – Analyse des Einflusses von Neuprodukteinführungen und Line Extensions, – Messung der Effekte kurzfristiger Preisaktivitäten, – Erarbeitung von Argumenten zur Unterstützung des Produktlistings und als Basis für ein partnerschaftliches Warengruppenmanagement der Industrie mit dem Handel. Handelspanel

Food NonFood

Nielsen IQ IRI GFK NPD

Haushaltspanel GFK Nielsen IQ Kantar

NPD

Abbildung 3.7: Panels weltweit.284

TV-Panel Fernsehzuschauerpanels analysieren das Verhalten und die Gewohnheiten der Fernsehzuschauer. Dadurch liefern sie Empfehlungen für Medienbelegungen der werbenden Wirtschaft. Die GFk stellt die Daten

284 Quelle: Horizont 30–31/2022, S. 14.

3.3 Methoden zur Marktinformationsgewinnung 

 243

über ihr Produkt „Viewing Measurement“ bereit, der Wettbewerber Nielsen betitelt sein Fernsehpanel „TV Audience Measurement“. Industriepanels Eine große Signalwirkung für Politik und Wirtschaft geht vom ifo-Konjunkturperspektiven-Bericht aus.285 7.000 Unternehmen geben monatlich ihre Konjunktureinschätzungen und ihre kurzfristigen Kapazitätsplanungen bekannt. Aus diesen Meldungen wird der ifo-Geschäftsklimaindex berechnet. Da die Gruppe der antwortenden Unternehmen nicht konstant bleibt, handelt es sich methodisch um ein Tracking. Der Konsumklimaindex der GfK ist kein Panel, verdient aber als Ergänzung zum B2B-ifo-Konjunkturperspektiven-Bericht eine Erwähnung. Mit Fragen zur allgemeinen Konjunkturerwartung, der eigenen Einkommenserwartung und der Konsum- und Anschaffungsneigung soll die Konsumneigung der Privathaushalte erfasst werden. Auch dieser Bericht besitzt große Bedeutung in der öffentlichen Wahrnehmung. Er repräsentiert Verbraucherverhalten und -vertrauen aktuell und in naheliegender Zukunft. Panelrepräsentanz und Panelsterblichkeit Fünf störende Effekte können die Repräsentanz eines Panels gefährden:286 (1) Coverage­Probleme entstehen, wenn durch ein Panel die Käufe in einer betroffenen Warengruppe nicht vollständig erfasst werden. Ein Beispiel ist der außer Haus-Konsum. Oder es entstehen Abweichungen, wenn ein Panelteilnehmer für andere einkauft und dies als eigenen Konsum bei der Meldung vermerkt. (2) Unter Panelsterblichkeit wird das Ausscheiden (Fluktuation) von Panel-Mitgliedern im Zeitablauf verstanden. Bei einem durchschnittlichen Teilnehmerverlust von 15 Prozent pro Jahr verbleiben in einem Panel als „Bodensatz“ nach 3 Jahren nur noch 60 Prozent.287 (3) Lerneffekte (Fachbegriff: Paneleffekt) verfälschen die Ergebnisse, wenn Panelteilnehmer sich durch die Einkaufsberichte „kontrolliert“ fühlen und deshalb ihr Kaufverhalten schleichend ändern. Im Vergleich zu Nicht-Panelhaushalten ist das Kaufverhalten dann nicht mehr repräsentativ. 285 Vgl. www.ifo.de. Mit mehr als 210 Mitarbeitern gehört das Münchner ifo-Institut zu den führenden europäischen Wirtschaftsforschungsinstituten. 286 Vgl. Kreis et al., (Marktforschung), 2021, S. 179 ff. 287 Vgl. Koch, (Marktforschung), 2021, S. 106.

244 

 3 Marktinformationssysteme

(4) Wenn Panel-Teilnehmer dazu neigen, bei bestimmten, meist prestigeträchtigen Warenarten erhöhte Einkaufsmengen anzugeben, dann spricht man von einem Schummel­Effekt (auch: Over­Repor­ ting). Durch die fortschreitende elektronische Erfassung verliert dieser Effekt an Bedeutung. (5) Ein Ermüdungseffekt bewirkt Nachlässigkeiten und Meldefehler im Zeitablauf. Es kommt zu Under­Reporting. Deshalb wird regelmäßig ein Anteil der Meldehaushalte ausgewechselt. Moderne Tracking-Verfahren können diese Probleme teilweise abmildern. Die Auswertung durch Statistik-Software wird durch die automatisierte Erfassung vereinfacht. Fehlerquellen werden reduziert.

3.4 Methoden zur Marktdatenauswertung 3.4.1 Ablauf einer Primärerhebung Mündliche und schriftliche Primärerhebungen laufen nach den Stufen der Abbildung 3.8 ab.288 Nach Bestimmung des Untersuchungsziels (Themenabgrenzung) und der Sichtung des vorhandenen Datenmaterials (Sekundäranalyse) werden erste Ideen zu den Fragenbereichen oder schon konkrete Fragen zu Papier gebracht. Dabei entstehen Fragen nicht im luftleeren Raum. Ausgangspunkte sind Hypothesen, die das Untersuchungsthema betreffen. Befragungszeit ist knapp und kostbar. Daher muss jede Interview- oder Fragebogenfrage gerechtfertigt sein. Sie ist es, wenn sie in einem Hypothesenbezug steht. Ein Interviewleitfaden (Checkliste) hilft Befragenden, auch in kritischen Befragungssituationen Befragungstaktik und Rahmenzeitplan einzuhalten. Ein Interviewleitfaden ist sinnvoll, wenn die Studie von einer Einzelperson durchgeführt wird. Die Entscheidung über Umfang der Befragung (Voll­ oder Teilerhebung) ist bei der Aufgabenstellung der Untersuchung zu fällen. Nur bei speziellen Themenstellungen und bei kleinen Zielgruppen sind Vollerhebungen vertretbar. Die typische Marktbefragung (insbes. im Konsumgüterbereich) ist eine Teilerhebung. Aus der Grundgesamtheit wird eine Stichprobe ausgewählt (gezogen). Nach welchen Kriterien das geschehen kann, wird im folgenden Abschnitt behandelt.

288 Vgl. in Erweiterung von Weis; Steinmetz, (Marktforschung), 2012, S. 141.

3.4 Methoden zur Marktdatenauswertung 

 245

Ablauf einer Marktforschungsstudie

Untersuchungsziel, Themeneingrenzung

Materialsichtung, Sekundäranalyse

Klärungen zum Verfahren, Beteiligten, Zeit, Budget

Pretest mit kleiner Befragtenauswahl

Entwurf Interviewbogen, Fragebogen

Pilotphase: Fragenklärung mit Experten

Hypothesengelenkte Fragensammlung

Abschluss Interviewbogen bzw. Fragebogen

Auswahl der Befragten gemäß Mafo-Verfahren

Planung des Interviews, Mailings, Online-Befragung

Bei Interviews: Interviewerschulung

Präsentation, Abschlussbericht

Auswertung der Ergebnisse

Durchführung des Mailings, Interviews. Online-Befragung

Abbildung 3.8: Ablauf einer Marktforschungsstudie.

Große Sorgfalt ist auf eine Pilotphase zu legen. Themeneingrenzung, Methodik und Fragebogen sind kritisch mit Kollegen und Experten zu diskutieren: (1) Sind treffende Ausgangsvermutungen zum Thema (Hypothesen) erfasst? (2) Sind diese Hypothesen in verständlicher Form in Erhebungsfragen transformiert? (3) Ist die Fragenanzahl (der Fragebogenumfang) sinnvoll? Am Ende der Pilotphase steht der Entwurf für den Interview- bzw. Fragebogen. Schriftliche und Online-Fragebögen sollten in 5 bis maximal 15 Minuten ausfüllbar sein. Mündliche Interviews sind auf ½ Stunde bis 1 Stunde auszulegen. Anschließend sind die Fragen von einer begrenzten Zahl von Versuchspersonen in einem Vortest (Pretest) auszutesten. Kommen die Fragen gut an, dann können die Pretestergebnisse mit in die Hauptauswertung einbezogen werden. Das ist nicht möglich, wenn der Pretest noch Änderungen am Fragebogen notwendig macht. Bei einer schriftlichen Befragung wird der Fragebogen per Post, Fax oder E-Mail versandt oder online zugänglich gemacht. Beim Interview verbleibt er in den Händen des Interviewers. Zuweilen wird auch der Interviewbogen dem Befragten zur besseren Orientierung ausgehändigt. Über Mail oder Chat verteilte Einladungen zu Online-Befragungen werden direkt am Bildschirm beantwortet und ausgewertet. Bei einer mündlichen Befragung ist zur Sicherung der Reliabilität eine Interviewerschulung erforderlich. Geschlecht, Verhalten oder persönliche Eigenarten des Interviewers dürfen keinen Einfluss auf Antwortverhalten der Befragten nehmen. Abbildung 3.9 beschreibt im Detail die Arbeitsschritte für eine schriftliche Primärerhebung.

246 

PHASE

① ② ③ ④ ⑤

⑥ ⑦

Konzeptphase, Zielsetzung, Problemformulierung

Pilotphase, Exploration

Fragebogen erstellung

Vorbereitung der Verteilung

ARBEITSSCHRITTE FÜR SCHRIFTLICHE BEFRAGUNGEN – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Pretest

Hauptuntersuchung

Auswertung

Präsentation

 3 Marktinformationssysteme

– – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Klare Problemdefinition und Abgrenzung der Aufgabenstellung (Zielsetzungen!) Klärung des zur Verfügung stehenden Budgets, Finanzierungsfragen Vollerhebung oder Teilerhebung? Bestimmung des Adressenpools Literaturanalyse: Nach Fragen und Befunden aus ähnlich gelagerten Studien suchen Offene oder geschlossene, direkte oder indirekte Fragestellungen? Start mit einem Fragen-Brainstorming Grobe Aufteilung in Ober-und Unterfragen, Gliederung der Fragenbereiche Fragenbereiche und Kernfragen mit Experten durchsprechen Sind alle wichtigen Hypothesen (Vermutungen) in Fragen umgesetzt? Liegen „spannende“ Hypothesen vor? Könnten „langweilige“ Ergebnisse drohen? Sind die Fragen sauber voneinander getrennt und angemessen detailliert? Wie sollen die Fragen ausgewertet werden: Niveaus / Konstruktion der Antwortskalen Ist die Reihenfolge der Fragen sinnvoll? Sind geschlossene und offene Fragen gut ausbalanciert? Geht die Abfolge von den einfacheren Fragen zu den schwierigeren? Sind komplizierte Fragen nicht aneinandergekettet? Sind taktische Fragen ergänzt (z.B. Aufwärmfragen, Kontrollfragen, Schlussfrage)? Ist das Fragebogen-Layout ansprechend? Passt es zum Thema? Sind Adressen geklärt, auf Richtigkeit überprüft, evtl. angereichert? Ggf. Adressaten persönlich vorinformieren (nicht bei Massenbefragungen) Ist das Anschreiben an die Befragten ansprechend? Erhalten die Befragten Hintergrundinformationen zum Thema? Ist die Geheimhaltungsfrage (Anonymität) geklärt? Sind Termin und Adressen für Rückantworten bestimmt? Wer zahlt ggf. Rückporto? Ist die Pretest-Gruppe ausgewählt worden und informiert? Ausgewählte Kontrollanrufe bei der Pretest-Gruppe: Wie kommen Umfang, Inhalt und Layout des Fragebogens an? Validitätsprüfung: Wie sind wichtige und vor allem kritische Fragen verstanden worden (Ergebnisspiegelung der Kontrollfragen)? Werden bestimmte Fragen häufig verweigert? Sind überflüssige oder korrelativ verbundene Fragen erkennbar? Erster Test für Auswertungsprogramm und Auswertungsdateistruktur Was ergibt die Probeauswertung: Sind bereits Tendenzen sichtbar? Ist die Rücklaufquote abschätzbar? Welcher Rücklauf ist notwendig? Sind die Adressen endgültig bestimmt und qualifiziert (überprüft)? Welcher Befragungstermin ist sinnvoll (z.B. nicht über Wochenende, Urlaubszeit, Jahresabschlussperiode etc.)? Ist die Rücksendefrist für Fragebögen sinnvoll festgelegt (5 –14 Tage)? Gibt es Anreize zur Antwortgebung (Preisausschreiben, Info-Material)? Ist Post-/ Faxversand kostenmäßig optimiert? Auswertungsdateien sinnvoll anlegen (sinnvoll schon beim Pretest) Auswertungsprogramm und Datenbank aktivieren (z.B. SPSS) Antwortcodierungen vornehmen – Datensicherungen nicht vergessen! Antwortauswertungen und Ergebnisse kontrollieren (Plausibilitäts-Checks) Layout für Präsentation und Grafiken erstellen Ergebnisse zusammenfassen, Antwortstatements vorbereiten Erstellung von Untersuchungsbericht und Präsentation Abschließende Stellungnahme zur zentralen Forschungsaufgabe (-hypothese) Offizielle Veröffentlichung bzw. Übergabe an Auftraggeber, evtl. Presse-Info

Abbildung 3.9: Ablaufschritte einer Befragung.

3.4 Methoden zur Marktdatenauswertung 

 247

Ein spezielles Praxisproblem ist Fragebogenmüdigkeit von Konsumenten oder Firmen. Um das Interesse Befragter an einer Fragebogenerhebung zu steigern, gibt es verschiedene Empfehlungen: – Der Befragte muss zur Antwortgebung motiviert werden. Bei wenig umfangreichen Befragungen sollten der Fragebogen avisiert und die zu Befragenden über den Hintergrund der Untersuchung informiert werden. Auf jeden Fall ist viel Wert auf ein persönliches Anschreiben mit Darstellung der Ziele der Studie und auf fachliche Erläuterungen zum Fragebogen zu legen. Zur Motivation trägt es bei, wenn die Teilnehmer später eine Rückmeldung zu den Befragungsergebnissen erhalten.289 – Es sollte dem Befragten ein (fachliches) Vergnügen bereiten, den Fragebogen auszufüllen. Die Thematik sollte im Fragebogen lebendig zum Ausdruck kommen. – Die Rücklaufquote steht und fällt mit Umfang, Inhalt und Form (Layout) des Fragebogens. Der Fragebogen kann farbige Elemente enthalten und mit Bildern und Grafiken angereichert sein. Auf jeden Fall soll er übersichtlich anmuten und möglichst nicht mehr als 2 Seiten umfassen.

3.4.2 Auswahl der Befragten Die Auswahl der Befragten sorgt für eine hohe Qualität in der Befragung. Die verschiedenen Auswahlverfahren werden in Abbildung 3.10 unterschieden. Vollerhebungen Eine Grundgesamtheit, z. B. die Gruppe der Automobilhersteller, weist bestimmte Eigenschaften auf. Eine Marktuntersuchung soll diese Eigenschaften (Merkmalsausprägungen) repräsentativ erfassen. Erfüllt wird diese Forderung bei Vollerhebung aller Untersuchungseinheiten; Validität und Reliabilität im Erhebungsverfahren vorausgesetzt. Aus Kosten-, Zeit- und Organisationsgründen sind Vollerhebungen nur bei überschaubaren Grundgesamtheiten, z. B. in stark fragmentierten Märkten (Nischenmärkte, Oligopole) sinnvoll. Bei großen Grundgesamtheiten gelingt es der Marktforschungspraxis auch im Wege der Teilerhebungen, die Merkmalsausprägungen der Grundgesamtheit repräsentativ zu

289 Andernfalls erhebt die Praxis den Vorwurf einer „Informationsverschmutzung“.

248 

 3 Marktinformationssysteme

GRUNDGESAMTHEIT

Volllerhebung

Teilerhebung

bewusste Auswahl – willkürliche Auswahl – Konzentrationsverfahren – Quotenverfahren

Zufallsauswahl – einfache Stichprobe – geschichtete Stichprobe – Klumpenauswahl – mehrstufige Stichprobe

Abbildung 3.10: Auswahlverfahren für eine Primärerhebung.

erfassen. Deshalb stützen sich insbesondere Konsumentenbefragungen erfolgreich auf Teilerhebungen. Teilerhebungen: Teilerhebungen beschränken sich auf eine Auswahl der Grundgesamtheit (Stichprobe).290 Die Stichprobenauswahl soll zu einem verkleinerten Abbild der Grundgesamtheit führen, sie repräsentativ abbilden. Dazu müsste jede Untersuchungseinheit die gleiche Chance haben, in der Befragung berücksichtigt zu werden. Dies ist nicht gewährleistet, wenn bewusst nicht nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wird. Willkürliche Auswahl Eine bewusste Auswahl kann willkürlich aufs „Geratewohl“ erfolgen, meist nach Verfügbarkeit der Informanten. Die Repräsentanz kann nicht gesichert und vor allem nicht überprüft werden. Dennoch bietet sich diese schnelle und kostengünstige Vorgehensweise für explorative Studien an. Marktforscher suchen einen Einstieg in eine neue Materie. Sie eruieren Ausgangshypothesen, d. h. Vermutungen, warum in der

290 Vgl. zu den Grundformen der Auswahlverfahren die übersichtliche Darstellung bei Koch, (Marktforschung), 2021, S. 27 ff.

3.4 Methoden zur Marktdatenauswertung 

 249

Praxis bestimmte Probleme oder Wirkungen auftreten. Eine willkürliche Auswahl ist auch typisch für Pilotstudien. Man befragt ausgesuchte und erreichbare Experten. Nach der empirischen Theorie der Unternehmung291 ist eine willkürliche Auswahl durchaus zulässig, um bestehende Behauptungen über die Realität (Hypothesen) einem Falsifikationsversuch (Widerlegung einer Hypothese) auszusetzen. Eine Widerlegung, und selbst wenn der Befragte willkürlich gewählt wurde, bringt eine Hypothese (zu einer Gesetzmäßigkeit) zu Fall (Prinzip der strengen Falsifikation). Konzentrationsverfahren Die genannten Einschränkungen gelten ebenso für das Konzentrationsverfahren. Hier spielt jedoch eine Repräsentanzüberlegung eine besondere Rolle. Das Verfahren konzentriert sich von Anfang an auf Erhebungseinheiten, von denen der Marktforscher weiß, dass sie eine dominierende Bedeutung für die Grundgesamtheit bzw. für die Ergebnisse der Studie haben. Halten z. B. in einem Marktsegment 3 von 20 Wettbewerbern 80% des Marktanteils, dann kann man davon ausgehen, Markttendenzen bereits mit einer Befragung dieser drei führenden Anbieter repräsentativ zu erfassen. Durch das Weglassen der mittleren und kleineren Mitbewerber können natürlich wichtige Meinungsströmungen übersehen werden. Quotenverfahren Das Quotenverfahren beruht auf der Annahme, dass bekannte Grundmerkmale der Befragten (z. B. Geschlecht, Ausbildung, Einkommen, Wohnregion etc.) die Merkmalsausprägungen der Untersuchungsvariablen bestimmen. Eine Stichprobe wird nun so konstruiert, dass die Stichprobenverteilung der Grundmerkmale der Verteilung in der Grundgesamtheit (sofern bekannt) entspricht. Wenn man weiß, dass bei einem Bundesliga-Fußballspiel 55% männliche Zuschauer ins Stadion gehen, dann sollte eine 100er Stichprobe für eine Zufriedenheitsuntersuchung auch 55 männliche Fußballfans beinhalten. Unter Bezug auf dieses Merkmalspiegelbild wird oft pragmatisch von einer repräsentativen Untersuchung gesprochen. Das ist jedoch nur zulässig, wenn ein signifikanter Zusammenhang zwischen den Grundmerkmalen und der Ausprägung der Untersuchungsvariablen nachgewiesen ist.

291 Vgl. die Übersicht über die Forschungsansätze bei Hauschildt, Grün, (Ergebnisse), 1993.

250 

 3 Marktinformationssysteme

Ist das nicht der Fall, dann wird der gesamte Ansatz hypothetisch. Ein statistischer Fehler kann nicht berechnet werden. Das Verfahren ist jedoch flexibel und kostengünstig. Marktforschungsinstitute verweisen auf gute Erfahrungen mit der Repräsentanzkraft vorbestimmter Grundmerkmale wie Geschlecht, Alter oder Ausbildungsstand. Deshalb ist dieses Auswahlverfahren in der Praxis weit verbreitet; insbesondere für Ad-hoc-Konsumbefragungen, für Panelbefragungen oder für die Erhebung politischer Einstellungen. Es sind durchaus befriedigende Ergebnisse zu erwarten.292 Einfaches Stichprobenverfahren Die klassische Vorgehensweise entspricht einer Urnenziehung293 mit bekannter Grundgesamtheit. Typische Fragestellungen für Stichprobenuntersuchungen sind z. B.: Betrachtet werden Vertriebsleiter in Deutschland mit einer Umsatzverantwortung zwischen 10 und 50 Mio. Euro p. a. Wie hoch ist deren durchschnittliches Gesamtjahreseinkommen? Da es nicht möglich ist, alle Einheiten der Grundgesamtheit (=alle Vertriebsleiter in Deutschland) zu befragen, werden nach dem Zufallsprinzip294 (Prinzip der Wahrscheinlichkeitsauswahl) Stichproben gebildet. Die Untersuchungseinheiten werden gezogen. Dies erfolgt bei kleinen Grundgesamtheiten durch Auszählen, bei großen computergestützt mit Hilfe von Zufallsgeneratoren. Von den Werten der Stichprobe soll dann auf den wahren Wert der Grundgesamtheit geschlossen werden. Der Fachbegriff lautet Repräsentationsschluss.295 Die Stichprobe repräsentiert die Grundgesamtheit. Für jede Stichprobe ergeben sich Mittelwerte; für das Beispiel z. B. ein Jahreseinkommen von 90 TEUR als Durchschnitt bei 100 Befragten). Es wäre reiner Zufall, wenn dieser eine Stichprobenwert mit dem wahren Wert der Grundgesamtheit übereinstimmen würde. Was geschieht, wenn jetzt mehrfach Stichproben gebildet (im Prinzip sogar unendlich viele) und die Mittelwerte grafisch abgebildet werden. Dann kommen einige Mittelwerte sehr selten vor (z. B. Jahreseinkommen 1

292 Vgl. Bleymüller, (Statistik), 2012, S. 71–76. 293 Aus einer Urne werden nach dem Zufallsprinzip x Kugeln gezogen. 294 Auch Prinzip der Wahrscheinlichkeitsauswahl, wobei jedes Element die gleiche Chance hat, in die Auswahl zu kommen: vgl. auch im folgenden Bleymüller; Gehlert; Gülicher, (Statistik), 2008, S.  37 ff; Friedrichs, (empirische Sozialforschung), 1973, S. 135–143. 295 Vgl. Hünerberg, (Marketing), 1984, S. 118. Der umgekehrte Weg ist der Inklusionsschluss, bei dem Stichprobenwerte für eine bekannte Grundgesamtheit vorausgesagt werden.

3.4 Methoden zur Marktdatenauswertung 

 251

Mio. Euro. Andere Mittelwerte würden sich in einem engeren Bereich häufen. Je mehr Stichproben gezogen werden, desto enger schmiegen sich Stichprobenwerte um wahre Mittelwerte an, werden von ihm „eingefangen“. Dies ist der Denkansatz unendlich vieler Zufallsstichproben. Ein anderer Weg wäre die Vergrößerung der Stichprobe. Dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Stichprobenwert den wahren Wert der Grundgesamtheit repräsentiert. Und wenn alle Einheiten der Grundgesamtheit ausgewählt werden (z. B. Vollerhebung bei Vertriebsleitern einer kleinen technischen Marktnische mit nur 10 Herstellern), dann gewinnt man logischerweise mit 100% Sicherheit den zu suchenden (zu schätzenden) Wert der Grundgesamtheit. Alle Stichprobenansätze zielen auf Satzkonstruktionen der folgenden Art: (1) Mit einer Sicherheit von 1-a % kann gesagt werden, dass der wahre Mittelwert der Grundgesamtheit in einem bestimmten Intervall – im Konfidenzintervall oder Vertrauensintervall – von Stichprobenmittelwerten liegt. (2) Es bleibt eine Irrtumswahrscheinlichkeit von a %, dass der gesuchte Wert außerhalb dieses Intervalls liegt. Es soll nun ein solches Intervall (= Vertrauensbereich, Konfidenzintervall) für eine Verteilung von Stichprobenmittelwerten bestimmt werden, in dem man den unbekannten, wahren Mittelwert μ der Grundgesamtheit mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit (1 – α) (= Konfidenzniveau, Sicherheitsgrad, Konfidenzzahl) „einfängt“.296 Dazu müssen in Bezug auf die Verteilung der Grundgesamtheit zwei grundsätzliche Fälle unterschieden werden: Fall 1: Normalverteilte Grundgesamtheit In diesem Fall folgt die Verteilung der Stichprobenmittelwerte einer Normalverteilung. Mit Hilfe der Formeln ,  oder  (aus Abbildung 3.12) kann man die Grenzen für das Konfidenzintervall in Abhängigkeit von Standardabweichung, Stichprobenumfang und Sicherheitsgrad bestimmen. Ist σx unbekannt, muss man auf die Standardabweichung S in der Stichprobe (vgl. Formel ) als erwartungstreuen Schätzer für σx zurückgreifen.

296 „Einfangen“ veranschaulicht recht plastisch die Intervallbestimmung: vgl. hierzu Puhani, (Statistik), 2008, S. 175 ff., vgl. insbesondere zu den Formeln: Gumbsheimer, (Betriebsstatistik), 2008.

252 

 3 Marktinformationssysteme

Das folgende Beispiel bezieht sich auf eine normalverteilte Grundgesamtheit mit bekannter Standardabweichung. Bestimmung eines Konfidenzintervalls: Es soll die Zeit geschätzt werden, in der sich Kunden im Ausstellungsraum eines BMW – Händlers aufhalten. Es werden 100 Besucher (Stichprobe) beobachtet, für die eine durchschnittliche Verweilzeit von 40 Minuten gemessen wurde. Aus ähnlichen Untersuchungen ist für σx ein Wert von 11 Minuten bekannt. Gesucht ist die zu erwartende durchschnittliche Verweilzeit in diesem Ausstellungsraum mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% (Konfidenzniveau 95%).

Aufgrund dieses Ergebnisses kann der BMW-Händler nun mit 95 % Sicherheit (also hoher Sicherheit) feststellen, dass sich seine Interessenten mit einer Dauer von 40±2,156 Minuten in seiner Niederlassung aufhalten werden. Überlegungen dieser Art sind für den Händler interessant, um statistisch gesicherte Aussagen über Größe und zeitliche Belastung seines Verkaufspersonals zu treffen. Mit Hilfe der Marktforschung werden derart kritische Sachverhalte nicht durch persönliche Eindrücke, sondern statistisch überprüft und damit auf haltbare Fakten gestützt. Exkurs: Normalverteilung Die Normalverteilung ist für die Praxis von hoher Bedeutung, da viele Verteilungen von Zufallsvariablen (zumindest annäherungsweise) der Form einer Normalverteilung entsprechen. Sie ist auch unter dem Namen Gauß’sche Normalverteilung bekannt. Wie in der Abbildung  3.11 ersichtlich, verläuft die Dichtefunktion der Normalverteilung symmetrisch, nähert sich asymptotisch der x-Achse und hat ein Maximum bei x = μ. Je kleiner der Streuungsparameter σ ist, desto höher ist das Niveau des Hochpunkts (Maximum). Die Gesamtfläche zwischen der Verteilung und der x-Achse ist gleich 1. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine normalverteilte Zufallsvariable einen Wert im Intervall von μ ± σ bzw. μ ± 2σ bzw. μ ± 3σ annimmt, beträgt 68,3% bzw. 95,5% bzw. 99,7%. Eine Parallelverschiebung entlang der x-Achse wird durch eine Veränderung des Lageparameters μ erreicht. Die Wendepunkte der Funktion liegen bei x= μ ± σ. Eine Normalverteilung mit den Parametern μ = 0 und μ = 1 nennt man Standardnormalverteilung. Jede spezifische Normalverteilung lässt sich in eine Standard-Normalverteilung transformieren.

3.4 Methoden zur Marktdatenauswertung 

 253

0.4 0.35 0.3 0.25 0.2 0.15 0.1 0.05 0 –3

–2

–1

0

1

2

3

68,3% 95,5% 99,7%

Abbildung 3.11: Gauß‘sche Normalverteilung.

Fall 2: Beliebig verteilte Grundgesamtheit Unabhängig von der Verteilung in der Grundgesamtheit lässt sich bei einer hinreichend großen Stichprobenanzahl (Faustregel: n > 40) annehmen, dass die Verteilung der Stichprobenmittelwerte einer Normalverteilung folgt (man spricht vom zentralen Grenzwertsatz297). Mit Hilfe der Formeln  bzw.  werden dann die Grenzen des Konfidenzintervalls berechnet. Die Bestimmung eines optimalen Stichprobenumfangs (Anzahl von Befragten oder Untersuchungsobjekten) berechnet sich nach den Formeln ,  bzw. . d ist dabei die Breite des Konfidenzintervalls. Die Übersicht zu den Formeln ist in Abbildung 3.12 zu finden. Beispiel: für die Bestimmung eines Stichprobenumfangs: Die Firma Förstina Sprudel füllt Apfelsaft ab. Die Abfüllmenge der Saftflaschen ist aufgrund technischer Gegebenheiten normalverteilt. Das Qualitätsmanagement fordert nun für die Überprüfung der Abfüllprozesse ein Konfidenzintervall, das nicht größer als 0,01L ist, bezogen auf eine mittlere Abfüllmenge auf einem Konfidenzniveau von 95%. σ beträgt 0,03l. Gesucht ist der hierzu nötige Stichprobenumfang:

297 Vgl. zum zentralen Grenzwertsatz: Bleymüller, (Statistik), 2012, S. 78.

254 

 3 Marktinformationssysteme

Eine Stichprobe muss mindestens 139 Einheiten umfassen, um die Anforderungen des Qualitätswesens zu erfüllen. Formelübersicht X i normalverteilt Voraussetzungen Standardabweichung Stichprobenumfang

σx σx

bekannt

n beliebig

unbekannt

n beliebig (n ≤ 40)

(S ist erwartungstreuer

σ x)

Schätzer für

Grenzen des Konfidenzintervalls ①x±

σx

unbekannt

z

④x±

z

1−

S



α

S



α

③x±

⑤x±

n > 40

σ x)

Schätzer für

σx n



n

n

2

Grenzen des Konfidenzintervalls

n > 40

(S ist erwartungstreuer

α 2

1 − ; n−1 2

n > 40

bekannt

1−

②x± t

X i beliebig verteilt Voraussetzungen Standardabweichung Stichprobenumfang

σx

z

1−

z

1−

α 2 α

σx n



S



n

2

Schätzer für die Standardabweichung in der Grundgesamtheit ⑥S =

⑦n≥

2σ ⋅ z

1−

d

1 n ∑ ( xi − x) 2 n − 1 i =1

Formeln für den Stichprobenumfang α

2

2

⑧n ≥

2S ⋅ t

α

2

1 − , n−1 2

d

⑨n

2

2S ⋅ z

1−

d

2

Abbildung 3.12: Formelübersicht bei Normalverteilung.

Geschichtete Stichprobe Beim geschichteten Stichprobenverfahren wird eine heterogene Grundgesamtheit in homogene Teilgesamtheiten aufgespalten. Bei einer Untersuchung des Zeitschriften-Leseverhaltens würde man Befragte nach ihrer Berufsausbildung schichten. Aus den Schichten werden dann Zufallsstichproben entnommen. Die Vorgehensweise ähnelt dem Quotenverfahren, bei dem die Teilstichproben allerdings willkürlich kons-

3.4 Methoden zur Marktdatenauswertung 

 255

truiert werden. Durch die Schichtung wird der durch Heterogenität der Grundgesamtheit auftretende Zufallsfehler erheblich reduziert. Klumpenauswahl Werden beim geschichteten Stichprobenverfahren Befragungseinheiten aus allen Schichten gezogen, so werden bei der Klumpenauswahl nach dem Zufallsprinzip Konsumenten zu Klumpen zusammengefasst und nur bestimmte Klumpen ausgewählt. Die nicht gewählten Klumpen bleiben unberücksichtigt. Nach Auswahl eines Klumpens haben folglich nicht mehr alle Untersuchungseinheiten eine Chance, in der Erhebung berücksichtigt zu werden. Insbesondere bei großer räumlicher Ausdehnung der Grundgesamtheit bringt das Verfahren wirtschaftliche Vorteile. Die Marktforscher können z. B. aus Städten, Stadtteilen oder Wohnanlagen räumliche Klumpen bilden. Die Gefahr liegt in einem Klumpungseffekt. Es kann sein, dass die Klumpen in sich zwar hoch homogen sind, die ausgewählten Klumpen jedoch im Vergleich zur Merkmalsverteilung in der Grundgesamtheit stark abweichen. Diese Gefahr wird deutlich, wenn sich eine Haushaltsuntersuchung auf Wohnanlagen konzentriert, ländliche Wohngebietsklumpen jedoch nicht in die Auswahl kommen. Mehrstufige Stichprobe Die mehrstufige Auswahl verdichtet umfangreiche Grundgesamtheiten, indem mehrfach Zufallsauswahlen aus immer kleineren Teilmengen vorgenommen werden. So können bei einer Bevölkerungsbefragung auf oberster Ebene Bundesländer zufällig ausgewählt werden, dann auf nächsttieferer Ebene Regionen, dann aus den Regionen Postleitzahlgebiete und auf unterster Ebene Straßenzüge. Erst auf dieser letzten Ebene werden Befragte zufällig ausgewählt. Während beim Klumpenverfahren die Frage der Zusammensetzung der Klumpen (Ziel ist die homogene Klumpenbildung) von Anfang an eine Rolle spielt, ist die Zusammensetzung der Teilstichproben (Auswahl der Klumpen) bei der mehrstufigen Auswahl erst auf der untersten Ebene relevant. Die Einhaltung des Zufallsprinzips ist im Sinne einer methodisch korrekten Wissensgewinnung ein relevantes Ziel. Ausreichend Zeit, Ressourcen und Kenntnis der Grundgesamtheit sind Voraussetzung. Die Praxis geht oft pragmatisch vor und weicht auf Quoten- oder Konzentrationsverfahren aus. Bei Zufallsauswahlen besitzen das geschichtete Stichprobenverfahren und das Klumpenverfahren eine besondere

256 

 3 Marktinformationssysteme

Bedeutung. Bei Befragungen mit kleinem Budget298 kann man mehr Mut zu einer pragmatischen Vorgehensweise zeigen. Im Sinne einer wissenschaftlichen Redlichkeit sollte der Marktforscher aber in jedem Fall seine Vorgehensweise offenlegen und einen Nachweis über seine Erhebungsdaten führen.

3.4.3 Fragenaufbau und Fragetechnik Die Qualität einer Erhebung hängt davon ab, ob der Themensteller die relevanten Einflussgrößen zur Erfassung und Erklärung des zu untersuchenden Sachverhaltes (Hypothesen) erkennt und in verständliche und auswertbare Erhebungsfragen umsetzt.299 Fragen operationalisieren den zu untersuchenden Sachverhalt. Sie müssen Dinge messbar machen, die direkt nicht messbar sind (z. B. Grad der Kundenzufriedenheit oder Kundenbindung). Dieser Vorgang im Vorfeld der Fragengenerierung wird Operationalisierung genannt. Mit Hilfe der Fragetechnik können Art und Aufbau der Fragen optimal auf das Thema und die Befragten hin abgestimmt werden. Dies gilt bedingt auch für unpersönliche Befragung. Die wichtigsten Fragearten sind: (1) die schriftliche, die mündliche und die online gestellte Frage, (2) geschlossene300 (Antwortkategorien sind vorgegeben) und offene (keine Antwortmöglichkeiten (Was halten Sie von ...) Frage, (3) die subjektive Frage (erfragt Meinungen, Gefühle) und die objek­ tive Frage (erfragt nachprüfbare Sachverhalte, z. B. Höhe des Einkommens), (4) die direkte (Haben Sie...) und die indirekte (Können Sie sich vorstellen, dass andere…) Frage, (5) die harte (Nehmen Sie Drogen?) und die weiche (Was halten Sie von „gewissen anregenden Mitteln“ vor Klausuren?) Frage.

298 Vorsicht ist dann natürlich bei Hypothesenprüfungen geboten. 299 Der Themensteller muss also theoretische Überlegungen an den Anfang seiner Studie stellen: „Empirische betriebswirtschaftliche Forschung nimmt stets von einer empirischen Theorie ihren Ausgang.“: Witte, (empirische Forschung), in: HdB, 1974, Spalte 1270. 300 Geschlossene Fragen können in folgenden Formen gestellt werden: (1) Ja-Nein Alternativen, (2) Auswahl aus mehreren Alternativen, (3) Bildung von Rangordnungen, (4) Benotung auf Einschätzungsskalen: s. auch den Gliederungspunkt f. zur Skalierungstechnik. Zu Form und Art von Fragen vgl. Atteslander, (empirische Sozialforschung), 2010, S. 146–157.

3.4 Methoden zur Marktdatenauswertung 

 257

Verschiedene Fragentypen kommen im strukturierten Aufbau eines Fragebogens zusammen: (1) Aufwärmfragen, Kontakt-, Eisbrecherfragen: wecken am Anfang des Interviews Interesse, (2) Fragen zur Person, zur Unternehmung: Generierung von Stammdaten, ermöglichen Zuordnung des Befragten, (3) Einführungs-, Hinführungsfragen: leiten zum Themenkern hin, stimmen den Befragten ein, (4) Kernfragen, Sachfragen: behandeln die Hauptthematik, (5) Motivationsfragen, Erholungsfragen: sollen „Durchhänger“ vermeiden, sorgen für Abwechslung, (6) Kontrollfragen: sollen Validitätsüberprüfung ermöglichen. Neben Art, Aufbau und taktischer Präsentation der Erhebungsfragen haben Vertrauenswürdigkeit, Kompetenz und auch die Empathie des Interviewers entscheidenden Einfluss auf den Erfolg einer Marktstudie. Es gehört verkäuferisches Talent dazu, Befragte für Themenstellung und Untersuchungsfragen zu interessieren.

3.4.4 Antworterfassung – Skalierungsverfahren Skalenniveaus Die Antworterfassung erfolgt auf Skalen. Skalen sind Messinstrumente zur Erfassung von Antworten, die auf einem Skalenkontinuum numerisch codiert werden.301 Skalierungsverfahren schaffen Maßstäbe, die eine Wertezuordnung zu den in der Untersuchung erhobenen Ausprägungen von Variablen erlauben. Aufgrund von mathematischen Eigenschaften gibt es vier grundlegende Skalentypen. Diese ermöglichen unterschiedliche statistische Berechnungen: (1) Nominalskalen erlauben nur Zuordnungen (trifft zu/trifft nicht zu, männlich oder weiblich, ja/nein/weiß nicht). Die Ausprägungen müssen sich logisch ausschließen. Für die Antwortkategorien können absolute und relative Häufigkeiten gebildet werden. Die wichtigsten Testverfahren sind der Chi2-Test und die Kontingenzanalyse. Praxisbeispiel: Wahlergebnis-Voraussage.

301 Vgl.  zu Skalen und Skalierungsverfahren die übersichtlichen Zusammenfassungen bei Koch, (Marktforschung), 2021, 59 ff; Kreis et al., (Marktforschung), 2021, S. 234 ff; Weis, Steinmetz, (Marktforschung), 2012, S. 151–158.

Wer fragt, der führt.

258 

 3 Marktinformationssysteme

(2) Ordinalskalen geben Rangeinstufungen ohne Bewertungen wieder, z. B. die Rangfolge der bei Autofahrern beliebtesten PKW-Marken. Über Präferenzabstände kann nichts gesagt werden. Berechnen lassen sich Mediane, Quartile und Rangkorrelationen. Praxisbeispiel: Geschmackstest von Tafelschokoladen. (3) Intervallskalen gehen über Rangnennungen hinaus und bewerten Sachverhalte nach Skalenpunkten. Sie haben keinen absoluten (natürlichen) Nullpunkt. Beispiele sind Kundenzufriedenheitswerte, Zustimmungsgrade zu Werbeaussagen, von Käufern empfundene Produktattraktivitäten etc. Die Skalenwerte geben Einschätzungen/ Beurteilungen der Befragten wieder. Man spricht auch von Rating­ oder Einstellungsskalen. Werden die Skalenpunkte nicht im Rahmen der o.a. Skalierungsverfahren großzahlig geeicht, dann sind die Abstände zwischen den Skalenpunkten praktisch willkürlich gesetzt. Regression und Korrelation, t-Test, F-Test, Produkt-Moment-Korrelation sowie das Bündel der multivariaten Verfahren (Varianzanalyse, Diskriminanzanalyse, Clusteranalyse, Faktorenanalyse) ermöglichen vielfältige Auswertungen und Tests für das Erhebungsmaterial. Praxisbeispiel: Kundenzufriedenheitsanalyse. (4) Rationalskalen/Verhältnisskalen verfügen über einen natürlichen Nullpunkt. Die Abstände zwischen den Skalenpunkten sind gleich. Beispiele für Rationalskalen sind die Maßeinheiten Alter, Gewicht, Einkommen, Zahl der unterstellten Mitarbeiter, Lieferverzögerungen in Tagen. Bei dieser mathematisch „vollkommensten“ Skalenform sind alle statistischen Verfahren anwendbar. Sind die Skalenniveaus (Messniveaus) bestimmt, dann sind die für die Erhebungsfragen auswertungsfähige Antwortskalen zu erarbeiten. Ordinalskalen/Rangreihenskalen (Bildung von Rangfolgen) Rangreihenskalen sind für Befragte interessant. Wegen ihres spielerischen Charakters bei der Anwendung ist den Befragten oft nicht bewusst, dass ihre Antworten codiert werden. Fünf Arten zur Bildung von Rangreihenskalen bestehen: (1) Rangplatzmethode bei vorgegeben Items (Praxisbeispiel: Vergabe einer Präferenzreihenfolge für die Tafelschokoladen), (2) Auswahl-Methode (Praxisbeispiel: die Top3-Schokoladesorten der Weinprobe), (3) Rangeintrag-Methode (Praxisbeispiel: Vergabe von Platzierungen bei dem Geschmackstest), (4) Offene Item Methode (Praxisbeispiel: offene Befra-

3.4 Methoden zur Marktdatenauswertung 

 259

gung nach der Geschmacksprobe), (5) OIM + Präferenzmethode (Praxisbeispiel: welche Reihenfolge wird den Tafelschokoladen zugeordnet). Die Rangabstände zwischen den Items sind zahlenmäßig nicht zu fassen. Man weiß nicht, wie hoch der Vorsprung der beliebtesten Tafelschokolade gegenüber dem oder den Nachplatzierten ausfällt. Das gilt für jede Position in der Präferenzfolge. Naheliegend sind Berechnungen von durchschnittlichen Rangplätzen und Häufigkeiten von Rangplätzen (Bsp.: Wie oft liegt eine Tafelschokolade auf Platz 1?). Werden Befragte dann nach Gruppen segmentiert, dann lassen sich Nullhypothesen-Tests für diese Gruppen durchführen. Haben z. B. 100 Schokoladenfans und 100 Schokoladenskeptiker 8 Tafelschokoladen-Marken in eine Präferenzfolge gebracht, dann lässt sich testen, ob zwischen den Rangfolgen der Befragten-Gruppen ein signifikanter Unterschied besteht (oder ob die Rangabweichungen der Gruppen als zufällig anzusehen sind). Die klassische Experimentalsituation liegt vor, wenn eine Gruppe einem Reiz zusätzlichen ausgesetzt wird: je 100 Schokoladenfans (homogene Gruppen) erstellen ihre Präferenzordnungen für die Schokoladenmarken. Dabei kann eine Gruppe in angenehmer, luxuriöser Atmosphäre auswählen, die andere Gruppe unter Stress. Frage: Übt die Kaufatmosphäre einen signifikanten Einfluss auf die Rangfolge der Bewertungen aus? Intervallskalen/Ratingskalen (Messung von Einstellungen) Ratingskalen sind Beurteilungs- bzw. Einschätzungskontinua. Sie haben größte Bedeutung für die empirische Sozialforschung, weil man mit ihnen zu messen versucht, was eigentlich einer zahlenmäßigen Erfassung nicht zugänglich ist. Auf einem Gegensatzkontinuum zwischen plus oder minus, gut oder schlecht, modern oder alt etc. gibt der Befragte seine Beurteilung zu der Fragestellung ab. Er positioniert sich mit seiner Einstellung auf einer Beurteilungsskala. Mathematisch ist kein (natürlicher) Nullpunkt definiert. Die Gleichheit der Beurteilungsintervalle lässt sich nur beweisen, wenn die Skala selbst vorher zum Gegenstand eines Skalenkonstruktionsprogramms (einer Skalierungstechnik) wird, bevor dann diese geeichte Skala als Messinstrument den Befragten vorgelegt wird.302

302 Das ist die eigentliche Skalierungstechnik. „Durchkonstruierte“, statistisch gesicherte Skalen sind z. B. die Guttmann-Skala oder die Likert-Skala in der Sozialforschung. Werden Skalen pragmatisch erstellt – und das ist in der praktischen Marktforschung die Regel – dann werden Beurteilungen der Befragten mathematischen Operationen unterzogen, die formal zumindest fragwürdig sind. Das lässt sich am

260 

 3 Marktinformationssysteme

In der Marktforschung und speziell bei der Konstruktion von Ratingskalen spielt der Begriff Item eine große Rolle. Unter einem Item versteht man den konkreten Gegenstand oder den Begriff, den der Befragte auf einer Skala bewerten oder im Fall einer Ordinalskala in eine Reihenfolge bringen soll. Dieses Item muss den übergeordneten Sachverhalt repräsentieren, den die Frage treffen soll. Der Sachverhalt wiederum muss in Relation zu der hinter der Frage liegenden Hypothese stehen. Das Problem für Marktforschung liegt darin, dass ein bestimmter Sachverhalt (bspw. Umweltbewusstsein) durch eine Vielzahl von Items erfasst werden kann. Eine Skalenkonstruktion beginnt also mit der Definition des zu der Hypothese passenden Attributes (bspw. Autofahrverhalten als Ausdruck des Umweltbewusstseins) und dann mit der Sammlung möglicher Items (Einstellungen des Befragten zur Geschwindigkeitsbeschränkung, zum Fahrradfahren, Fußgänger, autofreie Zonen etc.). Im letzten Schritt muss eine Auswahl der am besten geeigneten Items erfolgen. Verschiedene Ratingskalen und die jeweilige Zusammensetzung werden in Abbildung 3.13 thematisiert. Die Marktforschungspraxis geht großzügiger mit Ratingskalen um. Die statistischen Auswertungen behandeln sie als Skalen mit gleichen Intervallen und mit (echtem?) Nullpunkt. Sie werden zu Quasi-Verhältnisskalen mit uneingeschränkten Auswertungsmöglichkeiten. Verschiedene Aspekte sind bei der Bildung von Ratingskalen zu berücksichtigen. Die Beurteilungsfrage oder Einschätzungsfrage verlangt vom Befragten, Eigenschaften oder Sachverhalte zu bewerten. Der Befragte vermerkt seine Einschätzung auf der Antwortskala. Eine spezielle Form ist die Zustimmungsfrage, die den Befragten mit einem Statement konfrontiert (einer geschlossenen Aussage). Auf der Skala kreuzt er den Grad seiner Zustimmung zu der Aussage an. Interessant sind Punktverteilungsfragen, bei denen der Befragte eine vorgegebene Zahl von Bewertungspunkten auf meist ebenfalls vorgegebene Items verteilen muss. Die Punktverteilungsfrage (oder Konstantsummenfrage) findet bei Praxisbefragungen großen Anklang.303 Die Methode führt zu einer standardisierten Verhältnisskala, da alle Befragten die gleiche Punktzahl verteilen.

Beispiel der „Schulnotenskala“ gut zeigen: Ist ein mit gut bewerteter Deutschaufsatz wirklich als gute Leistung zu bewerten, wenn es z. B. nur die Skalenstufen sehr gut gut - schwach -sehr schwach gibt? Vgl. zu den konstruierten, statistisch gesicherten Skalen: Koch, (Marktforschung), 2021, S. 62. 303 Sie wird auch als Skala der konstanten Summenbildung (Konstantsummmenskala) bezeichnet: vgl. Green; Tull, (Marktetingforschung), 1982, S. 165–166.

 261

3.4 Methoden zur Marktdatenauswertung 

DER AUFBAU VON RATINGSKALEN RATINGSKALEN LASSEN SICH UNTERSCHEIDEN NACH ART DER FRAGE

Beurteilungsfrage

Zustimmungsfrage

Punktverteilungsfrage

DARSTELLUNG SKALENPUNKTE

numerisch

verbal

animiert

SKALENMITTELPUNKT

gerade Stufung

ungerade Stufung

SKALENKONTINUUM

dichotom: ja / nein

POLARITÄT

unipolar

bipolar / alternativ

ANIMATION

JA

NEIN

1.) DIE BEURTEILUNGSFRAGE

5, 6 (Schulnotenskala), 7, 9, 10

Die Beratung durch die Microsoft-Hotline fand ich: sehr schlecht

ungerade 5er-Skala, bipolar und verbal

schlecht

gerade 4er-Skala, bipolar und verbal

schlecht

mittel

eher schlecht

sehr gut

gut

eher gut

gut

ungerade 7er-Skala, bipolar und numerisch

–3

–2

–1

0

1

ungerade 5er-Skala, bipolar und animiert

––



–/ +

+

++

1

2

3

4

5

ungerade 7er-Skal, unipolar und numerisch

2.) DIE ZUSTIMMUNGSFRAGE

2

3

6

7

Die Beratung durch den Fachverkäufer war hochkompetent Wie stark dieser Aussage zu?zu? Wie starkstimmen stimmenSie Sie dieser Aussage

ungerade 7er-Skala, unipolar und numerisch ungerade 5er-Skala, bipolar und animiert

1

nicht

gut

gerade 4er-Skala, unipolar und verbal

2

etwas gut

3

4

recht gut

5

6

sehr gut

3.) PUNKTVERTEILUNGSFRAGE:

Welche Produkteigenschaften sind Ihnen bei einem Hemd sehr wichtig? Verteilen Sie bitte 10 Punkte beliebig auf folgende Eigenschaften: modische Linie Markenname Material Verarbeitung Farbe Preis

Punkte: Punkte: Punkte: Punkte: Punkte: Punkte:

Summe: 10

Abbildung 3.13: Aufbau von Ratingskalen.

Der erste Punkt in Abbildung  3.13 enthält Beispiele für verbale, numerische und animierte Bezeichnungen für die Skalenstufen bereit. Jede Skala muss Bezeichnungen für Skalenabschnitte aufweisen, damit der Befragte seine Antwort einem Skalenabschnitt eindeutig zuordnen kann.

7

262 

 3 Marktinformationssysteme

Für jede verbale Skala muss ferner ein Zahlenschema für die Auswertung (Codierung) vorbereitet sein. Die sechsstufige Schulnotenskala mit den Noten sehr gut (1) bis ungenügend (6) wird gerne für Konsumentenbefragungen gewählt. Bei ihr wirkt sich ein Fehler der Zentraltendenz304 verstärkt aus: Befragte neigen generell zu neutralen, mittleren Bewertungsnoten. Sie scheuen Extremurteile. Die Noten 1 und 6 werden daher erfahrungsgemäß selten vergeben. Für die Auswertung werden Schulskalen oft umcodiert (d. h. 1 = ungenügend, 6 = sehr gut). Denn bei Ergebnispräsentationen assoziieren die Befragten höhere Punktzahlen auch mit besseren Gesamturteilen. Animierte Skalen spielen im professionellen Bereich keine besondere Rolle. Man findet sie eher bei einfachen Kundenzufriedenheitsbefragungen in Hotels oder Handelsgeschäften, meist in Form von Smileys305:   . Bedeutend für den Skalenaufbau ist die Entscheidung für oder gegen einen neutralen Antwortbereich bzw. die Bestimmung eines Skalenmittelpunktes. Bei der Kauf-Zustimmungsfrage der Abbildung 3.13 kann der Befragte durch das Mittelintervall in eine neutrale Wertung flüchten. Wie die Erfahrung zeigt, neigen Befragte gerade unter Befragungsstress zur Abgabe neutraler Urteile, die dann für den Untersuchungszweck wenig bringen. Dagegen zwingen geradzahlig gestufte Skalen den Befragten zu einer Tendenzaussage, selbst wenn z. B. auf einer 1-10er Skala die mittleren Werte 5 und 6 mit mittel/neutral überschrieben sind. Der Befragte meint, eine neutrale Wertung abzugeben. Seine Urteilswaagschale muss sich jedoch eindeutig einer Wertungsseite zuneigen. Gute Erfahrungen liegen auch für die 0 bis 10-Skala vor. Diese bietet dem Befragten ein stark differenziertes, aber noch überschaubares Kontinuum für seine Einschätzung. 10er Skalen lassen sich bei Auswertungen leicht in Prozentwerte umrechnen. Ein Zufriedenheitsniveau von 73% sagt in der Praxis erfahrungsgemäß mehr aus als ein Mittelwert von 7,3. Neben der 10er-Skalierung sind 5, 6, 7 und 9 gängige Werte für Skalenabstufungen. Unipolare Skalen bieten sich für die Messung durchgängig ansteigender Niveaus und Erreichungsgrade an, z. B. bei der Erfragung von Kundenzufriedenheiten. Die Befragten sollten über ein natürliches Empfinden für einen Bewertungsraum (Kontinuum) zwischen 0 (gar nicht) und 100% (alles) verfügen. Bipolare Skalen lassen Befragten offene Gegensätze zwischen gut/ schlecht, schwach/stark, -3 und +3 etc. beurteilen. Bipolarität bringt Vor-

304 Vgl. Heller; Rosemann, (empirische Untersuchungen), 1974, S. 43. 305 Fachausdruck Kunin-Skala: vgl. Weis; Steinmetz, (Marktforschung), 2012, S. 156.

3.4 Methoden zur Marktdatenauswertung 

 263

teile, wenn die Fragestellung tatsächlich eine Gegensätzlichkeit in sich birgt. Bsp.: Fühlt sich dieser Kleidungsstoff Ihrem Gefühl nach eher kühl oder eher warm an? Werden auf diese Weise zahlreiche Eigenschaftsgegensätze, wie warm/kalt, modern/altmodisch, hell/dunkel etc. abgefragt (z. B. gegensätzliche Eigenschaften, die die Attraktivität der Kaffeemaschine bei den Verbrauchern ausmachen), dann lassen sich sprachliche Begriffsräume, die sog. semantischen Differentiale, ausloten.306 Die Antworten der Befragten können bei bipolaren Skalen zeichnerisch durch Verbindung der Skalenbenotungen visualisiert werden. Es ergeben sich sog. Eigenschafts- oder Polaritätenprofile. Die Profildarstellung ist besonders dann interessant, wenn die Befragten ihre Einstellungen zu verschiedenen Urteilsobjekten auf den Skalen ankreuzen und so die Beurteilungsunterschiede in einer Grafik sichtbar werden. Bei allen Skalenkonstruktionen ist es bedeutend, die Wortassoziationen der Befragten zu kennen. Wenn nicht bekannt ist, was die Befragten z. B. unter modern verstehen, dann lassen sich die Befragungsergebnisse auch nicht sinnvoll interpretieren. Abbildung 3.14 zeigt, wie unterschiedlich Konsumenten den Zufriedenheitsbegriff auslegen.307 Nach diesem Befund wären 12,5% der Kunden, die einer befragenden Unternehmung ihre Zufriedenheit bestätigen, keinesfalls als sichere Kunden anzusehen. SEMANTISCHER RAUM FÜR „ZUFRIEDENHEIT“

(n = 337 Befragte)

FRAGE: Was bedeutet für Sie das Wort „zufrieden“? eher positive Assoziationen

eher neutrale Assoziationen

eher negative Assoziationen

gut

60

unproblematisch

38

zumutbar

erfreut

38

zufriedenstellend

36

ausreichend

12

lobenswert

26

passabel

32

erträglich

10

tadellos

16

annehmbar

25

(41,5%) 140

befriedigend

24

(46,0%) 155

Abbildung 3.14: Semantischer Raum für Zufriedenheit.

306 Entwickelt von Osgood und Hofstätter, um die semantische Bedeutung von Objekten (z. B. modernes Design) anhand von Assoziationen zu messen. Ca. 20 Gegensatz-Polaritäten reichen erfahrungsgemäß aus, um einen semantischen Raum auszuschöpfen: vgl. Friedrichs, (empirische Sozialforschung), 1973, S. 184–188. 307 Vgl. o. V., (Tools), in: M&M, 1/1997, S. 38.

20

(12,5%)

42

264 

 3 Marktinformationssysteme

Bei Kundenbefragungen sollte auch gefragt werden, wie wichtig Merkmale den Befragten sind. Wichtigkeitseinschätzungen relativen Zufriedenheitsurteile. Neben grundsätzlichen Fehlerquellen für empirische Befragungen sind während Pilot-Phase und Pretest weitere situationsabhängige Verzerrungen (Bias) beim Beantworten (Ankreuzen) von Ratingskalen aufzuspüren und zu verhindern. Tabelle 3.5 listet wesentliche Tendenzen für verzerrte Antworten auf. Tabelle 3.5: Verzerrungen bei Befragungen. Fehler

Beschreibung

Fehler der Zentraltendenz

Befragte neigen zur Abgabe neutraler Wertungen. Es ergibt sich keine eindeutige Meinungsbildung.

Gefahr des „forcierten Ratings“

Wenn es keinen neutralen Antwortbereich gibt, muss geprüft werden, ob die Fragenformulierung die Befragten nicht in eine Richtung drängt. Beispiel: Abfrage eines Öko-Bewusstseins.

Spielfehler

Die Befragten kreuzen wahllos an (z. B. wegen Überforderung).

Ja-Tendenz

Die Befragten bevorzugen tendenziell positive Wertungen.

Impuls-Fehler

Die Fragestellungen reizen zu unüberlegten Beurteilungen.

Fehler des Konsistenzzwanges

Tendieren Antworten in eine Richtung, so neigen Befragte bei anderen Urteilen zu Kompromissen, um konsistent zu wirken.

Gefälligkeitsfehler

Bei Persönlichkeitsurteilen werden oft Gefälligkeiten ausgesprochen. Einkäufer möchten z. B. ihrem Kundenbetreuer nicht schaden.

Halo-Effekt

Ein Kunde hat oft nur einen vagen Gesamteindruck von einem neuen, zu bewertenden Produkt. Dann beurteilt er alle Produktmerkmale im Lichte dieses Gesamteindrucks, selbst wenn ihm einige Eigenschaften des neuen Produktes, wenn er sie isoliert beurteilt, nicht gefallen.

3.4.5 Beschreibung und Analyse der Erhebungsdaten Die weiteren Schritte des Marktforschungsprozesses bestehen aus dem Festlegen von Auswertungsplan und Auswertungsmethode, dem Aufbe-

3.4 Methoden zur Marktdatenauswertung 

 265

reiten und Ordnen der erhobenen Daten und den Entscheidungen über die Art von Dokumentation und Präsentation. Für die Auswertung der gewonnenen Marktdaten bieten sich als Verfahren an:308 (1) Deskriptive Verfahren beschreiben Zustände, Ereignisse oder Vorgänge vollständig und aussagekräftig. Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen den Daten (Variablen) werden nicht untersucht. Hypothesen werden nicht bearbeitet. (2) Aufgabe der analytischen Verfahren ist es, Richtung und Stärke von Zusammenhängen zwischen einer (= univariate Analysen: z. B. Umsatzentwicklung im Zeitablauf), zwei (= bivariate Analy­ sen: z. B. Einfluss des Preises auf den Absatz eines Produktes) oder mehreren Variablen (= multivariate Analysen: z. B. Einfluss von Preis, Werbebudget und Verkaufseinsatz auf den Absatz eines Produktes) zu untersuchen. (3) Testverfahren, auch Verfahren der Inferenzstatistik genannt, überprüfen Hypothesen auf Signifikanz. Dabei sind Parametertests, Anpassungstests und Unabhängigkeitstests zu unterscheiden. Im ersten Schritt sind erhobene Daten mit ihren Merkmalsausprägungen in eine Häufigkeitstabelle zu überführen. Üblicherweise erhalten die Variablen Codenummern. Die einzelnen Untersuchungswerte (Beobachtungen) werden in die „Muttertabelle“ eingetragen und dort nach den Häufigkeiten ihres Auftretens oder ihrer Werte (absolute Häufig­ keitsverteilung), nach prozentualen Anteilen (relative Häufigkeits­ verteilung) oder kumuliert (Aufaddieren der Prozentwerte bis 100%) ausgewertet.309 Grafische Darstellungen der Merkmals-/Werteverteilungen erfolgen üblicherweise als Punktdiagramme, Histogramme, Treppenpolygone, Säulendarstellungen, Balkendiagramme, Kreisdiagramme oder Trapezdiagramme. Schon gängige Homeoffice-Programme lassen bei den Darstellungsmöglichkeiten wenig Wünsche offen. Abbildung  3.15 bietet Auswertungsbeispiele anhand einer Umsatzanalyse für den deutschen Lebensmitteleinzelhandel.310 Die Ergebnisdarstellungen erfolgen i. d. R. als Torten-, Säulen- und Punktdiagramme. Tortendiagramme werden bei mehreren Untersu308 Vgl. zu den Abgrenzungen: Kreis et al., (Marktforschung), 2021, S. 33 ff. 309 Die statistischen Darstellungen sind in diesem Buch bewusst knappgehalten. Vgl. Koch/Riedmüller, (Marktforschung), 2021, S. 200 ff; Kreis et al., (Marktforschung), 2021, S.233 ff. 310 Datenquelle LZ Retailytics für die LZ.

266 

 3 Marktinformationssysteme

MARKTANTEILSANALYSE FÜR DEN DEUTSCHEN LEBENSMITTELEINZELHANDEL 2018 (Beispiel für deskriptive Datenauswertungen mit MS-Excel) Nr Nur FOOD Umsatz MittelwertVariations- Marktanteile (Werte nach (in Mrd. abweichung koeffizient im TradeDimensions) Euro) (in%) Gesamtmarkt 1 Edeka-Group (2018) 58,8 78,63 0,79 21,5% 2 Rew e/Penny (2018) 40,0 21,52 0,22 14,6% 3 Lidl/Kaufland (2018) 40,0 21,52 0,22 14,6% 4 Aldi-Gesamt (2018) 30,3 –7,95 –0,08 11,1% 5 Amazon LH (2018) 15,2 –53,82 –0,54 5,5% 6 Metro CC/Real (2018) 13,2 –59,90 –0,60 4,8% Summe: 197,5 72,1% Mittelwert: 32,92 Rest: 27,9% Varianz S : 246,63 Summe: 100% Standardabweichung S: 15,70 274 Su. Mrd. €

(Quelle: LZ Retailytics für die LZ)

Darstellung als Punkt(XY)-Diagramm

Darstellung als Säulendiagramm 58,8

60 50

Umsatzerlöse Food 2018 in Mrd. Euro

40,0

40,0

40

25,0%

Anteile am Gesamtmarkt in Prozent - 2018

20,0%

21,5%

15,0%

30,3

30 15,2

20

13,2

14,6% 14,6%

10,0%

11,1%

5,0%

10 0

1

2

3

4

5

6

0,0%

5,5% 0

1

Darstellung als Netzdiagramm 60

2

3

4

4,8%

5

6

7

Darstellung als Kuchendiagramm

1 5 11%

50 6

Das bedeutet: Die 6 größten Einzelhandelskonzerne halten 72% des gesamten LEH-Marktes . (nur FOOD)

40

2

30 20

6 7%

1 28%

4 16%

10 0

5

3

4

3 18%

Anteile am Gesamtmarkt in Prozent - 2018

2

20% Marktanteile bezogen auf die Top 6 im LEH in Prozent - 2018

Abbildung 3.15: Marktanteilsanalyse für den Lebensmitteleinzelhandel.

chungsobjekten schnell unübersichtlich. Netzdiagramme (auch Trapezdiagramme genannt) eignen sich nur für vergleichende Darstellungen von Untersuchungsobjekten (Analyse von Flächenüberdeckungen und

3.4 Methoden zur Marktdatenauswertung 

 267

Lücken). Sie stellen eigentlich Profile in Kreisform dar. Das Auge lässt sich leicht täuschen. Falsche Eindrücke oder sogar Manipulationen entstehen beispielsweise durch räumliche Verzerrungen (insbes. bei Kuchendiagrammen) und durch Abschneiden von Skalenabschnitten (bei Säulen- und Punktdiagrammen) in den Auswertungen. Für die Häufigkeitsverteilungen werden Lageparameter und Streuungsmaße berechnet.311 Die Rechengänge werden hier nicht mathematisch dargestellt: – Der Modalwert (auch Modus genannt) ist der häufigste Wert einer Verteilung. Er steht für die Lage des Maximums der Verteilung. Bei multimodaler Verteilung können mehrere häufigste Werte auftreten. Der Modus ist schnell und einfach feststellbar. – Werden 9 unterschiedliche Preisauszeichnungen eines Smartphones der Höhe nach geordnet, dann kennzeichnet der Median, auch Zentralwert genannt, den Preis des fünften Smartphones. Er halbiert die Reihe der Merkmalswerte. Bei gerader Anzahl, z. B. bei 20 Ausprägungen, wird der Durchschnitt (Mittelwert) zwischen der 10. und 11. Preis gebildet. Sowohl der Modus wie auch der Median werden von Ausreißerwerten einer Verteilung nicht beeinflusst. – Beim arithmetischen Mittel (Mittelwert, Durchschnitt) wird die Summe der Merkmalsausprägungen, im obigen Fall die Summe der Smartphonepreise, durch die Anzahl geteilt (ungewogenes Verfahren). Beim gewogenen Verfahren werden die Merkmalsausprägungen noch mit Gewichtungsfaktoren multipliziert, dann aufaddiert und schließlich durch die Summe der Gewichtungspunkte dividiert. Voraussetzung ist mindestens eine Intervallskalierung. Der Einfluss von Ausreißerwerten auf den Mittelwert ist im Einzelfall zu prüfen. Haben wir eine Zahlenreihe von 9 x den Wert 10 und 1 x den Wert 1000, dann sagt das einfache arithmetische Mittel von 109 nicht viel aus. – Der Vollständigkeit halber sind noch das geometrische und das harmonische Mittel zu erwähnen. Die wichtigsten Streuungsmaße sind: – Die Spannweite (Range) ist die Differenz zwischen der größten und der kleinsten Merkmalsausprägung. – Die mittlere absolute Abweichung ist der Durchschnitt aller absoluten Abweichungen der Merkmalswerte vom Mittelwert. Er stellt ein einfaches Streuungsmaß dar, bei dem Ausreißerwerte sich nicht rechnerisch auswirken.

311 Vgl. auch Olbrich et al (Marktforschung), 2012, S. 95 ff.

268 







 3 Marktinformationssysteme

Von großer Wichtigkeit für die statistischen Testverfahren ist die Varianz. Errechnet wird sie als Durchschnitt der quadrierten Abweichungen der Merkmalswerte vom Mittelwert. Durch das Quadrieren werden negative Abweichungen positiv, und Ausreißerwerte werden stärker gewichtet. Die Quadratwurzel aus der Varianz ergibt die Standardabwei­ chung. Sie stellt die durchschnittliche Merkmalsabweichung um den Mittelwert dar. Die Quadratwurzel führt die Varianz wieder in die Maßeinheit der Merkmalswerte zurück. Höhere Abweichungswerte sind durch die vorhergehende Quadrierung bei der Varianzberechnung berücksichtigt. Die Standardabweichung gilt als das repräsentative Maß für die Streuung einer Verteilung. Um die durchschnittlichen Streuungen von verschiedenen Verteilungen “auf einen Nenner“ zu bringen, wird die Standardabweichung in Prozent des Mittelwertes ausgedrückt. Dividiert man also die Standardabweichung durch den Mittelwert, so ergibt sich der Variationskoeffizient als ein Maß für die durchschnittliche prozentuale Abweichung in der Verteilung. Bei Einstellungsskalen signalisiert der Variationskoeffizient auf anschauliche Weise, bei welchen Items die Befragten mit ihren Urteilen gut übereinstimmen und bei welchen eher kontroverse Auffassungen bestehen.

Diese deskriptiven Grundauswertungen werden durch die Formparameter Schiefe und Wölbung einer Verteilung ergänzt. Die Schiefe errechnet sich nach Pearson aus der Differenz zwischen dem Mittelwert und dem Modus, dividiert durch die Standardabweichung. Hinsichtlich bivariaten Analysen, d. h. deskriptiven Auswertungen von zwei Variablen, wird auf die Konzentrationskurve und den Gini­Koeffizienten verwiesen. Nach der Beschreibung einer Merkmalsverteilung werden jetzt weiterführend Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen den Merkmalsgrößen untersucht. Weitergehende Analysen werden durch analytische Verfahren vorgenommen, Tabelle 3.6 beschreibt wesentliche Verfahren kurz. Tabelle 3.6: Analytische Verfahren zur Datenauswertung. Verfahren

Beschreibung

Regressionsanalyse

Untersucht die Art und die Richtung (Tendenz) des Zusammenhangs einer abhängigen und einer oder mehrerer unabhängiger Variablen

Korrelationsanalyse

Misst die Stärke von Variablenzusammenhängen

3.5 Datenverwaltung im Marktinformationssystem 

 269

Tabelle 3.6 (fortgesetzt) Verfahren

Beschreibung

Varianzanalyse

Ermöglicht Zusammenhanganalysen auch bei nominal skalierten unabhängigen Variablen

Diskriminanzanalyse

Erklärt die gruppenweise Trennung von Untersuchungsobjekten durch unabhängige, charakterisierende Variablen

Clusteranalyse

Teilt Untersuchungsobjekte entsprechend ihrer Ähnlichkeit auf möglichst homogene Gruppen auf

Faktorenanalyse

Positioniert Untersuchungsobjekte nach Ähnlichkeitsdistanzen in einem Eigenschaftsraum

Conjoint Analyse

Analysiert die Einflussanteile von Eigenschaften (Teilnutzen) auf Gesamturteile (Gesamtnutzen)

Detaillierte Ausführungen zu allen deskriptiven und analytischen Verfahren, der Anwendungen und Auswertungen finden sich in gängigen Statistik-Lehrbüchern.312

3.5 Datenverwaltung im Marktinformationssystem Die im Rahmen von Marktanalysen (Marktforschung) gewonnenen Daten sind in logischer Ordnung abzuspeichern und bei Bedarf Mitarbeitern mit Kundenkontakt zur Verfügung zu stellen. Die Wührt-Gruppe betreut mehr als 600.000 Kunden. Informationsbedarf besteht permanent, z. B. anlässlich eines Kundenanrufs am Telefon, bei der Vorbereitung eines Kundenbesuchs, im Rahmen der monatlichen Budgetplanung, bei der strategischen Planung oder bei Kundenanfragen jeglicher Art. Die Daten der Marktanalysen können mit den Daten der operativen Prozesse (den Daten des Transaktionssystems) zu einer mächtigen Datenbank (Database) zusammengeführt werden. Die Datenbank ist das Herzstück des Marktinformationssystems. Sie ist eine relationale Datenbank, in der alle Kundendaten, Kundenvorgänge (Kundenhistorie) und Marktanalysedaten abgelegt sind. Sie speichert harte und weiche Informationen über Interessenten, Kunden und Wettbewerber mit dem Ziel, Kunden individuell anzusprechen (1to1-Dialog) und nutzenorientiert zu betreuen. Durch diese Zielsetzung

312 Bspw. Pflaumer/Heine/Hartung (Statistik), 2009 oder Wewel/Blatter (Statistik), 2019.

270 

23% aller Daten in Unternehmen sind einer Studie zufolge fehlerhaft - mit dieser Datenqualität zu steuern ist herausfordernd und kann Umsatzeinbußen zur Folge haben (Quelle: Günther, (Datenqualität), 2016, S. 12).

 3 Marktinformationssysteme

ermöglicht die Database ein Database-Marketing, wie es z. B. die großen Digitalunternehmen perfektioniert haben. Wissen ist Macht und im speziellen Marktmacht. Die zentrale Datenbank sorgt für Kompetenz der Mitarbeiter beim Kundenkontakt. Alle kaufrelevanten Informationen sind im Verkaufsgespräch verfügbar. Dem Marketing bietet die Database eine Grundlage für Kampagnen. Sie unterstützt die Unternehmensführung bei Managemententscheidungen. Für die Speicherung und Verwendung personenbezogener Daten gelten die strengen Regelungen des Datenschutzes. Die Novellierung des Datenschutzes durch die Inkraftsetzung der Datenschutzgrundverord­ nung (DSGVO) im Jahr 2016 in Deutschland und 2018 in der EU hat zu einer deutlichen Verschärfung der Regelungen beigetragen. Unter dem Grundsatz der Datenminimierung dürfen nur die Daten gespeichert werden, die mittel- und unmittelbar für den Kundenkontakt notwendig sind. Damit sollen die sogenannten personenbezogenen Daten stärker geschützt werden. Unter personenbezogenen Daten werden alle Daten verstanden, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Davon unterschieden werden anonyme Informationen, die keinen Rückschluss auf eine natürliche Person zulassen. Prinzipiell müssen natürliche Personen der Speicherung ihrer individuellen Daten zustimmen. Das speichernde Unternehmen darf Daten ausschließlich zweckgebunden verwenden und muss Auskunftssuchenden den aktuell gespeicherte Datenstand zugänglich machen. Die Daten müssen im EU-Raum gespeichert sein und entsprechend gegenüber unerlaubtem Zugriff abgesichert sein. Unternehmen müssen ein Datenschutzmanagement nachweisen und einen Datenschutzbeauftragten benennen. Die Regelungen des Datenschutzes gelten nicht für die Speicherung und Weiterverarbeitung firmenbezogener Daten. Die Vorschriften für den gewerblichen Vertrieb sind klar definiert, insbes. was die Weiterverarbeitung (werbliche Ansprache, unerbetene Zustellung von Angeboten) der Daten betrifft.

3.5.1 Data Warehouse Ein Data Warehouse ist ein von den operativen EDV-Systemen separiertes Datenbankverwaltungs- und -verknüpfungssystem, das Kunden- und Marktdaten themenorientiert, zeitbezogen und dauerhaft sammelt und unternehmensübergreifend definierten Nutzergruppen gemäß Benutzerrechten zur Verfügung stellt. Die Konzeption wurde von W.H. Immon

3.5 Datenverwaltung im Marktinformationssystem 

 271

entwickelt. Das Data Warehouse soll Führungskräfte bei wichtigen Entscheidungen unterstützen und ist deshalb Bestandteil des Managemen­ tinformationssystems. Anders als ein klassische Management Informationssystem ist es zukunftsorientiert. Ein Data Mart beschränkt sich nur auf einen Teilbereich eines Datenwarenhauses. Er dient der Informationsversorgung bestimmter Abteilungen bzw. Nutzergruppen (Abteilungen, Bereiche, Produktsparten). Die Database stellt oft die integrierte Kundendatenbank im Rahmen einer Warehouse-Konzeption da. Die gesamte Struktur eines Data Warehouse ist Abbildung 3.16 zu entnehmen

(interne) Dokumente

(interne) Datenbanken

Externe Datenquellen

ETL

OLAP Server

Extraktion (Wrappen)

Data Marts

Transformation Laden (Replizierem, Aggregieren, Archivieren)

Date Warehouse

Reports OLAP Abfragen Dashboards

Text Mining Data Mining Web Mining Ad hoc Analyse Datenanalyse

ODS Repository

Abbildung 3.16: Grundstruktur eines Data Warehouse.

Das Datawarehouse wird durch viele Quellen gefüllt, hier interne Dokumente, die Anbindung an bestehende Datenbanken sowie auch fallweise externe Datenquellen, die verarbeitet werden. Die gesammelten Daten werden in der Fachsprache auch Data Lakes genannt, da viele Rohdaten vorliegen. Die Zusammenführung der verschiedenen Daten wird im ETL-Prozess vorgenommen. E steht für Extraktion, was den Bezug der Daten beschreibt. Das T (Transformation) symbolisiert die Übertragung der Daten in ein homogenes Format. Abschließend werden die Daten ins Datawarehouse geladen (Loading). Die Data Marts (Daten-Märkte) stellen Teilbereiche der Daten dar, die durch die OLAP-Prozesse analysiert werden. Der Trend in der Datenauswertung geht in Richtung Online Analytical Processing (OLAP). Die Daten werden in multidimensionaler Form, durch Cubebildung, gespeichert. Komplexe, mehrdimensionale Analysen können ohne Programmierung durchgeführt werden (z. B. Produktumsatz in Verkaufsregionen in Monaten). Viele weitere Analysemöglichkeiten können zur strukturierten Aufarbeitung der Datenmengen verwendet werden. Gerade die Entwicklungen der künstlichen Intelligenz lassen zukünftig

272 

 3 Marktinformationssysteme

viele neue Anwendungen erwarten, die durch strukturierte Analyseoptionen bisher nicht möglich gewesen sind.

3.5.2 Datamining

Durch Datamining kann die DiBa feststellen, welches Produkt zu jedem der 2,5 Mio. Kunden am besten passt.

Frei einsetzbare Modelle der künstlichen Intelligenz, wie bspw. ChatGPT mit der Version 4 des Generative Pre-trained Transformer-Ansatzes können auch für Datenanalysen und Interpretationen eingesetzt werden.

„Der Kunde ist König, doch niemand kennt ihn. Front-Manager im Marketing und Verkauf tragen aus dem Stegreif alle Einzelheiten über ihr Produktsegment vor, aber welche Wünsche und Probleme die Kunden haben, ist für die meisten Marketeers ein Buch mit sieben Siegeln.“313 Markttests beruhen auf Ausgangshypothesen. Die Unternehmung hat z. B. eine Vermutung, dass bestimmte Variablen eine Kaufentscheidung für ein Produkt oder die Zufriedenheit der Konsumenten beeinflussen, und man misst dann Stärke und Abhängigkeiten dieser a priori definierten Einflussgrößen. Selbst die Faktorenanalyse bedient sich gewisser Ausgangsvariablen (oder Items). Wie aber lassen sich völlig unbekannte und oftmals überraschende Kaufvariablen und deren Zusammenhänge aufspüren. Dieses Aufspüren a priori unbekannter Zusammenhänge (Muster, Patterns, Profile) im Kaufverhalten ist u. a. Anliegen des Dataminings.314 Datamining analysiert mit der Nutzung mustererkennender, mathematischer und statistischer Verfahren Datenbestände nach Zusammenhängen, Querverbindungen und Trends. Datamining ist wissenschaftstheoretisch damit eine explorative Analyse. Vereinfacht kann gesagt werden: Die klassische Marktforschung analysiert was und warum gekauft wurde. Datamining trifft Voraussagen, was gekauft werden wird: Hierzu ein Beispiel: 40 Prozent der männlichen Kunden, die zur Marke x greifen, kaufen auch Textilien der Marke y. Kunden, die den Rückkaufwert ihrer Lebensversicherung erfragen, wollen mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit kündigen. Kunden, die Interesse an dem PKW-Modell x zeigen, sind mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit auch für die Sonderausstattung y zu begeistern. Datamining ist auf große bis sehr große Datenbestände angewiesen, wie sie z. B. bei Banken, Versicherungen, Stromversorgern, Kreditkartenoder Telekommunikationsunternehmen vorliegen. Damit hängen das Data Warehouse und das Datamining zusammen. Ein Data Warehouse stellt dem Datamining Massendaten für explorative Auswertungen zur Verfügung.

313 Beuthner, (CRM), in: IT-Director, 12/2000, S. 70. 314 Vgl. Ahlemeyer-Stubbe, (Datamining), in: acquisa, 6/2000, S. 22.

3.5 Datenverwaltung im Marktinformationssystem 

 273

Dabei hat Datamining ein spezielles Problem zu lösen. Über 90 Prozent der in einem Unternehmen anfallenden Daten sind nicht numerischer Natur. Es sind dies Briefe, Sprachaufzeichnungen, E-Mails, SMSMails, Social Media Kommentare. So verlagert sich der Schwerpunkt des Datamining hin zur statistischen Auswertung von verbalen Daten (TextMining-Tools, Natural Language Processing).315 Im Berufsalltag der Massenvorgänge und Informationsoverload werden viele Geschäftschancen nicht wahrgenommen. Zielsetzung muss sein, Kundeninformationen im Livebetrieb zu filtern und die operativen Abteilungen mit Handlungsimpulsen zu versehen. Diese Feedback-Schleife des Kundenwissens wird durch den Closed Loop im Marketing angestrebt.

3.5.3 Closed Loop Durch einen Closed Loop werden sämtliche Kundeninformationen, die von Mitarbeitern mit Kundenkontakt oder durch Marketingaktionen gewonnen werden, nach Analyse und Aufbereitung (z. B. durch Business Intelligence) direkt an die operativen Abteilungen zurückgespielt. Ziel ist ein aktueller und konsistenter Informationsstand über Situation und Verhalten von Interessenten und Kunden und eine schnelle Umsetzung in neue Aktionen. Im Marketing arbeiten Außen-, Innen- und Kundendienst wie auch Call-Center vielfach bis heute mit separaten Datenbeständen und isolierten Prozessen. Auch die im Rahmen von Kampagnen gewonnen Kundendaten werden oft umständlich und zeitraubend an die Kundenbetreuer zur Weiterverfolgung übergeben. Der Closed Loop-Kreislauf hilft, dass silo-mäßige Arbeiten von Marketing und Vertrieb zu überwinden. Aktionsrelevante Daten werden regelkreismäßig den Kundenabteilungen zur Verfügung gestellt.316 Dies geschieht mit Hilfe von CRM-Systemen. Diese können Marketing- und Vertriebsaktionen mit Hilfe von Trigger-Setzungen selbststeuernd anstoßen. Der gesamte Bestellprozess von Amazon beruht auf einem Closed Loop. Abbildung 3.17 schematisiert das Closed Loop-Konzept. Gerade größere Konsumunternehmen stärken ihren B2C-Direktvertrieb durch Closed Loop-Konzepte (Energieversorger, Lufthansa, DB,

315 Diese Entwicklungen werden insbesondere von IBM, Oracle und Microsoft stark forciert: vgl. Haines, (Zahlen), in: Client/Server, 5/2000, S. 82. 316 Vgl. Martin, (Closed Loop), in: acquisa, 11/2000, S. 10–14.

Closed Loop: Von der Information zur Aktion.

274 

 3 Marktinformationssysteme

Marktforschung

Kunde

Operative Systeme

Analytische Systeme

Marketingkampagnen

Datamining

Backoffice - Innendienst

Business Intelligence

Frontoffice - Verkauf Kundendienst

Feedback-Schleife Closed Loop

Datawarehouse (Kundendatenbank)

Abbildung 3.17: Closed Loop.

Deutsche Telekom, Telekommunikationsanbieter, Kundenkartenanbieter, E-Commerce-Unternehmen etc.). Der Closed Loop soll eine der wichtigsten Fragen von Marketing und Vertrieb lösen: Wie komme ich schnell von Information in Aktion?

3.6 Bedeutung des Marktinformationssystems für die marktorientierte Unternehmensführung St. Isidor von Sevilla gilt als Internet-Patron. Im 6. Jahrhundert hat er in 20 Bänden das gesamte Wissen der Menschheit gesammelt. Es ist nur bis 1529 gelungen, das Menschheitswissen systematisch zu bündeln.

Es wird immer schwerer, die nicht zuletzt durch das Internet explosionsartig anschwellende Datenflut zu strukturieren und im Hinblick auf nutzbares Wissen auszuwerten. So steigen die Herausforderungen der Marktforschung, die in Tabelle 3.7 aufgeführten Funktionen zu erfüllen. Ergänzend ist anzumerken: – Marktforschung ist notwendige Tagesaufgabe für Mitarbeiter mit Kunden- und Wettbewerbskontakten. – Zu viele Marktforschungsergebnisse finden leider nach Projektabschluss und Ergebnispräsentation keinen Eingang in den Alltag. Sie erhalten keinen Zugang in integrierte Datenbanken und können dann auch nicht im Sinne des Closed Loops für gezielte Kundenaktionen genutzt werden. Marktforschungsstudien sind abgeschlossen, aber Marketing und Vertrieb erhalten keinen Zugriff auf Ergebnisse und haben keinen Nutzen. – Deshalb sollten Mitarbeiter darüber informiert sein, welche Daten wo mit welcher Zugangsberechtigung liegen.

3.6 Bedeutung des Marktinformationssystems für die marktorientierte 

 275

Tabelle 3.7: Strategische Funktionen des Marktinformationssystems.317 Funktion

Beschreibung

Selektionsfunktion

Auswahl der relevanten Informationen aus der Vielzahl an möglichen Informationen.

Frühwarnfunktion

Marktrisiken können frühzeitig aufgespürt werden.

Innovationsfunktion

Vielfältige Informationen erleichtern kreative Lösungen.

Managementfunktion

Fakten sichern Management-Entscheidungen ab.

UnsicherheitsreduktionsFunktion

Mehr Transparenz über Märkte und Kunden.

Strukturierungsfunktion

Gewinnung, Analyse und Interpretation in strukturierten Abläufen.

Strategische Funktion

Das Marktinformationssystem ist Grundlage für die strategische Planung.

Servicefunktion

Alle Unternehmensbereiche können das Marktwissen nutzen.

Intelligenzverstärkerfunktion

Wissensbildende Informationsverarbeitung.







Von zentraler Bedeutung ist eine integrierte Kundendatenbank. Nicht selten unterbleibt eine Erfassung von Markt- und Kundendaten in das CRM-System, da die Verantwortung für die Datenpflege nicht geklärt ist. Viele wichtige Marktinformationen sind über die Kammern und Fachverbände zugänglich. Deshalb sind viele marktorientierte Führungskräfte an einer Verbandsarbeit beteiligt. Ein geringes Budget, wie es oft im Mittelstand zu finden ist, sollte kein Hemmnis für mehr Marktwissen sein. Kleinere regionale Marktforschungsinstitute bieten heute Spezialstudien, die auf jedes Budget zugeschnitten sind.

Der Unternehmensdatenberg wächst laut einer Studie von MicroStrategy um jährlich 75 bis 150 Prozent. Ein einzelner Mitarbeiter kann kaum überblicken, welche Informationen für zukünftige Entscheidungen Relevanz besitzen – und wo diese Daten zu finden sind. Wenn Siemens wüsste, was Siemens weiß. Information Overload droht. Dieser Zukunftsblick unterstreicht noch einmal die Bedeutung eines effizient organisierten Marktinformationssystems für die Arbeit von Marketing und Vertrieb.

317 Vgl. Quelle: in Anlehnung an Meffert et al., (Marketing), 2019, S. 174.

276 

 3 Marktinformationssysteme

Nach der Erarbeitung der strategischen und operativen Unternehmensziele und der Strategien sowie deren Absicherung durch Marktdaten ist jetzt über den Einsatz der Marketing- und Vertriebsinstrumente zu entscheiden.

4 Die Leistungsprogrammpolitik Die Produktpolitik ist nach Einschätzung Mefferts et al. „einer der zentralen Parameter im Marketing.“318 Gute Produkte sichern Marktanteile von morgen. Schlechte Produkte lassen sich durch noch so gutes Marketing nicht dauerhaft halten. Intelligente Produktvorteile geben Unternehmen auf den sich immer weiter angleichenden Märkten zeitliche Wettbewerbsvorsprünge.319 Der Konkurrenzkampf setzt die Unternehmen unter Innovationsdruck. Neue Technologien und Produkte320 sind Ausdruck unternehmerischer Dynamik. Die Unternehmen befinden sich in einer Beschleunigungsspirale, die sich immer schneller dreht und deren Auswirkungen alljährlich auf den Fachmessen zu beobachten sind.321 Für das Marketing stellt alles, was angeboten werden kann, um Bedürfnisse oder Wünsche zu befriedigen, ein Angebot dar. Diese Definition ist weit gefasst. Sie bezieht selbstverständlich Dienstleistungen ein. Kotler et al. gehen noch weiter, sie beziehen neben Waren und Dienstleistungen auch Events, Erlebnisse, Personen, Orte, Immobilien, Wertanlagen, Organisationen, Informationen und Ideen in die Betrachtungen mit ein.322 Üblicherweise behandeln Lehrbücher die angebotsbezogenen Zusammenhänge im Rahmen des Marketingmix-Instrumentes Produktpolitik. Das einzelne Produkt (die singuläre Leistung) bildet den Ausgangspunkt aller Überlegungen. Ergänzend bringen Unternehmen aber abgestimmte Bündel von materiellen und immateriellen Leistungen, sog. Leistungsprogramme, in die Märkte. So ergänzt sich bspw. eine Reisebuchung durch einer Mitgliedschaft in einem Reiseclub. Um diesen Aspekt der Steuerung von Leistungsbündeln zu betonen, wird von Leistungsprogrammpolitik gesprochen. Die Produktpolitik ist zentraler Bestandteil der umfassenden Leistungsprogrammpolitik.

318 Meffert et al., (Marketing), 2019, S. 394. 319 Es sei denn, man kann von einem sicheren Patentschutz oder einer geheimen Rezeptur profitieren, wie das bspw. Coca-Cola oder Underberg können. 320 Unter Innovationen wollen wir hier Produkte oder Fertigungsverfahren verstehen, die für die anbietende Unternehmung grundsätzlich neu sind und vom Markt auch als echte Neuerung des Anbieters aufgenommen werden. 321 Backhaus meint: „Die Beschleunigungsspirale treibt die Wirtschaft zu immer schnellerem Wechsel. Erfahrung und Orientierung gehen verloren.“: Backhaus, (Langsamkeit), in: MM, 11/1997, S. 246. 322 Vgl. Kotler et al., (Marketing Management), 2017, S. 6 f. https://doi.org/10.1515/9783110787771-004

278 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

4.1 Entscheidungsfelder der Leistungsprogrammpolitik Die Leistungsprogrammpolitik umfasst alle Instrumente und Maßnahmen zur Erschaffung, Gestaltung, Pflege und Marktaufgabe von Sachgütern und/oder vermarktbaren Dienstleistungen in Kombination mit Serviceleistungen mit den Zielen Emotionalisierung und Wettbewerbsdifferenzierung. Die Angebotspolitik bezieht die Leistungsprogrammund Preispolitik mit ein. Leistungsprogrammpolitik ist nicht allein Aufgabe des Marketing. Die Bereiche F&E, Fertigung, Materialwirtschaft, Einkauf und Anwendungstechnik sind in marktbezogenen Fragen der Leistungsprogrammpolitik mit einzubeziehen.

– – – –

Leitstrategien

Lebenszyklusstrategie Portfoliostrategie Positionierungsstrategie Kernkompetenzstrategie

– – –

Programmstrategie



Programmausweitung Programmkonsolidierung Programmeinschränkung (in Programmtiefe und -breite) Programm-Diversifikation

– – – – –

Leistungsvermögen Qualität, Haltbarkeit Produktäußeres, Design, UX Name, Logo. Imprints Verpackung, Entsorgung

Produktstrategie

– – –

Innovationspolitik Produktvariation Produktdifferenzierung

– –

Pre-Sales-Dienstleistungen After Sales-Dienstleistungen

Produktpolitik i.e.S.

Arrondierungsstrategie

Abbildung 4.1: Entscheidungsfelder der Leistungsprogrammpolitik.

Abbildung 4.1 stellt Entscheidungsfelder der Leistungsprogrammpolitik im Zusammenhang dar. Am Anfang stehen übergeordnete Fragen der strategischen Ausrichtung des Leistungsangebotes, bevor es im Rahmen der Produktpolitik i. e. S. an die Gestaltung des einzelnen Produktes und die der komplettierenden Dienst- und Serviceleistungen geht. Wie ist

4.2 Ebenen und Elemente eines Produktes 

 279

das Leistungsprogramm der Unternehmung zu beurteilen? Wie werden Produkte geschaffen und im Zeitablauf über den Lebenszyklus verändert? Welche Service- und Dienstleistungen sind zur Komplettierung der Kernleistung sinnvoll? Tabelle 4.1: Erfolgsebenen eines Produktes. Erfolgsebenen eines Produktes

Beschreibung

Nutzenebene Physische Ebene Psychische Ebene Markenebene Serviceebene Logistische Ebene

Bedürfnisbefriedigung und Problemlösung Greifbares und messbares Produkt Gefühlsmäßig erfahrbares Produkt Das Produkt als Marke im Kopf der Käufer Serviceelemente eines Produktes Artikelnummern für das Produkt

Tabelle 4.1 zeigt Ebenen des Produktbegriffes, die für die Leistungsprogrammpolitik aus unterschiedlichen Blickrichtungen heraus wichtig sind. Der Produktbegriff ist komplex. Bei Fisherman’s Friend z. B. denkt der Lebensmittelchemiker an Spezifikationen bzw. Rezepturen. Der Konsument spürt die frische Brise und Weite des Atlantiks. Das Produkt fügt sich in Gefühlswelten ein. Als Marke erobert Fisherman’s Friend einen Raum in seinem Kopf.323 Der Käufer erwartet Nutzenerbringungen. Die Leistungsprogrammpolitik hat einen Weg von der Produktidee über die Gestaltung des Produktes bis hin in die Gefühlswelt des Käufers zu gehen. Hilfreich ist die Kenntnis vom Zwiebelschalenaufbau der Produkteigenschaften.

4.2 Ebenen und Elemente eines Produktes Für die strukturierte Entwicklung und Analyse von Leistungsprogrammen bieten sich verschiedene Modelle an, die Ebenen und Elemente von Produkten beschreiben. Homburg bietet mit seinem Modell, Abb. 4.2, einen übersichtlichen Gestaltungsrahmen.

323 Nicht wissend, dass es sich um ein gekauftes Markenzeichen von einem irischen Fischerbedarf-Store handelt handelt. Es ist also das Marketing, das den Schlüssel für das Herz des Verbrauchers liefert, nicht die Rezeptur.

280 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

Marke Zusatzdienstleistungen (Vale Added Services) Basisdienstleistungen Verpackung / Gestaltung des tangiblen Umfelds Zusatzeigenschaften

Produktkern

(Kerneigenschaften)

Abbildung 4.2: Die 6 Komponenten eines Produkts.324

Der Tesla Owner Club ist ein exklusives Zusammentreffen der Tesla-Enthusiasten, der von Tesla zentral gesponsort wird. Nur Tesla-Eigentümer dürfen beitreten.

Als Kerneigenschaften sind wesentliche Produkteigenschaften definiert, die zentral vom Wettbewerb abgrenzen. Kerneigenschaften sind Mindestvoraussetzungen, die ein Produkt erfüllen muss, damit es in Kaufentscheidungen einbezogen wird. Neben den Kerneigenschaften ergänzen Zusatzeigenschaften Leistung und Nutzen des Produkts. Sie grenzen vom Wettbewerb ab und stellen eine spezifische Wahrnehmung sicher. Die Verpackung oder allgemeiner – das tangible Umfeld – beschreibt physische und nicht-physische Aspekte im Produktumfeld. Nicht physische Aspekte sind bspw. die Gestaltung eines Dienstleistungsbetriebes. Ein hochwertig ausgestatteter Friseursalon erzielt eine abgrenzende Wirkung von anderen Mitbewerbern, ähnlich wie hochwertige Verpackungen aus schweren Materialien. Basisdienstleistungen sind notwendige Leistungen, die zusammen mit dem Produkt erfüllt werden müssen, damit Kunden kaufen. Bei einem Haarschnitt bspw. das Beratungsgespräch vor dem Haarschnitt. Zusatzdienstleistungen können den Kauf des Produkts vereinfachen oder den Nutzen des Produkts erhöhen. Wenn ein Produkt die Mitgliedschaft in einem exklusiven Kundenclub ermöglicht, kann diese Zusatzdienstleistung ausschlaggebend für den Kauf sein. Auch der Zugriff auf eine Beratungshotline kann den Ausschlag für den Kauf geben. Als letztes Element grenzt die Marke das Produkt maßgeblich ab. Sie differenziert die Wahrnehmung der Kunden, und die Wirkung kann auf alle Produktebenen ausstrahlen. Starke Marken können im Wettbe-

324 Quelle: Homburg, (Marketingmanagement), 2020, S. 600.

4.2 Ebenen und Elemente eines Produktes 

 281

werbsvergleich schlechtere Leistungen in einzelnen Kategorien ausgleichen. Ist die Marke stark nachgefragt, arrangieren sich die Kunden mit angebotenen Leistungen des Produkts und ziehen den Hauptnutzen aus der Marke und nicht den Leistungselementen des Produkts. Ein Zwiebelschalenmodell vertieft den Ansatz der 6 Ebenen:325 (1) Der Produktkern steht im Zentrum. Er verkörpert die grundlegende Problemlösung, den Grundnutzen aus Käufersicht. Der Produktkern ist die Idee einer Problemlösung. (2) Das generische Produkt stellt das funktionsfähige Basisprodukt dar. Dieses erfüllt lediglich den Grundnutzen. (3) Das erwartete Produkt enthält alle nutzenbringenden Eigenschaften und das übliche Aussehen, das der Käufer bzw. die im Visier stehende Käuferschicht mindestens erwartet. (4) Das erweiterte Produkt ist Ergebnis der zusätzlichen Anstrengungen der Hersteller, sich durch besondere Produkteigenschaften voneinander zu unterscheiden. Es ergänzt das erwartete Produkt um die Zusatznutzen (Added Values). (5) Das maximale Produkt definiert sich durch maximalen Gestaltungsrahmen für Produkteigenschaften (Produktvision). Es ist Aufgabe der Innovationspolitik, Grenzen des maximal möglichen auszudehnen. Das Marketing muss darauf hinwirken, dass sich Kundenerwartungen entsprechend entwickeln. Abbildung 4.3 zeigt, wie die Zwiebelschalen aufeinander aufbauen und wie das Produkt aus Sicht des Produktmanagements über den Kernnutzen hinaus ganzheitlich gedacht werden kann. Die Zwiebelschalen betonen eine notwendige enge Verzahnung von F&E bzw. Technik und Marketing. Aufgaben der Leistungsprogrammpolitik sind es folglich, – Technik und Produktdesign kostenmäßig tragbar auf Verbraucherwünsche hin auszurichten, – Kunden sind für neuartige Problemlösungen (Bedürfnisweckung) und neue technische Funktionalitäten zu gewinnen, – falls möglich durch Schulungen, Systeme, Verträge (Wartungsverträge) o. ä. Instrumente Kunden zu binden (Kundenbindung), – sich vom Wettbewerb zu differenzieren und so Wettbewerbsvorteile zu erringen.

325 Vgl. in Anlehnung an eine Darstellung von Kotler et al., (Marketing-Management), 2017, S. 461 ff; sowie Scharf et al., (Marketing), 2022, S. 335 f.

„Die „Produkterweiterung“ bei Rolls-Royce: 1. Kühlerfigur Emily, 2. Regenschirm in Vordertür, 3. steil stehender Kühlergrill, 4. gegenläufig öffnende Türen.“

282 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

Maximales Produkt Erweitertes Produkt Erwartetes Produkt Generisches Produkt Produktkern

Abbildung 4.3: Zwiebelschalen des Produkts.

4.3 Produkt-Nutzenhierarchie Ein Produkt ist Mittel zum Zweck. Einen Kunden interessiert in erster Linie die Lösung seines „Problems“. Seine Nutzenerwartungen müssen erfüllt werden.326 Nutzen von Konsumgütern ordnen sich in der Konsumtheorie in Form einer hierarchischen Pyramide, wie sie Maslow in seiner Bedürfnispyramide aufzeigt. Abbildung  4.4 spannt den Bogen weiter und bezieht Nutzenkategorien von Industriegütern ein. Die höchsten Stufen der Nutzenerfüllungen beinhalten Prestigenutzen und Erfolgsnutzen. Der Erfolgsnutzen schlägt sich bei Geschäftskunden in betriebswirtschaftlichen Erfolgskriterien, wie Umsatz, Marktanteil und Marktmacht, Gewinn etc., nieder. Aber nicht nur technische und kaufmännische Nutzenkategorien sind zu beachten. Bei erfolgreichen Produkten schafft das Marketing emotionale Bindungen zwischen Produkt und Besitzer. Insbesondere im Dienstleistungsgeschäft spielt der Beziehungsnutzen eine überragende Rolle.

326 Kairies spricht hier von den KBF, den Key Buying Factors. Diese zu erforschen, ist zentrale Aufgabe des Produktmanagements.  Vgl.  Kairies, (Produktmanagement), 2017, S. 80.

4.4 Strategische Stoßrichtungen 

 283

Erfolgsnutzen Prestigenutzen Beziehungsnutzen Emotionaler Nutzen Anwendungsnutzen Prozessnutzen Funktionsgrundnutzen

Wirtschaftlichkeitsnutzen

Abbildung 4.4: Nutzenebenen des Produkts.

4.4 Strategische Stoßrichtungen 4.4.1 Orientierung am Produktlebenszyklus Im Vorfeld der strategischen Programmplanung sind Produkte hinsichtlich ihres technischen Standes zu überprüfen. Abbildung 4.5 zeigt einen 6-phasigen Lebenszyklus. Die Wirtschaftswissenschaften überführen auf diese Weise das biologische Paradigma vom Entstehen, Wachsen und Vergehen von Organismen in das Konzept eines Produktlebenszyklus. Die Literatur liefert oft komplizierte Grafiken, die die zeitlichen Verläufe von Umsatz und Ergebnis in einer Zeichnung darstellen.327 Es ist sinnvoller, Absatzmengen anstatt Umsatzerlöse als Indikator für die Reife Technologien zu betrachten. So werden Einflüsse der Preis- und Kostenpolitik aus dem Verlauf der Lebenszykluskurven herauszuhalten.328 Wichtig: Die Absatzmengen können sich auf unterschiedliche Bezugsgrößen beziehen, die mit dem technischen Fortschritt korrelieren solltem. Stand der Technologie (Stand der E-Mobilität), Branchenentwicklungen (Stand der Automobilindustrie), Entwicklungen von isolierten Produktgruppen (Stand von Fahr-Assistenzsystemen) und Entwicklungen aufeinander aufbauender Produktgenerationen.

327 Vgl. z. B. die idealtypischen Verläufe bei Weis, (Marketing), 2018, S. 328; Meffert et al., (Marketing), 2019, S. 471 f; Hofbauer, Sangl, (Professionelles Produktmanagement), 2018, S. 344. 328 So ergeben sich z. B. am Anfang völlig unterschiedliche Verläufe beim Vergleich von Skimming Price und Penetration Price Policy. Vgl. die entsprechenden Ausführungen im 5. Kapitel.

284 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

Absatz g

hrun

Einfü

m

hstu

Wac

Reife

gung Sätti Absatzmaximum

tion

nera

Dege

tieg Auss Relaunch und neuerlicher Anstieg

Gewinnmaximum Absatzkurve

Gewinnund Verlustkurve

Verlust bei Einführung

GewinnSchwelle

VerlustZone

Zeit

Abbildung 4.5: Produktlebenszyklus mit Gewinn- und Verlustentwicklung.

Zur Bestimmung der Strategie für ein einzelnes Produkt ist die Lebenszyklusanalyse ungeeignet.329 Die Leistungsprogrammpolitik fragt, in welcher Lebensphase sich die Technologie befindet, auf der die Produkte eines Geschäftsfeldes bzw. einer Planungseinheit beruhen. Die Phasen des Lebenszyklus sind nicht klar voneinander zu trennen. Die grafische Darstellung dient zur Orientierung und kann auch andere Verläufe besitzen.330 Zuweilen werden Reifephase und Sättigungsphase gleichgesetzt. Für die Degenerationsphase werden Begriffe wie Schrumpfungs-, Rückgangs- oder Niedergangphase verwendet. Viele Produkte verharren in der Degeneration. Für eine neue, positive Phase als Reaktion auf einen Relaunch oder eine Wiederbelebung der Nachfragerseite hat sich noch kein Fachbegriff etablieren können. In den Phasen des Produktlebenszyklus hat die Leistungsprogrammpolitik folgende Aufgaben zu erfüllen:331 329 Vgl. auch die Kritik bei Meffert et al., (Marketing), 2019, S. 473. Außerdem gibt es Meinungen, der Produktlebenszyklus sei das Ergebnis von und nicht die Ursache (Bestimmungsvariable) für Marketingstrategien: vgl. ergänzend auch die umfangreiche Diskussion bei Weis, (Marketing), 2018, S. 331 ff. 330 Vgl. Kairies, (Produktmanagement), 2017, S. 84 mit alternativen Verläufen. 331 Vgl. zu den Abgrenzungen der Phasen des Produktlebenszyklus und unterschiedlichen unternehmerischen Aufgaben detailliert Homburg, (Marketingmanagement), 2020, S. 491.

4.4 Strategische Stoßrichtungen 







 285

Am Anfang steht die Neuproduktentwicklung. Sie begleitet das Produkt auf dem Weg von der Erfindung (Invention) über die Realisierung (Innovation) bis hin zur Markteinführung und noch darüber hinaus.  Auf diesem Weg arbeiten Technik und Vertrieb eng zusammen. Fehlentscheidungen in diesen Phasen führen zu Entwicklungsabbrüchen, erfolglosen Markteinführungen (Produktflops332) oder Rückrufaktionen für unausgereifte Produkte. Schnell muss es gehen. Der Produktlebenszyklus eines Smartphones beträgt nur 6–12 Monate. Schon bald nach der Markteinführung droht Alterung infolge technischen Fortschritts. Man reagiert hierauf und auch auf den zunehmenden Konkurrenzdruck durch Produktvariationen und/oder Produktdifferenzierungen. Produktvariationen sind Veränderungen bestehender Produkte. Produkteigenschaften werden ersetzt, verbessert, hinzugefügt oder weggelassen. Neue, angepasste Serviceund Dienstleistungen sollen für zusätzliche Kaufanreize sorgen. Produktvariationen sind bereits am Ende der Wachstums- bzw. zu Beginn der Sättigungsphase zu erwägen, wenn Wettbewerbsvorsprünge durch gute Nachfolgeprodukte schwinden. Produktdifferenzierungen folgen spätestens in der Sättigungsphase. Sie führen zu einem parallelen Angebot von zusätzlichen Produktvarianten, um alte Zielgruppen zu halten und neue Zielgruppen zu gewinnen. Insofern sind Produktdifferenzierungen strategische Instrumente für eine systematische Marktentwicklung, wie bei der Darstellung der Produkt-/Marktmatrix von Ansoff aufgezeigt wurde. In der Niedergangphase kommt ein Zeitpunkt für den Rückzug aus dem Markt (Point of no Return). Man spricht auch von Produkteli­ mination. Das Produkt wird nicht mehr beworben. Es gibt Abverkaufsaktionen, und letztlich verschwindet das Produkt aus dem offiziellen Angebot. Im technischen Geschäft bleibt der Ersatzteilverkauf, der dann meist höhere Deckungsbeiträge erwirtschaftet als das Produkt in der Niedergangsphase.

Eine ergänzende Übersicht wesentlicher Merkmale in den unterschiedlichen Lebensphasen eines Produkts sind in Tabelle 4.2 Phasenabgrenzungen des Lebenszyklus zusammengefasst.

332 Man geht davon aus, dass nur 1 Produktidee von ca. 50–60 in einem erfolgreichen Neuprodukt endet. Kotler spricht vom „Dilemma der Neuproduktentwicklung“: Die Unternehmen sind trotz niedriger Erfolgsaussichten für ein Entwicklungsvorhaben zu Produktentwicklungen gezwungen: vgl.  Kotler et al., (Marketing-Management), 2017, S. 536.

„In der Praxis gelten 90% der neuen Produkte als Weiterentwicklungen (= Line Extensions).“

286 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

Tabelle 4.2: Phasenabgrenzungen des Lebenszyklus. Phasenabgrenzung für den Produktlebenszyklus Phase

Beginn

Ende

Strategische Stoßrichtung

Einführungsphase

Ab erstem Umsatz

Gewinnschwelle

Vertriebs-, Werbestrategie

Wachstumsphase

Gewinnschwelle

Maximale Wachstumsrate

Markenprofilierung

Reifephase

Sinkende Mengenzuwächse

Maximales Durchschnittswachstum

Produktvariation

Sättigungsphase

Maximales Durchschnittswachstum

Absatzmaximum

Produktdifferenzierung

Degenerationsphase

Absatzmaximum

Folgetechnologie etabliert

Abverkaufsmaßnahmen

Ausstiegsphase

Verlustzone in Aussicht

Produktelimination

Opportunistisches Verhalten

Die marktorientierte Unternehmensführung hat sich auf den Wechsel der Phasen einzustellen. Selbst eine gute Wettbewerbsposition in frühen Phasen des Lebenszyklus kann eine dauerhaften Markterfolg nicht garantieren. Diskontinuitäten, z. B. neue Rechtsprechungen oder plötzlich aufkommender Substitutionswettbewerb, können den Zyklus innerhalb kurzer Zeit wegbrechen lassen.333 Der Lebenszyklus kann auch nichts zum Markterfolg eines einzelnen Produktes eines Anbieters sagen. Produkterfindung und -gestaltung schaffen lediglich Grundvoraussetzungen. Der langfristige Produkterfolg hängt von Vermarktung und vom Konkurrenzverhalten ab. Hüttel formuliert die Herausforderungen der Produktpolitik aus Sicht des Produktlebenszyklus wie folgt: „Das Lebensrisiko von Produkten ist hoch, „unnatürliche Todesfälle“ sind an der Tagesordnung. In den meisten der genannten Fälle ist die Lebenszyklusphase des Verfalls noch nicht erreicht, wenn bereits die „Sterbeglocke“ läutet.“334

4.4.2 Orientierung an Produkt- und SGF-Portfolios Das Potenzial eines Leistungsangebotes wird in der Portfolio-Analyse durch den Marktanteil bzw. die relative Wettbewerbsstärke operationalisiert. Die Leistungsprogrammpolitik leitet ihre Produkt- und Programmentscheidungen aus Portfolio-Positionen ab. Aus der Positionierung

333 Vgl. Winkelmann, (Investitionsschübe), 1982, S. 1–3. 334 Hüttel, (Produktpolitik), 1998, S. 149.

4.4 Strategische Stoßrichtungen 

 287

der eigenen Produkte oder der eigenen Geschäftsfelder im Portfolio können diese in bekannter Weise in förderungswürdige und förderungsunwürdige Produkte getrennt werden (Question Marks/Stars/Cash Cows/Poor Dogs). Es ergeben sich Anhaltspunkte für Prioritäten für Produktvariationen, Produktdifferenzierungen oder Neuproduktentwicklungen. In der abschließenden Bewertung müssen diese Strategien für ein finanzwirtschaftlich ausgewogenes Portfolio sorgen. Die Positionierung der eigenen Produkte im direkten Vergleich mit den Angeboten der Konkurrenz legen unterschiedlichen Produktstrategien nah:335 – Für Question­Mark­Positionen: Die Produkte sind technisch zu optimieren. Marketing und Vertrieb müssen sie über die kritische Wachstumsschwellen in Star-Positionen mit hohen Marktanteilen drücken (Vorteil: Kostendegression!). – Für Star­Positionen: Diese sind durch Produktverbesserungen abzusichern. Produktvariationen und Programmergänzungen (Produktdifferenzierungen) zählen zu den Aufgaben der Modellpflege in der späteren Lebenszyklusphase. – Für Cash Cow­Positionen: Besondere F&E-Aktivitäten sind nicht mehr sinnvoll. Die Priorität gilt bereits dem Nachfolgeprodukt, dem Star von morgen. Ausnahme: Relaunch-Strategien, die durch gezielte technische Veränderungen und marktbezogene Aktionen versuchen, ein Produkt in der Cash Cow-Position zu stabilisieren und damit den Niedergang in die Poor Dog-Position zu verhindern. – Für Poor Dog­Positionen: Die Produktentwicklung wird endgültig eingestellt. Der Marktaustritt ist dann eine Marketing- und eine Kostenentscheidung. Mehr Details zur den Portfolio-Strategien sind in Kapitel 2 aufgeführt.

4.4.3 Orientierung an Positionierungen und Einzigartigkeiten Andere Produktstrategien orientieren sich konsequent am individuellen Kundennutzen: „Jede angebotene Leistung besitzt im subjektiven Blickwinkel der Kunden eine bestimmte Position im Markt.“336 Ein Käufer denkt und fühlt in individuellen Bedürfnis- bzw. Nutzenräumen. Es ist Aufgabe der Produktpositionierung, die Stellung eines Produktes im Nutzenraum der Käufer aufzuspüren (reale Produktposi-

335 Vgl. auch Meffert et al., (Marketing), 2019, S. 312. 336 Haedrich; Tomczak, (Produktpolitik), 1996, S. 136.

288 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

tion) und eine eigene, unverwechselbare Angebotsposition im Vergleich zu Konkurrenzprodukten zu definieren, so dass sich hieraus Ziele und Aufgaben für die Produktgestaltung und für die Marktkommunikation (Werbung) ergeben. Ein Produkt hat gute Erfolgschancen, wenn seine Produktposition im Nutzenraum mit der durchschnittlichen Wunschposition der Käufer der Zielgruppe übereinstimmt (ideale Produktposition). Was für einen Vertriebler der Unique Selling Proposition (USP) ist, ist für die Marketiers die Unique Customer Perception (UCP).

Ein Positionierungsverfahren läuft nach verschiedenen Schritten ab: (1) Zunächst sind kaufentscheidende Nutzeneigenschaften der Produkte im Wege von Käuferbefragungen zu eruieren (Marktforschungsprojekt). (2) Anschließend bewerten Käufer die Produkteigenschaften nach ihren individuellen Nutzenempfindungen (reale Produktpositionen). (3) Die gemessenen realen Produktpositionen werden in Nutzenport­ folios (in Eigenschaftsräumen) visualisiert. (4) Gleiches geschieht mit den zu vergleichenden Wettbewerbsprodukten. (5) Für das eigene Produkt ist dann eine sog. Unique Customer Percep­ tion (UCP/einzigartige Wahrnehmung durch Kunden) zu identifizieren. Wie nehmen Kunden das Produkt wahr? Welche besonderen Produktmerkmale bleiben Kunden in Erinnerung und grenzen das Produkt aus Sicht der Kunden vom Wettbewerb ab. (6) Entsprechend den kundenseitig geäußerten Idealvorstellungen zu einem Produkt (Wie sieht Ihr ideales Produkt aus?) lassen sich abschließend die Kunden im gleichen Eigenschaftsraum scannen. Das Ergebnis sind ideale Kundenpositionen im gleichen Präferenzraum. (7) Kunden, die im Nutzenraum in Gruppen nahe beieinander gruppiert sind, sind zu Kundensegmenten zusammenzufassen (ClusterBildung). (8) Es ist wichtig, Core Benefit Positionen ausfindig zu machen. Man hat dann eine Alleinstellung im Nutzenraum, die sich aber (noch) nicht mit den Kundenpositionen deckt. Abbildung  4.6 veranschaulicht die Vorgehensweise. Die Entfernungen zwischen den Kunden- und den Produktpositionen erlauben Prognosen über die Kaufwahrscheinlichkeiten für die einzelnen Produkte. Die Abstände lassen bestimmte strategische Stoßrichtungen sinnvoll erscheinen:

4.4 Strategische Stoßrichtungen 

 289

ZUSAMMENHANG ZWISCHEN PRODUKT- UND KUNDENPOSITIONIERUNG SOWIE AKTIVER UND PASSIVER POSITIONIERUNG hochpreisig

Core Benefit Position unsere Position

passive Positionierung

aktive Positionierung

konservativ

modern

Marktsegment-1 Marktsegment-2

= Produkt-Position = Kunden-Position

niedrigpreisig

Abbildung 4.6: Produkt- und Kundenpositionierung mit aktiver und passiver Positionierung.

Deckt sich die eigene Position im Nutzenraum mit einem Kundensegment, dann ist weniger die Leistungsprogrammpolitik gefordert als vielmehr eine segmentspezifische Kommunikations- und Vertriebsstrategie. Falls nicht, gilt es, das eigene Produkt hinsichtlich Design, Leistungsfähigkeit und Marktbotschaft mit einem tragfähigen Kundensegment zur Deckung zu bringen; d. h., das eigene Produkt neu zu positionieren. Zu unterscheiden sind reaktive (passive) und die aktive Positionierung:337 – Bei der reaktiven (passiven) Positionierung wird das Produkt an bekannte und bestehende Kundenwünsche angepasst. Man agiert mit defensiver Produkt- und aggressiver Wettbewerbsstrategie (auch: Strategie der Imitatoren). – Bei der aktiven Positionierung nach Ries und Trout werden Kunden in Richtung der Core Benefit Position beeinflusst. Es werden neue Nutzen und dadurch neue Märkte geschaffen. Bei der sog. Out­ 337 Diese Abgrenzung geht auf Tomczak zurück: vgl. Haedrich, Tomczak, (Produktpolitik), 1996, S.  143–150 sowie die dort angegebenen Originalquellen; ferner: Ries; Trout, (Positioning), 1986; Tomczak et al., (Marketingplanung), 2009, S. 174–183.

290 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

side­in­Orientierung werden latente, d. h. versteckt vorhandene (schlummernde) Bedürfnisse geweckt und die eigene Produkt-Problemlösung auf diese hin ausgerichtet. Ein Produkt weckt einen schlafenden Markt. Bei der Inside­out­Orientierung geht es um eine Produktlösung für noch nicht vorhandene Kundenbedürfnisse („Traumfabrik“). Das Produkt schafft sich seinen Markt. Hier spielt auch der Zeitgeist eine Rolle. Frage: Wann sind Konsumenten bereit für ein neues Bedürfnis?

Marktforschungen zufolge schaffen es deutsche Brauereien nicht, gegenüber Kunden starke Unterscheidungsmerkmale aufzubauen. Einzig Guiness oder Andechser haben bei Kunden starke einzigartige Images entwickelt. Quelle: Splendid Research 2019

Die wichtigste Frage bei der Vorbereitung eines Positionierungsverfahrens lautet: Welche sind überhaupt kaufentscheidenden Nutzenmerkmale (Positionierungskriterien), anhand derer die Produkte von den zu befragenden Konsumenten bewertet werden sollen? Zunächst sind die folgenden vier Anforderungen an Positionierungsmerkmale zu stellen:338 (1) Eine Nutzeneigenschaft muss für den Käufer relevant sein. (2) Eine Nutzeneigenschaft muss vom Käufer deutlich wahrnehmbar sein. (3) Eine Nutzeneigenschaft sollte dauerhaft stabil sein, d. h. ihre Bedeutung für die Käufer längerfristig behalten. (4) Die Unternehmung muss über das entsprechende Know how zur organisationalen Umsetzung der Nutzeneigenschaft verfügen. Diese Fragen sind relevant, wenn Nutzeneigenschaften a priori vorgegeben werden. Dies gilt für die zahlreichen Positionierungsansätze, bei denen pragmatisch mit zwei bipolaren Skalen gearbeitet wird. Die Positionierungsdimensionen sind dann z. B.: – niedrige/hohe Qualität versus niedriger/hoher Preis, – nicht modisches/modisches Design versus niedriger/hoher Preis, – niedrige/hohe Funktionalität versus niedriger/hoher Preis. Abbildung 4.7 zeigt einen typischen Eigenschaftsraum. Die Abbildung veranschaulicht, wie 36 Autofahrer bekannte Marken bewerten. Die Konsequenz aus dieser reaktiven Positionierung könnte ein Qualitäts-Upgrade für die Marke Renault sen. Die Wichtigkeit (Relevanz) der a priori festgelegten Nutzeneigenschaften wird durch Pretests überprüft. Auch bei positiven Vortests bleibt die Gefahr, wirklich wichtige Produkteigenschaften zu übersehen. Faktorenanalytische Verfahren können die verborgenen

338 Vgl. z. B. Haedrich, Tomczak, (Produktpolitik), 1996, S. 137 sowie die dort angegebene Literatur.

4.4 Strategische Stoßrichtungen 

 291

POSITIONIERUNG VON AUTOMARKEN Qualität Mercedes

Saab Renault

VW

Nische

Renault Alfa Romeo

Masse

Ford, Opel

Fiat

niedrige Qualität (Quelle: Plätzmann, ASW Sonderheft Marken 2003, S. 114) Abbildung 4.7: Exemplarische Positionierung von Automarken aus Sicht der Konsumenten.

Nutzenkriterien (die als Hintergrundvariablen wirken) aufdecken.339 Trotz dieser methodischen Schwachstelle ist die (pragmatische) Produktpositionierung heute ein unverzichtbares Instrument für die Bestimmung strategischer Stoßrichtungen der Leistungsprogrammpolitik dar. Eine UCP ist leicht zu verwechseln mit der Unique Selling Proposi­ tion (USP; Begriff geprägt von R. Reeves 1961), die ebenfalls auf Einzigartigkeit eines Produktes abzielt. Im Gegensatz zur UCP bezieht sich die USP nicht auf psychologische, sondern auf objektiv nachweisbare Einzigartigkeiten (als Ausdruck eines komparativen Wettbewerbsvorteils340) Begründungen für Unique Selling Propositions können sein: (1) ein Geheimrezept (gutes Beispiel: die Rezeptur von Nutella), (2) besondere Geschichte des Unternehmens, (3) besonderes, explizit notwendiges Know how, (4) ein Patent oder anderweitig schützbares intellektueller Wert, (5) einziger Anbieter mit einem Zugriff auf einen bestimmten strategischen Rohstoff,

339 Vgl. zur Anwendung der Faktorenanalyse im Rahmen der Produktpositionierung und zum Problem der „Faktorladungen“: Green, Tull, (Marketingforschung), 1982, S. 406 ff. 340 Vgl.  hierzu die Ausführungen von Backhaus; Voeth, (Industriegütermarketing), 2014, S. 13 ff.

USP (Unique Selling Proposition) und UCP (Unique Customer Perception): Wettbewerbsvorteile sind planbar. Das Geheimnis der Lindt-Schokolade: „Im Jahre 1879 gelang Rodolphe Lindt eine bahnbrechende Entwicklung, die den Weltruhm des Hauses Lindt und damit der Schweiz als Herkunftsland der feinsten Chocoladen bis heute begründet: Durch das sog. Conchierverfahren konnte erstmalig eine Chocolade hergestellt werden, die auf der Zunge zergeht... Die besondere Note aber bleibt ein kleines Geheimnis...“ (Aufdruck auf der Schokoladenverpackung)

292 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

(6) einziger Anbieter, der einen bestimmten Werkstoff (z. B. Titan) verarbeiten kann (aber nicht unbedingt einziger Anbieter im relevanten Markt). Ausgewählte Experten zählen auch werbliche Alleinstellungen (einzigartige Werbebotschaften) zu den Einzigartigkeiten – als Gegensatz zum Me too Angebot.341 Beispiele sind: Nichts ist unmöglich (Toyota), Im Falle eines Falles... (UHU), quadratisch-praktisch-gut (Ritter Sport), Strom ist gelb (Yello), Wenn´s um´s Geld geht (Sparkasse), Freude am Fahren (BMW), O2 can do. Dies lässt sich rechtfertigen, wenn Werbeaussagen oder Werbebilder den Charakter von Kultaussagen angenommen haben. Die Fachwelt spricht dann von Unique Communication Position (auch als UCP abgekürzt). Eine Einzigartigkeit nur auf Marketingkraft zu gründen, ist gefährlich. Slogans können sich abnutzen. Letztlich müssen Produktqualität und Service passen. Aktuelle Veröffentlichungen haben die verschiedenen Arten von Alleinstellungsmerkmalen noch einmal deutlich weiter analysiert. Der Begriff des Wertangebots (Value Proposition) soll zum Ausdruck bringen, was Kunden in den Angeboten der Unternehmen sehen. „Das Wertangebot ist der Grund, weshalb Kunden sich eher dem einen Unternehmen zuwenden als dem anderen. Es löst ein Kundenproblem oder erfüllt ein Kundenbedürfnis.  Jedes Wertangebot besteht aus einem Paket von Produkten und/oder Dienstleistungen, die sich um die Anforderungen eines bestimmten Kundensegments kümmern. … Manche Wertangebote sind innovativ und stellen ein neues oder durchschlagendes Angebot dar. Andere ähneln vielleicht bestehenden Marktangeboten, verfügen jedoch über zusätzliche Merkmale und Eigenschaften.“342 Tabelle  4.3 stellt 11 identifizierte Wertangebotsoptionen zusammen. Diese sind jeweils als Unterscheidungs- und Alleinstellungsmerkmale im Wettbewerb zu verstehen. Unternehmen werden jedoch in der Regel nicht nur auf ein zentrales Unterscheidungsmerkmal setzen, wie der Begriff des USP/Unique Selling Proposition unterstellt. Vielmehr wird auf eine Points­of­Differences­Positionierung gesetzt. Mehrere besondere Produkteigenschaften und Merkmale geben den Ausschlag, dass Kunden ein Angebot bevorzugen. Verschiedene Erwartungen der Kunden resultieren dabei auch in unterschiedlichen Bewertungen der 341 Vgl. Pepels, (Marketing), 2012, S. 97–98. Laut Pepels bringt eine UCP folgende Vorteile: Sie ist relativ sicher, denn ein Imitator würde sofort entlarvt. Sie ist unanfällig gegen den technischen Fortschritt, und sie lässt eine emotionalisierte Umsetzung in der Werbung zu. 342 Osterwalder, Pigneur, (Business Model Generation), 2011, S. 26.

4.4 Strategische Stoßrichtungen 

 293

Tabelle 4.3: Wertangebotsoptionen nach Osterwalder/Pigneur.343 Wertangebot

Beschreibung

1

Neuheit

Vollkommen neues Angebot

2

Leistung

Verbesserte Leistungen bei bspw. der neuen Technikgeneration

3

Anpassung an Kundenwünsche

Spezifische Bedürfnisse der Kunden werden berücksichtigt, kundengerechte Anpassung durch bspw. Mass Customization

4

Die Arbeit erleichtern

Hilfe für die Kunden darstellen durch z. B. Serviceleistungen

5

Design

Überlegens Design, bspw. bei Mode relevanter Aspekt

6

Marke/Status

Wert des Produktes liegt bspw. in der Zurschaustellung der Marke

7

Preis

Vergleichbarer Wert zu günstigere Preis, auch: Free&Freemium

8

Kostenreduktion

Kosten des Kunden werden durch den Kauf reduziert, bspw. durch Reduzierung von Aufwendungen bei Multi Purpose-Anwendungen

9

Risikominimierung

Risiken des Kaufs werden reduziert, bspw. durch verlängerte Garantien

10

Verfügbarkeit

Zugänglichmachung von Produkten und Dienstleistungen, die vorher nicht verfügbar waren, bspw. Low Cost Airlines/Städtetrips

11

Bequemlichkeit/ Anwenderfreundlichkeit

Beispielloser Komfort oder Bedienbarkeit, bspw. „seamless integration“ von Hard- und Software

Wettbewerbsvorteile. Somit sind im Wettbewerbsvergleich mehrere Besonderheiten herauszuarbeiten, um für viele Kunden Alleinstellungsmerkmale anbieten zu können. Ein UCP (in Bedeutung Kundenwahrnehmung), eine USP oder mehrere Points-of-Differences-Positionierungsmerkmale können einen einen langlebigeren Markterfolg absichern. Patente z. B. sind zeitlich begrenzt und können umgangen werden; ebenso wie die Käuferwünsche ständigen Wandlungen unterliegen (z. B. durch den Zeitgeist). Die Nachhaltigkeit einer Positionierung hängt ab von – der Stärke des Alleinstellungsmerkmals bzw. der Wettbewerbsdifferenzierung (Bsp.: Die geschützte lila Kuh von Milka), – der Größe bzw. Marktrelevanz der Zielgruppe, – dem Image des Anbieters, – dem Nutzenangebot (Grund- und Zusatznutzen) des oder der Produkte, – der Kontinuität in der Kommunikationspolitik, – eine politische Absicherung (Bsp.: Übergang zur Elektromobilität)

343 Quelle: eigene Darstellung auf Basis Osterwalder, Pigneur, (Business Model Generation), 2011, S. 26 ff.

294 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

Ein Positionierungsansatz ist keineswegs auf einzelne Produkte oder Marken beschränkt. Wie bei der Portfoliotechnik lassen sich Produktgruppen, Geschäftsfelder oder ganze Unternehmen positionieren. Leider werden vielfach die idealen Kunden(wunsch)positionen nur unzureichend analysiert. Es werden Ist-Positionierungen vorgenommen, wie im Beispiel der Abbildung 4.7.

4.4.4 Orientierung an Kernkompetenzen Die Produktpositionierung setzt die Philosophie des Marketing um, Leistungsangebote auf Kundenwünsche hin auszurichten. Meistens verändern sich Kundenwünsche graduell. Man bleibt auf bewährten Pfaden. Neuartige Kundenbedürfnisse können aber Neuausrichtungen des Leistungsprogramms verlangen. Dann ist zu überprüfen, ob man sich mit einer neuen Produktkonzeption noch im Rahmen seiner besonderen technischen und vertrieblichen Stärken, d. h. seiner Kernkompetenzen, bewegen würde. Kernkompetenzen sind besondere Fähigkeiten, Erfahrungen oder Ressourcen, die im Markt Vorteile gegenüber Wettbewerbern bieten.344 Kernkompetenzen besitzen für die Sicherung einer starken Marktposition hohen Wert, wenn fünf strategische Voraussetzungen erfüllt sind:345 (1) Sie sollten sich nicht nur in einem starken Produkt niederschlagen, sondern auch anderen Produktgruppen oder Unternehmensbereichen nutzen. (2) Sie sollten an Interessenten und Kunden kommunizierbar sein und dadurch einer Unternehmung den Zugang zu Märkten öffnen. (3) Sie sollten eine Fertigung von Produkten mit deutlichen und nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen erlauben, (4) sie sollten dauerhaft vermarktbar (5) und von Wettbewerbern nur schwer imitierbar sein. Eine USP ist oft Ausdruck einer nicht nachahmbaren Kernkompetenz.

344 Das gilt sicher nicht für den Fall, dass mehrere Wettbewerber die gleichen Kernkompetenzen aufweisen. Vgl.  zum Ansatz des Kompetenz-Management: Prahalad, Hamel, (Kernkompetenzen), in: HBM, 2/1991, S. 66–77, Haedrich, Tomczak, (Produktpolitik), 1996, S. 93–95. 345 Zu einigen Punkten vgl. Prahalad, Hamel, (Kernkompetenzen), in: HBM, 2/1991, S. 70.

4.4 Strategische Stoßrichtungen 

 295

Bisherige Kundenbedürfnisse

Neue Kundenbedürfnisse

Kernkompetenzen

Gesicherte Marktposition

Ausbau Leistungsprogramm

Keine Kern kompetenzen

Drei Überprüfungen der sog Fits, sollen bei neuen Produktideen vorgenommen werden: (1) Kernkompetenz­Fit: Trifft das Produkt die eigene Kernkompetenz? (2) Strategie­Fit: Passt das Produkt in die laufende Marktstrategie, insbesondere in die Markenstrategie? (3) Herstellungs­Fit: Lässt sich das Produkt auf den bestehenden Produktionsanlagen fertigen oder sind Investitionen erforderlich?

Opportunistische Geschäfte

Kompetenzentwicklung durch bspw. Zukauf

Abbildung 4.8: Kompetenzfits.

Abbildung  4.8 zeigt strategische Stoßrichtungen auf. Nischenanbieter konzentrieren sich konsequent auf eine Kernkompetenz und verzichten auf Kundengruppen mit außerhalb ihrer Fähigkeiten liegenden Bedürfnissen. Auf Kernkompetenzen kann sich die Unternehmung nicht ausruhen. Im strategischen Planungszeitraum muss sie sich wandelnden Kundenbedürfnissen anpassen. Herausforderungen entstehen durch Diskontinuitäten, wenn Marktwünsche plötzlich in Richtungen laufen, die mit bisherigen Kernkompetenzen nicht mehr abgedeckt werden können. Erwähnt sei z. B. der mittlerweile vollzogene Wandel von der TV-Bildröhre zum Flachbildschirm oder der Wandel zur Elektromobilität. Die Portfoliotechnik geht gemäß Erfahrungskurveneffekt davon aus, dass hohe Marktanteile starke Kernkompetenzen fördern. Kernkompetenzen sind Ausdruck fortgeschrittener Positionen auf der Erfahrungskurve. Das muss aber nicht so sein. Es gibt Beispiele für Unternehmen, die mit kleinen Marktanteilen Kernkompetenzen in Marktnischen ausspielen. Generell ist anzunehmen, dass Umsatzrenner Stärken des eigenen Leistungsprogramms widerspiegeln. Um Stärken zu finden und gezielt auszubauen, sollte untersucht werden, welche Produkte absatz-, umsatz- oder ergebnismäßig hohe Anteile am Leistungsprogramm inne-

296 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

halten. So bieten sich Programmstrukturanalysen als Instrumente für die Ist-Analyse des Leistungsprogramms an.

4.4.5 Orientierung an kaufmännischen Programmstrukturen Nach strategischen Betrachtungen folgt ein Blick auf kaufmännische Erfolgsdaten der Produkte. Das Controlling gibt der Produktpolitik wichtige Orientierungen. Die klassische ABC-Analyse346 untersucht, wieviel Prozent der Produkte, Produktgruppen oder Geschäftsfelder wieviel Prozent von einer Erfolgsgröße (z. B. Absatz, Umsatz, DB) erreichen. Die Untersuchungsobjekte werden dazu in eine Rangfolge gemäß ihren Prozentanteilen an der Bezugsgröße gebracht. Programmstrukturanalysen gibt es je nach Bezugsgröße:347 (1) Absatz­Strukturanalysen beziehen die Absatzmengen einzelner Produkte auf den Gesamtabsatz und analysieren Mengenkonzentrationen. Wieviel Prozent der Produkte vereinen wieviel Prozent der Mengenkapazität? In welcher Konzentration ist die Kapazitätsauslastung von wenigen Absatzträgern abhängig? Wieviel Prozent vom Absatz halten andererseits Produkte mit nur geringen Verkaufsmengen, etc.? (2) Umsatz­Strukturanalysen setzen entsprechend an der Umsatzrangfolge an. Sie weisen die Umsatzkonzentrationen für sog. Renner und Penner aus. Während Absatzstrukturanalysen aus Sicht der Fertigung sinnvoll sind (Kapazitäts-, Beschäftigungsabhängigkeiten), erfolgen Umsatzstrukturanalysen eher aus finanzwirtschaftlichen Erwägungen (Produktabhängigkeiten des Cash-Flows). (3) Deckungsbeitrags­Strukturanalysen berechnen Produktrangfolgen nach Gewinnbeiträgen und analysieren die Gewinnabhängigkeiten von Produkten oder von Großkunden, die diese Produkte in großen Mengen beziehen. (4) Kunden­Strukturanalysen analysieren in gleicher Weise Kundengruppen. (5) Alters­Strukturanalysen clustern Angebotsleistungen nach Produktalter.

346 Vgl. z. B. Winkelmann, (Vertriebskonzeption), 2012, S. 344–350. 347 Eine Kundenstrukturanalyse ist ebenso aufzubauen, so dass hier auf die Darstellung des Rechenganges verzichtet werden kann. Vgl. die Darstellung bei Hüttel, (Produktpolitik), 1998, S. 163–171 oder das Beispiel bei Winkelmann, (Außendienst-Management), 1999, S. 103.

4.4 Strategische Stoßrichtungen 

 297

Im Hinblick auf hohe Fertigungs- und Bearbeitungseffizienz gilt es als vorteilhaft, wenn das Geschäft auf wenigen starken Produkten ruht (Vorteil der Konzentration der Kräfte). Andererseits können hieraus Abhängigkeiten resultieren. Das Ziel einer Risikomischung würde für eine ausgewogene Zahl gleich starker Produkte sprechen. Strukturanalysen erlauben Aussagen, in welcher Balance diese kontroversen, leistungsprogrammpolitischen Zielsetzungen zueinanderstehen. Im Idealfall halten absatzstarke (umsatzstarke) Produkte auch hohe Ergebnisanteile. Dies entspräche dem Phänomen der Erfahrungskurve mit sinkenden Durchschnittskosten bei zunehmenden Fertigungsmengen. In der Praxis ist das nicht immer der Fall. Großkunden üben erheblichen Druck auf die Preise aus. Die absatzstarken Produkte sind oftmals nur Kapazitätsfüller. Ihre prozentualen Ergebnisanteile liegen weit unter ihren Beiträgen zur Kapazitätsauslastung. Ergebnisrisiken sind die Folge. Eine ausgewogene Altersstruktur im Produktprogramm entspricht dem Idealbild eines ausgewogenen Portfolios.  Für eine Altersstrukturanalyse sind die Produkte den verschiedenen Lebenszyklusphasen zuzuordnen. Das Alter eines Produktes sollte durch seine Lebenserwartung relativiert werden.348 Wie aufgezeigt, gestalten sich die Produktzuordnungen zu Lebenszyklusphasen in der Praxis schwierig – abgesehen von eindeutigen Technologiebezügen (z. B. bei Computer-Chips). Unternehmen behelfen sich durch pragmatisches Erfassen der Zeiträume seit Markteinführung eines Produktes.  Neue Produkte sind idR. Produkte mit der Markteinführung im laufenden Jahr. Junge Produkte wurden vor  2–3 Jahren eingeführt. Über drei Jahre am Markt sind Produkte senior und werden als alte Produkte bezeichnet. Abbildung  4.9 liefert hierzu ein Beispiel. Nach der Auswertung ist das technisch stark standardisierte Geschäftsfeld Telekommunikation am wenigsten innovativ. Hier halten die älteren Produkte einen Umsatzanteil von mehr als 65 Prozent. Der Bereich Spezialkabel ist dagegen wegen des Marktdrucks zu kundenindividuellen Problemlösungen viel stärker zu Produktneuheiten gezwungen. Fast 50 Prozent beträgt der Umsatzanteil der Markteinführungen. Auf ein Praxisproblem ist hinzuweisen: Sind Zulieferer in starkem Maße an OEM-Kunden gebunden, dann ist ihre Produkt-Altersstruktur von der Innovationkraft der OEMKunden abhängig.

348 Vgl. Hüttel, (Produktpolitik), 1998, S. 168–169, der auf die richtige Vorgehensweise bei der Altersstruktur-Analyse aufmerksam macht.

298 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

DIE PRODUKT-ALTERSSTRUKTUR DER GESCHÄFTSFELDER Energiekabel

Telekom-Kabel

Spezialkabel

neue Produkte

160

140

200

500

junge Produkte

420

280

150

850

alte Produkte (in 1000 EUR)

GESAMT

220

850

80

1350

800

1270

430

2700

PRODUKT-ALTERSSTRUKTUR 100%

in % vom Jahresumsatz

90% 80%

1350

70%

850

60% 50% 40%

80

220

420 850

30% 280

20% 10%

160

0%

alte Produkte junge Produkte neue Produkte

150

Energiekabel

200 500

140 Telekom-Kabel

Spezialkabel

GESAMT

Geschäftsfelder

Abbildung 4.9: Beispielhafte Altersstrukturanalyse eines Produktprogramms.

4.4.6 Orientierung am Dreiklang erfolgreicher Produkte Im Rahmen der strategischen Ausgangsüberlegungen zur Produktpolitik bietet der Dreiklang erfolgreicher Produkte eine ganzheitliche Klammer für produktpolitische Entscheidungen.349 Abbildung 4.10 zeigt die drei Elemente. Wie bereits bei der Darstellung der Nutzendimensionen ersichtlich, muss ein Produkt auf nachfragende Kunden treffen. Die Kunden müssen den Mehrwert des Produkts erkennen und bereit sein, dafür den gefor-

349 Vgl. Biermann, Erne, (Nachhaltiges Produktmanagement), 2020, S. 263 f.

4.5 Produktinnovation 

 299

marktfähig

lieferbar

es reich erfolg ukt Prod

profitabel

Abbildung 4.10: Dreiklang erfolgreicher Produkte.350

derten Kaufpreis zu zahlen. Erst wenn ein Produkt auch aktiv nachgefragt wird, ist seine Marktfähigkeit unter Beweis gestellt. Das Produkt muss darüber hinaus auch in der versprochenen Qualität und Quantität lieferbar sein. Unternehmen müssen benötigte Fertigkeiten und Kapazitäten aufbauen oder bei verbundenen Unternehmen vertraglich sichern. Die Lieferqualität ist in diesem Zusammenhang ebenfalls essenziell für die Etablierung eines erfolgreichen Produkts. Neben Kunden- und Herstellungssichtweise zeichnet sich ein erfolgreiches Produkt noch durch die Profitabilität aus.  Es muss sich mittelfristig selbst aus Erträgen finanzieren und so einen Teil zum unternehmerischen Gesamterfolg beitragen.

4.5 Produktinnovation 4.5.1 Innovationsformen Von Schumpeter stammt das Bild eines innovativen Unternehmers, der durch schöpferische Energie die Wirtschaft vorantreibt.351 Hauschildt spricht von Innovationen, wenn Produkte (Produktinnovationen) oder Verfahren (Prozessinnovationen) für eine Unterneh-

350 Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Biermann, Erne, (Nachhaltiges Produktmanagement), 2020, S. 264. 351 Schumpeter, (Entwicklung), 1912, S.  15: „Es ist jener Typus, der hedonistisches Gleichgewicht verachtet und nicht ängstlich auf das Risiko blickt.“ (s. auch den Nachdruck 2006).

Tintenstrahldrucker werden vielfach von Herstellern zum Selbstkostenpreis verkauft. Erträge erwirtschaften die Unternehmen dann in Folge mit nachgekauften Tintenpatronen. Im Media Markt waren 2017 Epson-Tintenpatronen mit einem Liter-Vergleichspreis von 7.998,-€ ausgewiesen.

300 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

mung grundsätzlich neu sind352 und/oder innerhalb einer Unternehmung oder einer Branche erstmalig eingeführt werden.353 Im Sinne des Marketing sprechen Käufer von einer Innovation, wenn sie ein Produkt subjektiv als neuartig empfinden. Innovationen werden als Elemente eines übergeordneten, unternehmerischen Kreativitätsprozesses verstanden. Dieser läuft volkswirtschaftlich in drei Phasen ab: – von der Invention oder Erfindung – über die Innovation und Umsetzung zur Marktreife – bis zur Diffusion und Markteinführung. Der Innovationsbegriff i. e. S. bezieht sich auf die Phase der Realisierung einer Erfindung.354 Der Innovationsbegriff i. w. S. umschließt den gesamten Prozess der Neuproduktentwicklung. Auf Basis einer Theorie entsteht das erste wissenschaftlich abgesicherte Grundlagenwissen. Ursachen- und Wirkungszusammenhänge dienen der Erläuterung von neuem Wissen. Auf dieser Basis kann Technologie entwickelt werde, die durch angewandte Forschung Schritt für Schritt in verwertbare Produkte umgewandelt werden. Erst die Marktreife beschreibt den Übergang zur wirtschaftlichen Nutzung. In diesem Abschnitt werden Produktentwicklungen betrachtet, die für ein Unternehmen einen erheblichen Neuigkeitsgehalt aufweisen. Ihre Markteinführung ist mit großen unternehmerischen Chancen, aber auch mit Risiken verbunden. Innovationen werden auf vielfältige Weise klassifiziert: – Nach dem Neuigkeitsgehalt (der Innovationsintensität): – echte Innovationen sind Weltneuheiten (Basisinnovationen, Break-through-Innovationen), – Quasi-Innovationen sind stark an bestehende Produkte angelehnt (z. B. der Schritt von einer Produktgeneration zur nächsten), – Scheininnovationen versuchen dem Verbraucher eine radikale Neuartigkeit zu präsentieren. Die bisherigen Produkte sind dabei jedoch wenig verändert worden.

352  „Der Begriff Innovation bedeutet in allgemeiner Form, etwas Neues zu schaffen“, Scharf et al., (2009), S. 284. 353 Vgl. Hauschildt, Salomon (2011), S. 3–23. 354 Der Erfinder wäre danach also noch kein Innovator. Innovatoren brauchen nicht die Erfinder zu sein. Erfindungen, die z. B. als Patente in Aktenschränken verstauben (Schubladenpatente), werden demnach nicht zu Innovationen.

4.5 Produktinnovation 







 301

Nach Branchenauswirkungen: – Ergänzungsinnovationen erweitern das Warenangebot, – Substitutionsinnovationen lösen infolge von Technologieaustausch ganze Branchen ab (z. B. haben Smartphones die sog. Featurephones (Tasten-Handys) abgelöst). Nach der Innovationszielsetzung:355 – Innovationen, die veraltete Produkte ablösen, – Innovationen, die zusätzliche Nachfrage schaffen, – Innovationen, die eine (temporäre) Alleinstellung im Markt begründen, – Innovationen, die das Unternehmensimage verbessern, – Innovationen, die den Einstieg in ganz neue Marktbereiche ermöglichen (Diversifikation). Nach einer Raumdimension: – globale Innovationen beanspruchen weltweite Geltung, – regional begrenzte Innovationen beschränken sich auf Gebiete (z. B. Europa).

Der unternehmerische Innovationsprozess sollte nicht nur vom technischen Fortschritt (Technology­Push), sondern auch von neuen Kundenbedürfnissen (Need­Pull) beflügelt werden. Diese kündigen sich i. d. R. durch frühe Signale an. Bei einer marktorientierten Unternehmensführung treiben Kundenbedürfnisse den Innovationserfolg: Das virtuelle Küken Tamagotchi war objektiv völlig nutzlos. Es traf aber ein echtes Käuferbedürfnis und fand deshalb kurzfristig einen gigantischen Markt.356 Jeschke liefert Abgrenzungen von Innovationsarten, die in Tabelle 4.4 zusammengefasst sind. Zum Innovieren geht ein erster Antrieb vielfach von Top-Verwendern aus.  Sie sind beste Innovationsquellen, wenn es um Weiterentwicklungen und Spezialfragen geht. Aber auch der Ansatz, bei bisher vernachlässigten Bevölkerungsschichten nach innovativen Lösungen zu suchen, kann zu Innovationen anstoßen. Der sog. „bottom­of­the­py­ ramid“­Ansatz von Prahalad und Hammond zeigt eindrucksvoll, wie die gezielte Suche nach Innovationen für bisher nicht zu erreichende Märkte am unteren Ende der Einkommensskala Innovationen auch für höherwertige Märkte fördert.357 355 Oder, wie Witt ausführt, der Innovationsform: vgl.  Witt, (Produktinnovation), 1996, 1–2. 356 Vgl. Trommsdorff, Binsack, (Innovationen), in: ASW, 11/1997, S. 64. 357 Siehe dazu u. a. Prahalad, Hammond, (Serving), 2002, S. 49 ff.

302 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

Tabelle 4.4: Innovationsarten.358 Innovation

Beschreibung

Ansatz

Informationsbedarf

Marginale Optimierung

Detailverbesserung bei einem bestehenden Angebot, bspw. Öffnungsmechanismus bei Verpackung.

Kosteneinsparung oder Verbesserung von Nebenaspekten bei bestehenden Kunden.

Qualitätswahrnehmung, Präferenzstruktur.

Produktvariationen

Ausbau Programmtiefe durch Variierung des bestehenden Angebots, bspw. Geschmackvarianten.

Nachfrageausweitung bei bestehenden Kunden durch Variation im Angebot.

Differenzierungspotenzial beim Kunden.

Produktsorten

Ausbau Programmbreite durch funktionale Novität, basierend auf etabliertem Angebot, bspw. Einführung von Eistee zu bestehenden Soft Drinks.

Gewinnung von Neukunden neben Nachfrageausweitung bei bestehenden Kunden.

Potenzial für Line Extension ohne Markenverwässerung.

Neue Generation

Eigenständige Neuheit unter Bezugnahme auf in der Vergangenheit etabliertem Angebot, bspw. New Beetle.

Gewinnung von Neukunden und früheren Kunden durch Bezugnahme zu Altbewährtem.

Akzeptanz für Kombination von Tradition und Innovation, potenzielles Nachfragevolumen.

Originäre Neuentwicklung

Funktionaler und technischer Quantensprung, bspw. MP3Player.

Gewinnung von Neukunden in neuen Marktsegmenten.

Akzeptanz- und Systembarrieren.

Beim 4P-Ansatz werden Innovationen nach 4 grundlegenden Ausrichtungen unterschieden. Abbildung  4.11 zeigt die verschiedenen Dimensionen Produkt, Prozess, Positionierung und paradigmatische Innovation. Paradigm

Process

INNOVATION

Product

Position Abbildung 4.11: 4 P des Innovationsmanagement.

358 Quelle: Jeschke, (Entscheidungsorientiertes Management), 2020, S. 241.

4.5 Produktinnovation 

 303

(1) Produktinnovation: Wenn Produkte oder Dienstleistungen erstmalig auf den Markt kommen, sind es klassische Produktinnovationen. Diese Art der Innovation ist vielfach eine Domäne von Start Up’s, da sich diese schnell auf neue Herausforderungen anpassen können. Aber auch Großkonzerne können mit Produktinnovationen auf dem Markt reüssieren. Dazu bedarf es einer Innovationskultur im Unternehmen, die risikobehaftete Innovationen fördert. (2) Prozessinnovationen: Wenn Abläufe grundsätzlich und kreativ neu sind, spricht man von Prozessinnovation. Sozialinnovationen bewirken neue zwischenmenschlich orientierte Abläufe, Strukturinnovationen verändern Unternehmen. (3) Positionale Innovation: Wird ein neues Preis-/Leistungsversprechen entwickelt oder ein Produkt oder eine Dienstleistung auch auf anderen, bisher nicht adressierten Märkten eingesetzt, wird dies als positionale Innovation beschrieben. airBnB ist als Plattform für Übernachtungen während einer Konferenz gestartet. Mittlerweile ist airBnB eine vollwertige Tourismus-Plattform, die neben Urlaubsreisen auch Experiences und Erfahrungen vor Ort vermittelt. Auch die Kombination von Discount-Preisen mit herausragenden Leistungen kann ein neues Preis-/Leistungsverhältnis beschreiben. Die Hotelkette Motel One bietet Design-Hotelzimmer zu einem sehr niedrigen Preis an. (4) Paradigmatische Innovation: Produkt bekommen durch vollkommen neue Lösungsansätze für die Erfüllung von Kundenbedürfnisse neue Konkurrenz. airBnB ist als Wettbewerber für die klassische Hotelindustrie entstanden, obwohl zu Beginn nur private Wohnungen vermittelt wurden, airBnB hat ein Paradigma aufgebrochen. Nicht nur professionelle Hotelbetreiber oder Inhaber von Ferienwohnungen können Übernachtungen anbieten. Über die Plattform airBnB können auch Privatpersonen Übernachtungsmöglichkeiten offerieren. Innovieren um jeden Preis ist nicht sinnvoll. Auch die Entscheidung zur Nicht-Innovation (Unterlassungsalternative) oder eine Marktfolger-Strategie mit den Möglichkeiten des Nachahmens oder des Lizenzkaufs können sich im Einzelfall als strategisch sinnvoll erweisen.359 Marktführer allerdings sind gezwungen, permanent nach innovativen Ideen zu suchen; nicht nur im Bereich F&E. Zur Schaffung von Wettbewerbsvor-

359 Vgl. Hauschildt, Salomo, (Innovationsmanagement), 2011, S. 47–50.

Die Boston Consulting Group kürt jährlich die innovativsten Unternehmen der Welt. Das Ranking aus 2021: (1) Apple, (2), Alphabet, (3) Amazon, (4) Microsoft, (5) Tesla.

304 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

sprüngen ist Innovation keine Domäne der Ingenieure, sondern Dauerverpflichtung jeder marktorientierten Führungskraft.360 Wie kann ein kreatives Klima für eine permanente Suche nach Verbesserungen und Neuerungen gefördert werden? Banal klingen Forderungen nach einem guten Führungsklima und einem kreativen Umfeld für die mit Produktentwicklungen befassten Mitarbeiter. Darüber hinaus sind Voraussetzungen zu schaffen, die den menschlichen Erfindergeist beflügeln und zur Ideenpreisgabe motivieren. Tabelle 4.5 fasst wesentliche Erfolgsfaktoren zusammen. Tabelle 4.5: Schlüsselfaktoren für den Innovationserfolg. Schlüsselfaktoren für den Innovationserfolg 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Produktüberlegenheit durch einzigartigen Nutzen Klare Produkt- bzw. Projektdefinitionen Ausnutzen von Technologie-Synergien und strategischen Partnerschaften Systemische Vorbereitung der eigentlichen Produktentwicklung Qualitätsgesicherte Umsetzung der technischen Vorteile Strategische Planung der Markteinführung Time-to-Market: Zeitpunkt der Markteinführung geschickt planen Mit Marktwiderständen und Konkurrenzreaktionen rechnen Innovationen durch Patente und Schutzrechte sichern

Ergänzend ist zu berücksichtigen – Merk- und Lernfähigkeit der Organisation ist zu entwickeln. Das schließt regelmäßige Außenimpulse für die Führungskräfte auf Weiterbildungsseminaren, Kongressen, Symposien etc. ein. – Eigensinn und Unbeirrbarkeit unkonventionell denkender Mitarbeiter sind zu tolerieren, sofern deren Ideen der Gemeinschaft zugutekommen. Experimentierfreude und Spieltrieb sind zu fördern. Wie lange wurde experimentiert, ein Stein auf einem Holzscheit zu reiben, bis sich ein Feuer entfachte? – Ideen sind mit finanziellen Anreizen zu fördern. Hierzu zählt auch ein betriebliches Vorschlagswesen mit Mitarbeiter-Belohnungen, die vielfach dabei jedoch nur für nachweisbare Kostensenkungen gewährt werden. – Verbesserungsvorschläge müssen verfolgt und umgesetzt werden. Veränderungen müssen organisiert werden (Change-Management).

360 Vgl.  zur „Dauerverpflichtung“: Hauschildt, Salomo, (Innovationsmanagement), 2011, S. 50.

4.5 Produktinnovation 





 305

Besonderer Fokus auf ehrgeizige Ziele, mit denen sich die Mitarbeiter identifizieren oder ein „gemeinsamer (Markt-) Gegner“ spornen die Erfindertätigkeit der Mitarbeiter an. Es ist nicht einzusehen, warum Innovationsvorschläge (Verbesserungsvorschläge) immer von Seiten der Technik erwartet werden. Auch Mitarbeiter von Marketing und Vertrieb sollten angeregt werden, Verbesserungsvorschläge aus den Kundenkontakten heraus in die Unternehmung zu tragen.

Zahlreiche empirische Studien versuchen hinter das Geheimnis des Innovationserfolges zu kommen.361

4.5.2 Strategien der Innovationsübernahme Produktideen können auch betriebsextern bezogen werden. Viele Einzelerfinder bringen ihre Ideen nicht selbst zur Marktreife und -einführung: (1) Innovationskauf: Kleine Ingenieurbüros oder Großunternehmen, die bestimmte Erfindungen nicht selbst nutzen wollen oder können, bieten Inventionen zum Kauf an. Diese werden marktfähig gehandelt und von kapitalkräftigeren, bezüglich Ressourcen und Organisation besser gestellten Unternehmen zur Marktreife geführt. (2) Joint­Venture-Gründung: Unternehmen teilen sich das Innovationsrisiko. Sie bündeln Investitionskapital und betreiben die Umsetzung zur Marktreife gemeinsam in Form eines Profit Center mit eigener Rechtspersönlichkeit. (3) Firmenübernahme: Einen Schritt weiter geht die Strategie kapitalkräftiger Unternehmen, nicht nur die Innovation, sondern gleich das ganze innovative Unternehmen zu kaufen. (4) Beim Lizenzkauf bleibt die Innovation im Eigentum des Erfinders, der sie Dritten zur Nutzung anbietet. Die Lizenznahme kann folgende Vorteile haben: – Der Lizenznehmer erhält Zugang zu einer Technologie, die ihm sonst verschlossen bleibt. – Er erhält ohne Zeitaufwand schnell Zugang zum Know how – ohne F&E-Ressourcen und Kapital aufbringen zu müssen.

361 Vgl.  z. B. die Zusammenstellung bei Hauschildt, (Innovationserfolg), in: ZfB, 4/1991, S. 451–476.

306 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

(5) Imitation: Innovationen werden oft schnell kopiert. Imitatoren verfolgen gezielt die Strategie, Markteintrittsbarrieren (einschließlich Patente) zu umgehen und Vorsprünge des Innovators wettzumachen. Die Imitationsstrategie ist vor allem dann erfolgreich, wenn der Innovator noch nicht in hohe Marktanteile gekommen ist bzw. – wie die Telekom – Kostendegressionen nicht rechtzeitig zum Anlass für konkurrenzabschreckende Preissenkungen genommen hat. Profitable Märkte ziehen dann zwangsläufig Imitatoren an.

4.5.3 Strategien des Trend-Managements

„Am Anfang schaute ich mich um, konnte aber den Wagen, von dem ich träumte, nicht finden. Also beschloss ich, ihn mir selbst zu bauen.“ (Prof. Dr.-Ing. h.c. Ferdinand Porsche)

Marktorientierte Unternehmensführung bedingt, frühe Signale für neue Marktströmungen aufzugreifen. Trends sind im Hinblick auf eigene Marktchancen zu beurteilen, um neue Trends frühzeitig zu erkennen. Die Herausforderung liegt im Schritt von der Wahrnehmung (Trendscou­ ting) über Reaktion (Trendanpassung) zur Aktion (Trendgestaltung). Die Verbreitung (Diffusion) von Trends ist das Ergebnis aus einem Zusammenspiel von sozialen, ökonomischen, technischen und politisch-gesellschaftlichen Umfeldentwicklungen. Aus Sicht marktorientierter Unternehmensführung sind Trends nicht nur als Rahmenbedingungen (passiv) zu akzeptieren. Sie sind innerhalb gewisser Grenzen beeinflussbar und gezielt nutzbar. Schuster führt hierzu aus: „Damit ist Trendforschung ein wichtiges Instrument, um Märkte mit innovativen Leistungsangeboten zu kreieren bzw. um etablierte Märkte weiterzuentwickeln.“362 Die für ein Trend-Management geeigneten Methoden sind in Abbildung 4.12 zusammengestellt.363 Die durch Trendforschung gewonnenen Informationen sind nach Schuster im Rahmen eines systematischen Trend-Managements umzusetzen. Hierzu sind trendfolgende und trendsetzende Prozesse zu definieren.

4.5.4 Innovative Produktentwicklung Abbildung 4.13 zeigt die Schritte bei der Produktentwicklung mit begleitenden Marketingaktivitäten auf.

362 Vgl. auch im folgenden Schuster, (Design-Management), 2000, S. 143. 363 Vgl. Schuster, (Design-Management), 2000, S. 144 ff.

4.5 Produktinnovation 

 307

ANSÄTZE DES TREND-MANAGEMENTS Methode der Trend-Spezifizierung Muster: Beispiel: Trend-Management:

ein allgemeiner Trend fächert sich in Sub-Trends auf Körperdekorationsbewegung:Tattoos, Piercing, Bodypainting, Burning Laufende und systematische Erfassung von schwachen Signalen, permanenter Kontakt mit der Szene (mit Innovatoren, Meinungsführern, Journalisten) Methode der Trend-Verschmelzung

Muster: Beispiel: Trend-Management:

Zusammenführung mehrer Trends zu einem übergeordneten Trend Wellness-Trend als Amalgam aus den Bedürfnissen nach physischem und psychischem Wohlbefinden Neudefinition des Marktes, Entwicklung zielgruppenspezifischer Leistungsangebote, begleitende Kommunikationspolitik Methode der Trend-Demokratisierung

Muster: Beispiel: Trend-Management:

vom Exklusiven, Höherpreisigen zum Durchschnittlichen (Mainstream) Produkte und Dienstleistungen der Mobilkommunikation Nutzung aller Möglichkeiten zur Kostenreduktion, Produktvereinfachung und „Abspecken“ von Leistungen, Erschließung neuer Vertriebswege Methode der Trend-Aufwertung

Muster: Beispiel: Trend-Management:

vom Marginalen, Ungewohnten zum Akzeptablen (aus Mainstream-Perspektive) „Domestizierung“ von Extrem-Sportarten mit Erlebniswerten (Thrill) für breitere Konsumentenschichten: Rafting, Canyoning, Free Climbing Anpassung des Leistungsangebotes, insbesondere Produktdesign und ergänzende Serviceleistungen (Schulungen etc.), Marktöffnung durch neue Vertriebswege, unterstützende Umpositionierung mit Hilfe der Kommunikationspolitik

Methode des Trend-Transfers Verbreitung von einem Kulturkreis in einen anderen Übernahme von Produken der Naturvölker-Kosmetik in hochentwickelte Märkte: Hautschutz durch Pflanzencreme aus afrikanischer Sheabutter Trend-Management: konsequente internationale Umfeldbeobachtung, Zusammenarbeit mit Länder- bzw. Kulturexperten Methode der Trend-Umkehr Muster: Entwicklung einer Gegentendenz als Folge eines bereits manifestierten Trends Beispiel: Entstehung von Relax-Drinks als Reaktion auf die Energy-Drink-Welle Trend-Management: laufender Kontakt mit den Produktverwendern, neue Segmentierung des Marktes, innovatives Produktkonzept Quelle: Design-Management FH Landshut - Prof. Dr. H.W. Schuster Muster: Beispiel:

Abbildung 4.12: Ansätze für ein Trend Management.

Die Literatur geht oft von der Anfangssituation des leeren Tisches oder der grünen Wiese aus. Man tut so, als gäbe es noch kein Produkt. In diesem Fall beginnt die Suche nach innovativen Produktideen unter Einsatz von sog. Kreativitätstechniken.364 Zu diesen zählen z. B. Brainstorming, Methode 635, Synektik oder die Methode des morphologischen Kastens.365

364 Vgl. zu diesen Verfahren Weiß, (Marketing), 2004, S. 256–263. 365 Vgl. die Übersicht bei Pepels, (Marketing), 2012, S. 454–455.

308 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

Technischer Fortschritt

Zeitgeist, Kundenbedürfnis

Patente, Schutzrechte

Reklamationen

Analyse Konkurrenz

Kundenanregungen

Fachpresse, Fachmessen

Vorschlagswesen

Screening, Vorauswahl Produktspezifikationen Wirtschaftlichkeitsrechnung Produktentwicklung und Labortests Markttests, Lead User Null-Serie

Fertigungsfreigabe

Markteinführung

Vorbereitende Aufgaben Marketing –Abgleich mit Kernkompetenzen –Einpassen in Marketingstrategie –Branding-Strategie –Wettbewerbsvergleich –Positionierung u. Nutzenkonzept –Kosten- und Preisstrategie

Kernaufgabe des Marketing –Produktgestaltung –Verpackung –Servicekonzept

Implementierende Aufg. Marketing –Kommunikationskonzept –Copy Strategie –Einführungsstrategie –Information an Absatzhelfer –Anpassung Preiskommunikation –Übernahme im operative Planung

Abbildung 4.13: Innovations- und Produktentwicklungsprozess.

UHRKONSTRUKTION MIT MORPHOLOGISCHEM KASTEN Extensionale Merkmale

Intensionale Merkmale

Bekannte und mögliche Lösungen 1. Energiequelle 2. Energiespeicher 3. Motor 4. Geschwindigkeitsregler 5. Getriebe 6. Anzeige

Aufzug von Hand Gewichte Federmotor Fliehkraftregler Zahnrad Zeiger, Zifferblatt

Abbildung 4.14: Morphologischer Kasten.

Stromnetz Feder Elektro Hippscher-Pendel Kette LCD

Batterie Akkumulator Hydraulik Netzfrequenz Magnet Wendeblätter

4.5 Produktinnovation 

 309

Abbildung 4.14 zeigt als Beispiel einen morphologischen Kasten. Eine Produktidee entsteht und wächst durch systematische Ideenkombinatorik.366 Kreativtechniken eignen sich keinesfalls nur für eine Ideensuche im Rahmen der Innovationspolitik. Sie lassen sich auf vielfältige kaufmännische, technische und private Fragestellungen im Alltag anwenden. Bei der Produktentwicklung nutzt die Praxis derartige Kreativitätstechniken vor allem für Detailprobleme. Oft moderieren neutrale Moderatoren eine Ideengewinnung innerhalb einer Expertengruppe. Besser noch als die oben erwähnten, klassischen Verfahren hat sich die Meta-PlanMethode durchgesetzt. Hierbei werden Ideenkärtchen schrittweise zu Prioritätsgruppen zusammengefasst und dann weiterverarbeitet. Die Meta-Plan Methode ist als halbschriftliches Brainstorming für größere Arbeitsgruppen zu verstehen. Eine grüne Wiese-Situation ist in der Praxis die Ausnahme. Marktorientierte Unternehmensführung erfordert tägliche Ideensuche. Aus dem Strom laufender Vorgänge müssen frühe Signale des technischen Fortschritts und sich ändernder Kundenwünsche gefiltert werden. Für Mitarbeiter von Produktmanagement und Technik ist es Routine, Informationen aus Besuchsberichten, Patentanmeldungen, Online-Portalen, Fachveröffentlichungen, Kundenanregungen, Hinweisen von Messen, von Wettbewerbern sowie aus dem Reklamations- und Vorschlagswesen herauszufiltern. In heutigen Verdrängungsmärkten kann es sich kein Unternehmen mehr leisten, längere Zeit nicht zu innovieren. Dann verpasst man den Anschluss.367 Um die Fülle der Ideen zu sichten und in F&E-Prioritäten zu überführen, fallen vorrangig sieben Hauptaufgaben an: (1) Klärung der Machbarkeit (Feasibility) in der Vorauswahl-Phase: Lässt sich eine Produktidee technisch realisieren? Welche Investitionen sind hierzu erforderlich? (2) Passt das neue Produkt zur eigenen Kernkompetenz (Kompetenz­ Fit)? (3) Kundenanalyse: Kann sich die Produktidee bei den Käufern durchsetzen? Hierzu sind mögliche, psychologische Kaufwiderstände der Kunden gegen sachlich noch so überzeugend wirkende Produkt-

366 Vgl. zu diesem Beispiel Nieschlag et al., (Marketing), 2002, S. 699. 367 Vgl. zu den klassischen Ansätzen der Suchfeldanalyse: Haedrich, Tomczak, (Produktpolitik), 1996, S. 159–170 sowie die dort angegebene Literatur.

Bei Produktentwicklung Recyclingfähigkeit beachten! Die sog. zirkuläre Nutzungsrate (Circular Material Use Rate) setzt Recycling-abfälle in ein Verhältnis zum Rohstoffeinsatz. Die deutsche CMUR beträgt nur 12%!

310 

(4)

(5)

„Die 5 amerikanischen Tech-Konzerne Meta, Apple, Amazon, Alphabet und Microsoft tätigen maßgebliche Investitionen in folgenden Gebieten: Metaverse, Cars, Health Care, Space, Robotics, Fintech und Crypto.

(6)

(7)

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

vorzüge abzuschätzen.368 Bietet das neue Produkt echte Mehrwerte (Added Values)? Positionierung: Im Konsumgütergeschäft sollte die Produktplanung auf einer Produktpositionierung beruhen. Nutzenwerte neuer Produkte werden im Vergleich zu Konkurrenzangeboten betrachtet. Die Positionierung ist strategische Aufgabe. Wettbewerbsanalyse: Auf operativer Ebene ist zu klären, ob Konkurrenten eine Markteinführung verhindern oder erheblich erschweren könnten. In diesem Zusammenhang sind Patentrecherchen unerlässlich. Gibt es Marktbarrieren? Wirtschaftlichkeitsanalyse: Sie soll die marktbezogenen Chancen und Risiken mit den Kosten von Entwicklung, Fertigung und späterer Vermarktung in Einklang bringen. Wie hoch ist das zu erwartende Absatz- und Umsatzpotenzial? Grundsatzentscheidungen über die technischen bzw. rezepturmäßigen Produkteigenschaften: Zu erstellen sind erste Rohkonzepte für Pflichtenhefte, nach denen später die Aktivitäten von F&E wie auch von der Fertigung369 auszurichten sind. Hier setzt dann die eigentliche Produktgestaltung an.

Basiert die Wirtschaftlichkeitsprüfung von Produktideen auf einer betriebswirtschaftlichen Investitionsrechnung, so sind folgende Herausforderungen zu beachten: – Bei Innovationen sind Kosten- und Erfolgsschätzungen herausfordernd. Führungskräfte arbeiten mit Annahmen. Nach der Markteinführung holt die Realität zu optimistische Annahmen und Wunschpläne schnell ein.370 – Ansätze der konventionellen Kostenrechnung (konventionelle Vollkosten-/ Gemeinkostenverrechnung) bergen die Gefahr, dass mutige Innovationen aus dem Markt kalkuliert werden. Nach Abschluss aller Überlegungen ist oft zwischen mehreren Produktalternativen zu entscheiden. Abbildung 4.15 beschreibt eine Nutzen-/Kosten-

368 So stand z. B. die Einstellung der konservativen LKW-Entwicklungsingenieure gegen eine funktionsfähige Kunststoffblattfeder: Zucker von gentechnisch optimierten Rüben wird von den Verbrauchern abgelehnt, obwohl der Zucker molekular mit herkömmlichem Zucker identisch ist: vgl. Trommsdorff, Binsack, (Innovationen), in: ASW, 11/1997, S. 63. 369 Was nutzen beste Produktideen, wenn sie nicht sicher in der Produktion umzusetzen sind. 370 Es ist daher wichtig, dass das Controlling die Erfolgs- und Kostenanalyse weiterführt.

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Erreichungsgrad der Bewertungen ENTWICKLUNGSKOSTEN (EUR) Deckungsbeitrag pro Stück (EUR) BREAK EVEN MENGE (Stck) Kosten pro Score (EUR)

Produkt-Deckungsbeitrag Kürze des Entwicklungszeitraum Nutzung von Know-how Innovationsgehalt USP-Gehalt (nicht kopierbar) Umsatzerwartung Jahre 1 - 3 Steigerung Kundenutzen Fertigungssicherheit

Gewichte 20 15 15 5 10 10 20 5 100

Ja Prototyp-X325 Bewertung Scores 10 200 8 120 6 90 10 50 10 100 6 60 8 160 7 35 65 815 81% 420000 1750 240 515

Ja Prototyp-X305 Bewertung Scores 8 160 7 105 7 105 9 45 5 50 10 100 10 200 8 40 64 805 80% 280000 1250 224 348

NUTZWERTANALYSE FÜR ENTWICKLUNGSALTERNATIVEN FÜR ROHRKUPPLUNGEN

Muss-Kriterien alle erfüllt? Prototyp-X500 Bewertung Scores 5 100 10 150 10 150 7 35 8 80 7 70 7 140 10 50 64 775 80% 320000 860 372 413

Ja

4.5 Produktinnovation 

Abbildung 4.15: Beispiel einer Nutzwertanalyse.

 311

312 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

analyse zur Auswahl eines Prototyps für Rohrkupplungen. Nutzwertana­ lysen (Scoring-Modelle) bieten den Vorteil, dass sowohl „weiche“ (Nutzen), wie auch „harte“ Beurteilungsdaten (Kosten, Gewinnschwellen-Mengen) berücksichtigt werden können. Entschieden wird nach Gewinnschwellen-Mengen oder nach Kosten pro Nutzenpunkt. Eine kostspieligere Alternative kann sich durchsetzen, wenn sie geringere Kosten pro Nutzenpunkt vorweisen kann.371 Im vorliegenden Beispiel wurde der Prototyp X305 zur Realisierung freigegeben. Er weist gleichzeitig die niedrigste Gewinnschwellenmenge aus. Nach der Produktentscheidung wird das Pflichtenheft mit Spezifikationen bzw. Rezepturen für das neu zu entwickelnde Produkt erstellt. Marketing beginnt mit gestalterischen Aufgaben (Design, Produktname, Markierungen, Verpackung). Gemäß Pflichtenheft wird ein Prototyp, die erste funktionsfähige Modellvariante, geschaffen. Erhebliche Kosteneinsparungen bietet Virtual Design. Prototypen werden mit Hilfe von CAD-Programmen simuliert und in Virtual Reality-Umgebungen ausgetestet. Industrie-Prototypen werden i. d. R. von Großkunden372 (Lead User) vorgetestet. Bei Konsumgütern werden Labortests mit Testpersonen durchgeführt. Testbefunde führen zu vorläufigen Spezifikationen bzw. Rezepturen. Nach Abschluss der Vortests wird das neue Produkt optimiert, Spezifikationen oder auch Rezepturen endgültig festgeschrieben und eine Nullserie für die Fertigung aufgegeben. Das gilt für Konsum- wie auch für Industriegüter. Es folgen externe Markttests (z. B. in Panels) sowie intern eine Optimierung der Fertigungsverfahren im Hinblick auf Effizienz und Qualitätssicherung. Nach Vollzug der ersten Fertigungsserien, abschließender Begutachtung der Markttests bzw. bei Industrieprodukten der Großkundentests, geben F&E und Fertigung das Produkt zur Serienreife frei. Serienreife bedeutet nicht, dass Techniker oder Chemiker ihre Arbeit beendet haben. In der Phase der Markteinführung wird die Technik die Marketing- und Vertriebsanstrengungen weiter begleiten. Imageschädigende Rückrufaktionen für Lebensmittel oder Industriegüter müssen in gemeinsamen Anstrengungen vermieden werden. Formell ist die Produkteinführung nach externer Freigabe durch den Kunden abgeschlossen (bei Konsumgütern: durch Listung im Handel). Nach allgemeinen Erfahrungsregeln schaffen von 100 Produktideen nur 4–6 die Marktein371 Vgl.  zu den Scoring-Modellen im Rahmen von Produktbewertungen z. B. Witt, (Produktinnovation), 1996, S. 36–38, oder die Zusammenstellung bei Hüttel, (Produktpolitik), 1998, S. 194–197 sowie die dort angegebene Literatur. 372 Mit denen sog. Entwicklungspartnerschaften vereinbart sind, wie es z. B. in der Automobilindustrie oder im Anlagenbau üblich ist.

4.5 Produktinnovation 

 313

führung.373 Letztlich wird sich von diesen nur eine Innovation erfolgreich im Markt durchsetzen. Produktentwicklung gilt als erfolgreich, wenn sie das erste Jahr nach Markteinführung überlebt.374

4.5.5 Innovationstiming und Innovationsdiffusion

Marktdurchdringung / Diffusion

Die Innovation muss auf einen Markt treffen, der für die Aufnahme der Innovation bereit ist. Kunden müssen den Nutzen der Innovation schätzen und bereit sein, das neue Produkt zu testen. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund relevant, dass potenzielle Kunden vor der Markteinführung bereits gut ohne die Innovation gelebt haben.375 Die innovativen Anbieter bereiten den Markt vor. Sie testen die Angebote mit ersten Lead-Usern und Kunden und versuchen durch Feedback und Erfahrungen die Produkte schrittweise zu verbessern. Ziel ist eine große und schnelle Verbreitung (Diffusion) des Angebots im Markt. Einen idealtypischen Verlauf der Marktdurchdringung am und im Markt zeigt Abbildung 4.16.

Tripping Point Tipping Point

Zeit Abbildung 4.16: Tipping und Tripping Point bei Innovationen.376

373 Vgl.  den Hinweis zu den Flop-Raten: Homburg; (Marketingmanagement), 2020, S. 605. 374  28.000 neue Food-Artikel wurden 1996 vom deutschen Lebensmittelhandel neu eingeführt. Fast die Hälfte war nach Ablauf eines Jahres wieder aus den Regalen verschwunden: vgl. Drosten, (Konditionen), in: ASW, 12/1997, S. 36. 375 Vgl. dazu auch die umfassenden Darstellungen zu Markteinführung und Timing bei Hofbauer, Sangl, (Produktmanagement), 2018, S. 554 ff. 376 Quelle: Johnson et al., (Strategy), 2014, S. 306.

314 

Die rund um das Jahr 2017 bekannt gewordenen Fidget Spinner (Handkreisel) sind nach kurzem massiven Umsatzwachstum auch schnell wieder in der Versenkung verschwunden.

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

Bei Abschätzung der Marktdurchdringung muss berücksichtigt werden: (1) Wann ist der Tipping Point erreicht, wo die Steigerung der Marktdurchdringung deutlich spürbar ansteigt? Zudem ist die Frage zu diskutieren, was zum Erreichen des Tipping Points führt? Bspw. bessere Produktleistungen, erfolgreichere Werbung oder bessere Verfügbarkeit des Angebots? (2) Wie groß wird die Diffusion? Wie viele der potenziellen Kunden kaufen das Angebot später? Vielfach wird die Marktdurchdringung deutlich unter den potenziell 100% Kunden bleiben, die das Produkt verwenden könnten. In der Altersgruppe der 14-49-jährigen Deutschen hat das Smartphone eine Durchdringung von 95% erreicht. Die letzten 5% wird das Produkt aber allen Voraussagen nach nicht erreichen können. (3) Wann ist das Plateau und der Tripping Point erreicht? Diese Frage schließt sich logisch an die Diskussion der Marktdurchdringung an. Wie lange kann ein Wachstum anhalten, bis alle interessierten Kunden das Produkt und Angebot wahrgenommen haben? (4) Wie schnell geht die Diffusion wieder zurück und das Marktvolu­ men schrumpft? (5) Wie lang ist die komplette Diffusionskurve? Gehen die Entwicklungen langsam voran oder ist das Produkt eher als Hype-Produkt nur in einem kurzen Zeitraum erfolgreich? Die passende Timing-Strategie ist bei der Innovationspolitik bedeutend. Unternehmen suchen idealerweise nach dem Zeitpunkt des Tipping Points, um vom massiven Wachstum des Umsatzes mit den Produkten zu profitieren. Vor dem Tipping Point ist die Gesamtentwicklung noch unsicher, deutlich nach dem Tipping Point sind viele Wettbewerber engagiert und das Wachstum ist bereits endlich. Innovative Unternehmen stellen sich bewusst den Herausforderungen auf frühen und noch nicht zur Reife entwickelten Märkten. Diese sog. First Mover profitieren bei positiver Marktentwicklung von verschiedenen Vorteilen. Tabelle 4.6 listet diese auf. Natürlich besitzt diese riskante Strategie auch Nachteile. Die Marktsituation ist unklar. Wird das Produkt angenommen? Wie groß wird der Markt? Wie reagieren die Wettbewerber auf die Innovation? Für Innovationen ist Marktforschung immer besonders herausfordernd, da die Befragten einen Blick in die Zukunft abgeben müssen, der nicht mit dem später gezeigten Konsumverhalten übereinstimmen muss. Innovationen bringen zudem hohe Investitionskosten für den First Mover mit sich. Später in den Markt einsteigende Unternehmen können

4.5 Produktinnovation 

 315

Tabelle 4.6: Vorteile des First Mover.377 Vorteile des First Movers Erfahrungsvorsprung

Unternehmen lernen Markt und Kunden kennen. Durch Erfahrungen in der Produktion werden Prozesse optimiert.

Economies of Scale

Durch steigende Produktion ergeben sich Kostenvorteile gegenüber den später einsteigenden Unternehmen.

Wechselbarrieren aufbauen

Kunden werden früh gebunden, geschaffene Lock Ins (Kunde ist bspw. technisch integriert) stellen Wechselkosten für Kunden dar und binden stärker.

Asymmetrisches Marketing

Als erster Anbieter kann sich das Unternehmen und die Marke am Markt profilieren, Kunden nehmen die Kommunikation bewusster wahr, da die Botschaft einzigartig ist.

Zugriff auf präemptionale Faktoren

Knappe Güter auf den Märkten (bspw. seltene Rohstoffe) werden vom First Mover als erstes Unternehmen der Branche nachgefragt, was gute Lieferantenbeziehungen nach sich zieht. Besondere Fähigkeiten von Mitarbeitenden werden auch erstmalig nachgefragt.

Preisbestimmung

Mangels Wettbewerb kann der First Mover das Preisniveau festlegen.

Technologieführerschaft

Die Entwicklung der auf dem neuen Markt notwendigen Technologie sichert einen ersten Vorsprung.

Schutzrechte

Patente und Schutzrechte schützen den Pionier oder First Mover bis zu 20 Jahre vor Konkurrenz.

von den Tests und Fehlern des First Mover profitieren und starten ggf. direkt mit der erprobten Technik. Fachausdruck für diese Strategie der folgenden Unternehmen ist Leap Frogging: mit einem beherzten (Frosch-)Sprung bereits mit der nächsten Entwicklungsgeneration in einem Markt einsteigen. Letztlich ist auch die Markterschließung kostenintensiv. Das Angebot ist neu und muss gegenüber Kunden kommuniziert werden. Die Werbeausgaben steigen und die Markteinführungen müssen crossmedial kommuniziert werden.

4.5.6 Innovationscontrolling Abschließend stellt sich die Frage der Erfolgsmessung für die Innovationstätigkeit. Der Erfolg von Neuentwicklungen lässt sich betriebswirtschaftlich durch Marktanteile und Marktwachstum messen. Für die Planung und Entscheidung für oder gegen Innovationstätigkeiten

377 Quelle: Halberstadt, (First Mover), 2014, S. 20 ff.

316 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

müssen die Risiken, die die Innovation für das Unternehmen bedeuten können, analysiert werden. Markteinführungen verschieben sich vielfach, da bei der Produktentwicklung vorab nicht abzusehende technische Herausforderungen aufgetreten sind.

In Deutschland sind die Elektronindustrie mit einem Anteil von 10,6% und der Fahrzeugbau mit 9,2% die Branchen, die anteilig die höchsten Innovationsinvestitionen betreiben (Quelle: Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, 2020).

Folgende zentrale Risikopositionen sind zu beachten: – Marktrisiko: Nehmen die Kunden das neue Angebot auch wirklich an? Wie kann Umsatz oder die Akzeptanz prognostiziert werden, wenn das Produkt nur als Idee, Skizze oder Prototyp existiert? – Technisches Risiko: Können alle technischen Herausforderungen gemeistert werden? Die zunehmende Digitalisierung von Produkten und Angeboten führt zu bspw. einer stärken Vernetzung und Integration in Drittsysteme, die mögliche Fehlerquellen deutlich ausweitet. – Haftungsrisiko: Welche Risiken bestehen für Käufer bei der Produktverwendung? Gibt es Haftungsrisiken für den Anbieter und in welchem Maße muss dieser diese vertreten? – Konkurrenzrisiko: Wie ist die Reaktion der Wettbewerber auf die Innovation? Kopieren Sie die Innovation, versuchen sie, die Markteinführung zu boykottieren oder senken sie aggressiv die Preise, um die Kunden vom Wechsel abzuhalten? – Wirtschaftliches Risiko: Wie schnell und wie hch amortisieren sich die Produktinvestitionen? Eine spezielle Kontroll- und Stellgröße ist die Innovationsrate: Sie stellt den Absatz oder Umsatz der neuen Produkte im ersten Jahr nach Markteinführung im Verhältnis zum Gesamtabsatz bzw. Gesamtumsatz des Geschäftsfeldes (in Prozent) dar. Die Innovationsrate sollte nach einer Erfahrungsregel zwischen 10 und 20 Prozent liegen (bezogen auf Absatzmengen, um den Einfluss der Preispolitik herauszuhalten, s. hierzu noch einmal die Absatzstrukturanalyse der Abbildung. 4.9. Tabelle 4.7 listet 10 Kennziffern auf, die sich für eine Erfolgskontrolle der Innovationstätigkeit bewährt haben.378). Die Kennziffern der Tabelle 4.7 können als Richtschnur dienen, denn sie umfassen  – wie so oft  – nur harte betriebswirtschaftliche Fakten. Wichtige qualitative Erfolgsgrößen (z. B. Markteinfluss, Imagegewinn durch Neuprodukte, Motivation der Mitarbeiter) sind ausgeklammert. In B2B-Märkten werden Innovationen kundenbezogen analysiert. Welchen Wert hat z. B. eine vermeintlich überragende Innovationstätigkeit, wenn sie nur einem Großkunden zugutekommt, der keine befriedigenden Deckungsbeiträge bringt? Innovationsanalyse ohne Kundenanalyse bleibt unvollständig.

378 Vgl. Boutellier et al., (Innovations-Controlling), 1999.

4.6 Produktgestaltung 

 317

Tabelle 4.7: Erfolgskontrolle für Innovationen. ERFOLGSKONTROLLE FÜR INNOVATIONSTÄTIGKEIT Der betriebswirtschaftliche Erfolg der Innovationstätigkeit kann durch Kennziffern erfasst werden. Daneben gibt es weitere image- und strategiebezogene Vorteile (weiche Erfolgsfaktoren)

(1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10)

Kennzahl/Beschreibung

Kennziffern (nur sinnvoll im Zeit- oder Benchmark-Vergleich

F&E-Quote (Umsatzanteil Gesamt) F&E-Effizienz-Index Umsatzanteil Neuprodukte Neuprodukt-Umsatz pro F&E-Mitarbeiter F&E-Personalkostenanteil F&E-Plankostenabweichung Investitionen pro F&E-Mitarbeiter Kostenanteil Fehlerbehebung Anteil Änderungskosten Kostenanteil Qualitätssicherung

(F&E-Aufwendungen): Nettoumsatz x 100 (Umsatz mit Produkten < 5 Jahre): F&E-Aufwand. x 100 (Umsatz mit Produkten < 5 Jahre): Umsatz x 100 Neuprodukt-Umsatz: F&E-Mitarbeiterzahl F&E-Personalkosten: F&E-Kosten x 100 F&E-Istkosten: F&E-Sollkosten x 100 F&E-Aufwendungen: F&E-Mitarbeiterzahl Fehlerbehebungskosten: F&E-Kosten x 100 Änderungskosten: F&E-Kosten x 100 Qualitätssicherungskosten: F&E-Kosten x 100

(Quelle : Boutellier ; Völker; Voit, (Innovations-Controlling), 1999).

4.6 Produktgestaltung Eine erfolgreiche Produktplanung wird von Anfang an authentische Kundenäußerungen zu Stärken und Schwächen der im Markt vorhandenen Produkte verarbeiten und Kundenempfehlungen zur Verbesserung eigener Produkte und Prozesse berücksichtigen. Neben Kundenbefragungen durch Außen-, Innendienst und Technik ist es wichtig, Social Media systematisch daraufhin zu scannen, was Kunden und Nichtkunden über das Unternehmen und seine Produkte sagen. Hierzu gibt es von führenden CRM-Anbietern entsprechende Software-Tools. Welche Fragen könnten standardisiert gestellt werden, um die Produktentwicklung durch Kundenmeinungen zu unterstützen? Ein recht einfaches Schema stammt aus den USA. Die 3 bewährten Top-Fragen der Sales-Reps beim Verkauf von Konsumgütern in Amerika lauten:379 (1) Herr/Frau Kunde, was interessiert Sie besonders an unserem Produkt Y? (2) Herr/Frau Kunde, wo liegt für Sie der besondere Nutzen unseres Produktes Y? (3) Herr/Frau Kunde, wie können wir Sie noch besser unterstützen, unser Produkt zu nutzen?

379 Vgl. Winkelmann, (Vertriebskonzeption), 2012, S. 476.

318 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

Komplexer ist das Schema der 4 Fragen von Shiba.380 Bei der Befragung von Bestandskunden wird die Kundenzufriedenheit mit einbezogen: (1) Kundenerwartung: Woran denken Sie, wenn Sie sich die Verwendung dieses Produktes oder die Nutzung dieser Dienstleistung vorstellen? (2) Kundenzufriedenheit: Welche Erfahrungen, insbesondere Beschwerden, Probleme oder Schwächen, haben Sie bei Nutzung dieses Produktes oder dieser Dienstleistung gemacht? (3) Kundennutzen: An welche Eigenschaften oder Kriterien denken Sie vor allem, wenn Sie dieses Produkt oder diese Dienstleistung auswählen? (4) Zukünftiger Vorteil: Über welche neuen Eigenschaften und Funktionen muss unser Produkt bzw. unsere Dienstleistung verfügen, um ihre Anforderungen auch zukünftig zu erfüllen? Töpfer empfiehlt ein Customer Voice Table.381 Aus den Kundenantworten auf 6 W-Fragen lassen sich Produktanforderungen ableiten. Das Schema bietet sich bei einem leicht antiquierten Produktprogramm an, wenn klar ist, dass Produktverbesserungen auf den Weg gebracht werden müssen. Abbildung 4.17 zeigt das Schema in der Anwendung. Customer Voice Table Lfd. Nr.

1

KundenStimme

Wer?

Kunde wünscht sich leicht zu Herdnutzer bedienende Herdtür

Was?

Leicht gängige Herdtür

Wo?

Fazit Wann

Beim Herd außen Kochen und Backen

Warum? Meist nur eine Hand frei, Angst vor Verbrennungen

Wie viel?

KundenAnforderungen

Max. 30° Wärme am Griff

1) Leicht zu öffnend 2) Leicht zu schließen 3) Geringe Temperatur am Griff

Abbildung 4.17: Customer Voice Table.382

4.6.1 Produktleistungsplanung und Qualitätsplanung Die Produktgestaltung umfasst Instrumente und Maßnahmen zur Festlegung oder Veränderung von Produkteigenschaften unter kunden-, kosten- und konkurrenzbezogenen Gesichtspunkten sowie nach den

380 Vgl. Shiba et al (TQM), 1993. 381 Vgl. Töpfer, (Kundenmanagement), 2008, S. 195. 382 Quelle: Töpfer, (Total Quality Management), 2008, S. 195.

4.6 Produktgestaltung 

 319

Vorgaben der Qualitätsplanung. Vier Vorgaben sind zu beachten: (1) technische Vorgaben (Spezifikationen, Rezepturen), (2) Vorgaben des Marketing zur „Veredelung“ des Produktes, ggfs. Ziele der (3) Markenpolitik sowie (3) rechtliche, ökologische und normenbezogene Vorschriften (z. B. nach DIN-Normen). Das Produktmanagement agiert als Vermittler zwischen Kundenwünschen, Innovationsgrenzen von F&E, technischen Möglichkeiten der Produktion, Kostenüberlegungen des Controllings und Verkaufszielen des Vertriebs.

Erstgestaltung eines neuen Produkts Auffrischen eines älteren Produktes (bspw. Design- oder Qualitätsrelaunch) Anpassen eines Produktes an geänderte Kaufwünsche Anpassen eines Produktes an neue Produkte der Konkurrenz Kreieren eines zusätzlichen Produktes in Anlehnung an bestehende Angebote Kreieren einer scheinbaren Produktverbesserung für bspw. Messeauftritt

Abbildung 4.18: Produktpolitische Maßnahmen.

Abbildung 4.18 listet Aufgaben für produktgestalterische Maßnahmen auf. Die innovative Neugestaltung eines Produktes ist in der Praxis eher die Ausnahme. Der Routinealltag des Produktmanagers besteht aus Anpassungsmaßnahmen im Rahmen der Modellpflege, bzw. aus Produktvariationen und -differenzierungen.383 Ausgangsüberlegungen der Produktplanung richten sich auf das Leistungsvermögen (Was soll das Produkt können?) und die Qualität384 383 Eine bekannte Einteilung der Instrumente der Produktgestaltung stammt von Koppelmann, (Produktmarketing), 1993, S. 250; s. ferner Mayer, (Produktgestaltung), 1993, S. 27. 384 Der Qualitätsbegriff ist keinesfalls eindeutig. Und stets sind die Kunden unsicher bzgl. der Qualitäten der angebotenen Produkte: vgl.  Homburg, (Marketingmanagement), 2020, S. 61.

„Qualität ist, wenn der Kunde und nicht das Auto zurückkommt.“ (Xaver Franz, ehem. Leiter QM-Gesamtfahrzeuge BMW)

320 

Der erste chinesische Kaiser Qin Shihuangdi (ca. 221 v. Ch.) legte sehr großen Wert auf die Qualität der Fertigung seiner ca. 7.000 Terrakotta-Soldaten. Jedem Soldaten seines Mausoleums waren ein Meister und ein Qualitätsprüfer zugeordnet. Fand der Prüfer einen Fehler, wurde der Meister umgebracht. Fand er keinen Fehler, wurde der Prüfer selbst umgebracht.

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

(Wie gut soll das Produkt sein?). Beide Begriffe gehören zusammen. Ein gutes Leistungsvermögen wird nicht als Qualitätsvorteil empfunden, wenn der Käufer in seiner Problem- oder Bedarfssituation viel höhere oder andere Erwartungen hegt. Qualitätsurteile ergeben sich erst durch den Abgleich von Leistungserwartungen mit individuell empfundenen Produkteignungen für bestimmte Einsatzzwecke.385 Zu unterscheiden sind objektive (nachprüfbare) und subjektive Qualitätsbeurteilungen. Gerade weil ein Qualitätsempfinden subjektiv ist, kommt dem Marketing mit seinen Beeinflussungsmöglichkeiten hohe Bedeutung zu.386 Die Qualitätsplanung kann an drei Kategorien ansetzen, nach denen Käufer eine Qualität beurteilen:387 (1) Such­Qualitäten: Diese sind messbare Qualitätsmerkmale bei der Produktauswahl. Sie werden vom Kunden gezielt gesucht und verglichen (z. B. CO2-Ausstoß eines Kühlschranks, Benzinverbrauch eines PKW, o. ä.). (2) Erfahrungs­Qualitäten: Diese werden nach dem Kauf durch Gebrauch des Produktes beurteilt. Sie können oft nicht a priori am Produkt überprüft werden (z. B. tatsächlicher Benzinverbrauch, Qualität einer Hotelbuchung). (3) Glaubens- oder Vertrauens­Qualitäten: Diese erhärten sich durch emotionale Bewertungen. Das Anbieterimage und ein persönliches Vertrauensverhältnis (Beziehungsqualität) zu dem Kundenbetreuer sind ausschlaggebend (z. B. Qualität einer ärztlichen Beratung, Ex-post-Rendite eines Immobilien-Investments). Beim Rückblick auf die Elemente des Produkts und das Zwiebelkonzept (siehe dazu Kapitel 4.1) können Produktqualitäten stufenweise geplant werden: (1) Basisqualität: entspricht dem generischen Produkt. (2) Leistungsqualität: entwickelt von einem normalen zu einem guten Produkt. (3) Distinguierungsqualität: schafft Vorteile gegenüber Konkurrenzprodukten.

385 Der teleologische Qualitätsbegriff: Abgleich von Bedürfnissen mit Produkteigenschaften im Rahmen von Wahrnehmungs-/Beurteilungsprozessen: vgl. Hansen et al., (Produktpolitik), 2001, S. 19. 386 Zur Trennung von objektiver und subjektiver Qualität vgl.  Scharf; Schubert; Hehn, (Marketing), 2009, S. 242. 387 Vgl. Bartscher; Schulze, (Dienstleistungsmanagement), in: Personal, 4/2000, S. 200.

4.6 Produktgestaltung 

 321

(4) Erlebnisqualität: das gesamte Kauf- und Nutzungserlebnis des Produkts. (5) Begeisterungsqualität: Käufer zu Fans machen. Mit Hilfe der folgenden Typologie kann die Qualitätsplanung überlegene Nutzenwerte anvisieren. Folgende Kundennutzen-Typen sind marktgerecht zu dosieren: (1) gebrauchstechnischer Nutzen: Funktionalität, Haltbarkeit, Bedienbarkeit, (2) ästhetischer und sinnlicher Nutzen: modernes Aussehen, Geschmack, (3) sozialer Nutzen: Prestige-, Distinguierungsnutzen388, (4) ökologischer Nutzen: energiesparende Materialien, Recyclingfähigkeit. METHODIK EINER PRODUKTPLANUNG - CHECKLISTENVERFAHREN Die folgenden 5 Eigenschaften nur als Auswahl 1. Funktionalität 2. Design 3. Prestigenutzen 4. Ökologie

Basisleistungen

Zusatzleistungen

speziell wettbewerbsdifferenzierende Leistungen

speziell Begeisterungsund Bindungsleistung en

5. Preis, Kosten

Abbildung 4.19: Methodik einer Produktplanung – Checklistenverfahren.

Eine Produktplanung lässt sich auch pragmatisch nach dem Schema in Abbildung  4.19 aufbauen. Dabei sind zahlreiche direkt planbare Qualitätseigenschaften mit F&E, ggf. Lebensmittelchemikern, Produktion (wegen Produktionssicherheit), Verkauf, Controlling (wegen Kostentragfähigkeit) und Qualitätssicherung (QS) abzustimmen: (1) Produktleistung, Leistungsvermögen; unter Beachtung von rechtlichen, ökologischen, technischen Normen, von Vorschriften und Branchenstandards, (2) Funktionalität, oft vorgegeben durch Branchen- und Prüfstandards, (3) Haltbarkeit, entsprechend den typischen Anwendungsbedingungen,

388 Vgl.  Schuster, (Konsumverhalten), in: Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung, 2/1994, S. 108–121; 3/1994, S. 218–231.

arrondierende Dienst - und Serviceleistungen

322 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

(4) Produktäußeres, Design mit Einfluss auf das Qualitätsempfinden der Käufer, (5) Bedienbarkeit, mit den Faktoren einfache Bedienung und Bediensicherheit, (6) Wirtschaftlichkeit, resultierend aus dem Preis-/Leistungsverhältnis, (7) Zusatznutzen, z. B. Reparaturhilfen, kostenlose Hotline, (8) Verpackung mit Qualitätsimage und logistischen Funktionen (RFID-Tags), (9) Eigenschaften zur umwelt- und ernergieschonenden Verwendung, (10) Eigenschaften zur umweltfreundlichen Entsorgung. (11) Als Marke muss ein Produkt im Marken­Einklang mit den anderen Produkten (Marken, evtl. Dachmarke) des Unternehmens stehen. Nach den DIN Normen: „Die Qualitätsplanung muss die vom Kunden festgelegten Aufgaben und Termine berücksichtigen und speziell festgelegte Methoden beinhalten.“ (Quelle: www.din.de)

Nicht für alle Qualitätsinstrumente ist das Marketing zuständig. Wird eine Produktinnovation von der Technik vorangetrieben, sind Gestaltungsspielräume des Marketing vor allem auf Designfragen und Verpackung beschränkt. Nicht alle Qualitätselemente sind gleichbedeutend. Nach einer Untersuchung der GfK entscheiden 48% der Verbraucher beim Kauf langlebiger Gebrauchsgüter nach der Funktionalität, 17% nach dem Produktäußeren (Design). Nur für 35% der Käufer ist ein günstiger Preis das ausschlaggebende Kaufkriterium.389 NUTZENORIENTIERTE PLANUNG VON QUALITÄTSELEMENTEN Nutzenkriterien, die Wettbewerbsvorteile bringen sollen technische Grund funktionalitäten

Komfort, Bedienungs sicherheit

Haltbarkeit

Wirtschaftlichkeit

Umwelt F reundlichkeit, Nachhaltigkeit

1. Material 2. Komponenten 3. Verarbeitung 4. Design 5. Verpackung

Abbildung 4.20: Nutzenorientierte Planung von Qualitätselementen.

Die Produktqualität kann analog Abbildung 4.20 mit Hilfe von Eigenschaftsmatrizen optimiert werden.390 Zu realisieren sind vom Kunden

389 Vgl. o. V., (Funktionalität), in: PM-Beratungsbrief v. 10.3.1997, S. 1. 390 Vgl. Haedrich, Tomczak, (Produktpolitik), 1996, S. 30, sowie die dort angegebene Literatur.

4.6 Produktgestaltung 

 323

erfahrbare, wettbewerbsüberlegene Produkteigenschaften. Qualitätsparameter werden bei technischen Produkten in den oben erwähnten Produktspezifikationen oder Lastenheften, bei Lebensmitteln in Rezepturen dokumentiert.

4.6.2 Produktäußeres und Produktdesign Ein attraktives Produkt sticht ins Auge. Vielfach wird bei technischen Produkten die Macht des Designs übersehen. Dabei kann das Design Produkte unverwechselbar machen und auf die Wünsche und Vorlieben der Zielgruppen abstimmen.391 Das Produktäußere bzw. das Produktdesign ist bedeutsam, – weil Käufer hieraus Rückschlüsse auf die Qualität ziehen, – weil hieraus Preisvorstellungen abgeleitet werden, – weil es die Freiheit bietet, einen Lebensstil mit einem Produkt zu verwirklichen, – weil es dadurch auch eine Chance auf soziale Abhebung bietet, – weil ein gutes Design eine Marke prägen kann. Laut dem früheren DIHT-Präsidenten Stihl zählt ein gutes Industriedesign zu den strategischen Faktoren der Unternehmensführung. Die Praxisbeispiele von Schuster in Tabelle 4.8 unterstreichen die strategische Bedeutung eines guten Design-Managements für Produkte und Dienstleistungen. Das Produktäußere ist ein umfassender Begriff. Im Mittelpunkt stehen Produkteigenschaften, die durch Technik und Marketing gestaltbar sind: – Größe, – Gewicht, – Material mit Oberflächenbeschaffenheit, Haptik, – Farbe, farblicher Eindruck, Glanz, – Geruch, Geschmack (z. B. bei Kosmetika, bei Lebensmitteln, Zahnpasta), – Konsistenz (z. B. bei Margarine), – Klang (z. B. bei Hi-Fi-Geräten, Automobilen, Küchengeräten etc.), – Produktvorrichtungen für Transport, Lagerung und Entsorgung.

391 Vgl. Hofbauer, Sangl, (Produktmanagement), 2018, S. 485.

„Design ist für mich die Verbindung zwischen Kunst und Technik. Bei der BMW Group entwickeln wir Produkte, die in den Bereichen Technologie und Nachhaltigkeit neue Maßstäbe setzen. Unser Ziel sind Designs, die mehr sind als nur die Summe Ihrer Funktionen.“ (Adrian van Hooydonk, Leiter BMW Group Design)

324 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

Tabelle 4.8: Beispiele für designorientierte Produktpolitik. Praxisbeispiele für designorientierte Produktpolitik Funktion von Design

Beispiel

Erläuterung

Weitere Erfolgsfaktoren

Schaffung von Markenbekanntheit

FSB, www.fsb.de

Deutliche Steigerung des Bekanntheitsgrads des mittelständischen Herstellers von Beschlägen durch (kostengünstiges) Design

Kommunikationskonzept zur Ansprache des Handels und der Endkunden

Image Aufwertung einer Marke

AUDI, www.audi. de

Profilierung durch Designkompetenz im gesamten Programm, besondere Rolle imageprägender Produkte (bspw. Audi TT und R8)

Gezielte Ansprache von Journalisten, Multiplikatoren und Influencern

Sicherung des Hochlohnstandorts Deutschland

Koziol, www. koziol.de

Permanente Innovationspolitik für Kunststofferzeugung mit witziger Produktsprache

Verhinderung von Markenpiraterie

Loewe, www. loewe.de

Erfolgreicher Anbieter designorientierter Unterhaltungselektronik

Einführung zielgerichteter Produkte

Ausbruch aus gesättigten Märkten

Dyson, www. dyson.com

Staubsauger, Fön, Ventilator mit neuartigen Prinzipien und innovativem Design

Gezielte Vermittlung der Produktbesonderheiten gegenüber Handel und Endverbraucher

Neudefinition einer Produktgattung

Smart, www. smart.com

Wiederbelebung Kleinstwagen, technische Weiterentwicklung mit mutigem Design

Professionelles Einführungsmarketing, „langer Atem“ bei der Produkteinführung

Positionierung im unteren Preis-/Leistungssegment

Swatch, www. swatch.com

Frontalangriff auf die ausländische Billig-Konkurrenz durch laufende DesignInnovationen

Radikale Vereinfachung der Produktfertigung durch Modularisierung und Automatisierung

Förderung der Markteinführung/Diffusion einer Innovation

Bandai, www. bandai.com

Tamagotchi als Pionier für Cyberpets, Design vermittelt vertrautes Gestaltungsmuster (Ei-Symbolik, intuitive Bedienung)

Nutzung der großen Produktpublizität in den Medien für Nachfolgeprodukte

Ziegruppendifferenzierung

H&M Group, www. hmgroup.com

Entwicklung von Untermarken verbreitert Zielgruppen und schafft Preisspielräume

Definition hinreichend großer stabiler Segmente

Internationale Expansion im Top-Segment

Bulthaupt, www. bulthaupt.com

Exklusives Produktdesign erlaubt Ansprache länderübergreifender Marktschichten

Beachtung länderspezifischer Produktanforderungen, (Normen, etc.)

4.6 Produktgestaltung 

 325

Im Rahmen des Industriedesigns werden neben der beschriebenen technischen Konfiguration auch gestalterische Elemente entwickelt. Die Formensprache muss das Produkt wiedererkennbar gestalten und kann durch eine besondere Geometrie bereits eine Einzigartigkeit begründen. Auch das als Styling bezeichnete Entwickeln der funktionalen Formgebung ist ein effektives Mittel der Wettbewerbsabgrenzung und Positionierung.392 Koppelmann beschreibt eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen.393 Tabelle 4.9 greift beispielhaft die Bedeutung von Farben heraus. Die Übersicht kann unmöglich erschöpfend sein. Allein 25.000 Farben sind in der Automobilindustrie definiert. Die Produktgestaltung kann durch bestehende gewerbliche Schutzrechte eingeengt sein; vor allem zum Schutz vor Markenpiraterie. Das gilt insbesondere für den Produktnamen und für das Logo. Tabelle 4.9: Farbsignale und Botschaften. Farbsignale und ihre Botschaften

blau Grün Rot Weiß Geld Schwarz Violett

Signal

Symbol

Bedeutung in der Werbung

Freiheit, Weite, Ferne Natur, Innovation Achtung, Stopp, Feuer Sauberkeit, Unschuld Aktivität, Aufmerksamkeit Individualität, Trauer Kühle, Distanz

Vernunft, Überlegenheit Hoffnung, Lebensfreude Liebe, Gefahr Freude, Reinheit Licht, Kommunikation Funktionalität, Abgrenzung Ferne, Intelligenz

Stark fallend Steigend Stabil Stark steigend Sehr stark steigend Stabil Steigend

Nicht immer sind technisch überlegene Produkte auch die von Kunden präferierten. In Zeiten zunehmender technischer Angleichungen jonglieren die Industriegüterhersteller bewusster mit Produktäußerlichkeiten, Auffälligkeiten und Attraktivitäten. Die emotionale Wirkung, die von einem Design ausgeht, entscheidet dann über den Produkterfolg. Design-Management zielt auf Produktästhetik. „Die Ästhetik ist die Kraft, die Gefühle schafft“.394 Ein LKW-Fahrer sieht sein Fahrzeug nicht nur als Nutzgegenstand. Geschickt gesetzte Designelemente geben das Gefühl von Modernität und Freiheit auf der Straße. Der hohe Markenwert und der überragende Markterfolg von Apple sind auf die Ästhetik 392 Vgl. Hofbauer, Sangl, (Produktmanagement), 2018, S. 485. 393 Vgl. Koppelmann, (Produktmarketing), 2001, S. 325–512. 394 Vgl. Ahrens, Pittner, (Kraft), in: MM, 5/1998, S. 310; zum Zitat von Stihl: S. 319.

IDEO ist eine der weltweit führenden Design-Agenturen, www. ideo.com.

326 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

der Produkte zurückzuführen – durchgestylt bis zur werthaltigen Verpackung. Hier bringt Marketing Nutzen: durch das Design sendet ein Produkt emotionale Botschaften. Schuster erkennt z. B. einen engen Zusammenhang zwischen Design und prestigegeleitetem Konsumverhalten (Distinktkonsum, Geltungskonsum).395 Adidas-Streifen machen aus Straßenfußballern Weltstars.  Das Konzept des Distinktkonsums beschränkt sich keinesfalls auf Konsumgüter, wie an prestigeträchtigen Verwaltungsgebäuden von Wirtschaftsunternehmen, an imposanten Kreuzfahrtschiffen, Robotern, Traktoren oder LKW gut zu sehen ist. Qualitätselemente können also auch im Hinblick auf ihre emotionale Botschaft geplant werden, wie Abbildung 4.21 zeigt. Im modischen Bereich ist Attraktivität angesagt. Aktuell liegen Gestaltungselemente wie Understatement (Bescheidenheit) und Funktionalität im Trend. Bei Industrieprodukten legen die Kunden hohen Wert auf ein funktionelles Design. GESTALTUNG DES PRODUKTÄUSSEREN / DESIGN-OPTIMIERUNG Design-Botschaften

Design-Ansatzpunkte:

innovativ, trendsetzend

auffällig, flippig

Understatementorientiert

attraktiv, angenehm

funktionell, schlicht

1. Produktkern 2. Produktäußeres 3. Verpackung 4. Produktpräsentation

Abbildung 4.21: Botschaftenorientierte Gestaltung des Produktäußeren und der Designelemente.

Woran erkennt man ein gutes Design? Zentrale Messlatte ist nach Schuster die Zielgruppenausrichtung.396 Entscheidend ist, inwieweit Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden sowie  – bei Konsumgütern  – die Vorstellungen des Handels bei der Produktgestaltung berücksichtigt werden. Nach Klärung der Zielgruppenwünsche sind weitere fünf Aspekte zu beachten: (1) Gutes Design ist keine Oberflächenkosmetik für das äußere Erscheinungsbild, sondern bezieht sich auf das gesamte Nutzenbündel eines Produktes. Deshalb ist neben dem ästhetisch-sinnlichen Nutzen der

395 Vgl. Schuster, (Prestigegeleitetes Konsumverhalten), in: Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung, 2/1994, S. 108–121; sowie 3/1994, S. 218–231. 396 Vgl. hierzu und zu den 5 Merkmalen: Schuster, (Designpolitik), 2002.

4.6 Produktgestaltung 

(2)

(3)

(4) (5)

 327

gebrauchstechnische, ökologische und der Distinktionsnutzen mit in die Gestaltung einzubeziehen. Gutes Design dient nicht nur zur Profilierung in oberen Marktschichten mit gehobenem Preis- und Qualitätsniveau, sondern ist auch für mittlere und untere Marktschichten von Bedeutung. Dies wird deutlich, wenn man sich die enormen Marktpotenziale in Ländern mit geringer Kaufkraft vor Augen führt. Auch ein preiswertes und robustes Produkt wird sich ohne kulturentsprechendes gutes Design nicht durchsetzen. Gutes Design bezieht sich nicht nur auf Sachgüter, sondern auch auf Dienstleistungen. Zentrale Aufgabe ist es dabei, immaterielle Leistungen zu visualisieren und damit begreif- und unterscheidbar zu machen. So ist im Falle einer Fluggesellschaft zu überprüfen, mit Hilfe welcher Instrumente des Corporate Designs (CI = das einheitliche Erscheinungsbild des Unternehmens) Sicherheit und Service vermittelt werden können. Für Verleih-, Leasing-, Sharing- und Poolingkonzepte ist ein vandalismussicheres Design von zunehmender Bedeutung. Als weitere Zielgruppe rücken Mitarbeiter des Unternehmens in das Blickfeld. Ein gutes Design erfüllt auch für die Mitarbeiter eine wichtige Identifikations- und Motivationsfunktion.

Auf Design-Gestaltung sind Design-Agenturen und Inhouse-Design-Teams spezialisiert. Regelmäßig werden in Deutschland und weltweit Designwettbewerbe veranstaltet. Eine bekannte Auszeichnung in diesem Umfeld ist der Red Dot Designaward.

4.6.3 Produkt-, Markenname und Logo Wichtiges Ziel des Marketing ist es, ein Produkt zur Marke zu entwickeln. Das Produkt muss dazu eine Markenpersönlichkeit entwickeln. Und eine Geschichte erzählen können. Eine Marke ist weit mehr als eine Produktgestalt. Wegen der überragenden Bedeutung der Kommunikation bei der Markenbildung (Branding) wird die Markenpolitik später gesondert behandelt. Im Konsumgüter- und auch zunehmend im technischen Geschäft hat die Namensfindung eine strategische Bedeutung, da sie das Branding unterstützt. Erfolgsfaktoren für die Namensgebung sind: (1) keine Konflikte mit bestehenden Schutzrechten, (2) gute Aussprechbarkeit, (3) kreative Elemente, ein besonderer sprachlicher Kniff, (4) Einfachheit, hohe Merkfähigkeit,

„I just took Coca-Cola as an advertising name, thinking that two C´s would look well in advertising.‟ (Frank Robinson, Coca-Cola Museum Atlanta)

328 

(5) (6) (7) (8) (9) (10) (11)

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

gute Unterscheidbarkeit,397 hohe Wiedererkennbarkeit, Nachhaltigkeit, Unabhängigkeit vom Zeitgeist, spürbarer und positiver Lebensstil-Bezug,398 keine Kollision mit anderen Unternehmensmarken, positiver Bezug zum Image der Gesamtunternehmung, Akzeptanz auf internationaler Ebene, Verfügbarkeit der digitalen Präsenzen im Internet und auf Social Media.

Laut Brandter liegt ein Erfolgsgeheimnis von starken Produktnamen in der Einfachheit. „Im Idealfall lässt sich eine effektive Markenstrategie auf ein zentrales Wort reduzieren.“399 Beispiele bekannter Marken und den dahinterliegenden Strategien der Markenentwicklung zeigt Abbildung 4.22 auf. ELEMENTE VON PRODUKT-/MARKENNAMEN

① Abkürzungen ② Zahlen ③ Kombinationen ④ Gründer ⑤ Symbole ⑥ Geschichte ⑦ Herkunft ⑧ Modellreihen ⑨ Eigenschaften ⑩ Personifizierung ⨁ Mythos

SAP/Hana, BMW, E.On 747, 4711 Hohes C, Chanel No. 5 Calvin Klein, IKEA, Adidas, ALDI Krupp Ringe, Mercedes Stern, Yellow Jacobi 1880, 1860 München Pilsner Urquell, Gerolsteiner Z4, T7, A3, Intel Core i9 5 Minuten Terrine, Mega Perls Meister Propper, Der General Ferrari, Maybach, Rolex

ERFOLGREICHE NAMENSGEBUNGEN Odol-Med3

3fach-Schutz

Sensodyne

für schmerzempfindliche Zähne

Jack Wolfskin

draußen zu Hause

Solarworld

Mit uns wird Sonne Strom

Pantene Pro V

Shampoo mit Vitaminen

Fructis

Shampoo mit Fruchtsäuren

Dr. Best

flexible Zahnbürste

Bitburger

bitte ein Bit

BMW

Freude am Fahren

Otto

find‘ ich gut!

Mercedes

Das Beste oder nichts

Haribo

macht Kinder froh

Abbildung 4.22: Elemente der Markenbildung.

Bei der Namensgebung für ein neues Produkt sind die beim Deutschen Patent- und Markenamt national und international eingetragenen Schutzrechte für Namen, Schriftzüge und sonstige Symbole zu beachten.400 Das Kennzeichnungsrecht (auch als Markenrecht bezeichnet) sichert ab, dass keine ähnlichen und verwechselbaren Bezeichnun-

397 Vgl. zu diesen vier Faktoren Hüttel, (Produktpolitik), 1998, S. 175. 398 Kennzeichnet die Fähigkeit eines Begriffs/Namens, Träger eines Lebensstils zu sein. 399 Brandtner, (Krieg), in: MM, 6/1999, S. 186. 400 Informationsmaterial zur Überprüfung vorliegender Schutzrechte und zur Anmeldung eines eigenen Rechtes kann beim Deutschen Patent- und Markenamt München unter www.dpma.de recherchiert werden.

4.6 Produktgestaltung 

 329

gen für gleiche oder vergleichbare Produkte und Angebote verwendet werden. Die Zahl der Patentanmeldungen beim deutschen Patent- und Markenamt liegt seit vielen Jahren recht stabil bei rd. 90 Tsd. Anmeldungen. Ca. 880.000 Marken sind beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragen. Von der Behörde werden bei einem Antragsverfahren u. a. folgende Fragen recherchiert: – Gibt es bereits ein identisches Zeichen? – Besteht Verwechslungsgefahr mit einem ähnlichen Zeichen? – Wird ein Claim bereits in gleicher Weise benutzt (Claim = eine besondere Produkteigenschaft als Erkennungszeichen)? – Welche Marken besitzen die relevanten Konkurrenten? – Ist ein einmal eingetragenes Zeichen noch rechtswirksam? BEISPIELE FÜR SCHUTZRECHTE Urheberrecht Warenzeichen, Marke

Geschmacksmuster

Patent

Gebrauchsmuster

– Geistiges Eigentum. Schutz einer persönlichen, geistigen Schöpfung (Literatur, Musik, Kunst, Film, Tanz). Wenig Bedeutung für die Produktpolitik.

– Ein Warenzeichen ist ein geschütztes Wort-, Bild- oder kombiniertes Wort-

Bildzeichen. Es unterscheidet Waren und Dienstleistungen des Zeicheninhabers von denen anderer Mitbewerber. Warenzeichen müssen beim Patentamt beantragt und in die Zeichenrolle eingetragen werden.

– Ist ein ästhetisches gewerbliches, zweidimensionales (z.B. Tapetenmuster)

oder dreidimensionales (z.B. Schmuckstück) Muster. Wenn es neu, eindeutig unterscheidbar und gewerblich verwertbar ist, kann es durch Eintragung in ein Musterregister beim Amtsgericht gegen Nachbildung geschützt werden.

– Ein Patent ist ein staatlich oder überstaatlich erteiltes, ausschließliches und

zeitlich begrenztes Recht (30 Jahre), eine Erfindung gewerbsmäßig zu nutzen. Eine Erfindung muss neu sein, auf erfinderischer (naturwissen schaftlichtechnischer) Tätigkeit beruhen und vorher nicht andernorts bekannt sein.

– Schützt als "kleines Patent" Arbeitsgerätschaften oder Gebrauchsgegenstände gegen Nachahmung. Im Gegensatz zum Patent ist kein technischer Fortschritt bzw. kein Erfindungsgrad notwendig. Entscheidend ist vielmehr eine Neuartigkeit in der Gestaltung, Anordnung, Vorrichtung oder Schaltung.

Abbildung 4.23: Schutzrechte für Marken.

Abbildung  4.23 zeigt die Schutzmöglichkeiten für ein neues Produkt. Doch selbst wenn rechtlichen Fragen geklärt sind: Eine Namensgebung birgt erhebliche Imagerisiken im internationalen Geschäft. Für die Namensgebung sind viele Detailfragen zu prüfen. Produktnamen vermitteln Botschaften. So verschwimmen in diesem Bereich der Leistungsprogrammpolitik die Grenzen zur Kommunikationspolitik. (1) Was ist die inhaltliche Bedeutung des Produktnamens? Gibt es den inhaltlichen Bezug? Besteht die Gefahr von negativen Assoziationen? (2) Wie passt der Markenname zum Firmennamen? Ist der Markenname in die Markenstrategie der Firma eingepasst? (3) Ist der Produktname einfach auszusprechen und besitzt er ausreichend Erinnerungswürdigkeit? (4) Klingen Wettbewerbsprodukte ähnlich?

330 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

(5) Kann der Name geschützt werden? Bestehen rechtliche Kollisionsgefahren? (6) Wie wird der Name mit dem visuellen Erscheinungsbild kombiniert? Passt der Name zu den verwendeten Symbolen und zur Logo-Gestaltung? (7) Besitzt der Name eine entsprechende Symbolkraft für die Zielgruppe? (8) Kann der Name eine eigene Geschichte im Rahmen des Storytellings erzählen? (9) Kann der Name im internationalen Geschäft eingesetzt werden? (10) Wie reagieren Kunden auf den Namen? Was sind Ergebnisse der Markttests? Ähnlich hohe Anforderungen sind an ein Produkt- bzw. Markenlogo zu stellen. Logos sollten sich im Verbund mit dem Namen im Gedächtnis der Käufer festsetzen. Gute Logos stärken die Markenbildungskräfte der Produktnamen; z. B. der Mercedes Stern, der Opel-Blitz, die Milka-Kuh oder der Fuchs von Schwäbisch Hall. Die Kreation eines Logos muss gut überlegt sein. Abbildung 4.24 bietet eine Typologie der Markenlogos.401

Markenlogos

Bildlogos

Abstrakte Zeichen

Schriftlogos

Konkrete Bilder

Ohne Markenbezug

Mit Markenbezug

Bezug zum Markennamen

Bezug zur Produktkategorie

Bezug zur Positionierung

Abbildung 4.24: Typologie von Markenlogos.

401 Vgl. Als Erweiterung zu Esch, Langner, (Markenlogos), 2013, S. 606; vgl. die Erweiterung bei Esch, (Markenführung), 2012, S. 236.

4.6 Produktgestaltung 

 331

4.6.4 Etikett, Packungsbeilage, Aufdrucke und Imprints Neben Namen und Logo enthalten Produkt und Verpackung eine Vielzahl weiterer Aufdrucke und Beilagen: – Sie unterstützen die Markenprofilierung, sind Teil der Produktbotschaft bzw. der Werbebotschaft. Sie müssen mit den Corporate Identity Richtlinien des Unternehmens in Einklang stehen.402 Zum Beispiel: Die kleine Cola-Flasche als Aufdruck auf der 1l.-Flasche, Haribo-Bär, Meister Propper Figur, das Kaffee-Fair-Konzept. – Die Angaben haben informativen Charakter mit Käufernutzen. Zum Beispiel Öffnungs-, Wiederverschließhinweise, Serviervorschläge, Gebrauchsanleitungen, Prüfurteile, -zeichen, Prüfsiegel, Testergebnis Stiftung Warentest, Zubereitungshinweise, Hinweis „vor Sonne schützen“, Umweltengel, Bio-Siegel. – Zum Teil sind sie rechtlich vorgeschrieben. Zum Beispiel Herstellerhinweis, Verfalldatum, Gewichtsangabe Fleischeinlage, Hinweise auf Konservierungsstoffe, Hinweise „Fragen Sie Ihren ...“ bzw. Warnhinweise auf Tabakprodukten. – Imprints dienen als logistische Bestandteile der Verpackung, zum Beispiel Scan-Codes, Transponder, Transporthinweise. – Wichtige Aufdrucke beziehen sich auf Energieverbrauch und Entsorgung. – Imprints können einen Kundendialog anstoßen, z. B. durch Preisausschreiben oder Hotlines.  Sie leisten einen Beitrag zur Markenbindung. Neue Möglichkeiten zur Interaktion des Kunden mit seinem Produkt ergeben sich durch QR Codes. Große Aufmerksamkeit ist der Gestaltung von Packungsbeilagen und Gebrauchsanleitungen zu widmen. Fehler bei Produktinformationen und Verpackungshinweisen gehen nach den Verbraucherschutzgesetzen zu Lasten der Hersteller.

4.6.5 Verpackung Die Verpackung gilt als das „Gesicht einer Marke“. Das Gesicht der Marke Nivea, die blaue Dose, gibt es seit 1925. Die Umverpackung verschmilzt mit dem Produkt zu einer kundenbindenden Einheit.

402 Und damit Teil der Kommunikationspolitik.

332 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

t. OLG Düsseldorf (6 U 4/500) dürfen Kunden im Kaufhaus Verpackungen regresslos öffnen. Evtl. muss Schadenersatz für Wiederherstellung der Verpackung geleistet werden.

Zu gestalten sind Transportverpackungen und Umverpackungen. Verpackungen üben folgende Funktionen aus: (1) Schutzfunktion (Kisten, Container), (2) Transportfunktion (Karton mit Unterhaltungselektronik), (3) Lagerfunktion, (4) Mengenabgrenzungsfunktion (Flaschen, Säcke, Fässer), (5) Identifizierungsfunktion, Markenbeziehungsfunktion (Perrier, Coca-Cola Flasche), (6) Anreizfunktion  – Werbefunktion (Bsp.: Kosmetika-Flakons, Kinderschokolade), (7) Ökologische Funktion (Bsp.: Versandpackungen aus recyceltem Material von Zalando (8) Informationsfunktion (z. B. Lager-, Transporthinweise), (9) Erziehungsfunktion (Gefährdungsaufdruck bei alkoholischen Getränken), (10) Zusatznutzenfunktion (Smoothie von True Fruits mit Vorschlägen zur Nutzung der leeren Glasflaschen).

„We need a bottle which a person will recognize as a Coca-Cola bottle, even when he feels it in the dark.‟ (Franklin Thomas, 1912, Coca- Cola Museum Atlanta)

Verpackungen erfüllen wichtige Marketingaufgaben. Besonders deutlich ist die Anreizfunktion der Verpackung für Kosmetika. Solange der Verbraucher den Duft nicht riecht, repräsentiert der Flakon den Inhalt. Ein Beispiel mit Weltgeltung: Chanel No. 5. Hersteller, Handel, Kunden und Staat stellen unterschiedliche Anforderungen an eine Verpackung, die zu einem Ausgleich gebracht werden müssen.403 Gutes Verpackungsdesign unterliegt entsprechenden Anforderungen. Wichtige Empfehlungen für die gute Gestaltung für Verpackungen sind: – Die Verpackung soll mit dem Inhalt eine präferenzbildende Einheit darstellen. – Die Verpackung soll Produktvorteile überzeugend und eindeutig darstellen. – Die Verpackung soll adäquate Gebrauchshinweise geben. – Die Verpackung soll eine hoher Erinnerungswürdigkeit und Wiedererkennbarkeit besitzen. – Die Verpackung soll zielgruppenadäquat kommunizieren. – Die Verpackung soll leicht zu öffnen und ggf. zu verschließen sein. – Die Verpackung soll gut zu transportieren sein. – Die Verpackung soll gut zu entsorgen sein. – Die Verpackung soll nicht über die wirkliche Menge oder Beschaffenheit des Inhalts hinwegtäuschen.

403 Vgl. zu dieser Grafik Haedrich, Tomczak, (Produktpolitik), 1996, S. 35.

4.7 Sortimentsplanung des Leistungsprogramms 

 333

Unternehmen, die Produkte mit Verpackungen in den Verkehr bringen, müssen sich auch um die Verwertung der Verpackungen bemühen. Die EU-Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle versucht, sowohl Verpackungsmüll zu vermeiden, wie auch die Verwertungsquoten von Verpackungsabfällen zu erhöhen. Ziel der Verordnung ist es, dass bis Ende 2025 65% aller Verpackungsabfälle recycelt werden. Diese Vorgabe steigt bis zum Jahr 2030 auf 70%.404 Das Duale System in Deutschland fasst verpflichtende Abgaben für die Entsorgung aller lizensierten Hersteller und Verkäufer zusammen und finanziert damit die kollektive Sammlung und Verwertung von Verpackungsabfällen (bspw. über den gelben Sack).

4.7 Sortimentsplanung des Leistungsprogramms 4.7.1 Kriterien der Programm- und Sortimentsplanung Wirtschaftsunternehmen kombinieren eine Vielzahl von Güter- und Dienstleistungen zu Produkt- oder Verkaufsprogrammen. Der Handel bündelt die Produkte verschiedener Hersteller zu Sortimenten. Die Ausführungen zu einem ausgewogenen Portfolio und zu den Programmstrukturanalysen betonten die strategische Relevanz des Themas Produktmix bzw. das der Sortimentsoptimierung. Theoretische Erkenntnisse zu diesem Kombinationsproblem sind dünn gesät.405 Für die marktorientierte Unternehmensführung liegt die strategische Herausforderung im Ausbalancieren von Kunden- und Kostenorientierung. Reiß und Beck definieren ein 4-Felder-Spannungsfeld mit den Kriterien Spezialisierung des Leistungsprogramms und Preisniveau (siehe dazu Abbildung 4.25). Die Kombination von teuren und standardisierten Leistungen wäre fatal, die Kombination von preiswerten und individualisierten Lösungen geradezu ideal.406 Der Kostendruck zwingt die Unternehmen jedoch zum Angebot kundenspezifischer Problemlösungen zu Preisen von Commodities.  Der Trend geht hin zu modularen Angeboten aus Baukastensystemen, die die Kunden als auf sie zugeschnittene Problemlösungen emp404 Vgl. www.bundesumweltamt.de. 405 Die Theorie bietet an, im Wege von Verfahren wie der linearen Programmierung optimale Programmstrukturen zu berechnen. In der Praxis wird oft überhaupt keine Programmpolitik betrieben, und dass trotz eines Leistungsangebotes von Tausenden von Artikeln. 406 Vgl. Reiß; Beck, (Mass Customization), 1995, S. 64.

Im Volkswagen Nutzfahrzeuge Werk in Hannover können vom bekannten VW Bus mehrere tausend Varianten gebaut werden. Alle sind individuell aus dem Baukasten an Ausstattungsmerkmalen konfiguriert.

334 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

Spezialprodukte

Kundenorientierung

finden. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der Computerhersteller Dell, der seinerzeit als erster großer PC-Anbieter eine individuelle Konfiguration der Computer ermöglichte. In letzter Zeit haben sich Plattformlösungen etablieren können. Produktalternativen werden vor produziert vorgehalten und Kunden bedienen sich individuell. Dieses Modell kommt vielfach im Softwarebereich zur Anwendung und wird unter dem Namen Software­as­a­Service (SaaS) zusammengefasst.

BaukaustenSysteme

IndiviualLeistungen

MassCustomization Varianten

Standardprodukte

PlattformLösungen PaketLösungen MassenLeistungen

Teure Leistungen

Preiswerte Leistungen Kostenorientierung

Abbildung 4.25: Produktprogrammgestaltung im Spannungsfeld zwischen Kunden- und Kostenorientierung.

4.7.2 Kriterien der Programm- und Sortimentsbildung Über die Kunden-, Wettbewerbs- und Kostenkriterien hinaus orientieren Unternehmen die Ausweitungen (Produktdifferenzierungen) und Kombinationen ihrer Leistungsprogramme (Programmbildungen) an. Mögliche Ansätze zur Weiterentwicklung des Angebotsspektrums sind: – Vorhandene oder aufzubauende Problemlösungskompetenzen, z. B. Microsoft erstellte seinerzeit nur Software, mittlerweile sind Hardware, Cloud-Dienstleistungen, Social Media Anwendungen etc. hinzugefügt worden.

4.7 Sortimentsplanung des Leistungsprogramms 



– – –



 335

Alternative Verwendungen von Materialien, z. B. innoviert der Mischkonzern Freudenberg in allen Segmenten, in denen Leder substituiert (Vileda) oder Textilien mit Metall kombiniert werden. Segmentierung, Zuspitzung oder Ausweitung von Zielgruppen, z. B. Seminarprogramme nur für Versicherungen. Möglichkeiten, die Kunden in Richtung höherwertige Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, das sog. Up Selling. Möglichkeiten, den Kunden arrondierende Leistungen anzubieten, das sog. Cross Selling, z. B. Automobilhersteller unterhalten eigene Finanzierungsinstitute, der Kaffeeröster Tchibo weitet Sortimente permanent aus). Entwurf von weiterführenden Bindungsoptionen, d. h. Möglichkeiten, Kunden durch spezielle Dienstleistungen zu binden. Z. B. bietet die Telekom Seminare für Geschäftskunden an.

Groß- und Einzelhandel haben eine Sortimentsbildungsaufgabe zu erfüllen. Gesichtspunkte für die Bildung und Spezialisierung von Handelssortimenten sind:407 (1) Ausrichtung an dem Produktmaterial oder der Herkunft der Güter, z. B. Möbelfachgeschäft nur für Echtholz-Möbel, (2) Ausrichtung auf Käufersegmente und Zielgruppen, z. B. Möbelgeschäft für designorientiertes Wohnen, (3) Ausrichtung an Preislagen, z. B. Nonfood Discount wie Woolworth, KODI oder Action, (4) Ausrichtung an Komplementär- und Kompensationsprodukten, z. B. neue Biosortimente in Drogerien, (5) Ausrichtung an Serviceanforderungen, z. B. Entscheidung zwischen Discounter und Fachgeschäft.

4.7.3 Programmbreite und Programmtiefe Das einzelne Produkt hat sich in ein Leistungsprogramm des Herstellers bzw. in ein Sortiment im Handel einzufügen. Diese sind in Breite und Tiefe festzulegen. Die Programmbreite/Sortimentsbreite bezieht sich auf die Anzahl (Vielfalt) der Produktgruppen bzw. Artikelgruppen. Die Programmtiefe/ Sortimentstiefe bezieht sich auf die Anzahl der Produkt- bzw. Artikelvarianten innerhalb einer Produktgruppe/eines Sortiments.

407 Vgl. Weis, (Marketing), 2009, S. 321–322.

336 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

Programmtiefe

In Abbildung  4.26 kann die Strukturierung des Leistungsangebots nachvollzogen werden. Die vollständige Übersicht zu den strategischen Gestaltungsmöglichkeiten der Sortimentsentwicklung zeigt Abbildung 4.27 In der operativen Planung bieten sich unterschiedliche Ebenen für die Produkthierarchien an. Diese Bereiche bauen nicht zwingend aufeinander auf, sondern bieten durch Klassifizierungsoption eine Option zur Planung und Strukturierung des Sortiments an,

Produktlinie 1 Nivea Haare

Produktvariation 1 Produkt variation 2 Produktvariation 3 Produktvariation n

Programmbreite Produktlinie 2 Produktlinie 3 Nivea Nivea Sun Nivea Men

Produktlinien Nivea ...

Styling

Sonnenmilch

Gesicht

...

Shampoo

Sonnencreme

Deo

...

Spülung

Sonnenspray

Rasur

...

...

...

...

...

Abbildung 4.26: Programmbreite und -tiefe am Beispiel Nivea.

Schmales Programm

Breites Programm

Flaches Programm

Konzentration auf wenige, dabei aber gängige Produkte

Umfangreiches Sortiment mit ausgesuchtenAlternativen

Tiefes Programm

Konzentriertes Fachsortiment mit nur wenig Breite

Abdeckung eines breiten und tiefen Sortiments

Abbildung 4.27: Ausgestaltung alternativer Sortimentsstrukturen.

– –



Warenbereich: Lassen sich die Produkte nach spezifischen Bedürfnissen klassifizieren? Nivea-Produkte für Frauen und Männer? Warengattung und Produktklasse: Die Produkte der Beiersdorf AG (Mutterkonzern von Nivea) sind in der Warengattung Konsumgüter beheimatet. Warengruppe und Produktgruppe: In der Kategorisierung Konsumgüter gehören Niveau-Produkte zur Warengruppe Drogerieartikel.

4.8 Ergänzende Dienstleistungen, Services und Kundendienst 



– –

– – –

 337

Sortimentsgruppe und Produktfamilie: Die Nivea-Produkte unterscheiden sich nach Haarpflege, Männerprodukten, Körperpflege, etc. Produktlinie, Begriff für fertigungstechnisch zusammenhängende Produkte, bspw. Nivea Cremes für alle Anwendungsbereiche. Produktmarke: Nivea Men und Niveau Sun sind positionierte Produktmarken, andere Produkte aus dem Sortiment sind allgemein unter der Dachmarke Nivea positioniert. Produkttyp und Sortimentslinie: Niveau Duschprodukte in der Sortimentsgruppe Körperpflege. Artikel: Das einzelne Angebot, bspw. Nivea Creme Soft Pflegedusche 250ml. Artikelvariante: Niveau Creme Soft Pflegedusche jetzt auch in der 500ml Packung.

Keineswegs wird das, was Unternehmen verkaufen, immer von ihnen selbst hergestellt. Für die Angleichung von Produktions- und Verkaufsprogramm gibt es drei Konstellationen: – Produktionsprogramm entspricht Verkaufsprogramm, – Produktionsprogramm ist kleiner als das Verkaufsprogramm: Industrieunternehmen haben die Idee der Sortimentsarrondierung übernommen. Was nicht selbst produziert wird, wird zugekauft (Handelsware, Kaufteile). – Produktionsprogramm größer Verkaufsprogramm: In diesem Fall werden erstellte Leistungen innerhalb eines Konzerns vermarktet (Eigenbedarf) oder an Kunden oder Mitarbeiter vermarktet. Produkte werden immer erklärungsbedürftiger. Anderseits werden die Angebote im Zuge einer internationalen Normierung und Standardisierung zunehmend austauschbarer. Deshalb helfen Dienst- und Serviceleistungen, um nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu schaffen.

4.8 Ergänzende Dienstleistungen, Services und Kundendienst Grundsätzlich zu unterscheiden sind Dienstleistungsbranchen, die imma­ terielle Leistungen als Kernleistungen anbieten (Handel, Banken, Versicherungen, Steuerberater, Ärzte, Gastronomie, Energieanbieter usw.) und Dienstleistungen als Ergänzungsleistungen im produzierenden Gewerbe. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf diesen zweiten Bereich.

338 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

Eine Studie der Absatzwirtschaft kommt zum Schluss: „Nur mit überlegener Dienstleistungsqualität, einer gelebten Dienstleistungskultur und der intensiven Pflege von Kundenbeziehungen lassen sich Kundenbindung und langfristiges Wachstum im Service erzielen“.408 Die Zeitschrift Impulse und der VDMA fanden in einer Untersuchung über Lieferantenwechsel heraus, dass zu 15 Prozent der Preis und zu 20 Prozent ein besseres Produkt den Ausschlag gegeben hat. Zu 65 Prozent waren die Kunden jedoch mit dem Service über die gesamte Nutzungsdauer des Produktes unzufrieden. Studien bzw. Aussagen dieser Art trennen i.d.R. nicht zwischen Dienstleistungen und Service. Eine griffige Abgrenzung gilt entsprechend als nicht einfach.409 In diesem Buch wurde im Abschnitt 1.1.2 eine pragmatische Abgrenzung vorgenommen. Dienstleistungen sind danach Geschäfte auf vertraglicher Basis mit Preissetzung. Serviceleistungen sind weitgehend kostenfreie Zusatzleistungen.

4.8.1 Der Weg zur Dienstleistungsgesellschaft Seit vielen Jahren ist eine deutliche Zunahme der Nachfrage nach Dienstleistungen zu verzeichnen. Die Industriegesellschaft wird durch die Dienstleistungsgesellschaft abgelöst. Auslöser der Veränderung sind in Abbildung 4.28 zusammengefasst. In Kapitel 1 wurden bereits Kombinationen von Sachgütern, Dienstleistungen und Service aufgezeigt. Im produzierenden Gewerbe stehen Sachgüter mit Dienst- und Serviceleistungen in einem logischen Zusammenhang. Für technische Produkte ist es kennzeichnend, dass sie von Kundendienstleistungen begleitet werden, die entweder selbst oder fremd erbracht werden. Abbildung  4.29 beschreibt Angebotsgraduierungen vom Sachgut zur reinen Serviceleistung.

408 Wissensseite in ASW, 6/2003, S.  40; vgl.  dort auch den Hinweis auf Studie von Impuls/VDMA. 409 Und wie Bieberstein ausführt, gibt es auch keine allgemein anerkannte Definition: vgl. Bieberstein, (Dienstleistungsmarketing), 2006, S. 26; vgl. zu den unterschiedlichen Begriffsabgrenzungen auch Hüttel, (Produktpolitik), 1998, S.  280–281 sowie die dort angegebene Literatur; Kotler spricht von einer Zunahme warenbegleitender Dienstleistungen: vgl.  Kotler; Keller; Bliemel, (Marketing-Management), 2007, S.  547 und S. 573–575. Dienst- und Serviceleistungen werden nicht unterschieden.

 339

4.8 Ergänzende Dienstleistungen, Services und Kundendienst 

– – – – – –

Entwicklungen des Nachfragerverhaltens

Trend zur Convenience Steigende Ansprüche an Dienstleistungsangebote Sinkende Loyalität Kundenforen im Internet Zunehmendes Preisbewusstsein Nutzung von Bewertungsportalen

Gesellschaftliche Entwicklungen

Steigende Nachfrage nach Dienstleistungen

– Gestiegener Anteil erwerbstätiger Frauen – Verkürzung der Arbeitszeit – Entlokalisierung von geschäftlichen und privaten Kontakten – Wertewandel

– – – – –

Technologische Entwicklungen

Technologiegetriebene Bedarfsweckung Komplexität moderner Sachgüter E Business / E Services Social Media Plattformen Internet der Dinge / IoT

– – – –

Demografische Entwicklungen

– Altersstruktur der Gesellschaft – Steigende Lebenserwartung – Erhöhte Nachfrage nach Pflege- und Freizeitdienstleistungen – Zunahme Ausländeranteile

Entwicklung der Märkte

Zunehmende Konkurrenz Differenzierungsvorteile durch Zusatzleistungen Wachsende Bedeutung von Added Value Services Internationalisierung

Sachprodukt mit ergänzender Dienstleistung

Dienstleistung mit ergänzendem Sachprodukt

Reine Dienstleistung

Verkauf von Kopierern mit Servicevertrag

Wartungsvertrag EDV mit Verkauf neuer Drucker

Wartungsvertrag für die EDV-Ausstattung

Reine Serviceleistung

Sachprodukt mit ergänzendem Service Verkauf von Kopierern mit Lieferung

Kostenfreie User-Einweisung bei Softwarekauf

Reines Sachgut Verkauf von Kopierern

Abbildung 4.28: Ursachen der zunehmenden Nachfrage nach Dienstleistungen.410

Abbildung 4.29: Leistungsstufen vom Sachgut zur Serviceleistung.

Dienst- und Serviceleistungen beruhen als individuelle Leistungen vielfach auf menschlichen Zuwendungen. Service hat mit Aufmerksamkeit, Dienen und Unterstützung zu tun. Ausnahme sind aber auch möglich, z. B. die maschinelle Fernwartung, die in Zeiten der zunehmen410 Quelle: Meffert et al., (Dienstleistungen), 2018, S. 5.

Ein Problem wurde übersehe. Im Dienstleistungsbereich hat sich ein Niedriglohnsektor herangebildet.

340 

„À votre service“ – auf Französisch: Eine Kontaktperson steht persönlich zur Verfügung.

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

den IoT-Anwendungen an Relevanz gewinnt Serviceleistungen begleiten heute die meisten Sachgüter. Angesichts gesättigter Märkte und austauschbarer Sachgüter gilt ein guter Service als „Wachtumsmotor“.411 Serviceleistungen sind der Added Value im Leistungsangebot. Es ist nicht einfach, neue Dienst- und Serviceleistungen zu kreieren, die Mehrwerte oder Added Values übertragen. Im Zuge der Corona Pandemie haben viele Unternehmen kostenlose Stornierungsoptionen angeboten, was als Mehrwertleistungen anzusehen ist. Auch verlängerte Testmöglichkeiten oder 100 Tage Rückgabeoptionen bei Onlineshops sind vergleichsweise neue Serviceleistungen, die differenzieren sollen. Unternehmen mit deutlich wahrnehmbar in den Markt kommunizierten und qualitativ gleichbleibenden Service- und Dienstleistungen werden von den Kunden als kompetent, zuverlässig und innovativ wahrgenommen. Sie sind vom Wettbewerb nicht so leicht kopierbar. Bei nachlassendem Service reagieren die Kunden sehr sensibel. Untersuchungen zeigen: 40% der zu einem Produktwechsel Befragten erklärten, dass ein unbefriedigender Service Grund für einen Lieferantenwechsel ist. Nur 8% der Kunden wechselten auf Grund von Produktmängeln. Nur bei 9% war der Preis der Anlass.412 Um Dienst- und Serviceleistungen in gleichmäßiger Qualität und Zuverlässigkeit zu erbringen, bedarf es einer verinnerlichten Servicekultur. Erfolgreiche Unternehmen entwickeln Leitlinien und Benchmarks im Servicebereich. Qualitätsmanagement für das Service- und Dienstleistungsprogramm wird wichtiger. Erheben Unternehmen Extrakosten für bisher kostenfrei geleistete Serviceleistungen, vollzieht sich der Schritt in das Dienstleistungsgeschäft. Mängelbehebungen beim Möbelkauf erfolgen nur innerhalb der Garantiezeit als kostenloser Service. Nach der Garantiezeit stellen sie eine kostenpflichtige Dienstleistung dar. Wie kann man den Kunden diese Übergänge vermitteln kostet? Abbildung 4.30 enthält Ansätze, um aus kostenfreiem Service kostenpflichtige Dienstleistungen zu machen. Wie gut das gelingt, hängt davon ab, ob im Vorfeld der Dienstleistungsstrategie die Kundenwünsche genau erfasst werden. Wie eine Dienstleistungsstrategie vorbereitet werden kann, zeigt eine Studie des Fraunhofer-Institutes für Produktionstechnik und Automatisierung.413 122 Entscheider und Einkäufer von Serviceleistungen aus der Automobil-

411 Fuchs, (Markenservice), 1997, S. 165–168. 412 Vgl. Soliman; Justus, Arena, (Hersteller), in: HBM, 2/1997, S. 19. 413 Vgl. Sihn et al., (Dienstleistungen), in: Service Today, 6/2000, S. 38–40.

4.8 Ergänzende Dienstleistungen, Services und Kundendienst 

Package-Angebote

Klare Konditionen und Abwicklungsmodalitäten

Erste Inanspruchname kostenlos anbieten

Absenken des Basispreis des Sachguts

Ansätze für den Übergang von kostenfreiem Service zu kostenpflichtigen Dienstleistungen

Klar definierte Grenzen der Garantieleistung

 341

Bepreisung der Serviceleistung

Dienstleistung als eigenständige Leistung bewerben

Dienstleistung mit Prestige aufwerten

Abbildung 4.30: Ansätze für den Übergang von kostenfreiem Service zu kostenpflichtigen Dienstleistungen.

industrie und aus dem Maschinen- und Anlagenbau wurden befragt. Die wichtigsten Ergebnisse der Studie verdienen Aufmerksamkeit: – Kunden erwarten lange vor dem Kauf Dienstleistungen und Services. – Kunden wünschen mehr Verfügbarkeit von Informationen über das Dienstleistungsangebot der Hersteller. – Man schätzt erfolgsorientierte Bezahlung statt Bezahlung nach Ausführung. – Serviceverträge stoßen auf Ablehnung. Kunden möchten keine Bindungen. – Wachsende Zahlungsbereitschaft für Onlinedienste, Ferndiagnose, Helpdesk. – Großes Interesse besteht an Alternativen zum Neukauf von Anlagen, z. B. an Dienstleistungen wie Leasing oder Maschinenvermietung. Zu dem weiten Feld der immateriellen Leistungen zählt auch der technische Kundendienst. Ohne ihn würden die Maschinen der Industrie stillstehen.

4.8.2 Kundendienst – Pre-Sales und After-Sales (After-Market) Der technische Kundendienst begleitet das Angebot von Anlagen, Maschinen und technischen Geräten. Er bietet kostenpflichtige Dienst-

342 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

leistungen, aber auch kostenfreie Serviceleistungen (vor allem während der Garantiezeit) an.414 Der Kundendienst erfüllt folgende Funktionen: (1) Schulungsfunktion: Viele Anwenderfragen werden über den Kundendienst gelöst. (2) Problemlösungsfunktion: Servicetechniker müssen über die entsprechenden Fähigkeiten und Ausstattungen zur Lösung technischer und fallweise kaufmännischer Probleme beim Kunden verfügen. (3) Marktforschungsfunktion: Der Kundendienst erhält ein direktes Kundenfeedback. Kundenanregungen und -beanstandungen können schnell an die entsprechenden betrieblichen Stellen weitergereicht werden. (4) Akquisitionsfunktion: Der Kundendienst sollte als Teil des Verkaufs verstanden werden und im Rahmen von CRM Verkaufsfunktionen übernehmen. Er steht in engem Kundenkontakt und ist oft erster Ansprechpartner der Kunden. So weiß er um Stärken und Schwächen der eigenen Produkte. Eine Funktion ist in diesem Zusammenhang die Bedarfsanalyse beim Kunden mit Weitergabe an den Außendienst für Ersatz- und Zusatzkäufe. (5) Cross­Selling-, Up­Selling-Funktion: In der After-Sales-Phase bieten sich Chancen für den Überkreuz- und Aufwertungsverkauf. (6) Kundenbindungsfunktion: Der Kundendienst leistet einen wesentlichen Beitrag zur Vorqualifizierung und Vorbindung von potenziellen Neukunden und zur Bindung von Bestandskunden. (7) Imagefunktion: Der Kundendienst wird zum Gesicht eines Anbieters im Markt, weil er oft in kritischer Mission beim Kunden ist. Der Techniker verkauft das Produkt und die Firma zum zweiten Mal. Router defekt. Frage an Telekom-Techniker: Haben Sie ein besseres Gerät? Antwort: Ich bin nur der Techniker.

Kundendienstleistungen werden kaufvorbereitend (Pre-Sales-Aktivitäten) oder kaufnachbereitend (After-Sales-Aktivitäten) erbracht; ferner als Beratung und spezieller Service beim Kauf selbst. Abbildung  4.31 liefert eine Typologie der Dienst- und Serviceleistungen im technischen Kundendienst. Das Schema unterscheidet kaufmännische und technische Dienste am Kunden. Das Anbieten von technischen Diensten und Services an bestehende Kunden wird als Sofortmaßnahme bei schleppenden Umsatzverläufen oder konjunkturell bedingten Kaufzurückhaltungen angesehen. Wenn Kunden weniger oder keine Neuanschaffungen vornehmen, kann im After Sales weiterhin Umsatz erzielt werden. Einmal verkaufte Produkte

414 Vgl.  zur Konzeption eines eigenständigen Dienstleistungsmarketing: Meffert; Bruhn, (Dienstleistungsmarketing), 2018.

4.8 Ergänzende Dienstleistungen, Services und Kundendienst 

KAUFMÄNNISCHE DIENSTE UND SERVICES

PRE-SALES

AFTERSALES

– – – – – – – – – –

Beratung Angebotserstellung Marktforschungsdaten Finanzierungsberatung Wirtschaftlichkeitsrechnung Finanzdienstleistungen Beantragung öffentlicher Mittel Bestelldienst Schulung Lizenzverträge

– – – – – – – – – – –

Kundenzeitschrift Newsletter User-Foren Chats und Podcasts Umtauschservice Kulanz und Garantie Versicherungsdienste Kaufmännische Hotline Betriebskostenberatung Schulungen, Ausbildung Ersatzzeitpunktempfehlungen

 343

TECHNISCHE DIENSTE UND SERVICES – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Zeichnungen, Projektierung Dokumentation, Datenblätter Seminare und Fachvorträge Technische Vorprüfungen Probelieferung, Musterüberlassung Vorübergehend Leihmaschinen Installationsinformationen Anpassung der Peripherie Einweisung von Technikern Einbauvorbereitung Anlieferung, Rückn. Verpackung Montage und opt. Einstellung Rücknahme Altgerät Inbetriebnahme, Installationst estst Hotline , Helpdesk Fernwartung , Teleservice Technische Nachkontrolle Reparatur und Wartung Verbrauchsoptimierung Ersatzteilservice Software-Updates Entsorgung, Recycling

Abbildung 4.31: Übersicht kaufmännischer und technischer Service- und Dienstleistungen.

müssen gewartet werden, über sog. Retrofits können installierte Produkte mit neuen Technologien nachgerüstet werden.415 Diese Leistungen werden üblicherweise im Rahmen von abzuschließenden Serviceverträgen kostenpflichtig vermarktet.

4.8.3 Innovative Supportkonzepte: Hotline, Help Desk und Chat Bot Neuartige Dienste werden entwickelt, um Kunden speziell in technisch anspruchsvollen Gebrauchsgütermärkten schnelle Unterstützung zu bieten. Abbildung  4.32 zeigt ausgewählte Ansätze. Die Konzepte dienen der systematischen Anwenderforschung, der Kundenbindung und der Folgekauf-Vorbereitung. Wichtig ist die Anbindung an eine integrierte Kundendatenbank, damit aktiver Vertrieb, Anwendungstechnik und Service-Abteilung auf gleiche Informationen zugreifen können.

415 Vgl. Buchwald, (Sofortmaßnahmen), 2021, S. 37.

344 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

INNOVATIVE SUPPORTKONZEPTE

Self Help Hilfe zur Selbsthilfe, oft Downloads, auch Chats in der User-Community Weitere Unterstützung durch Bots und Avatare

Help Desk systematische Kundenunterstützung durch Eskalationsroutinen, wichtig ist ITSystemunterstützung Hotline allgemeine Kundenunterstützung; oft mittels Call-Center, relativ unflexible Abläufe

1st Level Support 80% aller Probleme werden telefonisch durch Generalisten gelöst 2nd Level Support danach Hilfe durch Spezialisten, intensives Check-up 3rd Level Support Hilfe durch Fachmann vor Ort, Emergency-Support

Abbildung 4.32: Innovative Supportkonzepte.

Heute sind mehrstufige Help Desk Systemen im Einsatz.416 I. d. R. sind drei Unterstützungsebenen definiert. Falls eine Ebene das Problem nicht innerhalb einer vorgeschriebenen Zeit lösen kann, wird nach dem Eskalationsprinzip die nächsthöhere Ebene eingeschaltet. Der Ablauf kann folgendermaßen organisiert werden: – Ein Help Desk ist als alleinige Kontaktstelle für alle Kundenprobleme (Single-Point-of-Contact-Prinzip (SPOC)) aufgesetzt. – 90 Prozent aller Anrufe sollen innerhalb von 30 Sekunden angenommen werden können (messbare Erreichbarkeit). – Nicht mehr als 5 Prozent aller Anrufer dürfen wegen zu langen Wartezeiten wieder auflegen (Abandon Rate). Diese Punkte kennzeichnen ein 90/30/5-Service-Level. – 80 Prozent aller Probleme sind im 1st Level Support zu lösen. – Kann die erste Service-Stufe das Problem nicht lösen, wird an den Spezialisten im 2nd Level Support übergeben. – Nur im Fall, dass auch dort dem Kunden nicht geholfen werden kann, kann auf der dritten Stufe ein Servicetechniker das Problem vor Ort lösen.

416 Vgl. Herms, (GlobalHelp), mit dem Beispiel für den Help Desk bei Siemens IT Service, in: Service Today, 4/2000, S. 20–26.

4.8 Ergänzende Dienstleistungen, Services und Kundendienst 

 345

Eine vergleichbare Quotensteuerung erfolgt auch bei anderen Kontaktmedien. Beispielsweise sollen Mail-Anfragen innerhalb von 6 Stunden beantwortet werden, Chat-Anfragen innerhalb von 2 Minuten. Auf Basis dieser Kontaktannahme wird dann der Bearbeitungsworkflow geplant. Weitere Möglichkeiten für innovative Servicekonzepte ergeben sich durch die Social Media. Im Rahmen der sozialen Plattformen tauschen Fans Informationen aus und beraten sich bei Problemen selbst. Man spricht von Crowd Sourcing. Nicht selten wenden sich Kundendiensttechniker dann mit der Bitte um Rat an Mitglieder der Community und Kunden-Foren.

4.8.4 Messung von Servicequalitäten Regelmäßig befragen Wirtschafts- und Verbraucherverbände sowie Unternehmen Kunden über Serviceerwartungen und Servicequalitäten. Kundenbefragungen helfen bei der Ausgestaltung eines wettbewerbsüberlegenen Serviceprogramms. Eine Qualitätsmessung von bestehenden Service- und Dienstleistungen sollte folgende Fragen beinhalten: – Wie gut wird eine bestimmte Leistung aus Kundensicht erbracht? – Wie wichtig ist diese Leistung für den Kunden? – Wird die Leistung vom Kunden wahrgenommen (gewürdigt)? – Was ist die erbrachte Leistung dem Kunden wert? Im ersten Schritt werden Kunden nach ihrer Zufriedenheit mit den empfangenen immateriellen Leistungen zu befragen. Zur Bewertung von Dienstleistungen hat sich das Befragungsschema nach dem SERVQUAL-Konzept bewährt. Abbildung  4.33 gibt die Kundenzufriedenheitsparameter nach dem SERVQUAL-Konzept wieder. 97 Erfolgseigenschaften wurden auf 5 kompakte Bewertungskriterien reduziert, die mit 21 Faktoren erhoben werden. Jedoch sagen Zufriedenheitsurteile allein noch nichts über die Wichtigkeiten der Dienst- und Serviceleistungen für die Kunden aus. Es ist nicht ratsam, Anstrengungen bei Leistungen zu unternehmen, die für Kunden keine wichtige Rolle spielen. Umgekehrt sollte die Performance der Anstrengungen dort verbessert werden, wo aus Kundensicht wichtige Leistungen nur mangelhaft erbracht werden.

346 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

Zuverlässigkeit

Empathie

– Dienstleitung wie versprochen ausgeführt – Zuverlässigkeit, was die Handhabung der Kundenprobleme mit der Dienstleistung angeht – Dienstleistung direkt beim ersten Mal richtig ausgeführt – Dienstleistung zum versprochenen Zeitpunkt ausgeführt – Fehlerfreie Aufzeichnung erhalten – Angestellte, die über das nötige Wissen verfügen, um Kundenanfragen zu beantworten

– – – –

– Den Kunden auf dem Laufenden halten, wann die Dienstleistung ausgeführt wird – Schnelle Bedienung des Kunden – Bereitschaft, den Kunden zu helfen – Bereitschaft, auf die Wünsche des Kunden einzugehen

– Moderne Ausstattung – Optisch ansprechende Räumlichkeiten – Angestellte mit einem sauberen und professionallen Erscheinungsbild – Optisch ansprechend gestaltete Werbematerialien, die im Zusammenhang mit der Dienstleistung stehen

Empfänglichkeit

Individuelles Eingehen auf jeden Kunden Angestellte, die sich gut um die Kunden kümmern Ihr Interesse gilt in erster Linie dem Wohl der Kunden Angenehme Geschäftszeiten

Umfeld

Unterstützung

– Vertrauenserweckende Angestellte – Den Kunden ein gutes Gefühl bei der Durchführung vermitteln – Angestellte, die stets höflich sind

Abbildung 4.33: Kundenzufriedenheitsfaktoren nach dem SERVQUAL-Ansatz.417

Abgefragt werden die Items mittels jeweils zwei Aussagen auf einer Doppelskala.418 Eine Aussage formuliert „so sollte es sein“ (Mitarbeiter am Serviceschalter sollten immer gleichbleibend höflich bleiben!), die zweite Aussage fragt das konkrete Erlebnis ab: „so ist es“ (Mitarbeiter am Serviceschalter sind immer gleichbleibend höflich!). Diesen Aussagen wird auf einer 7er-Skala zugestimmt („stimme ich vollkommen zu“) oder die Aussagen werden abgelehnt („lehne ich vollkommen ab“). Aus der Differenz zwischen der Soll- und Ist-Bewertung lässt sich dann die Dienstleistungsqualität ableiten. Der einfachen und populären Anwendung in der Praxis stehen methodische Herausforderungen gegenüber. Können Kunden Annahmen zu gewünschten Dienstleistungsqualitäten abgeben? Kritisch ist auch die Frage, was ein Idealniveau an Dienstleistungsqualität für unterschiedliche Kunden darstellt (hochpreisig kaufende Kunden vs. discountorientierten Kunden).419

417 Quelle: Kotler et al., (Marketing-Management), 2017, S. 518. 418 Vgl. Meffert et al., (Dienstleistungen), 2018, S. 220. 419 Vgl. Meffert et al., (Dienstleistungen), 2018, S. 221.

 347

4.8 Ergänzende Dienstleistungen, Services und Kundendienst 

BEWERTUNG VON DIENSTLEISTUNGSMERKMALEN

1.00

Mittelwerte der Kundenzufriedenheit (Schulnoten 1 bis 5)

1.20 1.40

Öffnungszeiten

Freundlichkeit

1.60 1.80

Erreichbarkeit 2.00

Beratung 2.20

telef.Erreichbarkeit 2.40

Parken

Wartezeiten

2.60

Sauberkeit

2.80 3.00 0.00

Zuverlässigkeit

0.10

0.20

0.30

Preis/Leistungsverhältnis 0.40

0.50

0.60

0.70

0.80

0.90

Wichtigkeit der Leistungsmerkmale (Skala 0 bis 1) Abbildung 4.34: Exemplarische Bewertung von Dienstleistungsmerkmalen.420

Abbildung 4.34 zeigt eine Portfolio-Auswertung für eine Qualitätsmessung von Servicemerkmalen, die im Rahmen des Kundenmonitors Deutschland (Deutsches Kundenbarometer) regelmäßig in den Dienstleistungsbranchen erhoben werden. Die Befragen gaben nicht nur an, wie gut sie ein Servicemerkmal in der Ausführung bewerten. Sie bewerteten auch die Wichtigkeiten der Merkmale. Je nach Positionierung einer Leistung in einem der vier Felder sind die angegebenen strategischen Stoßrichtungen zu empfehlen: (1) Hoch bewertete Dienstleistungen bzw. Services mit geringer Wichtigkeit eventuell einsparen, (2) Qualitätsniveau der wichtigen und hervorragend erbrachten Leistungen sichern, (3) wichtige, aber unbefriedigend erbrachte Leistungen mit Priorität verbessern, (4) schwächere Leistungen, die unwichtig sind, eventuell akzeptieren („Mut zur Lücke“) oder aus dem Angebot nehmen.

420 Quelle: Kundenmonitor Deutschland, zit. in ASW, Nr. 12/2000, S. 74.

1.00

348 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

Dieser Logik folgend, sind für die Leistungen bzw. für die Zufriedenheitsfaktoren in den vier Feldern auch folgende Bezeichnungen üblich: (1) versteckte Chancen: gut erbrachte Services, die aber für die Kunden keine besondere Priorität haben; die Chance liegt darin, die Services wertvoll zu machen, (2) Motivatoren: für Kunden wichtige Services mit exzellenter Ausführung, (3) Hygienefaktoren: als selbstverständlich empfundene Serviceleistungen, die – wenn schlecht erbracht – zu Unzufriedenheit führen (Bsp.: nicht sauberes Geschirr im Restaurant), (4) Einsparmöglichkeiten: schlecht erbrachte unwichtige Services. Immer wieder beklagt der Einzelhandel, dass er Serviceleistungen für Kunden in bester Weise erbringt, diese von Käufern allerdings kaum wahrgenommen und nicht preislich honoriert werden. Es kommt also für Dienst- und Serviceleister darauf an, die erbrachten Leistungen durch Marketing bekannt und werthaltig zu machen. Eine ideale Methode zur Messung von Servicequalitäten gibt es nicht. In der Praxis dominieren Konsumentenbefragungen mit Hilfe von Ratingskalen. Als interessante Variante bieten sich Testkäufe an: das Mystery-Shopping durch speziell ausgewählte und geschulte Prüfer (Mystery-Shopper), die verdeckt als Testkäufer agieren.421 Laut Drees ist die Methode der Scheinkäufe „grundsätzlich die einzige Methode zur objektiven, kundenorientierten Qualitätsmessung.“422 Abschließend zeigen ausgewählte Empfehlungen, wie eine erfolgreiche Service- und Dienstleistungsentwicklung gelingen kann: (1) Sicherzustellung, dass Dienst- und Serviceleistungen Kunden bekannt sind und beachtet werden. (2) Prüfung, ob Dienst- und Serviceleistungen von Kunden positiv aufgenommen werden (Bedarfsprüfung). (3) Perfekte Durchführung der angebotenen Dienstleistungen. Für Service gilt: Besser keine Serviceleistungen als schlechter Service. (4) Serviceleistungen zum Ausgleich von Produktschwächen sollten eine Selbstverständlichkeit sein (Bsp. großer Softwareanbieter). (5) Offene Verbraucherkommunikation: Bei überraschend aufkommenden Servicenotwendigkeiten sollte unverzüglich und absolut kulant reagiert werden (Bsp.: Rückrufaktionen in der Automobilindustrie).

421 Vgl. Drees, Schiller, (Servicequalität), in: ASW, 9/2000, S. 66–71. 422 Drees, Schiller, (Servicequalität), in: ASW, 9/2000, S. 66.

4.8 Ergänzende Dienstleistungen, Services und Kundendienst 

 349

(6) Serviceleistungen müssen sich rechnen. Es muss darum gehen, besser zu sein als die Konkurrenz. (7) Transparente Konditionen: Bei offensichtlicher Nutzenerbringung akzeptieren Kunden Preise (Kosten) für Serviceleistungen. Die Konditionen müssen von Anfang an transparent sein. Der Wert (Vorteile, Nutzen) der immateriellen Leistungen ist an die Kunden zu kommunizieren. (8) Serviceleistungen in Problemfällen (Beschwerden) sind als Verkaufschancen für die Zukunft zu instrumentalisieren. (9) Nicht alle Service- und Dienstleistungen müssen selbst erbracht werden. Externe Dienstleistungspartner besitzen auf vielen Gebieten eine höhere Fachkompetenz.

4.8.5 Organisation der Dienstleistungs- und Servicepolitik Immaterielle Leistungen sind nicht lagerbar. Sie müssen auf Abruf vorgehalten werden und sind personal- und kostenintensiv. Der Servicebereich bedarf einer effizienten Organisation. Aus diesem Grund werden Dienst- und Serviceleistungen zunehmend an spezialisierte externe Partner vergeben (Outsourcing). Die flächendeckenden Händlersysteme der Automobilindustrie oder der Trend zur Privatisierung öffentlicher Leistungen sind hierfür Beispiele. Folgende Organisationskonzepte sind für herstellerbezogene Dienstund Serviceleistungen in der Praxis zu finden: – Hersteller-Kundendienst in Eigenregie, – Hersteller-Kundendienst mit Vertragskundendienstnetz, – Hersteller-Kundendienst mit offenem Händlernetz, – Händler-Kundendienst ohne Lieferantenbindung, – Händler-Kundendienst mit Vertragskundendienstnetz, – freier technischer Kundendienst mit Vertragskundendienstnetz, – freier technischer Kundendienst in Eigenregie.423 Die praktische Umsetzung kann z. B. in den folgenden Formen erfolgen: – Technische Kundendienste der Hersteller übernehmen alle mit der Produktanlieferung, Produktinstallation und -wartung verbundenen Aufgaben. Sie sollten organisatorisch dem Vertrieb und nicht der Technik zugeordnet werden.

423 Vgl. Harms, (Kundendienstmanagement), 1999, S. 91.

350 











 4 Die Leistungsprogrammpolitik

Für Gebrauchsgüter (z. B. Küchengeräte) sind für technischen Kundendienst flächendeckende Servicenetze mit Vertriebspartnern üblich. Für Anlieferungsservices bestehen Vereinbarungen mit Spediteuren (z. B. Büromittelversand VIKING: Lagerware wird mit GLS ausgeliefert, Sperrgut mit trans-o-flex, ausgewählte Artikel kommen direkt vom Hersteller424). Reparatur- und Ersatzteilservice im Haus wird zumeist der Technik zugewiesen (oft beim Versand); ansonsten auf Vertragshändler ausgelagert. Finanzierungs- und Kreditleistungen werden i. d. R. als externe Einheiten geführt, oft im Zusammenschluss mit einem etablierten Kreditinstitut. Beschwerdemanagement und Umtauschservice liegen beim Verkauf.

4.8.6 Gewährleistung und Garantieleistungen Über die gesetzliche Gewährleistung hinausgehende Garantieleistungen üben hohe Imagewirkung auf Verbraucher aus. Zu unterscheiden sind Garantieumfang und Garantiedauer. Oft ist die gesetzlich bestehende Gewährleistungsfrist zum Schutz der Verbraucher bei Kunden nicht bekannt und wird als besonderer Service herausgestellt. Die gesetzlich vorgeschriebene Gewährleistungsfrist für neue und auch gebrauchte Verbrauchsgüter beträgt 2 Jahre. Das gilt auch für B2B-Märkte. Zum Vorteil der Kunden wird im ersten Jahr davon ausgegangen, dass der angezeigte Mangel am Produkt bereits beim Kauf bestand. Ab dem 13. Monat nach Kauf wird die Beweislast auf den Verbraucher übertragen. In vielen Marktsegmenten können sich die Kunden derzeit über die gesetzlichen Fristen hinausgehende Garantiezeiten „zukaufen“ (z. B. im PC-Bereich bis zu 3 Jahre zusätzlich; vgl. auch die Mehrjahres-Garantien der KFZ-Hersteller). „Geld-zurück-Garantien“ stellen Kulanzleistungen dar.425 Es gibt sie in verschiedenen Formen: (1) „Geld zurück“, falls bei Erwerb oder Auslieferung nachgewiesen werden kann, dass ein Wettbewerber das gleiche Produkt preiswerter anbietet (Bsp.: die „Geld zurück“-Garantie von Markenanbietern).

424 Siehe dazu die Abgaben auf viking.de. 425 Vgl. Weis, (Marketing), 2018, S. 430.

4.9 Das Produktmanagement als Koordinator des Leistungsprogramms 

 351

(2) Auszahlung der Preisdifferenz, oder Anpassung des Preises, falls ein Produkt innerhalb einer bestimmten Frist bei relevanten Wettbewerbern günstiger gekauft werden kann (Bsp.: Preisanpassungen bei besser „Elektrofachmarkt“, wenn die Produkte bspw. bei Amazon zu einem günstigeren Preis angeboten werden). (3) Tiefpreisgarantie: wird ein identisches Produkt innerhalb einer festgelegten Frist günstiger gefunden, erhält der Kunden einen im Nachhinein abgesenkten Preis angeboten, (Bsp.: die Tiefpreisgarantie von Bauhaus: „Darauf gibt es die BAUHAUS Tiefpreis-Garantie. Sollten Sie ein identisches Produkt innerhalb von 14 Tagen ab Kaufdatum woanders noch günstiger finden, so erhalten Sie bei BAUHAUS das Produkt zu einem 12 % günstigeren Preis als beim Wettbewerber.“426). (4) „Geld zurück“ ohne Begründung bei Nichtgefallen innerhalb einer bestimmten Frist, sofern die Ware vollständig und unbeschädigt zurückgegeben wird (Bsp.: die Rückgabeversprechen von IKEA und Land´s End). Diese Regelung kann als besonders verbraucherfreundlich bezeichnet werden. Kulanzleistungen sind wirksame Instrumente, um sich von Wettbewerbern abzuheben. Viele Kunden glauben, dass eine gesetzlich geregelte Warenrückgabemöglichkeit besteht. Diese existiert jedoch nur beim Online-Shopping, da Kunden die bestellten Waren erst nach Lieferung prüfen können. Im stationären Einzelhandel gibt es diese gesetzliche Regelung nicht. Nehmen Unternehmen jedoch auch vor Ort gekaufte Waren zurück, handelt es sich um eine freiwillige Regelung. Attraktive Kulanzregelungen bauen Vertrauen in den Anbieter auf. Sie schaffen Preisvertrauen. Aber sie können auch die Spielregeln einer freien Marktpreisbildung untergraben. Hierüber haben Verbraucherschutzverbände und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (GUW) zu wachen.

4.9 Das Produktmanagement als Koordinator des Leistungsprogramms Die Markteinführung von neuen Produkten ist riskant. Deshalb sind großen US-amerikanischen Konsumgüterhersteller in der Phase des Marktwandels von den Verkäufer- zu den Käufermärkten dazu über-

426 Online auf bauhaus.net zu finden.

Das Loyalitätsversprechen von Land´s End Guaranteed Period ®: „Falls Sie nicht zu 100% mit einem unserer Artikel zufrieden sind, können Sie ihn jederzeit an uns zurücksenden, und wir erstatten Ihnen den vollen Kaufpreis.”

352 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

gegangen, Aufgabenbereiche der Produktbetreuung und Produktpflege aus dem Verkauf herauszulösen und in Verantwortung von Marketingspezialisten zu legen: den Produktmanagern. Procter&Gamble gilt als Vorreiter für diese Organisationsform. Im Jahr 1927 wurde ein Mitarbeiter beauftragt, sich ausschließlich der Entwicklung und Förderung einer Zweitmarke zur Seife Camay zu widmen. Nachdem dieser Erfolg hatte, wurden zusätzliche Produktmanager benannt. Der Mitarbeiter wurde später Chef bei P&G. Das Produktmanagement umfasst alle Aufgaben zur Gestaltung und Sicherung eines ausgewogenen Leistungsangebotes.  Das Produktmanagement ist verantwortlich für ein ausgeglichenes Produktportfolio und für Aufbau, Führung und Sicherung starker Produkte. Das Produktmanagement hat somit eine zentrale Marketing (Service-) Funktion. Viele Unternehmen sprechen auch vom Produktmarketing. Viele Konsumgüterhersteller nehmen eine abteilungsmäßige Trennung zwischen Produkt- und Markenmanagement vor. Produktmanager verstehen sich als Koordinatoren zwischen Kundenwünschen und Vorstellungen und Vorschriften der technischen bzw. lebensmittelchemischen Produktentwicklung, zwischen Kundenvorstellungen und den Möglichkeiten der betrieblichen Produktion und dem Einkauf (insbes. in Bezug auf kritische Teile und Qualitätssicherung) sowie zwischen Kunde und Vertrieb.427 Abbildung 4.35 verdeutlicht die Koordinationsfunktion des Produktmanagements. Unbelastet von operativen Verkaufsvorgaben sind Produktmanager dafür zuständig, (1) neue Produkte exakt auf die Kundenwünsche hin auszurichten, (2) neue Produkte mit Möglichkeiten der Fertigung abzustimmen, (3) dass die Produktentwicklung nicht einseitig den Ehrgeiz von F&E befriedigt, sondern zu nachweislichen Wettbewerbsvorteilen führt, (4) Produkte zu Marken weiterzuentwickeln, (5) den im Produktlebenszyklus niedergehenden Produkten (Dogs) stets ausreichend neue, zukunftsträchtige Produkte gegenüberzustellen. In der Konsumgüterindustrie ist das Produktmanagement ein angesehener Bereich innerhalb des zentralen Marketing. In der Stabsfunktion haben Produktmanager aber vielfach formell keine Anweisungsrechte gegenüber Mitarbeitern der operativen Unternehmensressorts.  Um durchsetzungsfähig zu arbeiten, sollten Produktmanager daher neben hoher fachlicher Kompetenz auch über Verkaufserfahrungen sowie

427 Vgl. zu weiteren Schnittstellen Lippmann, (Marktchancen), 2008, S. 52–55.

4.9 Das Produktmanagement als Koordinator des Leistungsprogramms 

 353

DER ABSTIMMUNGSKRANZ DES PRODUKTMANAGERS

Kunden analysieren: Produktwünsche mit F&E überlegene Produkteigenschaften abstimmen

Funktionen ProduktManagement

mit Einkauf kritische Teile abstimmen

Qualität und Kosten mit Fertigung klären

Marktkommunikation mit Agenturen klären mit Vertrieb Verkaufsstrategie besprechen

Abbildung 4.35: Abstimmungskranz des Produktmanagements.

über ein hohes Maß an Sozialkompetenz (Teamfähigkeit) verfügen. Folgende Aufgabenbereiche unterstehen dem Produktmanagement: (1) Erarbeitung von Produktanforderungen; Führung von Pflichtenheft und Spezifikationen, (2) Vorbereitung der F&E-Projektanträge/Investitionsanträge, (3) Stärken-/Schwächenanalysen für die Produkte im Vergleich zum Wettbewerb, Marktforschung, (4) Überwachung von Beanstandungen und Reklamationen sowie Kundenanregungen für Verbesserungen, (5) Mitarbeit im Wertanalyse-Team mit Fertigung und F&E, (6) Patentrecherchen, Schutzrechte, (7) Regelmäßige Informationsgespräche mit Schlüsselkunden, Messeund Kongressbesuche, (8) Kundenzufriedenheitsanalysen, (9) Dokumentationen; Zusammenarbeit mit Werbeagenturen, digitale Auftritte, (10) Außendienst-Schulungen/Kunden-Promotion, zus. mit Agenturen. Angesichts zunehmender Konkurrenz beim Vertrieb technischer Produkte ist das Produktmanagement auch in der Investitionsgüterindustrie heute Standard. In technischen Unternehmen wird diese Funktion überraschend oft von Betriebswirten und nicht von Ingenieuren

354 

 4 Die Leistungsprogrammpolitik

wahrgenommen. Dadurch soll die Kundenorientierung mehr Gewicht gegeben werden. Organisatorisch wird das Produktmanagement üblicherweise dem Marketing unterstellt, vor allem in der Konsumgüterindustrie. In der Investitionsgüterindustrie findet man aber auch Beispiele mit Zuordnung zu einem technischen Ressort. Hat ein Produkt wenig Markterfolg, dann kommt es oft zu einer Auseinandersetzung zwischen Produktmanagement und Verkauf. Beide Seiten geben sich die Schuld für gescheiterte Markteinführungen. Zunächst geht man der Frage nach, ob die Ursache für den Marktmisserfolg vielleicht in einer falschen Produktkonzeption liegt oder ob der Verkauf nicht seine Leistung gebracht hat? Am Ende sind sich Produktmanagement und Verkauf dann oft bei der Feststellung einig, dass die Fertigungskosten zu hoch und der Marktpreis nicht wettbewerbsfähig waren. Sofort stellt sich die Frage, wer in einem Unternehmen auf welche Weise die Preisgestaltung vornimmt.

5 Konditionenpolitik 5.1 Herausforderungen für die Preispolitik Der Preis ist ein wichtiges Werkzeug im Wettbewerb. Eine Preisänderung schlägt wegen Konstanz der fixen Kosten sofort auf den Gewinn durch. „Der Preis ist der effektivste Gewinntreiber. Und beim Gewinn schneiden deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich .... schlecht ab.“428 Preispolitische Entscheidungen erfüllen die Manager oft mit Sorge: „Pricing ist ein Gebiet, über das Manager selten mit großer Begeisterung sprechen.“429 Preispolitik wird nicht durchgängig als eigenständiges Marketinginstrument verstanden. Becker z. B. sieht die Preisgestaltung untrennbar mit dem Produkt verzahnt und rät von einer Betrachtung der Preispolitik als eigenständiges Instrument ab, da „Preisentscheidungen in hohem Maße mit Produkt- und Programmentscheidungen verknüpft sind.“430 Andere Fachleute betonen die Eigenständigkeit eines Preismanagements.  In der Praxis liegt die Preishoheit nur in seltenen Fällen beim Marketing. An Preisentscheidungen sind vor allem Rechnungswesen/ Controlling und Vertrieb involviert. Der einzelne (Listen-) Preis ist oft nur ein Element der Gegenleistung für ein gekauftes Gut. Es gibt Smartphones zum Preis von 0,99 Euro und Software zum Preis Null. In vielen Märkten haben sich Produktleistungen und Preise so weit angenähert, dass sich Wettbewerbsauseinandersetzung vom reinen Preis hin zu anderen Stellschrauben der Preispolitik verlagert. Zahlreiche Bestandteile einer Rechnungslegung bilden zusammen das Konditionenbündel. Der Preis bleibt die Grundgröße innerhalb dieses Konditionenbündels. Alle Konditionenelemente haben eines gemeinsam: Als Gegenleistung für ein Produkt oder eine Dienstleistung fordern sie dem Käufer sofort oder später ein finanzielles (monetäres) oder auch ein nicht-monetäres Opfer ab (Gegenleistung). Die Konditionenpolitik umfasst alle Maßnahmen zur Gestaltung des vom Käufer wahrgenommenen Verhältnisses zwischen der Nutzenstiftung eines Gutes und den monetären und nicht-monetären Kaufauf-

428 Simon, Faßnacht, (Preismanagement), 2016, S. 5. 429 Dolan, Simon, (Power Pricing), 1997, S. 7. 430 Becker, (Marketing-Konzeption), 2019, S. 487 f. Nach Becker ist der Preiswettbewerb in hohem Maße von einem Qualitätswettbewerb überlagert. Becker fasst Produkt, Programm und Preis zur Produktleistung zusammen und ordnet diese der Angebotspolitik der Unternehmung zu, vgl. S. 489. https://doi.org/10.1515/9783110787771-005

356 

 5 Konditionenpolitik

wendungen, der er zu erbringen hat. Zentrales Element ist die Preisauszeichnung (Listenpreis). Die Entscheidungsfelder der Konditionenpolitik sind: (1) Bestimmung von Preispositionierungen und Preislagen für das gesamte Angebotsprogramm, (2) Einführungspreissetzung, (3) Preisvariationen im Zeitablauf, (4) Rabatte und Bonifikationen, (5) Sonderpreissetzungen (Kampfpreise und Aktionspreise) sowie die (6) Preisdifferenzierung in horizontaler und vertikaler Form. Anstatt Preispolitik ist in der Marketingliteratur auch der Begriff Kontrahierungspolitik zu finden. Im Markenartikelgeschäft findet Preispolitik auf zwei Ebenen statt: (1) Auf Key Account Ebene verhandeln Hersteller mit dem Handel, um gelistet zu werden und mit Hilfe günstiger Konditionen möglichst viel „in den Handel hineinzuverkaufen“ (Push­Preise sollen die Regale füllen).431 (2) Auf Endverbraucher-Ebene sollen günstige Preise bewirken, dass Konsumenten die Regale schnell wieder leeren (Pull­Preise sollen aus den Regalen herausverkaufen). Am Point-of-Sale (POS) ist der Handel für die Konditionen zuständig. Jedoch beruhen die Endverbraucherpreise auf Vereinbarungen zwischen Herstellern und Handel (unverbindliche Preisempfehlungen). Diese zwei preispolitischen Ebenen gelten im technischen und B2B-Geschäft nur für katalogisierte Produkte, Ersatzteile und für standardisierte Artikel, die über den technischen Handel abgesetzt werden. Im B2B-Direktgeschäft werden spezifizierte Produkte und Commodities zu Katalogpreisen abzüglich Rabatte und Sonderkonditionen angeboten. Bei komplexen Produkten, Großmaschinen und Anlagen werden Preise projektweise kalkuliert und ausgehandelt (Projektkalkulationen). Verschiedene Herausforderungen gelten für den Preis als Marketinginstrument:432 (1) Preisänderungen lassen sich vielfach ohne Zeitverzug realisieren. Im technischen Geschäft gibt es allerdings zeitliche Preisbindungen. (2) Preisänderungen können ohne Vorab-Investitionen und somit ohne Vorlaufkosten durchgeführt werden. (3) Empirische Studien belegen, dass die mengenmäßige Reaktion der Nachfrage (die sog. Elastizität der Nachfrage) auf eine 10%-ige Preis-

431 Diese KAM-Ebene der Preispolitik wird in den Lehrbüchern oft übersehen. Das ist mit ein Grund dafür, dass die Verkaufspolitik in der Hochschulausbildung nicht die Beachtung findet, die sie in der Praxis hat. Vgl. hierzu die Einführungen im 6. Kapitel. 432 Vgl. in einigen Punkten Simon, Fassnacht, (Preismanagement), 2016, S. 7 ff.

5.2 Orientierungsgrößen für Preisstrategien 

(4) (5)

(6)

(7)

(8)

 357

änderung etwa zehn bis zwanzig Mal so hoch ausfällt wie auf eine 10%-ige Änderung des Werbebudgets. Die Nachfrage reagiert auf Preisänderungen wesentlich schneller als auf andere Marketing- und Vertriebsmaßnahmen. Preisänderungen können kaum geheim gehalten werden. Somit werden auch Wettbewerber auf Preisänderungen schnell reagieren. Die Folge: Preisreduktionen allein führen nicht zu dauerhaften Wettbewerbsvorteilen. Wettbewerber reagieren auf preispolitische Maßnahmen auch intensiver als bei anderen Marketinginstrumenten. Die Konkurrenz-Reaktionselastizität liegt beim Preis etwa doppelt so hoch wie bei Werbung. Die Auflistung von Simon kann ergänzt werden: Preisveränderungen sind in einer Richtung irreversibel: Preissenkungen für reguläre Ware (nicht Sonderangebote) können in der Praxis kaum rückgängig gemacht werden. Preissetzungen haben sensiblen Rückwirkungen auf das Leistungsangebot: Der Kunde verbindet mit der Preishöhe eine Qualitätserwartung. Werden in Käufermärkten Preise von Großkunden diktiert, dann passen die Hersteller ihre Produktleistungen vorsichtig wertanalytisch (kostenmäßig) an.

Diese Besonderheiten des Preises als Marketinginstrument unterstreichen: Preise und die sonstigen Konditionenelemente sind wichtige Instrumente für die marktorientierten Unternehmensführung. Preisentscheidungen schlagen auf betriebswirtschaftliche Erfolgsgrößen Umsatz und Ergebnis durch. Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass Unternehmen ihre Preissetzungen vielfach nicht durch Marktanalysen und daraus folgende preispolitische Strategien absichern.433

5.2 Orientierungsgrößen für Preisstrategien Preisentscheidungen stehen an – wenn Produkte geändert bzw. verbessert wurden oder sich Kosten oder Qualitätsbedingungen verändert haben (Preisanpassungen), – wenn ein neues Produkt auf den Markt kommt (Markteinführungspreis), – wenn neue regionale Märkte erschlossen werden sollen,

433 Nach Dolan und Simon gehen nur 12% der Unternehmen bei der Preisfindung analytisch vor: vgl. Dolan, Simon, (Power Pricing), 1997, S. 14.

358 

– – –

 5 Konditionenpolitik

wenn sich wirtschaftliche Rahmenbedingungen ändern (Marktpreisniveau, Rohstoffkosten, Steueraufschlag, Inflation, etc.), wenn mit Hilfe des Preises gezielt Wettbewerbsangriffe geplant werden oder auf Wettbewerbsangriffe reagiert werden muss, wenn zeitlich begrenzt der Absatz gefördert werden soll (Sonderangebotspreise, Kampagnenpreise, Räumungsverkauf).

Nach Abbildung 5.1 sind zeitpunktbezogene (statische) und zeitraumbezogene (dynamische) Preisstrategien zu unterscheiden. Bei der ersten Gruppe geht es um zeitpunktbezogene Preisauszeichnungen (vor allem um die Initialpreissetzung), bei der zweiten um Preisänderungen im Zeitablauf. PREISSTRATEGISCHE STOSSRICHTUNGEN Statische Preispolitik

Dynamische Preispolitik

ausgehend von einer Preispositionierung elastizitätsorientierte

dynamische Markt-

Preissetzung

einführungsstrategie

ergebnis-/kostenorien-

Lebenszyklus-beglei-

tierte Preissetzung

tende Preisstrategie

wettbewerbsorien-

kostenindizierte

tierte Preissetzung

Preisstrategie

horizontale Preisdifferenzierung

modellgenerationsbezogene Preisstrategie

vertikale / regionale Preisdifferenzierung Aktions-/Sonderpreise Kampfpreissetzung Beachtung preis-/qualitätsbezogene Preislage Beachtung preis-/imagebezogene Preislage Abbildung 5.1: Preisstrategische Stoßrichtungen.

Bei der strategischen Ausrichtung kann sich die Konditionenpolitik an 10 Aspekten orientieren.

5.2 Orientierungsgrößen für Preisstrategien 

 359

(1) Orientierungsgröße: Gesamtelastizität eines Marktes und die Elas­ tizitätsposition eines Produktes auf einer Preis-/Absatzfunktion: im ersten Schritt ist die Gesamtmarktelastizität bei der Preisfindung zu überprüfen, in einem zweiten Schritt die eigene Elastizitätsposition auf einer abgeschätzten Preis-/Absatzfunktion. So erlauben theoretische Marktformenmodelle Monopol und Oligopol gewinnmaximale Preisentscheidungen. Die vollkommene Konkurrenz lässt nur Spielräume auf der Kostenseite. Diese Grundmodelle der Theorie werden im folgenden Abschnitt dargestellt. (2) Orientierungsgrößen: Erlöse und Kosten: Preisentscheidungen ohne Prüfung der Gewinnauswirkungen können existenzgefährdend sein. Preissetzungen erfolgen unter zwei Blickwinkeln und orientieren sich dabei entweder an Voll- oder Teilkosten: Welche Gewinnspanne bleibt nach Marktreaktion und bei gegebenen Kosten oder alternativ nach dem Kostenaufschlagverfahren: Ist ein Marktpreis nach der Formel Kosten + x % Gewinnaufschlag bei den Kunden durchsetzbar? (3) Orientierungsgröße: Konkurrenzverhalten: Bei einer wettbewerbsorientierten Preissetzung gibt es die Alternativen der Preisführer­ strategie (in diesem Fall das Angebot mit den höchsten Preisen)434, verschiedene Varianten der Preisfolgerstrategie435 und die Preis­ brecher- oder Preisdumping-Strategie. Die Preisbrecherstrategie wird sich auf die Kostenführerschaft stützen müssen, um längerfristig durchhaltbar zu sein. Von langfristigen Preisstrategien sind taktische Kampfpreisentscheidungen im Einzelfall zu unterscheiden. Bei der Abgabe von Kampfpreisangeboten sind die eigene Kostensituation (Kapazitätsauslastung, Deckungsbeitrag), Priorität des Kunden und Beziehungen zum Wettbewerber abzuwägen. (4) Orientierungsgröße: Preisverhalten unterschiedlicher Zielgrup­ pen: Verschiedene Preissetzungen für unterschiedlich opferbereite Zielgruppen ist das Kennzeichen der horizontalen Preisdifferenzierung. Verschiedene Varianten eines im wesentlichen unveränderten Produktes werden zu unterschiedlichen Preisen angeboten. Im Fall möglicher Zielgruppen-Austauscheffekte ist diese Preisstrategie riskant. (5) Orientierungsgröße: unterschiedliche Preisabsatzfunktionen in abgeschotteten Märkten: Die vertikale Preisdifferenzierung dient

434 Im Porter Modell aus Kapitel 2 hat der Preisführer die niedrigsten Preise. 435 Bei der sog. barometrischen Preisführerschaft passen sich z. B. alle Wettbewerber freiwillig an den Branchenführer an, vgl. z. B. Weis, (Marketing), 2018, S. 463 f.

Laut Media Monitor Handel verspürten 2763 befragte Konsumenten eine Preissteigerung für Lebensmittel von +19,1%. Die tatsächliche Inflation lag bei +11,1% (Quelle: HORIZONT, News für Markt und Media, Juni 2022).

360 

Was macht man, wenn beim Angebot von 2 Mountain-Bikes zu 299 und 499 € das teurere ein Ladenhüter ist? Antwort: Man nimmt eine noch höhere Preislage ins Sortiment auf: 899 €.

 5 Konditionenpolitik

der Durchsetzung regional unterschiedlicher Angebotspreise. Dieser Sachverhalt ist bei den Benzinpreisen bekannt. Diese können von Ort zu Ort um viele Cent abweichen. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch das Thema Reimporte angesichts der Marktöffnungen und der Chance zur Ausnutzung von Preisdifferenzen. (6) Orientierungsgröße: Sonderaktionen, Kampfpreissetzungen: es sind strategische Leitlinien zu erarbeiten, wie und über welche Zeiträume welche Produkte und Dienstleistungen in Sonderaktionen einzubeziehen sind. Eher operativ ist das Thema Kampfpreissetzung zu sehen; z. B., um mit einem Wettbewerbsangebot mithalten zu können. Als besondere Ausprägung sind heute voll-automatische Preisanpassungen bspw. im E-Commerce bekannt. Große OnlineShops setzen die Preise minütlich auf Basis der Wettbewerbspreise neu fest. So ist bekannt, dass Amazon mit algorithmisch optimierten Preissetzungen arbeitet, die die Angebotspreise von vielen tausend Produkten mehrfach täglich neu festsetzt. (7) Orientierungsgröße: Zeit (Timing): Der Faktor Zeit besitzt für die Preissetzung eine besondere Bedeutung. Die Frage einer Preisdifferenzierung im Zeitablauf ist schon bei der Markteinführung eines neuen Produktes zu klären. Diese Strategien sind unter den Bezeichnungen Penetration Price Strategy und Skimming Price Strategy bekannt. (8) Orientierungsgröße: Produktlebenszyklus: Eine Preisstrategie begleitet das Produkt über den gesamten Lebenszyklus.436 Verbesserte Produkte der Konkurrenz, Wettbewerbsangriffe auf der preislichen Seite und Abnutzungseffekte beim Kundennutzen (Produkt verliert an Attraktivität) erzwingen Sonderpreisaktionen im Lebenszyklus ab der Sättigungsphase. (9) Orientierungsgröße: Kostenentwicklung: Kostenindizierte Preisstrategien im Zeitablauf sind typisch für monopolisierte Märkte. Mit einer Kurzformulierung des Bedauerns versenden Banken, Versicherungen, Energieversorger oder Unternehmen der öffentlichen Hand regelmäßig Kostenerhöhungsbotschaften an die Verbraucher. (10) Orientierungsgröße: Modellgeneration/Entwicklungsprojekte: Modellgenerationsbezogene Preisstrategien sind im Großkundengeschäft bei höherwertigen Konsum- und Industriegütern üblich. Hat es z. B. ein Zulieferer der Automobilindustrie geschafft, sich eine Lieferquote über den Zyklus einer Modellgeneration zu sichern, so werden oft die

436 Vgl. Simon, Faßnacht, (Preismanagement), 2016, S. 299 ff zu weiteren Strategien und Optionen der langfristigen Preisoptimierung.

5.3 Preispositionierung und Preislagenstrategie 

 361

Einkaufs-/Verkaufspreise im Rahmen eines Liefervertrages über den mehrjährigen Modellzyklus vereinbart. Nicht selten verlangen Großkunden dann bei Rahmenaufträgen jährliche Preissenkungen (mit Hinweis auf Kostensenkungseffekte infolge der Erfahrungskurve).

5.3 Preispositionierung und Preislagenstrategie Weitere wichtige Orientierungsgrößen für das preisstrategische Vorgehen sind Preispositionierung und Marktpreislagen. Unternehmen müssen bei der Preisfindung Korridore beachten, innerhalb derer ein Produkt (eine Marke) im Verhältnis zu gleichartigen Gütern des eigenen Unternehmens sowie zu denen von Wettbewerbern preislich stimmig positioniert sein muss.  Der Markt entscheidet, welche Preislage für welche Güter image- und qualitätsmäßig angemessen ist. Preislagen verändern sich. Produkte treten hinzu oder scheiden aus. Das Preislagenempfinden der Konsumenten wandelt sich im Zeitablauf. Vor allem die zunehmende Polarisierung der Käuferschichten verändert das Preislagenempfinden. Die Käufer trennen sich in ihren Preiserwartungen immer stärker in Premium-Käufer und Discount-Käufer. Dies gilt insbesondere in folgenden Situationen: – bei der nutzenorientierten Positionierung eines neuen Produktes oder einer Produktlinie innerhalb einer bestehenden Preislage, – bei der Positionierung eines Produktes an der Grenze einer Preislage, damit es eventuell in höhere oder niedrigere Preis-/Käufersegmente ausweichen kann (d. h. kein Angriff auf Preislage, sondern Option auf Ausscheren), – bei Kampfpreisen für starke Produkte, um die Grenzen der Preislage aus eigener Kraft zu verschieben (in diesem Fall Angriff auf die Preislage: vgl. z. B. die Preislagen von Tintenstrahl- und jetzt Laserdruckern), – bei Spot-Kampfpreisen für Sondergeschäfte, bei denen keine Zerstörung einer Preislage mit dauerhaftem Preisverfall eintreten darf, – bei der Einführung eines innovativen Produktes mit Schaffung einer neuen Preislage. Innovatoren geben Preislagen vor. Bei der Preispositionierung werden vor allem zwei Erfolgsvariablen mit dem Preis in eine Beziehung gesetzt: die Qualität als Preis­/Qua­ litätsrelation und das Image von Produkt und Anbieter als Preis­/ Image­Relation. Beim Preis-/Qualitätsabgleich der Abbildung 5.2 empfindet der Käufer alle Preise auf dem Pfeil der Preis-/Qualitätskonsistenz als ange-

Beispiel: Preislagenstruktur für Hosen: Anfangspreislage (Discount) ab 20,-€, Marke aus mittlerem Segment: 50-100 €, gehobene Marke ab 100,-€.

Abbildung 5.2: Preis-/Qualitäts-Relation.

DiscounterStrategie

Pfeil der PreisQualitäts-Konsistenz

niedriger Preis

Smart Shopper Strategie

niedrige Qualität

hohe Qualität

ÜbervorteilungsStrategie

hoher Preis

PremiumStrategie

POSITIONIERUNG NACH PREIS- / QUALITÄTSRELATIONEN

Pfeil der Preis-ImageKonsistenz

DACIA

niedriger Preis

Volkswagen

LEXUS

Mengenprodukt-Image

Skoda

exklusives, sportliches Image

Porsche

hoher Preis

Ferrari

POSITIONIERUNG NACH PREIS- / IMAGERELATIONEN

362   5 Konditionenpolitik

5.3 Preispositionierung und Preislagenstrategie 

 363

messen.437 Dieser Pfeil liegt exakt im Korridor der Preislage für das Produkt. Ein über der Preislage liegender Preis wird als fairer empfunden als beispielsweise ein Preis im Positionierungsfeld der Übervorteilung. Der Schnäppchen-Jäger wird nach Preisofferten suchen, die im Feld der Smart-Shopper-Strategie angesiedelt sind. Der Abgleich im Preis-/Image-Portfolio ist analog zu interpretieren. Alle Preisstellungen auf dem Pfeil der Preis-Image-Konsistenz werden von den Kunden als ausgewogen empfunden. Wie erfolgen Preissetzungen in der Praxis? Nach einer Untersuchung von Mercuri International vernachlässigen die Unternehmen eine strategische Ausrichtung ihrer Konditionenpolitik.438 Die Wirtschaftspraxis leitet die Angebotspreise überwiegend aus internen Größen des Rechnungswesens her, wie Abbildung 5.3 zeigt. PREISENTSCHEIDUNGEN IN DER PRAXIS 46% der befragten Unternehmen sind mit ihren Angebotspreisen nicht zufrieden. 57% aller Unternehmen wissen nicht, wie der Markt auf Preisveränderungen reagiert. 45% sind durch Wettbewerber zu Preissenkungen gezwungen, 37% durch Kunden. In 61% der Unternehmen entscheidet der Vertrieb über die Preise, in 49% das Produktmanagement. In 41% der Unternehmen liegt die letzte Preisentscheidung bei der Geschäftsführung. In 48% der Unternehmen basiert die Preisentscheidung vorrangig auf der Kostenrechnung. 18% der Unternehmen geben dem Außendienst keinen Preisspielraum; bei 50% der Unternehmen hat der Außendienst einen Rabattspielraum bis zu 10%. ⑧ Nur 33% der Unternehmen berücksichtigen die Einhaltung der Listenpreise bei der Außendienstentlohnung. ⑨ 47% der Unternehmen unterrichten den Außendienst nicht über betriebswirtschaftliche Hintergründe der Preispolitik. ⑩ In 73% der Unternehmen überwacht die Verkaufsleitung die Preispolitik; bei 30% ist dies Sache der Geschäftsführung. (Quelle: Mercuri international – 85 Unternehmen ) ① ② ③ ④ ⑤ ⑥ ⑦

Abbildung 5.3: Preisentscheidungen in der Praxis.

Nicht selten gibt es in der Praxis erhebliche Unsicherheiten, wer oder welche Abteilung über Preishoheit verfügen soll. Herausfordernd sind Führungskulturen, in denen Vertrieb bzw. der Vertriebschef eine Ergebnisverantwortung trägt, jedoch keinen oder wenig Einfluss auf die Preisgestaltung erhält. Die Möglichkeiten der Preispositionierung sind durch rechtliche Vorgaben eingeschränkt, damit Konsumenten nicht durch uneindeutige Angaben verwirrt werden. Aktuelle Vorgaben des Preisangabenrechts 437 Vgl.  Kotler et al., (Marketing-Management), 2007, S.  590–591 bzw. Simon, Faßnacht, (Preismanagement), 2009, S. 30–70. 438 Vgl. o. V., (Kunst), in: PM-Beratungsbrief v. 3.11.1997, S. 1.

364 

 5 Konditionenpolitik

stellen eine transparente Preisdarstellung auf EU-Ebene sicher.439 Im folgenden Abschnitt werden die Regelungen näher vorgestellt.

5.4 Konditionenpolitisches Instrumentarium 5.4.1 Verhandlungselemente Zu unterscheiden sind Preisverhandlungen zwischen Markenartikelherstellern und Handel sowie B2B- und B2C-Verhandlungen mit Endabnehmern. Was die Konditionenelemente betrifft, die zwischen Anbieter und Geschäftskunde ausgehandelt werden können, so sind heute in der Praxis der Kreativität wenig Grenzen gesetzt.440 Im Geschäft mit Endverbrauchern hätte das Ende des Rabattgesetzes eine neue „Kultur des Verhandelns“ auslösen können. Das hartnäckige Aushandeln von Preisnachlässen ist dennoch nicht populär geworden. Jedes Verhandlungsdetail verlängert den Aushandlungsprozess und lenkt vom Preis der Kernleistung ab. Durch den früheren Volkswagen Einkaufschef José Ignazio Lopez hat die Kunst der Preisverhandlungstaktiken vor Jahren eine hohe Popularität erfahren. Im Konsumgütergeschäft zwingen marktstarke Handelsgruppen ihren Lieferanten immer neue Konditionenelemente auf: „Das Business-Partner über Preisnachlässe sprechen müssen, gehört zum Geschäft wie die Ware selbst. Dass es heute aber an die 100 Rabattformen gibt, ist nur der Beweis für eine Fehlentwicklung. .... Das Ergebnis dieser Desorientierung ist ein Konditionenkarussell, bei dem nicht nur die Ertragskraft leidet, sondern letztlich auch die Markenkraft ins Trudeln gerät. Mit bösen Folgen.“441 Abbildung 5.4 zeigt Konditionenelemente der Praxis.442 Am Anfang stehen Preisverhandlungselemente, die für Privatkunden relevant sind. Es folgen Konditionenelemente, die mit Handels- bzw. Industriekunden verhandelt werden. Die Konditionenbestandteile teilen sich in vier Untergruppen auf:

439 Vgl. o. V., (Preisangabenverordnung), 2022, S. 53. 440 Vgl.  zu dem Anwachsen immer „seltsamer“ anmutender Konditionenelemente: Jensen, (Abzocker), in: MM, 10/1997, S.  57–66, eine gute Übersicht zu Grundsätzen der Konditionenpolitik findet sich bei Hofbauer, Stangl (Produktmanagement), 2018, S. 276 ff. 441 Drosten, (Konditionen), in: ASW, 12/1997, S. 35. 442 Vgl. Auch die Zusammenstellungen Meffert, (Marketing), 2019, S. 561 f und Becker, (Marketing), 2019, S. 525 f.

5.4 Konditionenpolitisches Instrumentarium 

 365

DAS KONDITIONENPOLITISCHE INSTRUMENTARIUM (B2C, B2B, indirekter Vertrieb) Basispreis

Preisdifferenzierungen

Zahlungskonditionen Mengenrabatte Zeitrabatte

Mengenkonditionen Absatzförderung Funktionsvergütung Marktbearbeitungsvergütungen

Projektkonditionen

Optionen

Fristen rechtl. Klauseln

Grundpreis / Basispreis

Auszeichnungspreis aktueller Preis laut Etikett / Preisschild Listenpreis in Preisliste, im Katalog ausgewiesener Grundpreis, Tarifpreis Aktionspreis Mitnahmepreis, Sonderangebotspreis Versandaufschläge zusätzlich zum Grundpreis berechnete Kostenelemente Regionaltarife regionalbezogene (Tarifbezirke) Tarifpreise Kundengruppentarife z.B. Spezialpreise für Schüler, Beamte, Senioren etc. direkte Preisbestandteile, gesonderte Auf- oder Abschläge Skonto z.B. 30 Tage 2%, direkt von der Rechnung abzusetzen Mindermengenzuschlag Preisaufschlag für Kleinmengen, Kleinkundenaufschlag Lieferkonditionen Aufschläge für Fracht-, Versicherungskosten, s. INCOTERMS Mengenvolumenrabatt in Abhängigkeit von Stückzahlen oder Auftragswert Auftragsstrukturrabatt zusätzlicher Preisabschlag bei besonderem Warenbezug Einführungsrabatt zeitlich begrenzter Sonderpreis für neues Produkt Frühbezugsrabatt Anreize zur frühen Orderaufgabe bei Saisonartikeln Aktionsrabatt Zusatzrabatte im Rahmen von Promotion-Aktionen Saisonrabatt z.B. in Schlussverkaufsperioden Abverkaufsrabatt Förderung von Auslaufmodellen für begrenzten Zeitraum Treuerabatt honoriert Dauer der Geschäftsbeziehung Mindestbestellmengen Voraussetzungen für Mengenrabatte, Versandeinheiten sonstige, monetäre Konditionenelemente

Bonus umsatzbezogene Rückvergütung, i.d.R. am Jahresende Pauschalvergütungen z.B. Großhandel-, Einzelhandel-, OEM-Pauschalen Listungsvergütung Gebühren für Aufnahme in das Handelssortiment Werbevergütung (WKZ) Kostenbeteiligung der Hersteller an Handelswerbung Sonderregalvergütung Sonderzahlungen der Hersteller für bevorzugte Regalplätze Zweitplazierungsvergüt. Sonderzahlungen für zusätzliche Verkaufsfläche am POS Messevergütung Beteiligung der Hersteller an Messeaktionen des Handels Rahmenauftragszusage zugesagter Gesamtumfang eines Geschäftes Musterlieferung z.B. Prototypen, Warenproben, Teststücke (monetäre Werte) Serviceleistung z.B. Schulungen, Ersatzteildienst, Hotline-Dienste sonstige, nicht-monetäre Konditionenelemente Koppelgeschäftszusage Zusage auf Folgeaufträge Preisgarantie Rücknahmegarantie Kulanzzusage Ausschlussfrist Exklusivklausel Gerichtsstand

i.d.R. mit Sonderpreisen für andere Produkte verbunden Kundenbindung, erscheint noch in keiner Rechnung Preis wird für bestimmten Zeitraum festgeschrieben verkaufsabschlussfördernde Option, Kauf ohne Risiko stellt kostenlose Serviceleistungen in Aussicht zeitliche Bindung der Gültigkeit des Angebotes umstrittene Geschäftsbindungszusage wichtiges Verhandlungselement bei internationalen Angeboten

Abbildung 5.4: Konditionenpolitisches Instrumentarium.

Ausgangspunkt der Verhandlungsüberlegungen ist ein Grundpreis, Tarifpreis oder Listenpreis. Im Konsumgütergeschäft ist dieser der Auszeichnungspreis, gegen dessen Zahlung dem Käufer die Ware ausgehändigt wird. Aber sowie Etikettpreis, Lieferpreis und Abholpreis (z. B. im Möbelgeschäft) auseinanderfallen, beginnt für den Käufer das Abwägen von Konditionenelementen. So bleibt es gerade bei höherwertigen Konsumgütern selten beim Listenpreis.  Um Konsumenten zu schützen, ist die Preisangabenverordnung Ende Mai 2022 novelliert worden. Die wichtigsten Regelungen: (1) Bei Preisermäßigungen muss neben dem Sonderpreis der niedrigste Gesamtpreis angegeben werden, den der Verkäufer innerhalb der vergangenen 30 Tage gefordert hat, (2) der Gesamtpreis muss die Umsatzsteuer und

366 

WKZ - Werbekostenzuschüsse: Frei verhandelbare Zuschüsse der Hersteller an den Handel.

Oft werden Selbstverständlichkeiten garantiert: „Die Fleurop-Garantie der Fleurop GmbH umfasst u.a. die Lieferung der bestellten Ware in frischer, einwandfreier Qualität.“

 5 Konditionenpolitik

sonstige Preisbestandteile enthalten, (3) der Grundpreis muss auch bei Kleinmengen auf ein Kilogramm oder einen Liter als Mengeneinheit bezogen werden, (4) Gesamtpreis und Grundpreis müssen auf einen Blick wahrnehmbar sein, (5) bei Fernabsatzverträgen müssen sämtliche absehbare Kostenbestandteile angegeben werden. Ferner umfasst die Novellierung eine Regelung zur Mengenangabe bei Selbstabfüllung flüssiger Ware und eine Neuregelung zur Angabe des Arbeitspreises für Elekrizität beim Aufladen von eAutos Die Preisverhandlung setzt zunächst an Konditionenelementen an, die sich direkt auf den Endpreis auswirken. Hierunter fallen Arten von Rabatten. In vielen technischen Branchen ist der Listenpreis durch enorme Rabattabschläge bereits ad absurdum geführt worden. Lieferanten passen ihre Preislisten über Jahre immer wieder an und geben Kostenerhöhungen und Leistungsabgeltungen durch fixierte Rabattabschläge weiter. Abschläge von 60–80% auf Liste sind keine Seltenheit. Verhandelt werden sonstige Konditionenelemente, die direkt die Listenpreise reduzieren. Mengen- und Zeitrabatte, wie in Abbildung 5.4 stichwortartig erläutert, stehen dabei im Vordergrund. Darüber hinaus werden sonstige monetäre Konditionenelemente verhandelt, die neben den Produktpreisen stehen. Sie werden nicht als weitere Preisaufschläge auf die Ware umgelegt. Die meisten Funkti­ onsvergütungen, die Kostenbeteiligungen der Hersteller an den Marktaktivitäten des Handels, werden pauschal abgegolten. Gleiches gilt für Bonuszahlungen am Jahresende, die einem Händler als Prozentwert auf den erreichten Jahresumsatz vergütet werden. Der Bonus gehört zu einer Reihe von Konditionenelementen, die den Käufer zur Ausweitung des Geschäftsumfanges motivieren sollen (Incentives). Ein Verhandlungstrick der Käufer ist es, sich den Bonus auf eine Jahresauftragssumme schon auf die Bezüge des laufenden Jahres anrechnen zu lassen. Der Lieferant hat dann nur wenig Chancen auf Rückerstattung, wenn der vereinbarte Jahresumsatz nicht erreicht wird. Es bleibt ihm höchstens ein Good-Will-Argument für die Preisrunde im nächsten Jahr. Leichte Preisvorteile bei Angeboten für gleichartige Produkte führen keinesfalls immer zum Auftrag. Zum einen können Interessensgleichheiten, Vertrauenspotenziale oder gute Beziehungen ausschlaggebend für einen Zuschlag sein. Zum anderen werden beide Seiten nicht-monetäre Verhandlungszugeständnisse ins Spiel bringen. Im Anlagen- oder größeren Maschinenbaugeschäft ist das immer der Fall. Abwicklungs- und Lieferzeitzusagen, Absprachen über Koppelgeschäfte und Folgeaufträge oder Rücknahme- und Kulanzzusagen gehören in diese Kategorie. Auch die Überlassung kostenloser Muster, Ersatzteile und Wartungsleistungen werden als

5.4 Konditionenpolitisches Instrumentarium 

 367

Verhandlungspunkte eingebracht, deren Vorteile sich nicht unmittelbar in Geldeinheiten umrechnen lassen; ebenso wie Preisgarantien. Konditionenelemente werden durch Bindungsfristen abgerundet, bis zu denen der Anbieter sein Preisangebot aufrechterhält und die Gerichtsstandklausel, bei der man böse Überraschungen erleben kann, wenn zu einer Gerichtssitzung in die Karibik geladen wird.

5.4.2 Lieferungs- und Zahlungsbedingungen Für den Käufer ist ein Blick in die Lieferungs- und Zahlungsbedingungen des Verkäufers unabdingbar. Das gilt natürlich nicht für Konsumgeschäfte mit Einigung und Übergabe und Barzahlung. Durch die Liefer- und Zahlungsbedingungen sind vor allem in B2B-Märkten die Grundregeln der Geschäfte verhandelt und festgeschrieben. Wichtige Kostenelemente sind die Zahlungsbedingungen. Das Skonto gilt als teuerste Kreditart durch eine Bank. Eine Zahlungskondition 14 Tage 2% Skonto, 30 Tage netto bedeutet, dass man den Warenkauf maximal über 16 Tage (von Tag 15 bis Tag 30) mit Bankkredit finanzieren müsste, um den Abschlag von 2% in Anspruch nehmen zu dürfen. Bezogen auf 360 Tage bedeuten die 16 Tage (360 Tage/16 Tage) mal 2% Skontozins = 45% Jahreszins. Es lohnt sich, Skonto in Anspruch zu nehmen; selbst bei Zwischenfinanzierung durch eine Bank. Tabelle 5.1 listet die gängigen INCOTERMS auf, die für internationale Warengeschäfte gelten. Die INCOTERMS regeln die Aufgaben- und Kostenteilung zwischen Verkäufer und Käufer. Es geht gleichsam um einen Gefahrenübergang für die Ware. Gezahlt wird i.d.R. durch Akkreditive, bei denen sich die Banken als wichtige Geschäftspartner erweisen. Wenn der strategische Rahmen für die Preispolitik geschaffen ist, kann der Blick operativ auf Verfahren der Preisbestimmung gerichtet Tabelle 5.1: INCOTERMS – Internationale Lieferbedingungen. INCOTERMS – Internationale Lieferbedingungen EXW – ex works FAS – free alongside ship FOB – free on board CF – cost and freight CIF – cost, insurance, freight DES – delivered ex ship DEQ – delivered ex quai DDP – delivered duty paid FTC – free to customer

Ware + übliche Verpackung ab Werk +Fracht, Rollgeld, Prüf- und Lagerkosten +Umschlagkosten +Seefracht +Seeversicherung +Löschkosten +Verzollung +Versteuerung +alle Anlieferungskosten, ohne Lagerung

368 

 5 Konditionenpolitik

werden. In Theorie und Praxis sind Gesetzmäßigkeiten der Preis-/Nutzenzusammenhänge von fundamentaler Bedeutung.

5.5 Preis-Nutzen-Zusammenhänge „Wir kennen von allem den Preis, aber nicht den Wert.“ (Oscar Wilde)

Jede Preisstrategie wird scheitern, wenn sie nicht das zentrale Paradigma der mikroökonomischen Preistheorie, die Preis­Absatz­Funktion (im folgenden PAF) mit einem negativ-reziproken443 Zusammenhang zwischen Preis und Menge, beachtet. Die Grundhypothesen zur fallenden PAF lauten: (1) Ein Preis entspricht einem bewerteten Käufer-Grenznutzen. D. h.: ein Nachfrager wird das Produkt kaufen, solange der Preis den von ihm empfundenen Grenznutzen nicht übersteigt (kleiner-gleich-Bedingung). (2) Eine PAF ist die horizontale Aggregation der Grenznutzen aller Käufer. (3) Mit fallendem Preis sind immer mehr Käuferschichten bereit, das Gut zu kaufen. Sinkt der Preis auf null, wird eine Sättigungsmenge (maximale Absatzmenge) erreicht. (4) Mit steigendem Preis sind immer weniger Kunden zum Kauf bereit. Bei einem Prohibitivpreis ist kein Käufer mehr zum Kauf bereit (Menge x = 0). (5) Es gelten zusätzlich die formalen Annahmen eines vollkommenen Marktes; d. h. ein stetiger Verlauf (zu jedem Preis ist eine Nachfragemenge definiert) und eine Marktreaktion ohne Zeitverzögerung (Situation an der Börse: Bei einem bestimmten Preis wird sofort die Nachfragemenge gemäß PAF wirksam).

5.5.1 Die klassische Preis-/Absatz-Funktion Simon liefert ein Praxisbeispiel für die Ermittlung einer PAF.444 Doch die geforderten theoretischen Bedingungen sind in der Empirie praktisch nur auf Rohstoff- und Börsenmärkten und teilweise im Internet gegeben. Das heißt nicht, dass Preis-Absatz-Funktionen keine Bedeutung für die Praxis haben. Sie nicht zu beachten, kann eine Unternehmung in den Ruin treiben. Die Herausforderung: Die mathematischen Funktio-

443 Je höher der Preis, desto niedriger die Absatzmenge und umgekehrt. 444 Vgl. Simon, Kucher, (Preisabsatzfunktionen), in: ZfB, 1/1988, S. 171–183.

5.5 Preis-Nutzen-Zusammenhänge 

 369

nen sind in der Realität, wenn überhaupt, nur schwer ermittelbar. Die Vertriebsleitung greift auf Erfahrung und Gespür zurück, um eine PAF für seinen Markt abzuschätzen. Marktforschung und Erfahrung sollen allgemein zwei preispolitische Kernfragen beantworten: (1) Wie stark steigt/fällt eine Nachfragemenge, wenn der Preis sinkt/ steigt? (2) Steigt oder sinkt der Umsatz (Preis x Menge) bei einer Preissenkung bzw. sinkt oder steigt der Umsatz bei einer Preiserhöhung? Bei einer Preisänderung ist unter der Annahme eines vollkommenen Marktes die Richtung der Absatzmengenänderung voraussehbar, nicht aber die Umsatzauswirkung. Die Frage, wie sich eine Preisänderung auf den Umsatz auswirkt, kann nur in Kenntnis der Preiselastizität der Nachfrage beantworten werden. Die Preiselastizität der Nachfrage -e ist definiert als prozentuale (relative) Mengenänderung (dx/x) im Verhältnis zur prozentualen (relativen) Preisänderung (dp/p). Zu beachten: Die Preiselastizität gibt (angenähert) die prozentuale Mengenänderung pro 1% Preisänderung an. Wegen der gegenläufigen Bewegung von Menge und Preis (negative Steigung der PAF) ist e negativ. Man definiert die Elastizität deshalb gerne als –e und erhält so positive Werte (minus ein Minus-Wert = ein Plus-Wert; symbolisch. [e]). Allgemein gilt: Mit steigendem Preis auf einer PAF steigt auch [e] (bzw. -e). Bei Annäherung des Preises an den Prohibitivpreis (Preis, bei dem kein Interessent mehr zu kaufen bereit ist, d. h. Absatzmenge Null) tendiert der absolute Wert [e] der Elastizität gegen unendlich. Bei Annäherung des Preises gegen Null (d. h. bei der Sättigungsmenge) tendiert auch [e] gegen Null. Also gibt es zwischen Prohibitivpreis und Sättigungsmenge eine Preis-/Mengenkombination, für die gilt: -e = [e] = 1. [e] = 1 gilt für die Preis-/Mengenkombination von ½ Sättigungsmenge und ½ Prohibitivpreis. In diesem Punkt liegt der unter einer PAF maximal erreichbare Umsatz. In diesem Punkt fallen bei infinitesimaler Betrachtung eine relative Preiserhöhung/-senkung und ein relativer Mengenrückgang/-zuwachs gleich hoch aus (Folge: Bei infinitesimal kleiner Preisänderung bleibt der Umsatz unverändert). Ist [e] > 1 bis unendlich (Abschnitt bis zum Prohibitivpreis), dann spricht man von elastischer, ist [e]  -e > 1

Abschnitte

Bei horizontalem Verlauf gilt: Bereits eine kleine Preiserhöhung verursacht totalen Nachfrageverlust (völlig elastisch)

kritische PAFGesamtverläufe

-e = 1

von PAF mit Steigung kleiner unendlich und größer Null

-e = unendlich

AUSWIRKUNGEN DER PREISELASTIZITÄT

markante Elastizitäten

Nahe an der Sättigungsmenge gilt: Eine Preissenkung verursacht relativ kaum noch eine Steigerung der Nachfragemenge

Umsatz steigt

Umsatz sinkt

Unelastischer Bereich: Eine relative Preisänderung übersteigt die relative Mengenänderung

1 > -e > 0

Bei vertikalem Verlauf gilt: Eine Preisänderung verursacht keine Änderung der Nachfragemenge (völlig unelastisch)

-e = 0

5.5 Preis-Nutzen-Zusammenhänge 

Abbildung 5.7: Auswirkungen der Preiselastizität in der Übersicht.

 375

376 

 5 Konditionenpolitik

-e BEIM VERGLEICH UNTERSCHIEDLICHER PAF

p

-e BEI STRECKENABSCHNITTEN AUF EINER PAF

PAF mit -e > 1 (elastischer Bereich)

p

PAF mit -e = Null (vollkommen unelastisch)

Prohibitivpreis mit e = unendlich

PAF mit -e = unendlich (vollkommen elastisch)

x

PAF mit -e < 1 (unelastischer Bereich) Umax bei e=1

x Sättigungsmenge mit -e = 0

Abbildung 5.8: Auswirkungen der Preiselastizität – grafische Analyse.

DERPREIS-NUTZEN-ZUSAMMENHANG angebotenes Produkt / Dienstleistung

wahrgenommener Nutzen des Produktes

Kundenbedürfnisse und -wünsche

Preis

Einfluss anderer Marketinginstrumente

Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit

finanzielle Situation des Kunden

Abbildung 5.9: Preis-Nutzen-Zusammenhang.

Beispiel Bahncard: Kunden empfinden den Nutzen des 50%-Rabattes dreimal so hoch wie den des 25%-Rabattes (vgl. Hinweis in ASW, 8/2003, S. 32).

Anbieter verschaffen sich in Kenntnis dieser Gesetzmäßigkeit Wettbewerbsvorteile, indem sie entweder bei gleichem Preis den Kundennutzen erhöhen (durch Service oder Added Values) oder bei gleichem Nutzen den Preis senken. Das bedeutet für die Verkaufspraxis: Ein Produkt kann für einen Kunden nicht unrelativiert („einfach so“) zu teuer sein, sondern nur im Verhältnis zu dem von ihm wahrgenommenen, subjektiven Nutzen. Der Kunde entscheidet über den Kauf nach einem Preis-/Leistungsverhältnis; bezogen auf seine individuellen Empfindungen. Man könnte formulieren: Der Kunden entscheidet nach einem Preis-/Nutzenverhältnis.  Danach kann ein Produkt nicht „billig“ sein, sondern bestenfalls „preiswert“.

 377

5.5 Preis-Nutzen-Zusammenhänge 

5.5.3 Psychologische Einflüsse auf die Preis-Absatz-Funktion und Preiskäufer-Typologien Preis-Absatzfunktionen verlaufen in der Praxis keinesfalls linear. Sie enthalten Brüche und Verzerrungen. Psychologische Einflüsse des Käuferverhaltens verhindern idealtypische Verläufe. Das beginnt mit der individuellen Preiswahrnehmung, die vor allem für Konsumgüter relevant ist. Preiswahrnehmungen hängen grundsätzlich von motivationalen, kognitiven und situativen Faktoren ab (Tabelle 5.2).449 Tabelle 5.2: Einflussfaktoren der Preiswahrnehmung und Preisbeurteilung. Einflussfaktoren der Preiswahrnehmung und Preisbeurteilung Motivationale Faktoren

Kognitive Faktoren

Faktoren der Kaufsituation

– – – – – –

– Fähigkeit zum Preisvergleich – Fähigkeit zur Qualitätsbeurteilung – Preis-/Kauferinnerungen; spez. Merkfähigkeit für Preise – Intelligenz (z. B. für Preisumrechnungen) – Selbstvertrauen bei Preisverhandlung – Kenntnis/Anwendung von Entscheidungsregeln beim Kauf

– – – – – – – – – –

– – – –

Persönliche Preis-Betroffenheit Einstellung zum Geld Generösität oder Sparsamkeit Qualitätsempfinden Markenbewußtsein Streben nach sozialer Anerkennung durch den Kauf Ökologische Einstellung Entscheidungsfreudigkeit Empfinden für Preisschwellen Vertrauen in den Anbieter

Preisdarstellung, Etikettierung Transparenz der Angebote Konkurrenzpreise/Preisniveaus Ambiente der Einkaufsstätte Preisimage der Einkaufsstätte Aktuelle Sonderangebote Zusatzleistungen beim Kauf Zeitdruck beim Kauf Taktik des Verkäufers Aktuelle Finanzsituation des Käufers

So kommt es, dass objektive Preissetzungen und die subjektive Preiswahrnehmungen der Kunden auseinanderklaffen.450 Beispiel: In einer Untersuchung wurden für einen Markenartikel Ladenpreise erhoben.451 Eine Preisauszeichnung lag bei 8,98, eine andere bei 10,98. Die Befragten sollten nun diesen objektiven Preisen subjektive Preisempfindungen auf einer 7er-Skala zwischen 1 (sehr billig) und 7 (sehr teuer) zuweisen. Dabei erhielt der erste Preis im Mittelwert den subjektiven Wert von 3,22. Der höhere Preis wurde mit 5,89 bewertet. Nun gab es ein weiteres Preisangebot in Höhe von 9,98. Rein rechnerisch müsste hierfür das Preisempfinden 4,56 betragen. Tatsächlich aber nannten die Konsumenten einen Wert von 4,27. Die Preisauszeichnung von 9,98 bringt somit einen subjektiven Preisvorteil in Höhe von 0,29.

449 In Anlehnung an Simon, Fassnacht, (Preismanagement), 2009, S. 161 ff. 450 Vgl. Homburg, (Marketingmanagement), 2020, S. 765 f. 451 Vgl. Kaas, Hay, (Preisschwellen), in: ZfB, 5/1984, S. 333–346.

378 

„Mit scharfem Blick nach Kennerweise, seh´ ich zunächst mal nach dem Preise. Und bei genauerer Betrachtung steigt mit dem Preise auch die Achtung.“ (Maler Klecksel, 1. Kapitel, in Wilhelm Busch)

 5 Konditionenpolitik

bzw. der Preis 10,98 ist mit einem subjektiven Preisnachteil in dieser Höhe verbunden. Der subjektiv empfundene Preisvor-/-nachteil wird vermutlich durch eine Preisschwelle beim Preis 10 beeinflusst (s. nächster Abschnitt). Folgende psychologische Effekte des Kaufverhaltens bewirken sogar, dass Käufer von bestimmten Produkten trotz steigender Preise erhöhte Mengen nachfragen und umgekehrt:452 (1) Der Giffen­Effekt bedeutet: Der Anteil höherwertiger Produkte an den Konsumausgaben nimmt mit steigendem Einkommen zu und umgekehrt. (2) Nach dem Engel­Effekt nimmt mit steigendem Einkommen der Anteil der Konsumausgaben an den Haushaltsausgaben ab (dadurch sinkendes –e). (3) Beim Qualitätseffekt verbinden Qualitätskäufer mit einem höheren Preis ein höheres Leistungsvermögen und eine bessere Haltbarkeit eines Produktes. Das Produkt wirkt durch den höheren Preis höherwertig und stärker nachfragt. (4) Der Veblen­Effekt wirkt ähnlich. Nur geht es hierbei nicht um Qualitätspräferenzen, sondern um mehr gesellschaftliche Anerkennung durch Wohlstandskonsum. Wegen des „Ich-kann-mir-das-leisten“Effektes fragen Prestigekäufer bei steigendem Preis mehr nach (positive Preiselastizität). (5) Der Snob­Effekt geht in die andere Richtung. Sinkt der Preis eines Markenproduktes auf das Niveau der Preislage von Massenprodukten bzw. wird das Produkt von Massenkäufern verstärkt nachgefragt, dann kaufen elitäre Kundensegmente das Produkt ganz bewusst nicht mehr. (6) Der Smart­Shopper­Effekt (Schnäppchenjäger-Effekt) entkoppelt die Qualität vom Preis.  Er verlangt Markenqualität zum Discountpreis. (7) Infolge des Signaleffektes lassen sich Käufer allein durch die Ankündigung eines Aktionspreises zum Kauf verführen (8) Der Panik­Effekt (auch: Hamsterkauf-Effekt): Je schneller ein Preis steigt, desto stärker steigt der Kaufwunsch der Interessenten, die das Produkt auf jeden Fall haben wollen, aber eigentlich niedrigere Preisvorstellungen hatten.

452 Vgl. zu einigen dieser Effekte: Nieschlag et al., (Marketing), 2002, S. 761 ff.; Pepels, (Marketing), 2012, S.  632–633. Die Bedingungen eines vollkommenen Marktes sind dann nicht mehr gegeben.

 379

5.5 Preis-Nutzen-Zusammenhänge 

(9) Der Bandwagon­Effekt beschreibt den gleichen Effekt in allgemeiner Form. Ein Produkt wird generell stärker nachgefragt, wenn alle es wollen. (10) Beim Mitläufer­Effekt geht der Bandwagon-Effekt von Meinungsführern aus.  Der Kunde orientiert sein Kaufverhalten an Bezugspersonen: Wenn Prominente das Produkt haben, will ich es auch besitzen; der Preis spielt keine Rolle. Diese Effekte verformen die idealtypische negative Steigung der PAF entweder insgesamt oder in bestimmten Streckenabschnitten. Infolge von Verhaltenseinflüssen lassen sich Käufertypologien nach Preis- und Qualitätspräferenzen differenzieren. Abbildung  5.10 zeigt ein Beispiel aus dem Tourismusmarkt. Generell geht der Trend dahin, dass das subjektive Empfinden der Käufer für teure Produkte zu- und das für preisgünstige Produkte abnimmt. Die Preissensibilität nimmt allgemein zu. Es wird schwerer, neue Angebote als mit dem Werbeargument „preisKÄUFERTYPOLOGIE NACH PREIS-/QUALITÄTSPRÄFERENZ hohe Qualität

Luxus pur 5–8%

Schnäppchenjäger 5–10% niedriger Preis

gehobener Preis + angemessene Qualität 35–40% preisgünstig aber Qualität 40–45%

möglichst billig 10–15%

niedrige Qualität (Quelle: F.U.R. / RA 2004 - Bestseller 1/2005, S. 24)

Abbildung 5.10: Käufertypologie nach Preis-/ Qualitätspräferenz

hoher Preis

380 

 5 Konditionenpolitik

günstig“ zu positionieren.453 Und es gibt immer mehr Discountkäufer und Schnäppchenjäger. So kristallisierten sich in einer empirischen Studie fünf relativ stabile Preissegmente für Konsumgüterkäufer heraus:454 (1) 28,4% Preisoptimierer – mit mittlerer Qualitätspräferenz, mittlerer bis hoher Preisachtsamkeit und leicht negativer Preisbereitschaft, (2) 20,9% Markenfans – mit mittlerer Qualitätspräferenz sowie mittlerer Preisbereitschaft und stark negativer Preisachtsamkeit, (3) 19,1% Indifferente – mit jeweils mittlerer negativer Qualitätspräferenz, mittlerer negativer Preisbereitschaft und mittlerer negativer Preisachtsamkeit, (4) 18,6% Billigkäufer – mit hoher Preisachtsamkeit, hoher negativer Qualitätspräferenz und mittlerer negativer Preisbereitschaft, (5) 13% Hochpreiszahler – mit sehr hoher Preisbereitschaft, niedriger Qualitätspräferenz und leicht negativer Preisachtsamkeit.

5.5.4 Preisschwellen-Einflüsse auf das Kaufverhalten Preisschwellen beeinflussen die Preiswahrnehmung. Nicht alle Preisbereiche auf der PAF üben auf den Konsumenten die gleiche Signalwirkung (Reizwirkung) aus.  Der Käufer verspürt Veränderungen auf der Preisskala. Simon nennt folgende Preisschwellen-Phänomene:455 – Die Konsumenten empfinden das Preiskontinuum als Zusammensetzung von diskreten Abschnitten. 4,95 € sind „noch lange nicht“ 5 €. 2,98 € empfindet der Käufer als ein Preis zwischen 2 und 3. – Konsumenten nehmen die Preisziffern von links nach rechts mit abnehmender Intensität wahr. Die erste Ziffer beeinflusst die Preiswahrnehmung am stärksten. 9,95 € wird als „9 und etwas“ empfunden. – Kunden geben sich Maximalpreise in runden Werten vor. Sie erlauben sich 1/2 Mio. € für den Hausbau und 20.000 € für ein neues Auto. Liegen Preisangebote vertretbar darüber, wird die Nachfrage dennoch relativ unelastisch reagieren. Man rechnet schon von vorneherein damit, dass der Kaufpreis über dem eigenen Limit liegen wird. 453 Vgl. die Hinweise in: bestseller, Das Magazin von Horizont, 1/2005, S. 24–25. 454 Vgl.  die Studie „Preissegmentierung in Konsumgütermärkten“, Arbeitspapier Nr. 117 am Lehrstuhl für Marketing an der Universität Erlangen-Nürnberg, Prof. Diller/Prof. Starner; zit. und zusammengefasst in ASW, 4/2004, S. 48. 455 Vgl. Simon, Fassnacht, (Preismanagement), 2016, S. 161 ff; vgl. zu diesen Phänomenen auch Bänsch, (Verkaufspsychologie), 2013, S. 85 ff.

5.5 Preis-Nutzen-Zusammenhänge 

– –



 381

Bleiben Preise unter runden Werten, dann entsteht beim Käufer der Eindruck, er könne gegenüber dem runden Preis etwas sparen. In diesem Sinne liegt eine Preisschwelle bei ca. 50 €. Wird ein Preis auf unter 50 € gesenkt, kann die Nachfrage überproportional ausgeweitet werden.456 Gebrochene Preise vermitteln den Eindruck einer sorgfältigen (ehrlichen) Kalkulation auf Seiten des Anbieters. Sie wirken glaubwürdig.457

Bei Konsumgütern ist der Käufer Preissetzungen der Anbieter meist ausgeliefert. In B2B-Märkten und bei Gebrauchsgütern kann der Kunde nach Wegfall des Rabattgesetzes und der Preisbindung Preissenkungen oder Zugaben verhandeln. Beim Möbelkauf z. B. sind 10–50% Preissenkung (davon 3% Skonto) gängig. Im Maschinen- und Anlagenbau werden erhebliche Preisabschläge verhandelt. Nicht nur gebrochene Preisauszeichnungen, sondern auch durch weitere Tricks versuchen Anbieter, Preistransparenz zu verschleiern und Käufer zum Kauf zu motivieren. Der Verlauf der wahren PAF wird verschleiert: – Sonderangebotsrabatte sind Abschläge von überhöhten Mondpreisen. – Aktionsangebote sind von minderer Qualität (2. Wahl). – Die Optik der Preisauszeichnung vermittelt dem Kunden den Eindruck, der Preis für ein Kombinationsangebot sei niedriger als die Summe der Einzelpreise (Preisbündelung). Als Beispiel gelten die von Amazon vorgeschlagenen Produktbündel „wird oft zusammen gekauft“. – Wesentliche Produktbestandteile werden nicht mitgeliefert. So ist es üblich, dass PC-Drucker ohne Druckerkabel ausgeliefert werden. Druckeranbieter (z. B. HP) liefern Erstgeräte ferner nur mit Sparpatronen aus. Kartons für Videokameras (z. B. Sony) enthalten keine Tasche, neue Autos zumeist keinen Reservereifen mehr. – Das Basis-Angebot erscheint unschlagbar günstig. Überhöhte Preise bei Zusatzelementen machen den Preisvorteil wieder zunichte. Bsp.: Küchenmöbel, Bodenstaubsauger mit überhöhten Preisen für Staubbeutel, zu kurze Schläuche bei Hochdruckreinigern mit teuren Verlängerungsschläuchen als Sonderzubehör. – Die Grundversion eines PC-Programmes erscheint „spottbillig“. Die jährlichen Updates entpuppen sich für den Kunden unerwartet als Kostentreiber.

456 Vgl. Bilstein, Bieker, (Nachfragekurve), in: ASW, 11/2000, S. 68. 457 Vgl. Scharf et al., (Marketing), 2022, S. 471.

Bei Kampfpreisangeboten für Kleinelektrogeräte fehlen heute vielfach die Batterien im Grundpreis.

382 



– – –





– –

 5 Konditionenpolitik

Billigangebote dienen dazu, den Verbraucher zum Kauf preislich überhöhter, anderer Produkte zu verführen (Busreisen mit Produktpräsentationen). Ein Aktionspreis gilt nur in Verbindung mit dem Kauf eines anderen Gutes (Koppelangebote). Preisabschläge gelten nur für Einzelstücke, die regulärer Ware ist voll kalkuliert. Von Lockvogelangeboten sind nur wenige Verkaufsstücke vorhanden. Dafür sind dann technisch leicht bessere Produkte zu überhöhten Preisen vorhanden. Ein Produktpreis wird zwar gesenkt, es wird aber auch der übliche Service deutlich eingeschränkt (Flugreisen ohne Verpflegung bzw. Selbstzahlung). Eine Service-Taktik des Fachhandels: Das Angebot wird aufgespalten. Beratung und Dienstleistungen werden kostenpflichtig vom Produktgeschäft abgekoppelt.458 Dem Interessenten wird vom letzten verfügbaren Stück erzählt (Wenn Sie jetzt nicht zugreifen, dann …). Beim Fahrzeugkauf hohe Kosten für Überführung wie auch für Selbstabholung!

5.6 Angebotspreissetzung/Statische Preispolitik 5.6.1 Monopolistische Optimierung von Preis und Menge In der mikroökonomischen Preistheorie bestimmt die Zahl der Anbieter und Nachfrager den optimalen (gewinnmaximierenden) Angebotspreis. Abbildung 5.11 stellt idealtypische Marktformen gegenüber. Für alle Marktformen gelten Annahmen eines vollkommenen Marktes: (1) rationales Verhalten aller Anbieter (verfolgen Gewinnmaximierung) und Nachfrager (verfolgen Nutzenmaximierung), (2) uneingeschränkte Markttransparenz (Bedingungen an der Börse), (3) unendlich hohe Reaktionsgeschwindigkeit der Marktteilnehmer, (4) offener Markt (keine Zugangsbehinderungen), (5) kein reglementierter Markt (d. h. Märkte ohne Gebührenordnung),

458 Vgl. Müller-Hagedorn, (Adjustierung), in: ASW, 4/1996, S. 44.

5.6 Angebotspreissetzung/Statische Preispolitik 

 383

Nachfrager

MARKTFORMEN-SCHEMATA DER KLASSISCHEN PREISTHEORIE

einer monopolistisch wenige oligopolistisch viele oligopolistisch

Anbieter einer wenige viele monopolistisch oligopolistisch polypolistisch bilaterales beschränktes NachfrageMonopol Nachfragemonopol monopol beschränktes bilaterales NachfrageAngebotsmonopol Oligopol oligopol bilaterales einseitiges AngebotsAngebotsmonopol oligopol Oligopol alle Marktformen: vollkommene / unvollkommene Marktbedingungen

Abbildung 5.11: Marktformenschema der klassischen Preistheorie.

(6) keine Verhaltensanomalien bei den Marktteilnehmern (keine sachlichen, zeitlichen oder lieferantenbezogenen Präferenzen der Kunden; also die Einhaltung der sog. Markt-Homogenitätsbedingungen), (7) keine Substitution durch gleichartige Güter,459 Ist eine Bedingung nicht erfüllt, liegen unvollkommene (kritische) Märkte vor. Abbildung 5.12 erläutert in vier Teilgrafiken die wichtigsten Ansätze der Preistheorie zur Bestimmung eines optimalen Angebotspreises.460 Bei einigen Marktformen der Abbildung 5.12 – und zwar bei denen mit undifferenzierter Machtkonstellation zwischen Hersteller und Kunde – sind keine optimalen Anbieterpreise und -mengen berechenbar. Diese sind dann Gegenstand von Verkaufsverhandlungen. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf optimierbare Marktbedingungen. Ein Grundmodell der Preispolitik ist das einseitige Angebotsmonopol, wie es teilweise noch bei der Briefzustellung der Deutschen Post AG, der GEZ und der GEMA besteht. Der Angebotsmonopolist kann autonome Preispolitik betreiben und (theoretisch) seinen gewinnmaximalen Preis ohne Rücksicht auf Konkurrenzreaktionen bestimmen. Gemäß Teilgrafik ① der Abbildung 5.12 wird er das Preis-/Mengen-/Kostenoptimum im Cournotschen Punkt C realisieren, in dem die Bedingung gilt: Grenzerlöse (Grenzumsatz) = Grenzkosten.

459 Die Einflüsse von Substitutions- sowie Komplementärprodukten können mit der Kreuzpreiselastizität der Nachfrage (Triffin´sche Koeffizienten) erfasst werden; ausgedrückt als relative Mengenänderung eines Produktes A zur relativen Preisänderung eines Produktes B. Bei komplementären Produkten ist die Kreuzpreiselastizität negativ, bei Substitutionsgütern positiv. Bestehen derartige Effekte, sind PAF interkorrelativ miteinander verbunden und daher nicht stabil, und optimale Angebotspreise sind nicht isoliert bestimmbar. 460 Vgl. Lorenzer, B., (Pricing-Konzepte), 1998, Anlage-1.

384 

 5 Konditionenpolitik

Abbildung 5.12: Übersicht zu klassischen Modellen der Preistheorie.

5.6 Angebotspreissetzung/Statische Preispolitik 

3

GEWINNMAXIMALER PREIS IM POLYPOL AUF VOLLKOMMENEM MARKT Maßstab I II P K′ k kv U′

B = Betriebsminimum BM = Betriebsmaximum BO = Betriebsoptimum G = Gewinnschwelle W = Wendepunkt K(x) = Gesamtkosten K ′(x) = Grenzkosten k(X) = Gesamte Stückkosten k (x) = Variable Stückkosten U ′(x) = Grenzumsatz

U K

K (X)

W

G

K ′ (x)

BM

P

k(x)

BO

P1 P2

U ′ (x)

kv(x)

Bm U (x) 0

X1

X2

X opt

Xmax

X

PREIS-ABSATZ-FUNKTION IM POLYPOL AUF UNVOLLKOMMENEM MARKT

p

U′ K′

D Po U

K′

A η < -1

Pc

η = -1

Pr

4

K′ = Grenzkosten U′ = Grenzumsatz x = Menge P = Preis Po = Oberer Grenzpreis Pu = Unterer Grenzpreis p X = Gewinnmaximale Peis-MengenKombination p X = Umsatzmaximale Preis-MengenKombination

G

η > -1

Pu

B F

U′ 0

Xo

Xc

Xr

Xu

U′

Abbildung 5.12 (fortgesetzt)

H X

 385

386 

 5 Konditionenpolitik

In der Grafik der Abbildung 5.12 entspricht diesem Gewinnmaximum die Strecke A – B. Das Modell beruht auf folgenden Funktionalitäten: normale, lineare PAF, mit der nach unten offenen, hyperbolischen Umsatzfunktion und eine lineare Kostenfunktion in der Form K = kV x + KFix. Bei anderen Kostenverläufen gilt die Cournot-Optimierungsbedingung unverändert. Zentrale Erkenntnis: Der Angebotsmonopolist kann wegen seiner Machtstellung die Menge beschränken (Güterknappheit erzeugen), dadurch den Marktpreis beeinflussen und bei gegebener Kostenfunktion ein Gewinnmaximum im Markt realisieren. Knappheit ist der Schlüssel für hohe Preise! Monopolsituationen sind in der Praxis auf lange Sicht instabil. Künstliche Monopole waren in Zeiten einer liberalisierten Europäischen Wirtschaftspolitik nicht opportun. Nicht staatlich geschützte Monopole locken Konkurrenten auf den Markt, die von Gewinnmaximierungschancen profitieren wollen. Nach dem Telekommunikationsmarkt wurden auch die Energiemärkte „dereguliert“. Dennoch geht heute der Trend der europäischen Wirtschaftspolitik in ausgesuchten Wirtschaftsbereichen wieder stärker in Richtung Regulierung.

5.6.2 Mengenoptimierung bei vollkommener Konkurrenz Je mehr Anbieter sich in einem Markt um Kunden bemühen, desto geringer ist der Einfluss eines einzelnen Anbieters auf den Marktpreis.  Mit Zunahme der Wahlmöglichkeiten der Käufer (Käufermacht) steigt die Nachfrageelastizität. Der PAF-Verlauf wird flacher (elastischer; s. oben), bis die PAF schließlich im Extremfall der vollkommenen Konkurrenz eine Steigung von Null ([e] = unendlich) aufweist (Parallele zur x-Achse). In diesem Grenzfall des sog. Polypols müssen alle Anbieter den geltenden Marktpreis akzeptieren. Der Marktpreis ist für sie quasi vorgegeben. Sie können ihren Gewinn nur über die Absatzmengen optimieren.461 Die Preistheorie beschreibt je nach Kostenverlauf zwei Grundmodelle: (1) Anbieter im Polypol mit linearem Kostenverlauf (Teilgrafik ②) (2) Anbieter im Polypol mit s-förmigem Kostenverlauf (Teilgrafik ③).

461 Es gilt theoretisch: Würde ein Anbieter seinen Angebotspreis erhöhen, würde er sofort alle Käufer verlieren. Bei einer Preissenkung fiele ihm die gesamte Nachfrage zu. Daraufhin wären auch alle anderen Anbieter zur Preissenkung gezwungen. Das Preissenkungsspiel setzt sich so lange fort, bis der Preis Grenzkostenniveau erreicht. Sogenannte Grenzanbieter, deren Kosten über dem Marktpreis liegen, scheiden schrittweise aus dem Wettbewerb aus.

5.6 Angebotspreissetzung/Statische Preispolitik 

 387

In beiden Fällen gilt wieder die Optimierungsbedingung: Grenzerlöse =  Grenzkosten. Im Polypol entspricht der Grenzerlös stets dem Marktpreis und ist folglich konstant.462 Mit Blick auf seine Kostenentwicklung wird der Anbieter bei vollkommener Konkurrenz also seinen Absatz so lange ausweiten, solange die Kosten der nächsten Absatzeinheit (Grenzkosten) den Marktpreis nicht übersteigen. Das bedeutet für die Fälle ② und ③ aus der Abbildung 5.12 Übersicht zu klassischen Modellen der Preistheorie: ② Bei linearem Kostenverlauf K = kV x + Kfix realisiert der Anbieter seinen maximalen Gewinn (bzw. seinen minimalen Verlust) an der Kapazitätsgrenze xmax, solange seine Grenzkosten kv unter dem Verkaufspreis liegen. Tun sie das nicht (Deckungsbeitrag negativ), wird er wegen mangelnder Wettbewerbsfähigkeit aus dem Markt ausscheiden. Zur Abdeckung seiner fixen Kosten (in Teilgrafik ② der Abschnitt auf der K-Achse von 0 bis zum Beginn der Kostenfunktion K) muss er erst die Gewinnschwelle (Break-Even-Punkt) erreichen. Oberhalb der Gewinnschwelle produziert (vertreibt) er in einem mit wachsender Absatzmenge zunehmenden Gewinnbereich. ③ Mit Annäherung an die Vollbeschäftigung (Kapazitätsgrenze) verlaufen die Kosten in der Praxis nicht linear. Hingewiesen sei auf Überstundenzuschläge, Ausschuss und zunehmende Wartungskosten. Teilgrafik ③ geht in diesem Sinne davon aus, dass sich mit wachsender Kapazitätsauslastung erst Effizienzvorteile (abnehmende Grenzkosten) und später Effizienznachteile (zunehmende Grenzkosten) zeigen. Die Auslastungseffekte bewirken die bekannten s-förmigen Kostenverläufe. Die gewinnmaximale Menge xopt eines Anbieters im Polypol ergibt sich mathematisch und grafisch nach dem klassischen marginalanalytischen Ansatz, wie bereits im Monopolfall aufgezeigt. Werden die theoretischen Erkenntnisse in die Praxis übertragen, sind auf internationalen Märkten zwei Trends erkennbar: (1) Der weltweite Kauf und Verkauf von kernkompetenz-tragenden Unternehmensteilen und die enorm wachsende Kapitalintensität durch technischen Fortschritt verursachen eine Oligopolisierung auf Anbieterseite. (2) Eine hieraus zu befürchtende Monopolisierung der Anbieterpreise ist aber für die Abnehmer noch nicht feststellbar, weil die Investitionsgüternachfrager im technischen Geschäft wie auch Handels-

462 Der Grenzerlös ist bei jeder Absatzmenge gleich groß, nämlich gleich dem Preis: vgl. Hüttner; von Ahsen, Schwarting, (Marketing-Management), 1999, S. 215.

388 

 5 Konditionenpolitik

konzerne im Konsumgeschäft eben dieser Monopolisierung durch Aufbau von Alternativlieferanten entgegenwirken. So akzeptieren Einkäufer der Automobilindustrie zwar starke Systemlieferanten, die ihnen auf Grund ihrer Größe Kostendegressionseffekte in den Angebotspreisen weitergeben.463 Sie halten diese aber mit Hilfe von ausgesuchten Zweitlieferanten in Schach. Zusammengefasst gilt: – Auf Anbieterseite ist eine zunehmende Spezialisierung und damit Oligopolisierung der Märkte feststellbar.464 – Die Nachfrager gehen in Preisverhandlungen mit polypolistischen Preiserwartungen. Das preispolitische Spannungsfeld bewirkt, dass Listenpreise an Bedeutung verlieren. Entscheidender ist die Zuordnung zu einer Preislage. In monopolistischen und oligopolistischen Märkten lassen sich Preise leichter stabilisieren. Man weicht aber auf andere, „nebenpreisliche“ Konditionenelemente aus.  Erschwerend kommt für Anbieter bei der Angebotspreisbestimmung hinzu, dass die Bedingungen des vollkommenen Marktes in der Praxis nicht gegeben sind und Kunden auf vielfältige Weise subjektive Produktbzw. Anbieterpräferenzen entwickeln. Diese, von klassischen Annahmen des vollkommenen Marktes abweichenden Präferenzen, kennzeichnen unvollkommene Märkte.

5.6.3 Preisbestimmung auf unvollkommenen Märkten: Die doppelt geknickte PAF nach Gutenberg Gutenberg entwickelte das Modell der doppelt geknickten PAF. Sie bringt Käuferpräferenzen als ein wesentliches Merkmal unvollkommener Märkte gut zum Ausdruck.465 Die Teilgrafik ④ der Abbildung 5.12 sowie der linke Teil der Abbildung 5.13 skizzieren den Zusammenhang. Innerhalb einer an sich elastischen (polypolistischen) PAF bildet sich infolge von Käuferpräferenzen ein Preisveränderungsbereich mit einer vergleichsweise unelastischen Preiselastizität der Nachfrage heraus.  In

463 Und keinesfalls monopolähnliche Preisstellungen wagen würden. 464 Immer mehr Spezialmärkte werden weltweit durch eine abnehmende Zahl von Spezialanbietern bedient. Diese kumulieren Know how und nutzen Erfahrungskurveneffekte. 465 Vgl. Gutenberg, (Absatz), 1984, S. 243–260.

5.6 Angebotspreissetzung/Statische Preispolitik 

 389

diesem PAF-Abschnitt verbirgt sich ein Markenbindungs-Potenzial.466 Zwischen den beiden Preisschwellen kann sich der Anbieter tendenziell wie ein Monopolist verhalten. Er kann, wieder nach dem Postulat Grenzkosten = Grenzerlös, Preis und Menge zu einem gewinnmaximalen Angebotspreis kombinieren. In der Bandbreite seines Bindungs-Potenzials A – B wird er bei einer Preiserhöhung vergleichsweise weniger Kunden verlieren als außerhalb, wo er als Anbieter in stärkerem Wettbewerb mit Konkurrenten steht. Die Zielsetzung eines Anbieters wird es folglich sein, sich ein Markenbindungspotenzial durch qualitativ gute Produkte und präferenzbildende Marketingmaßnahmen zu schaffen und zu sichern. Diese Problematik weist enge Bezüge zu den Themen Kundenbindung (ein zentrales Thema der Verkaufspolitik) und Markenpolitik (ein zentrales Thema der Kommunikationspolitik) auf.

5.6.4 Preisbestimmung auf unvollkommenen Märkten: Sonderfall der doppelt geknickten PAF für Automobile Die Elastizitätsverhältnisse der unteren PAF der Abbildung  5.13 sind konträr zu der von Gutenberg. Die rechte Grafik stellt die Gesamtfunktion über alle Segmente der Automobilindustrie dar (allerdings nach dem historischen Stand 1990).467 Die PKW-Preise sind in 1.000 Euro ausgewiesen. Die x-Achse zählt die kumulierten PKW-Zulassungen in Millionen Einheiten. Die Preise in der Grafik müssten allerdings deutlich nach oben korrigiert werden. Denn die Erhebung (ca. 1988) entstammt einer Zeit, als 40 Prozent der Automobile unter 10 TEUR Listenpreis lagen. Dabei dürften die von Schirmer entdeckten vier Elastizitätsklassen heute noch Gültigkeit besitzen, jedoch mit deutlich nach oben korrigierten Preisbereichen: (1) Bereich-A: Bei Preisen über 25.000 Euro geringe Preiselastizität (Preisunterschiede spielen im gehobenen Preissegment keine ausschlaggebende Rolle). (2) Bereich-B: Mittlere Preiselastizität der Nachfrage in einem Bereich zwischen 17.500 und 25.000 Euro. (3) Bereich-C: Hohe Preiselastizität im hart umkämpften Mittelklassesegment mit Preisen zwischen 7.500 und 17.500 Euro. 466 Gutenberg sprach vom akquisitorischen Potenzial: vgl. Gutenberg, (Absatz), 1984, S. 243. 467 Zur Erläuterung des Zusammenhangs ist die Darstellung trotz des fast historisch anmutenden Datums dennoch gut geeignet: vgl. Schirmer, (Einführung), in: ZfB, 10/1990, S. 892–907.

Wo Elastizitäten keine Rolle spielen: Der Phanton von Rolls Royce liegt für den Jahrgang 2022 bei 440 TEUR und der Ghost bei 250 TEUR.

390 

p

p

 5 Konditionenpolitik

DIE DOPPELT GEKNICKTE PAF NACH GUTENBERG 9 8 7 6 5 4 3 2 1

45 40 35 30 25 20 15 10 5

Bereich des Markenbindungs Potenzials

A

B

1

2

3

4

5

6

7

8

9 10 11

12

13 x

DIE DOPPELT GEKNICKTE PAF FÜR DIE AUTOMOBILNACHFRAGE

A B C

1 2 Preise in 1000 Euro - Mengen in Mio. Einheiten (Quelle: Schirmer, (Einführung), ZfbF 1990, S. 892–907)

D 3

x

Abbildung 5.13: Doppelt geknickte Preisabsatzfunktion.

(4) Bereich-D: Geringe Preiselastizität wieder im Segment der Kleinwagen mit Preisen bis zu 7.500 Euro. Diesen Sachverhalt führt Dietz auf das begrenzte Produktangebot in diesem Segment zurück; eine Situation, die sich in den letzten Jahren geändert haben dürfte.468 Das bedeutet: In den Segmenten der Luxusgüter und der preisgünstigen Kultprodukte stecken bei diesem PAF-Typ die akquisitorischen Potenziale. Die Hersteller dürfen die kritischen Preisschwellen bei ihrer Preispolitik nicht nach unten bzw. nach oben überschreiten. Sonst schwenken ihre Kunden auf das stark besetzte Anbieterfeld der Mittel-

468 Vgl. Dietz, (Automobilmarketing), 1997, S. 121.

5.6 Angebotspreissetzung/Statische Preispolitik 

 391

klasseprodukte um. Welche Segmente mit relativ geringer Preiselastizität der Nachfrage bieten den Herstellern flexiblere Preisspielräume? Empirische Untersuchungen belegen derartige Elastizitätsphänomene auch für weniger komplexe Produkte.469 Im unteren Preisbereich bis ca. 250 Euro verlaufen Nachfragekurven verhältnismäßig steil und flachen dann bei höheren Preisen stark ab, bis wiederum die Schwelle des Hochpreis-Segmentes des betroffenen relevanten Marktes erreicht ist. Im Zuge des Vordringens von Handelsmarken schwinden die akquisitorischen Potenziale in den etablierten Markensegmenten. Erkenntnisse der Preistheorie erhalten durch das Internet neue Impulse. Geschäftsmodelle im Internet haben zu einer ungewohnten Preistransparenz geführt.

5.6.5 Preisfindungsmodelle im Internet Durch die Etablierung des Internet haben sich viele Kaufvorgänge in digitale Umgebungen verlagert. Die dort möglichen neuen Geschäftsarten und Verhandlungsoptionen haben neue Preisfindungsstrukturen hervorgebracht. (1) Produktbörsen: Das Internet kann auf Grund hoher Transparenz und schneller Reaktionsgeschwindigkeit der Markteilnehmer nahezu die Bedingungen vollkommener Märkte nachstellen. Analog den klassischen Börsenbedingungen (Wertpapier-, Warenbörsen) können im Internet Anbieter und Nachfrager zu simultanen Preisaktionen und -reaktionen veranlasst werden. Bei Produktbörsen bewegen sich Kauf- und Verkaufsangebote aufeinander zu, bis sich ein Kaufpreis einstellt, den alle Parteien akzeptieren. (2) Co­Shopping/Power Shopping: Zu Beginn einer Preisaktion setzt der Betreiber einen Anfangspreis. Je mehr Käufer sich zusammenschließen, umso günstiger wird dieser Preis.470 Liegen ausreichend Anfragen vor, gibt der Anbieter ein endgültiges, verbindliches Preisangebot ab. Alle Nachfrager bekommen dann das Produkt zum gleichen Preis.  Ziel ist also das Spiel um Mengenrabatte. Wegen dieses möglicherweise „sittenwidrigen Ausnutzens der Spiellust“ sind Gruppenkäufe nicht unumstritten.

469 Vgl. Bilstein, Bieker, (Nachfragekurve), in: ASW, 11/2000, S. 68. 470 Vgl. die interessanten Beispiele in o. V., (Geschenke), in: www.tomorrow.de, 25/2000, S. 66–68.

392 

 5 Konditionenpolitik

(3) Auktionen: In bekannter Weise sind Mindestpreis und Gebotsaufschläge festgelegt. Die Auktion findet in einem festgelegten Zeitraum statt. Der Kaufinteressent mit dem höchsten Gebot innerhalb dieses Zeitraums erhält den Zuschlag. (4) Top­Down­Aktion: Die Top-Down-Auktion geht von einem Höchstpreis aus, der in bestimmten Zeitabständen um jeweils einen bestimmten Betrag sinkt. Der Interessent, der am schnellsten reagiert (als erster „Nerven“ zeigt), erhält den Zuschlag. (5) Ausschreibungen und Reverse­Auctions: Bei Online-Ausschreibungen bestimmt der Käufer selbst den Preis für sein Wunschprodukt. Er setzt die Anbieter unter Zugzwang, indem er am PC aus einem Katalog ein Produkt auswählt und angibt, wieviel er für dieses Gut maximal zu zahlen bereit wäre. Nach Abschluss einer Frist kann er dann aus den günstigsten Angeboten (sofern diese vorliegen) auswählen. Mit Hilfe der Transparenz und der schnellen Reaktionen im Internet wird es möglich, den optimalen Preis für ein Produkt anhand echter Nachfragedaten zu bestimmen. Denn jedem realistischen Preisgebot werden entsprechende Angebotsmengen gegenüberstehen. Abbildung 5.14 zeigt eine PAF für ein Elektronikprodukt. Eine Onlineplattform hat Nachfragefunktionen für zahlreiche Konsumprodukte analysiert und dabei durchweg Anpassungsgüten der linearen Regressionen von über 90 Prozent festgestellt.471 Überdurchschnittlich häufig konzentriert sich die Nachfrage auf runde Preise (z. B. 100 Euro). Alle Preismodelle im Internet sprechen für eine abwärts gerichtete Preisspirale. Das Internet forciert Billiganbieter. Backhaus mildert die Befürchtungen: „Unternehmer werden Produktvarianten und Preismodelle entwickeln, die trotz Internet einen Vergleich mit vertretbarem Aufwand sinnlos erscheinen lassen.“472 Viele Produkte und Dienstleistungen werden in so unübersichtlicher Vielfalt angeboten, sodass ein echter Vergleich schwierig ist. Sein Fazit: „Der Markt wird nicht in die Transparenzfalle tappen.“473

471  Übliche Werte für nachempfundene PAF-Regressionen liegen bei 65 Prozent: vgl. Bilstein; Bieker, (Nachfragekurve), in: ASW, 11/2000, S. 64. 472 Backhaus, (Preis-Dickicht), in: MM, 10/2000, S. 117. 473 Backhaus, (Preis-Dickicht), in: MM, 10/2000, S. 117.

 393

5.6 Angebotspreissetzung/Statische Preispolitik 

PREIS-ABSATZFUNKTION FÜR EIN ELEKTRONIKPRODUKT

500

y = –0.990x + 350.29 R² = 0.8817

450

Preisgebote in Euro

400 350 300 250 200 150 100 50 0 0

50

100

150

200

250

(Quelle: IhrPreis.de, zit. in: ASW, 11/2000, S. 64)

300

350

400

450

500

Nachfrage in Stück

Abbildung 5.14: Preisabsatzfunktion für ein Elektronikprodukt.

5.6.6 Kostenorientierte Preisbestimmung und Break-Even-Analyse Bei konventionellen Preisfindungen, bei denen ein Anbieter Preislagen und Konkurrenzpreise beachten muss, kann er zu einer autonomen Preispolitik imstande sein. Zwei grundsätzliche Vorgehensweisen wurden weiter oben theoretisch diskutiert: im idealtypischen Fall einer monopolistischen oder stark oligopolistischen Angebotssituation werden die Unternehmen den Angebotspreis auf dem Wege der Kostenermittlung plus Gewinnaufschlag festlegen. Man spricht von progressiver Preiskal­ kulation oder Zuschlagskalkulation. Tabelle 5.3 zeigt hierzu das klassische Schema der Vollkosten-Zuschlagskalkulation. Abbildung 5.15 zeigt die vertriebsrelevante Umsetzung des Ansatzes in Form der GEZ-Zuschlagskalkulation (GEZ = Gewinnzuschlag) in einem Zahlenbeispiel. Ausgehend von Selbstkosten in Höhe von 84 Euro und gegebenen Skonto- und Provisionssätzen soll ein Gewinn auf Selbstkosten in Höhe von 25% „kalkuliert werden. Ebenso wird eine Rabatt-Verhandlungsspanne in Höhe von 5% berücksichtigt. Der Kontrollblick auf die stückbezogenen variablen Kosten zeigt: Vom Nettoerlös bleibt ein positiver Deckungsbeitrag von 56,3% zur Deckung der Fixkosten.

In der deutschen Industrie verliert die Zuschlagskalkulation zunehmend an Bedeutung, weil immer mehr Fixkosten auf immer weniger variable Kosten umgelegt werden müssen (vgl. Backhaus, (Fixkostenfalle), in: MM, 3/1998, S. 137).

394 

 5 Konditionenpolitik

Tabelle 5.3: Progressive Preisbestimmung durch Zuschlagskalkulation. PROGRESSIVE PREISBESTIMMUNG DURCH ZUSCHLAGSKALKULATION Einzelmaterialkosten  + Materialgemeinkosten  = Materialkosten  + Lohneinzelkosten  + Lohngemeinkosten  = Herstellungskosten  + Verwaltungsgemeinkosten  + Vertriebsgemeinkosten  + Sondereinzelkosten Vertrieb  = Selbstkosten  + Provisionsaufschlag  + sonst. Erlösschmälerungen  + Gewinnaufschlag  = Nettoverkaufspreis  + Rabattaufschlag  = Bruttoverkaufspreis o. MwSt.

ELEMENTE EINER GEZ-PREISKALKULATION Selbstkosten 60%

Brutto-Verkaufspreis : 147 EUR = 105 % Gewinnspanne

Provision

Skonto

Rabattaufschlag

25%

3% 56 EUR = 40%

12%

5% 7 EUR

Beispiel: 84 EUR = 60%

35 EUR 16,80 EUR Netto-Verkaufspreis: 140 EUR Nettoerlös: 119 EUR = 85%

4,20 EUR

Nettoerlös: 119 EUR = 100% 67 EUR = 56,3% 52 EUR = 43,7% Netto-Deckungsbeitrag variable Kosten

Abbildung 5.15: Elemente einer Gewinn-/Zuschlagskalkulation.

Die endgültige Preisentscheidung fällt nach Beantwortung von zwei Fragen: – Entspricht der Bruttoverkaufspreis (Listenpreis) von 147 Euro dem am Markt herrschenden Preisniveau (Liegt der Preis innerhalb der Wettbewerbspreislage)? – Steht der Listenpreis im Einklang mit aktueller Produkt- und Preispolitik der Unternehmung, d. h. mit den Preisen anderer firmeneigener Produkte und deren Preis-/Leistungsverhältnisse?

5.6 Angebotspreissetzung/Statische Preispolitik 

 395

Die Gewinnzuschlagskalkulation ist mit den bekannten Nachteilen der Vollkostenkalkulation474 behaftet und vernachlässigt den Wirkungsverbund der Preiselastizität der Nachfrage. Eine Vollkostenrechnung kann dazu führen, dass innovative, neue Produkte in großem Umfang Gemeinkosten sterbender Produkte mittragen müssen und damit wegen vermeintlicher Unwirtschaftlichkeit nicht zur Markteinführung kommen. Wenn eine Zuschlagskalkulation nur mit Teilkosten erfolgt, bleibt der wichtige Aspekt der Nachfrageelastizität außer Acht. Ist ein Bruttoverkaufspreis als Einstandspreis für den Handel nicht wettbewerbsfähig, so wird versucht, an der Rabattstaffel, der Provision oder am Gewinnaufschlag zu arbeiten, um einen Auftrag zu sichern oder ein Produkt in den Märkten zu halten. In polypolistischen Märkten müssen Anbieter eine Marktpreislage (Preisrahmen) und oft sogar einen fixen Marktpreis als feste Vorgabe akzeptieren. Im Wege der retrograden Preisermittlung bzw. der retrograden Kalkulation versuchen sie, die Kosten von den Marktpreisen her zu bestimmen und zu gestalten. Vom Marktpreis ziehen sie ihre Kosten ab und beurteilen die verbleibende Restgröße, den Gewinn oder den Verlust, auf betriebswirtschaftliche Vertretbarkeit.475 Es ist ein Zeichen modernen Unternehmensführung, Marktpreis und Gewinnrate als feste Größen zu betrachten. Die Anstrengungen der  Unternehmen laufen dann darauf hinaus, Kosten als veränderliche Größe zu optimieren.476 Folgende Frage muss beantwortet werden: Wie hoch dürfen die Kosten (Kostenbestandteile) sein, damit später aus Zielpreis und Ziel-Absatzmenge ein bestimmter Zielgewinn erwartet werden kann? Dieser moderne Preis- und Kostenfindungsansatz wird auch als Target Costing bezeichnet. So haben sich über die Jahrzehnte unterschiedliche Preiskalkulations-Philosophien entwickelt. Abbildung 5.16 stellt verschiedene Ansichten dazu dar.

474 Ein Kritikpunkt bezieht sich auf die Verrechnung der Gemeinkosten, die auf der Grundlage von Bezugsgrößen nicht immer dem Prinzip der Kostenverursachung gerecht werden. Werden Produkte aufgrund konjunkturspezifischer Faktoren zeitweise weniger abgesetzt, müssten die Preise erhöht werden, um die zu verteilenden Fixkosten abzudecken. Vgl. die anschauliche Diskussion bei Scharf et al., (Marketing), 2022, S. 463. 475 Da der Angebotspreis durch die Marktverhältnisse vorgegeben ist. Wenn der Preis „Datum“ ist, bleiben nur noch Kosten und Mengen als Stellschrauben der Angebotspolitik. Vgl. zum Begriff der retrograden Preisermittlung Weis, (Marketing), 2009, S. 348. Bei der Zielkostenrechnung werden im übrigen Market into Company, Out of Company und Out of Competitor unterschieden. 476 Zum Target-Costing vgl. Kenter, (Target Costing), 1996, S. 121–138.

396 

 5 Konditionenpolitik

PREIS-, KOSTEN- UND GEWINNPHILOSOPHIEN

① 70er Jahre: K + G = P ② 80er Jahre: P – K = G ③ 90er Jahre: P – G = K

2020: G – K(U) = G*

Kosten und Gewinn bestimmen Preis erzielbarer Preis und Kosten bestimmen Gewinn Preis- und Gewinnziel bestimmen Kosten Umweltkosten (CO2) beeinflussen Gewinn

Abbildung 5.16: Preis-, Kosten- und Gewinnphilosophien.

Betriebswirtschaftlich korrekte Preisentscheidungen können durch eine Trennung von fixen und variablen Kosten getroffen werden. Die Break­Even­Analyse bietet einen betriebswirtschaftlich interessanten Ansatz, um das Zusammenspiel zwischen Preis, Absatzmenge sowie variablen und fixen Kosten aufzuzeigen (s. Teilgrafik ③ Abbildung 5.12 sowie Abbildung 5.17). Ein Beispiel verdeutlicht die Koordination von Kostenrechnung und Preispolitik. Eine Abfülllinie für Holzleim ist mit 70.000 Litern monatlich ausgelastet, die variablen Kosten pro Liter liegen bei 1,45 € und die monatlichen Fixkosten bei 125.000 €. Die Konkurrenz bietet den Heimwerkerketten die 1,5 Lt.-Dose zu 4,60 € an. Es ergibt sich nach Formel 2 der Abbildung 5.17 für einen Liter ein kostendeckender Angebotspreis von 3,24 €, d. h. für die 1,5 Lt.-Dose 4,85 €. Liegen nun die Einkaufspreise für den Handel bei entsprechender Qualität darüber, z. B. zwischen 5,20 € und 5,60 €, dann ist ein positiver Deckungsbeitrag zu erwarten, und das Produkt ist wettbewerbsfähig. Der Angebotspreis für den Handel wird nun z. B. auf 5,35 € pro 1,5 Lt.-Gebinde (3,57 €/Lt.) festgelegt. Setzt man diesen Angebotspreis in Formel 1 ein, dann errechnet sich für die Unternehmung eine Gewinnschwellen-Menge von 125.000: (3,57 – 1,45) = 58.963 Lt. Ab dieser Absatzmenge wären alle Fixkosten abgedeckt und die Unternehmung arbeitet in der finanzwirtschaftlichen Gewinnzone (Out-of-Pocket-Schwelle). So bietet die deckungsbeitragsorientierte Break-Even-Analyse einen Vorteil gegenüber der Zuschlagskalkulation auf Basis der Vollkosten: Unausgelastete Kapazitäten (Leerkosten) üben keinen preistreibenden Kostendruck aus.477 Anhand der Break-Even-Analyse lassen sich auch einige spezielle Preisprobleme gut verdeutlichen.

477 Wie Meffert aufzeigt, führt die Kosten-plus-Preisbildung somit zu einem prozyklischen Verhalten der Anbieter. Die Folge: in der Rezession liegen die Preisforderungen der Anbieter zu hoch, im Boom zu niedrig: vgl. Meffert, (Marketing), 2019, S. 433 ff.

 397

5.6 Angebotspreissetzung/Statische Preispolitik 

BREAK-EVEN-ANALYSE 1.) Gewinnschwellen-Bestimmung G = U(x) - K(x) G = px - (kv x + Kfix) G = (p - kv) x - Kfix (db = p - kv) 0 = db x - Kfix x = Kfix : db (Break-even-Absatz)

2.) Preisuntergrenzen-Bestimmung

x = vorgegeben (Auftragsmenge) G = px - kv x - Kfix G=0 p = kv + (Kfix : x) (krzfr. Preisuntergrenze) Liegt der übliche Marktpreis über p? Nur dann ist ein positiver DB zu erwarten. Andernfalls ist die Produktion einzustellen.

13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1

Gewinnzone Verlustzone

Kapazitätsgrenze-2

BREAK-EVEN-ANALYSE Kapazitätsgrenze-1

p

U1 = p x K = KFix+ kvx

K Fix

U2 1

2

3

4

5

6 7 8 Break-EvenMenge

9 10 11

12

13 14

17

x

Abbildung 5.17: Break Even-Analyse in der Umsetzung.

Preisproblem: Die Kapazitätsgrenze liegt unterhalb des Break-Even-Levels Im Fall eines konstanten Preises, einer linearen Kostenfunktion und eines positiven Deckungsbeitrages realisiert die Unternehmung das Gewinnmaximum stets an der Kapazitätsgrenze. Liegt die Kapazitätsgrenze aber unterhalb der Break-Even-Menge, dann führt die Produktion an der Kapazitätsgrenze zu einem Verlustminimum. Das Controlling wird jetzt die Möglichkeiten und Grenzen einer (1) Senkung der variablen Kosten, (2) einer Preiserhöhung oder (3) einer Senkung der

398 

 5 Konditionenpolitik

Fixkosten für diesen Fall durchzuspielen, um die Break-Even-Menge unter die Kapazitätsgrenze zu bringen. Abbildung 5.17 enthält die wichtigsten Konstellationen: – Der Break-Even-Punkt, für den gilt G = U – K = 0, liegt bei x = 7. – Bei der Kapazitätsgrenze-1 wird bei x = 4 ein Verlustminimum realisiert. – Bei der Kapazitätsgrenze-2 liegt das Gewinnmaximum bei x = 10. – Beim Preis von U2 liegt ein negativer DB vor. Die Produktion ist einzustellen. – Die Break-Even-Betrachtungen gelten unter den Annahmen einer unelastischen Preiselastizität der Nachfrage und konstanter variabler Kosten. Gewinnsteigerung bei 2% Preissteigerung: VW +111% Mercedes +87% Metro + 82% TUI +61% ZF +53% MAN +46% Siemens +36% (nach Simon- Kucher & Partne; zit. in salesBusiness, 7/2007, S. 25)

Preisproblem: Der Kunde fordert Zusatzrabatt Im Folgenden wollen wir zwei typische Kampfpreissituationen betrachten. Gegeben seien folgende Werte eines Angebotes: x = 200 Stück, p = 5 €, kv = 2 € und Kfix = 200 €. Als Deckungsbeitrag errechnen sich 600 €, so dass ein Gewinn auf Vollkosten von 400 € verbleibt. Wie kann der Anbieter reagieren, wenn der Kunde einen Zusatzrabatt, d. h. einen Abschlag vom Angebotspreis von m € oder von n % fordert? Der neue, erreichbare Preis ist dann pn. Der Vertrieb sollte nun versuchen, bei dem Kampfpreis eine höhere Verkaufsmenge auszuverhandeln. Verhandlungsziel ist es, auf den ursprünglichen Deckungsbeitrag zu kommen. Nehmen wir an, der Kunde fordert einen 20%igen Zusatzrabatt, so dass nur noch 4 € Umsatzerlös pro Stück realisiert werden können. Abbildung 5.18 zeigt die Lösungsformel: 200 mal 3: 2 = 300 Stück. Wieder errechnet sich ein DB von 600 € und bei unveränderten Fixkosten ein unveränderter Vollkostengewinn von 400 €. Preisproblem: Der Kunde will weniger abnehmen als vereinbart Wie kann der Anbieter reagieren, wenn der Kunde nicht bereit ist, die dem Angebotspreis zugrunde liegende Verkaufsmenge abzunehmen? Wieder gilt für den Anbieter das Verhandlungsziel, den ursprünglich geplanten Gesamt-Deckungsbeitrag zu retten. Abbildung 5.18 Kampfpreissituation zeigt unter 2.) die Lösung. Man stelle sich vor, der Kunde möchte nach dem obigen Beispiel nur 150 Stück der Ware abnehmen. Ohne Gegenforderung des Vertriebs würde der Deckungsbeitrag dann von 600 auf 450 (–25%), der Gewinn sogar um 150 € (–37,5%) abnehmen. Nach der Formel wäre eine Preiserhöhung auf (200:150) x 3 + 2 = 6 € erforderlich, um den ursprünglichen Deckungsbeitrag in Höhe von 600 zu sichern.

5.6 Angebotspreissetzung/Statische Preispolitik 

 399

KAMPFPREISSITUATIONEN 1.) Kunde fordert Rabatt G1 = (p - kv) x - Kfix G2 = (pn - kv) xn - Kfix G1 = G2 bzw. DB1 = DB2 (p - kv) x = (pn - kv) xn x (p - kv) : (pn - kv) = xn (neue Menge) 2.) Kunde reduziert Angebotsmenge G1 = (p - kv) x - Kfix G2 = (pn - kv) xn - Kfix G1 = G2 bzw. DB1 = DB2 (p - kv) x + kv xn = pn xn (x : xn) (p - kv) + kv = pn (neuer Preis)

Abbildung 5.18: Kampfpreissituation.

Preisproblem: Kleine Preiszugeständnisse – große Gewinneinbußen! Diese Ausführungen verdeutlichen die dramatische Hebelwirkung des Deckungsbeitrages auf den Gewinn. Wenn der Anbieter dem Kunden im obigen Beispiel beim Verkaufspreis nur um 20 % entgegenkommt (p sinkt von 5 auf 4 €), dann geht der Gewinn gleich um 50 % zurück (von 400 auf 200 €). Der Grund liegt in der Konstanz der Fixkosten. Deckungsbeitragseinbußen schlagen in vollem Umfang auf den Vollkostengewinn durch. Die Beispiele beweisen, wie wichtig es für eine Preisverhandlung ist, gewinnrelevante Angebotspunkte genau festzulegen und unter Preisdruck separat über Preis, Menge, Zahlungskonditionen etc. zu verhandeln. Stets sollte die Deckungsbeitragssicherung das vorrangige Verhandlungsziel eines Anbieters sein. Abbildung 5.19 zeigt in einigen Vergleichsrechnungen, wie stark Auf- oder Abschläge von den Parametern der betriebswirtschaftlichen Gewinngleichung G = (p – kv) x – Kfix auf den Gewinn durchschlagen. Höchste Gewinn-Volatilitäten ergeben sich bei Parametern, die unmittelbar den Deckungsbeitrag beeinflussen. Das Beispiel stellt heraus, dass bei Preisverhandlungen die betriebliche Kostenseite im Blick bleiben muss und nicht nur der Wunsch des Kunden zählt. Bei Preisverhandlungen sollten Verkäufer betriebswirtschaftlich denken und Kostenstrukturen kennen!

400 

 5 Konditionenpolitik

DIE SENSITIVITÄT DER GEWINNGLEICHUNG (

p



kv

)

x



Kfix

=

G

( 20



14

)

800



2300

=

2500

100%

p: –10%

( 18



14

)

800



2300

=

900

–64%

kv: +10%

( 20

– 15.4

)

800



2300

=

1380

–45%

Situation

x: –10%

( 20



14

)

720



2300

=

2020

–19%

Kfix: +10%

( 20



14

)

800



2530

=

2270

–9%

Abbildung 5.19: Sensitivität der Gewinngleichung.

Preisproblem: Wie lässt sich der Preis von anderen Gewinneinflußgrößen isolieren? Abbildung 5.20 beschreibt den Fall eines dramatischen Gewinneinbruchs um 37,8%. Die Gewinflussrechnung ergibt: Die Preise (+2%) und Mengen (+10%) sind zwar gestiegen. Doch eine Kostenstrukturverschlechterung im Fixkostenbereich steht dem entgegen. Eine Effizienzverschlechterung mit der Folge stark erhöhte variabler Stückkosten erweist sich als Hauptbelastungsfaktor. Die gestiegenen variablen Kosten verschlechtern das Ergebnis um 500.000 Euro.

5.6.7 Wettbewerbsorientierte Preisbestimmung „Wer als Marketing-Manager versucht, den optimalen Preis für sein Produkt zu bestimmen, hat meist keine andere Wahl, als sich in das existierende Preisgefüge des Wettbewerbs einzupassen. Denn valide Daten über die Preisbereitschaft der Kunden liegt in den seltensten Fällen vor.“478 Die Preispolitik darf Wettbewerber und deren Preisverhalten nicht außer Acht lassen. Über den Hebel der Markenpolitik formen bzw. stabilisieren die Konkurrenten die Preislagen. Oft kristallisieren sich im Zeitablauf unabgestimmte (oder verbotenerweise abgestimmte) Preisstrategien der Hauptanbieter in einem Markt heraus. Typische strategische Verhaltensweisen sind z. B. (1) Preisführerschaft: im Gegensatz zur Porter-Matrix mit Höchstpreisen im Markt, (2) Preis­Dumping: ein Wettbewerber setzt grundsätzlich die niedrigsten Preise, (3) koalierendes Verhalten: die Konkurrenzpreise nähern sich an; und

478 Bilstein, Bieker, (Nachfragekurve), in: ASW, 11/2000, S. 62.

 401

5.6 Angebotspreissetzung/Statische Preispolitik 

GEWINN-FLUSSRECHNUNG IM VERTRIEB 2023

p kv (pro Stück) DB pro Stück Absatzmenge Umsatz Kv Gesamt DB Gesamt Fixkosten Gewinn

5,00 € 3,00 € 2,00 € 1.000.000,00 5.000.000,00 € 3.000.000,00 € 2.000.000,00 € 1.100.000,00 € 900.000,00 €

Preiseffekt Mengeneffekt (DB) Effizienzeffekt (kv) Kostenstruktureffekt Gewinneffekt

100.000,00 € 160.000,00 € –500.000,00 € –100.000,00 € –340.000,00 €

2024

2023/2024 Änd. in % 2,0% 5,10 € 0,10 € 3,50 € 0,50 € 16,7% 1,60 € –0,40 € –20,0% 1.100.000,00 100.000,00 10,0% 5.610.000,00 € 610.000,00 € 12,2% 3.850.000,00 € 850.000,00 € 28,3% 1.760.000,00 € –240.000,00 € –12,0% 1.200.000,00 € 100.000,00 € 9,1% 560.000,00 € –340.000,00 € –37,8% (Menge alt x Preisänderung) (Mengenänderung x DBneu) (Menge alt x Veränderung kv) (Änderung Fixkosten)

Gewinn-Flussrechnung 160.000,00 €

200.000,00 € 100.000,00 € 100.000,00 € 0,00 € –100.000,00 € –200.000,00 € –300.000,00 € –400.000,00 € –500.000,00 € –600.000,00 €

–100.000,00 € –340.000,00 €

kt

kt

nn wi Ge

ur kt ru

Ko

st

en

st

ef

ef

fe

fe

v) (k kt fe ef nz ie

fiz Ef

M

en

ge

Pr

ne

ei

ffe

se

kt

ffe

(D

ck

B)

t

–500.000,00 €

Abbildung 5.20: Gewinnflussrechnung.

(4) barometrische (wechselnde) Preisführerschaften. Diese sind ein Ausweg, um kartellrechtlichen Anschuldigungen hinsichtlich Preisabsprachen auszuweichen. Diese Preispolitik wird z. B. bei Mineralölkonzernen deutlich. Im Bausektor oder bei öffentlichen Ausschreibungen sind Preisverhandlungen reglementiert. Gemäß VOB holen die Einkäufer i. d. R. drei Ver-

402 

 5 Konditionenpolitik

gleichsangebote ein. Vor der Öffnung der Angebote dürfen diese nicht eingesehen werden. I. d. R. geht der Zuschlag an den billigsten Anbieter. In Geschäftsmärkten sind ansonsten taktische Kampfpreissituationen mit fallweisen Vertragsabschlüssen typisch. Hat ein Einkäufer oder Techniker für einen Anbieter eine Präferenz (Protektion), dann deutet er nicht selten an, wo die Offerte preislich liegen müsste, um den Auftrag vergeben zu können. Derartige Situationen zwingen Anbieter immer wieder zur Überprüfung seiner Kalkulationen. Sind Kapazitäten nicht voll ausgelastet, dann wird ein Anbieter eventuell ein Deckungsbeitragsangebot unterbreiten. Kurzfristig bilden hierbei variable Kosten die Untergrenze für den Angebotspreis. Die kurzfristige Angebotspreisuntergrenze liegt in der Praxis erfahrungsgemäß bei „variable Kosten plus 10 bis 15% Deckungsbeitrag“, um die mit der Angebotsbearbeitung verbundenen direkten Kosten abzudecken. Langfristig muss allerdings auch unter härtesten Wettbewerbsbedingungen ein vollkostendeckender Preis479 erreicht werden (langfris­ tige Preisuntergrenze). B2B-Mengengeschäfte werden vom Nachfrager oft auf einige (wenige) Lieferanten aufgeteilt. Das senkt das Einkaufsrisiko und stärkt die Verhandlungsmacht. Zumindest gibt es Erst- und Zweitlieferanten. Der Anbieter sollte Erfahrungen entwickeln, um wie viel sich sein zu erwartender Lieferanteil erhöht oder vermindert, wenn er um x Prozent über oder unter dem Konkurrenzangebot einer Ausgangssituation liegt. Auf Position ① in der Grafik: der Abbildung 5.21 kann ein Anbieter mit knapp über 60% des Einkaufsbudgets eines OEM für bestimmte Zulieferanteile rechnen. Position ②: Angesichts der harten Wettbewerbssituation muss er befürchten, beim Zuschlag nicht mehr berücksichtigt zu werden, sollte der Angebotspreis um 10% über der Konkurrenz liegen. Bei Preissenkungen sind zunächst nur mäßige Lieferanteilserhöhungen zu erwarten. Position ③: Bei Preissenkungen um 10% wird ein maximaler Lieferanteil von ca. 90% erreicht. Die Preiszuschlagsfunktion gilt unter der Annahme, dass der Konkurrent bei seinem Angebotspreis bleibt, was in der Praxis wohl kaum zu erwarten ist.480 Auch bei Konsumgütern sind Fälle bekannt, in denen Angebotspreise aggressiv gegen Konkurrenten gerichtet wurden. Der Preis der Fernsehzeitschrift TV Today wurde im Februar 1996 mit dem Ziel eines Angriffs gegen die Konkurrenz um mehr als die Hälfte gesenkt. Die Auto479 Bzw. eine vollkostendeckende Produktions- und Absatzmenge (Break-Even Menge). 480 Vgl. das Beispiel von Paul (Simon, Kucher & Partners) in Anlehnung an Edelmann (1965), zit. in ASW, 5/2002, S. 41. Dort wird allerdings von einem s-förmigen Verlauf ausgegangen.

5.6 Angebotspreissetzung/Statische Preispolitik 

 403

zu erwartender Lieferanteil

MODELL EINER PREISZUSCHLAGSFUNKTION 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%

3 1

2

–10% –8% –6% –4% –2% 0 2% 4% 6% Preissetzung unter / über Konkurrenzpreis

8%

10%

Abbildung 5.21: Modell einer Preiszuschlagsfunktion.

marke Dacia ist durch die vergleichswiese günstigsten Preise für Neufahrzeuge ab dem Jahr 2006 in den west-europäischen Markt eingeführt wurden. Doch wenn nur über den Preis verkauft wird, dann entsteht die Gefahr einer abwärts gerichteten Preisspirale. Bei ihr gibt es letztlich nur einen Sieger: den Kunden. Vor jeder Angebotsabgabe für einen Auftrag sollte ein Quervergleich mit erfahrbaren Wettbewerbsofferten durchgeführt werden.

5.6.8 Preispolitik im intensiven Preiswettbewerb Intensiver Preiswettbewerb besteht, wenn: – Preise als Folge von Aktionen und Reaktionen der Konkurrenten unablässig fallen, – die Preissenkungen dabei in so rascher Abfolge auftreten, dass die Mengeneffekte der Preissenkungen nicht nachvollzogen werden können, – die Vollkosten einer ganzen Branche über einen längeren Zeitraum nicht mehr gedeckt werden können und – der Preisdruck sich nicht auf einzelne, preissensitive Kundensegmente bezieht, sondern den gesamten relevanten Markt betrifft.481 Es wird von einem Pricing-IQ ganzer Branchen gesprochen.482 Intelligente Branchen schöpfen alle Möglichkeiten aus, um einen exzessiven

481 Vgl. Laker, Zinöcker, (Preisschlacht), in: ASW, 12/2006, S. 44–47. 482 Vgl. Laker, Zinöcker, (Preisschlacht), in: ASW, 12/2006, S. 45.

404 

 5 Konditionenpolitik

Preiskrieg zu vermeiden. Denn Preiskriege schwächen Markenwahrnehmungen der Käufer und schwächen Markenwerte. So verringerte sich der Durchschnittspreis von Haushaltsgeräten zwischen 1995 und 2002 um 10 Prozent und die Preise für Winterreifen um 25 Prozent. Die Vereinigung der Luftfahrtbranche IATA weist auf erhebliche Branchenverluste in den Jahren 2001 (8,2 Mrd. Euro) und 2005 hin (6 Mrd. Euro). Folgende Maßnahmen können die Gefahr eines Preiskrieges eindämmen: – umfassende Marktforschung hinsichtlich der Rolle des Preises bei der Kundenentscheidung, der eigenen Kompetenzen, der eigenen Kostenposition, der Preissensibilität der Kunden, der Reaktionen der Wettbewerber und der Dynamik der Branche, – intelligente Produktdifferenzierung, – innovative Preismodelle und Preisstrukturen, – Price-Signalling als konzertierte Aktion der Hauptwettbewerber; d. h. klare Signale über eine marktgerechte Preispolitik. In eine Falle laufen Unternehmen regelmäßig: Sie überschätzen die durch Preissenkungen zu erzielenden Mengensteigerungen. Experten würden sagen: Sie übersehen das Phänomen der Preiselastizitäten.

5.6.9 Horizontale Preisdifferenzierung

Beispiel: für Value-based-Pricing: DHL, Standardversand Paket bis 5kg = 5,99 bei Online Frankierung, 7,49 bei Filialfrankierung, Expressversand bis zum nächsten Tag 15,- bei Online-Frankierung, 16,50 bei Filialfrankierung (Stand 2022).

Bei allen bisherigen Überlegungen ist das Dilemma der Einzelpreissetzung zu beachten: Ein Vertriebsleiter kann mit seiner Preissetzung nie zufrieden sein. Zu jedem beliebigen Einzelpreis gibt es Käufer, die auch zu höheren Preisen kaufen würden. Und es gibt Käuferschichten, die zu niedrigeren Preisen mehr kaufen würden. Jede Einzelpreissetzung bringt also auch einen Umsatzverzicht mit sich. An dieser Idee, durch mehrere Preissetzungen die Umsatzfläche unter der PAF besser auszuschöpfen, setzt die horizontale Preisdifferenzierung an. Bei horizontaler Preisdifferenzierung wird ein Produkt auf einem Markt verschiedenen, voneinander abgrenzbaren Zielgruppen (Marktsegmenten) zu unterschiedlichen Preisen angeboten. Übliche Differenzierungen erfolgen nach: gewerblichen/privaten Kunden, Berufsgruppen (z. B. Studentenpreise), Altersgruppen (z. B. Seniorenpreise) Abnahmemengen (z. B. Vielfliegerrabatt), Mitglieder von Kundenclubs /Kundenkarten etc. Preisdifferenzierung beruht auf der Idee des Value-based-Pricing: Welcher Nutzen eines Angebotes bewirkt beim Kunden welche Preisbereitschaft? Diese ist durch ein Ansetzen differenzierter Preise abzuschöpfen.

5.6 Angebotspreissetzung/Statische Preispolitik 

 405

Eine Preisdifferenzierung bedingt folglich eine Nutzen-/preisbezogene Marktsegmentierung, mit dem Ziel, „das vorhandene Marktpotenzial dadurch möglichst optimal auszuschöpfen, dass man die unterschiedlichen Preisbereitschaften von Konsumentengruppen bei der Preisgestaltung berücksichtigt, um dadurch den Unternehmensgewinn zu erhöhen.“483 Eine bestehende PAF (mit gegebener Preiselastizität für den Gesamtmarkt) ist derart in Abschnitte zu zerlegen, dass sich jeweils Kundensegmente mit unterschiedlicher Preisbereitschaft ergeben.484 Anhand Abbildung 5.22 lässt sich zeigen, dass zwei Preis-MengenKombinationen unterhalb der PAF zu größerem Flächeninhalt führen (d. h. zu höherem Umsatz) als lediglich eine einzelne Preissetzung; selbst, wenn diese beim Umsatzmaximum liegt. Beim niedrigen Preis wird von KU-alle das Umsatzmaximum der Quadrate 1 + 2 realisiert. Bei Preisdifferenzierung bringt das gehobene Käufersegment KU1 den Umsatz 1 + 3. Beim niedrigeren Preis kommt KU2 mit Quadrat 2 hinzu. Der Mehrumsatz durch Quadrat 3 kann aber nur realisiert werden, wenn sich die gehobene Käuferschicht vom Niedrigpreis abschotten lässt. Es leuchtet ein, dass jede weitere Preis-Mengen-Kombination die Fläche unterhalb der PAF vollständiger ausschöpft. Im Fachjargon heißt das: horizontale Preisdifferenzierung schöpft die Konsumentenrente ab.485 Umsatzzuwachs bei horizontaler Preisdifferenzierung p

Preis für gehobenes Käufersegment KU1 Preis für KU-alle oder für Niedrigpreissegment KU2

3 1

2

KU1

KU2

KU-alle

x KU = Kundengruppe

Abbildung 5.22: Umsatzzuwachs bei horizontaler Preisdifferenzierung.

483 Scharf et al., (Marketing), 2022, S. 484; Value-Based-Pricing wird stark von Simon Kucher & Partner und von Prof. Schmäh vertreten. 484 Vgl. Nieschlag et al., (Marketing), 2002, S. 844–847. 485 Zur Konsumentenrente: links vom Cournotschen Punkt liegen die Käuferschichten, die das Produkt zu einem günstigeren Preis erhalten als sie maximal zu zahlen bereit wären. Durch Preisdifferenzierung wird dieses Dreieck unterhalb der PAF aufgebrochen: vgl. Nieschlag et al., (Marketing), 2002, S. 844.

406 

 5 Konditionenpolitik

Im Extremfall, in der Praxis kaum zu realisieren, würde jeder Abnehmer das Produkt zu seinem individuellen Höchstpreis erhalten. Das würde bedeuten, dass ein Kunde, falls er selbst mehrere Produkte nachfragt, diese zu unterschiedlichen Preisen beziehen möchte. Denn mit jedem Bezug nimmt sein individueller Grenznutzen ab. Für jede nächste Einheit verlangt er eine Preisermäßigung. Kann er aber dann die n + 1te Einheit zu einem Preis von z. B. 5 € bekommen, dann sieht er nicht ein, warum er für die letzte Einheit z. B. 6 € bezahlen muss. Genau hier liegt die Schwachstelle des Konzeptes. Kein Kunde zahlt freiwillig mehr als er muss. Die horizontale Preisdifferenzierung ist nur durchsetzbar, wenn sich die Käufersegmente durch Barrieren voneinander abschotten lassen. Wir unterscheiden 10 Barrieretypen:486 (1) Produktdifferenzierung: Bei der Barriere Produktqualität wird das Produkt in mehreren Ausführungen angeboten, die gezielt auf Kundensegmente ausgerichtet sind (z. B. Lifestyle-Segmente). Oft sind es nur Veredelungen oder Zusatzleistungen, wegen der Prestigekäufer nicht zum preiswerteren Produkt greifen. Preisdifferenzen sind deutlich größer als die Unterschiede bei den Herstellkosten (Bsp.: Das gleiche Buch im Ledereinband und im Paperback – Preisdifferenzierung im Zeitablauf, eine typische Strategie der Buchverlage). (2) Kanaldifferenzierung: Bestimmte Produktvarianten sind nicht in allen Vertriebskanälen verfügbar. So werden z. B. preiswerte Labels der Mode-Designer-Marken in den Top-Geschäften nicht angeboten. Im Werksverkauf werden (angeblich) nur Markenartikel zweiter Wahl verkauft. (3) Online/offline Differenzierung: Mit Produkt- und Preisdifferenzierung im Internet. Ausgewählte Sondereditionen der Kultmarke Supreme sind exklusiv in den stationären Geschäften erhältlich, andere Designermarken vereinbaren exklusive Drops mit ausgewählten Absatzpartnern und Plattformen. (4) Käufermerkmale: Sonderpreise für Schüler, Exklusivangebote für Club-Mitglieder, Mietwagen-Vorzugsrabatte für ADAC-Mitglieder, Sonderangebote für Senioren, kennzeichnen Preisdifferenzierungen, die an nachvollziehbaren Käufermerkmalen festgemacht sind. Wichtig ist, dass die ausgegrenzten Käufer diese Barrieren auch als fair empfinden. (5) Kaufbedingungen: Eine Barriere liegt in Bedingungen, durch die sich ein Käufer einen Sonderpreis verdienen muss.  Beispiele sind

486 Vgl. zu den ersten 4 Barrieretypen: Dolan, Simon, (Power Pricing), 1997, S. 147 ff.

5.6 Angebotspreissetzung/Statische Preispolitik 

 407

unterschiedliche Reisepreise; je nachdem, ob der Kunde Clubmitglied ist (mit Jahresbeitrag) oder nicht. (6) Zeitliche Barrieren: Saisonbedingte Preisunterschiede bei Urlaubsreisen, Abendkassenpreise, (7) mengenmäßige Preisdifferenzierung: Z. B. Bahncard, Mengenrabatte sowie (8) Differenzierung nach Inanspruchnahme: Telefonieverträge: Minutenabrechnung oder sekundengenaue Preisberechnung, (9) Verwendungszweck: Z. B. Preisdifferenzierung nach Speisesalz, Viehsalz, Industriesalz, (10) Differenzierung nach dem Value­based­Pricing­Konzept: Sauna-, Parkhauspreise nach Auslastung, Coca-Cola Preise nach Außentemperatur.

In Tokio gibt es Cola-Automaten, bei denen der Preis nach der Außentemperatur differiert.

Die marktorientierte Unternehmensführung wird stets abzuwägen haben, – welche Vorteile es bringt, den Gesamtmarkt nicht einheitlich, sondern mit differenzierten Zielgruppenpreisen anzugehen, dadurch aber evtl. auf Kostendegressionsvorteile durch hohe Stückzahlen zu verzichten (Diese Problematik wird dann nicht so gravierend sein, wenn die zielgruppenspezifischen Produkte über gleiche Fertigungslinien laufen. Auf jeden Fall wird deutlich, dass Leistungsprogrammpolitik und Preispolitik zusammen zu betrachten sind), – wie stark die Barrieren zwischen den Käuferschichten ausgeprägt sind bzw. wie hoch der Aufwand wäre, diese Käuferbarrieren aufzubauen.

5.6.10 Vertikale Preisdifferenzierung Bei vertikaler Preisdifferenzierung wird ein Produkt auf unterschiedlichen Märkten zu unterschiedlichen Preisen angeboten. Bei der horizontalen Preisdifferenzierung werden in einem Markt (unter einer PAF) verschiedene Preis-/Mengenkombinationen realisiert. Existieren dagegen mehrere getrennte Teilmärkte mit unterschiedlichen PAF und unterschiedlichen Nachfrageelastizitäten nebeneinander und können auf diesen Teilmärkten die Angebotspreise isoliert voneinander optimiert werden, dann bietet sich vertikale Preisdifferenzierung an. Die Literatur hebt hervor, dass dadurch ein höherer Gewinn erzielt werden kann als bei einheitlicher Gewinnmaximierung einer alle Teilmärkte aggregierenden PAF.487 Dies gilt unter folgenden Voraussetzungen:

487 Vgl. das Berechnungsbeispiel bei Nieschlag et al., (Marketing), 2002, S. 844–846.

Der Golf 8 kostet in Deutschland ab 28.500,-€ Listenpreis, in Spanien startet der Golf 8 mit 23.625,-€, kostet dann aber durch landesspezifische Abgaben den Endkunden min. 30.335,-€ (Stand 2022).

408 

 5 Konditionenpolitik

(1) Auf den Teilmärkten müssen verschiedene PAF existieren. (2) Für Nachfrager müssen Weiterverkäufe auf einem anderen Markt ausgeschlossen sein. (3) Die Konkurrenzsituation muss die Durchsetzung unterschiedlicher Preisforderungen zulassen. (4) Zusatzerträge des Anbieters müssen höher liegen als etwaige zusätzliche Marketing- und Logistikkosten. Es wurde behauptet, dass im Zuge der europäischen und globalen Marktöffnung vertikale Preisdifferenzierungen an Bedeutung verlieren würden. Die Praxis zeigt, dass das nicht der Fall ist. Noch immer gibt es KFZ-Reimporte über die holländische oder die italienische Grenze. Und ab einer bestimmten Entfernung fahren deutsche Autofahrer eben nicht mehr nach Österreich, um zu tanken. Ein plastisches Beispiel für die noch immer anzutreffenden Preisunterschiede liefert der Automobilhandel. Bei 24 Prozent Unterschied im Preisniveau zwischen Deutschland und Griechenland lohnt es sich fast, zum Autokauf nach Athen zu fahren. Diese Aussagen gelten aber nur für Consumer-Märkte. In B2B profitieren die Kunden von den liberalisierten Märkten. Die Metro-Gruppe arbeitet mit EDV-Programmen, durch die die Einkäufer die Konditionen für jeden beliebigen Artikel in Europa vergleichen können.488

5.6.11 Preisbündelung und Entbündelung Preisdifferenzierungen sollen unterschiedliche Preisbereitschaften der Kunden abschöpfen. Dieses Ziel kann durch Preisbündelung erreicht werden. (1) Echte Preisbündel: „Unter Preisbündelung versteht man die Zusammenfassung mehrerer Teilleistungen zu einem Angebotsbündel, das zu einem Gesamtpreis angeboten wird.“489 Bei einem gemischten Bündel hat der Käufer die Wahl zwischen dem Angebotsbündel und dem Kauf der einzelnen Teilleistungen. Bei einem echten Bündel besteht diese Wahlmöglichkeit nicht. (2) Entbündelung: Die psychologische Preispolitik tendiert eher zur Entbündelung. Es gilt die Hypothese: Bei rechnerisch identischen Gesamtpreisen kann durch eine unterschiedliche Verteilung der

488 Vgl. Jensen, (Preis), in: MM, 3/1998, S. 122. 489 Dietz, (Automobilmarketing), 1997, S. 142.

5.6 Angebotspreissetzung/Statische Preispolitik 

 409

Preise auf einzelne Produktelemente die subjektive Preisgünstigkeit aus Kundensicht deutlich variieren. Ein gutes Beispiel sind die Menüpreise von McDonald´s. Echte Preisbündel generieren Mehrumsätze, wenn der Kunde eigentlich auf eine Teilleistung verzichten könnte, jedoch stark an das Kernprodukt gebunden ist. Außerdem werden die Preis-/Leistungsrelationen der Einzelteile verdeckt. Ein gutes Beispiel hierfür sind Hi-Fi-Kompaktanlagen. Ein Package-Preis mutet sehr günstig an. Jedoch ist eine Komponente (oft der CD Player oder die Lautsprecher) von minderer Qualität. Preisbündel werden auch oft für Dienstleistungen quotiert. In einer neuen Heizungsanlage ist z. B. bereits ein Wartungsvertrag enthalten. Auf der anderen Seite nehmen die Anbieter zunehmend Entbündelungen vor. Serviceleistungen werden z. B. aus Sachleistungen herausgelöst und als eigenständige Dienstleistungen vermarktet. Um Entbündelung dem Kunden schmackhaft zu machen, wird der Preis für die Kernleistung (geringfügig) gesenkt. Preisbündel haben eine wachsende Bedeutung für die psychologische Preisoptimierung. Ein effektiver Preis ist keinesfalls mit dem vom Kunden empfundenen Preis identisch. So ergeben sich Spielräume, um durch eine attraktive Kombination von Kern- und Sonderleistungen Mehrumsatz zu generieren und zudem Wettbewerbsvorteile zu erringen.

5.6.12 Pauschalpreise und Flatrates „AOL hatte keine Wahl. Alle Anbieter rechnen heute nach Pauschalpreisen ab, so dass AOL nicht bei seiner nutzungsabhängigen Preispolitik bleiben konnte. Der entscheidende Fehler war die viel zu späte Umstellung.“ (Der „Preisexperte“ Eric G. Mitchell in einer Stellungnahme zum Preissystem von AOL)490 Im Dezember 1996 reagierte AOL auf den Markteinstieg von Billiganbietern wie AT & T und stellte seine nutzungsabhängige Preispolitik auf Pauschalpreise um. Trotzdem konnte die Umstellung nicht den negativen Trend des einstigen Marktführers bei Internetzugängen aufhalten. Pauschalpreise bieten für Unternehmen folgende Vorteile: (1) Der Kunde wird zur Nutzung und damit zur Kundenbindung animiert. Er geht kein Risiko ein, was der Mentalität vieler Verbraucher entgegenkommt. 490 Zit. in: o. V., (Pauschalpreise), in: PM-Beratungsbrief v. 14.4.1998, S. 4–5.

410 

 5 Konditionenpolitik

(2) Pauschalkunden bringen konstante Einnahmen (Vorteil für Liquiditätspolitik). (3) Wenn Zusatzkosten für neue Kunden gering sind, kann mit Pauschalpreisen problemlos kalkuliert werden. (4) Kostenersparnis: Rund 50 Prozent der Kosten eines Telefongesprächs entfallen auf die Abrechnung. Pauschalpreise bieten durch das einfache Konzept Einsparmöglichkeiten. (5) Pauschalpreise bringen dem Kunden Servicevorteile. Wird z. B. in einem Restaurant kostenlos Kaffee nachgeschenkt, dann kostet die zusätzliche Tasse nicht viel. Die Kundenbindungswirkung ist dagegen beachtlich. Pauschalpreise sind bei „natürlichen Sättigungsgrenzen“ ungefährlich. Bei Pauschalpreis-Buffets können nur Wenige unbegrenzt essen. In Freizeitparks sorgen Warteschlangen dafür, dass Kunden die Top-Attraktionen nicht unbegrenzt nutzen. Wer aber nicht aufpasst, den ereilt das Schicksal von T-Online: Dauersurfer blockierten die Leitungen und sorgten nicht für die erwarteten, zusätzlichen Werbeeinnahmen und E-Commerce-Umsätze.

5.6.13 Werteorientierte Preispolitik (Value-based-Pricing) Value-based-Pricing ist Teil der werteorientierten Unternehmensführung bzw. des Customer Value and Equity Managements.

Bei jedem Kauf spielen Beziehungen und Gefühle eine Rolle. Doch hat die psychologische Kaufbeeinflussung oft Grenzen. Der Firmenkundschaft geht es weniger um ein attraktives Design, um Prestige oder um persönliches Kauf-Wohlbefinden. Technische Notwendigkeiten stehen im Vordergrund. Die entscheidende Frage lautet: Was bringt ein Angebot für meine Firma? Der Druck auf Unternehmer und Führungskräfte, im Zuge der Shareholder Value Maximierung permanent Mehrwerte für ihre Unternehmen zu generieren, lässt sie vor allem die Werthaltigkeit von Angeboten hinterfragen. Hier setzt Value-based-Pricing an; auch Cash Value Pricing genannt.491 Beim Value-based-Pricing verhandeln Lieferant und Kunde gemeinsame Wertschöpfungspotenziale aus und nicht vorrangig technische Produkteigenschaften. Diese Preispolitik erfordert die Anwendung der Erkenntnisse des Wertemanagements auf die Preisgestaltung. Die Vorteilseffekte für die Kunden: Kosteneinsparungen, schnellere Finanzrückflüsse, später

491 Vgl.  hierzu das Beispiel von Schrank, Litschke, (Preispoker), in: ASW, 9/2002, S. 46–51.

5.7 Dynamische Preispolitik 

 411

anfallende Kosten, Wettbewerbsvorsprünge sowie Kosten- und Zeitersparnisse bei Re-Investitionen sind aus Kundensicht zu bewerten und in die Preisverhandlung einzubringen. Ein spezielles Beispiel: Der Windkraftanlagen-Hersteller Enercon differenziert die Wartungspreise in Abhängigkeit vom Kundenertrag. So steigern wertvollere Angebote die Kundenwerte. Diese wiederum erlauben bessere Preisstellungen.

5.7 Dynamische Preispolitik 5.7.1 Initialpreissetzungen und Preisdynamik Die Angebotspreise unterliegen im Zeitablauf vielfältigen strategischen und situationsbezogenen Änderungseinflüssen. Mit diesen Aspekten beschäftigt sich die dynamische Preistheorie. Eine besondere Rolle spielen hierbei preispolitische Maßnahmen, die ein Produkt über den Lebenszyklus begleiten. Bereits bei der Markteinführung stellt sich die Frage, ob die Unternehmung einen zeitlichen Vorsprung zum Abschöpfen schneller Gewinne und damit zur schnellen Amortisation einer Investition nutzen sollte oder ob sie eher darauf bedacht sein sollte, durch möglichst moderate Preissetzungen Konkurrenten wenig Anreiz zum Markteintritt zu bieten. Simon stellt als Extreme die Penetration­Preisstrategie der Skimming­Preisstrategie gegenüber (Abbildung 5.23).492 Die Penetration-Strategie mit dem Merkmal niedriger Einstiegspreise hat sich in Massenmärkten bewährt. Es kommt darauf an, Produkte ohne besondere Wettbewerbsvorteile (ohne USP) schnell in die Flächendistribution zu bringen, um langfristige Erfahrungskurven- und Kostendegressionseffekte zu nutzen. Wie im 2. Kapitel aufgezeigt, drängen die Portfoliostrategien die Unternehmen zur schnellen Marktdurchdringung und damit tendenziell zur Penetrations-Preisstrategie. Mitanbieter werden gezwungen, ebenfalls schnell zu wachsen. Denn Marktanteilsverluste führen zu Kostennachteilen gegenüber schneller wachsenden Konkurrenten. Kunden erwarten, dass Anbieter Kosteneinsparungen weitergeben. Eine Skimming-Preisstrategie bietet sich an, wenn (1) das Marktsegment der innovativen Kunden (Innovators) ausreichend groß ist, (2) das neue Produkte schnell veraltet; oder eine (3) USP besteht bzw. die Substitutionsgefahr durch Konkurrenzprodukte gering ist, 492 Vgl. Simon, Fassnacht, (Preismanagement), 2016, S. 304.

412 

 5 Konditionenpolitik

PREISSTRATEGIEN BEI DER EINFÜHRUNG NEUER PRODUKTE Wirkungen der Skimming-Preisstrategie – – – – – – – – – –

kurzfristig sind höhere Gewinne realisierbar schnellere Amortisation von F&E-Investitionen Gewinnabschöpfung im frühen Prod.-Lebenszyklus Preisspielraum nach unten gegeben bzw. Kalkulationsreserven vorhanden horizontale Preisdifferenzierung gut möglich weniger Druck zu Preiserhöhungen evtl. positives Image als Qualitätsführer evtl. aber negatives Preisführer-Image weniger Kapazität ist vorzuhalten

Wirkungen der Penetration-Preisstrategie – – – – – – – – – –

Die Skimming-Preisstrategie ist vorteilhaft, wenn – – – – – – – – –

die Zielgruppe relativ preisunempfindlich ist Preissenkungen neue Zielgruppen erschließen zukünftig keine Preiserhöhungen möglich sind Markt-, Absatzentwicklung unsicher ist kurzfristig hohe Gewinne angestrebt werden Kapazitäten begrenzt sind ein innovatives Produkt eingeführt wird ein deutlicher Wettbewerbsvorsprung besteht der Produktlebenszyklus kurz ist

hoher Gesamt-DB nur über Stückzahlen möglich schnelles Ausnutzen von EconomiesofScale dadurch schneller Aufbau einer Marktführerposition Kosten-, Synergie-, Erfahrungsvorsprünge Reduzierung eines preislichen Fehlschlagrisikos Abschreckung möglicher Konkurrenten geringere Forcierung von Substitutionsprodukten evtl. Aufbau eines positiven Marktführerimages spätere Preiserhöhungen evtl. erleichtert höhere und flexiblere Kapazitätsauslastung Die Penetration-Preisstrategie ist vorteilhaft, wenn

– – – – – – – – –

langfristige Gewinnmaximierung angestrebt wird bedeutende Economies of Scale bestehen ausreichend Kapazität vorhanden ist das Produkt wenig innovativ ist Preis-/Qualitätszusammenhang schwach ist die Markteintrittsbarrieren niedrig sind Substitutionsprodukte drohen spätere Preiserhöhungen durchsetzbar sind eine Systemführerschaft angestrebt wird

Abbildung 5.23: Preisstrategien bei der Einführung neuer Produkte.

(4) deutliche Markt-Eintrittsbarrieren für Konkurrenten existieren (5) und/oder die eigenen Produktions- und Vertriebskapazitäten begrenzt sind. Die Praxis arbeitet mit Kombinationen. Eine Markteinführung mit marketinggerechter Anpreisung neuartiger Produktvorteile erfolgt als Skimming-Strategie. Sind die markentreuen Kunden und die Innovatoren bedient, wird auf Penetration-Strategie angepasst, um die weniger preisempfindlichen Käufergruppen zu erobern und fortan Wettbewerber gezielt abzuwehren.

5.7.2 Langfristige Preislagenstrategien Losgelöst von der speziellen Preispolitik bei der Markteinführung neuer Produkte kann nach langfristig durchhaltbaren Preislagenstrategien für das Gesamtprogramm gefragt werden. In idealtypischer Weise sind zu unterscheiden: (1) die Prämienpreisstrategie als Ausdruck eines dauerhaft hohen Preisniveaus und abgesichert durch eine entsprechend hohe Qualität (Qualitätsführerschaft), (2) die Promotionspreisstrategie als das andere Extrem, mit dauerhaften Tiefstpreisen (die Strategie der Discounter) und

 413

5.7 Dynamische Preispolitik 

(3) die Preisstrategie eines dauerhaften mittleren Preises, die sich i. d. R. an Marktpreisniveaus (Preislagen) orientiert.493 Die marktorientierte Unternehmensführung wird stets einen langfristig ausgerichteten Preis- und Gewinnpfad (= strategische Preispolitik) mit den Verlockungen kurzfristig realisierbarer, höherer oder im Rahmen von Abverkaufsaktionen auch niedrigerer Preise (= operative Preispolitik) in Einklang zu bringen haben. Dabei werden die finanzielle Lage der Unternehmung und die Konkurrenzsituation sowohl die strategische wie auch die operative Preispolitik beeinflussen. Hinzu kommt die Aufgabe, Vertriebspartner, insbesondere den Handel, durch leistungsgerechte Konditionensysteme in die Preispolitik einzubinden. hoch

Prämienpreisstrategie

mittel

Preis

Penetrationspreisstrategie

Mittelpreisstrategie

Skimmingpreisstrategie niedrig

Niedrigpreisstrategie Zeit

Abbildung 5.24: idealtypische Preislagenstrategien.494

Die Preisstrategien lassen sich anhand Abbildung 5.24 gut nachvollziehen.

5.7.3 Kundenorientierte Konditionenstrategie: Der Preis-Eisberg Gemäß dem ökonomischen Prinzip der Betriebswirtschaftslehre stehen die Unternehmen bei der Preisfindung unter Gewinnmaximierungsdruck. Statt ihr Preismanagement strategisch auf Zielgruppen auszurichten, „missbrauchen viele Unternehmen ihre Preise, um Defizite bei 493 Vgl. Sander, (Internationales Preismanagement), 1997, S. 88 sowie die dort angegebene Literatur. 494 Quelle: Lippold, (Marktorientierung), 2021, S. 208.

414 

 5 Konditionenpolitik

Produkt und Service auszugleichen.“495 Diller merkt an, dass das Postulat der Gewinnmaximierung zu einem konfliktären Verhältnis zwischen Anbietern und Nachfragern führt.496 Preise beeinflusse aber Beziehungen. Wie empfinden Kunden die Preisauszeichnungen? Abbildung 5.25 veranschaulicht die Schichten des Preisempfindens der Käufer. Das Bild ähnelt einem Eisberg.497 Die Preisempfindungen der Käufer entstehen unterhalb einer bewussten Wahrnehmungsebene, die zwischen den Ebenen Preisattraktivität und Preissicherheit liegt. DER PREIS ALS EISBERG-PHÄNOMEN PREISPROBLEME

PROBLEM

– – –

Geldausgabe (Budget) Liquidität Kaufleistung

Preis höhe

– –

Preis-Leistungs-Präferenz Ratio versus Emotion

– – – –

Niedrige Preise Rabatte Preisaktionen Preisoptik

Preisattrak tivität

– – – –

Preisbaukästen Nutzen-Kommunikation Preisberatung Target-Pricing

Preissicherheit

– – –

Preisübersichtlichkeit Preisgarantien Kulanz

Preiszufriedenheit

– – – – –

Produktzuverlässigkeit Servicequalität – Garantien Servicepreise – Serviceverträge Teilpreise Preispflege

– – – – – –

Individuelle Ansprache Preisfairneß, Offenheit Preisehrlichkeit Mund-zu-Mund-Werbung Kundenclub, Kundenzeitschrift

Wasserlinie: Wahrnehmungsebene

– – – –

Preistransparenz Preisdynamik Preis-Leistungs-Risiko Liquiditätsrisiko

– – –

Zuverlässigkeit Servicequalität Servicekosten

– – –

Enttäuschung Übervorteilung Ohnmacht

PROBLEMLÖSUNG

Preisvertrauen

Abbildung 5.25: Der Preis als Eisberg-Phänomen.

495 Schlote, (Würfeln), in: MM, 4/1996, S. 63. 496 Vgl.  Diller, (Preismanagement), 2008, S.  41, zu den kundenpolitischen Effekten s. auch S. 48. 497 Vgl.  die Zusammenfassung des Preis-Eisbergs von Diller in der ASW, 7/1997, S. 77; die Grafik verdanken wir der Studierenden Frau Lorenzer: vgl. Lorenzer, (Pricing-Konzepte), 1998, S. 20.

5.7 Dynamische Preispolitik 

 415

Vordergründig scheinen die beiden ersten Ebenen, d. h. Preis­ höhe und Preisattraktivität, die Kaufentscheidungen der Kunden zu beeinflussen. Hier werden die größten Probleme des Käufers liegen (Kaufrisiko, finanzielle Belastung, Dissonanz zwischen Verstand und Gefühl etc.). Dies versucht die Preispolitik mit konventionellen Problemlösungen wie Niedrigpreisen, Rabatten, Preisaktionen, geschickten Preisauszeichnungen, Preisbaukästen, Kaufberatungen etc. zu lösen. Unter den beiden obersten Schichten liegen jedoch mit Preissicher­ heit, Preiszufriedenheit und Preisvertrauen weitaus sensiblere und langfristig wichtigere preisliche Erfolgsfaktoren. Gerade Preisvertrauen schafft eine emotionale Beziehung zwischen Anbieter und Nachfrager. Im Preisvertrauen schlagen sich alle Erfahrungen des Kunden mit dem Lieferanten ganzheitlich nieder. Die marktorientierte Unternehmensführung muss sich der besonderen Preisprobleme der einzelnen Eisberg-Schichten annehmen und dem Kunden hierfür Problemlösungen bieten. Diese sind in der rechten Spalte der Abbildung aufgeführt. In letzter Konsequenz sind Preisentscheidungen Ausdruck von Machtverhältnissen im Absatzkanal. In grober Abgrenzung werden für die Konditionenverhandlungen zwischen Markenartikelherstellern und Handel drei Machtkonstellationen unterschieden:498 (1) Handelsdominanz, (2) Herstellerdominanz und (3) gleichstarke Verhandlungspositionen von Hersteller und Handel. Bei der marktorientierter Unternehmensführung kann es nur um den gemeinsamen Erfolg von Hersteller und Handel/Handwerk beim Endkunden gehen. Die verbraucherfreundlichen Problemlösungen im Sinne der Leitlinien des Preis-Eisbergs sollten unabhängig von der Frage der Verhandlungsmacht von Hersteller und Handel realisierbar sein. Die immer wieder beklagten Konflikte zwischen Markenartikelindustrie und Handelskonzernen führen nur zu einer Verunsicherung der Kunden. Auch in B2B-Märkten sollte es das Ziel von Preisvereinbarungen zwischen Zulieferern und Schlüsselkunden sein, den gemeinsamen Markterfolg in den Endkundenmärkten sicherzustellen. Die Preispolitik wird zum Instrument der Gestaltung von Win-Win-Beziehungen zwischen Industrie und Handel. Diesbezüglich ist der Vertrieb gefordert.

498 Vgl. hierzu das Grundlagenwerk von Steffenhagen, (Konditionengestaltung), 1995.

416 

 5 Konditionenpolitik

5.7.4 Strategien zur Preissteigerung Preise auf den Märkten stehen vielfach unter Druck, steigende Kosten bei Rohstoffen und Vorprodukten, steigende Löhne oder auch allgemeine Preissteigerungen durch Inflation machen Preisanpassungen notwendig. Gezielte Preissteigerungen zur Steigerung des Ertrags oder Entwicklung einer Premium-Positionierung können zudem Ausgangspunkte für die Setzung höherer Abverkaufspreise sein. Berz und Dörner beschreiben verschiedene Ansätze, mit denen sich Preissteigerungen gegenüber Kunden durchsetzen lassen, da sie Preissensibilitäten reduzieren:499 (1) Gezielte Produktdifferenzierung: Besitzen Produkte besonders relevante Alleinstellungsmerkmale aus Sicht der Kunden, kann dies zur Durchsetzung höherer Preise genutzt werden. (2) Etablierung hoher Wechselkosten: Ist der Anbieterwechsel für den Kunden mit objektiv erfahrbaren oder subjektiv empfundenen Wechselkosten verbunden, ist der Kunde geneigt, beim Anbieter zu bleiben. Dadurch sind höhere Preise durchsetzbar. (3) Mangelnde Preis­Vergleichbarkeit: Wenn Preise für Kunden schwerer vergleichbar sind, reduzieren Konsumenten vielfach den Aufwand für die Preisrecherche. Flatrates werden weniger verglichen als die Zusammenstellung einzeln buchbarer Bausteine. (4) Gezielte Berücksichtigung eines Gesamtbudgets: Bei einem Gesamtprojekt verschwinden Einzelpreise im Gesamtbudget. Kauft ein Kunde eine komplette Einbauküche, können ausgewählte Einzelpreise preislich angehoben werden, ohne dass Kunden die Preissteigerungen isoliert wahrnehmen und negativ darauf reagieren. (5) Bestpreis­Klauseln: Das Angebot einer Bestpreisklausel reduziert den Wunsch nach Preisvergleichen beim Kunden. Wird der Kunden bspw. über einen Brillengestell-Bestpreis vom Anbieter überzeugt (der natürlich im Marktvergleich haltbar sein muss), kann über Zusatzverkäufe (bspw. hochwertige Gläser) der notwendige Ertrag erzielt werden. (6) Hervorgehobenes Preis­/Qualitätssiegel: Wenn der Preis mit der Qualitätswahrnehmung assoziiert ist, können höhere Preise durchgesetzt werden. Die Etablierung von Qualitätsmerkmalen, die für Kunden erlebbar und nachvollziehbar sind, bieten Optionen zur Preissteigerung.

499 Vgl. Berz, Dörner (Preissteigerungen), 2010, S. 42–49.

5.7 Dynamische Preispolitik 

 417

(7) Zeitdruck: Sind Preise zeitlich begrenzt oder ist die Verfügbarkeit von Produkten und Angeboten reduziert, entscheiden Kunden schneller und mit weniger Vergleichen. (8) Endnutzen­Effekt: In der Argumentation der Preise wird der Fokus auf den letztlichen Nutzen der Entscheidung für ein höherwertiges Produkt gelegt. Der Kunde hat sich für einen Anbieter für die Einbauküche entschieden – der Verkäufer kann den hochwertigsten Einbaubackofen argumentieren, da dieser dem Kunden langfristigen den größten Nutzen garantiert.

5.7.5 Neuere Preissetzungsansätze Vor allem im Zuge der Digitalisierung sind neue, kreative Preissetzungsmechanismen entwickelt worden. Free Leistungen und Produkte werden kostenfrei abgegeben. Dieser besonders bei digitalen Produkten vorzufindende Nicht-Preis führt zu hohen Absatzzahlen, aber naturgemäß zu keinem direkt zurechenbaren Umsatz. Digitale Produkte kosten Unternehmen einmalig bei Erstellung. Bei der Nutzung durch weitere Kunden entstehen hingegen keine Kosten. Daher kann bspw. bestehende Software kostenfrei angeboten werden. Ältere Softwareversionen werden bspw. kostenfrei abgegeben, um neue Kunden an die Systeme zu gewöhnen. Möchten Kunden die aktuellen Versionen nutzen, können Sie von der kostenfreien Produktversion hin zu den bezahlten Produkten updaten. Free – Quersubvention durch Dritte Vergleichbar dem klassischen Free-Ansatz wird bspw. Software kostenfrei abgeben. Umsatz erzielt das Unternehmen in diesem Ansatz über Werbeeinblendungen in der Software. Der Werbetreibende quersubventioniert die für User kostenfreie Software. Viele Casual Games auf Mobilgeräten werden über diesen Ansatz finanziert. Kostenfrei für die Nutzer, die sich dafür Werbung ausgesetzt sehen („enthält In App-Werbung“). Freemium Eine Grundversion kann kostenfrei genutzt werden, will der User weitere Funktionen verwenden, muss er auf einen Paid-Plan (Bezahlver-

418 

 5 Konditionenpolitik

sion) upgraden. Viele Softwarelösungen operieren nach diesem Muster. Grundfunktionalitäten sind kostenfreu nutzbar. Soll das Produkt jedoch umfangreicher genutzt werden, muss ein kostenpflichtiges Abo abgeschlossen werden. Freemium ist auch eine Negativ-Selektion schlechter Kunden, Kunden mit Geld buchen die Premium-Option. PayWhatYouWant (PWYW)/Zahl was du willst Kunden werden aufgefordert, einen ihrer Ansicht nach angemessenen Preis für die Leistung zu entrichten. Kunden könnten im Extremfall auch ohne Bezahlung die Leistungen konsumieren. Der Zoo Münster experimentiert mit diesem Ansatz seit vielen Jahren sehr erfolgreich. Im ersten Aktionszeitraum konnten 5x so viele Besucher wie im Vergleichszeitraum gezählt werden. Der Umsatz stieg um Faktor 2,5. Durchschnittlich haben Kunden zwar weniger als den Standardeintrittspreis gezahlt, die deutliche Zunahme der Besucher hat aber zu dem Umsatzzuwachs geführt. NameYourOwnPrice (NYOP) /Nennen sie ihren eigenen Preis Interessenten und Kunden schlagen Preise vor, Anbieter behalten sich vor, ob Sie den vorgeschlagenen Preis akzeptieren. Die Herausforderung für Kunden ist, Preisschwelle des Verkäufers zu treffen. Welcher vorgeschlagene Preis ist angemessen, bei welchem Preis wird der Anbieter das Produkt noch verkaufen. Das bekannteste Beispiel ist die „Preis Vorschlagen-Funktion“ auf Ebay.

5.8 Konditionensysteme in der Konsumgüterindustrie 5.8.1 Kostendruck und Konditionsspirale Abbildung 5.26 veranschaulicht den Kostendruck bei Konsumgüterherstellern.500 Die manchmal undurchschaubar erscheinenden Konditionensysteme sind Erbe langjähriger Verhandlungstradition von Hersteller und Handel. In einem Beispiel von Laker, das in der Struktur noch heute Bestand hat, bleiben vom Listenpreis von 28,40 € nach Abzug von normalem Händlerrabatt (4,26 €), Mengenrabatt (0,71 €), Sonderrabatt (2,27 €), Skonto (0,25 €), Verwaltung der Außenstände (0,22 €), gemeinsamer Werbung (0,85 €), Vergütung für verkaufsbegleitende Maßnahmen (0,60 €), Bonus (0,74 €) und Fracht (0,32 €) lediglich 18,18 € als tatsächlich erzielbarer Preis.

500 Quelle: vgl. Laker, (Preislisten), in: ASW, 03/1996, S. 49 (Originalquelle in DM).

 419

5.8 Konditionensysteme in der Konsumgüterindustrie 

DIE PREISTREPPE: WAS BLEIBT DEM HERSTELLER VOM BRUTTOPREIS? Bruttopreis Händlerrabatt

28,40 Euro = Verhandlungspreis

2.27 €

Sonderrabatt

0.25 €

Skonto

0.22 €

Verwaltung Außenstände

0.85 €

Werbung 0.60 €

Verkaufsförderung

0.74 €

Bonus

0.32 €

Fracht erzielbarer Preis 15.00 €

4.26 €

0.71 €

Mengenrabatt

17.00 €

19.00 €

18,18 Euro = erzielbarer Preis

21.00 €

23.00 €

25.00 €

Abbildung 5.26: Preistreppe aus Sicht des Herstellers.

Hersteller geraten so in eine 8-stufige Konditionenspirale:501 (1) Hersteller gewähren dem Handel bessere Konditionen. (2) investieren deshalb weniger in Produktentwicklung und Werbung. (3) So gewinnen Handelsmarken an Boden. Die Marktanteile der Markenartikel sinken. (4) Der Handel fordert stärkere Verkaufsförderungsmaßnahmen durch die Hersteller und droht mit Auslistung. (5) Die Hersteller müssen höhere Werbekostenzuschüsse zahlen und mehr Verkaufsflächen betreuen. (6) Ihre Werbe-, Außendienst- und Merchandisingkosten steigen. (7) Die Kosten lassen sich nur über höhere Verkaufsmengen abdecken. Dem Handel müssen verstärkt Anreize zur Förderung der Markenartikel gewährt werden. (8) Das Karussell des Anreizwettkampfes beginnt wieder bei 1. Diese Konditionenspirale kann in drei Richtungen abgemildert werden: (1) durch schrittweise Umstellung auf ein nachvollziehbares, leistungsorientiertes Konditionensystem, das von allen Partnern akzeptiert wird, (2) durch Aufbau alternativer Absatzkanäle, in denen hochpreisige Nischenprodukte gezielter vermarktet werden können als über den

501 Vgl. Jensen, (Abzocker), in: MM, 10/1997, S. 66.

27.00 €

29.00 €

420 

 5 Konditionenpolitik

klassischen Lebensmitteleinzelhandel (falls möglich),502 kritisch zu beurteilen ist hierbei der Aufbau von Online-Direktvertriebskanälen (D2C) über das Internet (Gefahr der generellen Auslistung durch den Handel), (3) durch Ausrichtung der Konditionenpolitik auf eine ganzheitliche, kundenorientierte Strategie. Doch nicht nur die Hersteller klagen über den zunehmenden Kostenund dadurch Preisdruck. Auch der Facheinzelhandel bangt um seine Existenz. Das Saarbrücker Institut für Handelsforschung legte eine Untersuchung vor, nach der dem Fachhandel (nicht Lebensmittel-Einzelhandel) von 100 € Umsatz nur 3,70 € Gewinn vor Steuern bleiben.503 Abbildung 5.27 analysiert die Kostenpositionen. DIE KOSTENTREPPE: WAS BLEIBT DEM FACHEINZELHANDEL VON 100 EURO UMSATZ Umsatz

3.70 €

Von 100 DM Euro im Facheinzelhandel bleiben 3,70 Euro Gewinn vor Steuern

Gewinn sonstiges Gewerbesteuer

3.40 € 0.30 €

KFZ-Kosten

0.70 €

Sachkosten

1.30 €

Abschreibungen

1.40 € 1.50 €

Zinsen

2.40 €

Werbung

4.90 €

Miete 13,40 DM

Mehrwertsteuer Personalkosten

16.30 €

Wareneinkauf

50.70 €

15.00 €

25.00 €

35.00 €

45.00 €

55.00 €

65.00 €

75.00 €

85.00 €

95.00 € 105.00 €

Abbildung 5.27: Kostentreppe aus Sicht des Handels.

Noch stärker sind die Umsatzrenditen im deutschen LebensmittelEinzelhandel zusammengeschmolzen: von knapp 5 Prozent im Jahr 1971 auf unter ein Prozent heutzutage. „In erbarmungslosen Preiskriegen ruinieren sich die Lebensmittelhändler gegenseitig.“504 502 Zu denken wäre an den Vertrieb über Theater, Discos, Fitness-Clubs, Sportvereine oder über eigene Filialen (Shops), vgl. Lorenzer, (Pricing-Konzepte), 1998, S. 16. 503 Quelle: Institut für Handelsforschung, Stand 1999, Globus Grafik Nr. 6798. 504 Hirn, (Magere Kost), in: MM, 5/2000, S. 158; die Renditedaten entstammen dem Bundesverband des Deutschen Lebensmittel-Einzelhandels.

5.8 Konditionensysteme in der Konsumgüterindustrie 

 421

5.8.2 Gestaltung von Konditionssystemen Ein Deckungsbeitrag kann im Vertriebskanal nur einmal verteilt werden. Hersteller und Handel müssen ihn sich teilen. Leistungsorientierte Konditionensysteme können die Fundamente langfristiger Partnerschaften zwischen den Parteien bilden. Leider jedoch belegt eine Umfrage von TCC Consulting, Hamburg, zahlreiche Schwachstellen in den Konditionensystemen der Markenartikelhersteller:505 – Umsatz- und Mengenrabatte werden oft einzelkundenbezogen ausgehandelt. – Klare Vereinbarungen über Leistungen und Gegenleistungen nach festgelegten, standardisierten Regeln existieren nicht. – Performance Pricing, als ein Instrument, das erfolgsabhängige Preiskomponenten zum Inhalt hat, ist selten vorhanden. – Nur die Hälfte der Unternehmen analysiert die Preissensitivität der Kunden (Preiselastizitäten) durch Kunden- und Expertenbefragungen und mit Hilfe von nach Vertriebskanälen abgestuften Preistests. – Neuprodukte werden nicht im Rahmen klarer Richtlinien gefördert. – Zahlungsziele und Mindestabnahmemengen werden nicht straff kontrolliert. – Nur knapp die Hälfte der befragten Unternehmen arbeitet mit Bündelpaketen als Instrument einer taktischen Preispolitik. Bei der Gestaltung eines Konditionensystems sollte deshalb folgende 8 Empfehlungen beachtet werden:506 (1) Einfachheit und Klarheit des Angebotsprogramms, auch zum Zwecke effizienter Aktualisierungen der Preislisten. (2) Abgehen von „Mond-Bruttopreisen mit astronomischen Rabattabschlägen“. Stattdessen Umschwenken auf kundengruppenbezo­ gene Nettopreise. Dazu Kundenqualifizierung und Entscheidung über Kundenstatus mit Rabattabzug. (3) Transparenz nach außen und nach innen, damit die Beteiligten nachvollziehen können, wer welchen Rabatt wofür bekommt. Hierzu auch Eindämmung der Rabattkompetenz des Außendienstes, um das neue System zu stabilisieren. (4) Leistungsorientierung: Jeder Rabatt oder Bonus muss an eine klar definierte Abnehmerleistung gekoppelt sein (Performance Pricing).

505 Vgl. Krah, (Konditionenpoker), in: salesBusiness, 7/2002, S. 26–27. 506 Vgl. zu der Entwicklung eines Konditionensystems Homburg, Daum, (Erlöse), in: ASW, 10/1997, S. 96–101.

422 

 5 Konditionenpolitik

(5) Berücksichtigung von Substitutions­ und Komplementäreffekten (zur Nutzung von Cross-Selling-Chancen) innerhalb des eigenen Leistungsprogramms, (6) dabei auch Einbezug von Chancen und Risiken gegenüber dem Wettbewerb, (7) Berücksichtigung der Preisbereitschaft der Konsumenten (Preiselastizitäten!), (8) konsequente Durchsetzung des neuen Konditionensystems, (9) aber auch Kalkulationsflexibilität und Ermessensspielräume im Tagesgeschäft. Meist werden folgende Rabattarten unterschieden: (1) Mengenrabatte: Barrabatt (mehr kaufen und Geld sparen), Naturalrabatt (mehr kaufen und zusätzliche Produkte erhalten), (2) Treuerabatte, (3) Funktionsrabatte (bspw. Übernahme von eigener Abholung reduziert den Produktpreis), (4) Zeitrabatte (Terminbindung bspw. zur Produkteinführung, Produktauslauf oder ausgewählte Zeiträume), (5) Skonto (kurzfristige Zahlung wird mit zusätzlichem Nachlass vergütet), (6) Bonusregelungen (aufsummierte Umsätze führen zu Rückvergütung). Bei Steigerungsdynamiken erzielen Rabatte die größte Wirkung bei dem Übergang von einer Stufe auf die nächste. Die Kunden sind motiviert, sich die besseren Rabatte zu sichern und kaufen daher verstärkt.

Ergänzend können Rabattsysteme mit ausgewählten Dynamiken verbunden werden: – Steigerungen (gleitend oder mit festen Abstufungen, bspw. Rabatt nach Alter im Privatkundengeschäft oder verschiedene Rabattstufen ab einem Umsatz von 1.000,-€, 5.000,-€ oder 10.000,-€). – Definierte Zusatzrabatte (bei Erreichung eines Zielumsatzes definierte Zusatzleistung, bspw. bei Erreichung eines Zielumsatzes wird einmalig ein Extranachlass von 1.000,-€ gewährt). Abbildung 5.28 fasst ausgewählte Empfehlungen für den Aufbau eines Konditionensystems zusammen. Procter&Gamble hat nach diesen Empfehlungen ein Konditionensystem mit dem Namen „New Way“ eingeführt. Dazu gehörten: – neue, niedrigere Listenpreise bei Streichung der meisten Rabatte, Rückvergütungen und zeitlich begrenzten Preissenkungen, – Weitergabe von Kostenvorteilen an die Handelspartner, die auf kostengünstigere Bestellmengen übergehen, – Optimierung des Auftrags- und Warenflusses, – eine verbesserte, gemeinsame Kundenorientierung mit dem Handel.

5.8 Konditionensysteme in der Konsumgüterindustrie 

Handlungsprinzip

Arbeitsschritte

 423

Ergebnis

1 Transparenzsystem

– Erfassung sämtlicher kundenbezogenen Konditionen und Leistungen – Bestimmung der Kostenstruktur

Konditionenanalyse

2 Gegenleistungsprinzip

– Bestimmung der Konditionenblöcke – Zuordnung Konditionenelemente auf die Konditionenblöcke

Identifikation nicht leistungsgerechter Konditionen

3 Fokussierungsprinzip

– Kundenbewertung nach strategischen Leistungskriterien – Erstellung von Produktportfolios

4 Prinzip der limitierten Konditionenspreizung 5 Umsetzungsprinzip



Abgleich von Konditionenanalyse mit der Kundensegmentierung – Bestimmung von Konditionenzielbandbreite – Bestimmung der operativen Umsetzungsmechanik zur Konditionenreduktion – Erstellung von Simulationsszenarien

Kundensegmentierung Segmenspezifische Konditionenkorridore Umsetzungsfahrplan

Abbildung 5.28: Arbeitsschritte zur Ausrichtung von Konditionensystemen.507

Procter&Gamble konnte New Way Dank seiner starker Marken (Pampers, Ariel, Oil of Olaz etc.) erfolgreich im Handel durchsetzen.508 Kurzfristig ist es allerdings zu einem Umsatzrückgang in Höhe von 3 Prozent gekommen. Doch allein durch eine Optimierung des Konditionensystems mit dem Handel kann dem preislichen Verdrängungswettbewerb nicht entronnen werden. Schließlich entscheidet in letzter Konsequenz der Käufer über den Ausgang des Preiskampfes.  Also sollte eine ganzheitliche Strategie bei den Preisempfindungen und Preisängsten der Interessenten und Kunden ansetzen. Zwei Marketingbereiche rücken damit in den Vordergrund der Betrachtungen, die diesen Zugang zum Kunden und seinen Emotionen haben: der Vertrieb und die Kommunikationspolitik,

507 Quelle: in Anlehnung an Oellrich (Konditionenmanagement), online unter www. verkauf-aktuell.de. 508 Vgl. zu diesem Beispiel das ASW-Experten-Forum zur Preispolitik: Kostensenkung ist keine Lösung, in: ASW, 3/1996, S. 54 sowie den Aufsatz von Laker, (Preislisten), in: ASW, 3/1996, S. 48–52.

6 Vertriebspolitik Ein Produkt ist entwickelt und verkaufsreif. Ein wettbewerbfähiger Verkaufspreis ist bestimmt. Nach Gutenberg wird nun Leistungsverwertung, das Verkaufen, zur überlebensnotwendigen unternehmerischen Aufgabe. Verkaufen ist eine Grundfunktion des Wirtschaftens. Unternehmen können ohne Verkauf nicht am Markt bestehen. Vertrieb und Verkauf haben Umsatzverantwortung.

6.1 Das Dilemma des Vertriebsbegriffs Vertrieb und Verkauf gelten als „Speerspitze des Marketing“ und vor allem als „Brücke des Unternehmens zum Markt“.509 Und dies mindestens seit dem 3. Jh. vor Christus, als chinesische Händler Zeitungen auf Marktplätzen und in Wohnstätten feilboten. Abbildung 6.1 unterstreicht die Bedeutung dieses weit gespannten, spannenden und für Hochschulabsolventen und angehende Führungskräfte höchst attraktiven Berufsfeldes „Vertrieb“ und „Verkauf“. Arbeitsmarktstudien konnten belegen, dass die betriebswirtchaftlichen Absolventen am zweithäufigsten ihre Ersteinstellung im Bereich Vertrieb und Verkauf finden; nach den Tätigkeitsfeldern Rechnungswesen/Controlling und vor klassischem Marketing.510 Heute geht man davon aus, dass bis zu 5 Mio. Menschen vertrieblich tätig sind. Wobei die Digitalisierung den kompetenten Verkäufer nicht ersetzt, sondern seine Arbeit durch papierlose Kanäle und Werkzeuge effizienter gestaltet. High Tech und High Touch schließen sich dabei nach Binckebanck nicht aus.511 Hierauf ist die Hochschulausbildung nicht eingerichtet. Verkauf wird nach Belz an den meisten Hochschulen „sträflich verdrängt“.512 Steffenhagen meint, „dass der Vertrieb ... weder eindeutig dem Einsatz von Marketing-Instrumenten noch eindeutig den Strategieentscheidungen im Marketing oder den marktgerichteten Organisations- bzw. Personalproblemen zugeordnet werden kann.“513 Verkaufen wird als Klinkenputzen abgetan. Es wird übersehen, dass ein Mangel in der Praxis bei Führungs509 Witt, (Verkaufsmanagement), 1996, S. 1 und 7. 510 Quelle: Staufenbiel Studie Berufsplanung für den Management-Nachwuchs, START 2004 u. a. 511 Vgl. Binckebanck, (High Tech), 2014, S. 18. 512 Was Belz in seinem Zitat auf Universitäten bezieht: vgl.  Belz, (Verkaufskompetenz), 1996, S. 8. 513 Steffenhagen, (Marketing), 2008, S. 138. https://doi.org/10.1515/9783110787771-006

HochschulabsolventInnen im Vertrieb: Gesucht werden nicht Verkäufer, sondern Verkaufsführungskräfte! MitarbeiterInnen, die Verantwortung für Umsatz und Ergebnis übernehmen wollen!

Die Marketingausbildung an den Hochschulen ist strategie- und konsumgüterlastig und vernachlässigt Vertrieb und Digitalisierung!

426 

 6 Vertriebspolitik

Arbeitnehmer und Unternehmer im Verkauf - Schätzung 2011 Verkäufer im Handel (mit Teilzeit) konventioneller Außendienst (Reisende) sonst. Finanzdienstleister (geschätzt) Außendienst Versicherungswirtschaft (mit Innendienst 300.000) Versicherungsvertreter (inkl. nebenberuflich) Handelsvertreter (inkl. Teilzeit) Pharmareferenten KFZ-Verkauf Direktverkauf sonstige Key Account Manager (inkl. 150.000 Vertriebsingenieure) Verkauf 3. Führungsebene Verkauf 2. Führungsebene Verkauf 1. Führungsebene akquirierende Unternehmer, sonstige (ohne Beratungsgewerbe)

2.200.000 400.000 180.000 200.000 350.000 250.000 12.000 120.000 150.000 250.000 120.000 50.000 10.000 150.000

49,5% 9,0% 4,1% 4,5% 7,9% 5,6% 2,1% 2,6% 3,4% 5,6% 2,7% 1,1% 0,2% 3,4%

4.442.000

100%

ohne Tankstellen, Apotheken, Brennstoffhandel, Großhandel, bei Verkäufern im Handel: ca. 1,1 Mio. Teilzeitbeschäftigte, bei Handelsvertretern 96.000 Teilzeit (40%); Vertriebsing. 15% von 1 Mio. Ingenieur e (diverse Quellen und Schätzungen - Marketing und Vertrieb FH Landshut )

Abbildung 6.1: Arbeitnehmer und Unternehmer im Verkauf.

kräften für den Vertrieb liegt. Gesucht werden Verkaufsmanager. Eine Marketingkarriere ist heute in renommierten Unternehmen ohne Kundenerfahrungen kaum mehr möglich. Arbeiten von Homburg, Hofbauer, Diller, Jensen, Soenke-Albers wie auch durch den St. Gallener Kreis um Belz widmeten dem Verkauf in der Universitätstheorie erst vor etwa 17 Jahren größere Aufmerksamkeit. Nur das Sales Management Departement der Ruhr Universität Bochum ist als einziges universitäres Institut in Europa auf Vertriebsforschung spezialisiert. Noch hat die Verkaufspolitik in der Literatur keinen festen Platz im Rahmen der zentralen Marketinginstrumente. Namhafte Autoren behandeln sie als Element der Kommunikationspolitik. Lehrbuchgliederungen platzieren Verkauf nachgeordnet hinter Werbung und Verkaufsförderung.514 Mittlerweile behandeln zahlreiche Marketingautoren den Verkauf im Zusammenhang mit Distribution, d. h. mit der physischen Warenverteilung in den Märkten.515 Ein Verkaufsvorgang besteht im 514 Vgl. z. B. die Gliederung von Bruhn, (Kommunikationspolitik), 2009, S. XI (Verkauf als persönliche Kommunikation); Bruhn, (Marketingkommunikation), 2011; Schenk, (Handel), 2007, S. 262. 515 „Zur Distributionspolitik zählen alle Maßnahmen, die ergriffen werden, um das Produkt vom Ort der Herstellung zum Abnehmer zu bringen“, stellvertretend für viele Autoren mit Warenverteilungssicht: Weis, (Marketing), 2009, S. 86. Irgendwie plagt die

6.1 Das Dilemma des Vertriebsbegriffs 

 427

juristischen Sinne aus Angebot und Annahme (BGB §  145) sowie Einigung und Übergabe (BGB § 929). Das impliziert Interaktionen zwischen Menschen. Geht ein Beziehungsprozess dem Rechtsakt und der Warenverteilung voran? Meinungsverschiedenheiten bestehen hinsichtlich der Einordnung des Verkaufs in den Marketing-Mix und der inhaltlichen Begriffsauslegung (Welche Funktionen gehören zum Verkauf und Vertrieb?). Abbildung 6.2 strukturiert verschiedene Literaturmeinungen. Unklarheiten und vor allem die Dominanz des „technokratischen“ Distributionsbegriffes lassen sich vielleicht wie folgt erklären: Missverständnis 1: Priorität für die Warenverteilung (Distribution) Der Distributionsbegriff entstand Ende des 19. Jahrhunderts in den USA mit Aufkommen der Händlernetze. Distributoren schafften Erzeugnisse der Farmer in bevölkerungsmäßig explodierende Städte.516 Dort fanden sie Absatz in Verkäufermärkten. So kann der Verkauf als eine Verteilungsaufgabe verstanden werden. Verkauf reduziert sich auf den Griff ins Regal (Pull-Konzept in den Konsumgütermärkten). Die Dominanz der Distribution gegenüber Verkauf als Haltung von Konsumgüterindustrie und Handel brachte vor Jahren Ahlert treffend zum Ausdruck: „Kennzeichnend für die so definierte Distributionspolitik ist die Zwecksetzung der Unternehmung, ihren Absatzgütern physische und kommunikative Präsenz im Absatzmarkt zu verschaffen, ihr „Regalplatz“ im Sinne von Konfrontationsmöglichkeiten mit der Verbraucherzielgruppe zu sichern.“ 517 Hiernach wird nicht verkauft, sondern „konfrontiert“. Eine andere Begriffssicht betont den logistischen Hintergrund, wie bei Olbrich nachzuvollziehen ist:518 „Häufig fallen Produktion und Konsumtion eines Absatzgutes auseinander ..., so dass eine Übermittlung des Absatzgutes vom Produzenten zum Konsumenten erforderlich ist. Die Distributionspolitik umfasst alle Entscheidungen, die die Übermittlung von materiellen und/oder immateriellen Gütern betreffen.“ Dieses Zitat schließt

Autoren dann doch ein schlechtes Gewissen: „Weil auch das Distributionsmanagement auf die Kunden zielt, existieren freilich zwischen beiden Bereichen Überschneidungen und Interdependenzen ....“: Dille et al., (Verkauf und Kundenmanagement), 2005, S. 24. Warum dann nicht gleich: „Verkaufskommunikation“ + Distribution = Vertrieb. 516 Vgl. weiter vorn: USA: distribution = der Handel; Frankreich: la grande distribution = der Handel 517 Ahlert, (Distributionspolitik), 1996, S. 21. 518 Und lt. Kollegen Olbrich auch wiederum auf Ahlert zurückzuführen: Olbrich, (Marketing), 2006, S. 218; zur Doppelzuordnung vgl. z. B. S. 270; Ahlert, (Distributionspolitik), 1996, S. 8.

Verkauf ist Teil der Kommunikationspolitik – Baum – Bieberstein – Bruhn – Diller Haas, Ivens – Holland – Kotler et al – Pepels – Schenk – Seiler – Steffenhagen – Tietz – Vergossen – Vossebein – Weis – Zentes

Distributionspolitik statt Verkauf, der Verkauf ist die akquisitorische Seite der Distribution – Ahlert – Backhaus – Becker – Berndt – Bruns – Gemi, Lauer – Helm et al – Hofbauer, Schmidt – Kuß, Tomczak – Nieschlag et al – Hüttner et al – Olbrich – Poth – Preisßner – Scharf – Schubert – Scheuch – Specht – Weeser-Krell – Wesner, Sponholz

Vertrieb / Verkauf ist eigenständiger Instrumentalbereich – Albers – Belz – Czech-Winkelmann – Dehr, Donath – Gutenberg – Hofbauer – Hill – Homburg, Krohmer – Jensen – Kühn – Krafft – Müller-Hagedorn – Oehme – Wieseke – Winkelmann, Spandl

Doppelte Zuordnung oder unklare Zuordnung – Albers (Bindeglied zw. Distr.und Komm.-Politik) – Godefroid (Trennung Vertrieb und Distribution) – Haller (Distr.-Pol-und auch Teil der Komm.-Pol.) – Meffert et al (Vertrieb in Distr. Pol. und als Direktkommunikation) – Tomczak et al (akqu. Distrib. Als Absatzwegepol., Verkauf als Kommunikation

428   6 Vertriebspolitik

Abbildung 6.2: Einordnung von Vertrieb und Verkauf im Marketing-Mix.

6.1 Das Dilemma des Vertriebsbegriffs 

 429

die Vermarktung immaterieller Leistungen mit ein. Die Praxis hat aber nicht selten Schwierigkeiten, Dienstleistungen in den Distributionsbegriff einzubeziehen. Die Distributionspolitik wird i. d. R. nur auf Sachgüter bezogen. Eine Beschränkung auf die Wartenverteilung ist vor allem für Unternehmen sinnvoll, – die Sachgüter nicht über eigene Verkaufsorganisationen vertreiben, sondern – über den Fachhandel oder Fachhandwerk (d. h. indirekt) verkaufen und sich vorrangig an der Zielgröße Distributionsrate (= prozentualer Anteil der Handelsgeschäfte, in denen das betreffende Produkt präsent ist) orientieren oder – über internationale Distributoren-Netzwerke vermarkten (bspw. Texas Instruments oder Hitachi). Die betroffenen Unternehmen verwenden den Begriff Vertriebs- oder Verkaufspolitik entweder gar nicht oder unterstellen den Verkauf einer Distribution-Policy. In Zeiten von Beziehungsmarketing, CRM, Networking und Social Media wirkt der Begriff Distributionspolitik jedoch nicht zeitgemäß. Er ist nicht beziehungs- und damit nicht kundenorientiert. Er entstammt einer abgeschlossenen Epoche der Verkäufermärkte, in dem Verkäufer das Sagen hatten und der Kunde sich schüchtern zu Wort melden durfte. „Im Zusammenhang mit dem Absatz von Gütern und Dienstleistungen kommt es bei den unterschiedlichsten Gelegenheiten zu bewusst herbeigeführten persönlichen Kontakten zwischen Käufern und Verkäufern, in deren Verlauf dem Kunden nicht nur (Werbe-) Informationen vermittelt werden, sondern dieser auch Gelegenheit zur Meinungsäußerung erhält.“519 Nach diesem Verständnis sind Kunden „Distributionssubjekte“.520 Dabei entwickelt sich der Markt hin zum People Business. Der Kunde hat Macht. Der marktorientierten Unternehmensführung liegt eine Konfrontation mit dem Kunden (vgl. noch einmal die Definition von Ahlert) fern. In gesättigten Märkten ist “Verkaufskunst“521 angesagt. Es geht nicht um „Subjekte“, sondern um Menschen mit ihren Zielen und Wünschen! 519 Aus einer älteren Auflage: Nieschlag et al., (Marketing), 1985, S. 420. Mittlerweile findet auch der Vertrieb mehr Raum in dem Lehrbuch: vgl. die 19. Aufl., 2002, S. 935 ff. 520 Vgl. Ahlert, (Distributionspolitik), 1996, S. 72. 521 Eine Entgegnung an Witt: Wenn Marketing das Konzept einer marktorientierten Unternehmensführung ist (vgl. Witt, (Verkaufsmanagement), 1996, S. 5), dann ist die Verkaufskunst notwendiger Bestandteil der Marketing-Kunst; zu diesem Disput vgl. S. 6.

Ein Einkäufer im Lebensmitteleinzelhandel führt mit Lieferanten ca. 80-150 Jahresgespräche.

430 

 6 Vertriebspolitik

Die hohen Umsatzvolumina in den Industriemärkten werden bei konsumgüterlastigen Betrachtungen vernachlässigt.522 Und selbst im Konsumgütergeschäft besitzt der Verkauf absolute Priorität: Jeder Joghurt, das an einen Konsumenten indirekt über den Handel abgesetzt wird, muss bei mächtigen Handelsunternehmen gelistet worden sein. Eine Push-Strategie bedeutet, an die Key Accounts des Handels zu verkaufen, und nicht, 2 Mio. Ritter Sport in die Handelsregale einzusortieren. Beim Fachhandel wird persönliche Beratung und Verkaufen am POS gros geschrieben – denn sonst fallen immer mehr Märkte in die Hände der Discounter.

Verkaufen ist ein primärer Wertschöpfungsprozess, Kommunizieren nicht.

Missverständnis 2: Kommunikationspolitik eliminiert Verkauf Viele Marketing-Wissenschaftler haben ihre fachlichen Wurzeln in der Kommunikationspolitik. Wenn Weis schreibt, „die Aufgabenbereiche, die Verkäufer erfüllen müssen, ergeben sich aus den spezifischen Verkaufszielen, die sich wiederum aus den Kommunikations- und Marketingzielen ableiten“,523 dann zählt Verkaufen zur Kommunikationspolitik.524 Aus Sicht der Praxis ist dies nicht haltbar. Der Verkauf eröffnet der Kommunikationspolitik erst die Budgets und gibt die Ziele vor. Kommunikationspolitik wie auch andere Mix-Instrumente haben sich Verkaufszielen unterzuordnen. In der Praxis hat vielfach die Kommunikationspolitik dem Vertrieb und Verkauf zu dienen und nicht umgekehrt. Die Marketingabteilung als Nicht-Linienressort wird letztlich vom Vertrieb finanziert. Die Unklarheit, ob der Verkauf nun zur Distribution oder zur Kommunikation gehört, zeigt sich auch in folgender Definition: „Das vielfach dem Kommunikations-Mix zugeordnete Verkaufsmanagement (vgl. Goehrmann) bzw. der persönliche Verkauf kann aus der Behandlung von Distributionsfragen nicht völlig ausgeklammert werden, denn der Aufbau einer eigenen Verkaufsaußendienstorganisation ersetzt nicht selten die Inanspruchnahme betriebsfremder Absatzmittler und – helfer.“525 Dieses Zitat zeigt das Dilemma des Marketing an deutschen Hochschulen: Die Lehre orientiert sich zu stark am Konsumgütermarketing.

522 Die laut Simon und Backhaus vier- bis fünfmal so hoch liegen wie der Umsatz für Konsumgüter. 523 Weis, (Marketing), 2018, S. 525. 524 Vgl. auch die Klage von Dannenberg, der diese Fehlzuordnung bei 1/3 aller Marketinglehrbücher sieht: vgl. Dannenberg, (Vertriebsmarketing), 2001, S. 18. 525 Specht; Fritz, (Distributionsmanagement), 2005, S. 37.

6.1 Das Dilemma des Vertriebsbegriffs 

 431

Missverständnis 3: Kommunizieren dominiert über Umsatzgenerierung Für einige Denkschulen ist das Kommunizieren wichtiger als die Umsatzgenerierung. Die Autoren begründen das damit, dass beim Verkaufsvorgang der Austausch von Botschaften im Mittelpunkt stehe und dass deshalb der (persönliche) Verkauf auch als Instrument der Kommunikationspolitik zu betrachten sei. Doch dann wird die Kommunikation zur Leerformel. Denn eigentlich alle unternehmerischen Handlungen beruhen in irgendeiner Weise auf Botschaften. Wirtschaft bedeutet kommunizieren. Es müssten dann alle Marketing- und Vertriebstätigkeiten der Kommunikationspolitik untergeordnet werden. Der Marketing-Mix würde sich auflösen. Gutenberg trifft hierzu eine ergänzende Klarstellung: „Solange die Schuhverkäuferin sich bemüht, den Verkaufsvorgang dahingehend zu beinflussen, dass der Kunde sich zum Kauf der Schuhe entschließt, versucht sie „zu verkaufen“. Damit betreibt sie aber noch keine Werbung.“526 Kommunikationsinstrumente erfüllen spezifische Aufgaben und vermitteln besondere Kategorien von (Werbe-) Botschaften. So bleiben Vertrieb und Verkauf „neben der Werbung stehende Instrumente eigener Art.“527 Im Folgenden werden die beiden die beiden Begriffe folgendermaßen verwendet: – Verkauf im engeren Sinne umfasst die Prozesse der Kunden- und Auftragsgewinnung – offline wie online (der Akquisitionsprozess). – Verkauf im weiteren Sinne, den wir als Vertrieb bezeichnen, beinhaltet neben den Prozessen der Kundengewinnung und -sicherung auch die Vertriebsführung und –steuerung (CRM), das Vertriebscontrolling, die Vertriebskanalsteuerung und die Vertriebslogistik. Daraus ergibt sich als Fazit: (1) Kommunikation spielt als Metakompetenz unbestreitbar eine große Rolle beim Verkauf. Der Vertrieb besitzt jedoch spezifische Verantwortung: Aufträge gewinnen, um dadurch Umsatz, Ergebnis und Marktanteil zu generieren. „Das zentrale Ziel der der Verkaufspolitik ist es, durch Verkaufsgespräche einen Verkaufsabschluss zu bewirken.“528 Daher wird der Verkauf nicht der Kommunikationspolitik zu- oder untergeordnet. (2) Alle Aktivitäten auf der Vermarktungsseite werden zu einer Instrumentalgruppe zusammengefasst, die als Vertrieb (Vertriebspolitik,

526 Gutenberg, (Absatz), 1984, S. 358. 527 Gutenberg, (Absatz), 1984, S. 357. 528 Scharf et al., (Marketing), 2022, S. 659.

„Die Marketingdisziplin muss sich den Vorwurf gefallen lassen, die Kundenbeziehung weitgehend ignoriert zu haben. Wenn der Kunde überhaupt eine Rolle spielt und nicht ohnehin in aggregierten Größen wie Märkten oder Marktsegmenten verschwindet, dann als manipulierbares Objekt, das auf gewisse Stimuli die erwünschten Reaktionen zeigt.“ (Stahl, (Kundenbeziehung), in: IO, 9/1997, S. 30)

432 

 6 Vertriebspolitik

Sales-Management) bezeichnet wird. Wegen größerer Praxisrelevanz wird der beziehungsaffine Begriff Vertrieb dem der Distributionspolitik vorgezogen. Vertriebspolitik kann als Verkaufspolitik im weiteren Sinne verstanden werden.529 (3) Der Distributionsbegriff ist passend für Unternehmen, die im Sinne der konsumgütergeprägten Absatzwirtschaft von Warenverteilungsaufgaben geleitet werden. (4) Vertriebspolitik besteht aus einer akquisitorischen (Verkauf im engeren Sinne) und einer logistischen Komponente.530 (5) Vertriebslogistik ist Teil des Gesamtvertriebs.  Logistik übernimmt die Überbrückung von Raum und Zeit durch Transport und Lagerhaltung. Sie erstreckt sich nach Literaturmeinung auf Maßnahmen, „wie das Leistungsangebot dem Kunden zugänglich gemacht werden soll“531 und damit auf Struktur- und Ablaufregelungen für den Absatzweg und die darin handelnden Vertriebspartner. Die Praxis hat Schwierigkeiten, Distribution und Logistik auseinander zu halten. Dies ist ein weiteres Argument, den Vertriebsbegriff zu bevorzugen. Vertriebslogistik wird in diesem Buch in Kapitel 1.12 behandelt.

6.2 Marketinggrundlagen für den Vertrieb Marketing und Vertrieb stehen in engem Austauschverhältnis.  Daher lassen sich vielfältige Zusammenhänge zwischen den beiden Fachdisziplinen erkennen. Wesentliche Marketing-Aspekte, die Vertrieb grundlegend prägen werden in Folge thematisiert.

6.2.1 Relationship-Marketing „Netzwerkexperten schätzen, dass jeder Erwachsene mit 500 bis 1.000 Personen soziale Kontakte pflegt. Jeder dieser Bekannten verfügt ebenfalls über 500 bis 1.000 Kontakte. Rein theoretisch stehen jedem also über die Netzwerke der Kunden und Bekannten rund 1 Mio. Kontakte zur Verfügung, die dazu genutzt werden können, die eigenen Ziele zu erreichen.“532 529 Ebenso setzt Dannenberg Vertrieb und Verkauf gleich, vgl. Dannenberg, (Vertriebsmarketing), 2001, S. 21. 530 Vgl. Homburg, (Marketingmanagement), 2020, S. 942, 985. 531 Die Definition für Distributionspolitik: Backhaus; Voeth, (Industriegütermarketing), 2014, S. 270. 532 Kippes, (Beziehungsmarketing), in: Immobilien Praxis & Recht, 11/1999, S. 6.

6.2 Marketinggrundlagen für den Vertrieb 

 433

Die Basics der Verkaufsarbeit können durch Theoreme des Marketing verstärkt bzw. optimiert werden. Die Art, wie Kunden von Unternehmen angesprochen und betreut werden und wie Akquisitionsstrategien in strategische Unternehmensplanung eingepasst werden, hat sich gewandelt. Neue Denkweisen und Methoden des Marketing sowie die Beziehungsferne der Digitalisierung lassen Verkaufen zur Kunst werden. Neue Marktphilosophien etablieren sich im Vertrieb. Wichtige, grundlegende Konzeptionen werden im Folgenden dargestellt. Deal-based-Selling kann als Ausgangsbegriff genommen werden. Diese Verkaufseinstellung gilt z. B. als Merkmal des Investment Bankings.  Sie charakterisiert einen Transaktionsansatz des Verkaufs.533 Das Verkäuferinteresse richtet sich auf einmalige Auftragsgewinnung, ohne Blick auf eine langfristige Kundenbeziehung. So drängt der Transaktionsansatz beide Partner zum kurzfristigen Durchsetzen eigener Interessen. Transaktionsmarketing kann als ein Wechselspiel einseitiger Vorteilsgewinnungen verstanden werden. Am Ende gewinnt niemand. Diese Haltung führt nicht zum Aufbau guter Geschäftsbeziehungen. In gesättigten Märkten hat dieses Verteilungsmodell des Verkaufs534 daher wenig Erfolgschancen. Grundlage erfolgreicher Geschäftsabschlüsse sind gute persönliche Beziehungen zwischen Käufer und Verkäufer. Diese werden zur notwendigen, aber nicht hinreichenden Voraussetzung für Kundenzufriedenheit und dauerhafte Kundenbindung. Abbildung  6.3 stellt Merkmale des konventionellen, transaktionalen Verkaufsansatzes denen des Relationship-Marketing gegenüber.535 Die Relationship­Theorie nach Berry et al. (1983) beruht auf folgenden Gedanken: – Im Konsumgüterbereich sind Veränderungen (u. a. durch europäische Marktöffnungen) im Fluss, dass Markenartikelhersteller und Handel ihre Ziele im Endkundengeschäft gemeinsam anstreben müssen. Gefragt sind Philosophien für vertrauensschaffende und betriebswirtschaftlich erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Lieferanten und Kunden. – Für Direktvertrieb unter Geschäftsleuten (B2B-Marketing) bedeutet der Relationship-Ansatz mehr als „alter Wein in neuen Schläuchen“. Während früher Geschäftsabschlüsse stark auf „wining and dining“ 533 Doerig, (Universalbank), 1996, S. 61. 534 Nach Kotler das Merkmal der Verkäufermärkte: vgl. noch einmal Kotler; Keller; Bliemel, (Marketing-Management), 2007, S. 20–21. 535 Quelle: in Anlehnung an Wehrli, Wirtz: (Relationship Marketing), in: ASW, Sondernummer Oktober 1996, S. 26. Heute wird von Customer Relationship Management gesprochen. Man geht davon aus, Beziehungen bewusst gestalten zu können.

Transaktionsmarketing kann als Stop-and-goVerkaufen verstanden werden: Den Kunden anhauen, umhauen, abhauen!

434 

 6 Vertriebspolitik

Transaktionsorientiertes Marketing –

Ziel

– –

Paradigma

– – – – –

Kundenverständnis



Marktsicht

– – – –

Marketingverständnis

Relationship Marketing

Kurzfristziele, möglichst viele und schnelle Verkaufsabschlüsse Es wird nur von Transaktion zu Transaktion gedacht



Mass Production, Economies of Scale: Fertigung lenkt Kunden Standardisierte Leistungen sind wichtig (Kosteneffizienz) Verkäuferbild: Hunter Bild des anonymen Kunden Bild der Laufkundschaft Verkäufer hängt nicht vom Kunden ab Geschäfte erhalten ihre Wertigkeit durch Produkte und Profite Priorität für Neukundengewinnung Produktqualität entscheidend Kundenkontakt als Episode Standardisierte Verkaufsargumentationen reichen aus





– – – – – – – – – –

Kernziel: langfristige Geschäftsbeziehungen durch Kundenloyalität Langfristige Wertgenerierung durch Kundenbindung und WIN-WIN Customized Production, Economies of Scope: Kunden lenken Fertigung Individualisierte Leistungen sind wichtig (Kundenbindung) Verkkäuferbild: Farmer Bild des individuellen Kunden Bild des Kunden als Partner Verkäufer und Kunde stehen in wechselseitiger Abhängigkeit Geschäfte erhalten ihre Wertigkeit durch Problemlösungskompetenz Priorität für Wertsteigerungen in bestehenden Beziehungen Kundenzufriedenheit entscheidend Kundenkontakt als kontinuierlicher Prozess Individualisierter Dialog mit Kunden

Abbildung 6.3: Gegenüberstellung transaktionsorientiertes und Relationship Marketing.



beruhten, müssen heute hochqualifizierte, zunehmend akademisch ausgebildete Einkäufer und Verkäufer persönlichen Interessen mit betrieblichen Zielvorgaben und Compliance-Regeln in Einklang bringen. Geschäftsbeziehungen sind sensibler geworden. Auf der anderen Seite kann sich Zusammenarbeit mit Abnehmern eng vertiefen, dass der Kunde mit Fertigungsressourcen Teil des eigenen Wertschöpfungsprozesses wird. Die Wertschöpfungsprozesse von Anbieter und Kunde integrieren: „Customer Integration – von der Kundenorientierung zur Kundenintegration“,536 Im stationären Verkauf (Ladengeschäft) sollten Verkäufer erreichen, dass Kunden bevorzugt Folgekäufe vornehmen, wenn sich vertrauensvolle Beziehungen entwickelt haben. Die Beziehungsbildung ist in vielen Segmenten des Einzelhandels gut möglich, z. B. beim Verkauf von Autos, Möbeln, Elektrogeräten, Film und Foto, Getränke-Shops, Computer und bei Bekleidung. Zielsetzung: Laufkundschaft zu Beziehungskundschaft entwickeln.

Das, was in Marketing hineinstrahlt, steht in enger Beziehung mit persönlichen Werten, wie die folgende Definitionskette zeigt:

536 Vgl. Kleinaltenkamp, (Customer Integration), 1996, S. 13 ff.

6.2 Marketinggrundlagen für den Vertrieb 



– –







 435

Geschäftskontakt: Unter einem Kontakt verstehen wir eine persönliche oder unpersönliche Berührung von mindestens zwei Personen, bei denen eine Interaktion erfolgt. Geschäftsbeziehung: Personen sind sich bewusst, dass sie durch berufliche Ziele, Interessen oder Aufgaben verbunden sind. Relationship Marketing „is marketing based on interaction between networks of relationships.”537 Eine ausführliche Definition: “Relationship Marketing umfasst sämtliche Maßnahmen der Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle, die der Initiierung, Stabilisierung, Intensivierung und Wiederaufnahme sowie gegebenenfalls der Beendigung von Geschäftsbeziehungen zu den Anspruchsgruppen  – insbesondere zu den Kunden  – des Unternehmens mit dem Ziel des gegenseitigen Nutzens dienen.“538 Beziehungsmanagement ist die „konsequente, aktive Analyse und Gestaltung von Geschäftsbeziehungen zwischen zwei Geschäftspartnern, ... eine auf spezifische Beziehungsziele des Unternehmens ausgerichtete „Außenpolitik“, ... die geeignet ist, Kompetenzen für das Unternehmen aufzubauen, die Wettbewerbsvorteile begründen können.“539 Partnerschaftsmanagement bedeutet behutsame und dauerhafte Beziehungspflege in der Weise, dass beiden Partnern (in der Regel unausgesprochen) die Vorteile und Nachteile der Beziehung bewusst sind und dass ihnen daran gelegen ist, die Vorteile auszubauen. Ziel: Win-Win-Situation. Geschäftsfreundschaft entsteht, wenn sich geschäftliche Beziehungen von Arbeitgeberinteressen löst. Die Beziehung wird vorrangig in die Privatsphäre verlegt.

Zwischenmenschliche Beziehungen prägen private wie auch geschäftliche Netzwerke.540 Hinter jedem Geschäftsfreund können 1000 weitere, interessante und nutzbare Kontakte stehen. Von Netzwerkpartnern erhält man Informationen. Man wird weiterempfohlen und kann sich bei eigenen Geschäften auf Beziehungen berufen. Beziehungen schaffen Vertrauen und bieten Sicherheit. Aus diesen Gründen werden Geschäftsbeziehungen verstärkt langfristig bewertet. Bisweilen verzichtet der Anbieter auf kurzfristige Preisvorteile, um Kunden längerfristig zufrieden zu stellen. 537 Gummesson, (Relationship Marketing), 2006, S. 3. 538 Bruhn, (Relationship Marketing), 2009, S. 10. 539 Becker, (Marketing-Konzeption), 2009, S. 628. 540 Zum Aufbau von Beziehungsnetzwerken vgl. Kippes, (Beziehungsmarketing), in: Input, 3/1999, S. 38–41.

„Beziehungsmanagement ersetzt Verkaufen.“ (Geffroy, (Kunde), 2005, S. 49)

436 

 6 Vertriebspolitik

Vier Prinzipien sind zu beachten, damit gute Geschäftsbeziehungen enstehen:541 (1) Nach dem Integrationsprinzip wächst Partnerschaft aus gemeinsamen Problemlösungen, die wirklich Kundennutzen schaffen. Es geht daher darum, Vertrauen in Kompetenzen aufzubauen, damit sich ein Kunde auf den Lieferanten einlässt. (2) Das Führungsprinzip verlangt eine einvernehmliche Atmosphäre der Zusammenarbeit. Der Anbieter darf Fäden der Geschäftsbeziehung in der Hand behalten. Die Partnerschaft leidet aber, wenn sie zum Machtspiel wird. (3) Das Verrechnungsprinzip fordert von guten Partnern eine angemessene und gerechte Abgeltung aller Teilleistungen. Die „Bilanz“ zwischen Partnern muss ausgeglichen sein, damit sie langfristig Bestand hat. (4) Das Adaptionsprinzip legt Geschäftspartnern einen Mittelweg zwischen flexiblen Veränderungen und einer Kontinuität in den die Geschäftsbeziehung prägenden Elementen nahe.

„Lieber kurzfristig Geld verlieren als das Vertrauen der Kunden.“ (Rainald Mohr, Robert Bosch GmbH, zit. in ASW, Marken 2009, S. 118)

Beziehungspflege lässt sich nicht standardisieren oder gar automatisieren. „Wird eine Beziehung gemänätscht, dann ist sie auch schon tot.“542 Wo liegen die Soft Skills, die eine Beziehung wirklich erfolgreich machen? Belz formuliert in Abbildung 6.4 sechs Voraussetzungen (Erfolgsfaktoren) für gute Beziehungen: SECHS ERFOLGSFAKTOREN FÜR GUTE GESCHÄFTSBEZIEHUNGEN Vertrauen

Kontinuität und Verlässlichkeit, Stimmigkeit, Fairness und Sicherheit, Transparenz, Offenheit und Ehrlichkeit. Vertrauensbruch gefährdet jede Beziehung.

Sympathie

Affinität, persönliche Nähe, Freundlichkeit, übereinstimmende „Chemie“ der Partner, Individualität in einer Beziehung.

Anerkennung

Persönliche Akzeptanz, Bestätigung, Wertschätzung durch den Partner.

Gegenseitigkeit

Gemeinsame Interessen, Kooperation, Absichtslosigkeit und des Partnerinteresses, ausgewogenes Engagement beider Partner, Dialog und Lebendigkeit, Flexibilität, Großzügigkeit, Abhängigkeit und Unabhängigkeit (in einzelnen Beziehungen und Beziehungen zu Gruppen), Balance von „Geben“ und „Nehmen“.

Intensität

Interaktionshäufigkeit und Kontinuität. Beziehungen dürfen nicht „einschlafen“.

Kompetenz

Fachliche Unterstützung, Realitätsbezug, positive Erfahrungen und herausragende Problemlösungen, kompetente Bewältigung von „Critical Incidents“.

(Quelle: Belz, (Geschäftsbeziehungen), 2000, S. 250)

Abbildung 6.4: Sechs Erfolgsfaktoren für gute Geschäftsbeziehungen.

541 Vgl. Tomczak, (Relationship-Marketing), 1994, S. 200–205. 542 Ausspruch eines Managers auf der CRM-Expo 2001.

6.2 Marketinggrundlagen für den Vertrieb 

 437

Wenn heute CRM als Weg zur Optimierung von Geschäftsbeziehungen propagiert wird, dann werden Vorleistungen negiert, die das Relationship Marketing erbracht hat. Bedauerlicherweis hat es die Marketing-Wissenschaft zugelassen, dass aus Beziehungs-Marketing ein Beziehungs-Management geworden ist. Es ist dem klassischen Marketing nicht gelungen, die Idee des Relationship-Marketing in Massenprozesse zu übertragen. Das klassische Marketing hat die Macht der IT-Systeme, die Notwendigkeit zur Kostenorientierung und die Möglichkeiten des Internet unterschätzt. Ein Kundenkarten-System wie die Deutschlandkarte muss 100 Mio. Kundentransaktionen p. a. bewältigen. Das Relationship-Marketing blieb darauf beschränkt, Kundenorientierung herbeizupredigen und die schöne Welt des „der Kunde ist König“ zu beschreiben. CRM liefert jetzt die Instrumente, um Kunden- und Kostenorientierung in Einklang zu bringen und die Qualität von kundenbezogenen Massenprozessen zu sichern. So wurde aus Beziehungs-Marketing ein Beziehungs-Management.

6.2.2 Networking über Social Media Das Thema Beziehungsmanagement hat in den letzten Jahren durch soziale Netzwerke enormen Aufschwung erfahren. Bereits 2003/2004 sind in Verbindung mit dem Begriff Web 2.0 Wikis, Chats, Blogs, Foren und Communities entstanden, in denen sich Interessenten wie Stammkunden, Markenfans und -gegner äußern und austauschen konnten. Das Überraschende war, dass die Menschen im Internet viel mehr private Details offenzulegen bereit sind, als dies Datenschützern lieb ist. Im Sinne der Web 3.0-Idee sollen Kunden jetzt auch stärkeren Einfluß auf das Marketing nehmen (dezentrales Web). Aus diesen Ideen heraus entwickelten sich soziale Netzwerke mit Freunden, Fans, Follower und Suscriber: Im Januar 2004 programmierte der 19jähriger Student Mark Zuckerberg einen Software-Code, der die Vorläufer der beziehungssteuernden Web-Tools um das Jahr 2010 in die Social Media führte. Er entwickelte eine Website namens thefacebook.com, deren Mitgliedschaft auf Harvard-Studenten beschränkt war. Die Beschreibung der Funktionalitäten, Möglichkeiten und Grenzen für persönliche Auftritte in den sozialen Plattformen Facebook, Instagram, TikTok, LinkedIn, Xing, Twitter und Co. kann Bücher füllen. Ganz zu schweigen von der Zukunft des Metaverse. Bei den Ausführungen zu Vertrieb und Verkauf werden unternehmensbezogenen Belange von Social Media beleuchtet. Aus Kommunikationssicht wird Social Media Marketing im Kapitel 7 noch einmal aufgegriffen.

Lady Gaga hat 80,7 Mio. Follower bei Twitter, 39 Mio. auf Instagram und 56,1 Mio. Fans bei Facebook!

438 

 6 Vertriebspolitik

Wesentliche Merkmale von Social Media sind: – „Soziale Medien sind Angebote im Internet, die es Nutzern ermöglichen, sich untereinander auszutauschen, Inhalte zu teilen und selbst Inhalte zu erstellen.“543 – Als Instrumente der Social Media werden nach McKinsey zehn Anwendungen unterschieden: (1) Soziale Netzwerke, (2) Microblogs (Twitter), (3) Media- und File-Sharing, (4) Wikis, (5) Diskussionsforen, (6) Blogs, (7) Social Gaming, (8) Social Commerce, (9) Bewertungsseiten, (10) Monitoring-Tools. – Social Media Monitoring umfasst die Identifikation, Beobachtung und Analyse von benutzergenerierten Inhalten in sozialen Netzwerken zu Marktforschungszwecken. Als Netzwerktool wird Social Media in sieben Bereichen diskutiert: (1) als klassische Netzwerk- und Verbindungsplattform, (2) als Diskussionsplattform, (3) als Veröffentlichungsplattform, (4) als Plattform zum Teilen von Inhalten, (5) als Plattform zur Weitergabe und Nutzung ortsbezogener Informationen, (6) als Handels- und Verkaufsplattform, (7) als Spiel-Plattform. Wie nutzen Vertrieb und Verkauf diese Netzwerke: – Social Media als Informations­ und Werbestrategie: Ein Social Media Microblogging-Dienst wie Twitter ermöglicht es, Interessenten und Kunden via Tweets (Kurz-Nachrichten mit maximal 280 Zeichen, vor 2017: 140 Zeichen) über neue Produkte oder Events zu informieren, zu Gewinnspielen zu animieren oder durch Links zu den E-Shops hinzuführen. An die Stelle der Macht der Werbung tritt die Macht der Influencer. – Social Media als Community Strategie: Nicht nur Privatpersonen haben Auftritte in sozialen Medien, auch Unternehmen. Im weltweiten Maßstab vereinen Coca-Cola, Mc Donald’s oder Nestlé ihre Fans auf ihren Plattformen und pflegen eine lebendigen und kreativen Dialog. Social Media wird zum Kundenbindungskanal. – Webgestützte Networking­Strategie: Verkäufer bauen sich durch beruflichen und privaten Kontakte Beziehungsnetze auf. Diese werden zunehmend arbeitsrechtlich durch Compliance-Regeln reglemen-

543 Bernecker; Beilharz, (Social Media), 2012, S. 24.

 439

6.2 Marketinggrundlagen für den Vertrieb 



tiert (die es z. B. einem Einkäufer untersagen, in den sozialen Netzwerken berufliche Äußerungen über seine Firma zu machen). Wenn Verkäufer einen Kunden besuchen, dann studiert er vorher dessen Profil auf LinkedIn oder Twitter. Social Media getragene Internet­Verkauf: Verkauf indirekt (per Link auf einen klassischen E-Shop) oder direkt (Social Media Store) auf den sozialen Plattformen (S-Commerce bzw. F-Commerce).

ZIELE DER UNTERNEHMEN BEI DER NUTZUNG DER SOCIAL MEDIA

82.0

1. Bekanntheit steigern

72.0

2. neue Kunden gewinnen

68.0

3. Beziehungspflege

42.0

4. Image verbessern

32.0

5. Beziehungspflege Multiplikatoren

31.0

6. Marktforschung

23.0

7. neue Mitarbeiter gewinnen

15.0

8. Zusammenarbeit mit Partnern 0

10

20

30

40

50

60

70

80

(Von 723 befragten Unternehmen haben genannt ... (in Prozent)) (Quelle: Bitkom, Computerwoche, 21/2012, S. 7)

Abbildung 6.5: Ziele der Unternehmen bei Nutzung von Social Media.

Eine Befragung von 723 Unternehmen durch die Bitkom belegte bereits vor Jahren die überragende Bedeutung von Beziehungspflege-, Bekannt­ heitssteigerungs- und Kundengewinnungszielen, die die Unternehmen mit ihren Auftritten in den Netzwerken verfolgen (siehe dazu Abbildung 6.5). Durch den Mitmacheffekt erhält der Einfluß der Konsumenten auf das Anbietermarketing eine neue Qualität. Social Media Monitoring Tools scannen Kundenäußerungen (Posts, Reels, Storys, Tweets, Kommentare) zu Verkäufern, Produkten, Marken oder Unternehmen in den Social Media routinemäßig und bereiten die Daten auf. Eine Sentiment­Analyse bestimmt die Stimmungen und Valenzen der Kommentare (positiv, negativ, bedrohlich u. a.). So kann ein Unternehmen versuchen, gezielt positive Meinungstrends zu verstärken oder negativen entgegenzuwirken. Beim Social CRM werden die aufgespürten Social Media-Kontakte an ein CRM-System übergeben, so dass großzahlig

90

440 

 6 Vertriebspolitik

individualisierte Kampagnen an Freunde oder Gegner adressiert werden können. Klassische Intranets werden durch hochflexible firmeninterne Community-Anwendungen abglöst (z. B. Chatter von salesforce.com). Dadurch lässt sich Beziehungsarbeit mit Mitarbeitern und Vertriebspartnern deutlich verstärken. Im gewerblichen Marketing erhalten auch geschlossenen Social Media Communities Bedeutung. Registrierte Experten und Kunden beraten sich untereinander, tauschen Erfahrungen aus oder entwickeln zusammen mit dem Unternehmen neue Ideen. Da geht es nicht um private Themengebiete und Fotos, sondern um das Teilen und Kreieren seriöser geschäftlicher Informationen. So ensteht Crowd Sourcing (Erfolgsbeispiel Cisco). Vielfach sehen Messagig und Collaboration-Systeme wir MS Teams und Slack bereits vor, neben den geschlossenen internen Diskussionen auch ausgewählte externe Experten fallweise zu integrieren.

6.2.3 Faktoren der Kundennähe Der Kunde hat zwei Telefone auf dem Schreibtisch: eines mit einer Leitung zu Ihnen und eines mit einem direkten Draht zur Konkurrenz. Zu welchem Telefon wird er greifen? Kundennähe bedeutet: Schon in der Leitung zu sein, wenn der Kunde bestellen möchte. (PW)

Kundennähe gilt als Marketingziel Nr.1 mit dem persönlichen Verkauf im Mittelpunkt (vgl. Hinweis in: ASW, 1/2004, S. 48).

Kundennähe wurde bereits vorher als einer der drei Grundbausteine der Kundenorientierung vorgestellt. Beziehungen und Bindungen entwickeln sich aus einer Nähe heraus. Dabei muss Nähe keinesfalls immer körperliche Nähe bedeuten. Es reicht, dass ein Lieferant dem Kunden dauerhaft positiv in den Gedanken präsent ist. Nach Abbildung 6.6 bestimmen vier Faktoren die Intensität der vom Kunden empfundenen Nähe: (1) Ein Direktkontakt durch Außen- Innendienst oder Kundendienst gilt als Königsweg der Kundennähe. Dann sieht der Außendienstmitarbeiter jedes Stirnrunzeln des Kunden. Das Prinzip der persönlichen Kundennähe sollte auch von Innendienst und Anwendungstechnikern verinnerlicht werden. Seit der Corona-Pandemie können auch Videogespräche eine Nähe zu Kunden erzeugen. Der Begriff Hybrid Selling ist Ausdruck der Digitalisierung im Vertrieb. (2) Die vom Marketing beenflusste Kundennähe schafft Nähe und Erinnerung durch besondere und idealerweise einzigartige Ereignisse. Das i-Tüpfelchen ist Kundennähe durch die Marke. Messe- und Eventeinladungen wie auch Kundenschulungen könnten dem Erfolgsfaktor Direktkontakt zugeordnet werden. Im Rahmen der Digitalisierung geht es darum, Internetkontakte so auszugestalten, dass sich Kunden individuell mit Wünschen und Sorgen angesprochen und betreut fühlen. (3) Gemeinsame Aufgaben und Erfolge verbinden. Hierzu zählen gemeinsame Produktentwicklungen oder Marktforschung. (4) Im Fall von Customer Integration werden gemeinsame Aufgabenerfüllungen institutionalisiert.

6.2 Marketinggrundlagen für den Vertrieb 

– • – – –

– – – –

FAKTOR DIREKTKONTAKT: Außendienstbesuche Video-Calls, -besuche Chefbesuche Innendienstbesuche Integrierte Auftragsabwicklung

FAKTOR VERFLECHTUNG: gemeinsame Patente gemeinsame Joint Ventures gemeinsame Verbandsarbeit EDI, EDIFACT

Faktoren der Kundenähe

– – – –

 441

– – – – – –

FAKTOR PROMOTION: Messeeinladungen Event beim Kunden Werbegeschenke Kundenzeitung Katalog für Kunden Chatgruppe

FAKTOR GEMEINSAME AUFGABEN: Musterüberlassung gemeinsame Produktentwicklung Kundenschulung gemeins. Messestand

Abbildung 6.6: Faktoren der Kundennähe.

Erst durch Kundennähe lässt sich Kundenzufriedenheit erzielen und beeinflussen.

6.2.4 Kundenzufriedenheit Zufriedene Kunden sind treue Kunden. Die Forderung nach Kundenzufriedenheit beruht auf Hypothesen und Erfahrungen:544 – Zufriedenen Kunden ist es lästig, nach neuen Einkaufsquellen zu suchen. – Wegen 5 Prozent Preisunterschied lösen Kunden eine langjährige Geschäftsbeziehung nicht, wenn sie ansonsten zufrieden sind. – Zufriedene Kunden bleiben ihrem Lieferanten treu. Bringt ein Neukunde in der Akquisitionsphase noch Verluste, so stellen sich positive Deckungsbeiträge erst mit den Jahren ein. Es ergibt daher keinen Sinn, einen Autokäufer nach seinen einmaligen Jahresausgaben

544 Diverse, z. T. auch widersprüchliche Quellen in ASW, MM, HBR, PM-Beratungsbrief, acquisa und anderen Quellen, die sich jeweils auf andere Studien berufen. Vgl. z. B. die Darstellung der Auswirkungen von Kundenzufriedenheit auf den langfristigen Geschäftserfolg in: o. V., (Erfolg), in: PM-Beratungsbrief, v. 28.5.1996, S. 5.

442 

– –

Aber Achtung: der Vergleich hinkt, denn jeder Stammkunde war auch ein Neukunde.

– –



 6 Vertriebspolitik

für einen Neuwagenkauf zu bemessen. Vielmehr stellt sich seine Kaufkraft als Kundenlebenszyklus-Potenzial dar.545 Zufriedene Kunden sprechen Empfehlungen (Referenzen) für ihre Lieferanten aus (Referenzmarketing). Ein zufriedener Kunde teilt durchschnittlich 3 Personen seine positiven Erfahrungen mit. Ein unzufriedener Kunde gibt seine negativen Erfahrungen an durchschnittlich 11 Personen weiter.546 Nur 30% unzufriedener Kunden beschweren sich aktiv.547 Die Zahlen schwanken beträchtlich, aber es wird behauptet, dass es 5 bis 8 mal so teuer sei, einen neuen Kunden zu gewinnen, als einen Stammkunden zu halten (Achtung: Das gilt nur für kurzfristige Neukundengewinnungskampagnen). Jedoch: Ein Anlass zur Unzufriedenheit kann langjährige Bemühungen um Kundenzufriedenheit auf einen Schlag zunichte machen. Verärgerte Kunden erzählen negative Erlebnisse im Bekanntenkreis weiter. Vor allem werden Kunden misstrauisch.

Tabelle 6.1 listet die Bereiche mit hoher Zufriedenheit auf. Tabelle 6.1: Ranking der Globalzufriedenheit des Kundenmonitor Deutschland.548 Branche Optiker Kontaktlinsen-Anbieter Drogeriemärkte Lebensmittellieferdienste Video- und Filmportale Hörgeräte-Akustiker Paketdienste Postfilialen Lebensmittelmärkte Fitnessstudios

Bewertung 1–6 1,82 1,84 1,85 1,96 2,01 2,04 2,05 2,06 2,07 2,07

545 Vgl.  Meister/Meister, (Kundenzufriedenheit), 1998, S.  9 mit Bezug auf den Wartungs- und Reparaturbereich eines Autohauses: Der Gewinn eines über vier Jahre treuen Kunden ist mehr als dreimal so hoch wie im ersten Jahr. 546 Vgl. Meister/Meister, (Kundenzufriedenheit), 1998, S. 14 unter Bezug auf eine Studie des Technical Assistance Programs. 547 Ein Ergebnis der GfK-Zufriedenheitsforschung: vgl.  o. V., (Servicewüste), in: Landshuter Zeitung v. 7.9.1998. 548 Quelle: www.kundenmonitor.de, 2021, n = 28.444, ab 16 Jahre.

6.2 Marketinggrundlagen für den Vertrieb 

 443

Ein Nachteil der Kundenzufriedenheit (um jeden Preis) muss im Blick behalten werden: „Zufriedene Kunden sind teuer. Der Kunde wünscht noch dieses und jenes, er erwartet zahlreiche persönliche Gespräche mit dem Verkäufer und fordert dann als langjähriger Stammkunde einen beträchtlichen Rabatt. Ergebnis: Der Kunde ist glücklich, aber das Unternehmen hat nur Geld gewechselt und keinen Pfennig am Auftrag verdient.“549 Wann ist ein Kunde zufrieden? Zwei Zufriedenheitsformen sind zu unterscheiden: (1) Kaufzufriedenheit/transaktionale Kundenzufriedenheit: Kundenzufriedenheit ist das Ergebnis eines komplexen psychischen Vergleichsprozesses: „Der Kunde vergleicht seine wahrgenommenen Erfahrungen nach dem Gebrauch eines Produktes oder einer Dienstleistung, die so genannte Ist-Leistung, mit den Erwartungen, Wünschen, individuellen Normen oder einem anderen Vergleichsstandard vor der Nutzung.“550 Die transaktionale Zufriedenheit bezieht sich auf einen Kaufakt, ist also eine zeitpunktbezogene und kurzfristige Zufriedenheit. (2) Die Beziehungszufriedenheit/dynamische Zufriedenheit beruht auf der Zufriedenheit eines Kunden mit seinem Lieferanten über den Zeitraum der Geschäftsbeziehung. Man kann auch von Kundenlebenszyklus-Zufriedenheit sprechen. Diese bewirkt Kundenloyalität, wenn (gelegentliche) Kauf-Unzufriedenheiten die Beziehung als Ganzes nicht gefährden. Beim Kauf eines Sachgutes bzw. bei Inanspruchnahme einer Dienstleistung nimmt der Kunde einige Abgleiche vor (Confirmation-Disconfirmation-Paradigma  – zuweilen auch Expectation-Disconfirmation-Paradigma genannt, grafisch in Abbildung 6.7 dargestellt): Zunächst entwickelt der Kunde Kauferwartungen; abhängig von551: – seinem persönlichen Anspruchsniveau, – dem Image des Anbieters bzw. des Leistungsangebotes, – dem Leistungsversprechen des Anbieters (Werbung, Produktbeschreibung), – seiner Kenntnis über Kaufalternativen.

549 Betz, (Kundenmanagement), in: acquisa, 3/1998, S. 76. 550 Aus einer älteren Auflage: Homburg; Rudolph, (Perspektiven), 1997, S.  33; eine Auseinandersetzung mit der „Worthülse“ Kundenzufriedenheit findet sich bei Brendl, (Wandel), 1997, S. 139–140. 551 Vgl. zu diesem Pardigma Nieschlag et al., (Marketing), 2002, S. 117–1173.

444 

 6 Vertriebspolitik

Diese Erwartungen wird er nach dem Kauf abgleichen mit – seinen allgemeinen Erfahrungen mit dem Produkt, – der Grad der für ihn relevanten Problemlösung, – seiner Wahrnehmung des zukünftigen Problemlösungspotenzials des Produktes (Welche Problemlösungsmöglichkeiten bietet das Produkt noch?). Wahrgenommene Leistung (ISTLeistung)

Vergleichsstandard (SOLL-Leistung)

Vergleichsprozess

ISTSOLL Konfirmation

Positive Diskonformation

Zufriedenheit

Abbildung 6.7: C-D-Paradigma.552

Der Abgleich zwischen Erwartungen und Erfahrungen bestimmt das Zufriedenheitsniveau. Wie lässt sich dieses messen? Die Frage „Sind Sie mit uns, bzw. mit unserem Produkt, zufrieden“ ist naiv. Es kann von keinem Käufer (Konsumenten) verlangt werden, sich auf eine direkte Frage nach der Zufriedenheit euphorisch zu äußern. Welcher Einkäufer gibt z. B. freiwillig zu, dass er mit einem Preis zufrieden ist. Die Kundenantworten wären nicht valide. Das Niveau der Kundenzufriedenheit muss also indirekt messbar gemacht werden. Die Messung der Kundenzufriedenheit ist in der Praxis kompliziert. Zum einen ist Kundenzufriedenheit ein individuell wirkendes und instabiles Phänomen. Zum anderen haben Menschen Probleme, ihre Zufriedenheit zu bewerten und sich diesbezüglich zu artikulieren. Ein spezieller Umstand gilt in B2B, wo Einkäufer ihren Lieferanten gegenüber Zufrie-

552 Quelle: Homburg et al., (Marketingmanagement), 2020, S. 46.

6.2 Marketinggrundlagen für den Vertrieb 

 445

denheit nicht gerne zeigen. In der Praxis werden verschiedene Methoden eingesetzt, eingeteilt in: – Objektive Verfahren (faktengestützt) setzen nicht direkt an der Zufriedenheit an. Sie messen eine Kundenzufriedenheit anhand von kritischen Ereignissen (z. B. Kundenbeschwerden, Rücksendungen) oder Erfolgsgrößen der Geschäftsentwicklung (z. B. Anteil Stammkunden am Kundenbestand, Wiederkaufraten, Folgeprojekte). – Subjektive Verfahren (urteilsgestützt) gründen sich auf Erhebungen. Die direkten Befragungen er fragen Zufriedenheiten von Kunden anhand von wenigen Schlüsselfragen. Bei indirekten Erhebungen wird der Zufriedenheitsbegriff nicht explizit angesprochen. Man untersucht Erfüllungsgrade von Kundenerwartungen oder zieht Rückschlüsse aus effektiven oder beabsichtigten Wiederkäufen oder Kaufempfehlungen. Oft arbeitet die Praxis mit selbstentwickelten Fragebögen, in denen der Befrager nach eigenem Maßstäben Zufriedenheitsfaktoren vorgibt, von denen er glaubt, dass sie die Kundenzufriedenheit bestimmen. Weder weiß er, wie wichtig dem Kunden diese Leistungsmerkmale sind, noch kennt er die Wirkungsstärke dieser Attribute auf die Zufriedenheit seines Kunden.553 Homburg gebührt der Verdienst, in einer varianzanalytischen Praxisstudie den Einfluss allgemeiner Zufriedenheitskriterien auf statistische Signifikanz geprüft zu haben.554 Seine Untersuchung geht speziell auf die dynamische Kundenzufriedenheit ein. Die dynamische Zufriedenheit des Kunden mit einer Geschäftsbeziehung wird nach Homburg auf oberster Ebene von den 2 Kundenzufriedenheits-Dimensionen Leistungsangebot und Interaktionsverhalten mit dem Kunden bestimmt. Auf einer zweiten Ebene werden 7 Kundenzufriedenheitsfaktoren gleichgewichtet bewertet:555 (1) Produkt­ und Dienstleistungsqualität, (2) Qualität der kundenbezogenen Prozesse (z. B. Auftragsabwicklung), (3) Flexibilität im Umgang mit dem Kunden (z. B. Änderung von Lieferzeiten), (4) Qualität der Beratung durch Verkäufer (Verkäuferkompetenz), 553 Diese merkmalsorientierte Vorgehensweise wird z. B. kritisiert bei Meister/Meister, (Kundenzufriedenheit), 1998, S. 63–72: „Merkmalsorientierung vernachlässigt die Kundensicht“ (S. 67). 554 Vgl. hierzu und im Folgenden: Homburg, (Kundennähe), 2000, S. 99 ff. 555 Vgl. Homburg, (Kundennähe), 2000, S. 116.

446 

 6 Vertriebspolitik

(5) Offenheit im Informationsverhalten gegenüber dem Kunden, (6) Offenheit für Kundenanregungen und für die Zusammenarbeit mit dem Kunden (wie werden Kundenvorschläge und  –beanstandungen ernstgenommen und umgesetzt?), (7) Kundenkontakte durch Nicht­Vertriebsleute (auch Geschäftsleitung). Diese gliedern sich in 29 Kundenzufriedenheits-Indikatoren auf, von denen 26 in der Abbildung 6.8 enthalten sind. Das Schema von Homburg wurde im Befragungs-Auswertungsbogen der Abbildung 6.8 leicht modifiziert. Dies hat sich bei Befragungen mittelständischer Unternehmen bewährt. Die Auswertung gibt die Zufriedenheitsurteile eines einzelnen Kunden wieder. Das aus der Meinung des befragten Kunden resultierende Zufriedenheitsurteil (Einzelurteil) liegt im Beispiel mit einem gewichteten Zufriedenheitsindex von 65% im oberen Mittelfeld. Zufriedenheitswerte sagen nur in Relation zueinander und im Vergleich zur Konkurrenz etwas aus. Was bedeutet eine hohe Kundenzufriedenheit, wenn der Kunde mit einem Hauptwettbewerber noch zufriedener ist? Die Urteile mehrerer Kunden müssen rechnerisch zusammengefasst werden. Üblicherweise geschieht dies durch Mittelwertbildung. Entscheidend für den Erfolg der Befragung ist es, die 26 Zufriedenheits-Indikatoren dem Kunden auf einem Fragebogen in der richtigen Frageform nahezubringen. Der Kunde sieht den Fragebogen; nicht aber den Auswertungsbogen der Abbildung 6.8 Eine hohe Kundenzufriedenheit bietet 5 unternehmerische Potenziale:556 (1) Perspective: die enge und langfristige Kundenbeziehung nützt dem Unternehmen für die Weiterentwicklung der eigenen Angebote und Leistungen, neben der internen Sichtweise hält damit immer auch eine externe Sichtweise Einzug. (2) Performance: eine kontinuierliche Messung der Zufriedenheit kann für Optimierungen im Angebot genutzt werden. (3) Price Sensibility: hohe Kundenzufriedenheit offeriert preislichen Spielraum, Kunden reagieren weniger sensibel auf Preisänderungen. Loyale Kunden sind wichtige Umsatzbringer. (4) Potentials: Die Messung von Kundenzufriedenheiten im Vergleich zum Wettbewerb kann das Unternehmen zur Absicherung und zum zielgerichteten Ausbau der Wettbewerbsposition nutzen.

556 Vgl. Fuchs, (Kundenzufriedenheit), 2015, S. 29.

DIMENSION INTERAKTIONSVERHALTEN

(Flexibilität)

(Qualität)

DIMENSION LEISTUNGSANGEBOT

Dimensionen

Abbildung 6.8: Messung der Kundenzufriedenheit in Anlehnung an Homburg. 5

7. Kundenkontakte durch Nichtvertriebsleute

100

5

6. Offenheit für Anregungen, Zusammenarbeit mit Kunden

Su. Gewichtungspunkte

5

5. Offenheit im Informationsverhalten

10

4. Qualität der Verkaufsarbeit

20

40

15

Faktorgewichte

3. Flexibilität im Umgang mit dem Kunden

2. Qualität der kundenbezogenen Prozesse

1. Produkt- und Dienstleistungsqualität

Faktoren

30 70 100

40 30 30 100

30 60 10 100

20 20 30 20 10 100

10 50 20 10 10 100

30 30 20 20 100

30 20 30 20 100

Indikatorgewichte

1.5 3.5 5.0

2.0 1.5 1.5 5.0

1.5 3.0 0.5 5.0

2.0 2.0 3.0 2.0 1.0 10.0

1.5 7.5 3.0 1.5 1.5 15.0

6.0 6.0 4.0 4.0 20.0

12.0 8.0 12.0 8.0 40.0

Gesamtgewicht

Kundenzufriedenheit: erreichte Punkte → Kundenzufriedenheits-Index, ungewichtet (% von Max. 260) →

25) regelmäßige Kundenkontakte durch Management 26) regelmäßige Kundenkontakte durch F&E / Technik

22) schnelle Reaktion auf Kundenanregungen 23) gemeinsame Produktentwicklung 24) gemeinsame Prozessoptimierung / Kostensenkung

19) Informationen über kundenbezogene Maßnahmen 20) frühzeitige Informationen über Produktänderungen 21) Einweihen des Kunden in strategische Überlegungen

14) Verkäuferkompetenz in Bezug auf Kundenanwendung 15) Verkäuferengagement für Kundenprobleme 16) fachliche Qualität der Kundenberatung (Wissenstransfer) 17) Fairness in der Kundenberatung 18) Betreuungskompetenz des Innendienstes

9) Flexibilität in der Preisgestaltung 10) Flexibilität bei technischen Sonderwünschen 11) nachträgliche Produktänd. für Kunden kostengünstig 12) Flexibilität bei Sonder-Terminwünschen des Kunden 13) Flexibilität bei Auftreten unvorhergesehener Probleme

5) Einhaltung von Lieferterminen 6) Einhaltung sonstiger Terminzusagen (z.B. Projekte) 7) störungsfreier Ablauf von Routineprozessen 8) geringer Kundenaufwand bei Routinevorgängen

1) Kundenurteil Produktqualität 2) Kundenurteil Servicequalität 3) Einhalten von Qualitätsanforderungen (Spezifikationen) 4) "Wenigkeit" von Beanstandungen / Reklamationen

Indikatoren

BEISPIEL FÜR DIE MESSUNG DER KUNDENZUFRIEDENHEIT (MIT HILFE DER SCORING-METHODE)

168 65%

7 5 12

gewichtet

70.60%

1.05 1.75 2.80

0.80 1.50 0.30 2.60

1.35 1.20 0.05 2.60

9 4 1 14 4 10 2 16

2.00 1.80 2.10 1.80 0.20 7.90

0.60 3.75 1.80 0.90 1.05 8.10

3.60 4.20 2.80 3.60 14.20

9.60 5.60 10.80 6.40 32.40

gewichtete Bewertungen (auf 100%)

10 9 7 9 2 37

4 5 6 6 7 28

6 7 7 9 29

8 7 9 8 32

Indikatorbewertungen 1 bis 10

6.2 Marketinggrundlagen für den Vertrieb   447

448 

 6 Vertriebspolitik

(5) Persistence: Eine Kontinuität in den Messungen sorgt für ein strukturiertes Monitoring der eigenen Leistung. Nach dem in 1. Kapitel dargestellten Konzept steht Kundenzufriedenheit zwischen Kundennähe und Kundenbindung.557 Es ist keinesfalls sicher, dass zufriedene Kunden ihre Folgekäufe beim gleichen Lieferanten tätigen. Kundennähe, Kundenzufriedenheit und die letztlich für Folgekäufe entscheidende Kundenbindung (mit Kundenloyalität als Form der freiwilligen Bindung) müssen ineinandergreifen. Man spricht von der Erfolgs­ kette der Kundenbindung oder der Wirkungskette des Kundener­ folgs. Anzustreben ist eine Kundenzufriedenheit, bei der sich der Kunde freiwillig und gerne bindet. Führt man die Darstellung der Abbildung 6.7 fort, lassen sich Konsequenzen von Zufriedenheit und Unzufriedenheit gemäß Abbildung 6.9 thematisieren. ISTSOLL Konfirmation

Unzufriedenheit

Positive Diskonformation

Zufriedenheit

Mund-zu-MundPropaganda und Empfehlung Abwanderung

Beschwerde

Wiederkauf

Abbildung 6.9: Wirkungen von Zufriedenheit und Unzufriedenheit.558

Foscht et al. führen die verschiedenen Reaktionen bei Unzufriedenheit zusammen:559

557 Vgl. die bahnbrechenden Ausführungen von Peters; Waterman, (Spitzenleistungen), 2006, S. 255 ff. 558 Quelle: Homburg et al., (Kundenzufriedenheit), 2010, S. 117. 559 Vgl. Foscht et al., (Käuferverhalten), 2017, S. 232 ff.

6.2 Marketinggrundlagen für den Vertrieb 





 449

Nicht­öffentliche Reaktionen: Kunden können im direkten privaten Umfeld negative Weiterempfehlungen aussprechen. Auch wandern Kunden direkt ab und tätigen keine Folgekäufe. Öffentliche Reaktionen: Bestenfalls beschweren sich Kunden beim Anbieter und ermöglichen dadurch eine Bearbeitung der Unzufriedenheit und Nachbesserung. Zudem können sich Kunden negativ über die Produkte und Anbieter äußern, was gerade durch Social Media-Anwendungen deutlich einfacher und weitreichender möglich geworden ist. Kunden können sich an Institutionen wie bspw. Verbraucherschutzorganisationen wenden, die sie bei der Beschwerdeführung unterstützen. Die größte Eskalationsstufe ist die Einleitung rechtlicher Schritte.

Abwanderungen werden unterschieden nach pushed away (Kunden sind mit Leistungen nicht zufrieden), intentionally pushed away (Geschäftsbeziehungen werden aktiv vom Unternehmen beendet, bspw. säumige Zahler und Querulanten), pulled away (Angebot der Wettbewerber ist besser) und broken away (Kunden benötigt Leistung nicht mehr).

6.2.5 Operationalisierung und Messung der Kundenzufriedenheit Eine andere Strukturierung von Zufriedenheitsfaktoren geht auf Kano zurück.560 Kano unterscheidet gemäß Abbildung 6.10 Basis-, Standardund Begeisterungsfaktoren bzw. -leistungen zum Bewirken von Kundenzufriedenheit. Hierzu ein Restaurant-Beispiel: – Basis-/Hygieneleistungen (Basisanforderungen) werden vom Kunden als selbstverständlich vorausgesetzt. Ihre Nichterbringung bewirkt sofort Unzufriedenheit. Eine Qualitätssteigerung kann dagegen Kundenzufriedenheit nicht weiter steigern (Bspw.: Sauberes Geschirr auf dem Tisch, Gläser ohne Flecken). – Standardleistungen (Leistungsanforderungen) müssen erbracht werden und werden vom Käufer gemäß Performance bewertet. Ihre Übererfüllung kann die Kundenzufriedenheit bis zu einer Sättigungsgrenze steigern (Bspw.: Qualität der Speisen und Getränke). – Begeisterungsleistungen (Begeisterungsanforderungen) werden vom Kunden nicht erwartet und überraschen ihn angenehm. Eine

560 Vgl. Kano, (Attractive Quality), 1984, S. 39–48.

450 

 6 Vertriebspolitik

Nichterbringung bewirkt keine Unzufriedenheit. Werden sie aber erbracht, dann können sie die Zufriedenheit in Richtung Kundenbegeisterung steigern (jedoch: Gewöhnungsgefahr). Die Leistung wird für den Kunden besonders wertvoll (Bspw.: der Starkoch bedient selbst). Kunde zufrieden

Begeisterungsleistungen –nicht artikuliert –begeisternd

Anforderung nicht erfüllt

Indifferenzzone

Standardleistungen –artikuliert –spezifisch –messbar

Anforderung erfüllt

Basisleistungen –implizit –selbstverständlich –nicht artikuliert –offensichtlich

Kunde unzufrieden Abbildung 6.10: KANO-Modell der Kundenzufriedenheit.561

Für eine Befragung nach den Kano-Modell Befragung werden alle von Kunden bewertbaren Leistungsmerkmale zusammengetragen und dann nach einer Fragebogenlogik eingeordnet – einmal wird eine funktionale Formulierung gewählt und das identische Item wird danach in einer dysfunktionalen Art nochmals abgefragt.562 Funktionale Formulierung: Wenn das Geschirr auf den Tischen sauber ist, dann: – das würde mich sehr freuen – das setze ich voraus – das ist mir egal – das könnte ich eventuell in Kauf nehmen – das würde mich stören

561 Quelle: Scharf et al., (Marketing), 2022, S. 146. 562 Vgl. Magerhans, (KANO), 2019, S. 157 f.

6.2 Marketinggrundlagen für den Vertrieb 

 451

Dysfunktionale Formulierung: Wenn das Geschirr auf den Tischen nicht sauber ist, dann: – das würde mich sehr freuen – das setze ich voraus – das ist mir egal – das könnte ich eventuell in Kauf nehmen – das würde mich stören Tabelle 6.2: KANO-Auswertung. Dysfunktionale Formulierung Das würde mich sehr freuen

Das setze ich voraus

Das ist mir egal

Das könnte ich eventuell in Kauf nehmen

Funktionale Das würde mich Fragwürdig Beigeisterung Begeisterung Begeisterung Formulierung sehr freuen

Das würde mich stören Standard

Ablehung

Indifferent

Indifferent

Indifferent

Basis

Das ist mir egal Ablehung

Indifferent

Indifferent

Indifferent

Basis

Das könnte ich eventuell in Kauf nehmen

Ablehung

Indifferent

Indifferent

Indifferent

Basis

Das würde mich stören

Ablehung

Ablehung

Ablehung

Ablehung

Fragwürdig

Das setze ich voraus

Durch Häufigkeitsauszählungen lassen sich die Faktoren jetzt ableiten (Umsetzung siehe Abbildung 6.2). Basis, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren sind eindeutig identifizierbar. Indifferente Items haben keinen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit. Items, die in der Bewertung als „Ablehnung“ ermittelt werden, sind von den Unternehmen falsch eingeschätze Kundenanforderungen. Fragwürdige Items lassen auf nicht verstandene Fragenformulierungen schließen. Eine Zuspitzung der Fokussierung auf bestimmte Leistungsmerkmale nimmt das Konzept der „Peak Performances“ vor.563 Einzelne, kritisch bedeutende Leistungen werden von Kunden so herausragend eingeschätzt, dass eine hohe Kundenzufriedenheit erreicht wird, auch wenn

563 Vgl. Stolle, Handschuh, (Kundenzufriedenheit), 2015, S. 52.

452 

 6 Vertriebspolitik

andere Leistungsmerkmale nur gleichauf mit Wettbewerbern bewertet werden. Kann eine Automobilmarke die Mobilitätsgarantie mit einer Bereitstellung eines Ersatzfahrzeuges in kurzer Zeit sicherstellen, so kann diese Sicherheit für einen Geschäftskunden so bedeutend sein, dass er auch bei attraktiveren Angeboten der Konkurrenz dem ursprünglichen Anbieter die Treue hält.564 Viele Firmen unternehmen große Anstrengungen, um die Messung der Kundenzufriedenheiten und die Verwertung der Ergebnisse für systematische Kundenbindungsprogramme zu vollziehen. Beispiele sind das Customer-Focus-Programm von ABB, das Premier-Customer-Care-Programm von BMW oder das Total-Customer-Care-Programm von Schott.565 Der Softwareanbieter Oracle setzt einen Customer Satisfaction Manager als Vermittler zwischen Kunde und Vertrieb ein. Die Mitarbeiter der Marriott-Hotels bitten ihre Gäste, sich an der Guest Satisfaction Survey (GSS) zu beteiligen. Der GSS-Index entscheidet mit über die Investitionsmittelzuweisungen für die Hotels.  Stets wird es darauf ankommen, die Befragungsprogramme für die Kunden attraktiv zu gestalten, um deren Interesse und das der eigenen Verkaufsmannschaft an den Zufriedenheitsergebnissen wach zu halten. Sonst ist Desinteresse zu befürchten. Die Zufriedenheit der Kunden mit wichtigen Qualitätsfaktoren sollte generell regelmäßig erfragt werden. Folgende Vorgehensweisen sind in der Praxis üblich: (1) Mitarbeit bei Lieferantenbewertungen, wie sie z. B. in der Automobilindustrie gängig sind (Audits); Nachteil: Kunden bestimmen das Procedere. (2) Dokumentieren von Kundenzufriedenheits-Aussagen und Einschätzungen durch den Außendienst als Pflichtaufgabe nach jedem Kundenbesuch (einzugeben in CRM-System); Nachteil: Manchmal langwieriger Prozess der Harmonisierung der Einschätzungen unterschiedlicher Außendienstmitarbeiter. (3) Periodische Kundenbefragungen durch ein neutrales Institut, z. B. durch eine Hochschule. Nachteile: Hier sparen die Unternehmen oft am falschen Ende durch halbherzige Budgets und zu knappe Zeitvorgaben für die Erhebungen. Außerdem ermüden die Kunden leicht bei wiederholten Abfragen gleicher Sachverhalte.

564 Vertiefend behandeln Dan und Chip Heath die Bedeutung von speziellen Momenten für die Kundenzufriedenheit in Ihrem Buch „The Power of Moments – Why Certain Experiences Have Extraordinary Impact“ – lesenswert und praktisch anwendbar. 565 Vgl. die zahlreichen Beiträge in: Homburg (Hrsg.): (Kundenzufriedenheit), 2008.

6.2 Marketinggrundlagen für den Vertrieb 

 453

(4) Indirekte Ableitung: Rückschlüsse auf Kundenzufriedenheiten durch Erreichen vereinbarter Benchmark-Zielvorgaben. Ein Beispiel: Unser Kunde ist zufrieden, wenn wir nachweislich die gemeinsam abgestimmte Zielvorgabe von max. 4 Stunden für Lieferzeitauskünfte einhalten. (5) Kombination dieser Methoden im Rahmen dauerhafter Zufriedenheitsprogramme. Dies dürfte der beste Weg für die Zufriedenheitsmessung sein. Zur weiterführenden Messung von detailierteren Kundenzufriedenheiten in den verschiedenen Branchen werden sechs Fragen gestellt: (1) Globalzufriedenheit: „Wie zufrieden sind Sie mit den Leistungen von diesem (hauptsächlich genutzten) Anbieter insgesamt? Sind Sie vollkommen zufrieden, sehr zufrieden, zufrieden, weniger zufrieden oder unzufrieden?“ (2) Preis­Leistungs­Verhältnis: „Wenn Sie den insgesamt gebotenen Leistungen den Preis gegenüberstellen, wie zufrieden sind Sie mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis dieses Anbieters?“ (3) Weiterempfehlungsabsicht: „Werden Sie diesen Anbieter an Freunde oder Bekannte weiterempfehlen?“ (4) Wiederkauf­/Wiederwahlabsicht: „Werden Sie bei Bedarf wieder bei diesem Anbieter Leistungen nachfragen?“ (5) Wettbewerbsvorteile: „Glauben Sie, dass Ihnen dieser Anbieter mehr Vorteile bietet als andere Anbieter, die für Sie in Frage kommen?“ (6) Beschwerdezufriedenheit: „Wie zufrieden waren Sie mit der Bearbeitung Ihrer Reklamation oder Beschwerde?“ Aufschlussreich bei Zufriedenheitsuntersuchungen sind Vergleiche des Fremdbildes (der Zufriedenheitsurteile der Kunden) mit dem Eigenbild (der Selbsteinschätzung des Verkaufspoersonals). Homburg kommt zu dem erstaunlichen Befund, dass Eigenbewertungen regelmäßig schlechter als Kundenurteile ausfallen.566 Abhängig von der individuellen Sicht des Kunden und von branchenbezogenen Besonderheiten sind nicht alle Zufriedenheitsfaktoren gleich wichtig. Die einzelnen Zufriedenheitsindikatoren sollten daher in der Befragung hinsichtlich Kundenzufriedenheit und kundenbezogener Wichtigkeit bewertet werden. Abbildung  6.11 zeigt

566 Vgl.  die unter dem Titel „Große Kluft“ dargestellten Vergleiche von Selbsteinschätzungen und Kundenbeurteilungen von Homburg in: Blick durch die Wirtschaft vom 17.6.1996, S. 9.

454 

 6 Vertriebspolitik

die typische Struktur einer derartigen Positionierung von Zufriedenheitsfaktoren. Je nach Position eines Zufriedenheitsfaktors in der 4-Felder-Matrix sind bestimmte Konsequenzen für die Verkaufspolitik ratsam.567

hoch

strategische Nachteile mit Priorität beseitigen

strategische Vorteile ausbauen

niedrig

Erfolgsfaktoren-Wichtigkeit

KUNDENZUFRIEDENHEITSPROFIL

„akzeptable“ Nachteile

irrelevante Vorteile, abbauen

Idealbereich

niedrig hoch Kundenzufriedenheit

Abbildung 6.11: Kundenzufriedenheitsprofil.

6.2.6 Kundenempfehlungen Zufriedene Kunden kommen für ein Referenz- und Empfehlungsmarketing in Betracht. Referenzkunden geben auf Anfrage gern ihre positiven Erfahrungen mit dem Lieferanten an Dritte weiter. Sie können als Empfehlungs- und Referenzgeber in eigene Akquisitionsbemühungen eingespannt werden. Referenzmarketing gibt es in vier Varianten:568 (1) Passives Empfehlungsmarketing: Der zufriedene Kunde gibt an einen Interessenten eine Empfehlung mit der Anregung, sich bei Kaufinteresse an den Lieferanten zu wenden. (2) Aktives Empfehlungsmarketing: Der zufriedene Kunde empfiehlt einen Lieferanten und gibt diesem den Namen des Interessenten. Nach einer Wartezeit fasst der Lieferant nach.

567 Homburg und Daum sprechen hier von einem Idealbereich der Konsistenz bzw. von einer Konsistenzstrategie: vgl. Homburg, Daum, (Kostenmanagement), 1997, S. 48 ff. 568 Vgl. Zu den Varianten 1 – 3 Belz u. a., (Geschäftsbeziehungen), 1998, S. 140–141.

6.2 Marketinggrundlagen für den Vertrieb 

 455

(3) Passives Verkaufsempfehlungsmarketing: Der Interessent wird vom Lieferanten direkt angesprochen (Kaltakquise) mit dem Hinweis, sich bei dem zufriedenen Kunden gerne eine Referenz einholen zu können. Die Möglichkeit dieser Referenzgebung sollte zwischen Lieferant und zufriedenem Kunden vorher abgestimmt sein. (4) Aktives Verkaufsempfehlungsmarketing: Beispiel Stukturvertrieb: Gegen Erfolgsprämie oder Provision sprechen Kunden selbst Interessenten an und tätigen Abschlüsse. Die Empfehlungsneigung versucht das Instrument des Net Promoter Scores (NPS) zu messen.569 Die Weiterempfehlungswahrscheinlichkeit gilt als Indikator für die tatsächliche Kundenzufriedenheit.

0

1

2

3

4

5

6

Detraktoren

7

8

9

Passive

10 Promotoren

Abbildung 6.12: Net Promotor Score.

Kunden werden nach Ihrer Empfehlungsneigung mit einer 11-stufigen Befragungslogik abgefragt: „Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie unser Unternehmen/das Produkt/etc. weiterempfehlen?“ 0 = sehr unwahrscheinlich bis 10 sehr wahrscheinlich. Diese Befragung teilt Kunden in drei unterschiedliche Gruppen ein. Promotoren (Bewertung „10“ oder „9“) werden wieder kaufen und das Unternehmen empfehlen. Passive oder neutrale Kunden (Bewertung „8“ oder „7“) sind zwar zufrieden, können sich aber auch ein Abwandern vorstellen. Detraktoren (alle Bewertungen von „6“ oder niedriger“ sind unzufrieden und enttäuscht. Aus diesen Bewertungen wird der NPS jetzt errechnet: – NPS (in %) = Promotoren (in %) – Detraktoren (in %) Der NPS kann Werte von 100% (alle Kunden sind Promotoren mit einer Bewertung von „9“ oder „10“) bis -100% (alle Kunden geben Bewertung „0“ bis „6“) ausfallen. Werte über 0 signalisieren mehr zufriedene als 569 Vgl. Cornelsen, Piennert, (NPS) 2013, S. 40 ff

456 

 6 Vertriebspolitik

unzufriedene Kunden. Das Messinstrument des NPS hat sich in vielen Branchen und Unternehmen bewährt. Es ist einfach und schnell anzuwenden und kann sowohl für interne (bspw. zwischen Filialen) und externe (bspw. in der gesamten Branche) Vergleiche und Benchmarks verwendet werden. Es gibt jedoch keine Hinweise auf Auslöser der Bewertungen. Unternehmen müssen mit weiteren Instrumenten Ursachenforschung betreiben. Weiterer Kritikpunkt ist die Vernachässigung der passiven und neutralen Kunden, die zwar zufrieden aber noch nicht gebunden sind. Und: ob Kunden das Unternehmen nach der Bewertung auch wirklich weiterempfehlen, ist nicht zu kontrollieren. Die Weiterempfehlungsquote über den Net Promotor Score wurde weiter oben als Maß der Kundenzufriedenheit beschrieben (siehe dazu Abbildung  6.12.) Die resultierende Empfehlung ist wesentliches Ziel vieler Unternehmen. Mit Empfehlungen werden Neukunden erreicht, und es steigt die Bindung des Empfehlenden an das Unternehmen. Eine Besonderheit bei empfohlenen Neukunden sticht heraus. Diese Kunden sind dem Anbieter von Anfang an positiver gegenüber eingestellt und reagieren damit deutlich preis-unelastischer. BindungsEffekte

3 Rezipient 1 (potenzieller Kunde)

1

3

Kommunikator Empfehlung

Initialeffekt

Rezipient 2 (aktueller Kunde)

2

VerstärkerEffekte

Abbildung 6.13: Wirkungen von Empfehlungen.570

Drei maßgebliche Effekte von Empfehlungen fasst Abbildung 6.13 zusammen: (1) Initialeffekt: der empfohlene Kunde entwickelt eine positive Einstellung zum Erstkauf. Persönliche Empfehlungen im direkten sozialen Umfeld haben die stärkste Wirkung. Aber auch digital ausgesprochene Empfehlungen im erweiterten Umfeld wirken sich positiv für die empfohlenen Produkte und Leistungen aus. Die Bedeutung 570 Quelle: Helm, Steiner, (Kundenwert), 2010, S. 151.

6.2 Marketinggrundlagen für den Vertrieb 

 457

des Influencer Marketing lässt sich stark mit den wissenschaftlichen Begründungen für Empfehlungen verknüpfen. (2) Verstärkereffekt: Kunden suchen auch fortwährend nach Bestätigungen ihrer Entscheidungen, um kognitive Dissonanzen zu vermeiden oder die eigene Unsiherheit zu reduzieren. Durch Empfehlungen findet daher eine Verstärkung der eigenen Produktwahl statt. Erfährt ein Kunde, dass sich ein Bekannter auch für ein bestimmtes Produkt entschieden hat, sichert dies die eigene Entscheidung ab. Und resultiert dann in steigender Zufriedenheit und zunehmender Bindung. (3) Bindungseffekt: wenn empfohlen wird, steigt auch die eigene Bindung an das Produkt. Kunden empfehlen nur Produkte, die eigene Erwartungen zufriedenstellen konnten. Und als Zusatzeffekt fühlt sich der empfehlende Kunde auch moralisch an seine Empfehlung gebunden, was die Bindung erhöht. Welche Kunden geben Empfehlungen ab? Garnefeld hat Determinanten identifiziert, die eine Empfehlungsneigung fördern lassen:571 – Zufriedenheit: Je zufriedener ein Kunde mit einer Leistung ist, desto eher ist er geneigt, zu empfehlen. – Involvement: Ist die Leistung für den Kunden persönlich relevant (Produkt-/Leistungsinvolvement), ist eine höhere Neigung zu Empfehlungen festzustellen. Aber auch besondere Erlebnisse bei Auswahl und Kauf (situatives Involvement) können zu einer höheren Empfehlungsneigung führen. – Innovationsinteresse: Kunden, die sich proaktiv mit Neuerungen und Innovationen befassen, empfehlen auch häufiger. – Wahrgenommenes Risiko und wahrgenommene Dissonanz: Sind Käufe für Kunden risikobehaftet, unterstützen zu Empfehlungen neigende Kunden stärker. Auch bei potenziell auftretender Nachkaufreue wird vorab unterstützt. – Zuvor empfangene Kundenempfehlungen: Man spricht auch von „word-of-mouth-sequences“, es besteht der signifikante Zusammenhang von empfangenen Empfehlungen und der daraufhin folgenden stärkeren Neigung zur Aussprache von Empfehlungen. Eine Begründung dieses Effekts liegt in der wahrgenommenen Reduzierung des eigenen Risikos in der Aussprache der Empfehlung, da selbst bereits von Empfehlungen profitiert wurde.

571 Vgl. Garnefeld, (Kundenempfehlung), 2008, S. 17 f.

458 



 6 Vertriebspolitik

Anbieterinduzierte Stimulierung: Unternehmen können durch bspw. Prämien und Wettbewerbe Kunden zu Empfehlungen anregen und anreizen.

6.2.7 Kundenbindung

US-amerikanische Unternehmen verlieren alle 5 Jahre rd. die Hälfte der Kunden (Quelle: o. V.: (Kundenbeziehungen), 2017, S. 8).

Im Rahmen des Gesetzes zu „Faire Verbraucherverträge“ muss seit dem 01.03.2022 nach einer Erstverpflichtungszeit die Kündigungsmöglichkeit innerhalb eines Monats möglich sein. Bspw. ein Mobilfunkvertrag läuft einmalig für zwei Jahre und verlängert sich stillschweigend. Nach der Erstverpflichtungszeit (hier 2 Jahre) ist die monatliche Kündigung möglich (Quelle: Horizont 30-31/2022, S. 17).

Aber Vorsicht! Zufriedene Kunden müssen noch lange nicht treu sein, auch wenn dies auf den ersten Blick noch so logisch erscheinen mag. In der Realität ist das anders.572 Kundenbindung umfasst Maßnahmen, um die Wahlmöglichkeiten eines Interessenten oder Kunden, (Folge-) Käufe bei Wettbewerbern zu tätigen, einzuengen. Kundenloyalität ist die spezielle Form einer „weichen“ Bindung, bei der sich ein Kunde freiwillig an einen Lieferanten, einen Verkäufer, eine Marke/ein Produkt oder an eine Einkaufsstätte bindet. So werden Lieferantentreue, Verkäufertreue, Marken-/Produkttreue und Einkaufsstättentreue unterschieden. Man unterscheidet folgende Ursachen für Kundenbindung:573 – Situative Ursachen: Der Kunden bindet sich, weil dies äußere Umstände nahelegen, bspw. kauft ein Kunde immer in einem bestimmten Supermarkt ein, da er auf dem Heimweg von der Arbeitsstelle liegt. – Vertragliche Ursachen: Der Kunde ist durch den Abschluss eines Vertrages an ein Unternehmen gebunden, z. B. sichern Jahresverträge bei Fitnessstudios einen Mindestumsatz ab, auch wenn der Kunde selten zum Training erscheint. – Ökonomische Bindungsursachen: Ist ein Anbieter unter Berücksichtigung aller Kosten der günstigste Anbieter, bleibt ein Kunde treu. Auch können echte oder subjektiv gefühlte Wechselkosten den Kunden von der Abwanderung fernhalten. – Technisch­funktionale Bindungsursachen: Schafft es ein Anbieter, Kunden in geschlossene technische Ökosysteme zu führen, fällt der Wechsel schwer. Die Marke Apple schafft es, durch leistungsfähige und problemfreie Integration aller Geräte Kunden technisch an Apple-Produkte und Software-Lösungen zu binden. – Psychologische Bindungsursachen: Sind Kunden zufrieden mit Leistungen, bleiben sie vorzugsweise dem Anbieter treu. Auch persönliche

572 Meister, Meister, (Kundenzufriedenheit), 1998, S. 8. Untersuchungen zeigen, dass zwischen 65 und 95 Prozent von Wechselkunden mit ihren früheren Lieferanten durchaus zufrieden oder sogar sehr zufrieden gewesen waren: vgl. dort S. 8. 573 Vgl. Gröppel-Klein et al., (Kundenbindung), 2010, S. 46.

6.2 Marketinggrundlagen für den Vertrieb 

 459

Beziehungen können zu Kundentreue führen. Das Stamm-Restaurant überzeugt nicht nur mit guten Speisen. Die persönliche Beziehung zur Inhaberin lässt Kunden treu bleiben. Leider stellt Kundenzufriedenheit nur eine notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung für Folgekäufe dar. Der Kunde ist durch zusätzliche Instrumente an das Lieferunternehmen zu binden. Binden bedeutet Einengen von Handlungs-, in diesem Fall von Beschaffungsalternativen. Zielsetzung ist die Absicherung durch Verbundenheit und Gebundenheit.574 Drei Bindungsintensitäten sind zu unterscheiden: (1) Vergleichweise weiche Moralappellbindungen: Der Kunde soll bei Lieferantenwechsel oder bei Nichtkauf eines Produktes ein schlechtes Gewissen bekommen (Liqui-Moly, Trigema, Sanostol). Moralappelle sind meist im Spiel, wenn mit Kindern, Umwelt oder Klimaschutz geworben wird. (2) Weiche Bindungen, Präferenzbindungen durch überzeugende Anbieterleistungen: Eine Produktqualität, ein POS, ein Verkäufer oder auch eine Werbebotschaft sind so überragend gut, dass sich der Kunde freiwillig bindet (Bsp.: die Markentreue von PKW-Käufern). (3) Harte Bindungen durch institutionelle Verflechtungen, technische Abhängigkeiten, Verträge oder Marketinginstrumente (z. B. Kundenclubs- und –karten). Bei den Systembindungen sind Abhängigkeiten von Technik oder Software zu nennen. Unter Vertragsbindungen fallen z. B. Teilzahlungskredite an Kunden (z. B. Autofinanzierung) oder Kundenclubs mit Kaufzwang. Verschiedene harte Bindungsoptionen haben sich etabliert:575 – Institutionelle Bindungen – Kapitalbeteiligungen, – Joint Ventures, – Mandate in Aufsichtsgremien, – Sitze in Beiräten, – Tätigkeiten in gemeinsamen Verbänden,

574 Vgl.  Bruhn, (Relationship Marketing), 2009, S.  135. Verbundenheiten schaffen beim Lieferanten Verhaltensabsichten, Gebundenheiten beeinflussen das faktische Verhalten des Käufers. 575 Vgl.  in der aktuellen Ausgabe die Tabelle von Godefroit, Pförtsch, (BtoB), 2008, S. 96, in Anlehnung an eine Analyse von Rieker. Dort sind die Marketing-Bindungen nicht aufgenommen.

Moralappelle: „Der Gesundheit und der Familie zuliebe: Nimm Sanostol!“ Wolfgang Grupp: „Ich kaufe nur Trigema und sichere deutsche Arbeitsplätze.“

460 







Über 31 Mio. Kunden in Deutschland haben in 2022 eine PaybackKarte, 11 Mio. Kunden nutzen bereits die Payback App (Quelle: Payback).

 6 Vertriebspolitik

Technologische Beteiligungen – Alleinstellungsvorteile des Lieferanten, – Systembindungen, – Gemeinsam entwickelte Technologien, – Just-in-Time-Lieferanbindungen, – Computerized Buying (EDI), Vertragliche Bindungen – Monopolbindungen, – Langfristige Verträge, – Exklusivverträge, – F&E-Kooperationen, – Linzenz- und Know how-Verträge, – Wartungs- und Reperaturverträge, Ökonomische Bindungen – Rabatt- und Bonusgewährung, – Kundenclubs mit Preisvorteil, – Kundenkarten, Coupons.

Kundenclubs und -karten sind vielfach umgesetzte Bindungsmaßnahmen. Für registrierte Kunden wird ein Kundenkonto mit Kaufhistorie vorgehalten, und die Karten können Zahlungs- und Kreditfunktionen besitzen. Regelmäßige Kommunikation über Newsletter, Kundenzeitschriften und Aktionsangebote ist bei den meisten KundenkartenKonzeptionen Grundbestandteil. Unterschiedliche Ausprägungen fasst Tabelle 6.3 zusammen.

Tabelle 6.3: Typologie der Kundenclubs.576 Club

Ziele

Zielgruppe

Merkmale

VIP-Club, bspw. Tesla Owner’s Club

– Feste Bindung umsatzsstarker Kunden

– Stammkunden – Meinungsführer

– Exklusivität – Geldwerte Vorteile Ideele Vorteile – Prestige

Fan Club, bspw. Bayern MünchenFans

– Stützung des Markenimages – Markenpflege – Produktvorteile für Mitglieder

– Alle Kunden – Loyale Stammkunden

– Präsente, Überraschungen – Sonderangebote – Einladungen – Veranstaltungen

576 Quelle: u. a. Holland, (Direktmarketing), 2009, S. 353–354; Kreutzer, (Erfolgsfaktor), 2004, S. 29.

6.3 Entwicklung einer Vertriebskonzeption 

 461

Tabelle 6.3 (fortgesetzt) Club

Ziele

Zielgruppe

Merkmale

Product-Interest Clubs, bspw. Dr. Oetlker Back Club

– Bindung von Heavy Usern – Abbau von Akzeptanzschwellen – Entwicklung erfahrener Kunden

– Gesamtes Kundenpotenzial – Auch NichtKunden

– Dialog zu produktbezogenen Themen – Kundenzeitschrift – Sonderangebote – Exklusive Vorabinfos

Kundenvorteilsclub, bspw. Ikea Family, Payback

– Effektivere Kundenbindung – Steigerung Kauffrequenz – Kundendialog

– Alle Kunden

– Bonussysteme – Prämien – Exklusive Angebote

Lifestyle Club, bspw. Business Network International (BNI)

– Bindung von ausgewählten Kunden und Mitgliedern

– Kundensegmente mit spezifischen Merkmalen

– Besondere Leistungen – Prestige – Exklusive Zusammenkünfte

Auf weiche Bindungen ist wenig Verlass. Aber auch Bindungen durch Produkt- oder Preisvorteile wirken nicht nachhaltig. Andererseits: Harte Bindungen sind gefährlich, wenn Kunden unzufrieden werden. Jeder Vertrag kann gekündigt werden. Zulieferer der Automobilindustrie haben Erfahrungen gemacht, weil Rahmenverträge Großkunden immer Schlupflöcher bieten. Auch an Software gebundene User denken über ein Ausbrechen aus der Updatefalle nach. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass man langfristig keinen Kunden zum Kauf zwingen (binden) kann. Überzeugende Produkte, Markenwerte und Kundenzufriedenheit mit Betreuungsund Serviceleistungen bleiben dominierende Erfolgsfaktoren der marktorientierten Unternehmensführung – und keine Knebelverträge.

6.3 Entwicklung einer Vertriebskonzeption Es ist wichtig, Unternehmens- und Marktstrategie mit der operativen Tagesarbeit einer Vertriebsorganisation verbinden. Andernfalls formulieren Vorstände und Geschäftsführer Visionen, während sich operativen Geschäftsbereiche in ihrer Alltagsarbeit verselbständigen. Die Verbindung der Marktstrategie mit operativem Verkauf wird in einer Vertriebs-

Eine Untersuchung in der Automobilindustrie ergab: 90% der Käufer gaben an, zufrieden zu sein. Die tatsächliche Markentreue lag aber nur bei 40%.

462 

 6 Vertriebspolitik

konzeption verankert.577 Unterschiedliche Konzeptionen werden unterschieden: (1) Abverkauf/Power-Selling: Zielsetzung dieser Verkaufskonzeption ist der schnelle Umsatz, der Abverkauf. Es geht i. d. R. um nicht erklärungsbedürftige Produkte. Aber es gibt durchaus Ausnahmen,  bei denen auch Beratung und Kundenbindung eine wichtige Rolle spielen (z. B. Vorwerk). Der Erfolg dieses Verkaufphilosophie hängt von der Verkaufsexpertise ab, die dem Geschäft einen persönlichen Stempel aufdrückt. Es ist erlaubt, was zum Verkaufsabschluss führt. Strukturvertriebe arbeiten nach diesem Prinzip. (2) Methodischer Verkauf rückt Methodiken (Sales Methodologies) und Beziehungen in den Mittelpunkt. Markterfolg wird mit Hilfe intelligenter Methoden und qualitätsgesicherter Prozesse planbar. Die Begriffe Beratungsverkauf und Problemlösungsverkauf gehören in diese Kategorie. Eine wichtige Spielart ist auch der Werteverkauf im Rahmen eines Customer Value and Equity Managements. Der Verkäufer verkauft keine Produkte, sondern Mehrwerte. Alle führenden Beratungsunternehmen bieten heute bewährte Verkaufsmethodiken und standardisierte Prozesse an (Sales Methodologies). (3) Systemgestützter Vertrieb setzt Veraufsmethodiken mit Hilfe von Datenbanken, Software (CRM, SCM, ECR) und dem Internet (digitaler Vertrieb, Cloud-Computing) in kundenbezogenen Massenprozesse um. Ziel ist automatisierte Qualitätssicherung aller Abläufe vom und zum Kunden. Während man beim klassischen Verkauf (PowerSelling) vom Einzelkämpfer des Verkäufers ausgeht, zielt der systemgestützte Vertrieb in Richtung Teambildung, Wissensmanagement und Strategie. Kundenprozesse werden unternehmensweit transparent und steuerbar gemacht (Integration). Abbildung  6.14 Grundelemente einer Vertriebskonzeption zeigt Bausteine, die in Kombination eine Vertriebskonzeption bilden. Vertriebsmanagement organisiert und steuert die Module (Arbeitsbereiche) in enger Abstimmung mit Marketing und Service. Die folgenden Abschnitte gehen auf diese Arbeitsbereiche ein. Typische Zielsetzungen und Ansatzpunkte für Vertriebsstrategien sind: – Umsatzwachstum durch Neukundengewinnung (Lead-Management) oder Potenzialausschöpfung bei Bestandskunden im Kundenstamm, – ergänzend: Umsatzwachstum durch Up­ und Cross­Selling,

577 Vgl. hierzu ausführlich: Winkelmann, (Vertriebskonzeption), 2012, S. 218–220.

6.3 Entwicklung einer Vertriebskonzeption 

Trends und Restriktionen im Umfeld Verfügbares Angebotsprogramm Trends und Restriktionen von Seiten Konkurrenz

Vorgaben strategische Planung, insb. strategische Zielgruppen und Zielregionen

Kundenqualifizierung, Kundenschlüssel

Kontaktstratege in den Kanälen

Vertriebsprozesse

Funktionen & Stellen im Vertrieb

Vertriebspartnerkonzept, Aufgaben

 463

Grundfunktionen : Angebotswesen Lead-Gewinnung Opportunity-Mgm. -Arbeitszeit-Mgm. -Kundenschlüssel -Kundenhistorie -Besuchsberichte Beschwerdemgm. Kunden-Cockpit -Partner-Cockpit

Abbildung 6.14: Grundelemente einer Vertriebskonzeption.



– – – –

– –

– – – – –

– – –

strukturelle Stärkung des Kundenstammes durch Neukundengewinnung (Lead Management) und Entwicklung von Kunden mit Zukunftspotenzial (Customer Development Management), gezielte Gewinnung von Schlüsselkunden bzw. Abwehr von Kampfangeboten des Wettbewerbs bei eigenen wichtigen Kunden, Einführung oder Ausbau eines Key Account Managements, Einführung oder Ausbau eines Beschwerdemanagements, Ausbau bzw. Optimierung der Verkaufsorganisation mit Verstärkung von Innendienst, Außendienst, Kundendienst und Online-Verkauf, Gründung von Vertriebsniederlassungen oder Vertriebsgesellschaften im In- und Ausland, Aufbau oder Ausbau des Vertriebspartnernetzes; Gewinnung neuer, leistungsfähiger Handelsvertreter oder Händler, Aufgeben leistungsschwacher Handelspartner, Effizienzoptimierung im Verkauf; z. B. Optimierung von Prozessen, insbes. durch eine verbesserte Besuchsplanung, Erhöhung Marktdurchdringung durch innovative Verkaufsformen des vertikalen Marketing, z. B. durch Aufbau von Franchise-Systemen, Erhöhung der Schlagzahl am Markt durch mehr und qualifiziertere Kundenkontakte, Stärkung von Lieferservice und Liefertermintreue in Zusammenarbeit mit Materialwirtschaft, Lager- und Transportwesen und Fertigung, Entlastung und Verstärkung der Verkaufsarbeit der eigenen Vertriebsorganisation durch Digitalisierung (Internet, E-Commerce) oder durch den Einsatz von Call-Centern, Einführung oder Weiterentwicklung einer digitalen Vertriebssteue­ rung bzw. von Customer Relationship Management (CRM), Anbindung eines Social Media Marketing an das Vertriebssystem, Outsourcing der Verkaufsmannschaft als extremer Fall eines Ausstiegs aus einer eigengesteuerten Marktbearbeitung.

Operative Zielgruppe

464 

 6 Vertriebspolitik

Die Verkaufsstrategien haben aktuelle Trends zu berücksichtigen: – Die Entwicklung zum weltweiten Vertrieb (Global Selling) ist für die Großindustrie abgeschlossen. Die europäische Marktöffnung zwingt nun auch kleine und mittlere Unternehmen zum internationalen Wettbewerb. Aktuell befinden sich langbewährte Konzepte der globalisierten Lieferketten, der Billigpreisstrategien und der Just-in-Time-Lieferstrategien in einem Wandel, mit einer Digitalisierung ist aber nicht zu rechnen. – Auch in Zukunft wird die fortschreitende Digitalisierung mit Social Media im Schlepptau zu erheblichen Veränderungen führen. Das Internet verändert Marktspielregeln: Im Internet werden schon heute vor allem standardisierte Erzeugnisse (MRO-Teile: Maintenance, Repair, Operations) vertrieben. Im B2B-Umfeld wird Multi Channel zur Normalität. – Neuer Personalbedarf im Verkauf ist durch Verknüpfungen von Außendienststeuerung und E-Commerce zu erwarten. Ein Trend geht dahin, vertriebliche Beratungsqualität auch im Internet zu sichern (Chats, Bots, Avatare, KI). – Die Zusammenarbeit der Markenartikelhersteller mit dem Handel wird eine neue strategische Dimension erhalten. Auf der einen Seite setzen Unternehmen wie Dell oder Vorwerk konsequent auf Direktvertrieb und schalten den Handel aus.578 Großunternehmen wie Nestlé geben offen zu, direkte Online-Wege zum Konsumenten aufbauen zu wollen.579 Auf der anderen Seite steht z. B. das Marktplatz-Konzept, bei dem Handelskonzerne selbst in die Initiative gehen und Lieferanten in virtuelle Warenhäuser und E-Commerce-Plattformen einbinden.580 – Unternehmenskonzentrationen in allen Marktbereichen und auf allen Stufen der Wirtschaft drängen Verkaufsorganisationen weiter in Richtung Problemlösungsverkauf und Schlüsselkundenbetreuung (KAM = Key Account Management).581 Kundenbetreuung wird komplexer und anspruchsvoller. Der Vertrieb muss hinsichtlich

578 Vgl. z. B. die Hinweise in Boldt, (Maßstab), in: MM, 4/1998, S. 140; www.dell.de. 579 „Die Firma Nestlé bekennt sich ausdrücklich dazu, auch am Handel vorbei, mit dem Endverbraucher in Kontakt zu treten. Der Handel wird seine Leistungen neu positionieren müssen.“ Zitat des Vorstandsmitglieds der Nestlé AG, in: Hallensleben, (Markenvertrieb), in: ASW, 10/1997, S. 179–184. 580 Vgl.  Hallensleben, (Markenvertrieb), in: ASW, Sondernummer Oktober 1997, S. 180 und www.karstadt.de. 581 Vgl. zum Key Account Management das Grundlagenwerk von Senn, (Key Account Management), 1997 sowie Sidow, (KAM), 2007.

6.3 Entwicklung einer Vertriebskonzeption 





– –

 465

Qualität der Mitarbeiter, Flexibilität von Entscheidungsstrukturen und Niveau der Instrumente mithalten. Das richtige Timing von Verkaufsaktionen (Time to Market) wird angesichts kürzerer Produktlebenszyklen an Bedeutung gewinnen.582 Schnelligkeit und Effizienz von Prozessen werden zu strategischen Erfolgsgrößen im Verkauf. Oft schlägt der Schnellere den Besseren. Konnten es sich Vertriebler früher leisten, einen persönlichen Verkaufsstil zu prägen, so haben sie heute den Regeln der unternehmerischen Imagepolitik (CI-Strategie), rechtlichen Compliance Vorgaben, einer globalen Lieferketten-Verantwortung und einer Teamkultur in Projekten zu folgen. Ein von der Digitalisierung forcierter Trend geht ungebrochen weiter in Richtung Mehrkanalvertrieb (Multi­Channel­Marketing). Verkaufsargumentationen und Kaufverträge sind heute ohne Beachtung von Klimaschutz und Nachhaltigkeit nicht mehr zeitgemäß.

Viele der Strömungen im Vertrieb lassen sich auf einen Nenner bringen: Der Vertrieb auf Zuruf, mit Zettelwirtschaft oder mit Formularen wird abgelöst durch Vertriebsführung mit System. Digital gestütztes Kundenmanagement mit modernen CRM-Systemen ist angesagt.583 Auf der Grundlage eines unternehmenspolitischen Rahmens und einer Kundenphilosophie sind Ziele und Instrumente der Vertriebspolitik zu definieren. Bevor klassische Strukturen des Vertriebs diskutiert werden, hilft ein Blick auf aktuelle Erfolgstreiber in vertriebsorientierten Unternehmen. Diese Erfolgstreiber sind Aspekte der Digitalisierung, die heute erfolgreiche und weniger erfolgreiche Unternehmen trennen. Wieseke et al. haben auf Basis der Analyse von 732 Unternehmen 5 zentrale Erfolgsfaktoren identifiziert, die erfolgreiche Unternehmen signifikant von anderen Unternehmen abgrenzen: (1) Customer Journey Insights, (2) optimierte Vertriebsprozesse, (3) optimierte Einzelkanäle, (4) Cross Channel Integration und (5) Sales Enablement. Diese fünf Faktoren spezifizieren sie mit insg. 32 Einzeldimensionen, die einen guten Eindruck von den digitalen Hausaufgaben des Vertriebs geben (Tabelle 6.4 gibt einen detaillierten Überblick).584

582 Vgl. Haucke, (Strategischer Verkauf), in: ASW, 4/1998, S. 30. 583 Vgl. zu den damit verbundenen Umwälzungen im klassischen Vertrieb: Winkelmann, (Vertriebskonzeption), 2012, S. 242 ff.; Winkelmann, (Umdenken), in: CRM-Report 2001, S. 36–40. 584 Vgl. Wieseke, (Sales Profit Chain), 2022, S. 388 ff.

466 

 6 Vertriebspolitik

Tabelle 6.4: Erfolgsfaktoren und Erfolgstreiber der Digitalisierung im Vertrieb.585 1

2

3

4

5

Customer Journey Insights

Optimierte Vertriebsprozesse

Optimierte Einzelkanäle

Cross Channel Integration

Sales Enablement

Verständnis Digitales Marketing, der Customer Awareness Creation Journey

Technische Ausstattung Vertriebsmitarbeiter

Proaktives Vermeiden Kanalkonflikte

Einheitliche Datenbasis (Single-Source-of-Truth)

Ausrichtung des Vertriebs an der Customer Journey

Digitalisierung der LeadGenerierung

Digitale Vertriebsrozesse des indirekten Vertriebs

Koordination KPIs in Echtzeit der div. Vertriebskanäle

Digitale Vernetzung mit Kunden

Digitale Planung von Kundenbesuchen

Reifegrad der E-Commerce Plattform

Big Data Customer Analytics

Digitale Routenplanung

Digitalisierung technischer Kundendienst

Kundenanalysen für Vertrieb und Marketing

Einsatz digitaler Medien bei Angebots-Erstellung

Digitalisierung klassischer Vertriebsinnendienst

Dokumenten-Verwaltung

Digitalisierung von Preisverhandlungen

Digitalisierung von Inside Sales

Leistungserfassung Vertriebs-MA

Digialisierung von Preisempfehlungen

Digitale Steuerung des Vertriebs

Digitalisierung von Auftragsabwicklung

Verknüpfung der Lieferketten

Kunden-Rückmeldung & Wettbewerbsinformationen

Digtalisierung der Trainingskonzepte

Digitalisierung von Reports und Analysen

Digitalisierung von Produkt- und Anwendungsschulung Digitalisierung als Personalauswahlkriterium

585 Quelle: Wieseke, (Sales Profit Chain), 2022, S. 191.

6.4 Ziele und Aufgaben der Vertriebspolitik 

 467

6.4 Ziele und Aufgaben der Vertriebspolitik Die Betriebswirtschaftslehre verdankt Gutenberg eine erste geschlossene Theorie für die betriebliche Absatztätigkeit. Als Absatzmethode bezeichnete er die „...mit Aktivität geladene Einflußgewinnung auf die Entwicklung des Absatzvolumens, das das Unternehmen anstrebt.“586 Sein Schema enthält die Elemente Absatzform, Vertriebssystem und Absatzweg. Es hat heute noch eine hohe Praxisbedeutung. Innerhalb dieser drei Kernelemente nahm Gutenberg klassische Unterteilungen vor:587 – Nach der Art, wie und wo dem Kunden verkauft wird, ist eine Einteilung der Verkaufsformen in die Eigengestaltung (Residenzprinzip = POS beim Lieferanten, Domizilprinzip = POS beim Kunden, Treffprinzip = POS in neutraler Umgebung und Distanzprinzip = medialer Verkauf, siehe dazu detailliert Kapitel 6.10), die Fremdgestaltung (über Absatzmittler und Absatzhelfer) und die gebundene Gestaltung (Verkaufsholding, Verkaufssyndikat, Kontraktmarketing) sinnvoll.588 – Das Vertriebssystem setzt die Verkaufsform in die Praxis um. Arbeitsbereiche und Verantwortungen für die Verkaufstätigkeit sind in einem Spannungsfeld zwischen Zentralisierung (in eigener Regie verkaufen) und Dezentralisierung (Verkauf auf Partner übertragen) zu gestalten: – Beim eigenen (direkten) Vertrieb übernehmen eigene Verkaufsorgane, i. d. R. ein Außendienst (rechtlich: Reisende) die Marktbearbeitung. Diese Verkaufsform hat die größte Durchschlagskraft im Markt (qua Weisungsbefugnis), ist jedoch vergleichsweise kostspielig. – Beim gebundenen Vertrieb nehmen rechtlich selbständige Verkaufsorgane die Kundenbearbeitung wahr, die jedoch stark an die Weisungen des Herstellers gebunden sind. Übliche Organe sind Vertragshändler mit Lieferantenbindung, Franchise-Partner oder eng geführte Handelsvertreter. Die gebundenen Vertriebssysteme sind relativ flexibel und z. T. schnell zu realisieren. Nachteilig können sich die geringeren Durchgriffsrechte im Vergleich zum Vertrieb mit eigenen Angestellten auswirken. – Beim ausgegliederten (indirekten) Vertrieb sind sog. Absatzmittler rechtlich und wirtschaftlich unabhängig tätig. Es sind dies

586 Gutenberg, (Absatz), 1984, S. 8. 587 Vgl. zur Begriffsgrundlegung: Gutenberg, (Absatz), 1984, S. 123 ff. 588 Vgl. zu diesen Begriffen Pepels, (Marketing), 2012, S. 920–921.

468 





 6 Vertriebspolitik

vor allem Handel und Handwerk bzw. Fachhandel und Fachhandwerk. Die Hersteller setzen Verkaufsbeauftragte ein, die die Vertriebspartner wie Kunden pflegen und im Rahmen gewisser Machtspielräume führen. Der Umsatz mit Handelspartnern wird den Handelsbetreuern zugeordnet. Der indirekte Vertrieb lebt dadurch mit einem gesteuerten Konflikt. Letztlich hat Gutenberg noch den Vertrieb in planwirtschaftlichen Systemen als erwähnenswertes Vertriebssystem beschrieben (Verteilungssysteme). Der Absatzweg (modern: Vertriebskanal) umfasst die Vertriebsstufen vom Hersteller bis zum Endkunden. Die Vertriebskanäle sind in der Breite (wieviele Kanäle, z. B. Außendienst neben Call-Center und Web-Shop) und Tiefe (Vermarktung über wieviele Stufen) zu orchestrieren.

Dieses historische Schema kann an die heutigen Wirtschaftsbedingungen angepasst werden: Die Vertriebspolitik (Sales-Management) umfasst alle Funktionen und Tätigkeiten, Methoden und Instrumente, Strukturen und Abläufe sowie Funktionalitäten und Systeme zur Gewinnung von Aufträgen (Umsatzgenerierung), zur Güterbereitstellung und zur Kundenpflege (Kundensicherung). Dies geschieht durch: (1) effiziente Gestaltung des Vertriebssystems, bestehend aus Verkaufsform, Vertriebsorganisation und Vertriebssteuerung, (2) Gewinnung, Pflege und Sicherung (Bindung) von Kunden (= Verkaufspolitik i. e. S. = die akquisitorische Komponente des Vertriebs), (3) Bereitstellung der Waren (Güter oder Dienstleistungen) in der richtigen Menge am richtigen Ort zur richtigen Zeit (die logistische Komponente des Vertriebs = Distributionslogistik, Vertriebslogistik). Mit Vertriebspolitik ist in vielen Märkten die Aufgabe der Gewinnung und Führung von Vertriebspartnern und der Organisation der Absatzwege verbunden (Vertriebskanal-, Absatzwege-, Vertriebspartnerpolitik). Die Vertriebspolitik besteht somit allgemein aus den Bereichen: – Vertriebssystempolitik – Verkaufspolitik (i. e. S.) – Vertriebskanal­ oder Vertriebspartnerpolitik (Absatzwege­ politik). – Vertriebslogistik

6.4 Ziele und Aufgaben der Vertriebspolitik 

 469

Alle Bereiche weisen Offline- und Online-Komponenten auf. In grössereren Unternehmen erhält der Vertrieb ein eigenes Vertriebscontrolling. Die Verantwortung für eine optimale Gestaltung und Ausführung der Vertriebspolitik sowie für die Umsatz- und Ergebniszahlen übernimmt das Vertriebsmanagement (Vertriebsleitung).

Marketing

Elemente der Vertriebspolitik

Kundendienst, technischer Service

CRM/ Kunde

Vertriebslogistik – Lagerkonzepte – Transportkonzepte – Versandinformation

Verkaufspolitik i.e.S. – Kunden suchen – Kunden qualifizieren – Kundenkontakt – Angebotswesen – Preis- und Rabattgestaltung – Verkaufsabschluss – Kunden sichern – Kundenrückgewinnung – Auftragsabwicklung – Beschwerde management-

Vertriebskanalpolitik – Suchen & Bewerten von Vertriebspartnern – Führen & Entwickeln von Vertriebspartnern – Koordination der Vertriebskanäle – Multi-Kanalsteuerung, Multi Channel Management

Geschäftsmodell Vertriebssystem – Verkaufsform – Vertriebsorganisation (AD, ID, KAM, Kd.Service) – Vertriebssteuerung

Vertriebscontrolling – Vertriebsplanung – Budgetplanung – Gebietscontrolling – Sales Intelligence – Balanced Scorecard

Abbildung 6.15: Elemente der Vertriebspolitik.

Abbildung 6.15 zeigt die Bausteine einer modernen Vertriebspolitik und deren Erweiterung zu CRM im Zusammenhang. Diese Arbeitsbereiche des Vertriebs werden in folgenden Abschnitten näher erläutert. Sie haben ihre Wurzeln im absatzpolitischen Instrumentarium von Gutenberg. In früheren Abschnitten wurde die grundsätzliche Unterscheidung zwischen dem direkten (B2C, B2B) und dem indirekten Vertrieb herausgearbeitet. Abbildung  6.16 definiert hierzu vier Marketing-/Vertriebswelten. Der Bereich der Vermarktung öffentlicher Güter (z. B. Bildung) ist ausgeklammert. Folgende Punkte sind in Verbindung mit der Abbildung zu beachten: – Verschiedene Lehrbücher setzen gewerbliche Vermarktung (B2B) mit Direktvertrieb gleich. Das ist zu kurz gegriffen, weil viele gewerbliche Güter (bspw. Verbrauchsgüter oder Ersatzteile) im indi-

470 

 6 Vertriebspolitik

B2C / Konsumgütervermarktung

B2B / Geschäftsgütervermarktung

Direkte Vermarktung

B2C, z. B. Direktverkauf von Flugreisen im Internet, Strom, Wasser, Gas, Bankleistungen

B2B, z. B. Key Account Management der Automobilzulieferer

Indirekte Vermarktung

B2B2C: z. B. klassischer Konsumgüterverkauf über Groß- und Einzelhandel, E-Commerce

B2B2B, z. B. Ersatzteile über technischen Handel an Firmenkunden, gewerblicher Versandhandel

Abbildung 6.16: Die 4 Marketing- und Vertriebswelten.



Im Direktvertrieb sind in 2022 rd. 905.000 Menschen als Vertriebspartner tätig (Quelle: Bundesverband Direktvertrieb Deutschland e.V., (Direktvertriebsbranche), 2022, S. 32).







rekten Vertrieb über den technischen Handel laufen. B2B ist damit nur eine Seite bzw. eine Stufe des Geschäftsvertriebs. Alle Arten von Konsumgüter können auch an gewerbliche Kunden vermarktet. Ein BMW kann über den Handel an Endverbraucher verkauft werden (B2B2C) oder in die Mietflotte von Sixt eingehen (B2B). Der Bundesverband Direktvertrieb e.V. engt den Begriff Direktvertrieb bedauerlicherweise nur auf die Direktvermarktung von Konsumgütern (z. b. Vorwerk) und den Strukturvertrieb (z. B. Avon, Tupperware) ein. Gerade im Vergleich zum dominierenden Direktvertrieb in gewerblichen Branchen macht dieser Konsum-Direktvertrieb nur einen geringen Anteil aus. Im gewerblichen Vertrieb ist zu beachten, dass ein Lieferant immer mit zwei Kundenentitäten verhandelt: mit einer Firma (Rechtsbasis) und mit einer oder mehreren Kontaktpersonen (Beziehungen). Im indirekten Vertrieb ist heute eine breite Spannweite zwischen weisungsgebundenen Partnern (z. B. Vertragshändler, Franchisepartner) oder weisungsungebundenen Handelspartner und Handelsvertretern zu beachten.

Die Konsequenz aus diesen Überlegungen: Die Marketing-/Vertriebswelten funktionieren so unterschiedlich, dass sie eigentlich nicht in einem Marketingbuch wiedergegeben werden können. Ein Buch kann die vier Welten nur auf einen durchschnittlichen Nenner bringen. Viele Marketing-Lehrbücher beschränken sich auf Consumer-Marketing mit Fokus auf Verbraucherverhalten und die Markenwelt.

6.5 Gestaltung des Vertriebssystems 

 471

6.5 Gestaltung des Vertriebssystems 6.5.1 Festlegung der Verkaufsform Wie kann ein Vertriebssystem aufgebaut werden? Die Entscheidung über die Verkaufsform in Abhängigkeit vom Geschäftsmodell bildet den Ausgangsrahmen für die Vertriebsplanung. Die Verkaufsform ist die erste Festlegung für die Vertriebsplanung. Persönlicher Verkauf (Face-to-Face) Nach der Art des Kontaktes mit dem Kunden und nach dem Medieneinsatz werden die Verkaufsformen nach Abbildung  6.17 unterschieden. Der persönliche Verkauf ist ein Karrierepfad für Vertriebsführungskräfte. Erst der zwischenmenschliche Kontakt von Verkäufer und Kunde bietet durch die Face-to-Face-Situation und durch den Austausch menschlicher Schwingungen eine Chance für den Aufbau und die Pflege von Beziehungen. Das gilt besonders für den Verkauf erklärungsbedürftiger Produkte, wo der Kunde eine Gesprächsperson seines Vertrauens sucht.

Typologie der Verkaufsformen Persönlicher Verkauf (Face-to-Face) POS BEIM KUNDEN – Besuchsverkauf – Haustürverkauf – Strukturvertriebsverkauf

Unpersönlicher = mediengeführter Verkauf

Distanzpersönlicher = mediengestützter Verkauf (Voice-to-Voice) – Telefonverkauf – Videocall-Verkauf

POS BEIM ANBIETER – Ladenverkauf – Kioskverkauf – Schauraumverkauf – Schalterhallenverkauf WECHSELNDE POS – Messeverkauf – Aktions-/Promotionverkauf (z.B. Kaffeefahrtenverk.) – Event-/Partyverkauf – Marktplatzverkauf

Abbildung 6.17: Typologie der Verkaufsformen.

– – – – – – – – – –

klass. Versandhandel Teleshopping Automatenverkauf Couponverkauf E-Commerce Social Selling Mobile Commerce Internet-Auktionsverkauf Internet-Marktplätze VR-/AR-/Metaverse-Verkauf

472 

Die Zukunft gehört der vertriebsorientierten Bank mit Verkaufsprofis im Außendienst, die auch nach Feierabend gerne den Kunden zu Haus beraten.“ (Quelle: Kundenbrief der Iltis GmbH, Nr. 3, 6/1998, S. 4)

 6 Vertriebspolitik

Relationship-Marketing tritt an Stelle eines verkäufermarktgeprägten Transaktionsmarketing. Je nach Ort des Verkaufsgesprächs mit dem Kunden (je nach Point of Sale, POS) sind vier Grundformen des persönlichen Verkaufens zu unterscheiden (grundlegend dazu Abbildung 6.17:, im weiteren Verlauf noch detaillierter): (1) Beim stationären Verkauf ist der Verkäufer an einen POS gebunden (Residenzprinzip). Dies ist die klassische Form des Laden- (Handel) und des Schalterhallenverkaufs (Banken). Beraten und verkauft wird in eigenen Verkaufsräumen. Attraktive Verkaufsräume sind wichtig, um Kunden anzuziehen. Kundenbetreuer der Banken lösen sich seit einigen Jahren vom festen Standort Schalterhalle und suchen den Weg zum Kunden. (2) Wechselnde POS kennzeichnen den nicht-stationären Verkauf (Domizilprinzip). Außendienstmitarbeiter und Vorgesetzte (Verkaufsleiter) besuchen Kunden (Besuchsverkauf oder Außendienstverkauf) oder treffen sich mit ihnen in Hotels oder Restaurants, auf Messen, auf neutralen Plätzen oder auch, z. B. in Verbindung mit Betriebsbesichtigungen oder Produktpräsentationen, in der eigenen Zentrale. Eine besondere Form ist der Strukturvertrieb (Multi-Level-Marketing), bei dem Verkäufer Kunden im engeren Kreis von Freunden und Bekannten such (Schneeball-Prinzip). (3) Kennzeichnend für das Treffprinzip sind wechselnde Standorte. Zum physischen Treffprinzip zählen z. B. der Messe- oder Marktstand, der Aktionsverkauf (z. B. vor Kaufhäusern) oder der Partyverkauf. Hierzu zählen auch Verkaufsfahrten mit Sonderangeboten. Beim virtuellen Treffprinzip sind Käufer und Verkäufer definiert (nicht anonym). Sie verhandeln ohne physische Anwesenheit (z. B. per Live Video, Live Chat, Webinare). (4) Aktuell etabliert sich der Begriff Hybrider Vertrieb (Hybrid Selling). Kunden werden vom Homeoffice des Verkäufers oder nach bestimmten Regeln persönlich und über das Internet betreut. Mehr Details hierzu finden sich bei den später beschrieben Mehrkanal-Betreuungskonzepten. Mediengestützter Verkauf (Voice to Voice, auch Video zu Video) Auch beim mediengestützten oder semipersönlichen Verkauf befinden sich Käufer und Verkäufer in einem interaktiven Dialog; allerdings nicht von Angesicht zu Angesicht. Man ist über ein Medium verbunden.

6.5 Gestaltung des Vertriebssystems 

 473

Von überragender Wichtigkeit ist hierbei der Telefonverkauf.589 Call-Center ergänzen oder ersetzen den Außendiensteinsatz, so lautet die Schlagrichtung. Ohne kostspielige Außendienstreise wird ein FrageAntwort-Dialog mit dem Kunden ermöglicht. Das Direktmarketing hat diese Verkaufsform insbesondere zur Ansprache von Interessenten perfektioniert, um deren Potenzial und Kaufinteresse abzuklären und ggf. Besuchstermine für den Außendienst zu vereinbaren. Inside Sales beschreibt einen rein mediengestützen Verkauf aus der Unternehmenszentrale heraus. Die Corona-Phase hat Kundenkontakten und Verkaufsverhandlungen über Videokamera oder Web-Cam (Videokonferenzen) zum Durchbruch verholfen. Wenn auch Mimik und Kinsetik (im Gegensatz zum Telefonverkauf) das Verkaufsgespräch per Bildschirm mit beeinflussen, so fehlt doch die persönliche Nähe (das Face-to-Face-Feeling). Dennoch lässt sich durch Zoom oder Microsoft Teams ein Teil der Kundenbesuche einsparen. Face-to-Face Interaktion stärkt die Kundenbindung. Die Digitalisierung führt nicht zu einem eigenständigen Konzept, sondern stellt den Kundenbetreuern neue, innovative Werkzeuge (Devices) zur Verfügung. Die Vorteile von mediengestützen Meetings im Verkauf sind dabei vielfältig:590 (1) Zeitersparnis: Gespräche und Meetings können kurzfristig vereinbart werden. Vielfach lassen sich Termine für mehrere Personen für ein virtuelles Meeting einfacher als bei einem physischen Meeting koordinieren. Der nicht stattfindende physische Kundenbesuch erspart einen vor Ort-Besuch, der von anderen Tätigkeiten abhält. (2) Örtliche Flexibilität: Telefonische oder digitale Gespräche können ortsunabhängig vereinbart werden. Die Zusammenarbeit und Absprache über räumliche Distanze hinweg ist einfach möglich. (3) Effektivität: Meetings können zur gemeinsamen Ansicht und Durchsprache von Unterlagen eingesetzt werden. Virtuelle Rundgänge können aufwändige Reisetätigkeiten ersetzen. (4) Kostenersparnis: Zeit- und kostenintensive Kundenbesuche werden durch telefonische oder virtuelle Meetings ersetzt, die unter bestimmten Umständen eine fast gleichwertige Kontaktqualität bieten können. (5) Umweltaspekte: Reisetäigkeiten werden reduziert oder vermieden, das gemeinsame digitale Betrachten und Bearbeiten von Dokumenten reduziert den Ressourcenverbrauch durch wegfallenden Druck von Unterlagen und Broschüren.

589 Vgl. Spandl/Schmidt (2022), S. 2. 590 Vgl. Schneider-Störman, Büttner, (Digitaler Vertrieb), 2019, S. 15.

474 

Die Kehrseite des Versandhandels: 2020 Retouren von 5,46 Mrd. Euro. Im Durchschnitt kostet jede Retoure 19,51 Euro (Quelle: Forschungsgruppe Retourenmanagement der Uni Bamberg).

Die Nr. 1 in Deutschland: QVC mit über 978 Mio. Euro in 2020 und 3100 Mitarbeitern.

 6 Vertriebspolitik

Mediengeführter Verkauf (Unpersönlicher Verkauf) Beim unpersönlichen Verkauf laufen die Kundenkontakte ausschließlich über Medien. Man spricht deshalb auch vom Distanzprinzip. I. d. R. gibt es Optionen für eine persönliche Kontaktaufnahme. Die dominierende Verkaufsform ist der E-Commerce und Versandhandel mit schriftlichen, telefonischen und Internet-getragenen Kontakten zwischen Kundenbetreuern und Kunden. Unterschieden werden Großversender (Amazon, Otto) und Spezialversender für praktisch jede Branche (z. B. Bader, Baur, Conrad, Ebrosia, Heine, Hach, Viking, Zalando, Witt). Der Versandhandel wird mittlerweile vom E-Commerce dominiert. Auch Lidl  & Co. sind in die Phalanx der klassischen Versender eingedrungen. Der Umsatz im B2C-E-Commerce (Consumer-Onlinehandel) in Deutschland belief sich laut Statista Research Department im Jahr 2020 auf 72,8 Milliarden Euro. Auf 71,5 Mrd. Euro kommt der ZAW im Jahr 2021. Neben digitalen Kanälen wird auch das Fernsehen weiterhin als Absatzkanal genutzt. Der Verband Privater Medien (VAUNET) meldet für Deutschland für das Jahr 2020 Teleshopping-Umsätze in Höhe von rund 2,26 Mrd. Euro. 2010 waren es noch 1,4 Mrd. Euro. Dieser Handelsbereich hat sich kontinuierlich weiterentwickelt. Die Teleshopping-Anbieter präsentieren sich als Multimedia-Versandhändler. Sie profitieren von der guten Positionierung in den Bereichen Hybrid-TV, d. h. in der Kombination von Online und Mobile. Marktführer sind QVC, Home Shopping Europe (HSE) und Channel21 aus Hannover. Der Verkauf durch Automaten (Vending-Automaten) ist besonders für Convenience-Goods (Zigaretten, Süßwaren) oder für Zeitdruck-Käufe (Blumen, Spirituosen, Fahrkarten, Benzin) geeignet. Im Einsatz sind Innenautomaten, Außenautomaten oder Automatenläden mit vollständiger Selbstbedienung. 2020 verbuchte die Branche einen Umsatz in Höhe von ca. 2,53 Mrd. Euro. Das beliebteste Verkaufsprodukt sind Heißgetränke. Aktuell etablieren sich 24/7-Stores als kleine Standorte von Lebensmittelketten, die ohne Verkaufspersonal betrieben werden.591 Die Verkaufsform hängt stark von Produkt und Marktbedingungen ab. Auf die Verkaufsform muss die Vertriebsorganisation zugeschnitten werden. Godefroid kombiniert bestimmte Güterarten (Geschäftsarten) mit geeigneten Verkaufsformen.592 Abbildung 6.18 zeigt das Schema. 591 Die Handelsforscher Rüschen und Kortum begleiten die Entwicklung der Smart Stores mit ihrem Kompetenznetzwerk Handel an der Dualen Hochschule Baden Württemberg (DHBW), online unter https://handel-dhbw.de/smart-stores-24-7/. 592 In Anlehnung an eine Grafik von Godefroid, Pförtsch, (BtoB), 2008, S. 37.

6.5 Gestaltung des Vertriebssystems 

 475

Generell gilt: Der persönliche Verkauf ist umso bedeutsamer, – je stärker Vertrauen bei der Kaufentscheidung eine Rolle spielt, – je erklärungsbedürftiger ein Produkt ist, – je langwieriger ein Kaufprozess abläuft, – je riskanter der Kauf vom Kunden empfunden wird, – je teurer ein Produkt ist, – je stärker der Dienstleistungscharakter eines Produktes ist. GESCHÄFTSARTEN UND VERKAUFSFORMEN (in Anlehnung an Godefroid)

Anzahl der Kunden

Telefonverkauf Persönlicher Verkauf / Außendienst-Verkauf

E-Commerce

Automaten Versandhandel Ladenverkauf

sehr groß anonym

convenience goods

groß überschaubar klein sehr klein

Anlagengeschäft

Systemgeschäft

Produktgeschäft Ersatzteilgeschäft

komplexes mittleres einfaches Beschaffungsverhalten: Industriegeschäft

z.B. Immobiliengeschäft

hochwertige Gebrauchsgüter

komplexes mittleres einfaches Einkaufsverhalten: Konsumgeschäft

Abbildung 6.18: Geschäftsarten und Verkaufsform.

Hybrid Sales, Multiverkaufsformen und Multi Channel Marketing Früher wurde den Verkaufsformen Vertriebswege zugewiesen, die dann unabhängig voneinander operierten. Doch der Markterfolg in der Praxis hängt von der Kombination der Verkaufsformen und von deren Bündelung zu Multikanalsystemen ab. Erfahrungen aus der Corona Pandemie, die Face-to-Face-Besuche für viele Monate unmöglich gemacht hat, ziehen eine deutliche Flexibilisierung der Kundenkontaktkonzepte und Vertriebssysteme nach sich. Verkaufsformen und Vertriebsorganisationen fließen ineinander. Abbildung 6.19 zeigt eine Abfolge von Verkaufsformen und Kanälen nach einem Grad der Komplexität; ausgehend von der fundamentalen Innendienstbetreuung bis hin zu internet-gestützten Mehrkanalvertriebssystemen unter Einbezug von Social Media. Die einzelnen Bausteine der Kette und damit die unterschiedlichen Wege zum Kunden werden in den folgenden Abschnitten behandelt. Die hybride Vertriebsform (auch als Hybrid Selling bezeichnet, der Begriff ist in seiner Abgrenzung noch nicht ganz trennscharf) kombiniert alle in Abbildung 6.19 beschriebenen Optionen je nach Kundenart,

476 

 6 Vertriebspolitik

-bedürfnis und sogar Kundenwunsch. Ein Vertriebsmitarbeiter kann aus der Palette an Vertriebsinstrumenten wählen und so den Kundenkontakt bestmöglich initiieren und anlassbezogen führen.

Multi Channel Marketing Marktplatz, Portal CRM KundendienstIntergration Call Center-Betreuung Außendienstbetreuung Innendienstbetreuung

Virtuelles Customer Care Center E-Commerce und Onlinekanal Marketing-Kampagne Händleranbindung

Abbildung 6.19: Abfolge der Verkaufssysteme nach Komplexität.

Eine Befragung von Einkäufern hat gezeigt, dass rund die Hälfte aller Einkäufer heute einen digitalen Kontakt via Videocall akzeptiert und schätzt. Sogar ein individuelles Ordering und Bestellen über einen Onlineshop können sich Einkäufer bei bekannten Bedarfen und Produkten vorstellen. Bei der Suche nach neuen Beschaffungsquellen und bei Erstgesprächen besitzt der direkte und unmittelbare Kundenkontakt hingegen weiterhin eine entscheidende Rolle und rechtfertigt persönliche Kundenbesuche.593 Die anlassgetriebe Auswahl der Verkaufsform ist eine wichtige Fähigkeit für Mitarbeiter in Vertrieb und Verkauf. Neben dem Führen von persönlichen Verkaufsgesprächen müssen Mitarbeiter auch Online-Gespräche führen und den Einsatz von Remote Selling Technologien intiieren und anleiten können.594

593 Vgl. Bagnes-Amat et al., (Changing B2B Sales), 2020. 594 Vgl. Schmitz, Wieseke, (Vertrieb in Zeiten von Corona und Rezession), 2020, S. 27.

6.5 Gestaltung des Vertriebssystems 

 477

Abbildung 6.20 fasst die Prinzipien, die diesen Verkaufsformen zugrunde liegen, noch einmal zusammen. Die Verkaufsformen sind in der Praxis nicht in Stein gemeißelt, wenngleich überall branchentypische Regularien zu beachten sind. Das situationsgerechte Umgehen mit den Verkaufsformen ist eine wichtige Qualität. Treffprinzip physisch

Treffprinzip virtuell Residenzprinzip

Verkäufer

Domizilprinzip

Käufer

Abbildung 6.20: Kontaktprinzipien.595

Die verschiedenen Prinzipien zeichnen sich durch konstituierende Merkmale aus, die sich folgendermaßen darstellen: – Treffprinzip physisch: Käufer und Verkäufer treffen physisch zusammen, bspw. Märkte, Messen, Ausstellungen – Treffprinzip virtuell: Käufer&Verkäufer treffen ohne physische Interaktion zusammen, synchron/ asynchron, bspw. Live Video, LiveChats, Webinare – Residenzprinzip: Konsument sucht Residenz des Händlers auf (klassischer Stationärhandel), Konsumenten können Waren testen und besichtigen, prüfen und mit Verkaufspersonal interagieren – Domizilprinzip: Ambulanter Handel, initiativer Händler sucht Konsumenten auf, Heimvertrieb, bspw. Verkaufspartys, Heimvorführungen, Beratungs- und Verkaufsgespräche im Heim oder Domizil des Kunden – Distanzprinzip: Immaterielle Warenpräsentation und Verkaufsabwicklung als konstituierendes Merkmal, Waren werden schriftlich, fernmündlich oder elektronisch bestellt (Versandhandel und E-Commerce), Warenübergang idR. durch Lieferung

595 Quelle: Erweiterung in Anlehnung an das Grundmodell von Hansen, (Absatzmarketing), 1990, S. 269.

478 



 6 Vertriebspolitik

Hybridsysteme: Z. B. Bestellshops von Versandunternehmen, Pop Up-Stores des E-Commerce, etc., Hybridsysteme kombinieren die verschiedenen Optionen immer wieder neu.

6.5.2 Mitarbeitende in der Vertriebs- und Verkaufsorganisation Nach Schätzungen der Abbildung  6.21 gibt es in Deutschland zwischen 300.000 und 500.000 Vertriebsorganisationen. In Großunternehmen sind oftmals Hunderte oder Tausende von Mitarbeitern in Außen- und Innendienst in Dutzenden von Vertriebsbereichen weltweit zu organisieren. Beim Schraubenproduzenten Würth arbeiten 33.000 von 80.000 Mitarbeitern als festangestellte Verkäufer im Außendienst. Bei Vorwerk sind 577.000 selbständige Berater vertrieblich unterwegs. Bei Mercedes-Benz betreuen 1.500 Mitarbeiter in Vertrieb und Service 84 Händler an 166 Standorten und 138 Servicepartner an 160 Standorten. Bei Lidl stehen in Deutschland 91.000 Mitarbeiter in 3.200 Filialen an der Verkaufsfront. Und Mercedes-Benz schreibt: „An rund 1.100 Verkaufs- und Servicestützpunkten sorgen über 56.000 Mitarbeiter für die bestmögliche Betreuung unserer Kunden✶innen.“ GESCHÄTZTE ZAHL DER DEUTSCHEN VERTRIEBSORGANISATIONEN 2020

Großkonzerne Konzerne Großunternehmen Mittlere Großbetriebe Kleine Großunternehmen Mittelbetriebe Kleinbetriebe Kleinstbetriebe

500 300 2.500 500 2.300 4.300 9.200 50.000 73.000 250.000 353.0000 2.500.000 2.931.000

30.000.000

geschätzte Anzahl Beschäftigte Vertriebsorganisationen über 5.000 20 x 300 = 6.000 2.501 bis 5.000 10 x 500 = 5.000 1001 bis 2.500 8 x 2.300 = 18.400 501 bis 1.000 4 x 4.300 = 17.200 251 bis 500 2 x 9.000 = 18.000 73.000 51 bis 250 10 bis 50 350.000 bis 9 0 Summe 487.600

(Quelle: Schätzung auf der Grundlage einer Auswertung von Statista)

Abbildung 6.21: Geschätzte Zahl deutscher Vertriebsorganisationen.

Das sind herausfordernde Größenordnungen. Schon beim Aufbau einer kleineren bzw. mittelständischen Vertriebsorganisation sind wichtige Fragen zu klären: (1) Welche Funktionen müssen vom Vertrieb, passend zu Angebotsprogramm und Verkaufsform, bei den Verkaufstätigkeiten erfüllt werden? Ausgangspunkt aller Überlegungen ist das Geschäftsmodell. (2) Welche Arbeitsstellen sollen zur Erfüllung der Funktionen mit welcher Personalstärke besetzt werden, und welche Kompetenzen und

6.5 Gestaltung des Vertriebssystems 

(3) (4)

(5)

(6)

(7) (8)

 479

Verantwortungen sind den Stelleninhabern zuzuweisen (Stellenbeschreibungen)? Wie wird das Personal vergütet (fix und variabel)? Wie wird die Verkaufsabteilung in der Unternehmensorganisation verankert? Welche Über- und Unterordnungsbeziehungen sollen im Verkaufsbereich herrschen? Wie sind die Schnittstellen zu anderen Ressorts (z. B. zu Produktion, Marketing, Lager) zu gestalten? Welche Außendienstmitarbeiter sollen welchen Verkaufsgebieten (VKB) mit welchen Umsatz- und Ergebniserwartungen für welche Kunden und Produkten zugeordnet werden? Wie sollen die Verkaufsprozesse ablaufen (Sales-Cycle)? Welche Ressourcen und Werkzeuge (Tools) werden den Mitarbeitern zur Verfügung gestellt? Welche Punkte sind hinsichtlich Compliance und Nachhaltigkeit zu beachten? Welcher Grad der Digitalisierung soll angestrebt werden?

Abbildung 6.22 gibt einen Überblick über Hauptaufgaben der Funktionsbereiche mit Kundenkontakt: Außendienst, Innendienst, Key Account Management (KAM), Customer-Service und Verkaufsleitung. HAUPTZIELE UND KERNAUFGABEN DER MITARBEITER IM VERKAUF Außendienst: Umsatzzielerreichung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Interessentensuche und Potenzialklärung Kundenqualifizierung (Kundenbewertung) Neukundengewinnung (Lead-Management) Stammkundenbetreuung (Potenzialausschöpfung) Vertrags-, Konditionenverhandlungen Marktforschung beim Kunden Produktpräsentationen, Produkteinführungen Abwicklung von Beanstandungen mit Innendienst Mitarbeit an der Vertriebsplanung und am CRM Mitarbeit an Verkaufsförderung, insbes. Messen

Key Account Manager: Umsatz-/Projektzielerreichung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Customer Service: Effizienzzielerreichung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Unterstützung Außendienst, Bedarfsklärungen Eigenverantwortliche Kleinkundenbetreuung Telefonische und schriftliche Kundenbetreuung Angebotserstellung und Auftragsabwicklung Fakturierung (Rechnungserstellung) Beschwerdebearbeitung Lieferservice, Abstimmung mit Logistik Unterstützung für Vertriebspartner Mitarbeit an Mailingaktionen, Telefonmarketing Mitarbeit an Verkaufsförderung, Messen

Schlüsselkundengewinnung und -sicherung Kontraktmanagement, Konditionenverhandlungen Projektabwicklung mit Kunden Prozessoptimierung mit Kunden Marktforschung mit Kunden Firmen- und Produktpräsentationen Abwicklung Beanstandungen Abstimmung mit Flächenvertrieb Mitarbeit an der Vertriebsplanung und am CRM Mitarbeit an Verkaufsförderung, insbes. Messen Vertriebsleitung: Umsatz-und Ergebniszielerreichung

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Führung der Verkaufsmitarbeiter Förderung der Verkaufsmitarbeiter Richtlinien für die Kundenbetreuung Erarbeitung Akquisitionsstrategie Festlegung Konditionenpolitik Verhandlungen mit Schlüsselkunden Gewinnung und Führung von Vertriebspartnern Mitgestaltung des Berichtswesens(Reporting) Strategische und operative Vertriebsplanung Einführung und Weiterentwicklung von CRM

Abbildung 6.22: Hauptziele und Kernaufgaben der Mitarbeiter im Verkauf.

480 

 6 Vertriebspolitik

Außendienstmitarbeiter – Frontoffice Die Zeit des „Klinkenputzens“ ist passé. Junge BetriebswirtInnen erobern den Vertrieb.596 Das Haustürgeschäft (der traditionelle ambulante Handel), die sprichwörtlichen „Hausierer“ spielen nur noch in Randbranchen eine Rolle. Verkaufen ist heute eine ehrenwerte und anspruchsvolle Aufgabe, die zunehmend von Beratung, konzeptionellen Inhalten und digitaler Kommunikation geprägt wird. Das gilt auch für viele männliche und weibliche VerkäuferInnen, die sich als Vertriebsingenieure der Vermarktung des technischen Fortschritts verschrieben haben. In USA sind 3 Verkäuferrollen geläufig: (1) Business Consultant (2) Long Term Ally (3) Business Orchestrator.

Verlangt werden im Rahmen der Kundenbetreuung: (1) Involvement, d. h. unbedingter Einsatzwille und Freude an Verantwortung, (2) Fähigkeit, Umsatz- und Ergebnisziele mit Bedürfnissen der Kunden in Einklang zu bringen, (3) Überzeugungskraft beim Präsentieren von Produkten und Darstellen von Produktvorteilen (Präsentationstechnik), (4) Qualifikation, international arbeiten zu können (mindestens Fremdsprache Englisch), (5) von Nicht-Technikern das Interesse, sich technische (oder die naturwissenschaftliche) Grundkenntnisse über das Verkaufsprogramm anzueignen,597 (6) konzeptionelle Fähigkeiten, d. h. qualifizierte Mitarbeit am Berichtswesen, an Soll-/Ist-Analysen von Vertriebsplanung und Vertriebscontrolling. Erforderlich sind gute Kenntnisse in der Methodik der strategischen Planung und im Projektmanagement. (7) Wissen und Kenntnisse im Umgang mit den digitalen Kommunikationsmitteln, insbesondere mit Smartphone und Laptop, mit Datenaustausch mit der Zentrale und mit computergestützter Vertriebssteuerung (CRM), (8) menschliche Fähigkeiten (Sozialkompetenz), in flachen Hierarchien und in ambitionierten Marketing- und Vertriebsteams wie auch in ressortübergreifenden Projektgruppen engagiert und geschätzt mitzuarbeiten. Um Kunden zufrieden zu stellen oder gar zu „begeistern“, sind aufgabenadäquate Rollen des Verkäufers zu definieren. Ein recht einfaches Schema

596 Vgl. Winkelmann, (Durchbruch), in: ASW, 3/1998, S. 72. 597 Man geht heute davon aus, dass ein Außendienstmitarbeiter 60% aller Kundenfragen beantworten sollte (FAQ: frequently asked Questions).

6.5 Gestaltung des Vertriebssystems 

 481

unterscheidet Hunter (Kompetenz Kundengewinnung) und Farmer (Kompetenz Kundensicherung). Abbildung  6.23 zielt auf den Aufbau guter persönlicher Beziehungen und weist dem Außendienstmitarbeiter drei Rollen zu:598 Als Partner sucht der Kundenbetreuer die für beide Seiten beste Lösung (Win-WinLösung), fördert den Markterfolg des Kunden und bezieht Kunden in eigene geschäftspolitische Überlegungen ein. Als Problemlöser ermittelt er Kundenbedarf, kennt Marktverhältnisse des Kunden und optimiert das eigene Leistungsangebot im Hinblick auf Kundennutzen. Als Koordinator ist er Ansprechpartner und Sprachrohr bei innerbetrieblichen Belangen von Produktmanagement, Lieferservice und Produktentwicklung. Diese Ausrichtungen bringen dem Außendienstmitarbeiter heute mehr Entscheidungs- aber auch Verantwortungsspielräume. Man spricht von Empowerment.599 Seine Betreuungs- und Beratungsleistungen kann ein Verkäufer nach Abbildung 6.24 im Rahmen von unterschiedlichen Verkaufsformen erbringen. Immer stärker wünschen die Unternehmen (z. B. im IT-Bereich) Projektbetreuer als eine besondere Kombination von Außendienstmitarbeiter, Beratungs- und Dienstleistungsverkäufer. Diese haben dafür zu sorgen, dass interne Organisationsvorhaben (z. B. CRM-Einführungen) wie externe Verkaufsprojekte sachlich und zeitlich korrekt ablaufen und Anwender dabei ein Höchstmaß an Betreuung erfahren. Den Erfolg eines Mitarbeiters im Außendienst nur von dessen Fähigkeiten, von seinem Einsatzwillen und von seiner Persönlichkeit abhängig zu machen, wird nicht funktionieren. Zur Erfüllung der Verkaufsanforderungen der Abbildung 6.23 muss das Vertriebsmanagement fördernde Voraussetzungen für ein erfolgreiches Arbeiten schaffen. Einen besonderen rechtlichen Schutz genießt der angestellte Außendienstmitarbeiter zudem wegen seiner besonderen Verantwortung und seiner besonderen Handlungsrisiken im Rahmen der §§ 55 ff. HGB. Er gilt als Reisender und kann mit Abschlussvollmacht (i.V.: Abschlussreisender) sein Unternehmen rechtlich vertreten und Geschäfte abschließen.600 Neben (meist) außertariflichem Gehalt und überdurchschnittlichen Sozi-

598 Vgl. Esser, Steven, (Kunden-Beziehungsmanagement), in: ASW, Sondernummer Oktober 1996, S. 200, die allerdings in der Grafik (Quelle: TMT Europe) von einer Beraterstatt Problemlöserfunktion sprechen. 599 Vgl. Rentzsch, (Erfolgsfaktoren), 1995, S. 113. 600 Der Reisende ist aufgrund seines Dienstvertrages damit beauftragt, für seinen Dienstherrn ständig Geschäfte zu vermitteln (ohne Vollmacht) oder abzuschließen (mit Vollmacht); HGB § 55. Mit Abschlussvollmacht ist eine Bestätigung durch den Vertretenen nicht notwendig.

Für die Kundenbetreuer gibt es feine Graduierungen. Siemens ICN kennt z. B. drei Arten von Kundenbetreuern: die normalen VBs (Generalisten), die Solution Manager (Spezialisten mit Vertriebsauftrag) und die Consultants.

482 

 6 Vertriebspolitik

ROLLEN UND ORGANISATORISCHE ERFOLGSFAKTOREN FÜR DEN AUSSENDIENST

PartnerFunktion ProblemlöserFunktion

KoordinatorFunktion

Erfolgsvoraussetzungen für Mitarbeiter: – klare Aufgabenstellung – sichere Einbindung in die Organisation – Kongruenz von Kompetenz und Verantwortung – angemessene Ausstattung und Budgets – Persönlichkeitsstärken / Sozialkompetenz

Abbildung 6.23: Rollen und organistorische Erfolgsfaktoren für den Außendienst.

10 FOR MEN DES PERSÖNLICHEN VERKAUFS ① Außendienstverkäufer ② Haustürverkäufer ③ Strukturvertriebsverkäufer ④ Innen(dienst)verkäufer ⑤ Call-Center-Verkäufer ⑥ Stationärer Verkäufer ⑦ Beratungsverkäufer ⑧ Aktionsverkäufer ⑨ Auslieferungsverkäufer Dienstleistungsverkäufer

Angestellter (Reisender) mit Besuchstätigkeit Variante des Besuchsverkaufs in BtoC (z.B. Vorwerk) verkauft im Rahmen von Netzwerken (Multi-Level-Marketing) verkauft von der Zentrale aus (oder aus dem Home Office) verkauft am Telefon; i.d.R. mit digitaler Anbindung wird im Ladengeschäft (Theke) oder im Schauraum tätig Beratung, Problemlösungen im Fokus (z.B. Pharmareferent) verkauft an wechselnden Standorten (z.B. Messeverkauf) übernimmt auch logistische Aufgaben: Bofrost, Eismann verkauft seine Arbeitsleistung

Abbildung 6.24: Formen des persönlichen Verkaufs.

alleistungen haben Außendienstler i. d. R. Anspruch auf Provision und Prämie und profitieren von großzügigen Dienstwagen- und Spesenregelungen im Rahmen der steuerlich geltenden Vorschriften. Key Account Manager (Schlüsselkundenbetreuer) Die dargestellten Verkaufsaufgaben gelten im Prinzip auch für die Schlüsselkundenbetreuer (Großkundenbetreuer). „Fast immer lassen sich „wich-

6.5 Gestaltung des Vertriebssystems 

 483

tige“ und „weniger wichtige“ Kunden identifizieren. Bei den besonders wichtigen Kunden handelt es sich in der Regel um jene, die zu verlieren sich die Unternehmung einfach nicht leisten kann. Denn von ihnen hängt der Unternehmungserfolg ab. Die Praxis bezeichnet diese Kunden üblicherweise als Schlüsselkunden oder Key Accounts.“601 Der Außendienst muss mit zunehmender Akademisierung der Einkaufsstäbe von großen Handelsgruppen und Industriekunden Schritt halten. Das erfordert mehr Markt- und Problemlösungskompetenz bei der Kundenbetreuung. Die Idee eines gemeinsamen Markterfolgs von Lieferanten und Schlüsselkunde ist im KAM-Bereich stärker ausgeprägt als im Flächenvertrieb. Folgerichtig werden den Key Accountern Kenntnisse und Erfahrungen abverlangt, um in ressort- und firmenübergreifenden Projekt-Teams: – mit Großkunden gemeinsam neue Produkte zu entwickeln,602 – mit Großkunden gemeinsam Prozesse zu optimieren; um schneller zu werden (z. B. bei der Auftragsabwicklung) und Kostensenkungen zu realisieren. Wegweisend für den Trend zur verstärkten Zusammenarbeit zwischen Lieferanten und Kunde war die Automobilindustrie mit veränderten Beschaffungsstrategien. Aufgrund hohen Anforderungen liegen Key Account Manager üblicherweise gehaltlich im AT-Bereich. Vertiefende Betrachtungen zum KAM-Bereich finden sich in 6.7.1. Kundenservice – Innendienst (Backoffice – Customer Service) Die MitarbeiterInnen im Innendienst haben in den letzten Jahren eine erhebliche Aufwertung erfahren. Aus Auftragsabwicklern werden Service-Dienstleister:603 Zum einen gibt es Erfahrungen, nach denen Mitarbeiter in den Innendiensten die Computerisierung, d. h. die computergestützte Vertriebssteuerung (CRM), leichter angenommen haben als viele Außendienstkollegen. Ihr Einfluss in der Verkaufsorganisation wurde gestärkt. Die Nähe zum Vorgesetzten und vor allem die schon seit Jahren laufende Anbindung

601 Senn, (Key Account Management), 1997, S.  1; Miller, Heiman, (Schlüsselkunden-Management), 1992, S. 27. 602 Vgl.  zur kundenorientierten bzw. marktorientierten Produktentwicklung mit dem Postulat der Kundeneinbindung: Backhaus; Voeth, (Industriegütermarketing), 2010, S. 215–220. 603 Zu den Aufgaben des Backoffice vgl. Hofbauer, Hellwig, (Vertriebsmanagement), 2012, S. 99.

Bei einem bedeutenden Industrieunternehmen wie der Festo AG betreuen 10 Key Account Manager je 2 bis 3 Schlüsselkunden.

484 

Verkäufer kennen CRM, Innendienst kennt das ERP.

Kundendiensttechniker schaffen eine starke Kundenbindung und sehen die Anwendungen beim Kunden, die dem Vertrieb verschlossen sind.

 6 Vertriebspolitik

des Verkaufs an die EDV (im Rahmen von Warenwirtschaft, Auftragsabwicklung und Fakturierung) haben diesen Effekt begünstigt. Zum anderen führt der Lean-Selling Trend – mit Kostensenkung als Hauptziel  – dazu, dass bislang überwiegend abwickelnde Innendienste vermehrt mit (Klein-) Kundenbetreuung und Marketingservice-Aufgaben (bspw. Mailings, Potenzialklärungen, Folgeauftrags-Abfragen) betraut werden.604 Hinzu kommt die Einbindung der Innendienste in die höher qualifizierten Arbeitsgebiete E-Commerce und Telefonmarketing. Der Trend im Servicebereich geht unverändert hin zu mehr Verkaufsdenken und zu mehr Effizienz (z. B. papierlose Verarbeitung und Nutzung von Automatisierung und künstlicher Intelligenz). Eine besondere Rolle spielt dabei Team-Selling.605 Im Kern: Auflösung zentraler Innendienste und Zuordnung der Servicemitarbeiter zu leistungsfähigen Verkaufsgruppen mit gemeinsamer Erfolgsverantwortung. Nicht mehr: „Ihr draußen, wir drinnen“, sondern „Außendienst und Innendienst in einem Boot“ lautet die Devise. Der Ansatz bedingt ein Abgehen von der leistungsfeindlichen Tarifgruppensystematik und ein Einbezug des Innendienstes in die den Außendienst geltende Provisionsregelungen. Erfahrungen aus der Corona-Zeit haben dazu geführt, dass die Unternehmen jetzt den Trend zu Home-Offices mit der Idee des Team-Sellings in eine neue Balance führen müssen. Neuer Begriff für diese Art der Arbeitsteilung und Zusammenarvbeit: Inside Sales. Technischer Kundendienst – Anwendungstechnik Für viele Unternehmen ist die organisatorische Zuordnung der Kundendiensttechniker, bzw. der technischen Kundenberater, eine vielfach diskutierte Frage. Erfahrungen zeigen, dass sich technische Kollegen, die regelmäßig mit Problemlösungsaufgaben beim Kunden betraut sind, auch organisatorisch dem Vertrieb zugehörig fühlen. Einbezogen in die erfolgsverantwortlichen Verkaufsteams wird es Kundendiensttechnikern leichter fallen, Bedarfsklärungen und Wettbewerbsforschung beim Kunden vorzunehmen und Verkäuferbesuche zu initiieren. Vertriebsleitung Vertriebsleitungen haben heute gut ausgebildete Außendienstmitarbeiter zu führen und sich stärker um konzeptionelle Themen zu kümmern.

604 Vgl.  Winkelmann, (Durchblick), in: acquisa, 2/1998, S.  40; Bußmann, (Lean Selling), 1995. 605 Vgl. zum Thema Team-Selling: Bußmann, Rutschke, (Team-Selling), 1996.

6.5 Gestaltung des Vertriebssystems 

 485

Marktuntersuchungen belegen ein auf Führungsebene noch immer stark ausgeprägtes Festhalten am hemdsärmeligen Geschäft. Mitarbeitende im Verkauf beklagen, dass sich Führungskräfte wenig Zeit für regelmäßige Auswertungen von Marktdaten nehmen und vermissen schnelle Rückmeldungen an den Außendienst zum Anstoßen von Kundenaktionen.606 Die zunehmende Digitalisierung stellt an alle Mitarbeitenden in Vertrieb und Verkauf neue Anforderungen. Die Nutzung digitaler Kommunikations- und Kollaborationstools wie bspw. zoom oder miro erfordert eine technische Kompetenz, die neben der klassich vertrieblichen Aspekte der Arbeit notwendig ist. Tools und Softwareanwendungen müssen beherrscht werden und sollen in der Interaktion mit Kunden und Anwendern kompetenten Einsatz finden. Nur wenn der Einsatz sicher erfolgt, können bspw. virtuelle Produktdemonstrationen, Webinare oder Verhandlungen über digitale Kommunikationstools erfolgreich werden.607

6.5.3 Strukturorganisation in Vertrieb und Verkauf Die Einordnung des Vertriebs in die Gesamtorganisationen wurde im 2. Kapitel behandelt. Eine Herausforderung ist noch zu beachten: Abstimmungsproblematiken sind vorprogrammiert, wenn Vertrieb der Geschäftsführung zugeordnet ist, die Marketingleitung jedoch der Geschäftsführung nicht angehört. Die Marketingverantwortung gehört nahe an den Vertrieb, hierarchisch zumindest neben den Vertrieb! Das Gleiche gilt umgekehrt. Die optimale Anzahl der Mitarbeiter muss bestimmt werden. Dazu eine kurze Aufgabenstellung: In annähernd zwei gleichen Verkaufsgebieten arbeiten zwei Verkäufer. Beide haben den gleichen Umsatz. Beide verfügen über die gleiche verkaufsaktive Zeit pro Jahr. Wer ist dann der Bessere? Beide sind gleich gut oder gleich schlecht – das sagt die Potenzialanalyse. Der zweite Blick verrät: Der eine arbeitet mit einer Arbeitslast von 60 Prozent, sein Kollege mit 120 Prozent. Der erste betreut eine Handvoll Großkunden. Der zweite erreicht den gleichen Umsatz nur mit Kleinkunden. Wer ist jetzt der Bessere? Kann man das überhaupt sagen? Oder lässt der zweite Blick (gemäß sog. Arbeitslastanalyse) nur die Fest-

606 Vgl. die Zusammenfassung bei Winkelmann, (Besuchsberichte), in: ASW, 2/1998, S. 82. 607 Vgl. Schneider-Störmann, Büttner, (Digitaler Vertrieb), 2019, S. 16.

486 

 6 Vertriebspolitik

stellung zu, dass die Gebiete (Kunden) nicht effizient verteilt sind und dass daher noch Reserven im Verkauf stecken? Diese grundlegende Fragestellung verdeutlicht Abbildung 6.25.

Kleines Verkaufsgebiet Großes Verkaufsgebiet

Wenige Kunden

Viele Kunden

① Sinnvoll nur bei Key

② Konzentrierte Bearbeitung möglich

Account Management

Hohe Reisekosten pro Kunde – Neukunden lokalisierbar?

Arbeitsbelastung? Kundenqualifizierung! Zu viele Kleinkunden?

Abbildung 6.25: Überlegungen zur Kundenstrukturplanung.

Gesucht wird eine Berechnungsweg zur Bestimmung der Anzahl der Mitarbeiter im Außendienst. Zwei Verfahren stehen sich gegenüber: – Das Potenzialverfahren, das Außendienstmitarbeitern ungefähr gleich große Umsatzpotenziale zuweist; unabhängig von der Anzahl der Kunden und der erforderlichen Reisestrecken, – das Arbeitslastverfahren, das Arbeitsbelastungen der Außendienstmitarbeiter aufgrund einer Kundenstrukurplanung harmonisiert. In der Praxis werden die beiden Verfahren verknüpft, um Personalstärke im Vertrieb und Gebietsplanungen (d. h. optimale Zuordnung von Kunden bzw. Kundenregionen mit den entsprechenden Kundenumsätzen) zu den einzelnen Außendienstmitarbeitern vorzunehmen. Dabei wird wie folgt vorgegangen: 1. Das Potenzialverfahren liefert zunächst die Richtgröße für eine angemessene Außendienststärke. 2. Diese wird nach Plausibilität, vorhandenen Ressourcen und in Bezug auf finanzielle Tragfähigkeit (Personalkosten) abgeprüft und dann 3. nach dem Arbeitslastverfahren das Feintuning für die endgültige Kadergröße, die Gebietsgrößen und die zugeordneten Kundenanzahlen vorgenommen. Am Anfang steht eine Zeit- und Kostenanalyse für einen durchschnittlichen Außendienstmitarbeiter (Abbildung  6.26) und eine Arbeitslastplanung (Abbildung 6.27). Nach Abbildung 6.26 kommt ein Verkäufer auf 190 Besuchstage mit 570 Soll-Besuchen und 1.033 Stunden verkaufsaktive Zeit (als „Richtschnur“).

6.5 Gestaltung des Vertriebssystems 

 487

ZEIT- UND KOSTENANALYSE FÜR DEN AUSSENDIENST VORGABEN: Besuchsvorgabe pro Tag

3,0 Besuche

Arbeitszeit pro Reisetag

10 Std.

Fahrleistung p. a.

40.000 km p. a.

Durchschnittsgeschwindigk.

60 km/h

KFZ-Kostensatz

0,50 € / km

Sozialkostensatz

42% Prozent

Tage ./. Wochenenden ./. Urlaub und Feiertage ./. Sonderurlaub, Krankheit ./. Stammhaus ./. Regionalbüro (40 x 0,5) ./. Tagungen ./. Sonstiges, Seminare etc. Besuchstage

365 –104 –38 –3 –6 –20 –2 –2 190

Gesamtzahl Besuche gemäß Vorgabe 570

Arbeitszeit p. a.

1900

Stunden

Reisezeit p. a.

–667

Stunden

–200

Stunden

verkaufsaktive Zeit p. a.

1033

Stunden

AD-Einkommen fix+variabel

75.000,00 €

Kosten pro

Sozialkosten

31.500,00 €

Reisetag:

KFZ-Kosten

20.000,00 €

855,26 €

Spesen, Kommunikation

24.000,00 €

Kosten pro

./. Pausen, Staus, Ausfälle

sonstiges Bruttokosten gesamt

12.000,00 € 162.500,00 €

Besuch: 285,09 € Kosten pro Besuchsstunde: 157,26 €

Abbildung 6.26: Zeit- und Kostenanalyse für den Außendienst.

Das Potenzialverfahren nimmt nur eine grobe Abschätzung vor. Ausgehend von der Faustregel, dass ein Außendienstmitarbeiter zwischen 5 und 7,5 Mio. Euro Umsatz verantworten sollte608, wären nach Abbildung 6.26 in Verbindung mit Abbildung 6.27 zwischen 23 (23.366: 1033) und 26 (14.558: 570) Außendienstmitarbeiter zur Erfüllung der Betreuungsaufgaben erforderlich. Diese sollten auf einen Jahresumsatz von 608 Gilt z. B. für B2B, hier Maschinenbau; hängt aber generell von Branche und Produkt ab.

488 

Kundengruppe A-Kunden B-Kunden C-Kunden D-Kunden Ziel-Kunden Neukunden Händler

100% = 1 ADM

 6 Vertriebspolitik

PERSONAL- UND BESUCHSPLANUNG FÜR AUSSENDIENSTMITARBEITER Anzahl 285 450 920 60 90 88 24 1917 Summe Kontakte

Besuchsfrequenz 12 12 4 1 3 18 6

Arbeitslast nach Besuchsvorgaben: Arbeitslast nach verkaufsaktiver Zeit:

Soll-Besuche 3420 5400 3680 60 270 1584 144 14558 Summe Besuche 2426.3%

Besuchsdauer 2.5 1.5 1.0 0.5 1 1.5 2.5

Soll-Stunden 8550 8100 3680 30 270 2376 360 23366 Summe Stunden

2062.3%

Abbildung 6.27: Arbeitslastverfahren.

mindestens 110 (22 Mitarbeiter à 5 Mio. Euro) bis max. 195 Mio. Euro (26 Mitarbeiter à 7,5 Mio. Euro) kommen. Für die Verkäufer wird die gesamte Vertriebsregion in Bezirke (Verkaufsgebiete = VKB) mit annähernd gleich großen – Umsatzpotenzialen (Umsatzpotenzialverfahren) – Gebieten (Gebietspotenzialverfahren) oder – Kaufkraftpotenzialen; z. B. nach Nielsen-Kaufkraftkennziffern (Kaufkraftpotenzialverfahren) eingeteilt.

Laut Proudfoot Consulting beträgt die verkaufsaktive Zeit eines Verkäufers beim Kunden 11%, Neukundenakquise 9%, Reisen 15%, interne Abstimmung 18%, Verwaltung 31% (Hinweis in salesBusiness, 12/2006, S. 7).

Abbildung  6.27 lässt die Schwachstellen dieser Vorgehensweise erkennen. Im Extremfall könnte ein Außendienstmitarbeiter mit nur einem Großkunden das Umsatzsoll erreichen. Im anderen Fall müsste dafür eine Vielzahl kleinerer Kunden betreut werden. Treten erhebliche strukturelle Unterschiede zwischen Verkaufsgebieten auf, wird dieses Praktikerverfahren von Verkäufern als ungerecht empfunden. Das Arbeitslastverfahren strebt nach gleichmäßiger Auslastung der Außendienstmitarbeiter unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Kundenstrukturen und der Entfernungen in den Verkaufsgebieten. Wenn kein Computerprogramm zur Gebietsoptimierung (GIS) verfügbar ist, dann ist die Prozedur der Abbildung 6.26 für jeden einzelnen Außendienstmitarbeiter durchzuspielen. Jede Tabelle spiegelt die spezifische Kundenstruktur eines Außendienstmitarbeiters oder einer Region wider. Gesonderte Arbeitszeitanalysen müssen Reisezeiten in den Regionen erfassen. Wenn ein Außendienstmitarbeiter deutlich über 100 Prozent der verfügbaren Zeit belastet ist (im schlimmsten Fall reicht dann seine verfügbare Jahresbesuchszeit nicht aus, um alle Kunden gemäß Soll-Vorgaben zu besuchen), ein anderer dagegen unterausgelastet ist, müssen Gebiets- bzw. Kundenzuordnungen so lange schrittweise modifiziert

6.5 Gestaltung des Vertriebssystems 

 489

werden, bis für alle Außendienstmitarbeiter in etwa gleiche Arbeits- und Erfolgsvoraussetzungen bestehen. So bietet das Arbeitslastverfahren Ansatzpunkte, um Besuchshäufigkeiten und Besuchszeiten zu überprüfen und den Außendienst mit dem Ziel gerechter Arbeitsbelastungen zu optimieren.609

6.5.4 Organisation der Umsatzverantwortung Die Planung der Außendienststärke geht unmittelbar in die Thematik der Gebietsorganisation über. Vier Kernfragen sind zu beantworten:610 (1) Kernfrage 1: Wie sollen zu erreichende Umsatzplanzahlen bzw. die Kunden den Außendienstmitarbeitern zugewiesen werden? Konkret: wer soll mit welchen Zielvorgaben welche Produkte an welche Kunden in welchen Verkaufsgebieten verkaufen? (2) Kernfrage 2: Sollen Kunden und Umsatzverantwortungen eindeutig zugeteilt werden? Überlappungen (Overlay: Flächenvertrieb und KAM sind beide für einen wichtigen Kunden zuständig) oder graue Zonen (Gap: In einer Verkaufsregion kümmert sich um die Kunden, wer gerade Zeit hat) führen zu Konflikten in der Verkaufsorganisation. (3) Kernfrage 3: Generalist oder Spezialist? Sollen Außendienstmitarbeitende generalistisch arbeiten und alle Produkte an alle zugeteilten Interessenten und Kunden verkaufen, oder sollte sich auf Kunden- oder Produktgruppen spezialisiert werden? (4) Kernfrage 4: Zentralisierung oder Dezentralisierung? Sollen Kunden vom Hauptquartier aus betreut werden, oder soll Betreuungsverantwortung in die Regionen dezentral verlagert werden? Die Beantwortung dieser Fragen bedingt ein Abwägen der Vor- und Nachteile der Organisationsformen der Abbildung 6.28, wobei sich die Kernfragen 3 und 4 zusammenfassen lassen:611 In der Praxis dominiert der dezentrale Regionalvertrieb (territoriale Verkaufsorganisation). Ein nationaler Verkauf wird z. B. in die Verkaufsgebiete (VKB) D-Nord, D-West, D-RPS (Rheinland-Pfalz-Saar), D-Süd und D-Ost eingeteilt; geleitet von je einem Regional-Verkaufsleiter mit Untergruppen z. B. für Baden-Württemberg, Bayern und Osten-Nord und 609 Vgl. auch die ausführlichere Darstellung der Verfahren in Winkelmann, (Außendienst-Management), 1999, S. 92 ff. 610 Vgl. Winkelmann, (Verkaufspolitik), 1999. 611 Vgl. Kotler et al., (Marketing-Management), 2007, S. 796–802.

490 

 6 Vertriebspolitik

VOR- UND NACHTEILE VON DEZENTRALISIERUNG UND ZENTRALISIERUNG IM VERTRIEB – – – – – – – – –

Spezialisierung: Vorteile von Produktgruppenund Kundengruppenorganisation Besondere Kompetenzbildung Evtl. Imagevorteile bei den Kunden „Expertenstolz“: Motivation der Mitarbeiter Klare Konzentration auf Zielgruppen Bei KAM besonders hohe Kundennähe Schnelle Reaktion auf „frühe Marktsignale“ Produktsteuerung erleichtert Gezieltere Produktsteuerung möglich Evtl. Verzicht auf Produktmanagement Nachteile von Produktgruppenund Kundengruppenorganisation

– – – – – – – –

Weniger Synergien zwischen Mitarbeitern Hohe Firmenabhängigkeit von Spezialisten Führungsprobleme durch „Elitedenken“ Geringere Flexibilität beim Mitarbeitereinsatz Bei Produktspezialisierung evtl. Überschneidungen Verkäufer „stirbt“ mit seinem Produkt / Kunden d.h. Ausgleich für Misserfolge eingeschränkt Längere Anfahrwege zum Kunden

Keine Spezialisierung: Vorteile des Regionalvertriebs – – – – – – – –

Vertrauen durch One-face-to-the Customer Eingehen auf regionale Besonderheiten Hohe regionale Identifikation der Mitarbeiter Kurze Entscheidungswege innerhalb des Teams Mitarbeiter flexibel einsetzbar Ausgleich von Arbeitsbelastungen Ausgleich von Umsatzausfällen Ausschöpfen von Cross-Selling-Potenzialen Nachteile des Regionalvertriebs

– – – – – – –

Hohe Vertriebskosten durch multiple Einheiten Hoher Ausbildungsaufwand Einheitliche Vertriebsführung d. Zentrale erschwert Hoher Koordinationsaufwand VKB mit Zentrale Gefahr von „Regionalegoismus“ Konflikte an Gebietsgrenzen Verkäufer forcieren „Lieblingsprodukte“

Abbildung 6.28: Vor- und Nachteile von Spezialisierung und Dezentralisierung im Vertrieb.

Osten-Süd. Bei einer derartigen Organisation, muss das Unternehmen mit ausgewählten systemimmanenten Vor- und Nachteilen umgehen: – Vorteile der Gebietsorganisation: Sie berücksichtigt regionale Besonderheiten im Kundenverhalten, schafft kurze Entscheidungswege innerhalb der Verkaufsbüros, führt zu flexibel einsetzbaren Mitarbeitern und begünstigt eine besondere Identifikation der Außendienstmitarbeiter mit Land und Leuten. Das Regionalteam kann wie ein Profit Center geführt werden. Wichtig ist der Leitsatz: One Face to the Customer. – Nachteile der Gebietsorganisation: Sie verhindert die Gebietsübergreifende Spezialisierung der Verkäufer auf Produkte oder Kundengruppen und damit eine spezielle Kompetenzbildung.612 Sie verlangt einen höheren Ausbildungsaufwand und verursacht erhöhte Fixkosten wegen parallel geschalteter Verkaufsbüros.  Vor allem sind Gebietsgrenzen meist willkürlich gesetzt und Gegenstand interner Vertriebskonflikte. Kritische Themen sind z. B. das Abwerben in Verkaufsgebiet des Kollegen bzw. Probleme, wenn Kunden (in der Praxis oft Händler) gebietsüberschreitend tätig sind. Die Kundengruppenorganisation (oder auch Branchenorganisation) bietet sich an, wenn in unterschiedlichen Branchen oder Kundensegmenten

612 Vgl. Godefroid; Pförtsch, (B2B), 2008, S. 296–307.

6.5 Gestaltung des Vertriebssystems 

 491

signifikant voneinander abweichende Marktspielregeln herrschen oder spezielles Know how verlangt wird. Denkbar für einen Teilelieferanten sind z. B. getrennte Verkaufsgruppen für OEM-Geschäft, Kleinkunden-, Ersatzteilgeschäft, Geschäft mit Handelspartnern und Geschäfte mit der öffentlichen Hand. Oft fordern bestimmte Kundensegmente eine exklusive Betreuung durch Spezialisten. Das Umsatz- bzw. Ergebnispotenzial eines Großkunden bzw. einer Kundengruppe muss den Einsatz eines Spezialisten rechtfertigen. Typische Beispiele für KundengruppenZuordnungen sind daher das Key Account Management, zentrale Händlerbetreuung oder ein zentrales Kleinkunden-Management. Hier muss das Unternehmen folgende Vor- und Nachteile ins Kalkül einbeziehen: – Vorteile der Kundengruppenorganisation: Branchen- und Kundenspezialisierung des Außendienstes,613 besondere Know how- und Kompetenzbildung, Möglichkeiten zu besonders intensiven Kundenbeziehungen mit Ausprägung besonders enger Vertrauensverhältnisse und geringerer Koordinationsaufwand innerhalb der Vertriebsorganisation. – Nachteile der Kundengruppenorganisation: Abgrenzung der Betreuung von Key Accounts von normalen Kunden, konfliktträchtig, höhere Abhängigkeit des Unternehmens vom Know how der Key Account Manager, keine Kompensationsmöglichkeiten für einen Kundenbetreuer bei Kundenausfällen, keine regionale Zusammenarbeit. Die Produktgruppenorganisation bietet sich bei erklärungsbedürftigen Produkten an, die in Anwendungen verschiedener Branchen zum Einsatz kommen. Das Umsatzpotenzial einer Produktgruppe muss ausreichend groß sein, um Spezialisten zu finanzieren. Wenn bestimmte Produkte nur bei bestimmten Kundengruppen eingesetzt werden, dann decken sich Produktgruppen- und Kundengruppenorganisation. Im Prinzip gelten gleiche Vor- und Nachteile einer Spezialisierung wie bei der Kundengruppenorganisation: – Vorteile der Produktgruppenorganisation: Produktspezialisierung des Außendienstes, besondere Know-how- und Kompetenzbildung, geringerer Koordinationsaufwand innerhalb der Vertriebsorganisation, Einsparen eines Produktmanagement. – Nachteile der Produktgruppenorganisation: Gefahr von Über-Spezialialisierung, Inflexibilität (Mitarbeiter schwerer austauschbar), hohe Abhängigkeit des Mitarbeitererfolgs vom Lebenszyklus bzw. vom Erfolg eines Produktes, Abkehr vom One-face-to-the-Customer-Prin-

613 Vgl. Dannenberg, (Vertriebsorganisation), 2019, S. 13.

492 

 6 Vertriebspolitik

zip. Ein Kunde wird möglicherweise von mehreren Außendienstmitarbeitern des gleichen Lieferanten betreut, woraus Abstimmungsprobleme resultieren können. In der Praxis sind Mischformen gängig, die hier nicht im Einzelnen dargestellt werden.614 Im Konsumgütergeschäft dominiert der regionale Flächenvertrieb in Verbindung mit Merchandising-Unterstützung (Regalpflege und Promotion) und einem padavor geschalteten Key Accounting zur Betreuung der Einkaufszentralen. Im Maschinenbau halten sich Regional- und Zentralvertriebe die Waage. Im Anlagenbau existiert das zentralisierte Key Account Management als Kombination von Kundengruppen- und Produktgruppenvertrieb. OEM-Vertriebe sind zentral geleitet, wobei Key Accounter und technische Spezialisten Hand in Hand von der Zentrale aus betreuen. Auslandsvertriebe sind i. d. R. matrixartig organisiert. Technische Spezialisten und Produktmanager wirken von der Zentrale aus. Der operative Vertrieb erfolgt dezentral vor Ort. I. d. R. verfügen die dezentralen Einheiten (Ländergesellschaften) auch über Produkt- bzw. Kundensegmentspezialisten.

6.5.5 Ablauforganisation im Vertrieb Das Controller-Dreieck: Optimum aus Kosten, Zeit und Qualität.

Vertrieb: Das bedeutet bei BMW täglich weltweit 250.000 Kundenkontakte. Auf Zuruf oder mit Zetteln lässt sich dieser Arbeitsanfall nicht bewältigen.

Zuständigkeiten, Arbeitsabläufe, Datenanforderungen etc. sind so festzulegen, dass Arbeitsabläufe im Hinblick auf Schnelligkeit, Ressourceneinsatz und Kosten optimiert werden. Im Mittelpunkt werden Vorgänge der Auftragsentgegennahme und –abwicklung (Order Processing), die kundenbezogene Produktanpassung und –entwicklung sowie die Beschwerdeabwicklung stehen. Der Erfolg einer kundenbezogenen Auftragsabwicklung hängt davon ab, wie Abstimmungen mit Schnittstellen, z. B. mit Fertigung, Lager und Transportwesen, geregelt sind. In Vertriebsabläufen muss sich die Strukturorganisation bewähren. Der grosse Vorteil eines CRM-Systems: Prozesse laufen losgelöst von der Strukturorganisation. Von schnellen und flexiblen Abwicklungsprozessen hängen in starkem Maße Kundenzufriedenheit und Kosteneffizienz ab. Kritische Prozesse sind: – Bearbeitung und Bewertung (Priorisierung) von Kundenanfragen, – Angebotserstellungen mit Preissetzungen aufgrund von Kundenanfragen, – Lieferzeitprognosen,

614 Vgl. z. B. das Beispiel bei Winkelmann, (Verkaufspolitik), 1999, S. 224.

6.5 Gestaltung des Vertriebssystems 

– – – – – – – – – – –

 493

Regelungen bezüglich besonderer Versandmodalitäten, Änderungen von Lieferverträgen, Entscheidungen über Sonderpreise (Preisnachlässe), Auftragsbestätigungen, nachträgliche Änderungen von Angebotspositionen in Art (andere oder veränderte Produkte) und Menge, Terminauslieferungen, Rechnungserstellungen (Fakturierung), Verhalten gegenüber dem Kunden bei Zahlungsverzug, Entgegennahme und Abwicklung von Beanstandungen (Beschwerdemanagement), Entgegennahme von und Reaktionen auf Kundenanregungen, Auftragsstornierungen.

Computergestützte Abwicklungssysteme ermöglichen und optimieren die kaufmännischen Abläufe (Enterprise-Resource-Planning = ERP-Ebene): (1) Warenwirtschaftssystem für Beschaffungs-, Materialwesen und Fertigung: stellt dem Verkauf alle Produktbestands- und Produktflussinformationen zur Verfügung. Lagerbestände und Lieferzeiten stehen im Vordergrund der Prozesse. (2) Auftragsabwicklungssystem: steuert den Kundenauftrag vom Angebot bis zur Auslieferung. Alle Vorgänge werden in der Kundenhistorie (Übersicht über alle offenen und abgeschlossenen Vorgänge und Absprachen mit dem Kunden) dokumentiert. (3) Fakturierungssystem: übernimmt Rechnungsstellung und Auslieferung. Es stellt die Brücke zur Debitorenbuchhaltung dar. (4) Lagerdispositionssystem: folgt der Auftragsabwicklung und steuert Kommissionierung, Lagerhaltung und Auslieferung der Ware. Auch die Optimierung der Verkaufsgebiete ist ein relevanter Aspekt der Steuerung der Ablauforganisation. Märkte entwickeln sich weiter. Geografische Informationssysteme (GIS) helfen, Verkaufsorganisationen an veränderte Bedingungen anzupassen: – Verkaufsgebietsanalyse: GIS visualisieren Markt- und Kundendaten auf Landkarten und analysieren die Stärken und Schwächen von Vertriebsregionen anhand von Ergebnissen des Vertriebscontrolling. Verschiedene Programme sind etabliert: RegioGraph Analyse von GfK GeoMarketing, map&market der PTV AG oder map&sales von der map&guide GmbH. – Gebietsoptimierung: Der Verkaufsgebietsanalyse folgt die Gebietsoptimierung mit dem Ziel, die Verkaufsgebiete (Kunden) optimal den

Große Frage für den Vertrieb: wohin gehört das Angebotswesen? In das ERP-System oder in das CRM?

494 

 6 Vertriebspolitik

Verkäufern zuzuweisen. Hinweise zur Funktionsweise wurden bereits im Rahmen des Arbeitslastverfahrens gegeben. Darstellungen der Verfahren bestehen an anderer Stelle.615 Die Idee ist naheliegend, alle Verkaufsvorgänge zu digitalisieren, dabei zu integrieren und den gesamten Vertrieb mit modernen IT-Systemen qualitätsgesichert und transparent zu steuern.

6.5.6 EDV-gestützte Vertriebssteuerung „Ohne Vertriebssteuerung zu arbeiten bedeutet, mit einer stumpfen Axt einen Wald abzuholzen.“ (Michael Wentzke, ALD Auto-Leasing)

Bei der Aufgabe, Arbeitsabläufe von Außendienst, Innendienst, Key Account- und Produktmanagement, Anwendungstechnik (Kundendienst), Call-Center und Marketing-Service sowie Vertriebsleitung mit Tausenden von Kunden und Artikeln zu vernetzen und schnell und effizient das Tagesgeschäft zu bewältigen, kommt die Unternehmung an einer Vertriebsführung mit System nicht vorbei. Marktorientierung kann nicht herbeigeredet werden. Sie muss durch EDV-Systeme unterstützt werden.616 Verschiedene Systemansätze werden heute unterschieden: – Systeme mit Fokus Informationsbereitstellung (bspw. Adressverwaltung): Kundenstammdaten (Adress-, Telefon-, Mail- und Auftragsdaten) liegen i. d. R. in Systemen der Finanzbuchhaltung und Warenwirtschaft (ERP). Erhält der Vertrieb ein eigenes Datenmanagement für Lead-Daten und ergänzende qualitative Daten, werden diese in einem Vertriebsinformationssystem (VIS) separiert. Ein Datawarehouse verbindet alle Kundendaten zu einem 360-Grad-Blick auf den Kunden. Zu diesen elektronischen Datenbeständen haben Mitarbeiter gemäß Zugriffsrechte Zugang. Marketing nutzt diese Kundendaten für Aktionen und Kampagnen. Versand- und Direktmarketing-Unternehmen bauen sich große Datenwarenhäuser auf und praktizieren individualisierte Kundenansprache (Database-Marketing). – Systeme mit Fokus Außendienststeuerung (Kontaktmanagement): Die Art, wie die Kundendaten gespeichert werden, sagt noch nichts darüber aus, wie die Unternehmen ihre Kunden betreuen. Sales Force Automation (SFA) ist der aus USA stammende Ursprungsbegriff für die Digitalisierung der Verkaufsarbeit. In Deutschland war um das Jahr 2000 der Begriff Computer Aided Selling (CAS) gängig. Im einfachen Fall verwalten Innen- und Außendienst Adressen, Vorgänge und Ter-

615 Vgl. Winkelmann, (Vertriebskonzeption), 2012, S. 420–437. 616 Vgl. Winkelmann et al., (CRM Report), 2015, S. 6.

6.5 Gestaltung des Vertriebssystems 





 495

mine. Hierfür sind Begriffe wie Kunden-Kontaktmanagement (KKM) oder Kunden-Kontaktsoftware üblich. Computer Aided Selling (CAS) geht weiter. Bei CAS werden Vorgänge der Kundengewinnung und Kundensicherung, incl. Auftragsbearbeitung, über Laptop und PC abgewickelt. Systeme mit Fokus Kundenprozesse (Business Process Management): Seit Beginn der 90er Jahre üben Marketing auf Verkauf einen immer stärkeren Druck in Richtung „systematischer Aufbau und Pflege von Beziehungen“ aus. Hin zur kundenorientierten Integration aller kundenbezogenen Prozesse lautet die Devise. Die Grundlage bildet ein betriebwirtschaftlich ausgerichtetes Business Process Management (BPM). Die im folgenden Abschnitt dargestellten kundenorientierten Konzepte Relationship-Marketing, Customer Relationship Marketing oder Customer Relationship Management (CRM) sind Synomye für diese Entwicklung. Am weitesten gehen Ansätze, die den Kunden mit Hilfe von EDV-Systemen in die eigene Wertschöpfungskette integrieren (z. B. integrierte Bestellabwicklung). Man spricht dann von Customer Integration Management (CIM) und zuweilen auch von Customer Integration (Interaction) Systems (CIS). Systeme mit Fokus kaufmännische Planung und Controlling: Enterprise Resource Planning (ERP) ist der Fachbegriff für Systeme zur Vernetzung aller betriebwirtschaftlichen (kaufmännischen) Daten der Unternehmung. Alle Mengen- und Wertströme der Unternehmung werden mit Hilfe von Datenbanken sowie Reporting- und Steuerungssoftware erfasst und gelenkt; vom Wareneingang, über Produktion bis hin zu Verkauf, Fakturierung und Logistik. Man spricht auch von betriebswirtschaftlicher Standardsoftware und von Transaktionssytemen. Führende ERP-Anbieter sind z. B. SAP mit SAP/R3, Microsoft, Oracle, SAGE ERP, Comarch, Abas, Infor etc. Da bei ERP-Programmen die Bearbeitung betriebswirtschaftlicher und produktionswirtschaftlicher Daten im Vordergrund steht, haben sie Schwächen bei Erfassung und Verarbeitung kundenbezogener Informationen. Immer wieder stellt sich in der Praxis die Frage: Wohin mit dem Angebotswesen? Denn ERP greift konzeptionell und systemseitig erst mit kaufmännischen Transaktionen, einem Auftrag, einer Rechnung (Umsatz), einer Zahlung. Kundenkontakte, Beziehungen und Angebote sind nicht das „natürliche“ Metier der ERP. Deshalb klinken sich spezialisierte Bereichsprogramm (z. B. CRM oder Marketing-Automation, Social Media Monitoring) mittels Schnittstellen an die ERP-Programme an. ERP- wie auch CRM-Systeme sind im Bereich Analytik begrenzt. Sie verfügen z. B. im Standard nicht über OLAP-Auswertungsmöglichkei-

ERP = der Mengen- und Wertefahrstuhl durch die Unternehmung. CRM = Die Ausgestaltung der Kundenetage, damit sich der Kunde wohlfühlt.

496 



 6 Vertriebspolitik

ten. So hat sich im Controllingbereich über die Jahre die Familie der BI-Systeme (Business Intelligence) entwickelt. Systeme mit Fokus auf Neugeschäft: Die jüngste Erweiterung der IT-Systeme der Vertriebssteuerung bedient sich vielfach bereits Algorithmen der künstlichen Intelligenz, um Potenziale für die Kundenansprache zu identifizieren. Prognoseanwendungen (Predictive Ana­ lytics) identifizieren auf basis interner und externer Daten mögliche Umsatzpotenziale für Unternehmen.617 Die mit künstlicher Intelligenz entwickelte Analyse der Bestandskunden ermittelt Kaufwahrscheinlichkeiten für Cross- und Up-Selling. Next Best Offer-Anwendungen (siehe auch die Produktvorschlägen bei amazon) finden im B2B-Vertrieb Anwendung. Und Text Mining über Natural Language Processing analysiert Webseiten im Internet nach potenziellen Neukunden.

6.5.7 CRM – Customer Relationship Management-Systeme zur Vertriebssteuerung Der Trend von der isolierten CAS-Vertriebsautomatisierung zum integrierten CRM betrifft vor allem Prozesse zur Kundenansprache und Kundenbetreuung. „Wo immer es um den Kunden geht. Offline oder online. Im Haus oder mobil unterwegs, in allen Kanälen, auf allen betrieblichen Ebenen. Stets sollte CRM für die tägliche Arbeit der Mitarbeiter mit Kundenkontakt das führende System sein und ihm den sogenannten 360 Grad Blick auf Kundendaten und Prozesse bieten.“618 CRM geht den Schritt in Richtung marktorientierte Unternehmensführung durch eine digitale Integration aller kundenbezogenen Prozesse. Customer Relationship Management (CRM) geht über eine verwaltende Verkaufssteuerung hinaus.  Nach der Definition des CRM-Expertenrates „integriert CRM alle Prozesse zum und vom Kunden mit dem Ziel, eine Balance zwischen Kunden- und Kostenorientierung zu erreichen.“ Mit diesem Optimierungsanspruch geht CRM auch über den Horizont des klassischen Marketing hinaus.  Eine frühe merkmalsbezogene Definition des DDV lautete: „CRM ist ein ganzheitlicher Ansatz zur Unternehmensführung (kundenzentrierte Geschäftsphilosophie). Er integriert und optimiert auf Grundlage einer Datenbank und Software zur Marktbearbeitung sowie eines Verkaufsprozesses abteilungsübergreifend kundenbezogenen Prozesse in Marketing,

617 Vgl. Dastani, (Predictive Analytics), 2016, S. 67. 618 Winkelmann et al., (CRM Report), 2015, S. 13.

6.5 Gestaltung des Vertriebssystems 

 497

Vertrieb, Kundendienst, F&E u. a. Zielsetzung von CRM ist die gemeinsame Schaffung von Mehrwerten auf Kunden- und Lieferantenseite über Lebenszyklen von Geschäftsbeziehungen. Das setzt voraus, dass CRM-Konzepte Vorkehrungen zur permanenten Verbesserung der Kundenprozesse und für ein berufslebenslanges Lernen der Mitarbeiter enthalten.“ Auf den Punkt gebracht: CRM ist eine kundenzentrierte Geschäftsphilosophie. Und: CRM bedeutet integriertes und digitales Kundenmanagement. Für B2B-Unternehmen bedeutet CRM oft eine Ausweitung des Key Account Managements auf andere kundennahe Abteilungen wie Marketing, Service und Anwendungstechnik. Consumer-Unternehmen schaffen mit Hilfe von CRM direkte Internet-Kontakt- und Verkaufskanäle zu den Kunden (D2C) – parallel zum Handel. Im Rahmen dieser Definitionen sollten zwei Missverständnisse ausgeräumt werden: CRM ist nicht nur Software, sondern ein ganzheitliches Instrument zur Unternehmensführung. Die Software ist das Werkzeug, um Marketing- und Vertriebskompetenzen in Massenprozessen umzusetzen. Und: CRM ist kein Kundenverwöhnungswerkzeug, sondern verbindet Kundenorientierung mit Zielgrößen des Controlling. Ein weiteres Problem: CRM suggeriert, dass es nur um Kundenbeziehungen geht. In vielen Märkten des indirekten Vertriebs ist das nicht der Fall. CRM gestaltet Beziehungen zwischen Herstellern und Vertriebspartnern und wird zum Partner Relationship Management (PRM). Nach diesen Ideen kann man auch Lieferanten, Maschinen, Museumsexponate – kurzum beliebige Objekte – in eine digitale (Kunden)Akte und (Kunden)Historie übernehmen, verwalten und steuern. So hat sich CRM mittlerweile zu xRM oder Any Relationship Management weiterentwickelt. Abbildung  6.29 stellt die Kernelemente von CRM zusammen. Die drei wichtigsten Begriffe: Integrierte Kundendaten, integrierte Prozesse und Analytik. Abbildung 6.30 verbindet die wichtigsten Erfolgselemente zu einem House of CRM. Bei vielen Praxisprojekten fehlen die strategischen Elemente aus dem Dach des Hauses.  Heute arbeiten praktisch alle größeren Unternehmen mit CRM. Nicht die bessere Software setzt sich im Markt durch, sondern die besserere Kundenstrategie. Ein immenser Veränderungsdruck kommt von Seiten des Controllings.  Nachdem die Rationalisierungspotenziale der industriellen Fertigung weitgehend ausgeschöpft und es zu immensen Veränderungen und Kostensteigerungen in den Lieferketten kommt, erhält der Vertrieb verstärkt Kosten- und Effizienzvorgaben. Der Vertrieb soll schneller, kostengünstiger und bei Marktaktionen zielgenauer (mit weniger Streuverlusten) opererieren, so lauten Zielsetzungen des Management. CRM bietet hierzu das geeignete Instrumentarium, sofern

CRM regelt jede Art von Beziehungen – nicht nur Kundenbeziehungen.

Führende CRM-Anbieter (Auswahl): - ADITO - CAS - Cursor - Microsoft - Salesforce - SAP

498 

 6 Vertriebspolitik

KERNELEMENTE VON CRM Zentrale Wesenselemente – – – – – – – – – – – – – –

Zentrale Funktionalitäten

Digitalisierung von Außen- und Innendienst, dabei Offline- und Online-Bearbeitung (mobile CRM), und ganzheitlicher Ansatz zur Unternehmensführung Mehrwerte in Geschäftsbeziehungen (Win-Win) Integration aller Kundendaten und Applikationen Prozessbeschreibungen und -integration, dabei permanente Prozessverbesserungen (Closed Loop) mit Hilfe von Datenbank und Steuerungssoftware Basis: Standard-Verkaufsprozesse (SalesCycle) mit Optimierung der Customer Touchpoints Integration aller Vertriebskanäle (Multikanalvertrieb) Lebenslange Begleitung des Kunden mit Kundenbindung über Lebens-, Geschäftszyklen integrierte Effizienzmessung (Business Intelligence)

– Digitale Kundenakte und Kundenhistorie – Kanäle für die Kundenkommunikation – Kundenqualifizierung, Kundenprofil-Erstellung – Angebotserstellung, (u.U. mit Produktkonfigurator) – Angebotsverfolgung im Sales-Funnel – Opportunity-Management (Chancenbearbeitung) – Außendienst-, Kundendienststeuerung, Bes.-Berichte – K ampagnenmanagement mit Closed-Loop – Call-Center-Einsatz, Customer Care – E-Business-Anbindung, E-Commerce-Shop – Anbindung der Social Media – Markt-, Wettbewerbsanalyse – Beschwerdemanagement – Gebietsanalyse und –optimierung (GIS) – Planungs- und Controllingmodul mit – Benchmarking und Frühwarnung

Abbildung 6.29: Kernelemente von CRM.

CRM-Strategie Kundenwertmanagement für den Kunden (Wertschöpfung) CRM-Kultur und Organisation

Integrierte Daten

Integrierte Kanäle

Integrierte Prozesse

Orchestrierung von Kanälen, Prozessen und Daten

Kundenwertmanagement vom Kunden (Kundenbewertung) Integrierte Aktionssteuerung (Closed Loop) Integrierte Effizienssteuerung Abbildung 6.30: House of CRM.

Mitarbeiter bei der Einführung und Umsetzung integriert werden. Change-Management wird bei einer CRM-Einführung zum wichtigen Erfolgsfaktor. Und die Anbindung an das Internet bzw. das Anbinden von sozialen Plattformen.

6.5 Gestaltung des Vertriebssystems 

 499

Link und Hildebrand hoben in ihrer Übersicht sechs Vorteilspotenziale von CRM/CAS:619 (1) Individualisierungsvorteil: Aufbauend auf den Funktionalitäten des Database-Marketing ermöglicht CRM/CAS eine individuelle Kundenansprache, ein besseres Eingehen auf Kundenwünsche, höhere Beratungskompetenz, professionelle Präsentationen und ein Anbieten maßgeschneiderter Produkte und Dienstleistungen. (2) Schnelligkeitsvorteil: Durch die Computertechnologie lassen sich alle Vertriebsprozesse durch CRM/CAS signifikant beschleunigen. Verkaufschancen werden früh erkannt und genutzt, Angebote rasch erstellt. Auf Marktsituationen kann schnell reagiert werden. (3) Lernvorteil: Durch CRM/CAS kann sich der Vertrieb systematisch weiterentwickeln und neue Verkaufsmethoden anwenden. Ein Lernanschub kommt durch die Programme selbst. (4) Wiederholungskaufvorteil: CRM/CAS analysiert Bedarfsstrukturen und Bestellverhalten der Kunden. Ersatzbedarf wird aufgespürt, der Kunde individuell darauf hin akquiriert. Gezielter After-Sales-Service wird ermöglicht. (5) Cross­Selling Vorteil: CRM/CAS spürt Verkaufschancen programmübergreifend auf. Dadurch wird es möglich, den Gesamtbedarf eines Kunden zu decken (nicht nur Reisebuchung, sondern auch Wanderbekleidung, Rucksack etc.). (6) Rationalisierungsvorteil: Laut Link und Hildebrand lassen sich durch CRM/CAS in vielen Branchen über 30prozentige Kostensenkungen in Verwaltung und Vertrieb erreichen.620 Kunden mit geringerem Kundenwert (niedrigerer Priorität) werden aufgespürt und der Vertriebsaufwand entsprechend gedrosselt. Geringere Streuverluste fallen an. Der Vorgangsdurchsatz pro Mitarbeiter wird durch die Computerisierung erhöht und beschleunigt. Massenvorgänge und –daten lassen sich papierlos und stets aktuell verarbeiten. CRM-Konzeptionen erbringen regelmäßig noch folgende Vorteile: – Entlastung der Mitarbeiter von Routinetätigkeiten, – papierlose Verarbeitung, d. h. hohe Effizienz im administrativen Bereich, – relevante Kundeninformationen stehen schnell, stets aktuell und für alle Unternehmensbereiche bearbeitbar zur Verfügung, 619 Die Zusammenstellung verbindet die Ausführungen bei Link; Hildebrand, (Database Marketing), 1993, S. 141–147; vgl. ebenso Link; Hildebrand, (Grundlagen), 1997, S. 31–32. 620 Vgl. Link, Hildebrand, (Database Marketing), 1993, S. 147.

500 

– – – –

– – –

 6 Vertriebspolitik

gleicher Informationsstand in allen Vertriebskanälen (Voraussetzung für Multikanalvertrieb), schnelle Kundenqualifizierung (d. h. Kundenpriorisierung) mit nachvollziehbarer Ableitung von Kundenprioritäten, abgestimmte Aktionssteuerung (Kampagnenmanagement) in allen Bereichen, gezielte Marketing­ und Vertriebsmaßnahmen im Laufe der Kundenlebenszyklen (Lebenszyklen von Produkten und Geschäftsbeziehungen), Einbindung der Kunden in die Prozesse (Interactive CRM), automatisches Anstossen von Vorgängen (Workflows) durch Ereignisse (Trigger) oder Alarmmeldungen (Alerts), Kostensenkung und Rationalisierung; vor allem als Folge von Prozessintegration und Prozessoptimierung.

Mittlerweile hält KI Einzug in CRM-Entwicklungen. Bei der oben aufgeführten Vielzahl an Aufgaben und zu verabeitenden Datenpunkten kann eine künstliche Intelligenz durch die Nutzung von algorithmusgesteuerten Routinen viele Produktivitätsvorteile bieten. Datenmodellierung und Datenmanagement schaffen viele Potenziale für eine effektivere Vertriebssteuerung.621 Der Automatisierungsgrad bei CRM-Anwendungen nimmt zu und hilft, bessere Entscheidungen treffen zu können.

6.5.8 CRM – Elemente eines CRM-Systems CRM-Systeme bestehen grob aus drei Arbeitsbereichen mit speziellen Datenbanken, Software-Funktionalitäten und Querverbindungen zum Internet: „Das operative CRM umfasst alle Anwendungen, die im direkten Kontakt mit dem Kunden stehen (Frontoffice). Lösungen zur Marketing-, Sales- und Service-Automation unterstützen den Dialog zwischen Kunden und Unternehmen sowie die dazu erforderlichen Geschäftsprozesse.“622 Das analytische CRM ist oft im Marketing (Marktforschung) angesiedelt und umfasst alle Anwendungen zur Analyse des Kundenverhaltens und zur Ableitung von Zielgruppen und Kaufprofilen. Im Mittelpunkt stehen Data Warehouse und Datamining. Ganz bewusst sind die Arbeitsgebiete Marktplanung und -controlling dem analytischen Bereich zuge-

621 Vgl. Iyengar, (Smarter Verkaufen), 2018, S. 29. 622 Hettich et al., (CRM), in: WISU, 10/2000, S. 1346–1366.

6.5 Gestaltung des Vertriebssystems 

 501

ordnet. Es ist relevant, Erkenntnisse des analytischen CRM an die Frontoffice-Bereiche zurückzuspielen (Closed Loop). Ziel des analytischen CRM ist eine Individualisierung von Kundenansprachen und Angeboten im Backoffice und im Rahmen von Marketingkampagnen. Die Closed Loop-Logik sorgt für einen geschlossenen Kreislauf, der alle Teilnehmer immer mit aktuellsten Informationen rund um Kunden versorgt. Touchpoints werden im analytischen CRM ausgewertet, um verschiedene Kundeninformationen zu verstehen und einzuordnen. Diese Erkenntnisse aktualisieren die angestrebten Ziele und fließen in die Verbesserung der Prozesse ein. Und somit können die nächsten Informationen mit einer besseren Ausgangsbasis interpretiert werden, wodurch sich der Kreis schließt. Den Zusammenhang aller Schritte kann man Abbildung 6.31 entnehmen.

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Abbildung 6.31: Closed Loop im CRM.623

Kooperatives CRM (oft auch kollaboratives oder auch kommunikatives CRM genannt) umfasst alle Anwendungen zur Steuerung und Abstimmung der Vertriebskanäle und damit zur Harmonisierung der Zusammenarbeit mit Vertriebspartnern und Internet-Communities (auch: Relationware). Partner Relationship Management (PRM) geht über den Systemansatz hinaus und umfasst auch Schulung, Finanzierung u. a. Partnerschaftskonzepte. Abbildung  6.32 stellt die drei CRM-Kompetenzbereiche mit ihren wichtigsten Funktionalitäten (Anwendungen) im Zusammenhang dar. In 623 Quelle: o. V.: (Closed Loop), o. J., S. 5.

Abbildung 6.32: Drei CRM-Kompetenzbereiche. Distributionslogistik Beschwerde wesen

Potenzialabschätzungen

Kundenprofile

Gebietsanalyse und -planung

KundenwertRechnungen

Kundenzu friedenheitsan.

Datamining

Social Media Monitoring

Social Media Marketing

MarktSegmentierung

Marktanalysen KampagnenSteuerung

Call- / SolutionCenter

VertriebsControlling

FolgebedarfsManagement

E-Commerce

AußendienstSteuerung

Lead Management

Angebotswesen

Innendienst / Inside Sales

Operatives CRM

VertriebsPlanung

Analytisches CRM

CRM Kompetenzbereiche

CommunityManagement

PlattformenManagement

Niederlassungen

Handelsvertreter

AbsatzkanalManagement

Distributoren

InfluencerBetreuung

EmpfehlungsManagement

HändlerSteuerung

FranchiseManagement

Kooperatives CRM

502   6 Vertriebspolitik

6.5 Gestaltung des Vertriebssystems 

 503

der Praxis dominieren Ansätze für das operative CRM. Analytisches CRM wird in größeren Unternehmen im Rahmen spezieller Business Intelligence Applikationen angesiedelt. Das Zusammenspiel der CRM-Bereiche über Kontaktkanäle kann durch ein Beispiel verdeutlicht werden. Betrachten wir den Prozess einer Kundenbeschwerde: – Im Data Warehouse laufen Kundeninformationen aus allen Vertriebskanälen zusammen. Egal, über welchen Kanal der Kunde sich meldet (Telefonat, E-Mail, SMS, Brief, Social Media), alle Eingänge müssen mit gleicher Qualität erfasst werden und einen Prozess anstoßen können. Im Beispiel geht ein Beschwerde-E-Mail des Kunden im Innendienst ein und wird mit den anderen aktuellen Kundenvorgängen integriert. – Das analytische CRM gleicht der Vorgang mit dem bestehenden Kundenprofil ab. Ein Beschwerdevorgang ist z. B. unterschiedlich zu bewerten; je nachdem, ob der Kunde sich zum ersten Mal beschwert, ob er ein generell schwieriger Kunde“ ist oder ob er aufgrund der Kundenqualifizierung als Gelegenheitskunde oder als loyaler Stammkunde einzustufen ist. Es gilt, bestehendes Kundenwissen zu verfeinern und die Zielgruppenzuordnung der Kunden ständig zu überprüfen. Im diskutierten Beispiel ist ein guter Kunde, der sich zum ersten Mal beschwert. Dann gibt das analytische CRM sofort Warnsignale (Alerts). – Diese werden im Bereich des interaktiven CRM anhand festgelegter Entscheidungsregeln beurteilt. Eine Engine Rule legt fest, welche Antwort an den Kunden über welchen Kontaktkanal erfolgen soll. Soll die Abteilungsleitung selbst anrufen oder soll eine standardisierte Anwortmail gesandt werden? Der Closed Loop spielt die Aktionsempfehlung dann der verantwortlichen Abteilung zu. Dort wird die Aktion ausgeführt, z. B. ein Angebot zur Warenrücknahme und Zahlung eines Kulanzbetrages. – Der Vorgang wird nebst Absprache mit dem Kunden in der Kundenund der Beschwerdehistorie vermerkt. Die Aktions- und Reaktionsdaten stehen im CRM-Kreislauf zur Verfügung. Bereits jetzt ist eine Wiedervorlage gesetzt, zu der der Kunde anzusprechen und seine Zufriedenheit zu erfragen ist. Als wichtige Aufgaben von CRM werden sichtbar: (1) die Verbindung von Innendienst, Außendienst und Kundenser­ vice, (2) und dies im Online- wie auch im Offline-Modus, (3) das Generieren von Kundenwissen und Ableiten von Kaufprofilen,

Immer mehr CRM-Programme laufen im Rahmen von Cloud-Lösungen. Somit können alle Mitarbeitende ortsund zeitunabhängig auf alle kundenrelevanten Daten zugreifen. Die Themen Updates und Cyber-Sicherheit sind an die Cloud-Dienstleister ausgelagert.

504 

 6 Vertriebspolitik

(4) die Personalisierung der Kundenansprache und Individualisierung der Angebote, (5) die Response­Erfassung und -Analyse, (6) das automatische Anstossen von Aktionen bzw. Kampagnen, (7) die systematische Zuweisung von Kunden(gruppen) zu Besuchsaktionen und Werbekampagnen (8) und die Closed Loop-Rückführung von Kundeninformationen in die Abteilungen Marketing, Vertrieb unsd Service (Ziel: permanent vom Kunden lernen). Im inhabergeführten Fachgeschäft erkennt der Einzelhändler durch jahrelangen Kundenumgang sofort, auf welche Weise er angemessen auf eine Beschwerde zu reagieren hat. Doch wie kann man sich behelfen, wenn Millionen von Kundenvorgängen täglich zu bewerten sind und der Kunde in der Masse der Vorgänge für einen einzelnen Sachbearbeiter oder Call-Center-Agenten anonym bleibt? Hier schaffen die integrierten CRM-Systeme Abhilfe. Auf Knopfdruck, papierlos, wird eine Kundenhistorie transparent. Der Kundenbetreuer kann gemäß Kundenpriorität und in Kenntnis kaufmännischer Konsequenzen reagieren. Diese Schilderung eines Beschwerdeprozesses verdeutlicht eine wesentliche Zielsetzung von CRM: die Qualitätssicherung kundenbezogener Massenprozesse. Mit Formularen und Excel-Listen ist das nicht zu bewerkstelligen. Ergänzend zu Abbildung  6.32 bietet Abbildung  6.33 einen Überblick über den Zusammenhang der Funktionalitäten eines CRM-Systems. Im Mittelpunkt steht ein Kernmodul 1 mit Adressenmanagement (Database, Kundenhistorie), Auftragsbearbeitung (i. d. R. Zugriff auf Warenwirtschaft und Finanzbuchhaltung, d. h. auf die ERP-Software), Beschwerdemanagement und Chancenmanagement (Opportunity-Management). Die Database ist EDV-technisch eine relationale Datenbank. Sie speichert in systematischer Form alle Kundeninformationen mit dem Ziel, Verkaufschancen frühzeitig aufzuspüren und durch maßgeschneiderte Kontaktstrategien auszuschöpfen. Eine für die Kundenbetreuung herausragend wichtige Datei ist die Kundenhistorie. Sie bietet Zugriff auf bisher stattgefundene Vorgänge mit den Kunden (Vorgangs-, Kontaktdokumentation). Ein entscheidender Vorteil ist die papierlose Suche und Verarbeitung. Mit dem Grundbaustein verknüpft sind die ERP-Arbeitsbereiche Angebotswesen, Auftragsabwicklung und Fakturierung. Es ist sinnvoll, dem zentralen Kundenspeicher auch die Dokumentation und Abwicklung von Kundenbeschwerden und Reklamationen zuzuordnen. Dem Kernmodul übergeordnet ist ein 2 Maßnahmenmodul für die direkte Kundenansprache. Mit Hilfe der hier enthaltenen Dateien und Werkzeuge können Außendienst, Online-Vertrieb, Call-Center, Vertrieb-

6.5 Gestaltung des Vertriebssystems 

 505

GRUNDBAUSTEINE / MODULE EINES CRM-SYSTEMS 2b

2a Direktmarketing, Kampagnen, Messe-Modul

kooperat.CRM: Kundendienst und Händleranbindung

persönlicher Verkauf,CallCenter-Verkauf

2c Web-Anbindung: Social Media eCommerce

Kundenqualifizierung, Ku-Wertrechnung

Kontaktberichtswesen, Kundenhistorie

OpportunityManagement, FolgebedarfsManagement BeschwerdeManagement

3

Stammdaten, Finanzdaten, -Database-

1

Angebotswesen, Auftragsbearb., Fakturierung

Strategische und operative Vertriebsplanung

E RP Workflows, CRM-Prozesse Projekt-/ObjektManagement, Service-Modul

4

Marktanalysen, Wettbewerbsbeobachtung

Budgetierung, Vertriebscontrolling

Geo-System, Tourenplanung, Routenplanung

Zeitplanung, Spesenabrechnung © Vertriebssteuerung FH Landshut -Prof. Dr. Winkelmann

Abbildung 6.33: Grundbausteine / Module eines CRM-Systems.

spartner (kooperatives CRM) und Marketing ihre Kontakte, Aktionen und Kampagnen planen und durchführen. Verbindende Bausteine sind die Kundenqualifizierung und das Besuchsberichtswesen. Ein 3 Marktforschungs­, Planungs­ und Controllingmodul (analytisches CRM) ist, eventuell in Verbindung mit Datamining, für die Wettbewerbsbeobachtung, für die Vertriebsplanung und für das Ver-

506 

 6 Vertriebspolitik

Abbildung 6.34: CRM-Maske zur Datenerfassung.624

triebscontrolling zuständig. Letztlich runden 4 praktische Hilfsmittel wie Touren- und Routenplanung, Vertragsverwaltung, Projektsteuerung oder kontinuierliche Verbesserungsprozesse (KVP) auf der Grundlage von Stärken-/Schwächenauswertungen (Grundlage: Besuchsberichte, Außendienstinformationen) das Spektrum einer CRM-Lösung ab. Auch Terminplanung, Reisekosten- und KFZ-Abrechnungen gehören in diesen Werkzeugkasten. Abbildung  6.34 zeigt ein CRM-System und wie man damit arbeitet. Als Lehr und Lernsystem hat die ADITO Software GmbH zusammen mit ProfessorInnen der Arbeitsgemeinschaft für Marketing (AFM) das AFM-CRM-Lehrsystem entwickelt, das mittlerweile bei zahlreichen Hochschulen eingeführt ist. Zu sehen ist eine typische CRM-Maske für Firmenkunden. Personendaten werden in einer gesonderten Kontaktpersonen-Maske zusammengefasst. Die Intelligenz steckt in den Details der Datenfelder und in den Funk624 Mehr inhaltliche Informationen zum CRM-System von Adito: www.adito.de.

6.5 Gestaltung des Vertriebssystems 

 507

tionalitäten, die Marketing- und Vertriebsmethoden EDV-mäßig umsetzen. In der Praxis unterscheiden sich die CRM-Systeme stark; durch Umfang und Tiefe der – Basisfunktionalitäten (unterschiedlich aufgesetzte Eingabe- und Erfassungsmasken der Software-Anbieter), – Branchenlösungen (Templates) und – unternehmensindividuellen Anpassungen (Customizing). Wichtig: Ein Unternehmen „kauft“ kein CRM. Vielmehr stellen CRM-Anbieter Werkzeugkästen zur Verfügung, die Anwender an ihre Branche, ihre Historie und weiteren eigenen Vorgaben noch anpassen. Letztlich entscheidet die Qualität der Einführung über den zukünftigen Erfolg eines CRM-Systems.  Neben dem Kundendatenmanagement kann das CRM-System auch zur Wettbewerbsbeobachtungs- und -Analyseplattform ausgebaut werden. Je mehr Daten im CRM von verschiedenen Nutzern und Anwendern gepflegt werden, desto aussagekräftiger fallen Anaysen aus.  Mitarbeitenden im Vertrieb haben durch Suchen und Filtern aktuellen Zugriff. Abbildung 6.35 listet Wettbewerbsangebote auf und hilft so den Mitarbeitern, die eigenen Offerten zu optimieren.

6.5.9 CRM – Einführung durch Aufgaben- und Prozessintegration Wie kann eine Unternehmung CRM sinnvoll einführen? Der Weg zu CRM ist ein Weg zur Prozessstrukturierung und Prozessoptimierung. Dafür müssen Strukturen und Prozesse der Kundenakquise, Kundenbetreuung und Nachkauf-Kundenpflege abgebildet werden. Drei Vorgehensweisen haben sich bewährt: (1) Netzplanartige Darstellung der Verkaufs- (SalesCycle) und Serviceprozesse (ServiceCycle) mit Lokalisierung und Optimierung aller Berührungspunkte mit Interessenten und Kunden (Customer Touchpoints, Moments of Truth), (2) Zusammenführen von Abteilungen (Verantwortungsbereiche) und Sales-Cycle (Phasen des Kundenprozesses) in einer CRM-Integrationsmatrix, (3) Zusammenführen von Abteilungen (Verantwortungsbereichen) und Kundenkontaktformen (Telefon, Mail, Brief, Social Message, Besuch) in einer CRM-Kanalintegrationsmatrix. Auf der Basis eines Fachkonzeptes und daraus folgend einem Lastenheft kann der CRM-Anbieter ausgewählt und die Software an spezifische

508 

 6 Vertriebspolitik

Abbildung 6.35: Wettbewerbsdaten im CRM-System.

Unternehmensbedürfnisse angepasst werden. Dazu gibt es drei Vorgehensweisen: (1) Kauf oder Miete eines Standardprogramms und Aktivierung der benötigten CRM-Funktionen, (2) Kauf oder Miete eines flexiblen Systems und Anpassen von Prozessen und Funktionalitäten an die speziellen Bedingungen einer Unternehmung bzw. einer Branche (Customizing von Branchen-Templates), (3) vollständige Programmierung einer individuellen Softwarelösung (abzuraten). Wichtig sind Schnittstellen zum ERP-System, zur Auftragsabwicklung, zur Fakturierung und zur Warenwirtschaft. Wie vor 10 Jahren ist auch heute noch zu hören, dass CRM-Einführungen scheitern.625 Mit diesen Schritten lassen sich Vorbehalte gegenüber CRM-Systemen begegnen. Verkäufer monieren vielfach komplexe Systeme mit tw. wenig intuitven Eingabemasken, der hoher Zeitaufwand für Dateneingabe und -pflege wird kritisiert und der Nutzen eines CRM-Systems für erfolgreiche und gut-vernetzte Verkäufer wird ange-

625 Vgl. die Beispiele bei Winkelmann, (Vertriebskonzeption), 2012, S. 285 f.

6.5 Gestaltung des Vertriebssystems 

 509

zweifelt.626 Der Erfolg einer CRM-Konzeption ist dabei von verschiedenen Faktoren abhängig: (1) Qualität des Lastenheftes (Erarbeitung der Anforderungen im Team), (2) technische Voraussetzungen beim Anwender, (3) Qualität der vorhandenen Kundendaten, (4) EDV-Erfahrung der Anwender, (5) Konsequenz (Investitionsbereitschaft) des Managements, (6) zur Verfügung stehende Budgets (in Abgrenzung von selbst zusammengestellten und halbherzigen Sparlösungen), (7) Vorbildfunktion der Führungskräfte, (8) Akzeptanz der Anwender (User). Deshalb gilt für eine erfolgreiche CRM-Einführung die Vorgabe, dass ein Lastenheft von Anfang an im Team aller betroffenen Abteilungen zu erarbeiten ist, i.d.R. unter Leitung eines Beraters. Eine Einführung von CRM wird scheitern bzw. wird mit großen Problemen verbunden sein, wenn sie vom Management den Mitarbeitern ohne Vorbereitung und ohne gemeinsam vereinbarte Marktzielsetzungen oktroyiert wird. Weiterentwicklungen von CRM gehen vor allem in folgende Richtungen: – Integration von Marktforschung und weiteren Marketingfunktionen (Marketing Intelligence, Marketing Automation), – Einbzug von KI-Funktionalitäten, – Standardisierung von weltweiten, globalen CRM-Lösungen unter Einbezug eines Lieferketten-Controlling in Zusammenarbeit mit dem Einkauf, – Multi Channel CRM unter verstärkter Einbeziehung von Internet-Kanälen und Social Media, – Verlagerung von CRM-Anwendungen auf Smartphones, Tablets und andere Devices, (mobile CRM), – Übertragung des CRM-Systems in eine Cloud, – xRM oder Any Relationship Management, d. h. Erarbeitung von CRM-Lösungen für jedwede Art von Beziehungen (z. B. Vendor CRM), – Business Solutions, Loslösung vom Marketing- und Vertriebsbezug und Übertragung der CRM-Funktionalitäten auf vielerlei geschäftliche Funktionen.

626 Vgl. Belz, Mussak, (Nutzen des CRM-Systems), 2016, S. 65.

510 

 6 Vertriebspolitik

Abschließende sind in Tabelle  6.5 unterschiedliche Empfehlungen für die erfolgreiche Einführung eines CRM-Systeme zusammengefasst. Tabelle 6.5: 15 Empfehlungen für eine erfolgreiche Einführung von CRM.627 Empfehlungen für die Einführung von CRM-Systemen 1

Ordnung in den Datenbanken schaffen: Datenqualität, Datenbankintegration sichern (= das Fundament).

2

Anbindung der Warenwirtschaft (ERP), falls Warenwirtschaft außerhalb des KernCRM-Systems liegt (ist die Regel).

3

Einigkeit im Vorfeld über eine kundenorientierte Geschäftsphilosophie herstellen. Das System selbst ist nur Werkzeug. Die entsprechende Firmenkultur muss im Vorfeld gestaltet werden.

4

Vertriebschef als Werkzeugmacher. Nicht die IT-Abteilung sollte treibende Kraft sein, sondern die Füh-rungskräfte, die letztlich für den Markterfolg verantwortlich sind.

5

Ein CRM-System löst keine Teamprobleme. Menschliche Probleme in oder zwischen den Abteilungen im Vorfeld klären.

6

Task-Force aller von Kundenprozessen beteiligten Abteilungen bilden. Interne Verbündete sollten die treibenden Kräfte sein, Projektmitarbeiter des Softwarehauses fungieren nur als Coaches.

7

Wer hat Spass und Ambitionen, den Veränderungsprozess zu begleiten? Diese KollegInnen sollten vorher als sog. Administratoren berufen sein.

8

Teams und Administratoren entwickeln das Lastenheft: Mit welchen Vorgängen, CRM-Bausteinen und -funktionalitäten, Schlüsselkennzahlen wollen wir künftig unser Kundenmanagement steuern?

9

Mindestens drei Softwarehäuser gemäss Anforderungen im Pflichtenheft präsentieren lassen.

10

Bei den Kostenbetrachtungen „Nachholinvestitionen“ (Fehler der Vergangenheit, Versäumnisse, z. B. in EDV-Ausrüstung und -schulung) aus der Rechnung heraushalten. Sonst rechnet man sich selbst aus dem Projekt! Bei Renditebetrachtungen nicht ROI sondern Finanzflussrechnung.

11

Nicht den billigsten Anbieter wählen, sondern den, mit dem die eigene Organisation am besten lernen kann. Je besser das Pflichtenheft, desto gezielter kann das Softwarehaus arbeiten.

12

Konkurrenzorientiertes und branchenbezogenes Customizing ist wichtig. Man stelle sich vor, alle Unter-nehmen würden mit dem gleichen System steuern. CRM muss auf Wettbewerbsvorteile abzielen.

13

Umstellung mit Pilotprojekt schrittweise beginnen – erst einmal eine Abteilung, eine Region, eine Kunden-gruppe etc.

627 Winkelmann, in: C-business NEWS – www.CRM-portal.de, Ausgabe 2/2001.

6.6 Gestaltung der Verkaufspolitik 

 511

Tabelle 6.5 (fortgesetzt) Empfehlungen für die Einführung von CRM-Systemen 14

Auch Funktionalitäten schrittweise einführen: Kundendatenbank – Historie – Außendienststeuerung – Beschwerdewesen – Opportunity-Management usw.

15

Den Mitarbeitern die Veränderungsangst nehmen. Ausreichend Ressourcen für Schulung bereitstellen.

6.6 Gestaltung der Verkaufspolitik „Wie man ein gutes Bier braut, das wissen wir alle – nur das Verkaufen ist ein Problem.“ (Brauereibesitzer Herbert Zötler in einem Interview)628 Verkauf ist folgenermaßen definiert: „Vorgang des Kaufvertragsabschlusses einschließlich der zuvor erfolgten Anbahnung in Form der Güterdarbietung, der Kaufberatung und der Kaufverhandlung.“629 Im Mittelpunkt des Verkaufs steht der Kunde. Wer ist der Kunde? Wer Kunden verstehen will, muss ihn aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Zunächst ist zu fragen: – Firmenkunde/Geschäftskunde/Privatkunde: Wer leistet die Kaufunterschrift: eine Firma, ein(e) Geschäftsmann/-frau mit beruflichem Hintergrund oder ein privater Endkunde mit seinen persönlichen Bedürfnissen? Es geht um die Rechtsgrundlage des Geschäftes: HGB oder BGB, Vorsteuerabzug ja oder nein. – Direkter/indirekter Kunde: Geht es um einen Interessenten oder Kunden, der bei mir kauft (ein Account), oder geht es um einen Absatzmittler, Meinungsführer, Sachverständigen, der indirekt meine Verkaufsbemühungen unterstützt? Nach Klärung dieser vertriebspolitischen Frage (auch: B2B? B2C?) ist ein Interessent oder Kunde in einem 360Grad-Rundumblick zu beleuchten (Abbildung 6.36). Nur wer seine Kunden gut kennt, kann sie gewinnen:

628 Mit dieser Bemerkung würde er mittelständischen Brauern aus der Seele sprechen: vgl. die Meldung „Mit Liebe zum Bier am Markt bestehen“ in der Landshuter Zeitung v. 12.10.2000. 629 Ahlert, (Distributionspolitik), 1996, S. 27.

Nach einer EMNID-Umfrage 2002 bei 500 Unternehmen betrachten die Unternehmen den persönlichen Verkauf als das wichtigste Marktinstrument, vor den Messen und Ausstellungen.

512 

 6 Vertriebspolitik

Persönlichkeit

Vertreter einer Firma

Potenzialträger, Werbeträger

KundenNummer

Der Kunde als...

Teilnehmer eines Marktes

RechtsPersönlichkeit

Direkter oder indirekter Kunde

Interessent oder Stammkunde © Prof. Dr. Peter Winkelmann

Abbildung 6.36: 360 Grad-Blick auf Kunden.

Erweitert können Kunden nach folgenden Dimensionen identifiziert werden: (1) Abrechnungsdimension: Der Kunde muss zunächst als Kundennummer erfasst sein, damit sich Transaktionsvorgänge verbuchen lassen. (2) Rechtsdimension: Der Kunden als Rechtspersönlichkeit (Person und/oder Firma) ist für die Rechtsverbindlichkeit der Geschäfte relevant. (3) Kaufender oder fördernder Kunde: Ist der Kontakt wirklich ein direkter Kunde oder hilft er uns als indirekter Kunde, d. h. als Partner, Empfehler, Meinungsführer? (4) Kundenentwicklungen: Wo steht der Kontakt auf einem Entwicklungspfad vom Interessenten zum Neukunden bis zum Stammkunden. Auf der Grundlage dieses Verständnisses empfehlen sich lebenszyklusadäquate Verkaufsmaßnahmen. (5) Branchendimension: Den Kunden als Element eines bestimmten Marktes oder Marktsegmentes zu begreifen, ist bedeutsam im Hinblick auf eine Einschätzung der Wettbewerbsbedingungen, der Zukunftseinschätzungen für den Absatzmarkt und damit auch für die Preispolitik.

6.6 Gestaltung der Verkaufspolitik 

 513

(6) Potenzialdimension: Vor allem Firmenkunden sind im Hinblick auf Einkaufspotenziale, bestehende und erreichbare Lieferanteile wie auch auf Gewinnmöglichkeiten zu bewerten. (7) Firmenhintergrund: Hierbei geht der Blick auf das geschäftliche (rechtliche) Verhältnis unabhängig vom Verkäufereinfluß. Es gilt, eine Kundenfirma als Wertschöpfungspartner zu gewinnen, der auch treu bleibt, wenn die Menschen wechseln. Wenn der Anbieter die persönliche Seite missachtet, können menschliche Beziehungen nicht funktionieren. (8) Verkäuferbeziehungsdimension (zwischenmenschliche Komponente) Wie steht es um persönliche, gegenseitige Wertschätzung und Emotionen? Diese liegen in den Händen jedes Kundenbetreuers, der mit jedem Kunden eine individuelle Geschichte hat. Diese kann von der Art der Beziehung zu der Gesamtorganisation abweichen. Ein Kunde kann z. B. ein treuer Freund des ihn beratenden Verkäufers sein, aber der Anbieter ist aktuell nicht gelistet (Fehlen der Vendor Qualification). Auf persönlicher Ebene pflegt man die guten Beziehungen. Auf Firmenebene sind dann aber keine Verkaufsabschlüsse zu erwarten.

6.6.1 Verkaufsprozess – Sales Cycle Der Umsatzerfolg darf nicht dem Zufall überlassen werden, daher sind erfolgsträchtige Prozesse wesentliche Grundlage für erfolgreiche Vertriebsund Verkaufsbemühungen. Prozesssteuerung im Vertrieb ist die systematische Gestaltung von Verkaufsprozessen. Wegen der hohen Bedeutung der Steuerung von Vertriebsprozessen haben sich eine Vielzahl an Modellen und Beschreibungen etabliert. Ausgewählte sollen vorgestellt werden, um dann mit dem Single/Double Loop Vertriebszyklus einen zentralen Ablauf als Basis für die im vorliegenden Buch behandelten Vertriebsprozesse zu beschreiben. Ein Verkaufszyklus) unterteilt die Kernprozesse des Verkaufs – von der Kundenansprache bis zur Umsatzgenerierung und Nachbetreuung – in kaufrelevante Phasen und definiert für diese Tätigkeiten und Zuständigkeiten. Ein Verkaufszyklus ist damit als Organigramm des Verkaufsabläufe zu verstehen. Zuweilen wird auch vom SalesCycle, Selling Cycle oder CRM-Cycle gesprochen. Ein Verkaufszyklus i. e. S. beschränkt sich nur auf die Gewinnung eines einzelnen Auftrags (Kontaktaufnahme – Angebot – Auftrag – Auslieferung). Der Selling Cycle nach Hofbauer/Purle bietet eine gute Grundlage, um die verschiedene Schritte eines Verkaufszyklus aus dem Blickwinkel

514 

 6 Vertriebspolitik

der Vertriebsleitung zu betrachten. Zunächst ist Neukundengewinnung (Lead-Generierung) als Prozess zu organisieren. Man spricht auch vom Akquisitionszyklus (SalesCycle).630 Zu klären ist, welche Abteilungen bzw. welche Vertriebsmitarbeiter welche Tätigkeiten bei der Neukundengewinnung (Akquisition) übernehmen. Ist dieser Prozess nicht organisiert, drohen Zeit- und Ressourcenverschwendung mit erhöhten Vertriebskosten. Weiterführende Prozesse beziehen sich dann auf die Kundensicherung bzw. Stammkundenbetreuung. Abbildung 6.37 zeigt das Grundmodell des ganzheitlichen Zyklus. Neben den Basisprozessen der Kundengewinnung und –sicherung sind im Detail viele andere vertriebliche Abläufe zu organisieren (z. B. Beschwerdeprozess, Einführungsprozess für ein neues Produkt, Kunden-Entwicklungsprozess, Händler-Gewinnungsprozess etc.).631 Hierbei hilft Business Process Management. Zoltner und Kollegen brechen den Verkaufszyklus auf fünf Phasen herunter.632 Dieser US-amerikanische Ansatz besticht durch die einfache Struktur. Die verschiedenen sich ergebenden operativen Aufgaben für die Vertriebs- und Verkaufsabteilung lassen sich jedoch nur erahnen und werden nicht umfassend thematisiert. Hervorzuheben ist die zweistufige Betrachtung der Nachkaufphase, die einen passenden Übergang in ein ganzheitliches Kundenmanagement beschreibt. Der Kunde muss unmittelbar nach dem Kauf bei der Anwendung der Produkte unterstützt werden. Ist diese unmittelbare Phase abgeschlossen, können Unternehmen ihre Kunden in eine regelmäßige Betreuung und Wiederansprache überführen. Abbildung 6.38 illustriert die fünf Phasen. Helm und Kollegen schlagen einen weitergehenden Verkaufszyklus vor.633 Im Mittelpunkt steht die detaillierte Analyse der Sozialisation zwischen Anbieter und Nachfrager. In dieser frühen Phase des Verkaufsprozesses werden Grundlagen für Vertrauen und Wertschätzung gelegt. Gut entwickelte Geschäftsbeziehungen besitzen einen gesteigerten Kundenwert, da sie eine höhere Abschluss- und Folgekaufwahrscheinlichkeit bewirken. Helm und Kollegen erweiter das Modell um zwei Phase, in denen Kunden die Geschäftbeziehung nicht mehr aufrechterhalten. Dabei gehen Helm und Kollegen davon aus, dass sowohl in der Phase der Kündigung wíe auch der Revitalisierung der Kundenbeziehung viele Potenziale für 630 Vgl. Hofbauer, Purle, (Vertriebsmanagement), 2022, S. 77 mit dem 11-Stufen SellingCycle. 631 Vgl.  mit alternativen Prozesskonzepten Winkelmann, (Vertriebskonzeption), 2012, S. 221 ff. 632 Vgl. Zoltner et al., (Sales Force Design), 2004, S. 80. 633 Quelle: Zoltners et al., (Sales Force Design), 2004, S. 80.

OUT

634 Quelle: Hobauer, Purle, (Vertriebsmanagement), 2022, S. 77. 8 Verhandlung

Kundenloyalität

Ku

en nd

zu

he

it

5 Anfragenprüfung

4 Geschäftsanbahnung

3 Kundenplanung

6 Angebotserstellung

n de e i fr

7 Vorklärung

SELLING CYCLE

2 Marktplanung

de he

nwert 9 Auftragsmanagement

g

erun

ienti

enor

Kund

1 Organisation

n Ku ä nn

10 After-SalesBetreuung

11 Vertriebscontrolling

Kunde

Unternehmensstrategie

IN

Wertschaffung

6.6 Gestaltung der Verkaufspolitik   515

Abbildung 6.37: Verkaufszyklus als Selling Cycle nach Hofbauer und Purle.634509

516 

 6 Vertriebspolitik

Interest Creation

Pre-Purchase

Post-Purchase ongoing Post-Purchase immediate

Purchase

Abbildung 6.38: Vertriebszyklus nach Zoltner und Kollegen.635

den Anbieter existieren. Die gemeinsame Vergangenheit von Anbieter und Nachfrager erleichtert die Wiederaufnahme von Geschäftsbeziehungen und ist deutlich einfacher und günstiger als eine Neukundengewinnung. Der komplette Vertriebsprozess, der sich stark am Kundenlebenszyklus anlehnt, ist in Abbildung 6.39 dargestellt.

6.6.2 Single/Double Loop Verkaufsprozess Der Single/Double Loop Vertriebszyklus setzt einen zusätzlichen Fokus. Einerseits kann der Single Loop/Primärer Vertriebszyklus als klassische Ablausorganisation von Vertriebsprozessen verstanden werden. Die sieben Prozessschritte bieten eine ausreichende Differenzierung der Abläufe, so dass eine Vertriebssteuerung damit gut in der operativen Umsetzung damit arbeiten kann. Andererseits wird mit der Erweiterung des Double Loop Prozesses/Sekundärer Vertriebszyklus der Anpassungsnotwendigkeit in den Abläufen Rechnung getragen. Prozesse sind immer nur so gut, wie sie den Anforderungen des Marktes/hier der Kunden entsprechen. Die Option, im Rahmen von Prozesssteuerungen Anpassungen in der Strategie der Marktbearbeitung vornehmen zu können sowie auch die operative Umsetzung über die organisationalen Strukturen im Unternehmen vorzunehmen, bietet die notwendige Struktur und Flexibilität, die Vertriebsorganisationen in heutigen volatilen Zeiten benötigen.

635 Vgl. Helm et al., (Marketing), 2015, S. 129 f.

636 Quelle: Helm et al., (Marketing), 2015, S. 129.

Kundenakquisitionsmanagement

Kundenbindungsmanagement

Kundenrückgewinnungsmanagement

Revitalisierung

Kündigung

Gefährdung

Wachstum und Reife

Sozialisation

Anbahnung

– Wiederaufnahme von Geschäftsbeziehungen – Revitalisierungsmanagement

Nicht-mehr Kunden

Nicht-mehr Kunden

Aktuelle Kunden

– Stabilisierung gefährdeter Geschäftsbeziehungen – Abwanderungsverhinderung – Beschwerde- und Kündigungsmanagement – Rücknahme von Kündigungen – Kündigungsmanagement

Aktuelle Kunden

Aktuelle Kunden

Noch-nicht Kunden

Kundentyp

– Stärkung + Ausbau stabiler Geschäftsbeziehungen (Crossund Upselling) – Kundenbindung – Zufriedenheitsmanagement

– Festigung von Geschäftsbeziehungen – Kundenbindung – Neukundenmanagement

Ziel und Managementaufgaben – Anbahnung von Geschäftsbeziehungen – Interessentenanagement

Gering, ggf. steigend

gering

Hoch, aber rückläufig

Am höchsten

steigend

gering

Kundenwert

6.6 Gestaltung der Verkaufspolitik   517

Abbildung 6.39: Phasen im Kundenlebenszyklus und Aufgaben des Vertriebsmanagements.636

518 

 6 Vertriebspolitik

Sekundärer Vertriebszyklus / Double Loop Marktstrategische Ausrichtung

Vertriebs controlling

Kundenbindung

Abwicklung & After Sales

Vertriebs- und VerkaufsOrganisation

Primärer Vertriebszyklus / Single Loop Verhandlung und Verkauf

Kundeniden tifizierun g

KundenAnsprache

Geschäftsanbahnung

Abbildung 6.40: Single/Double Loop Vertriebszyklus.

Abbildung 6.40 zeigt das Prozessmodell im einzelnen: – Kundenidentifizierung: In der Auftaktphase des Single Loop/Primären Vertriebszyklus erfolgt die Identifikation der Zielkunden. Wenn verschiedene Zielgruppen und Kundentypen relevant sind, legt die Kundenpriorisierung die Reihenfolge der Bearbeitung der Kundengruppen fest. IdR. sind keine ausreichenden finanziellen und personellen Ressourcen verfügbar, die eine gleichzeitige Ansprache aller Zielkunden zulassen. Aus abgeleiteten Kundenkriterien und der festgelegten Kundenpriorisierung werden Kundenadressen generiert. – Kundenansprache: Verkaufskommunikation sowie der Außen- und Innendienst bauen Erst- und Folgekontakte zu den identifizierten Kunden auf. Für viele dieser Kundenkontakte bieten sich Direkt- und Dialogkommunikationsinstrumente, wie Direktmarketing, E-Mail-Marketing und Suchmaschinenmarketing (insb. Search Engine Advertising) an. Die Diskussion der Instrumente erfolgt in Kapitel sieben. – Geschäftsanbahnung: War die Kundenansprache erfolgreich, kann die Kundenbeziehung aufgebaut werden. Im B2B-Geschäft erfolgen Kundengespräche zur Konkretisierung des Kundeninteresses. Nicht relevante Anfragen werden herausgefiltert. Bei individuellen Produkten und Dienstleistungen werden vom Anbieter Angebote vorbereitet, die in weiteren Gesprächsrunden verhandelt werden. Im B2C-Geschäft haben Kunden bspw. auf google-Suchanzeigen reagiert und nach der digitalen Identifizierung der Kunden wird im

6.6 Gestaltung der Verkaufspolitik 









 519

digitalen Marketing weiterhin Werbung und Informationsmaterial Interesse angeboten. Verhandlung und Verkauf: Wenn die Angebote besprochen und finalisiert sind, versucht der Anbieter durch eine professionelle Gesprächs- und Verhandlungsführung den Kunden zur Annahme des Angebots zu bewegen. Diese Phase des Vertriebszyklus schafft den Übergang vom Interessenten und der Verkaufschance zum aktuellen Kunden. Abwicklung und After Sales: Der gewonnene Auftrag muss vom Unternehmen abgewickelt werden (Order Processing). Damit gibt der Vertriebbereich die Verantwortung kurzfristig an andere Unternehmensteile, die jetzt die Warenbereitstellung realisieren. Wenn ein komplexes oder kompliziertes Produkt verkauft wurde, können der Vertriebsbereich oder die Anwendungstechnik im Rahmen der After Sales Tätigkeit den Kunden bei Inbetriebnahme und Implementation unterstützen. Auch bei Rückfragen, Problemen und Beschwerden ist der Vertriebsbereich in vielen Fällen erster Ansprechpartner. Eine gute Abwicklung und After Sales-Betreuung legen den Grundstein für eine langfristige Kundenbeziehung. Kundenbindung: Ist der Erstkauf vom Kunden getätigt, setzen vielfach Kundenbindungsmaßnahmen ein. Der gewonnene Kunde soll dem Unternehmen gewogen und bei zukünftigen Folgekäufen weiterhin treu bleiben. Auch Ergänzungskäufe, Cross und Up-Selling (weitere Käufe aus anderen Produkbereichen oder Austausch des Erstkaufs durch höherwertige und leistungsfähigere Alternativen) sind wichtige Zielsetzungen in der Kundenbindung. Vertriebscontrolling: Der Single Loop/Primärer Vertriebsprozess unterliegt der Beobachtung und Unterstützung durch die Vertriebssteuerung und das Vertriebscontrolling. Kennzahlen helfen auf allen Stufen des Prozesses, Erfolge zu quantifizieren und Verbesserungsmaßnahmen abzuleiten. Die Relation an Zahl der Aufträge zu Anzahl der Angebote ergibt z.B. die Angebotserfolgsquote (Conversion Rate). Sie Ausdruck der Effizienz der Verkaufstätigkeit. Abschließend werden diese Steuerungskennzahlen selbstverständlich auch der Kostenrechnung zugeführt – welche Aufwendungen müssen für welche Umsatz- und Ertragszahlen aufgewendet werden?

Die weiter oben angesprochene Besonderheit des Modells ist die Ergänzung des Double Loop/Sekundären Vertriebsprozess.  Diese Zusatzprozessschritte ermöglichen die Anpassung der Vorgehensweise, wenn die Marktgegebenheiten dies erfordern. Die beiden verbleibenden Prozess-

520 

 6 Vertriebspolitik

schritte des Double Loop/Sekundären Vertriebsprozesses schließen sich nach der Analyse durch das Vertriebscontrolling an. – Marktstrategische Ausrichtung: Ändern sich der nachgefragte Kundennutzen und die Kaufgründe müssen die Zielgruppen neu justiert werden. Diese strategische Überprüfung der unternehmensspezifischen Ausrichtung bietet die Option „Anpassung des eigenen Auftretens am Markt“ und der sich daraus ergebenden Veränderungen bei der Kundenindentifizierung und der aufzusetzenden Kundenansprache. – Vertriebs­ und Verkaufsorganisation: Neben der strategischen Positionierung am Markt unterliegt auch die operative Marktbearbeitung regelmäßigen Veränderungen. Die Struktur- und Ablauforganisation wird im gleichen Zusammenhang mit der Anpassung der strategischen Ausrichtung überprüft und ggf. angepasst (siehe dazu Kapitel 6.4.3). Die Notwendigkeiten der Anpassung können sich aus personalpolitischen Hintergründen wie Fluktuationen etc. ergeben. Da diese Anpassungen eher unregemäßig erfolgen, sind diese im Double Loop-Durchgang verortet, d-h. sie werden nur situativ vom Vertriebscontrolling angestoßen. Der Single/Double Loop Vertriebszyklus bringt wiederkehrendenProzesse zum Ausdruck. Insb. der Single Loop ist ein Kreislaufmodell, welches ohne definiertes Ende immer wieder neu ansetzt. Die Frequenz der Wiederholungen kann sich dabei durch (1) innerbetriebliche, (2) konjunkturelle und (3) bugdetäre Aspekte ableiten lassen. Der Single Loop beschreibt die operativen Prozesse im Vertrieb, der Double Loop die strategischen.

6.6.3 Lead-Generierung und Verkaufstrichter-Management Viele Prozesse starten mit systematischer Neukundensuche, welche heute als Lead­Management bezeichnet wird. Der klassische Begriff lautet Interessentenmanagement. Im Single Double Loop ist der Begriff der Kundenansprache zu finden. Ein Lead ist ein aussichtsreicher und daher verfolgungswürdiger Kontakt. Lead-Qualifizierung bedeutet, aus der Fülle mögliche Kontakte die erfolgversprechendsten herauszufiltern. Die Praxis differenziert oft Interessenten (noch nicht qualifizierte Adressen), Prospects (aussichtsreiche Leads), Hot und Warm Leads (auch: Verkaufschance, mit Priorität zu bearbeiten) sowie Cold Leads (zurückstellen). Leider werden laut Gartner in der Praxis 70 Prozent aller Leads nicht oder nur unzureichend bearbeitet.

6.6 Gestaltung der Verkaufspolitik 

 521

Grundlage einer Akquisition ist der persönliche Kontakt bzw. eine Adresse (Name und Anschrift). Wie finden Verkäufer neue Adressen und – nach einer Lead-Vorqualifizierung – neue Interessenten? Mögliche Quellen sind: (1) Adressen aus persönlichen Kontakten, Visitenkarten, (2) Interessenten-Kartei oder Datenbank, (3) Recherche in sozialen Netzwerken wie LinkedIn, Xing, Facebook, Instagram, (4) Reaktionen auf Online-Werbungen, (5) Adressbücher, Verbandsadressen (z. B. IHK), Adressverlage, (6) Existenzgründer-Datei, (7) Hinweise und Empfehlungen von Stammkunden und Lieferanten (Kunden werben Kunden), (8) Durchsicht von verlorenen oder inaktiven Kunden, (9) Ansprache von bekannten, wechselbereiten Kunden des Wettbewerbs, (10) Interessentensuche mit Hilfe von Telemarketing (Call-Center-Aktionen), (11) Kontaktsuche durch Direct Mails (z. B. Werbebriefe mit Antwortcoupon, Gewinnspiele), (12) Firmenrecherchen im Internet, (13) Kontakte auf Fachmessen und Ausstellungen (Firmen im Messekatalog), (14) Kontaktsuche auf Fachtagungen, Workshops und Konferenzen, (15) Hinweise auf mögliche Kunden aus Fachzeitschriften oder aus der Werbung. Lead-Management strukturiert den Prozess der Lead-Generierung und Lead-Qualifizierung sowie der Bearbeitung der Interessenten vom ersten Kontakt bis zum Auftrag: – Es muss Klarheit darüber bestehen, wie Verkaufsverantwortliche zu neuen Kontaktmöglichkeiten, d. h. zu neuen Interessenten, kommen. Unabhängig von Engagement und dem Akquisitionsgeschick einzelner Verkäufer ist die Kontaktstrategie für die gesamte Verkaufsorganisation zu erarbeiten. – Aus Ressourcen- bzw. Kostengründen muss geregelt werden, welche potenziellen Interessenten (Kontakte) weiterverfolgt werden sollen und welche nicht. Eine Kunden-Vorqualifizierung (Vorbeurteilung) klärt, welche Cold Leads zu Warm Leads werden. Später, nach Kontaktaufnahme mit den Leads und dem ersten Austausch von Informationen, wird eine weiterführende Kundenbewertung (LeadPriorisierung) folgen. Sie entscheidet über den zukünftigen Ressour-

522 





Nicht weite Verkaufstrichter mit geringen Hit-Rates (Auftragserfolgsquoten) sind sinnvoll, sondern enge Trichter mit hohen Hit-Rates.

 6 Vertriebspolitik

ceneinsatz, über Kundenbesuche, Telefonkontakte oder Mailing-Aktionen. Nicht alle Kundenkontakte sind gleich wertvoll – nicht alle Leads haben die gleichen Erfolgschancen. Von zentraler Bedeutung ist ein Interesse oder eine „Erlaubnis“ des Interessenten, dass der Anbieter ein Angebot erstellen darf. Nur unter speziellen Umständen vergeben Neukunden sofort Aufträge. So stehen das Angebotswesen bzw. die Prozesse des Angebotswesens im Mittelpunkt des Lead-Managements.  Die Erfolgssteuerung der Akquisitionsbemühungen erfolgt im sog. Verkaufstrichter, auch Sales Pipeline oder Sales Funnel genannt. Dieser Trichter, in den Verkaufschancen quasi hinein- und hoffentlich viele Aufträge hinausfließen, ist als Prozess zu organisieren. Die Output-/Input-Relation (Aufträge zu Angeboten = Conversion-Rate oder Hit-Rate) ist ein Gradmesser für Leistungsfähigkeit der Akquisitionsarbeit. Alle weiteren Prozessmodelle sind ebenfalls Trichtermodelle.

Abbildung  6.41 verdeutlicht das Dilemma des Verkaufstrichters.  Viele Unternehmen geben sich damit zufrieden, wenn bspw. aus den Angeboten für 100 Leads im Durchschnitt 10 Aufträge mit durchschnittlichen Umsatzerlösen resultieren. Drohen Umsatzausfälle werden 25 weitere Neukunden zu Rettung des Umsatzes gefordert. Nach der bisherigen Logik und Erfolgsquote müssen dann daher 250 neue Leads akquiriert werden. Herausforderung ist dabei, ob es überhaupt so viele potenzielle Neukunden gibt, was deren Gewinnung kostet (Kommunikationskosten, Preiszugeständnisse, etc.) und vor allen Dingen, was mit den 225 verlorenen Auftragschancen geschieht. Welcher Konkurrent gewinnt aus welchen Gründen diese Geschäfte? Und mit welchem Aufwand hätte man das verhindern können? Diese Gedanken führen zu einer Strategie für den Verkaufstrichter gemäß Total Sales Quality: (1) Es kann nicht Ziel sein, den Verkaufstrichter mit möglichst vielen Leads zu füllen. Es ist besser, wenigeren, dafür aber besser vorqualifizierten Leads nachzugehen. Ein Verkaufstrichter muss eng, nicht weit gehalten werden. (2) Aus diesem Grund darf der Trichter nicht als einfaches Input-Output-Modell gesehen werden. Er ist als mehrstufiger Prozess zu organisieren. (3) Auf jeder Stufe sind Leads nach festgelegten Regeln zu qualifizieren. Die Kundengewinnung stellt sich dann als eine Folge von Go-No-Entscheidungen dar. (4) Auf allen Prozessstufen im Trichter sind die Auftragserfolge (Hit-Rates) permanent zu kontrollieren (Controlling des Verkaufstrichters).

6.6 Gestaltung der Verkaufspolitik 

Verkaufstrichter Massenmarkt Verkaufsaktion 1

Verkaufsaktion n Mehr Umsätze mehr Kontakte notwendig

 523

Verkaufstrichter Total Sales Quality Verkaufsaktion 1 Konsequente Leadqualifizierung

AngebotsVerluste

Mehr Umsätze gezielte Bearbeitung Konzentrierte KundenBearbeitung

Kaufende Kunden

Kaufende Kunden

Abbildung 6.41: Verkaufstrichter des Massenmarktes versus Verkaufstrichter nach dem Total Sales Quality Ansatz.

Grundsätzlich sind drei Ansätze für den Aufbau eines Verkaufstrichters zu unterscheiden: (1) Der Chancenentwicklungstrichter: Alle Angebote (Opportunities) durchlaufen den gleichen Bearbeitungsprozess. Je länger eine Auftragschance im Trichter überdauert, desto höher ist die Erfolgswahrscheinlichkeit. Dieses Verfahren wird in der Praxis am häufigsten eingesetzt; i. d. R. im Projektgeschäft. (2) Der Chancenklassentrichter: Die Angebote (Opportunities) werden gleich bei der Erstellung nach Erfolgsklassen (Erfolgswahrscheinlichkeiten) eingeteilt. Für jede Chancenklasse (z. B. Low-Chance-Angebot, Standardangebot, Top-Chance-Angebot) existiert ein spezieller Prozess mit differenziertem Ressourceneinsatz. Der Chancenklassentrichter macht Sinn, wenn Angebote sehr schnell durchlaufen und sich die Erfolgschancen im Prinzip nicht stark ändern (keine Chancenentwicklung). (3) Der Attraktivitätsklassen­Trichter funktioniert wie der Chancenklassentrichter. Nur werden hier die Angebote (Opportunities) nicht nach Erfolgschancen, sondern nach Attraktivitäten oder nach Komplexität (Akquisitionskosten) eingeteilt. Für jede Attraktivätsklasse besteht ein prioritätengerechter Bearbeitungsprozess. Während beim Chancenklassentrichter einfach nach einer Prozentzahl differenziert

524 

 6 Vertriebspolitik

wird, ergeben sich bei diesem Ansatz die Attraktivtäten mit Hilfe eines Scoring-Modells.  Abbildung  6.42 veranschaulicht die Analyse eines Attraktivitätsklassen-Trichters mit drei Typen von Angeboten. Von der Vertriebsleitung sind drei Angebots-Prioritätsstufen mit unterschiedlich komplexen Bearbeitungsschritten, Ressourcenzuteilungen und Kostenrahmen definiert. Eingehende Anfragen sind zunächst im Innendienst Angebotskontakte. Erhalten sie mehr Priorität, dann werden sie zu Nachfasskontakten hochgestuft. Die Top-Angebote gelangen schliesslich auf die Ebene der Intensivkontakte. Jetzt sind sogar Chefbesuche sinnvoll. 637 Ein Verkäufer sollte schauen, dass er seinem Trichter immer frische Leads zuführt. Der Trichter darf nicht austrocknen. Aufgabe des Verkaufstrichter- und des Pipeline-Managements ist es, diese regelmäßige Befüllung der Trichterstufen und die Verweildauern, Kosten und Erfolgsquoten der Stufen zu überwachen.

6.6.4 Lead Progression-Management Führt man den Single Loop/Primärer Vertriebszyklus mit den Ansätzen des Verkaufstrichters zusammen, können die verschiedenen Phasen des Vertriebszyklus unterschiedlichen Ebenen des Trichters zugeordnet werden. Abbildung 6.43 stellt die Zusammenführung in grafischer Form dar. Die im vorigen Abschnitt angesprochene Zielsetzung des Total Sales Quality setzt an der Bearbeitung der Kontakte und Leads im Verkaufstrichter an. Somit kann im Rahmen der Vertriebssteuerung eine prozessgesteuerte Abarbeitung der Leads nach festgelegten Regeln und Zeitpunkten erfolgen, um aus den in den Trichter einlaufenden Kontakten möglichst viele erfolgreiche Conversions und Kunden mit Umsätzen werden zu lassen. In den Trichter sollen dabei nur Leads aufgenommen werden, die sich auch als Kunden eignen. Verschiedene Scoring-Ansätze und Klassifikationen werden in der Praxis angewandt. Eine dieser Analysmethoden sind die sog. BANT­Kriterien: – B = Buget: Besitzt der Kontakt die Verfügbarkeit über das notwendige Budget? Ggf. kann der Kontakt auch eine beeinflussende Rolle in der Kaufentscheidung spielen, um ihn als Lead zu bearbeiten

637 Unterschiedliche Trichterkonzepte werden beschrieben bei: Winkelmann, (Vertriebskonzeption), 2012, S. 681–684.

20

neue Leads

Intensivkontakt

Abbildung 6.42: Verkaufstrichteranalyse.

20 60

40

Nachfasskontakt

40

60

110

Angebotskontakt

LeadsZugang lfd. Monat

Trichterbestand Monatsanfang

CONTROLLING VERKAUFSTRICHTER © Prof. Winkelmann

Monat 04/2023

40

80

170

in Bearbeitung im Trichter

Trichter alt: Veränd.Trichter

17

2

5

10

Angebote nicht mehr akut

5

10

20

35 170 -21%

Absagen Angebote verloren

44

14

20

10

Aufträge gewonnen

46%

67%

57%

25%

Hit-Rate auf Trichterstufe

Trichter neu:

20

40

Übergang auf nächste Stufe

134

19

25

90

noch offen, Bestand Monatsende

–5%

–38%

–18%

Veränderung Trichterbestand

6.6 Gestaltung der Verkaufspolitik   525

526 

 6 Vertriebspolitik

Kunden-Identifizierung Kunden-Ansprache

Nicht-Kunden

Lead / Reagierer

Verhandlung & Verkauf

Interessent

Verkaufschance

Abwicklung und After Sales Kundenbindung

Vertriebscontrolling

Geschäftsanbahnung

Kunde / Erstkauf Kunde / Wiederholungskauf Stammkunde Frühere Kunden

Abbildung 6.43: Single Loop Pozessschritte in der Verkaufstrichter-Betrachtung.







A = Authority: Kann der Kontakt auch die Entscheidung fällen? Dieses Kriterium ist insb. im Hinblick auf die späteren Phasen im Trichter relevant, wenn sich die Bearbeitungsschritte dem Kaufabschluss nähern. N = Need: Kat der Lead oder Kontakt einen konkreten Bedarf oder ein anzusprechendes Bedürfnis für das zu verkaufende Produkt? Reines Interesse an dem Produkt reicht nicht als Qualifikationsmaßstab aus, da sich die Mitarbeitenden im Vertrieb auf umsatzrelevante Leads konzentrieren müssen. T = Timeline: Wann wird der Bedarf konkret, wann will der Lead oder Kunden kaufen? Demnächst anstehende Kaufentscheidungen bringen eine höhere Dringlichkeit in der Bearbeitung mit sich, zudem ist die Kaufwahrscheinlichkeit höher. Wird der Bedarf erst später in einem Kauf münden, können die Bearbeitungsschritte langfristiger eingeplant werden.

Um die Lead-Bearbeitung im Trichter zu verbessern, bieten sich jetzt unterschiedliche Optionen an, die unter dem Begriff des Lead Pro­ gression Managements zusammengefasst werden. Allen Optionen ist gemein, dass Sie für eine verbesserte Quote von in den Trichter eingeganger Leads zu Kunden ermöglichen sollen. Die Optionen nach Abbildung  6.41 können jetzt zur Verbesserung der Input-/Output-Quote angesetzt werden. Sie sind sowohl aktionistischer wie auch strategischer Natur, um alternative Ansatzpunkte zu ermöglichen.

6.6 Gestaltung der Verkaufspolitik 

(2) Bessere Leads

(1) Mehr Leads Nicht-Kunden

(4) Hegen und pflegen / nurturing

 527

Zero Moment of Truth / ZMOT

Top of Funnel / TOFU

(3) passgenauere Einteilung

Lead / Reagierer

(7) Bessere Bearbeitung

Interessent

(5) Anreichern (6) Micro Conversions

Middle of Funnel / MIFU

Verkaufschance

(8) Beschleunigung (9) Verkaufshebel

Kunde / Erstkauf Kunde / Wiederholungskauf Stammkunde

Bottom of Funnel / BOFU

(10) Cross-/ Upselling

Frühere Kunden

Abbildung 6.44: Optionen des Lead Progression Managements.

Die verschiedenen Bezeichnungen von ZMOT über TOFU, MIFU und BOFU repräsentieren unterschiedliche Zeitpunkte in der Bearbeitung von Kontakten. Der Zero Moment of Truth stellt den ersten Kontaktpunkt des Interessenten mit dem Unternehmen dar und kann als Startpunkt der Trichterbetrachtung angesehen werden. Die in Folge beschriebenen Lead Progression-Optionen setzen am oberen Beginn des Trichters (Top­of­Funnel/TOFU) an. (1) Mehr Leads: Wenn die Bearbeitungsquoten im Trichter gleichbleibend sind, kann der Umsatz durch mehr Leads erhöht werden. Diese aktionistisch einzusetzende Lead Progression-Methode kann zu nachlassenden Bearbeitungsquoten und Überlastungen des Vertriebs sorgen. Zudem werden ggf. strukturelle Schwierigkeiten auf anderen Stufen des Trichters nicht erkannt und sogar verstärkt. (2) Bessere Leads: Sind Kontakte besser ausgewählt und qualifiziert, steigen die Kaufwahrscheinlichkeiten. Die Investition in eine bessere Kontaktqualität kann mit einer absolut niedrigeren Zahl an eingehenden Leads ein besseres Ergebnis erzielen. Zudem wird der Zeiteinsatz der Vertriebsmitarbeitenden auf potenziell besser konvertierende Kontakte fokussiert. Diese Vorgehensweise geht mit höheren Kosten für die Leads einher.

528 

 6 Vertriebspolitik

(3) Passgenauere Einteilung: Wenn das Wissen über Leads in frühen Phasen der Bearbeitung erhöht wird (bspw. durch die Analyse des geplanten Kaufzeitpunkts oder der konkreten Produktinteressen), kann die nachfolgende Bearbeitung zielgerichteter erfolgen. So können bspw. die richtigen Informationen bereitgestellt werden oder Kunden, die eine kurzfristige Kaufentscheidung planen, direkt einem Vertriebsmitarbeiter zugeordnet werden. Anforderung an diese Vorgehensweise ist die Erfassung weiterer Kundeninformationen, die ggf. aufwändig recherchiert werden müssen.

Lead-Nurturing: alle Maßnahmen, um einen Interessenten zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Informationen zu versorgen.

Ab dem Übergang in eine weitergehende Bearbetung spricht man in der Trichterlogik vom Middle­of­Funnel (MIFU)-Zeitpunkt. Die Kunden sind qualifiziert und in die strukturierte Bearbeitung übernommen worden. Liegt das Lead Management beim Marketing wird oft von Marketing Qualified Leads/MQL gesprochen. (4) Nurturing/Hegen und Pflegen: EInmal gewonnene Kontaktdaten werden durch regelmäßige Ansprache entwickelt. Auch wenn ggf. aktuell kein Kauf bei potenziell passenden Kunden ansteht, sollten diese Kunden trotzdem mit Augenmaß weiter bearbeitet und regelmäßig informiert werden. Durch die Pflege des Interessentenstamms entsteht für das Unternehmen eine Kontaktreserve, die kostengünstig angesprochen werden kann. Das Engagement ist aus kurzfristiger Sicht nicht umsatzwirksam. Daher wird diese Aufgabe vielfach vom Vertrieb wieder in die Marketing-Verantwortlichkeit gegeben. (5) Anreicherung: Jede gewonnene Information zum Kunden erhöht die Abschlusschance. Entsprechende Adressdaten ermöglichen die Ansprache über weitere Kanäle. Zusatzinformationen zum Unternehmen ermöglichen Cross-Selling-Angebote. Es sollte das Ziel sein, das CRM-System immer weiter mit Informationen zu befüllen, die für den Kundenkontakt sinnvoll sind. Nach ersten kleinen Abschlüssen geht die Verantwortung in diesem Modell auf den Vertriebsbereich über. Es hat sich die Bezeichnung Sales Accepted Leads/SAL etabliert. Sie bringt zum Ausdruck, dass die Kontakte so gut vorbereitet und vorqualifiziert sind, dass die kostenintensivere Bearbeitung jetzt durch den Vertrieb erfolgen sollte. (6) Micro Conversions/erste Abschlüsse: Dies ist die Taktik der kleinen Erfolge. Kunden können sich ein Whitepaper laden, Kunden folgen der Einladung zu einem digitalen Webinar, etc. Jeder kleine Abschluss bindet den Kunden an den Anbieter und steigert das gegenseitige Vertrauen.

6.6 Gestaltung der Verkaufspolitik 

 529

(7) Bessere Bearbeitung: Auf jeder einzelnen Stufe des Trichters stehen Bearbeitungsschritte (Touchpoints) mit dem Kunden an. So stellt z. B. der Telefonkontakt zur Terminvereinbarung einen Kontaktschritt dar. Die Erfolgsquoten beim Telefonieren werden gemessen. Diese Quote ist dann Ansatzpunkt zur zverbesserten Bearbeitung. Ein Telefontraining als beispielhafte Maßnahme versucht, die Wandlungsquoten von einem Telefonat zu einem Beratungsgespräch zu erhöhen. Die Verbesserungsansätze haben größere Hebelwirkung, je später sie im Verkaufstrichter angesetzt werden. Verkaufsschulungen können zu signifikant mehr Umsatz führen als zu Verbesserungen in der Nurturing-Phases.  In Consumer-orientierten Unternehmen schließen sich jetzt intensive Verkaufstätigkeiten an. Kontakte, die im Bottom­of­Funnel/BOFU angekommen sind, werden daher als Sales Qualified Leads/SQL bezeichnet. (8) Beschleunigung: Die unterschiedlichen Schritte des Trichters sind idR. durch Prozessvorgaben terminlich vorgeplant. Aussichtsreichen Leads werden die Termine vorgezogen. (9) Verkaufshebel: Steht der Kunde kurz vor dem Abschluss, kann ein gezielter Einsatz von Verkaufshebeln helfen, den Umsatz zu realisieren. Schnell und direkt einsetzbar, jedoch mit Kosten verbunden. Wird bspw. ein Rabatt in Erwägung gezogen, reduziert dieser Preisnachlass den Deckungsbeitrag. Zu viele Verkaufshebel senden missverständliche Signale an Kunden, dass ein Warten zu besseren Konditionen führt. (10) Cross­ und Upselling: Die Neukunden können jetzt mit ergänzenden Angeboten angesprochen werden. Ist der Kunde mit dem Initialkauf zufrieden, wird er sich auch weitere Angebote des Unternehmens oder auch ein Upgrade zu seinem getätigten Kauf erläutern lassen. Dieses Modell zeigt die Vorteile einer engen Zusammenarbeit zwischen allen absatzorientierten Unternehmensbereichen. Das Marketing akquiriert den Kundenkontakt, intern wird der Kontakt qualifiziert und priorisiert und dann abschließend durch den Vertrieb konvertiert. In technischen B2B-Unternehmen hat das Marketing in den meisten Fällen Schwierigkeiten, eine Rolle im Lead-Prozess zu finden. Der Verkaufstrichter bleibt vielfach Domäne des Vertriebs. Die Darstellung in Abbildung 6.45 nach Binckebanck macht die Zusammenarbeit sichtbar.

 6 Vertriebspolitik

Effizienz / High Tech

Lead-Generierung

Lead-Bearbeitung

Anbietermarke stärken

Interaktive Markenführung

Vertrieb

Individuelle LeadPflege

EchtzeitWeiterleitung

Analytische Qualifizierung

Innendienst

Kampagnen

Medienmanagement

Unpersönliche Markenführung

Marketing

Effektivität / High Touch

Abschlüsse

Transparenz / High Support

Automatisierte LeadPflege

530 

Lead-Umwandlung

Heuristiken optimieren

Feedback-Loop Abbildung 6.45: Von High Support über High Tech zu High Touch.638

6.6.5 Kundenbewertung und -qualifizierung

McDonald’s Deutschland bedient ca. 2,7 Mio. Gäste pro Tag in 1415 Restaurants! – kann da jeder Kunde hervorragend und begeistert bedient werden?

Der Vertrieb muss seine Ressourcen auf zwei Töpfe aufteilen: auf den Interessententopf mit Leads und auf den Bestand an Stammkunden. Für alle potenziellen und existierenden Kunden ist die Frage zu klären, ob jeder Kunde wirklich König ist. Wollen wir jeden Kunden zum König krönen? Diese Forderung birgt erhebliche Risiken: – Eine derart verstandene Kundenzufriedenheit (sie bedeutet im Extremfall, dem Kunden jeden Wunsch zum Preis von 0,-€ zu erfüllen) kann Unternehmen in den Ruin treiben. Kundenzufriedenheit muss sich rechnen. Verkaufsanstrengungen müssen dem Potenzialbeitrag des Kunden angemessen sein. – Außerdem führt die Forderung, alle Kunden zu Königen zu machen, zu einer Zersplitterung der Kräfte. Erfüllen Unternehmen alle Wünsche ihrer Kunden, dann ufern Leistungsangebote schnell aus und der Anbieter erleidet Kostennachteile. Gute Kunden müssen schlechte subventionieren. Belz u. a. sprechen bei Gleichbehandlung aller Kun-

638 Quelle: Binckebanck (High Tech), 2016, S. 19.

6.6 Gestaltung der Verkaufspolitik 

 531

den vom Passantenmarketing, welches sich allenfalls als Laufkunden-Philosophie eines Kiosks rechtfertigen lässt.639 So ist Backhaus zuzustimmen, wenn er sagt: „Kundenorientierung heißt nicht, Wünsche zu erfüllen, sondern Zahlungsbereitschaften abzugreifen.“640 Die kritische Haltung zum Königsbild ist insbesondere angesichts des Trends zur schwindenden Kundenloyalität erklärbar. Um Zahlungsbereitschaften, besser Potenziale, abzuschätzen, müssen Kunden qualifiziert (priorisiert) werden. Kundenqualifizierung bedeutet, die Auswahl der Könige nach festen Bewertungsregeln. Welche Argumente sprechen für Ungleichbehandlung der Kunden? – Die Vertriebsressourcen reichen i. d. R. nicht aus, um alle Kunden mit gleicher Intensität zu betreuen. Das wäre zu kostspielig. – Viele Kunden vernichten Geld. Eine Kundenerfolgsrechnung würde für sie negative Kostendeckungsbeiträge aufzeigen. Geringe Auftragsmengen, nicht kostendeckende Preise und unvertretbar hoher Betreuungsaufwand – diesem Kundentyp gebührt keine Betreuungspriorität. – Kunden stellen unterschiedliche Anforderungen:641 „Natürlich will ein Großkunde anders behandelt werden als ein Kunde aus dem Mittelstand. Für Großkunden sind zum Beispiel betriebswirtschaftliche und technische Konzepte gefordert. Für einen kleineren Kunden ist es wichtig, sein Problem ganzheitlich mit einem Partner aus einer Hand zu lösen.“642 – Diese können nicht alle gleich gut erfüllt werden. Blanchard und Bowles meinen: „Wer sich um einen guten Kundenservice bemüht, meint aber immer noch, er muss es jedem und in jeder Beziehung recht machen. Und das funktioniert nicht.“643 – Die Betreuungskräfte sollten verstärkt dorthin gelenkt werden, wo eigene Fähigkeiten die Kundenwünsche besonders gut befriedigen. – Stammkundenpflege und Neukundengewinnung müssen in eine Balance gebracht werden. Für dieses unlösbare Problem kann nur ein strategischer Kompromiss angestrebt werden.

639 Vgl. Belz u. a., (Geschäftsbeziehungen), 1998, S. 50. 640 Backhaus, (Kunden), in: MM, 6/1998, S. 141. 641 So gibt es Kunden, die von sich aus gar nicht König sein wollen; die z. B. im Einzelhandelsgeschäft nicht angesprochen und nicht beraten werden wollen. Und auch Könige wollen nicht belästigt werden. 642 Drosten, (SAP), in: ASW, 3/1998, S. 16. 643 Blanchard; Bowles, (Kundenbegeisterung), 1994, S. 52.

Wir können nur die Kunden zu Königen machen, die das verdienen.

Gutes Marketing bedeutet, einen Kunden nicht spüren zu lassen, dass er nicht zu den Königen zählt.

532 

 6 Vertriebspolitik

Aufgabe der Kundenbewertung (Kundenqualifizierung) ist somit die Aufteilung des Interessenten- und Kundenstammes in wichtigere und eher unwichtige Kunden. Dazu sind die Kunden aus verschiedenen Blickwinkeln heraus im Hinblick auf ihren Beitrag zur Zielerreichung zu bewerten und zu klassifizieren. Die Kunden erhalten Prioritäten, auf die Vertriebsressourcen und insbesondere Betreuungsmaßnahmen ausgerichtet werden. Eine Kundenbewertung bestimmt Kundenprioritäten. Das bringt folgende Vorteile: (1) Aussagefähigkeit über den Wert des Kundenstamms – eine Informationspflicht im Rahmen der Basel-II-Unternehmensbewertung. (2) nachvollziehbare Zuteilung der Ressourcen auf Zielgruppen und Kunden, (3) Effizienz und Kostenbewusstsein im Vertrieb, (4) erfolgsorientierte Zielgruppenbildung für Marketingkampagnen, (5) besseres Eingehen auf Kundenwünsche, (6) Souveränität in Kundenbetreuung, (7) mehr Agieren, weniger Reagieren im Markt und dadurch Wettbewerbsvorteile, (8) Zeit für die richtigen (wichtigen) Kunden,644 (9) kontinuierlicher Lernprozess für die Mitarbeiter. Noch 2006 gab es im Siemenskonzern keine Auflistung der 100 größten Kunden (Quelle: MM, 2/2006, S. 59).

Verschiedene betriebliche Interessengruppen benötigen dringend Kundenprioritäten: – Das Management fragt nach den Wichtigkeiten bzw. Wertigkeiten von Marktsegmenten. Frage: Sind wir überhaupt in einem interessanten Markt? – Das Marketing interessiert sich für Prioritäten für unterschiedlich gefilterte Kampagnen-Zielgruppen: Sollen erst die Kunden in der Altergruppe 35 + das Mailing bekommen oder die Gruppe der Jugendlichen – oder soll man auf eine Kampagnen-Zielgruppe ganz verzichten? – Die Vertriebsleitung fragt nach Prioritäten für Großkunden. Soll im nächsten Monat eher BMW oder eher Audi mit Priorität besucht werden? – Ein Außendienstmitarbeiter betrachtet Adressen der möglichen Neukunden und fragt, in welcher Prioritätsreihenfolge er potenzielle Interessenten besuchen soll.

644 Vgl. Winkelmann, (Marktsegmentierung), 1999, S. 112–129.

6.6 Gestaltung der Verkaufspolitik 



 533

Der Innendienst fragt nach Prioritäten der zurzeit offenen Angebote und ausstehenden Rechnungen, bei denen nachgefasst werden muss.

Neben der Interessenten-Qualifizierung steht die Stammkundenbewertung. Diese hat Obacht zu geben, dass (Problem der ABC-Analyse) potentialstarke Neukunden wegen oft geringer Umsätze zu Beginn der Geschäftsbeziehung nicht übersehen werden. Es wäre von Vorteil, wenn sich als Nachweis einer Kundenwichtigkeit (Kundenpriorität) ein singulärer monetärer Kundenwert (in Euro) berechnen liesse. Branchen wie Banken, Versicherungen oder Leasinggesellschaften gehen oft so vor. Das Problem ist nur, dass es verschiedene Kundenwerte gibt: 645 (1) Ökonomischer Kundenwert: bewertet Kunden monetär, nach Umsatz und Deckungsbeitrag. Er fragt danach, welchen Beitrag ein Kunde zur Eigenkapitalstärkung erbringt. Man nennt diesen „klassischen Kundenwert“ auch Customer Equity (CE).646 (2) Potenzialwert: Der Potenzialwert löst sich vom aktuellen ökonomischen Wert. Er fragt danach, welchen Umsatz und welches Ergebnis mit dem Kunden in Zukunft im Rahmen deiner Kundenentwicklung erreicht werden kann. (3) Strategischer Kundenwert: fragt nach Kundenwichtigkeit für die eigene Marktstrategie. Auch ein Kleinkunde kann eine hohe strategische Bedeutung haben, wenn er dem Lieferanten z. B. Zugang zu einer neuen Technologie eröffnet. (4) Informationswert: bewertet Kunden nach ihren Beiträgen zur Stärkung des eigenen Wissens und der eigenen Kompetenz. (5) Referenzwert: bewertet Kunden danach, wie stark sie den eigenen Markterfolg durch Referenzen, Mund-zu-Mund-Werbung oder sogar kundenseitige Akquisitionsaktivitäten unterstützen (Kunden werben Kunden).

645 Vgl.  die Zusammenfassung bei Meyer, Dullinger, (Leistungsprogramme), 1998, S. 772–774 nach einer Einteilung der Wertbeiträge von Schleuning 1994. 646 Vgl. Winkelmann, (Kundenstamm), in: IT-Business, 3/2005, S. 2–3.

534 

 6 Vertriebspolitik

6.6.6 Verfahren der Kundenbewertung Ohne Kundenwerte sind Markenwerte wertlos. Wir können nur die Kunden zu Königen machen, die es verdienen.

Vereinfacht kann man „Value from the customer“ und „Value to the customer“ unterscheiden. Welchen Wert hat der Kunde für das Unternehmen, welchen Wert kann das Unternehmen dem Kunden bieten.

Die ABC-Struktur der Deutschen Bahn AG: 4% der Kunden vereinen 85% vom Umsatz, die nächsten 7% 10% vom Umsatz, und 89% aller Kunden tragen lediglich 5% zum Umsatz bei (Aussage vom früheren Bahnchef Mehdorn in einem TV-Interview 11/2000).

Verschiedene Verfahren bieten sich für Kundenbewertungen an:647 (1) ABC-Analyse nach Umsatz (Einsatzgrad in der Praxis: 98%), (2) ABC-Analyse nach Deckungsbeiträgen (Kunden-Deckungsbeiträge) (65%), (3) Kundenkapitalwertanalyse, (4) Kundenlebenszyklus-Analyse (Customer Lifetime Value) (5%), (5) Multifaktorenanalyse: Punktbewertungen (Scoring-Modelle), z. B. die „historische“ RFMR-Methode im Versandhandel (14%), (6) Kundenbewertung in strategischen und operativen Kundenportfolios (23%), (7) Kundenprioritäten gemäß Kundenstatus (Kunden-Loyalitätsleiter), (8) ganzheitliche, strategische Bildung von Kundenprioritäten. Abbildung  6.46 bietet eine Übersicht über die gängigen Verfahren zur Kundenqualifizierung. Die Zusammenstellung berücksichtigt auch die Problematik, dass der Begriff Kundenwert derzeit doppelt belegt ist: – als Customer Equity (CE) – Wert eines Kunden aus Lieferanten­ sicht, – als Customer Value (CV) – Wert eines Lieferanten aus Kunden­ sicht. Man kann von Value from the Customer und Value to the Customer sprechen. Ein Kunde kann also auch danach bewertet werden, welche Wertepotenziale der Anbieter bei ihm zukünftig generieren kann. Bei Wertschöpfungsparterschaften (bzw. Win-Win) halten sich CE und CV die Waage. Ein Kleinkunde muss nicht ewig Kleinkunde bleiben. Durch Value Production kann man ihn zum mittelgroßen Kunden oder Top-Kunden entwickeln. Eine Kundenbewertung darf nicht auf den Vergangenheitsblick beschränkt bleiben. Ausgewählte Verfahren werden in Folge vorgestellt. ABC-Analyse und Erweiterung zur ABC/XYZ-Analyse In der Praxis gilt der Umsatz und das Ergebnis als Hauptbewertungsmaßstab für die Bildung von Kundenprioritäten. Abbildung 6.47 und  6.48 zeigen den Aufbau einer konventionellen ABC-Analyse am einfachen Bei-

647 In Klammern die Anzahl der Unternehmen, die in einer Studie des Instituts für Marketing und Handel der Universität St. Gallen angaben, das Bewertungsverfahren regelmäßig einzusetzen: s. hiezu Hassmann, (Kunden), in: salesBusiness, 3/2005, S. 26.

6.6 Gestaltung der Verkaufspolitik 

 535

DIE ANALYSE VON KUNDENWERTIGKEITEN UND KUNDENPRIORITÄTEN IM VERTRIEB Frage von Management und Marketing: Was ist eine strategische Zielgruppe wert? Strategische Prioritäten?

Frage von Vertriebsleitung und Marketing: Was ist eine Kampagnen-Kundengruppe wert? Operative Priorität?

Frage für die Vertriebssteuerung: Was ist ein einzelner Kunde wert? Welche Priorität erhält der einzelne Kunde?

Ökonomischer Wert: Customer Equity

Informationswert

Strategischer Wert

Referenzwert

Customer Value

Adressenqualifizierung/ Lead-Vorqualifizierung von potenziellen Interessenten Frage: Welche Kontaktmöglichkeiten soll der Kundenbetreuer mit welchem Aufwand wahrnehmen?

Lead-Qualifizierung / Bewertung von Interessenten nach Erstkontakt Frage: Welche Interessenten sollKundenbetreuer als Leads mit welchem Aufwand weiterverfolgen? Wenn sich aus den Lead-Kontakten Angebote ergeben: Angebots-Qualifizierung / Bewertung von Anfragen und Angeboten Frage: Welche Angebote soll der Vertrieb mit welchen mit welchem Aufwand bzw. mit welcher Priorität und welchen Zugeständnissen weiterverfolgen?

Kundenqualifizierung i.e.S. / regelmäßige Bewertung im Laufe einer Geschäftsbeziehung

Frage: Welche Kunden soll der Vertrieb mit welchem Aufwand betreuen und binden?

Value from the Customer

ABC-Analyse nach Umsatz ABC-Analyse nach Ergebnis (Kundendeckungsbeitrag) kombinierte ABC-Analyse nach Umsatz und Ergebnis (Kundendeckungsbeitrag) multifaktorielle Kundenbewertung = Scoring-Modelle strategische Kundenportfolios (Visualisierung von Prioritäten mit strategischen Beurteilungsgrößen) operative Kundenportfolios (Visualisierung von Prioritäten mit Parametern aus der Vertriebssteuerung) Kundenkapitalwert (der idealtypische ökonomische Kundenwert - finanzwirtschaftlicher Kundenwert)

Value to the Customer

Customer LiftetimeValue (im Prinzip nichts anderes - Bewertung über den Lebenszyklus) Customer Value Potenzialwert (Bewertung des auf Kundenseite generierbaren Wertepotenzials)

Dynamische Kundenpriorität Frage: Wo steht der Kunde auf dem Weg vom Interessenten zum Stammkunden?

Zusammenfassende (integrierende) Kundenpriorität Frage: Welche Priorität erhält der Kunde in der Gesamtschau aller Teilbeurteilungen? © Prof. Dr. Peter Winkelmann

Abbildung 6.46: Etablierte Verfahren der Kundenbewertung.

536 

 6 Vertriebspolitik

FIRMENRANKING GEMÄSS ABC-ANALYSE Rang 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Kundenzahl Umsatz Umsatzin % in T anteile kumuliert EUR Wilke 10% 1,488 37% HGM 20% 943 24% Arcom 30% 523 13% H&T 40% 438 11% Bosch 50% 312 8% Decker 60% 166 4% SZ 70% 56 1% Fabermann 80% 43 1% Ligo 90% 18 0% Derting 100% 9 0% Umsatz gesamt 3,996 100% Firma

Umsatzanteile kumuliert 37% 61% 74% 85% 93% 97% 98% 99% 100% 100%

Abbildung 6.47: Firmenranking gemäß ABC-Analyse – tabellarische Übersicht.

bringen wieviel Prozent vom Umsatz

UMSATZKONZENTRATION NACH ABC-ANALYSE

100% 90% 80% 70% 60%

Linie der Gleichverteilung

50% 40% 30% 20% 10% 0% 0%

A-KundenBereich

10%

B-KundenBereich

20%

30%

40%

C-KundenBereich

50%

60%

70%

80%

90%

100%

wieviel Prozent aller Kunden

Abbildung 6.48: Firmenranking gemäß ABC-Analyse – grafische Auswertung.

spiel von zehn Unternehmen. Die grundsätzliche Fragestellung: Wieviel Prozent der Kunden erbringen wieviel Prozent vom Umsatz? Ausgangspunkt ist eine Rangordnung aller Kunden nach Umsatz bzw. Umsatzanteilen. In der Praxis erbringen oft ca.  20% der Kunden ca. 80% des Umsatzes.  Dieser Sachverhalt ist als 80/20-Regel oder ParetoRegel bekannt. Aufgrund zunehmender Unternehmenskonzentrationen

6.6 Gestaltung der Verkaufspolitik 

 537

tendiert diese Erfahrungsregel immer stärker in Richtung 90/10.648 Dass zunehmende Kundenkonzentration als Gefahr gesehen wird (zunehmende Abhängigkeit der Unternehmung von wenigen Kunden), spricht für die Relevanz des Verfahrens. Die ABC-Analyse gibt Aufschluss über (1) den Grad der Abhängigkeit von Großkunden, bzw. (2) über den Grad einer oft kostentreibenden Verzettelung im Klein­ kundengeschäft. Wie können Grenzen für Kundenklassen bestimmt werden? (1) Methode 80/20­Regel: A-Kunden sind Kunden, die nach Größe geordnet kumuliert für 80% vom Umsatz stehen. C-Kunden erbringen die letzten 10%. B-Kunden sind die im Mittelbereich stehenden Kunden. Alternativ werden in der Praxis auch oft die 20% größten Kunden als A-Kunden bezeichnet. (2) Methode 60/90­Regel: Der erste Ansatz bewährt sich nicht, wenn der Umsatz von 1 bis 3 Großkunden dominiert wird und zahlreiche mittelgroße und kleine Kunden mit Abstand folgen. Dann erreichen die Top-Kunden zusammen nicht 80%. Der Ansatz geht nach einer 60/90Regel vor: bis 60% Umsatzkumulation A-Kunden, 60–90% B-Kunden und 90–100% C-Kunden. Bei dieser Vorgehensweise wird der mittlere Umsatzbereich gestreckt. (3) Top­X-Methode: Es werden automatisch z. B. die Top-10-Kunden als Top-Kunden bestimmt – bzw. die umsatzschwächsten 200 als Kleinkunden. (4) Umsatzanteil­Methode: Alle Kunden mit mindestens y %-Umsatzanteil werden als A-Kunden eingestuft. Alternativ: Nicht Prozent sondern Mio. Euro Umsatz. (5) Plausibilitätsmethode: Natürlich entscheiden nicht willkürliche Zahlengrenzen über Kundenprioritäten. Diese bieten lediglich eine Orientierungsgröße. Führungskräfte werden Umsatzrangfolgen in Augenschein nehmen und nach Erfahrung und Plausibilität Kundengruppen bestimmen. In Abbildung  6.47 könnte man z. B. die Unternehmen 1 + 2 als Top-Kunden bezeichnen, 3 + 4 als größere mittelgroße, 5 + 6 als kleinere mittelgroße Kunden und letztlich 7 – 10 als Kleinkunden. Unternehmen sind auch keineswegs an klassische ABC-Einstufungen gebunden. Aufgrund von Plausibilitätsüberlegungen werden sie sich ihre eigenen, sinnvollen Kategorien schaffen.

648 Vgl. o. V., (Kunden klassifizieren), in: acquisa, 7/1997, S. 55.

538 

Bei der Ergebnis-ABC-Analyse stellt sich oft heraus, dass 30 bis 40 Prozent der Kunden unrentabel sind. 2/3 der Kunden würden 130 bis 140 Prozent des aktuellen Gewinns bringen (Hinweis von Gerndt in ASW, Sonderausgabe 2008, S. 108).

 6 Vertriebspolitik

Eine Umsatzrangfolge der Kunden ist Herzstück einer Vertriebsanalyse. Ein Gefühl für die eigene Abhängigkeitssituation (Welche Kunden sichern unser Geschäft, unsere Auslastung?) zu entwickeln, hat für ein Unternehmen existenzielle Bedeutung. Dennoch drohen Gefahren, wenn allein der Umsatz zur Bestimmung der Kundenprioritäten herangezogen wird:649 – Neben dem Umsatz gibt es andere, betriebswirtschaftlich sogar wichtigere Beurteilungsgrößen, z. B. Kundendeckungsbeiträge. Was besagt ein hoher Umsatz, wenn ein Großkunde die Unternehmung ergebnisseitig in die roten Zahlen führt? – Die Umsatzbetrachtung vernachlässigt die Einkaufspotenziale der Kunden. – Die klassische ABC-Analyse bezieht nur Vergangenheitswerte in das Kalkül ein. Was bedeutet ein hoher Umsatz, wenn ein Großkunde morgen Konkurs anmeldet und heute schon Vorinformationen über seine monetäre Lage vorliegen? – Jeder Großkunde ist in seiner Geschäftsbeziehung i. d. R. als Kleinkunde (C-Kunde) gestartet. Die ABC-Analyse übersieht den Kundenstatus, d. h. den Weg eines Kunden vom Erstkäufer zum Stammkunden mit stabiler Ordertätigkeit. – In diesem Sinne übersieht die ABC-Analyse strategische Elemente. – Ein weiterer Nachteil: In der ABC-Grafik geht der einzelne Kunde unter, so dass keine Akquisitionsmaßnahmen auf ihn ausgerichtet werden können (wohl aber beim Blick auf die Ranking-Liste der Kunden). Bezüglich der fehlenden Gewinnberücksichtigung, kann durch eine gleich aufgebaute Kundendeckungsbeitrags-ABC-Analyse Abhilfe geschaffen werden. Umsatz- und Ergebniskonzentration lassen sich zusammen betrachten, indem die den Umsatzkonzentrationen entsprechenden Ergebniskonzentrationen mit in die Grafik eingezeichnet werden. Über Ranking und Konzentrationskurven hinaus kann auch ein Portfolio erstellt werden, in dem die Kunden individuell mit ihren Anteilen am Gesamtumsatz und am Gesamtdeckungsbeitrag positioniert sind. Es zeigen sich Kunden mit über- oder unterdurchschnittlichen Umsatzanteilen in Beziehung zu über- oder unterdurchschnittlichen Kundenumsatzrenditen.650

649 Vgl. Winkelmann, (Kundenportfolios), in: acquisa, 7/1997, unter Bezug auf die Ausführungen auf S. 55, abgedruckt unter o. V., (Kunden klassifizieren). 650 Zu dem Einbezug der Ergebnisanalyse vgl. die Beispiele bei Winkelmann, (Außendienst-Management), 1999, S.  97; sowie Winkelmann, (Vertriebskonzeption), 2012, S. 346–350.

6.6 Gestaltung der Verkaufspolitik 

 539

Wenn, wie in Abbildung 6.49, die Kunden-Umsatzerlöse den KundenUmsatzrenditen gegenübergestellt werden, dann steigt die Aussagekraft enorm. Jetzt werden nicht nur die ergebnismäßig größten Kunden sichtbar, sondern auch die oft verschmähten Kleinkunden mit überproportionalen Erträgen. So kann die Vertriebsarbeit die Anliegen des Vertriebscontrolling einbeziehen. Wenn auf diese Weise Umsatzrankings ein weiteres Kriterium gegenübergestellt wird, spricht man von der ABC/XYZ-Analyse. X-Kunde + UmsatzRendite z. B. >7% Y-Kunde UmsatzRendite z.B. >2% Z-Kunde Geringe Umsatzrendite

+

A-Kunden Großer Umsatz, z.B. Umsatz > 250T€

Im Geschäft mit Einbauküchen sind rd. 1/3 aller ausgelieferten und installierten Einbauküchen mängelbehaftet. So kann eine hochwertig und gut kalkulierte individuelle Einbauküche letztlich doch ein Verlustbringer werden.

C-Kunden B-Kunden KleinMittlerer Umsatz, z.B. Umsatz > 50T€ kunden

Abbildung 6.49: ABC/XYZ-Analyse.

Aus der Abbildung 6.49 geht ein weiteres Problem hervor. Die Positionierung der Unternehmen im Portfolio und damit die abzuleitenden Kundenprioritäten ändern sich gravierend, wenn keine prozentualen, sondern nominalen Kundenergebnisse (Kunden-DB in EUR) ausgewiesen werden. 1% Rendite von 1 Mio. Euro Umsatz sind mehr als 40% von 20.000 Euro. Deshalb sollten bei Kundenbewertungen beide Möglichkeiten zum Tragen kommen. Nominalwerte einerseits und Prozentwerte andererseits. Kundenlebenszyklus-Analyse, Analyse des Customer Lifetime Value Die Kundenlebenszyklus-Analyse greift die Kritik der statischen Wertrechnung auf. Nicht die Umsatzerlöse zu einem Beurteilungszeitpunkt sind für die Wichtigkeit eines Kunden ausschlaggebend, sondern die (abdiskontierten) Gesamtumsätze oder Gesamtdeckungsbeiträge, die ein Kunde im Laufe seines Lebenszyklus der Geschäftsbeziehung dem Anbieter bringt. Das Verfahren der klassischen Investitionsrechnung (hier: Discounted Cash-Flow) wird die durch einen Kunden induzierten Ein- und

Die Fast-Food-Kette Pizza Hut hat berechnet, dass ein Stammkunde im Laufe seines Lebens für rund 7.500 Dollar in den Restaurants der Kette konsumiert (vgl. den Hinweis in Homburg; Werner, (Kundenorientierung), 1998, S. 140).

540 

 6 Vertriebspolitik

Auszahlungen angewendet.651 Abbildung 6.50 erläutert die Auswirkungen von Kundenlebenszyklen in verschiedenen Konsumbranchen.652 KUNDEN-UMSATZWERTE IN VERSCHIEDENEN BRANCHEN PKW

SB-Warenhaus

Gesamtumsatz über den Kunden210.000 290.000 Lebenszyklus durchschnittliche Dauer einer 20 12 Geschäftsbeziehung durchschnittlich realisierbarer 67.000 63.000 Umsatz für einen Anbieter Quelle: Prof. Dr. A. Meyer; zit. in acquisa, Nr. 3/1999, S. 17

Supermarkt

Stromversorger

Tageszeitung

Bier

148.000

66.700

72.800

20.000

12

58

17

4

32.000

63.400

22.100

2.000

Abbildung 6.50: Kunden-Umsatzwerte in verschiedenen Branchen.

Die Schätzung beruht auf der Anzahl der Jahre der Markentreue. Eine Kunde kann nun über einen Kaufzyklus wie ein Investitionsobjekt gesehen werden; mit prognostizierten Einnahmen und Ausgaben (Kundenkapitalwert-Rechnung). Weitergehend wird die Kundenlebenszyklus-Analyse hier nicht behandelt.653 Wenn auch die Vorteilsbeiträge der Kunden jetzt dynamisch in die Zukunft projeziert werden, es bleibt der Nachteil der monofaktoriellen Betrachtung von Umsatz oder Ergebnis. Multifaktoren-Analyse mittels Scoring-Methode Neben dem Umsatz können weitere Größen zur Ableitung von Kundenbetreuungsprioritäten herangezogen werden. Im Versandhandel gängig ist die RFMR-Methode.654 Der Kunde erhält Punktwerte; je nach dem zeitlichen Abstand zum letzten Kauf (Recency), der Kaufhäufigkeit (Frequency) und dem zu erwartenden Umsatz (Monetary­Ra­ tio). Aus der Summe der Punkte ergibt sich ein Kundenwert. Diese Form eines Scoring-Modells ist in B2C-Marktsegmenten sinnvoll anwendbar, in denen Kaufzyklen beeinflußbar und stark von persönlichen Präferenzen der Kunden geprägt sind. Neben Einkaufsvolumen sind noch weitere Faktoren (Kennziffern) zur ökonomischen Beurteilung

651 Vgl.  die ausführliche Darstellung bei Homburg; Werner, (Kundenorientierung), 1998, S. 140–144; vgl. ferner Winkelmann, (Vertriebskonzeption), 2012, S. 378. 652 Vgl. das Beispiel von Meyer, abgedruckt in acquisa, 3/1999, S. 17. Vgl. auch den der klassischen Cash-Flow-Rechnung (Investitionsrechnung) nachempfundenen Ansatz bei Ackerschott, (Vertriebssteuerung), 2001, S. 55–57. 653 Vgl.  die Kunden-Investitionsrechnung in Winkelmann, (Vertriebskonzeption), 2012, S. 377–379. 654 vgl. Link, Hildebrand, (Database-Marketing), 1993, S. 48–49.

6.6 Gestaltung der Verkaufspolitik 

 541

von Konsumenten und im Besonderen zur Bewertung von Käufersegmenten gängig: – Einkommen, – Kaufkraftkennziffern, – Besitzkennziffern (z. B. Eigenheim), – Stornobereitschaft (insbes. im Versicherungsgeschäft). Umfassendere Kundenbewertungen in den B2B-Märkten trennen nach kaufmännischen und technischen Beurteilungsgrößen. Abbildung  6.51 bewertet drei Kunden nach geschäftswichtigen Erfolgsfaktoren. Von besonderer Bedeutung sind in kaufmännischer Hinsicht: – die im Rahmen der ABC-Analyse berechneten Umsatzanteile der Kunden, gegenwärtig und zukünftig (Umsatzklasse, Ist- und Ziel), – derzeitige Einkaufsbudgets und Potenziale der Kunden im relevanten Markt, – die eigenen Lieferanteile (Shares of Wallet) bei den Kunden (Potenzialausschöpfungen heute und geschätzt zukünftig), – die Kundendeckungsbeiträge, in denen die in dem relevanten Markt bestehenden Preisspielräume implizit enthalten sind (Deckungsbeitrags-Klassen),655 – sowie eine Reihe „weicher Faktoren“, wie z. B. Betreuungsaufwand für den Kunden oder dessen erlebtes Kooperationsverhalten. – Analog hierzu können Kundenbewertungen nach technischen Kriterien vorgenommen werden, z. B. nach Technologiebedeutung (für das eigene Geschäft), Zukunftspotenzial der Technologie, Zulieferrisiken (sofern das Geschäft mit dem Kunden von bestimmten Kaufteilen oder Rohstoffen abhängt), Fertigungssicherheit (in Bezug auf die für den Kunden gefertigten Produkte; besonders kritisch bei kundenbezogenen Problemlösungen) und nach bestehenden und zukünftigen Markteintrittsbarrieren bzw. nach der Sicherheit der eigenen Lieferantenposition (in nicht-kaufmännischer Hinsicht). Eine Schwierigkeit liegt darin, für verschiedene Beurteilungskriterien sinnvolle Abstufungen (Graduierungen) zu finden, denen Skalen-Punktwerte zugeordnet werden können (= die Skalenkonstruktion). Beim gewichteten Rangreihenverfahren sind die Beurteilungskriterien zusätzlich in Relation zueinander mit Gewichten zu versehen. Sind die Beur-

655 Beratungsunternehmen bewerten oft preisliche Situation und Kalkulationssituation parallel. Wegen der Interkorrelation beider Faktoren messen sie dann den Ergebnisfaktor eigentlich doppelt.





755

450

2 7

20 15 100

eigene Fertigungssicherheit (effizienter Herstellungsprozess)

Technische, rechtliche Absicherung der Liefersituation (Patent, USP)

(max. erreichbar sind je 1000 Punkte sind je 1000 Punkte. 1000 Punkte entsprechen 100%)

Ist-Umsatzerlöse 2022 in 1000 Euro

7

10

105

140

30

300

180

587

18

15

9

9

20

30

2

Referenzwert des Kunden zur Stärkung des eigenen Images

2

24

60

Sicherheit der Rohstoff- / Teileversorgung (zukünftig)

10

gezeigte Treue des Kunden ( Kundenbindung / Kundenloyalität)

3

4

Zukunft der Technologie (Stand im Technologie-Lebenszyklus)

8

Effizienz der Kundenbetreuung = wenig Betreuungsaufwand

160 175

20

15

finanzielle Situation des Kunden / Prognose

7

8

Bedeutung der Technologie für das eigene Geschäft

25

Rohgewinnspanne des Kunden (heute, zukünftig)

60

70

100

20

erreichbarer eigener Lieferanteil am Potenzial des Kunden

6

Scores

Kunde-A Bewertung 7

TECHNISCHE PARAMETER (Gewichtung = 100)

10

Einkaufsbudget des Kunden für das Produkt (Verkaufspotenzial)

Kundenumsatz (heute und zukünftig)

KAUFMÄNNISCHE PARAMETER (Gewichtung = 100)

Gewichtungen 10

3

5

4

2

3

4

2

2

2

3

5

5

Abbildung 6.51: Beispiel einer Kundenbewertung nach der Scoring-Methode.

890

325

45

100

60

60

60

399

8

20

16

30

75

100

50

100

Scores

Kunde-B Bewertung 10

BEISPIEL FÜR EINE KUNDENQUALIFIZIERUNG NACH DER SCORING-METHODE

9

180

230

890

105

9 7

135

270

200

775

20

100

80

135

9

9

10

10

10

10

250

100

5 10

30 60

6

Scores

Kunde-C Bewertung 3

542   6 Vertriebspolitik

6.6 Gestaltung der Verkaufspolitik 

 543

teilungsskalen auf diese Weise konstruiert, kann jeder Kunde nach den Bewertungskriterien bewertet werden.656 Nach dem gewichteten oder ungewichteten Rangreihenverfahren werden die Kunden abschließend in eine Rangfolge der Attraktivitäten (Attraktivitäts-Kundenwerte) gebracht. In Abbildung  6.51 liegt Kunde-C sowohl bei kaufmännischen wie auch bei technischen Ratings vorne – trotz der vergleichsweise geringeren Umsatzerlöse. Beide Rangfolgen können auch zu einem Kundenwert (Gesamt-Score) vereinigt werden.657 In der Praxis findet das Verfahren nur in Einzelfällen Anwendung. Es gilt als umständlich; wegen der bekannten großen und der vielen, z. T. weniger bekannten kleinen Kunden, bei denen die Kundenprioritäten auf der Hand liegen. Interessanter erscheint es deshalb, sich auf wenige, besonders kritische Beurteilungsfaktoren zu konzentrieren und diese so auszuwerten, dass sich unmittelbar Empfehlungen für eine prioritätengerechte Kundenbetreuung ergeben. Dies leisten Kundenportfolios. Strategische und operative Kundenportfolios Unter Rückgriff auf die Methoden der strategischen Geschäftsfeldplanung (s. zweites Kapitel) helfen Kundenportfolios, – die Grenze eindimensionaler Kundenbewertungen zu überwinden, – Marktverhältnisse anschaulich darzustellen, – Kundenprioritäten sachlich begründet abzuleiten. Strategische Kundenportfolios werden analog den Beurteilungsdimensionen der bekannten 4-Felder- oder 9-Felder-Geschäftsfeldportfolios konstruiert. Abbildung 6.52 zeigt einen Aufbau nach der 4-Felder BCG-Matrix. Die Achsenbezeichnungen entsprechen sinngemäß denen der 4-Felder-Matrix. Gegenübergestellt werden die eigenen Lieferanteile bei den Kunden (anstatt Marktanteil) und das Umsatzwachstum der Kunden (anstatt Marktwachstum). So ergeben sich wieder die vier charakteristischen Klassifizierungsfelder; hier als Felder für Star-Kunden, Fragezeichen-Kunden, Melk-Kunden und Abbaukunden bezeichnet.

656 Dabei sind die Bewertungsrichtungen genau zu prüfen: Je höher/mehr ..., desto mehr Punkte; bzw. je niedriger/weniger ..., desto mehr Punkte. 657 Vgl. auch die Beispiele zur Bildung von Kunden-Klassifikationsschlüsseln bei: Verlag Norbert Müller, 1990, S. 27–31. Diese konventionellen Beispiele trennen allerdings nicht nach kaufmännischen und technischen Qualifizierungsparametern.

hoch

 6 Vertriebspolitik

Fragezeichen-Knden Investieren oder zurückziehen?

Star-Kunden Investieren!

niedrig

Kunden-Umsatzwachstum

544 

Abbau-Kunden Desinvestieren!

Melk-Kunden Abschöpfen!

niedrig

hoch

Relativer Lieferanteil Abbildung 6.52: Grundstruktur für das Kundenwachstum-Lieferanteil-Portfolio.658

9-Felder-Portfolios ermöglichen feinere Abstufungen für Kundenprioritäten und Betreuungsstrategien. Die Achsenstruktur des Portfolios der Abbildung 6.53 entsprechen denen der McKinsey-Matrix für die Portfolioplanung (siehe Kapitel zwei). Jedoch: Aus relativer Wettbewerbsstärke wird die eigene Wettbewerbsposition beim Kunden (im Gegensatz zur 4-Felder-Matrix durch mehrere Bewertungsfaktoren operationalisiert) und an die Stelle der Marktattraktivität tritt, wie oben schon erwähnt, die Kundenattraktivität. 659 Strategische Portfolios können wegen des Zeitaufwands für Datenbeschaffung nur selten im Jahr erstellt werden; üblicherweise im Rahmen der Marketing- und Vertriebsplanung. Sie dienen längerfristigen Beurteilungen von Kundenstrukturen. Operative Kundenportfolios beruhen auf aktuellen Daten des Transaktionssystems und der Verkaufsabteilung. Sie dienen weniger einer längerfristigen strategischen Beurteilung von Kundenstrukturen als vielmehr der Prioritätensetzung für kurzfristigen Verkäufereinsatz. Mit ihrer Hilfe werden aktuelle Betreuungsmaßnahmen durch den Außendienst oder Direktmarketing-Kampagnen für Kundenzielgruppen oder gar einzelne Kunden bestimmt. Plakative Bezeichnungen für die einzelnen Matrixfelder sind deshalb nur von untergeordneter Bedeutung. Sogar in der Kundenakquise können Kundenportfolios eingesetzt werden. Die Darstellung eines Lead-Portfolios analog Abbildung 6.54 kann neben der Klassifizierung auch Hinweise für die weiteren Bearbei-

658 Freter, (Kundenportfolio-Analyse), 1992, S. 7. 659 Vgl. Freter, (Kunden-Portfolio-Analyse), 1992, Böing, Barzen, (Kunden-Portfolios), in: ASW, 2/1992, S. 88; 3/1992, S. 102–107.

hoch

Entwicklungskunden

Starkunden

Starkunden

mittel

Kundenattraktivität

 545

Mitnahmekunden

Abschöpfungskunden

Perspektivkunden

niedrig

6.6 Gestaltung der Verkaufspolitik 

Verzichtskunden

Mitnahmekunden

Abschöpfungskunden

niedrig

mittel

hoch

Wettbewerbsposition

Ausbau-Leads / Push & Pull Marketing

Fokus-Leads / Push Marketing

Unrelevante Leads

Auslastungs-Leads / Pull Marketing

0%

Erwartete Kundenattraktivität

100%

Abbildung 6.53: 9-Felder Kundenportfolio.

0%

Akquisitionswahrscheinlichkeit

100%

Abbildung 6.54: Lead-Portfolio.

tungsschritte im Lead Management im TOFU geben. Herausforderung ist hier, dass noch keine Geschäftszahlen für die Einordnung der Leads vorliegen. Die Mitarbeiter im Vertrieb sind angehalten, begründete Einschätzungen abzugeben, um quantifizierbare Daten zu erhalten. Die geforderte Einschätzung zwingt Mitarbeitenden im Vertrieb zukünftige Verkaufszahlen zu schätzen. Zahlen- und nicht ausschließlich einschätzungsgestützten Portfolios können im Verkaufsalltag bei Bedarf aus CRM/CAS- oder Business Intelligence-Systemen (BI) abgerufen werden. Als Bewertungsgrundlage

546 

 6 Vertriebspolitik

sind damit vornehmlich Daten aus dem Transaktionssystem geeignet, d. h. Daten, die durch die IT gepflegt werden. Hinzukommen validierbare Informationen aus Kundenkontakten (z. B. Informationen über Einkaufsbudgets der Kunden), die bspw. im Lead-Portfolio aufgehen. Diesbezüglich haben sich als kaufmännische Bewertungsgrößen Kunden-Umsatzanteile gemäß ABC-Analyse, Einkaufspotenziale (Kundenpotenziale) im relevanten Markt, die eigenen Potenzialausschöpfungen (eigene Lieferanteile bei den Kunden), Kunden-Deckungsbeiträge sowie gut fassbare technische und kaufmännische Kunden-Attraktivitäten bewährt. Kombinationen dieser Parameter führen zu den speziellen Kundenportfolios:660 – Macht-Portfolio: eigene Umsatzanteile der Kunden (%) versus eigene Lieferanteile bei den Kunden (Shares of wallet), Ziel: „mehr Priorität für umsatzmäßig wichtige Kunden“, – Chancenpotenzial-Portfolio: eigene Lieferanteile bei den Kunden (%) versus Einkaufspotenziale der Kunden, Ziel: „mehr Priorität für potenzialmäßig wichtige Kunden“, – Kundenrendite-Portfolio: eigene Umsatzanteile der Kunden (%) versus Kunden-Umsatzrenditen (Deckungsbeiträge der Kunden in % vom Kundenumsatz), Ziel: „mehr Priorität für ergebnismäßig wichtige Kunden“. Abbildung 6.55 zeigt als Beispiel ein Macht-Portfolio. Was ist anders als bei der konventionellen ABC-Analyse? Jetzt werden die Kunden nach mehr als nur einer Größe (Umsatzanteil) bewertet. Und sie werden in Relationen zueinander in einer Marktlandkarte positioniert. Kundensegmente mit ähnlichen Strukturen und damit Prioritäten werden sichtbar. Kundenbewertung nach Kundenstatus Ein Kunde legt oft einen langen Weg vom potenziellen Interessenten (der das Produkt noch nicht kennt) bis zum regelmäßig kaufenden Stammkunden zurück. Nach gängiger Meinung nehmen Kundentreue (Loyalität) und Kundenbindung von Stufe zu Stufe zu. Kreutzer spricht von der Kunden-Loyalitätsleiter.661 Vergangenheitsorientierte Werte der Portfolios können auf diese Weise durch einen dynamischen Kundenstatus ergänzt

660 Vgl. Winkelmann, (Kundenportfolios), in: acquisa, 7/1997, S. 58–62; sowie Winkelmann, (Marktsegmentierung), 1999, S. 120–123; Winkelmann, (Vertriebskonzeption), 2012, S. 361–373. 661 Vgl. Kreutzer, (Dialog), in: ASW, 4/1990, S. 106.

hoch niedrig

Eigener Lieferantenanteil bei den Kunden in %

6.6 Gestaltung der Verkaufspolitik 

Feld 1: abhängige Kunden

Feld 2: abhängige Partner

Feld 4: Füller oder schlummernde Potenziale?

Feld 3: eigene Abhängigkeiten

niedrig

hoch

 547

Umsatzanteil der Kunden in % Abbildung 6.55: Macht-Portfolio.

werden. Abbildung 6.56 beschreibt den Entwicklungspfad eines Kunden vom Interessenten zum Stammkunden. Je nach Branche und Produkt sind unterschiedliche Stufen der Kundenleiter sinnvoll. AZ Direct unterscheidet z. B. mit Anonymus, Interessent, Kunde, Stammkunde und Helfer fünf Entwicklungsschritte für die Kundengewinnung. Mauch differenziert in seinem SalesCycle sogar 23 Loyalitätsstufen.662 Ziel der Verkaufspolitik muss es sein, Kunden durch statusgerechte Betreuungsmaßnahmen zu Stammkunden zu entwickeln – sofern nicht Fakten aus der Kundenqualifizierung (z. B. fehlende Bonität oder zu geringes Einkaufspotenzial) dagegensprechen. Abbildung 6.56 enthält Maßnahmen, die die Weiterentwicklung eines Kunden jeweils zur nächsten Stufe des Kundenstatus unterstützen. Es gilt mit dem Ziel einer Effizienzoptimierung im Vertrieb eine Leitlinie zu beachten: Es reicht, dem Kunden die Betreuungsmaßnahmen zukommen zu lassen, die ihn auf die nächste Stufe der Kundenleiter führen! Strategische Kundenprioritäten Die strategische Prioritätensetzung geht von folgenden Erkenntnissen aus: – Es gibt keinen allgemeingültigen und optimalen Bewertungsmaßstab zur Bildung von Betreuungsprioritäten. Wichtig ist, dass sich die Unternehmung zum Zwecke einer marktorientierten Unternehmensführung eine sinnvolle und einfache Klassifikation schafft, nach der Marketing und Vertrieb wichtige von unwichtigen Kunden trennen können.

662 Vgl. Mauch, (Sales Cycle), 1990, S. 16.

548 

 6 Vertriebspolitik

KUNDEN-STATUS UND VERKAUFSMASSNAHMEN

Stammkunde regelmäßig

Jahresverträge regelm. Besuche Entwicklungs-Meeting

Stammkunde unregelmäßig Wiederholungskäufer

Bestellvorschau Rahmenangebote Serviceverträge Chefbesuch Betriebsbesichtigung Rabattangebote Potentialklärung

Erstkäufer

Lieferungs- / Zahlungsbed. Warenverfügbarkeit Kundenbesuch

Testkäufer

Technikerbesuch Testunterstützung

Angebotskunde

Kundenbesuch Referenzliste Präsentation / Promotion Preis und Lieferzeit

Interessent

Kundenbesuch Angebot

potentieller Interessent

Katalog zuschicken Mailing-Brief Image-Broschüre

Abbildung 6.56: Kundenstatus und Verkaufsmaßnahmen.



Es können und sollten quantitative und qualitative Bewertungskriterien herangezogen werden. Die Vertriebsmannschaft sollte Mut zu subjektiven Werturteilen aufbringen. Weiche Daten, wie Kooperationsverhalten, Kundenzufriedenheit, Lieferantentreue etc. lassen sich auf der Grundlage jahrelanger Außendiensterfahrungen durchaus valide bewerten. Lieber subjektiv bewerten als nicht bewerten; selbst wenn der nächste Besuch, z. B. als Konsequenz einer Reklamation, eine Beurteilung stark verändern kann.

6.6 Gestaltung der Verkaufspolitik 

 549

Unter Würdigung der Beurteilungen der Kundenqualifizierung sind abschließend vom Vertrieb zusammenfassende Prioritäten zumindest für die großen und mittelgroßen Kunden zu vergeben. Dies kann in Workshops im Rahmen der Jahresplanung, geschehen. Externe (Branchenfachleute, Beiräte, Berater, Marketingprofessoren) und interne (Außen- und Innendienst, Key Account Manager, Produktmanager etc.) Experten sollten für die Prozedur zusammenkommen. Vorgeschlagen wird ein Schema mit acht strategischen Kundenprioritäten (Prioritätstypen): (1) A­Kunde: Top-Kunde: ist von hoher kaufmännischer oder technischer Bedeutung für das Geschäft; strategische Stoßrichtung: Geschäft sichern. Es sollten zusätzlich Top-Kunden mit noch freiem und erreichbaren (A1) und mit ausgeschöpftem Potenzial (A2) unterschieden werden. (2) B­Kunde: Mittelgroßer Kunde mit Entwicklungspotenzial (B1-Kunde) oder mit stagnierendem Einkaufsbudget (B2-Kunde): Diese Kundengruppe liegt in der Priorität unterhalb der Top-Kunden; das Potenzial wird jedoch oftmals unterschätzt; strategische Stoßrichtung: Potenzial klären; falls möglich (bei B1-Kunden) Lieferanteil ausbauen. Entwicklungskunden eine besonders hohe Priorität zuweisen (Customer Development Management). (3) C­Kunde: Kleinkunde: ist prioritätsmäßig nach den Entwicklungskunden zu positionieren. Die Geschäftsbeziehung wird nicht in Frage gestellt. Strategische Stoßrichtung: hohe Effizienz bei der Auftragsabwicklung, Absicherung eines profitablen Preisniveaus. Dieser Gruppe können auch die Nullkunden (Kunden ohne aktuellen Umsatz) zugeordnet werden. (4) D­Kunde: Verzichtskunde: von ihm möchte man sich aus kaufmännischen, ethisch-rechtlichen (z. B. Kunde mit unethischem Verhalten) oder technischen Gründen trennen; strategische Stoßrichtung: prohibitive (abschreckende) Preiserhöhungen oder an Handelspartner übertragen. (5) Neukunde: neue Kunden sollten, solange bis die erreichbaren Potenziale geklärt sind (max. 1 – 2 Jahre), als gesonderte Kundengruppe geführt werden; strategische Stoßrichtung: mit Priorität aufbauen, Potenziale klären; absehbare Kleinkunden gleich der C-Kundengruppe zuweisen. (6) Zielkunde (Lead): Zu dieser Gruppe gehören Interessenten und Wettbewerbskunden mit Wechselinteresse, die akquiriert werden sollen; strategische Stoßrichtung: unter Beobachtung halten, auf günstigen Zeitpunkt für Akquisitionsbemühungen warten, weil sonst ein Einstieg, wenn überhaupt, nur über den Preis erfolgen kann.

550 

 6 Vertriebspolitik

(7) Rest­Marktpotenzial: Zu dieser Gruppe gehören bekannte Firmen oder Kontaktpersonen, die aktuell nicht gewonnen werden sollen (z. B. wegen akuter Zahlungsprobleme) oder können: unter Beobachtung halten. (8) Händler und Wiederverkäufer: sollten ratsamerweise als eigenständige Kontaktgruppe geführt werden. Wichtig: In ihrer Funktion als Partner des eigenen Vertriebs sollten sie nicht nach Beurteilungsmaßstäben für normale Kunden qualifiziert werden. Für sie ist eine gesonderte Leistungsbewertung (Partner-Evaluierung) zu empfehlen.

Kundenwerte schaffen Unternehmenswerte (Shareholder Value).

Kundenwert nach Customer Value-Theorie Nach klassischen Ansätzen zur Kundenbewertung ergibt sich der Kundenwert aus monetären und auch nichtmonetären Vorteilen, die der Kunde dem Anbieter bietet. Diese Sichtweise des Value from the Customer ist um den Blickwinkel des Value to the Customer zu ergänzen. Ein Anbieter muss erst in einen Kunden investieren, ehe er – Kundenbindung vorausgesetzt – von Rückflüssen seitens des Kunden durch Folge-, Zusatz- oder werthaltigere Geschäfte profitiert. Nach der neuen Kundenwertsicht gehören Customer Equity (CE) und Customer Value (CV) zusammen und formen das Customer Value and Equity Manage­ ment (CVE). Customer Equity ist der konventionelle Kundenwert. Dieser fragt: Welchen Wert hat der Kunde für uns? Im Rahmen einer Kundenqualifizierung (Kundenwert-Analyse) bewertet ein Anbieter seine Kunden nach geschäftsrelevanten Parametern (Value from the Customer- Prinzip). Das Customer Value Prinzip vertritt den Kundenwert nach der Value to the Customer-Sicht: Welchen Wert haben wir bzw. hat unser Angebot für den Kunden? Dieser entspricht dem monetär bewerteten Kundennutzen. Der Wert eines Kunden bemisst sich nach Nutzenbeiträgen, die der Kunde dem Angebot des Anbieters zurechnet. Value Marketing möchte Kunden mit Aktionen und Angeboten gezielt Nutzenvorteile bieten. Für Verkaufsverhandlungen bedeutet das, Kunden keine Produkteigenschaften, sondern Wertsteigerungen zu vermitteln. Dazu muss man Nutzenerwartungen seiner Kunden kennen. Das Customer Value and Equity Management zielt auf eine Balance der Wertegenerierung beim Kunden (Kundeninvestitionen) mit den Rückflüssen aus der Kundenbeziehung. Es entstehen Win-Win-Partnerschaften. Bei überragendem Wertetransfer folgt bei ensprechender Kundenbindung aus dem Value to the Customer wiederum eine Erhöhung des Value from the Customer. Starke Anbieter entwickeln werthaltige Kunden.

6.6 Gestaltung der Verkaufspolitik 

 551

Der Kundenstamm wird zu einer veränderbaren Größe. Abbildung 6.57 belegt noch einmal den Zusammenhang.

DIE ZWEI SICHTWEISEN DER KUNDENBEWERTUNG VALUE FROM THE CUSTOMER = CUSTOMER EQUITY Umsatzerlöse Deckungsbeiträge Referenzen Ansehen, Image Marktmacht strategische Vorteile

Ein Anbieter hat die Kunden, die er verdient.

Kunde

Anbieter VALUE TO THE CUSTOMER = CUSTOMER VALUE Problemlösung One -to-one -Solution Mehrwerte (Added-Values) Win -Win -Partnerschaft gemeinsame Wertsteigerung

Erstklassige Anbieter entwickeln erstklassige Kunden

© Prof. Dr. Peter Winkelmann

Abbildung 6.57: Zwei Sichtweisen der Kundenbewertung.

Das Konzept führt zwangsläufig zum Value Marketing, bei dem Verkauf von Produkteigenschaften durch Transfer von Nutzeninhalten abgelöst wird. Value Marketing ist konsequent bestrebt, die eigene Bedeutung (des Lieferanten) beim Kunden auszubauen. Unternehmen wie Daimler, Bosch Rexroth, Flender Service, die Deutsche Leasing AG oder die Arvato Gruppe bekennen sich zu diesem Ansatz: Als praktikables Schema für die Einteilung der (Mehr)Werte für die Kunden bietet sich an: Allgemeine Mehrwerte und Arbeitserleichterungen, Verbesserungen von Kundenprodukten, Verbesserungen von Kundenprozessen und Vorteile für Kundeskunden. Aus Kostengründen und marketingstrategisch muss festgelegt werden, welche Mehrwertleistungen welchen Kundengruppen geboten werden. Als Ergebnis der aufgezeigten, mehrstufigen Kundenqualifizierung liegt eine Rangfolge der Kunden nach Wichtigkeiten vor. Diese ist Ausgangspunkt für die Akquisitionsstrategie aus Sicht des Marketing und die vertriebliche Kontaktplanung. Kundenwertsteigernde Verkaufsstrategien Marketing und Vertrieb können Kundenwerte entwickeln. Über die Zeiträume der Geschäftsbeziehungen hinweg können Potenziale erkannt und

Die alte Sicht: „Mein Gewinn ist dein Verlust.“ Die neue Win-Win-Sicht nach Customer-Value: „Dein Vorteil ist Voraussetzung für meinen Vorteil.“ (Stefan Brohs, ehem. Continental AG)

552 

 6 Vertriebspolitik

durch abgestimmte Maßnahmen von persönlichem Verkauf und Direktmarketing ausgeschöpft werden. Abbildung 6.58 zeigt die Strategien der Kundenwertentwicklung: KUNDENWERTSTEIGERUNGEN DURCH KUNDEN-BINDUNGSEFFEKTE 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%

1

Basiswert

2

+ UpSelling

3

+ CrossSelling

4

+ PLZEffekte

+5 Frequenzeffekte

6+ Kostensenkungs -effekte

7

+ Portfolioeffekte

Abbildung 6.58: Kundenwertsteigerungen durch Kunden-Bindungseffekte.

(1) Basiswert eines Kunden ist der transaktionale Kundenwert – der Discounted Cash-Flow der Kundendeckungsbeiträge aus einem reaktiven Geschäft. (2) Ebenso ist es möglich, Kunden in höhere Preissegmente zu entwickeln (vom Audi A3- zum A6-Fahrer). Das Marketing spricht von Up-Selling. (3) Durch aktive Kundenbetreuung lassen sich auf der nächsten Stufe Cross-Selling-Potenziale ausschöpfen. Verkaufschancen in affinen Produktbereichen (z. B. Reisen, Reisebekleidung, Reiseversicherung) sind im Rahmen von CRM aufzudecken. (4) Weitere Geschäftschancen entstehen durch Kundenlebenszyklus-begleitende Angebote (PLZ-Effekte, alternativ: PLC)): von Smartphone und Spielekonsole über ersten PC bis zum später beruflich genutzten Notebook. (5) Mit steigendem Einkommen sind Kunden bereit, Produkte (z. B. seinen PKW) schneller zu ersetzen. Marketing- und Vertriebsbemühungen zielen dann auf Kundenwertsteigerung durch Erhöhung der Kauffrequenz. (6) Sind Geschäftsbeziehungen über Jahre eingefahren, dann steigen die Kundenwerte durch Kostendegressionseffekte. Gebundene Kunden

6.7 Verfahren der Kundenbetreuung 

 553

brauchen z. B. nicht mehr durch kostspielige Kampagnen angesprochen werden. (7) Letztlich können im Rahmen der strategischen Planung Prozesse für Kunden-Zielgruppen optimiert werden. Es kommt zu Kundenwertsteigerungen durch Portfolio-Effekte. Durch Strategien der Kundenentwicklung erhalten Kundenbesuche einen kundenwertbezogenen Sinn. Jetzt stellt sich die Frage nach den Betreuungskonzeptionen.

6.7 Verfahren der Kundenbetreuung Wer seine Kunden besucht, baut Beziehungen auf. Chaotische Besuchsplanungen führen zu einem instabilen Beziehungsgefüge, für das keine Qualitätssicherung möglich ist. Auf der Suche nach nachhaltigen Betreuungskonzeptionen sind folgende Punkte zu beachten: – Betreuungskonzeptionen werden von den Marktspielregeln einer Branche vorbestimmt. – Betreuungskonzeptionen beeinflussen Verkaufsformen – und umgekehrt. – Betreuungskonzeptionen erfordern entsprechende Verkaufsorganisationen Nicht selten sind organisatorische Rahmenbedingungen vorgegeben und die Betreuungskonzeptionen sind dahingehend zu optimieren.

6.7.1 Betreuungskonzeptionen in der Übersicht Art, Intensität, Organisation und Prozess der Kundenbetreuung differieren mit der Verkaufskonzeption: – Stationärer Verkauf: Der Verkäufer arbeitet an einem festen Point of Sale (POS, Verkaufspunkt), in einem Ladengeschäft, Bank oder Showroom. Der Kunde kommt zum Verkäufer. – E­Commerce beruht auf dem Ansatz, Kunden ohne persönlichen Kontakt, auf der Basis digitaler Prozesse, gewinnen und sichern zu können. Der Kunde besucht den Anbieter in einem Onlineshop oder Portal, es findet keine Live-Interaktion statt. – Online­gestützter Verkauf: in Erweiterung des reinen Online-Verkaufs können Hilfsmittel und Tools für den Online und E-Commerce-Umsatz verwendet werden. Live Chat-Systeme bieten dem online suchenden

554 

Vorteil des persönlichen Verkaufs: „Wenn wir nicht mehr vor Ort sind, bestellt der Kunde nur noch nach Bedarf.“ (Robert Friedmann, Sprecher der WürthKonzerngruppe)



Der persönliche Kontakt durch Kundenbesuche bleibt außerordentlich wichtig: 68% der Kunden sehen darin eine Wertschätzung der Kundenbeziehung durch den Anbieter (Quelle: Huber/Köstring (Wachstum), 2022, S. 13).















 6 Vertriebspolitik

Kunden eine Echtzeitberatung von Mitarbeitenden im Verkauf. Der Kunde kann individuell in Schriftform und per Videochat beraten werden, bevor er seinen Kauf über das Onlineangebot abschließt. Besuchstourenverkauf/Bezirksreisendenverkauf: Bezirksreisende der Markenartikelhersteller besuchen regelmäßig einen festen Kreis von Outlets – in Abstimmung mit Logistik- und Merchandising-Diensten und den auf Key-Account-Ebene getroffenen Listungsvereinbarungen folgend. Regionalvertriebsverkauf: Ein regionaler Kundenstamm wird generalistisch betreut; entweder verkäuferisch oder beratend (z. B. Ärztebesucher). Wichtig sind die diskutierten Kundenprioritäten. Es entstehen regionale Beziehungsgefüge. Ad­hoc Verkauf: Beim Ad-hoc Verkauf geht der Verkäufer dorthin, wo gerade Bedarf ist. Klassischer Versicherungs- oder Haustürverkauf zählen hierzu. Key Account Verkauf: Spezialisierte Kundenbetreuer sind definierten wichtigen Schlüsselkunden zugeordnet. Sie besuchen nach Bedarf und Absprache. Es geht dabei weniger um Abverkauf als um eine wertsteigernde Zusammenarbeit. Key Account Verkauf in der Konsumgüterindustrie: Bei dieser speziellen KAM-Spielart betreuen hochqualifizierte Marketiers den begrenzten Kreis der Einkaufszentralen des Konsumgüterhandels (z. B. Metro, Rewe, Edeka, Markant, ALDI). Ziele sind Listungen und Regalplatz-Anteile. Nachgeschaltet sorgen Bezirksreisenden und Logistik-Dienste für Betreuung der Outlets in der Fläche. Projektverkauf: Vermarktet werden Großvorhaben; typisch für Grossmaschinen- und Anlagenbau. Während oft langjähriger Projektier- und Planungsarbeiten entwickeln sich enge Win-Win-Partnerschaften. Objektverkauf: Im Mittelpunkt der Verkaufsbemühungen steht nicht ein Kunde, sondern ein Bauobjekt. An diesem orientieren sich die zu erstellende Gewerke, anderseits zudem Netzwerke von direkten (Bauträger) und indirekten Kunden (Planer, Architekten). Objekte werden oft im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen vergeben. Hybrid Selling/hybrider Verkauf: Ein hybrider Verkauf ist ein Mix von Besuchsverkauf und digital gestützter-Verkauf (bspw. über zoom und MS Teams). Die Kombination aus pysical und digital wird auch phygital genannt. Phygital gilt als hybrider Königsweg für den Han-

6.7 Verfahren der Kundenbetreuung 







 555

del. Die Zusammenarbeit von Innen- und Außendienst gilt als Schlüssel für den hybriden Vertrieb.663 Inside Sales: werden Kunden ausschließlich aus dem Innendienst heraus betreut, hat sich der Begriff Inside Sales etabliert. Er bringt zum Ausdruck, dass der Verkauf auch aus dem Büro heraus durch speziell geschulte Mitarbeitende zu realisieren ist. Home­Office­Verkauf hat im Zuge der Corona-Pandemie besondere Aufmerksamkeit erfahren. Auch diese Art des Verkaufs wird als Inside Sales-Ansatz verstanden. Auch der hybride Verkauf kann von den Mitarbeitenden aus dem Home Office geführt werden Strukturvertriebsverkauf (auch: MLM = Multi Level Marketing): Bedeutet permanente Neukundensuche im Bekanntenkreis oder im regionalen Umfeld (z. B. Vorwerk, Tupperware). Es geht nicht nur darum, Produkte zu verkaufen, sondern Kunden dazu zu bewegen, ihrerseits wieder Kunden zu suchen und sich eigene Kundenstämme aufzubauen. Die Verkäufer werden nach ausgefeilten Provisionsbäumen incentiviert.

Ein zentrale Erfolgsfaktor bei der Kundenbetreuung ist der persönliche Kundenkontakt der dem rein digitalen Umgang fehlt. Der bindungsstärkste Kontakt ist der Kundenbesuch. Was ist bei der Planung und Durchführung von Kundenbesuchen zu beachten?

6.7.2 Kundenkontaktanlässe und Kontaktziele Der Erfolg der Kundenkontakte, wie z. B. Besuche, Mailkontakt, Anrufe und Videocalls kann nur im Abgleich mit Besuchszielen beurteilt werden. Die zentralen Ziele der Kontakttätigkeit folgen aus der Vertriebsplanung und aus Kundenwerten: (1) Neukundengewinnung: gerichtet auf neue Kundensegmente, neue Anwendungen (Neuprodukte) oder als regionale Geschäftsausweitung. (2) Folgebedarf (Anschlußauftrag) verhandeln, (3) Potenzialausschöpfung: Priorität für ein besseres Erkennen und Ausschöpfen von noch erreichbaren Umsatzpotenzialen (z. B. durch Up- oder Cross-Selling) oder ein gemeinsames Generieren von Zusatzumsatz (neue Projekte).

663 Vgl. Tubbesing, (Hybrid verkaufen), 2022, S. 32, 35.

556 

 6 Vertriebspolitik

(4) Stammkunden­/Beziehungspflege: intensivere Betreuung von Stammkunden, um deren Lieferantentreue (Loyalität) zu steigern. (5) Preisanpassungen durchsetzen und/oder Ergebnisverbesserung erreichen: Verbesserung des Vertriebsergebnisses durch Verhandlung von Preiserhöhungen, Verkauf höherwertiger Produkte, Up-Selling und Cross-Selling. (6) Kunden von einem drohenden Lieferantenwechsel abhalten (Kündiger-Prophylaxe) oder Kundenrückgewinnung, (7) Effizienzsteigerung/Kostensenkung: z. B. durch Outsourcing von Vertriebsteilen, Geschäftsverlagerung auf Handelspartner oder Verlagerung von Teilen des Verkaufs auf E-Commerce, gezielter Ausstieg bei Kleinkunden. (8) Vertriebspartner­Management: Suche nach und Gewinnung von Vertriebspartnern sowie deren Förderung (Kontaktaufnahme, Vertragsgespräche, Schulungen, gemeinsame Kundenbesuche, Händler-, Handwerksbetreuung etc.). Neben strategischer Ausrichtung bestimmen Sachzwänge den operativen Vertriebsalltag. Täglich werden Kontaktanlässe von Kunden vorgegeben: – Der Kunden wünscht ein Gespräch über ein Angebot. – Der Kunde ist zum Preisgespräch und zur Auftragserteilung bereit. – Der Kunde möchte einen Folgeauftrag verhandeln. – Der Kunde lädt zum Jahresgespräch mit Bitte um Präsentation ein. – Der Kunde möchte über Preissenkung (oder Sonderpreis) sprechen. – Der Kunde möchte über neues Projekt bzw. neuen Bedarf sprechen. – Der Kunde bittet um eine Produktpräsentation und Klärung des Leistungsangebotes. – Der Kunde möchte ein Produkt wechseln oder wünscht Produktverbesserung. – Der Kunde wünscht Reklamationsgespräch bzw. -klärung. – Der Kunde bittet um persönliche Klärung von Differenzen in einer Auftragsbestätigung oder Lieferverzögerungen. – Der Kunde möchte Lieferungs- und Zahlungsbedingungen ändern. – Der Kunde hat ein Zahlungsproblem. – Der Kunde möchte neue Mitarbeiter oder neue Arbeitsabläufe vorstellen. – Der Kunde signalisiert Interesse an „Beziehungspflege“ oder würde einen Chefbesuch und einen Gedankenaustausch „auf höherer Ebene“ schätzen.

6.7 Verfahren der Kundenbetreuung 

 557

Aus den Kontaktanlässen ergeben sich die Ziele für den einzelnen Kundenkontakte: – Dem Kunden das Unternehmen und das Leistungsangebot vorstellen, – einen Kunden gewinnen und seinen Erstauftrag erhalten, – ein Angebot in einen Auftrag zu bestmöglichen Konditionen wandeln, – neue Preise und/oder Konditionenänderungen verhandeln und durchsetzen, – Wettbewerbsangebote abwehren, eigenen Lieferanteil halten, – noch nicht ausgeschöpfte Verkaufschancen nutzen (Cross-Selling), – den Grundstein für zukünftigen Umsatz legen (neue Projekte besprechen), – Auftragsprognosen und Umsatzvorschau einholen (Lieferprognose), – Meinungsverschiedenheiten ausräumen, Kompromisse finden (WinWin), – Marktforschung beim Kunden betreiben (z. B. Hinterfragen von Potenzial, Lieferanteil des Wettbewerbs, Informationen zu Wettbewerbern einholen), – Grad der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung eruieren und stärken, – die Beziehung pflegen, Vertrauen schaffen, als Markenbotschafter fungieren, – den Kunden als Empfehler gewinnen (Affiliate-Marketing). Die Herausforderung für den Vertrieb liegt darin, die Kontakterwar­ tungen der Kunden mit den eigenen Verkaufsvorgaben in Einklang zu bringen. Dazu wird der Außendienstmitarbeiter einen routinemäßigen Kontaktrhythmus anstreben; die Rahmenplanung für die Verkaufstätigkeit. Folgende Punkte sind dabei zu beachten: (1) Kundenkontakte sind nach Häufigkeit, Reihenfolge und Zeitpunkten so einzuplanen, dass sie Kundenprioritäten (dem Kundenwert) entsprechen. (2) Kontaktrhythmen sind so zu bestimmen, dass einerseits entsprechend der Kundenpriorität die geforderten Soll-Kontakthäufigkeiten erreicht werden, andererseits aber genug Raum für die immer wieder auftretenden, ungeplanten Kontakte bleibt (Mix von HotCalls und Cold Calls). (3) Kontaktrhythmen und -zeiten sind mit Kundenvorstellungen abzugleichen – im Vergleich (Benchmark) zu Konkurrenzkontakten bzw. Branchenusancen.

558 

 6 Vertriebspolitik

(4) Kontaktplanungen sind zeit- u. kostenoptimal in Tages-/Wochenpläne umzusetzen. (5) Großkunden- und Kleinkundenkontakte sind sinnvoll zu kombinieren. (6) Stammkundenpflege ist mit Neukundenkontakten sinnvoll zu verbinden. (7) Feste Kontakttermine (fixed dates) sind durch sog. Cold Calls (Ich bin in der Nähe und würde bei Ihnen gerne einmal vorbeischauen...) zu ergänzen. (8) Die persönlichen und Distanz-Kontaktaktivitäten sind in enger Zusammenarbeit mit dem Marketing abzustimmen.

6.7.3 Kundenbesuch – Planung und Durchführung Kontaktstrategie, Besuchsanlässe und –ziele sind nun in ein Touren- und Routenprogramm (Besuchsprogramm) umzugießen, dass die Erfolgsparameter der Abbildung 6.59 berücksichtigt werden. geschickte Terminplanung

Die Qualität von Kundenbesuchen

gute Vorbereitung Kontakthäufigkeit

gute Nachbereitung gute Verabschiedung

Kontaktqualität

Kontaktdauer

Unterlagen, Info-Niveau Abbildung 6.59: Die Qualität von Kundenbesuchen.

Der Außendienstbesuch ist die teuerste Kontaktform. Eine Besuchsplanung ist unabdingbar.664 Es gelten fünf Leitlinien für einen Besuch des Außendienstes beim Kunden:

664 Man beachte auch die Erfahrung der ALLIANZ, dass eine Kundenbindung stark von der Kontaktfrequenz abhängt. Bei Kunden, die länger als 2 Jahre nicht besucht werden, besteht eine hohe Absprunggefahr: vgl. die Meldung in ASW, 11/1997, S. 26.

6.7 Verfahren der Kundenbetreuung 

 559

(1) Muss-Besuche (z. B. bei Reklamationen) vor Kann-Besuchen, (2) Bevorzugung von wichtigen Kunden (A- und B-Kunden) vor weniger wichtigen Kunden (C-Kunden), (3) Umsatzkontakte vor Beziehungskontakten, (4) Kundensicherungsbesuche vor Kundenrückgewinnungsbesuchen vor Neukundenbesuchen, (5) Reservebesuche (Füllbesuche) zur Kostenverteilung bei langen Anfahrten und Interessenten als Ersatz für Besuchsausfälle in der Rückhand halten, (6) pro 4 – 5 Stammkundenbesuche einen Neukundenbesuch einplanen. Tabelle  6.6 fasst verschiedene kalkulatorische Kundenkontaktkosten zusammen. Tabelle 6.6: Kundenkontaktkosten in der Übersicht.665 Beispielhafte Kundenkontaktkosten 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Rundfunk-Spot Ganzseitige Anzeige TV-Spot Anzeige Fachzeitschrift Mailing Call Center-Anruf Individueller Brief Messekontakt Kundenbesuch

0,002€ 0,006€ 0,008€ 0,025€ 1,25€ 12,50€ 38,00€ 60,00€ 150,00€

Für eine überschlägige Planung der Größe der Außendienstmannschaft bieten sich drei grundlegende Kriterien an:666 (1) Wie groß ist das Kundenpotenzial, für welches sich Außendienstbetreuung lohnt? (2) Welche Vertriebsrollen müssen besetzt werden? Generalisten- und Spezialisten-Rollen? Neukundenverkäufer und Bestandskundenpflege? (3) Wie ist die regionale Verteilung der Kunden und wie stellen die Reiseverpflichtungen der zugeordneten Mitarbeiter im Außendienst eine vergleichbare Reisetätigkeit, Arbeitsbelastung und Umsatzerzielungswahrscheinlichkeit sicher?

665 Quelle: Dannenberg, 2001, S. 23 und Deutsche Post 2003. 666 Vgl. Wieseke, (Sales Profit Chain), 2022, S. 163.

560 

 6 Vertriebspolitik

Für die zeit- und kostenoptimale Besuchsplanung gibt es einige Grundregeln: – Bei der 5­Tage­Methode wird das Verkaufsgebiet in 5 Teilregionen aufgeteilt. Die Tagesabschnitte werden gegenüberliegend angeordnet, um am Folgetag noch einmal schnell zurückspringen zu können. Nach identischem Vorgehen kann auch eine 4-Tage-Tour geplant werden, wenn bspw. ein Tag in der Woche für Backoffice-Tätigkeiten benötigt wird. – Bei der Schwerpunkt­Methode erfolgen Anfahrten in Kundenzentren und von dort aus (evtl. mit Übernachtung) kurze Anfahrten zu den einzelnen Kunden des Schwerpunktes. – Bei der Efeu­Methode wird der Reiseweg kreisförmig, wie am Rand eines Blattes zurückgelegt.667 – Für die täglichen Routen gilt: Bei einfachen Fahrverhältnissen mit kurzen Etappen früh starten und abends den langen Weg zurückfahren. – Bei schwierigen Fahrverhältnissen den Weg zum am weitesten entfernten Kunden sehr früh zurücklegen und nach der Tagesarbeit über kürzere Wegabschnitte zum Ausgangspunkt zurückkehren GIS-Anbieter z.B.: FLS, GfK GeoMarketing, Map&Guide, PTV.

Geografische Informationssysteme (GIS) dienen dazu, umfangreiche Besuchsaktivitäten im Hinblick auf auf Soll-Planungen und Kostenvorgaben zu optimieren. Sie platzieren Kunden auf Landkarten, zeigen geografische Unterschiede bei Kunden- und Absatzschwerpunkten (Mapping und Routing), visualisieren unausgeschöpfte Potenziale, decken Wettbewerbskunden und Handelsstützpunkte auf und verbinden Anlaufpunkte prioritätengerecht im Rahmen von Mehrfrequenz-Tourenplanungen (Tages-, Wochen- Monatstouren). Die zur Verfügung stehenden IT-Systeme sorgen für bessere Potenzialausschöpfungen und optimierte Zeitallokation.668 Besuchstermine werden optimal verplant und sogar reduziert, wenn beispielweise Kundentermine mit weniger Potenzial durch weniger kostenintensive Betreuungsansätze (Videocall, Call Center-Betreung) ersetzt werden. Die für diese Entscheidung notwendigen Daten werden durch viele digitalisierte Prozesse und Kontaktpunkte erhoben und ausgewertet.

667 Vgl.  z. B. ähnliche idealtypische Tourenmuster bei Wolter, (Steuerung), 1972, S. 63–72. 668 Vgl. Baumgartner et al., (Sales Grwoth), 2016, S. 198.

6.7 Verfahren der Kundenbetreuung 

 561

Auch bei der Routenplanung (optimale Anfahrts- und Zeitplanung für festgelegte Besuchsorte) bewähren sich Computerprogramme als Handwerkszeug des Außendienstes. GPS-Systeme bieten heute – Adressdaten (einschließlich Standorte, optimale Anfahrten zu Hotels, Gaststätten, Werkstätten etc.), – Routenoptimierung (kürzeste, schnellste, kostenoptimale, angenehmste Route), – GPS-Navigation mit Zielführung (jederzeit präzise Standortbestimmung) und Stauumgehung, – aktuelle Verkehrsinformationen und – Reisekostenabrechnung.

6.7.4 Kundenbesuch – Gesprächsvorbereitung Schlecht vorbereitete Außendienstmitarbeiter sind für Einkäufer keine Freude. Eine gute Gesprächsvorbereitung ist der halbe Auftragserfolg. Zu einer professionellen Besuchsvorbereitung gehören: (1) Abklärung von Termin, Ort und Teilnehmern des Gespräches sowie von deren Kompetenzen, (2) Rückblick auf die Besprechungspunkte des letzten Besuches (laut letztem Besuchsbericht), (3) Informationen über Verhandlungsziele des Kunden sowie Kundenerwartungen (in Abstimmung mit Innendienst und Vertriebsleitung), (4) Informationen über die Geschäftsentwicklung mit dem Kunden, d. h. über den Stand von Auftragseingang, Umsatz, Preisabsprachen und anderen Zielgrößen sowie über Soll-Ist-Abweichungen gegenüber der Jahresplanung, (5) Kenntnis über die noch nicht ausgeschöpften Potenziale beim Kunden (Wo bestehen weitere Angebotsmöglichkeiten, Cross-Selling-Chancen?), (6) Kenntnis über Kundenbeziehungen zur Konkurrenz, (7) Sachstand über laufende und offene Vorgänge, (8) Sachstand über Termine der Auslieferungen und mögliche Lieferverzögerungen, (9) Sachstand über laufende Beanstandungen und Reklamationen, (10) Informationen über besondere geschäftspolitische Vorgänge beim Kunden, soweit vorher bekannt (z. B. aus der Wirtschaftspresse), evtl. Bonitätsauskunft.

562 

Ein Prinzip von Peter Löscher (CEO von Siemens 2007-13): Vorstände sollten häufig beim Kunden sein.

 6 Vertriebspolitik

Besonders wichtig ist die Einstimmung auf Kundenerwartungen. Der Kunden erwartet, – dass Vertriebsmitarbeiter Problemlösungskompetenz bietet, – dass er sich auf Mittlerfunktionen (Koordinatorenfunktion) im Stammhaus verlassen kann, – dass er ihm ein verlässlicher und vertrauenswürdiger Partner ist. Nicht immer sind diese Erwartungen im Vorfeld eines Besuches bekannt. Nicht immer wissen Kunden, was sie wollen. Trotzdem gilt: Besuchserfolg hängt entscheidend von dem Wissen über produkt- und beziehungsbezogene Kundenerwartungen ab. Die Erforschung dieser Kundenerwartungen ist ein kundenlebenszyklus-langer Prozess. Ein Außendienstmitarbeiter wird sich persönliche Besuchsziele setzen. Für Verhandlungspunkte sollten optimistische, pessimistische und realistische Einzelziele bestehen. Die Ziele zu erreichen, wird nicht zuletzt von geschickter Besuchsdurchführung abhängen.

6.7.5 Kundenbesuch – Einschätzung des Einkäufers

„Man kann nicht alles kaufen, aber alles verkaufen.“

Die Machtkonstellation zwischen Einkäufer und Verkäufer sind wesentlicher Ausgangspunkt einer Verkaufsverhandlung. Beim Kunden ist der Außendienstmitarbeiter auf sich gestellt. Jetzt zählen neben Produkt und Preis Umgangsformen, Vertrauenswürdigkeit und fachliche Kompetenz. Vor allem fünf Fragen bestimmen Ablauf und Erfolg von Verkaufsverhandlungen: (1) In welchen Machtpositionen stehen sich Einkäufer und Verkäufer gegenüber? (2) Welche Rolle spielt der Einkäufer im Buying-Center? (3) Was für ein Gesprächsklima und welcher Gesprächsstil sind zu erwarten? (4) In welchen Phasen wird das Verkaufsgespräch ablaufen, bzw. in welcher Phase befindet sich ein Gespräch, und was ist verkäuferseitig zu tun, um in die Phase zu kommen, die zum Verkaufsabschluss (Closing) führt? (5) Welche Verkaufspsychologie ist angebracht, um Einkäufer bzw. die Mitglieder des Buying-Centers für das eigene Leistungsangebot zu gewinnen? Von Bedeutung für Gesprächsklima und Erfolg des Kundenbesuchs ist zunächst die Machtverteilung zwischen den Gesprächspartnern. Je nachdem, ob starke oder schwache Einkäufer starken oder schwachen

6.7 Verfahren der Kundenbetreuung 

 563

Verkäufern gegenüberstehen, ergeben sich im Verkaufsgespräch unterschiedliche Qualitäten der Interessensdurchsetzung. Jain und Laric zeigen hierzu ein Szenario möglicher Situationen gemäß Abbildung  6.60 auf.669 schwacher Verkäufer

starker Verkäufer

starker Einkäufer

Verkäufer verhält sich defensiv

qualifizierte Verhandlung auf Augenhöhe

schwacher Einkäufer

Unklare Gespräche und Lösungen

Verkäufer diktiert den Verkaufsabs chluss

Abbildung 6.60: Starke und schwache Verkäufer und Einkäufer im Zusammenspiel.

Die Darstellungen lassen folgende Schlussfolgerung zu: Mit einem starken Einkäufer (Kunden) zu verhandeln, schafft klarere Verhältnisse und besser abzuschätzende Abschlusschancen als ein Gespräch mit einem unsicheren oder nicht autorisierten Einkäufer. Aus Positionen der Stärke heraus kann ein beiderseits faires Verhandlungsergebnis erwartet werden. Deshalb sollte man schon im Stadium der Besuchsvorbereitung Klarheit über die Hierarchiestellung und die Kompetenzen des Gesprächspartners schaffen. Nach dem Grid-Ansatz von Blake und Mouton beeinflussen die Motivationen von Verkäufer und Käufer das Verhandlungsklima.670 Verkäufer wie Kunde agieren dementsprechend im Verkaufsgespräch in einem Spannungsfeld von – Aufgabenorientierung (die Literatur spricht von Sachorientierung) und – Beziehungsorientierung (Menschenorientierung). In Gitter-Matrizen (den Grids) lassen sich die handelnden Personen zwischen verschieden starken Ausprägungen dieser Orientierungen

669 Vgl. Godefroid, Pförtsch, (B2B), 2008, S. 69, unter Bezug auf Jain und Laric (1979). 670 Vgl. Blake, Mouton, (Grid), 1979. Die Originalquellen sowie weitere Literatur zu dem Thema ist übersichtlich dargestellt bei: Kotler et al., (Marketing-Management), 2007, S. 828–829. Vgl. ferner Weis, (Verkaufsmanagement), 2010, S. 268–272.

564 

 6 Vertriebspolitik

einordnen. Als Spannungspole stehen sich in Abbildung  6.61 und 6.62 gegenüber: – Aus Verkäufersicht der Kunde im Kundengitter: Geringes oder starkes Interesse am Kauf einerseits (Aufgabenorientierung) und niedriges oder starkes Interesse am Verkäufer (Beziehungsorientierung) andererseits.  – Aus Kundensicht der Verkäufer im Verkaufsgitter: Geringes oder starkes Engagement des Verkäufers für den Verkaufsabschluss (Aufgabenorientierung) einerseits und geringes oder starkes Bemühen um den Kunden (Beziehungsorientierung) andererseits.

hoch

Kundengitter 9 8

Personenfixierter Kunde

Entschlossener Kunde

Interesse am Verkauf

7 6 Ausgewogener Kunde

5 4

niedrig

3 2

Gleichgültiger Kunde

Emotionsloser Kunde

1 1

niedrig

2

3

4

5

6

Interesse am Kauf

7

8

9

hoch

Abbildung 6.61: Kundengitter.

Blake und Mouton schlagen vor, die Stärke der Orientierungen auf 9-stufigen Skalen zu bewerten, so dass sich Matrizen mit 81 Feldern ergeben. Nur die Bedeutungen der Extrempositionen sind in den Abbildungen plakativ skizziert. Das Grid-Verkaufsgitter enthält fünf charakteristische Verkaufsstrategien:671 (1) Das Hard Selling bzw. die Verkaufsdruck-Strategie will den Kunden gezielt überzeugen und den Kaufabschluss möglichst schnell erreichen. Dies ist z. B. die Taktik bei Haustürgeschäften, die gezielt eine Notlage des Kunden ausnutzen. Bei Produkten mit zu erwartenden Folgekäufen ist diese Taktik gefährlich.

671 Vgl. Klöckner, (Systemisch verkaufen), 2014, S. 96.

6.7 Verfahren der Kundenbetreuung 

 565

hoch

Verkaufsgitter 9 8

Kundenfreund

Top-Verkäufer

Interesse am Kunden

7 6 5

Verkaufsprofi

4

niedrig

3 2

Demotivierter Verkäufer

Hard Seller

1 1

niedrig

2

3

4

5

6

7

Bemühen um Verkaufsabschluss

8

9

hoch

Abbildung 6.62: Verkaufsgitter.672

(2) Im anderen Extrem, der Kundenfreund­Strategie, dominiert die Beziehungspflege über die geschäftliche Seite. Auf Dauer sind Kaufentscheidungen als persönliche Gefälligkeiten für beide Seiten unbefriedigend. (3) Die Laissez­faire Strategie (hier: Demotivierter Verkäufer) ist Ausdruck eines desinteressierten Mitarbeitenden im Verkauf, der darauf hofft, dass Preis, Lieferzeit und Produktqualität für eine Kaufentscheidung des Kunden ausreichen. (4) Die Verkaufsprofi­Strategie zeichnet sich durch eine kalkulierte Balance von professioneller Verkaufstechnik und menschlichen Zuwendungen aus.  (5) Die Begeisterungsstrategie kennzeichnet Top-Verkäufer, die sich in sachlicher und persönlicher Hinsicht vollkommen in das Verkaufsgespräch einbringt. Für den Verkäufer ergeben sich aber Loyalitätskonflikte, wenn er Geschäftliches und Privates nicht ausreichend gut trennen kann.673 Ebenso lässt sich ein Kundengitter mit typischen Einkäuferstrategien erstellen.

672 Quelle: vereinfachte Darstellung nach Klöckner, (Systemisch verkaufen), 2014, S. 96 f. 673 Vgl.  zu den Gefahren der Kundennähe: MacDonald, (Kundennähe), in: HBM, 2/1996, S. 95–103.

566 

 6 Vertriebspolitik

6.7.6 Kundenbesuch – Das Verkaufsgespräch Wie jedes Gespräch, so läuft auch eine Verkaufsverhandlung in typischen Phasen ab. Diese zu kennen, ihren schrittweisen Ablauf positiv zu beeinflussen und dabei auch die Gesprächszeit (das Timing) im Griff zu haben, ist eine entsprechende Verkaufsexpertise und -erfahrung. Typischerweise sind nach Abbildung 6.63 folgende Verkaufsgesprächsphasen zu beachten:

KontaktPhase

GesprächseröffnungsPhase

ArgumentationsPhase

AbschlussPhase

NachabschlussPhase

Abbildung 6.63: Phasen des Verkaufsgesprächs.

Grundsätzlich gilt für Kaufverhandlungen: – Die Kontaktphase prägt die Atmosphäre der folgenden Stufen. Ist der Kunde emotional verschlossen (ablehnend), so wird er auch sachlichen Verkaufsargumenten gegenüber nicht zugänglich sein. – Die Gesprächseröffnungsphase sollte knappgehalten werden. – In der Argumentationsphase sollte der Kunde gleichgewichtig zu Wort kommen. – Ein Rücksprung auf frühere Gesprächspunkte (Wiederaufwärmen) kann die gesamte Verhandlung aus dem Gleis bringen. – In der Abschlussphase ist jedes Wort zuviel kontraproduktiv, dem Kunden muss die Entscheidung nahegelegt werden. Für den Ablauf des Verkaufsprozesses sind verkaufspsychologische Phasenmodelle entwickelt worden. Sie beziehen Elemente ein, die sich beim Kunden auf mentaler Ebene abspielen und letztlich den Verkaufsabschluss beeinflussen. Eine überragende Bedeutung hat hierbei die AIDA-Verkaufsformel nach Abbildung 6.64 von Lewis erlangt.674

A

I

D

A

Attention

Interest

Desire

Action

Abbildung 6.64: AIDA-Formel nach Lewis.

674 Vgl. Weis, (Verkaufsgesprächsführung), 2003, S. 54.

6.7 Verfahren der Kundenbetreuung 

 567

Bei der Gesprächseröffnung gilt es, die Aufmerksamkeit des Kunden (Attention) zu gewinnen. Diese Phase ist kritisch bei potenziellen Käufern oder bei überlasteten Einkäufern. Format und Vorgehensweise des Außendienstmitarbeiters sind für den Erfolg entscheidend. Die Phase ist weniger relevant bei programmierten Kaufanlässen, z. B. beim notwendigen Ersatzkauf für technische Güter. In der Phase der Interessenweckung (Interest) werden gezielt Produktmuster, Kataloge oder Vorführungen eingesetzt. Beim Verkaufsgespräch im Facheinzelhandel gilt z. B. die Faustregel: Nach längstens zwei Minuten muss das Interesse geweckt sein. Es gehört mehr dazu, beim Kunden über das Interesse hinaus echtes Kaufbegehren (Desire) auszulösen. Voraussetzung ist, sofern der Kunde nicht unter Kaufdruck steht, dass in der Argumentationsphase Kaufwiderstände ausgeräumt werden. Der qualifizierte Verkäufer wird den Kunden auf einem Spannungsbogen führen, der zum Kaufabschluss führt. Der durch Handschlag oder Unterschrift besiegelte Kaufabschluss beendet den Prozess. Action steht für das sensible Geschehen kurz vor dem Abschluss (Fachbegriff: Closing­Phase). Wie beim Elfmeterschießen beim Fußball überkommen viele Außendienstmitarbeiter kurz vor dem Erfolg Abschlussängste.675 Fehlt umgekehrt dem Kunden nur ein geringes Maß an Entscheidungsfreude oder bleiben ihm Restzweifel, ob er jetzt auch wirklich die gewünschte Ware zum richtigen Zeitpunkt zu einem günstigen Preis erhält, dann wird er es sich im letzten Moment doch noch anders überlegen. Bekannt ist alternativ auch die DIBABA-Formel von Goldmann.676 Goldmann unterscheidet sechs Phasen für ein Verkaufsgespräch: (1) Angebot definieren (Definition) (2) Bedarf identifizieren (Identifikation) (3) Vorteile beweisen (Beweisführung) (4) Angebot akzeptieren (Annahme) (5) Angebot begehren (Begierde) (6) Abschluss (Abschluss). Von besonderer Bedeutung ist im Verkaufsgespräch die Beweisführung. Der Verkäufer sollte eine Gesprächsphase gezielt zum Beweis seiner Produktbehauptungen nutzen. Das überzeugt Kunden. Neben diesen beiden Verkaufsformeln gibt es noch weitere Prozessschemata, die sich aber

675 Vgl. Scheitlin, (Verkaufen), 1995, S. 314–315. 676 Vgl. Goldmann, (Kunden), 1997, S. 245–256.

There never is a second chance to make a first impression – passt auch auf jedes einzelne Kundengespräch: Der Auftakt prägt den Verlauf des Gesprächs.

Eine Erfahrung: Wenn ein Kunde nicht kaufen will, nutzt auch die beste Verkaufstechnik nichts.

568 

 6 Vertriebspolitik

nicht allgemein durchsetzen konnten.677 Ausgewählte Verhaltensregeln zur Besuchsdurchführung enthält Tabelle 6.7. Tabelle 6.7: Empfehlungen für Kundenbesuche. Nr.

Empfehlung

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Kurz vor dem Besuch noch einmal Termin und Anreise überprüfen Den Kunden nicht warten lassen Über laufende Vorgänge bestens informiert sein Mindestens eine positive Nachricht mitbringen Fehler sofort zugeben Nie mit dem Kunden streiten „Wer fragt, der führt.“ Namen von Wettbewerbern sind tabu Den Kunden nicht zum Abschluss drängen Nicht ohne Verhandlungsergebnis und Folgeaufgabe verabschieden

Neben den Phasen des Verkaufsgesprächs besitzt die zwischen Verkäufer und Käufer befindliche Verkaufspsychologie große Bedeutung für Ablauf und Erfolg. Da viele Verkaufsbücher von Beratern und Trainern geschrieben werden,678 nehmen verkaufspsychologische Empfehlungen für die Verkaufsverhandlung in der Literatur einen breiten Raum ein. Nur wenige Schriften zeigen auch die theoretischen Hintergründe auf.679 An den Anfang steht die Theorie der offenen und versteckten Gesprächsbotschaften. Ein Beispiel deutet die Problematik an: Einkäufer zum Verkäufer: „Sehen Sie zu, dass Sie das nächste Mal pünktlich liefern“. Verkäufer zum Einkäufer: „Ich tue doch schon mein Bestes“. Das quadratische Modell der Kommunikation hilft, diesen Vorgang besser zu verstehen. Abbildung 6.65 veranschaulicht den Ansatz.680 Jede Kommunikation spielt sich nach dieser verhaltenswissenschaftlichen Theorie auf vier Ebenen ab:681 (1) Auf der Es­Ebene wird emotionslos eine Sachbotschaft vermittelt (Es gab bereits Lieferverzögerungen).

677 Vgl. die Zusammenstellung von 7 Ansätzen bei Weis, (Verkaufsgesprächsführung), 2003, S. 53. 678 So dass immer wieder die strategische Seite des Vertriebs zu kurz kommt. 679 z. B. Bänsch, (Verkaufspsychologie), 2013; aber auch über weite Strecken die entsprechenden Aschnitte bei Diller et al., (Verkauf- und Kundenmanagement), 2005, S. 130 ff. 680 Vgl. zu dieser Theorie Schulz von Thun, (Reden), 1993, S. 45. 681 Zu den Ebenen und den mit ihnen verbundenen Interaktionsmöglichkeiten vgl. Jeschke; Schulze, (Beschwerdemanagement), in: Jahrbuch der Absatz und Verbrauchsforschung, 4/1999, S. 405–407.

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6.7 Verfahren der Kundenbetreuung 

(2) Auf der Ich­Ebene gibt der Einkäufer etwas von sich preis (Bei weiteren Lieferverzögerungen folgen Konsequenzen). (3) Auf der Du­Ebene ergeht eine Aufforderung (Kümmern Sie sich bitte persönlich um die Angelegenheit). (4) Auf der Wir­Ebene wird etwas über die Beziehung ausgesagt (Ich als Einkäufer habe hier das Sagen). Pychologische Kenntnisse und Erfahrungen helfen Kundenbetreuern, in kritischen Situationen versteckte Botschaften des Gesprächspartners zu deuten, klaren Kopf zu behalten und stets den Weg auf die Sachebene zurückzufinden. ICH

ES

DU

Nachricht

Appell

SENDER

SelbstOffenbarung

Sachinhalt

Beziehung WIR Abbildung 6.65: Quadratisches Modell der zwischenmenschlichen Kommunikation.

Weitere Empfehlungen zur Optimierung des Verhaltens in Verkaufsgesprächen und zur Versachlichung kritischer Verhandlungssituationen ergeben sich aus: (1) der Transaktionsmethode von Berne, die nach den Ebenen ElternIch, Kindheits-Ich und Erwachsenen-Ich unterscheidet682 (2) dem Modell der psychologischen Spiele mit den manipulativen Rollen Verfolger, Retter und Opfer im Karpmann-Dreieck683 oder (3) durch das aus der Sozialpsychologie stammende Johari-Fenster von Luft und Ingham, durch das der Außendienstmitarbeiter Konfliktfelder in Gruppenverhandlungen aufspüren und diplomatisch abmildern kann. 682 Vgl. Berne, (Spiele), 2007, S. 37–45; Harris, (o.k.), 2010; Schulze, (Dienstleistungsqualität), 2000, S. 266–272. 683 Vgl. Schulze, (Dienstleistungsqualität), 2000, S. 272–274.

EMPFÄNGER

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 6 Vertriebspolitik

Die Konsequenzen dieser Ansätze für den persönlichen Verkauf werden an anderer Stelle aufgezeigt.684 Wichtig ist Empathie des Verkäufers, manipulative Verhandlungspiele zu vermeiden und „Herr des Verhandlungsstils“ zu werden.

6.7.7 Kundenbesuch – Verhandlungsstile Verhandlungsanlass, Machtverhältnisse, Erfahrung und vor allem umwelt- und erziehungsbedingte Eigenschaften einer Persönlichkeit prägen einen Verhandlungsstil. Grundsätzlich werden vier Verhandlungshauptstile unterschieden:685 (1) Beim ethischen Verhandlungsstil wird die Kaufverhandlung auf eine dialektische Ebene gehoben. Es geht um Größeres.  Werte, Vertrauen, der Glaube an gemeinsame Werte stehen im Vordergrund des Verkaufsgespräches. Eigentlich fordert die CRM-Philosophie mit dem Ziel einer Win-Win-Partnerschaft diese Art der Verhandlungsführung. (2) Beim analytisch­aggressiven Stil wird mit Argumenten, Analysen, Fakten um jeden Zentimeter gefeilscht. Die Verhandlungstaktik führt leicht zu verhärteten Fronten. (3) Der flexibel­aggressive Stil ist ist auf Ausgleich angelegt. Hier wird hart verhandelt, doch haben beide Parteien ein Interesse an einer Einigung. (4) Beim jovialen Stil stehen Harmonie und Kompromissbereitschaft im Vordergrund. Meist kennen sich die Verhandlungspartner bereits. Selbst seine härtesten Forderungen verpackt der Kunde in Watte. Unerfahrene Kundenbetreuer unterschätzen oft ihre Verhandlungspartner. Neben allgemeinen, der Psychologie und der Sozialpsychologie entnommenen Gesetzmäßigkeiten für Art und Ablauf von Verkaufsverhandlungen, gibt es spezielle Regelwerke für erfolgskritische Verkaufsituationen. Diese werden typischerweise in Verkaufsseminaren trainiert. Im Vordergrund stehen (1) die Fragetechnik mit offenen, geschlossenen, direkten und indirekten Fragen als grundsätzliche Formen, (2) die Preisargumentation und mit dieser in engem Zusammenhang stehend,

684 Vgl. Winkelmann, (Vertriebskonzeption), 2012, S. 462–481. 685 Vgl. Mastenbroek, (Verhandeln), 1992, S. 229.

6.7 Verfahren der Kundenbetreuung 

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(3) die Einwandbehandlung und (4) die Abschlusstechnik (Closing). Die Fragetechnik und die Besonderheiten des Abschlusses sollen noch einmal detailliert betrachtet werden. Fragetechnik In Kapitel 3 wurde das Thema einer zielführenden Fragentechnik zum Zwecke der Marktforschung behandelt. Im Verkaufsgespräch kommen Regeln hinzu, die weniger die Art der Fragen als vielmehr die Taktik der Fragestellung betreffen. Bewährt hat sich hierbei die KROKUS-Technik:686 – K = kurze Fragen stellen – R = redundante (überflüssige) Fragen vermeiden – O = offene Fragen stellen – K = konkrete Fragen stellen – U = Unterfragen (Schachtelfragen) und Kettenfragen vermeiden – S = Suggestivfragen vermeiden. Oft wird lapidar behauptet: Wer fragt der führt. Im Verkaufsgespräch jedoch können viele Verkäuferfragen leicht nerven. Die Punkte, die ein fragender Kunde berührt, verraten dagegen sein wahres Interesse. Deshalb gilt die Königsregel: Den Auftrag bekommt der Verkäufer, der dem Kunden besser zuhört. Abschlusstechnik (Closing) „Der Abschluss ist die Krönung des Verkaufsgesprächs.“687 Viele Verkäufer sind Charmeure – sie führen tolle Gespräche, bekommen aber Herzklopfen, wenn sie den Kunden zur Unterschrift bewegen sollen.688 Das Trainieren von Closing-Techniken kann helfen. Die vorgestellten Ansätze geben einen Eindruck von möglichen Gesprächsführungen aus der prak686 Vgl. Schuh, (Change Management), 2005, S. 45. 687 Scheitlin, (Verkaufen), 1995, S. 314. 688 Vgl., auch zu den anderen, vorgenannten Techniken, die entsprechenden Abschnitte in den letztgenannten Literaturquellen, wie auch die umfassenden Darstellungen in Behle; vom Hofe (Hrsg.), (Außendienst), 2006, dort speziell auch die S. 216–231; vgl. ferner die zahlreichen Verkaufs“tipps“ bei Scheitlin, (Verkaufen), 1995, S. 314–318 sowie Bänsch, (Verkaufspsychologie), 2013, S. 90. Aufmerksam machen möchten wir auch auf Empfehlungen zu einer nutzenorientierten Verkaufsargumentation, dargestellt in Winkelmann, (Außendienst-Management), 1999, S. 186–189.

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 6 Vertriebspolitik

tischen Erfahrung – sie stellen jedoch keine wissenschaftlich fundierten und sicheren Abschlusstechniken dar: (1) Bei der Alternativtechnik wird unterstellt, dass der Kunde nicht nein sagt. Das Gespräch wird auf Wie-Fragen bezüglich der Kaufabwicklung gelenkt (Sollen wir diese Woche noch liefern oder reicht es Ihnen Dienstag nächste Woche...). (2) Bei der Teilentscheidungstechnik wird eine (gravierende) Kaufentscheidung in viele (harmlose) Verhandlungsabschnitte zerlegt. (3) Dann wird das Gespräch mittels der Ja­Folge­Technik in eine positive Antwortfolge gebracht, aus der der Kunde nicht mehr umkehren kann. (4) Bei der Übertreibungstechnik wird ein schreckhaftes Nein des Kunden provoziert, z. B. durch den Vorschlag einer überhöhten Bestellmenge, um ihn dann mit einer maßvollen Bestellorder einzufangen (Gut, dann sollten wir wenigstens mit 5 Stück Lieferorder beginnen...). (5) Die Technik des letzten Trumpfes überrumpelt den Kunden durch einen Kaufvorteil im letzten Moment (Wenn Sie jetzt unterschreiben, dann kann ich Ihnen noch als Vorteil bieten ...). (6) Die Zeitdruck­Technik nutzt den Termindruck des Kunden aus (Wenn Sie jetzt ordern, dann schaffen wir es noch, bis zum .... zu liefern) und die (7) Panik­Technik weist auf das berühmte letzte Stück Ware hin, das angeblich schon für einen anderen Interessenten reserviert ist. Der Einsatz von unbewussten Signalen und Körpersprache erweist sich immer wieder als gefährliche Waffe in einer Verhandlung. Zu erwähnen ist hier Neurolingustische Programmierung (NLP), durch die der Kunde durch die Stufen (1) Spiegeln, (2) Führen und (3) Ankern (körperliches Fixieren eines guten Gefühls) geführt und konditioniert wird. Jedoch: Ein Verkaufsabschluss wird nicht zustande kommen, wenn beim Kunden ein Gefühl von Misstrauen entsteht. Seriöse Verkaufsgespräche sollten darauf hinauslaufen, dass sich Kunde wie Verkäufer als Gewinner fühlen (Win-Win-Situation), der Kunde den Eindruck behält, dass sich eine so günstige Einkaufssituation so schnell nicht wieder einstellen wird,689 und dass sich beide Partner beim Abschiednehmen auf den nächsten Kontakt freuen.

689 Was wiederum als „Abschlusstechnik der verscherzenden Gelegenheit“ ausgenutzt werden kann: vgl. Bänsch, (Verkaufspsychologie), 2013, S. 92.

6.7 Verfahren der Kundenbetreuung 

 573

Auch die Inhalte des Kaufvertrages sollten geregelt sein: Vertragsgegenstand, Spezifikation, Liefertermin, Preis und Rabatt, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, Eigentums- und Gefahrenübergang, Versicherung, Verpackung, Transport, Verzollung, Abnahmemodalitäten, Gewährleistung, Haftungsregelungen, Regelungen bei Vertragsstörungen, anzuwendenes Recht, Gerichtsstand, Schiedsgericht. Ein Dank des Außendienstmitarbeiters an Kunden mit Gratulation zur getroffenen Kaufentscheidung, eine Verabschiedung mit Ausblick auf einen Folgebesuch und To Do’s für alle Partner sollten am Abschluss des Kundenbesuches stehen. Dann hinterlässt ein Besuch beim Kunden menschliche Spuren.

6.7.8 Kundenbesuch – Nachbereitung und Besuchsberichte Mit der Verabschiedung vom Kunden ist die Arbeit des Kundenbetreuers keineswegs abgeschlossen. Zur marktorientierten Unternehmensführung gehört ein obligatorisches Besuchsberichtswesen (Reporting). „Des einen Freud, des anderen Leid“ wäre hierzu ein passendes Statement aus Sicht des Verkäufers.690 In der Praxis gibt es Vorbehalte gegen Besuchsberichte; in kleinen und mittleren Unternehmen oft sogar offene Widerstände. Die Verkäufer verweisen auf Zeitmangel und Überlastung. Sie fürchten Kontrolle und Reglementierung ihrer Arbeit. Dennoch belegt Marktstudien: 94% der befragten Unternehmen arbeiten mit Besuchsberichten, nach aktueller Schätzung in 2020 auch 90% davon computergestützt. Welche wichtigen Grundfunktionen erfüllen Besuchs­ bzw. Kon­ taktberichte: (1) Besuchsberichte dienen vor dem Nachweis der Kommunikation mit dem Kunden und der zielgruppengerechten Betreuung. Ein Besuchsbericht sollte so wenig wie möglich „Prosa“ enthalten. Steuerungsrelevante Informationen sind in Checklisten (Ankreuz-Boxen) zu strukturieren, damit sie automatisiert ausgewertet werden können. (2) Besuchsberichte haben eine wichtige Dokumentationsfunktion. Vorgänge mit Kunden und Absprachen (wer-was-wann) sind zu dokumentieren (in der Kundenhistorie) und im Gesamt-Informationssystem (CRM-System) zu speichern.

690 Vgl. hierzu und im Folgenden die Ergebnisse einer Markterhebung bei 68 Unternehmen über computergestützte Besuchsberichte von Winkelmann, (Besuchsberichte), in: ASW, 2/1998, S. 82.

Beim Pharmahersteller Merck nehmen ca. 300 Pharmareferenten jährlich ca. 1.500 Arztbesuche vor. Das sind jährlich 450.000 Berichte. Vorwerk meldet ca. 160.000 Kundenbesuche p.a.

Besuchsberichte sind Teil der Marktforschungsaufgabe des Außendienstes.

574 

 6 Vertriebspolitik

(3) Besuchsberichte haben großen Einfluss auf Intensität und Qualität der Zusammenarbeit zwischen Außendienst und Innendienst. Allerdings können Besuchsberichte, auch wenn sie computergestützt sind, Probleme im Vertriebsteam nicht lösen. Sie können keine Zusammenarbeit und kein partnerschaftliches Teilen von Wissen erzwingen. Hierzu bedarf es offener Interessensklärungen und entsprechender ablauforganisatorischer Regelungen. Vor Einsatz des Reporting muss folglich Einigkeit im Verkaufsteam herrschen (Klärung der Regeln der Zusammenarbeit). Erst danach sind Berichtssysteme einzuführen. (4) Sofern für die Kunden kundenbezogene Produktänderungen oder gar Entwicklungen laufen, sollten die (Anwendungs)Techniker wie auch die Kundendiensttechniker an das Besuchsberichtswesen angeschlossen werden. So werden die Silos von Vertrieb und Technik aufgelöst und alle KollegInnen können sehen, was beim Kunden läuft. Nachteile bei Verzicht auf Besuchsberichte: (1) Markt-Know how wird zum isolierten Wissen weniger Leistungsträger. (2) Kundenentscheidungen werden aus dem Bauch heraus gefällt und nicht auf Grundlage von Marktfakten. (3) Marktwissen gerät in Vergessenheit. (4) Kundenbetreuer nimmt beim Arbeitgeberwechsel sein Marktwissen mit. (5) Dringend benötigte Kundeninformationen abzufragen (z. B. MailAnfragen an Regionalbüros oder Vertriebsbüros) ist umständlich und dauert lange. (6) Ohne Strukturierung des Berichtswesens ist es kaum möglich, die Flut der täglichen Informationen zu strategischem Wissen zu verdichten. Die Besuchsnacharbeiten des Kundenbetreuers lassen sich wie folgt gliedern: (1) Aktualisierung der Kundenhistorie. Nach einem Besuch oder Kontakt sind die wichtigsten Vorgänge, Absprachen mit dem Kunden und Aufgaben aus dem Kontaktbericht herauszufiltern. Im Rahmen von CRM-Systemen geschieht das automatisch. Gemäß Verteiler sind die Informationen zu verteilen. Bestimmte Ereignisse (z. B. Reklamationen) stoßen (triggern) Workflows an. (2) Nachbereitungs­Maßnahmen (Follow-up): erfolgen in Abstimmung und in Arbeitsteilung mit Innendienst, Produktmanagement und Vertriebsleitung. Es sind Angebote zu erstellen, Bestellungen abzuwickeln, Preisvorstellungen zu überprüfen, Lieferzeiten zu klären und/oder zu beschleunigen, Produktänderungen in die Wege zu leiten oder Beanstandungen zu bereinigen.

6.7 Verfahren der Kundenbetreuung 

 575

(3) Strategischen Beiträge (Mithilfe bei Planung und Strategie) des Außendienstmitarbeiters nach den Besuchen erstrecken sich auf Wettbewerbsinformationen, Bemerkungen über Stärken und Schwächen von Produkten, Kundenzufriedenheit, Hinweise auf neue Projekte des Kunden etc. Befreit von den administrativen Tätigkeiten ist es eine wichtige Außendienstaufgabe, betroffenen Betriebsabteilungen relevante Marktinformationen zukommen zu lassen und aktiv am Prozess der strategischen Überprüfung und Planung teilzunehmen. Es ist auch die Verpflichtung des Vertriebsleiters, Außendiensthinweise ernst zu nehmen und in persönlichen Gesprächen mit den Verkaufsmitarbeitern weiter zu verfolgen.691 Denn in Aktennotizen, schriftlichen Besuchsberichten bzw. strukturierten CRM-Berichten kann dieses Hintergrundwissen nur angerissen werden. Das Spektrum relevanter Besuchsberichtsinformationen ist groß. Abbildung  6.66 spannt den Rahmen. Unterschieden werden als Informationsbereiche die Besuchshistorie (Geschehnisse und Absprachen), Gesprächspartnerinformationen, Unternehmensinformationen, Prozessinformationen, technische Informationen, Wettbewerbsinformationen sowie marktstrategische Gesamtbeurteilungen. Besuchsberichte sind Bestandteil des sog. Markt- oder Kundenmonitoring. Tabelle 6.8 listet wichtige Quellen auf, die erst in der Gesamtschau ein vollständiges Marktbild ergeben. Dabei bleibt der Informationsspeicher des Vertriebs nicht auf Kundenaussagen beschränkt. Es ist wichtig, auch Marktinformationen über die Kunden des Kunden und deren Branchenentwicklung regelmäßig zu sammeln und auszuwerten. Auch zu Verbandsleitungen und Branchenexperten sollte Kontakt gehalten werden, um das aus den Besuchsberichten gewonnene Marktbild abzurunden. Dass zu einer vollständigen Marktbeobachtung auch das Auswerten der Wirtschaftspresse gehört, versteht sich von selbst. Auch die Teilnahme der Vertriebsleitung an Fachtagungen und Konferenzen trägt zur Kompetenzbildung bei. Besuchsberichte sollten sich auf die für eine Unternehmung bzw. Branche wichtigsten Informationen beschränken und im Rahmen eines CRM-Systems automatisiert werden. Für eine einfache Usability sind möglichst viele Antwortvorgaben vorzustrukturieren, die dann vom Kundenbetreuer nur noch am Bildschirm markiert werden brauchen.

691 Dass gerade hier noch große Versäumnisse auf Vertriebsleiter-Seite liegen, hat die Studie gezeigt: vgl. auch Winkelmann, (Durchblick), in: acquisa, 2/1998, S. 39.

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 6 Vertriebspolitik

AUSWAHLKATALOG FÜR BESUCHSBERICHTS-INFORMATIONEN Besuchshistorie Ort, Datum, Zeit des Gesprächs Gesprächspersonen Besuchsanlass Besuchsergebnis / Absprachen nächster Schritt / Folgebesuch Gesprächspartner-Information Rolle in der Kundenorganisation Aufgaben und Kompetenzen Einfluß im Buying Center Vorlieben, Eigenarten, Hobbys Spielregeln Verkauf / Technik Spielregeln Innend. /Außendienst Verhandlungstaktiken d. Kunden Sekretärin / Gate-Keeper Firmeninformationen Lage der Kundenbranche Situation des Kunden Bonität / Zahlungswürdigkeit besondere Firmenereignisse Einkaufspotentiale

Planungs- und Prozessinformationen Stand Auftragseingang Stand Umsatz Preisabsprachen offene Angebote Preisvorstellungen des Kunden laufende Aufträge Beanstandungen / Reklamationen aktuelle Lieferverzögerungen Kundenanregungen Hochrechnung Jahresumsatz Umsatzausblick nächstes Jahr Lieferanteile beim Kunden Technische Informationen neue Produkte des Kunden neue Projekte des Kunden mögliche Folgeaufträge Terminvorstellungen gemeins. Produktentwicklungen Substitutionswettbewerb?

Wettbewerbsinformationen Wettbewerbsprodukte Lieferanteile Wettbewerber neue Wettbewerber Preisstellungen Wettbewerber Stärken / Schwächen Wettbew. Personen des Wettbewerbs Großabnehmer des Kunden Hauptwettbewerber d. Kunden Gesamtbewertungen Gesamtbewertung Besuch Gesamtbewertung Klima Gesamtbewertung kaufmännisch Gesamtbewertung technisch Gesamtb. Kundenzufriedenheit Gesamtb. Kundenbindung Cross Selling Verkaufschancen (ungenutzte Verkaufschancen)

Abbildung 6.66: Auswahlkatalog für Besuchsberichtsinformationen. Tabelle 6.8: Beobachtungsbereiche des Markt-Monitorings. Nr.

Beobachtungsbereiche

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Besuchsberichte des Außendienstes Kontaktberichte des Innendienstes Kundenaussagen in den Social Media Kundenbeanstandungen, Reklamationen Kundenzufriedenheitsbefragungen Lieferantenbewertungen Berichte von Verbandstagungen Branchen- und Kundenmagazine „Gerüchteküche“ im Markt Wirtschaftsnachrichten, Fachpresse

In das CRM-System fließen auch marktbezogene (kundenunabhängige) Informationen des Markt- und Kundenmonitoring ein. Die Besuchsberichte sind im CRM mit anderen Dateien verlinkt. Die Besuchshistorie ist beispielsweise mit speziellen Auswertungsmodulen zur Wettbewerbsanalyse verknüpft. Dabei werden allgemeine Informationen über den Wettbewerber und seine Marktstrategie von den Informationen über dessen Produkte mit Preisstellungen sowie Stärken und Schwächen getrennt. So lassen sich unabhängig voneinander Wettbewerber- und Produktvergleiche (in die dann auch die eigenen Produkte einzubeziehen sind) anstellen.

6.7 Verfahren der Kundenbetreuung 

 577

6.7.9 Hybrider Kundenbesuch und Hybrid Selling – Besonderheiten Die beschriebenen Phasen in den Kapiteln 6.6.2 bis 6.6.7 betrachten persönliche Kundenbesuche als werthaltigste Kundeninteraktion. Durch Nutzung digitaler Kommunikationstools hat sich neben Besuchs- und Telefonverkauf Kommunikation über Videokommunikationssysteme bewährt. Die Erfahrungen durch die Corona-Pandemie in den 2020er-Jahren hat zur breiten Nutzung und Akzeptanz von Tools wie zoom und Teams geführt. Der Begriff Hybrid Selling ist ein Trendwort im Vertriebsmanagement. Studien zeigen, dass der durchschnittliche Mitarbeiter im Außendienst rund 13 Stunden pro Woche mit Reisezeit verbringt. Diese Zeit nutzen Mitarbeitende für Telefonate mit Kunden. Jedoch sind rd. 65% der Reisezeit unproduktiv. Reduzierte Reisezeiten können zu mehr als die Hälfte in produktive Vertriebszeiten umgewidmet werden.692 Da digitale Besuche und Vertriebsgespräche mit rd.  28 Minuten zudem kürzer als physische Besuche ausfallen, kann eine deutliche Steigerung der Vertriebseffizienz durch Hybrid Selling erzielt werden. Weniger Zeit auf der Straße, mehr Zeit im (digitalen) Kundengespräch. Hybrid Selling lässt sich als Kombination von persönlichen Verkaufsaktivitäten mit Methoden des Distanzvertriebs über Telefon- und Videokonferenzsysteme beschreiben. Ein Mitarbeitender im Vertrieb kombiniert die Methoden angepasst auf Kundenbedürfnisse und die Komplexität der zu vertreibenden Produktes. Auch die Zusammenarbeit mehrerer Mitarbeitender im Vertrieb im Innen- und Außendienst wird in hybrider Form geführt. Kundenbetreuungen werden zwischen Field Sales und Inside Sales abgesprochen. Neben den beschriebenen Besonderheiten der einzelnen Gesprächsphasen sollten ergänzende Aspekte zur Nutzung digitaler Tools berücksichtigt werden: – Sicherheit im Umgang mit Tools: Kompetenz im Vertrieb erfordert den sicheren Umgang mit dem Kommunikationstools.693 Neben fachlicher Expertise, die Kunden voraussetzen, müssen im hybriden Vertrieb und Kundenbesuch Tools sicher, kompetent und situationsbezogen eingesetzt werden. Bei der digitalen Produktdemonstration oder der virtuellen Besichtigung wirken technische Unsicherheiten wenig vertrauenserweckend. – Digitale Sichtbarkeit auch außerhalb des digitalen Live-Gesprächs: Im digitalen Umfeld werden Gesprächspartner erweiterte Informa-

692 Vgl. Huckemann, (Produktivitätsschub), 2022, S. 12. 693 Vgl. Tubbesing, (Hybrid verkaufen), 2022, S. 34.

Schmitz und Huckemann haben in einer der ersten quantitativen Studien zum hybriden Vertrieb die Möglichkeit auf bis zu 53% mehr Kundenbesuche identifizieren können (Quelle: Schmitz, Huckemann (Hybrid Selling), 2021, S. 11).

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 6 Vertriebspolitik

tionen digital suchen. Aussagefähige und aktuelle Profile auf sozialen Netzwerken sind klassische Adressen, auf denen Ansprechpartner hinterfragt werden. Der Expertenstatus kann auf diesen Profilen etabliert werden. Die Beteiligung an fachlichen Diskussionen sichert die sog. Thought Leadership ab, die digitale Kompetenz für ausgewählte Themenfelder. Social Selling-Fähigkeiten sind Grundvoraussetzungen für einewirksame digitale Präsenz im Vertriebsumfeld.694 Storytelling statt Werbebotschaft: Im virtuellen Gespräch können klassische Verkaufstechniken nicht angewendet werden. Der unmittelbare Kontakt fehlt, und Kunden müssen auf andere Art und Weise emotional erreicht werden. Die Nutzung von Storytelling als erzählerische Art des Vermittelns von Informationen ist eine sinnvolle Art, Informationen im digitalen Gespräch zu vermitteln.695 Die vermittelten Inhalte bleiben besser im Gedächtnis des Gegenübers und fördern den Gesprächsdialog.

Nach ersten Erfahrungen mit Hybrid Selling zeigen sich Herausforderungen, wie dieses neue Verkaufen besser umgesetzt werden kann. Die zur Verfügung stehenden digitalen Kommunikationstools besitzen Grenzen in der Anwendung. Schlechte Internetabdeckungen von ländlichen Regionen bspw. lassen Übertragungsqualitäten sinken und die Wirksamkeit des digitalen Kundenkontakts leidet. Die Beziehungsqualität leidet durch digitale Gespräche. Zudem stellt die Vielzahl unterschiedlicher befindlicher Systeme (bspw. Teams, zoom, Webex, google meet, etc.) Anwender vor die Aufgabe, auf das Tool abgestimmte Gesprächsformate zu entwerfen bzw. auszuwählen. Viele Organisationen beklagen, dass Tools wenig Individualiserungsoptionen für ein Markenerlebnis bieten und in Standardfunktionen nur wenige Reaktionsmöglichkeiten vorgesehen sind.696 Der Vertriebsprozess (ausführlich dazu siehe Kapitel 6.5.1 ff) wird sich anpassen. Die grundlegenden Prozessschritte verändern sich nicht maßgeblich. In der operativen Ausgestaltung hingegen kommt ein um digitale Elemente erweitertes Prozessmanagement zum Einsatz. Wann haben automatisierte Prozessschritte Kundenkontakte qualifiziert, damit Sie in eine persönliche Bearbeitung übergeben werden können? Wann ist ein digitales persönliches Gespräch möglich, wann muss klassisch vor Ort gesprochen werden? „…so viel digital wie möglich … so persönlich wie nötig“697 kann ein Ansatz sein, wie hybrides Verkaufen erfolgreich 694 Vgl. Spandl, (Digitales Direktmarketing), 2020, S. 21. 695 Vgl. Redemann, (Hybrid Selling), 2022, S. 37. 696 Vgl. Schmäh et al., (Revolution Vertriebsprozess), 2021, S. 20. 697 Pinzczolits, (Schlagkraft), 2021, S. 23.

6.8 Spezielle Konzepte für Kundenbetreuung 

 579

wird. Nachlassender Kontaktqualität durch digitale Kommunikation kann durch Erhöhung der Kontaktanzahl mit einem Kunden oder den Kontakten begegnet werden. Interessant ist, dass die Wertigkeit des persönlichen Kontakts von Kunden auch beim geschätzten hybriden Vertriebsansatz hoch bleibt: „Gleichzeitig bleibt der persönliche Kontakt zu Kundenunternehmen, beispielsweise durch gezielte Besuche, auch weiterhin wichtig und sollte gepflegt werden. Denn persönliche Interaktion spielt, vor allem bei komplexen und hochwertigen Geschäften, nach wie vor eine zentrale Rolle bei der Kaufentscheidung. Mehr als zwei Drittel (68%) der Kundschaft sieht darin ein Zeichen dafür, wie sehr ein Lieferant eine Geschäftsbeziehung schätzt.“698 Hybrid Selling ist die Vertriebsform der Zukunft. Die CoronaPandemie hat die Digitalisierung der Kundenbetreuung beschleunigt. Verkäufer sind heute sicher im Umgang mit digitalen Kommunikationsmethoden. Kunden wünschen sich einen hybriden Kontaktmix. So treffen Chancen der Digitalisierung auf gesuchten Kundennutzen.

6.8 Spezielle Konzepte für Kundenbetreuung Neben allgemeinen Empfehlungen und Ableitungen zum Kundenkontakt und Kundenbesuch haben sich spezialisierte Konzepte der Kundenbetreuung etabliert. Eine besondere Bedeutung des Kunden (bspw. besonders großer Absatz und Umsatz oder besonders enge Entwicklungspartnerschaft) kann eine gesonderte Betreuung rechtfertigen. Zudem gibt es bestimmte Phasen in der Kundenbeziehung, wo die Beendingung der Zusammenarbeit droht. Auch hier kann eine besonders entwickelte Betreuungsstruktur helfen, diese Kunden zufrieden zu stellen und weiterhin zu binden.

6.8.1 Key Account Management Key Account Management (KAM) bedeutet, die wertvollsten Kunden (Schlüsselkunden) konzentriert durch hochqualifizierte Verkaufsmitarbeiter und ggfs. Techniker zu betreuen. Key Accounts sind die Kunden, „die zu verlieren Sie sich nicht leisten können.... und solche, die das Potenzial haben, diese Bedeutung für Sie zu erlangen.“699 Im Vorder-

698 Huber, Köstring, (Wachstum), 2022, S. 13. 699 Miller, Heiman, (Schlüsselkunden-Management), 1992, S. 27.

580 

 6 Vertriebspolitik

grund des KAM stehen Kundenberatung und gemeinsame Projekte. Ziele des KAM sind vor allem der Aufbau langfristiger Partnerschaften (Wertschöpfungspartnerschaften) und die Realisierung gemeinsamer Markterfolge. Man kann von einer Weiterentwicklung vom Verkauf von Produkten über den Verkauf von Lösungen bis hin zum Verkauf von Ideen und Ergebnissen sprechen. Key Account-Betreuer können in der Maximalausprägung für einen einzelnen Kunden zuständig sein, wenn die Potenziale diese intensive Bearbeitung und Betreuung rechtfertigen (Key Account Manager – „single account“). Abbildung 6.67 zeigt die Einordnung. Verkauf von Produkten

Verkauf von Lösungen

Verkauf von Ideen und Erkenntnissen Key Account Manager „multi accounts“

JuniorVerkäufer

Verkäufer

Key Account Manager „single account“

SeniorVerkäufer

Höhe der Kundenumsatzerlöse Anzahl der Kundenbeziehungen Zunehmende Seniorität Abbildung 6.67: Einordnung des Key Account Managements.

ABB hat ca. 800 Großkunden definiert, die im Rahmen individueller Betreuungsprogramme gepflegt werden.

KAM tritt in der Praxis in den Arten der Abbildung  6.68 auf. Zu Key Accounts zählen die wichtigsten Kunden, die hohe Anteile am Umsatz, am Ergebnis und am strategischen Zukunftpotenzial eines Lieferanten auf sich vereinen. Für die Hersteller von Konsumgütern gelten die Lebensmitteleinzelhandelsketten Rewe, Edeka, Markant, ALDI, Lidl, Norma, Markant und Globus als Key Account. Auch in einigen B2B-Märkten sind die Key Accounts strategisch vorgegeben; z. B. in der Automobilzulieferindustrie oder im Großanlagenbau. In B2B-Märkten mit vielen Kunden werden Key Accounts im Rahmen der Kundenqualifizierung zumeist nach Schlüsselgrößen Umsatz und Ergebnis vorselektiert und ergänzend strategisch beurteilt. Es zählt keinesfalls nur Umsatz. Schaut man nur auf Umsatzerlöse, dann orientiert sich die Praxis immer wieder an bestimmten Umsatzrelationen, um die Gruppe der Key Accounts abzugrenzen:

 581

6.8 Spezielle Konzepte für Kundenbetreuung 

FORMEN DES KEY ACCOUNT MANAGEMENTS Konsumgüter-KAM – Key Accounts sind die großen Handelskonzerne und Handelsketten, definiert durch Nielsen. – Hochqualifizierte Key Account Manager betreuen ausschließlich die Einkaufszentralen dieser Handelskonzerne (die Inlets). – Die Key Account Manager tragen die volle Umsatz- und Ergebnisverantwortung. – Parallel dazu betreut ein Flächenvertrieb die Outlets, überprüft die Einhaltung der Listungsverträge, sorgt für Regalpflege etc. – KAM in der Konsumgüterindustrie erfordert also eine Zangenstrategie.

BtoB-KAM – –

– –



Key Accounts sind zu bestimmen Hochspezialisierte Key Account Manager betreuen ausschließlich und mit voller Umsatz- und Ergebnisverantwortun g die Großkunden. Sie koordinieren Teams von Kaufleuten und Technikern. Oft gibt es keinen Flächenvertrieb wie in der Konsumgüterindustrie, sondern nur Betreuung der Werke durch Servicetechniker und Betreuung kleinerer Kunden vom Backoffice aus. In stark fragmentierten Märkt en kann es sein, dass ein Lieferant über keine Kleinkunden verfügt. Der gesamte Kundenstamm wird dann nach den Regeln des Key Accounting betreut.

Service-KAM –





Der Verkauf wird durch ein KAM im Sinne einer MarketingServiceabteilung unterstützt. Die Key Account Man ager beobachten den Markt, koordi nieren Einzelaktivitäten und schneiden individuelle Serviceprogramme auf die Bedürfnisse der großen Schlüsselkunden zu. Demzufolge haben die Key Account Manager dann keine Umsatzund Ergebnisverantwortung.

Pseudo-KAM –







Um Kunden oder Mitarbeiter aufzuwerten, erhalten einige oder alle Verkäufer den Titel eines Key Account Managers; die Kunden werden als Key Accounts angesprochen und aufgewertet. Die Verkäufer kümmern sich daher nicht ausschließlich um die wichtigsten Kunden sondern teilen KAMAktivitäten mit der Betreuung der anderen Kunden. (Teilzeit-KAM). Die Kunden leiten aus dem Titel Key Account oft Forderungen nach Sonderkonditionen und höherwertigen Serviceleistungen ab. Man kann auch von einem " unechten KAM " sprechen.

(vgl. Winkelmann, (Vertriebskonzeption), 2012, S. 595) Accounting betreut.

Abbildung 6.68: Formen des Key Account Managements.

– – –

Die Gruppe der Schlüsselkunden erbringt 50 – 60 Prozent vom Umsatz. Schlüsselkunden sind die ca. 20 Prozent größten Kunden, die nach der Pareto-Erfahrungsregel ca. 80 Prozent des Umsatzes auf sich vereinen. Schlüsselkunden sind automatisch die Top 10-Kunden.

Aus dieser stark umsatzlastig ausgerichteten Betrachtung lassen sich verschiedene strategische Stoßrichtungen für die Umsatzausweitung in der Zusammenarbeit mit Key Accounts ableiten: (1) Single Selling Strategie: Ausweitung des Umsatzes mit den bisherigen Produkten, (2) Cross Selling Strategie: Ausweitung des Umsatzes durch Verkauf von Produkten aus mehreren affinen Segmenten und Bereichen, (3) Up Selling­Strategie: bisher verkaufte Produkte durch höherwertige Angebote oder Produkte mit mehr Serviceleistungen austauschen,

582 

 6 Vertriebspolitik

(4) Erweiterte Up Selling­Strategie: Umsatzausbau durch Übernahme von Gesamtaufträgen, (5) Intellectual Challenge Selling: Kunden durch Beratungsleistungen zu neuen Problemlösungen bringen, die dann aus dem eigenen Produkt- und Dienstleistungsangebot bedient werden, (6) Strategic Selling: Gemeinsammit dem Kunden entwickelte Projekte vermarkten. B2B-Schlüsselkunden sollten nicht nur anhand quantitativer Zahlengrößen bestimmt werden. Strategische Beurteilungsgrößen müssen hinzutreten. Großunternehmen gehen oft standardisiert vor, um potenzielle Schlüsselkunden zu lokalisieren und dann innerhalb von wenigen Jahren planmäßig aufzubauen. Abbildung 6.69 zeigt eine Methodik für eine Schlüsselkundenauswahl.700 DIE KEY-ACCOUNT AUSWAHL DER FESTO AG ① Definition der interessantesten Branchen (nach Potenzial) ② Suche nach den weltweit größten Unternehmen in diesen Branchen, gemessen am Umsatz

③ Erstellung einer Top200-Liste (größte u. potenzialstärkste Unternehmen) ④ Technische und kaufmännische Analyse der Top200

Attraktivität: Umsatz, Potenzial, Wettbewerbssituation, Preissensibilität, Kundenimage, Meinungsbildnerfunktion) Aquisitionschanchen bei jedem der 200 Potenziale: u.a. Beziehungsqualität, Leistungserwartungen Segmentierungen: produktbezogen, logistisch, nach Auftragsabwicklungskompetenz, nach Branche. ⑤ Selektion und Clustering der Kunden (mit Portfoliotechnik) Definition der interessantesten Kunden als Key Accounts Abbildung 6.69: Key Account-Auswahl der Festo AG.

Im Vertriebsmanagement ist dafür Sorge zu tragen, dass sich Schlüsselkundenbetreuer und der Flächenvertrieb (Field Service) synergiehaft ergänzen. Während der Flächenvertrieb eine möglichst hohe Marktdurchdringung erreichen soll, zielt KAM darauf ab, (1) durch eine enge Zusammenarbeit mit dem Kunden Kompetenzen beider Seiten zu nutzen, um überlegene Produkte in oft kritische Märkte (z. B. Automobilzulieferung) zu bringen,

700 Ein früheres Schema der Festo AG: vgl.  Klebert, (Schlüsselkunden), in: ASW, 4/1999, S. 44–46.

6.8 Spezielle Konzepte für Kundenbetreuung 

 583

(2) gemeinsame Markterfolge sicher zu stellen, (3) durch eine intensive Betreuung eine hohe Kundenbindung zu erreichen,701 (4) durch die konzentrierte Bearbeitung (dem Kunden genau das geben, was er wirklich wünscht) Streukosten zu vermeiden (Problem des Flächenvertriebs), (5) durch Lieferanten-Kunden-Arbeitsgruppen Synergiepotenziale zu erschließen.

Reifegrad der Zusammenarbeit mit dem Kunden

Die Vorteile einer neuen KAM-Beziehung stellen sich für den Lieferanten manchmal erst nach Jahren ein. Die verschiedenen Stufen der Entwicklung hin zu einer vertrauensvollen Key Account-Beziehung können gut aus Abbildung 6.70 ersehen werden.

Vernetzung

Partnerschaft

Beziehung

Bindung

Beratung

Betreuung

Bearbeitung

Gemeinsame Visionen anstreben Übernahme von Kundenleistungen Kundenorientierung als Unternehmenskonzept Kundenindividuelle Problemlösungen Die Kundenbedürfnisse erfassen Den Kunden zuhören Miteinander sprechen

Abbildung 6.70: Stufen der Zusammenarbeit mit Key Accounts.702

Zunächst sollte die Geschäftsbeziehung mit einem Großkunden den Nutzen gegenseitiger Frühwarnungen bringen. Besteht eine gefestigte Vertrauensbasis, wird man die Chancen der Erhöhung von Lieferanteilen

701 Obwohl eine wissenschaftliche Studie aufzeigt, dass sich KAM-Beziehungen gar nicht so von den Beziehungen zu „gewöhnlichen“ Kunden unterscheiden: vgl. Ivens, (Key), in: ASW, 2/2003, S. 46. 702 Quelle: Biesel, (Key Accounts), 2015, S. 44.

584 

 6 Vertriebspolitik

durch Cross-Selling besser nutzen können. Weitere Vertrauensbildung durch bewährte persönliche Kontakte und bewiesene Win-Win-Transaktionen können im Endstadium zu gemeinsamer Zusammenarbeit (z. B. Marktforschung) und strategischen Allianzen führen. Abbildung  6.71 veranschaulicht Schritte zum Aufbau eines Key Account Managements.  Den Hauptschritten Zielfindung, Strategiebestimmung, Erarbeitung eines Organisationskonzeptes und Implementierung/Umsetzung sind in Abbildung  6.71 jeweils die wichtigsten Einzelaufgaben zugeordnet.

Aufbau eines Key Account Management Systems Ziele des KAM

KAM-Strategie

KAM-Organisation

KAM-Umsetzung

KAM-Philosophie Umsatz-, Ergebnisziele Ziele Marktanteile, Marktmacht Ziele Kompetenz, Kundenbindung Art u. Intensität des KAM Identifizierung von Key Accounts Qualifizierung von Key Accounts Intensität der Zusammenarbeit Individuelle Problemlösungen Dienst- und Serviceleistungen Definition der Mehrwerte Fachl./disziplinarische Zuordnung KAM-Personalstellen Abstimmung mit Flächenvertrieb Stellung in der Organisation Integration in das CRM-System Internetunterstützung

Mitarbeiter-Anforderungsprofil Rekrutierung KA-Manager Verantwortungen, Kompetenzen KAM-Prozesse gestalten KAM-Erfolgsplanung (KPi) KAM-Erfolgsmessung KAM

Abbildung 6.71: Aufbau eines Key Account Managements.

Hofbauer und Purle haben in der Entwicklung von Key Account-Betreuungsansätzen folgende Zusammarbeitsformen beschrieben:703 703 Hofbauer/Purle, (Vertriebsmanagement), 2022, S. 132.

6.8 Spezielle Konzepte für Kundenbetreuung 

 585

(1) Vertragliche Kundenbindung: Abnahmeverträge, globale Belieferungsverträge, etc. (2) Vermarktungsbezogene Kundenbindung: Vermarktungskooperationen, vermarktungsseitige Unterstützungen, (3) Ressourcenbezogene Kundenbindung: Expert Sharing, (4) Projektspezifische Kundenbindung: Zurverfügungstellung von spezifischem Projekt Know how, (5) Technologische Kundenbindung: Technologieplattformen, TestEquipment, (6) Innovationsbezogene Kundenbindung: Lead User, integrierte Produktentwicklung, (7) Servicebezogene Kundenbindung: Zurverfügungstellung kundenspezifischer Services, (8) Psychologische Kundenbindung: interpersonelle Kundenbeziehungen, persönliche Beeinflussung/Überzeugung, (9) Institutionelle Kundenbindung: Kapitalbeteiligungen. In der internen Organisation gelten für ein Key Account Management einige Besonderheiten. Der Key Account Manager kann die langfristige Ertragsentwicklung dem kurzfristigen Umsatz vorziehen, was eine bewusste Entscheidung gegen die Zielsetzungen des Flächenvertriebs ist. In den Anforderungen an die internen Unternehmensleistungen stellen Key Account Manager idR. deutlich höhere Anforderungen als klassische Kundenbetreuer. Soll ein Kunde mit großen Umsätzen auf lange Zeit gebunden werden, darf sich auch der Innendienst keine Schwächen erlauben. Eine Übersicht von Vor- und Nachteilen des Key Account Managements zeigt Tabelle 6.9 auf. Tabelle 6.9: Vor- und Nachteile des Key Account Managements.704 Vorteile des KAM

Nachteile des KAM

Synergieeffekte und Zusammenfassung von Einzelbemühungen zur umfassenden Lösung

Abhängigkeiten von Schlüsselkunden

Koordination interner Verkaufsaktivitäten

Hoher Koordinationsaufwand

Optimierung der Beziehungen zwischen Hersteller & Anwender in Produktsegmenten

Fehleinschätzungen aufgrund falscher Analysen und Bewertungen von Kunden

704 Quelle: in Anlehung an Hofbauer, Purle, (Vertriebsmanagement), 2022, S. 127 f.

Gehälter für Key Account Manager: Im Durchschnitt ca. 65 TEUR p.a.; Spitzengehälter bis zu 80 TEUR; plus ca. 11 TEUR Provisionen für mehr als die Hälfte (Quelle: www.compensation-partner.de, Sales Excellence 6/2022, S. 6).

586 

 6 Vertriebspolitik

Tabelle 6.9 (fortgesetzt) Vorteile des KAM

Nachteile des KAM

Bei Teilnahme an Kundenprojekten bereits im Rahmen der Planungsphase entsteht ein Vorsprung ggü. der Konkurrenz und eine bessere Einflussnahme auf den weiteren Verlauf

Auf Schlüsselkunden ausgerichtete Produkte zeigen oftmals nur beschränkte Verwertbarkeit bei anderen Kunden

Einheitliches und geschlossenes Auftreten beim Schlüsselkunden

Ständige Weiterentwicklung notwendig

Neukonstruktionen werden gleich an die Bedürfnisse der Schlüsselkunden angepasst

Hohe Anforderungen an den Key Account Manager

Bessere Ermittlung von Kundenanforderungen

Know how-Transfer

Durch systematisches Vorgehen schnellere und flexiblere Reaktion bei der Kundenbetreuung möglich

In vielen Marktsegmenten gibt es seit Jahren einen Trend zum KAM. Wegen hoher Vertriebskosten wird das Standardgeschäft zunehmend auf kostengünstige Verkaufskanäle, wie Innendienst/Inside Sales, Call-Center oder E-Commerce, verlagert. Der persönliche Verkauf übernimmt dagegen Elemente des KAM bei werthaltigen Kunden. Der Trend geht zu einer konzentrierten und stark beratenden Kundenbetreuung und damit zum Aufbau wertsteigernder Beziehungen in allen Marktbereichen. Ein gutes KAM steigert den Shareholder Value. Es ist allerdings gefährlich, beim Ausbau eines KAM Kleinkunden zu vernachlässigen – auch heutige Key Accounts haben in die Geschäftsbeziehung einmal als Kleinkunden gestartet. Die Anforderungen an die Mitarbeiter des Key Account Managements gehen über Anforderungen an klassische Außendienstmitarbeiter im Regionalvertrieb deutlich hinaus.  Abbildung  6.72 fasst diese Anforderungen zusammen.

6.8.2 Kleinkunden-Management und Inside Sales Nicht nur Großkunden verdienen eine besondere Aufmerksamkeit, sondern auch Kleinkunden. Wegen hoher Besuchskosten sind sie effizient und ressoucensparend zu beraten, zu betreuen und zu binden. Tabelle  6.10 enthält ausgewählte Vorschläge für eine kostengünstige Kleinkundenbetreuung.

6.8 Spezielle Konzepte für Kundenbetreuung 

 587

Cross-kulturelle und FremdsprachenKompetenz

Vertriebskompetenz

MarketingKompetenz

Verhaltens- und SelfAssessmentKompetenz

Notwendige KAMKompetenzen

Projektmanagementund Tool-Kompetenz

Führungs-, Motivations- und TeamentwicklungsKompetenz

Soziale Kompetenz (v. a. Koordinations-/ Kommunikations-/ Integrations-Komp.)

Fachlichtechnologische „QuerschnittsKompetenz“

Abbildung 6.72: Profil eines Key Account-Mitarbeiters.705 Tabelle 6.10: Empfehlungen für ein Kleinkunden-Management. Nr.

Empfehlungen für Kleinkunden-Management

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Außendienstbesuche nur in Ausnahmefällen Überwiegend Telefonbetreuung und E-Commerce Angebotsabgabe per Hand gleich auf Anfragemail Mindestpackungsgrößen – Standardisierung Mindestbestellmengen und Mindermengenzuschläge auf den Grundpreis Bündelung von Aufträgen – Sonderrabatt für Jahresauftrag Nebenleistungen in Rechnung stellen Bestellmengen-Pooling mit anderen Kleinkunden Kleinmengengeschäft an den Handel übertragen Kleinkunden für Referenzmarketing einspannen

Besondere Beachtung verdienen: – Kleinkunden, die beim Kundenstatus erst am Anfang der Kunden­ leiter stehen, jedoch über ein großes Einkaufspotenzial verfügen (Kleinkunden mit A- oder B-Kunden-Potenzial), – Kleinkunden mit erheblicher strategischer Bedeutung; z. B., weil sie ihren Lieferanten mit einer neuen Technologie in Kontakt bringen können.

705 Quelle: Hofbauer, Purle, (Vertriebsmanagement), 2022, S. 131.

588 

– –

 6 Vertriebspolitik

Kleinkunden im Ausland, die als Plattform für ein weiteres Vordringen im Auslandsmarkt fungieren, Kleinkunden mit hoher Referenzkraft, z. B. weil sie selbst Lieferanten von Marktführern sind.

In diesen Fällen können Kleinkunden eine hohe Betreuungspriorität erhalten, wie man sie sonst nur großen Key Accounts gewährt. Aus den Besonderheiten des Kleinkunden-Managements und dem starken Kostendruck in wettbewerbsintensiven Umfeldern hat das Konzept Insides Sales weite Beachtung gefunden. „Inside Sales: Um dem steigenden Kosten- und Wettbewerbsdruck, aber auch den sich wandelnden technologischen Rahmenbedingungen und den damit einhergehenden veränderten Kundenbedürfnissen gerecht zu werden, erfordert das Vertriebsmanagement eines Unternehmens heute den systematischen, strategischen und integrativen Einsatz von Telekommunikationstechnologien im gesamten Verkaufsprozess. Dies schließt insbesondere den Verkaufsabschluss aus der Ferne ein. Dadurch weiten sich die Aktivitäten, die nicht beim Kunden vor Ort ausgeführt werden, von rein unterstützenden Aktivitäten auf den gesamten Verkaufsprozess aus.“706 Verschiedene Kriterien werden von Schmidt und Kollegen angelegt, um die Optionen einer Inside Sales Betreuung zu identifizieren:707 (1) Produktmerkmale – Beschaffenheit des Leistungsangebots (materiell – immateriell) – Komplexität des Produkts (komplex – einfach) – Höhe des Preises (teuer – günstig) – Lock-In-Effekt (nein – ja) (2) Kundenmerkmale – geografische Verteilung (konzentriert – verstreut) – Technik-Affinität des Kunden (niedrig – hoch) – Akzeptanz von persönlichen Besuchen (hoch – niedrig) (3) Unternehmensmerkmale – Kosten des vor Ort-Besuchs (günstig – teuer) – Spezialisierungsgrad der Vertriebsmitarbeiter (Generalist  – Spezialist) – Besuchshäufigkeit der Konkurrenz (oft – selten) Die Erfahrungen aus der Corona-Zeit haben eindrucksvoll belegt, dass eine Inside Sales Orientierung gute Vertriebschancen besitzt. Unterneh-

706 Schmidt et al., (Inside Sales), 2017, S. 14. 707 Vgl. Schmidt et al., (Inside Sales), 2017, S. 14 ff.

 589

6.8 Spezielle Konzepte für Kundenbetreuung 

men können durch eine integrative Organsiation von Außen- und Innendiensttätigkeiten eine Vielzahl an Kunden betreuen. Umsatzstarke Kunden können entwickelt und betreut werden. Kleinkunden können auf Distanz aus dem Inside Sales Team betreut werden. Neben der unternehmensinternen Betrachtung der Distanzbetreuung zeigt sich, dass Kunden sogar fallweise die Distanzbetreuung vorziehen. Außendienstbesuche benötigen Zeit und sind auch für Kunden aufwändig. Sind keine großen inhaltlichen Themen zwischen Anbieter und Kunden zu besprechen, können die Kontakte zur Kundenpflege und -betreuung durchaus über die Distanz bspw. mittels Videocall durchgeführt werden. Kundenbetreuung

A/B

C

AD

IS

Kunde

IS

C

Mitarbeiter

Mitarbeiter

AD

A/B

AD

IS

Kunde

C

A/B

C

Mitarbeiter

Kunde

A/B

Kunde

kooperativ

Mitarbeiter

getrennt hybrid

Rollen- / Tätigkeitsaufteilung

exklusiv

AD

IS

Abbildung 6.73: Umsetzungsvaranten des Inside Sales.708

Abbildung  6.73 zeigt verschiedene Ausprägungsvarianten des Insides Sales-Ansatz (AD=Außendienst-Verkauf, IS=Insides Sales-Verkauf). Es kann sowohl die klare Trennung der Zuständigkeiten geben („getrennt“) wie auch ein hybrider Ansatz der Zusammenarbeit aufgesetzt werden kann. Großkunden (A- und B-Klassifizierung) erhalten eine Außendienstbetreuung, C-Kunden werden zentral aus dem Inside Sales-Team betreut. Der 708 Quelle: Schmidt et al., (Inside Sales), 2017, S. 19.

590 

 6 Vertriebspolitik

hybrid-kooperative Ansatz wirkt dabei wie die optimale Kundenbetreuung, fallweise vor Ort, fallweise über Distanz – dabei erfordert er aber auch die größte gemeinsame Abstimmung und zeigt auch Konfliktpotenziale zwischen Außendienst und Inside Sales Team auf. Unklare Verantwortlichkeiten und schlechte Dokumentation sind nur einige Ausprägungen, die diese Struktur annehmen kann, wenn sie nicht eindeutig angeleitet wird. Die Organisation des Zusammenspiels ist entscheidender Erfolgsfaktor.709 Ergänzend zur klaren Umsatzzielsetzung des Inside Sales etabliert sich das sog. Inbound Selling. Inbound Selling beschreibt die Nutzung von Kunden initiierter Gespräche für Verkaufsprozesse.710 Kunden wenden sich mit Rückfragen zu den Produkten und Dienstleistungen an das Unternehmen. Im Beratungsgespräch können den Kunden ergänzende oder neue Angebote unterbreitet werden. Diese Verkaufsprozesse können dann direkt vom im Gespräch befindlichen Mitarbeiter geführt werden oder an spezialisierte Fachkollegen gegeben werden.

6.8.3 Beschwerdemanagement

Reklamationen bergen große Risiken – vor allem auf Beziehungsebene.

Wo gehobelt wird, fallen Späne. Eine beanstandungsfreie Geschäftsabwicklung ist Illusion. Beanstandungen oder Beschwerden sind Ausdruck von Unzufriedenheiten der Kunden. Sie sind ebenso ernst zu nehmen wie Reklamationen, bei denen der Kunde seine Unzufriedenheit mit einer kaufrechtlichen Forderung verbindet. Man beachte, dass der Kunde neben einer Beschwerdeäußerung – stillhalten und Unzufriedenheiten aufstauen kann, – unbemerkt einen Lieferantenwechsel vorbereiten und durchführen kann, – imageschädigende Mund-zu-Mund-Propaganda betreiben kann. Dann ist es schon besser, der Kunde meldet sich zu Wort und gibt dem Vertrieb die Chance, die Beanstandung dauerhaft zu bereinigen. Empirische Untersuchungen belegen:711 – 96% der unzufriedenen Kunden melden sich nicht. Hinter jeder Reklamation stehen also 24 schweigende, unzufriedene Kunden. – Unzufriedene Kunden informieren im Schnitt 9 – 10 Personen über ihre schlechten Erfahrungen – auch wenn diese unberechtigt sind. 709 Vgl. Tubbesing, (Hybrid verkaufen), 2022, S. 32 f. 710 Vgl. Beutin, Riveiro, (Inbound Selling), 2017, S. 86. 711 Vgl. Becker, (Marketing-Konzeption), 2009, S. 81–82 sowie die dort angegebenen Studien.

6.8 Spezielle Konzepte für Kundenbetreuung 





 591

70% der Kunden, die sich beschwert haben, fühlen sich gebunden und wechseln den Lieferanten nicht. Das gilt insbesondere dann, wenn sie eine schnelle Antwort auf ihre Beanstandung erhalten.712 Bei exzellenter Beschwerdeabwicklung steigt die Wiederkaufrate auf 95%.

Beschwerden bieten Ansatzpunkte für mehr Kundennähe, Verbesserung der Kundenzufriedenheit und Erhöhung der Kundenbindung. Deshalb soll es sogar Unternehmen geben, die bis zu einem gewissen Grad Beanstandungen provozieren, um nach professioneller Abwicklung Treuebeweise von begeisterten Kunden zu erhalten.713 Generell ist von dieser Vorgehensweise natürlich abzuraten. Zu groß erscheint die Gefahr, eine negative Entwicklung anzuschieben, die später nicht mehr beherrschbar ist. Und auch bei zufriedenstellender Reklamationsbereinigung hat der Verkäufer höchstens eine zweite Chance. Geht wieder etwas schief, ist das Kundenvertrauen nachhaltig verletzt. Um trotz Reklamationen Kunden zu halten bzw. das nötige Maß an Kundenbindung zu sichern, sollten Marketing und Vertrieb den Prozess der Reklamationsaufnahme, ­auswertung und -bereinigung kundenorientiert organisieren. Einzurichten ist ein computergestütztes Beschwerde­ management mit den Funktionen:714 (1) Problembeseitigung (Reparaturfunktion) zur Lösung des faktischen Problems und dadurch zur Bereinigung eines u. U. auch rechtlich kritischen Vorgangs. (2) Kundenbindungsfunktion715 zur Sicherung der durch den kritischen Vorgang gefährdeten Kundenbeziehung (selbst bei materiell kleinem Schaden), (3) Lernfunktion, um die Beschwerden zur Beseitigung des Reklamationsgrundes und zur ständigen betrieblichen Leistungsverbesserung zu nutzen, (4) Anreizfunktion, um Mitarbeiter und Abteilungen für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu motivieren, (5) Imagefunktion, um die aufgrund der Beschwerden eingeleiteten Verbesserungen positiv in den Markt zu verkünden.

712 Vgl. Bandorf, (Kunde), 1998, S. 150. 713 Vgl. das Beispiel bei Bandorf, (Kunde), 1998, S. 81. 714 Zu den Funktionen 1 und 3 vgl. Günter, (Beschwerdemanagement), 2012, S. 335–342. 715 Auf diesen wichtigen Punkt weisen Jeschke und Schulze hin: vgl. Jeschke; Schulze, (Beschwerdemanagement), 1999, S. 404–405.

592 

 6 Vertriebspolitik

Wie wichtig gerade diese letzte Funktion ist, zeigen Störfälle in der deutschen Chemieindustrie oder die Rückrufaktionen der Automobilhersteller. Bei dieser Funktion geht es weniger um die einvernehmlichen Lösungen mit Kunden als vielmehr um die Sicherung eines positiven Unternehmensbildes (des Corporate Image) in der Öffentlichkeit. Abbildung 6.74 zeigt Prozesse und Arbeitsbereiche eines Beschwerdesystems.  Unternehmen, wie z. B. Rank Xerox, haben ihr Beschwerdemanagement EDV-gestützt optimiert. Werden Kundenbeschwerden nicht beantwortet oder bestimmte Bearbeitungsfristen überschritten, wird das System selbst aktiv und gibt z. B. Meldungen an die nächsthöhere Vorgesetztenebene (Eskalationsprinzip).716

BESCHWERDEMANAGEMENT-PROZESS

KVP = kontinuierlicher Verbesserungsprozess und Target Design

Beschwerdenachbearbeitung

Beschwerdecontrolling

Beschwerdebearbeitung

Beschwerdedokumentation und -reporting

Beschwerdeannahme

Beschwerdeauswertung

Beschwerdestimulierung

Abbildung 6.74: Beschwerdemanagement-Prozess.

Tabelle 6.11 enthält ausgewählte Empfehlungen für Beschwerdestimulierung, Beschwerdeannahme, Beschwerdebearbeitung und -nachbearbeitung.

716 Vgl. Bandorf, (Kunde), 1998, S. 153–154.

6.8 Spezielle Konzepte für Kundenbetreuung 

 593

Tabelle 6.11: Empfehlungen für ein Beschwerdemanagement. Nr.

Empfehlungen für ein Beschwerdemanagement

1

Kunden sollten aktiv zu Beschwerden ermutigt werden.

2

Für die Beschwerdeannahme sollten Möglichkeiten, Anlaufstellen und Zuständigkeiten festgelegt und bekannt gemacht sein (Hotline, Kummerkasten, Kundentelefon, Kundendienst etc.).

3

Jeder Mitarbeiter sollte sich als Beschwerdemanager begreifen. Es gilt das Prinzip der complaint ownership: Der Ansprechpartner, der die Beschwerde entgegennimmt, ist zuständig. Kunden mit Beanstandungen werden nicht weitergereicht.

4

Beanstandungen und Reklamationen sollten standardisiert erfasst werden (in einem CRM-System).

5

Für die effiziente Abwicklung sollten Zeitlimits gelten: Ist eine Beschwerde nicht innerhalb von x Tagen bereinigt, ist der Vorgang automatisch der nächsthöheren Verantwortungsebene zu melden.

6

Der Stand der Bearbeitung sollte nach dem Workflow-Verfahren für alle betroffenen Abteilungen sichtbar bzw. verfolgbar sein.

7

Die Schäden auf Kundenseite sollten nach einem System bewertet werden (s. Text). Für die Schadensbereinigungen mit den Kunden sollten klare Regeln gelten.

8

Bei größeren Reklamationen, insbes. bei Reklamationen seitens Großkunden, sollten gemeinsame Lösungsvorschläge erarbeitet werden. Nach einem festgelegten Zeitraum nach Bereinigung ist nachzufassen und die Kundenzufriedenheit erneut zu überprüfen.

9

Kleine Reklamationen sollten unbürokratisch und vor allem schnell bereinigt werden. Man komme dem Kunden ein wenig mehr entgegen, als er erwartet.

10

Es gilt der eherne Marketinggrundsatz: Ein Kunde reklamiert nie zu Unrecht!

Für Kulanzregelungen mit Kunden gelten verschiedene Empfehlungen: – Alltagsbeschwerden ohne große Schäden auf beiden Seiten sollten rasch im Wege standardisierter Reaktionen bereinigt werden, die Kunden keine Anlässe zu weiteren Diskussionen bieten. – Ist größerer emotionaler Schaden entstanden, dann sollten zu einer finanziellen Entschädigung noch persönliche Gesten durch Geschäftsführung oder Vertriebsleitung hinzutreten. – Nicht zu unterschätzen ist die persönliche Geste auch im Falle eines nur geringen materiellen Schadens. – Sind größere materielle Schäden zu verzeichnen, dann ist nach dem Prinzip der kalkulierten Kulanz vorzugehen. Trägt der Kunde

594 





 6 Vertriebspolitik

eine Mitschuld, können durchaus Kompromisslösungen verhandelt werden. Schäden, die die Öffentlichkeit berühren, sollten nicht hinter dem Berg gehalten werden. Es gilt das Primat der Imagesicherung. Zu groß ist bereits das Misstrauen der Öffentlichkeit bezüglich Umweltschäden, Fahrlässigkeiten, Korruption etc. Entscheidend sind Beweise für Kunden und Öffentlichkeit, dass die Ursachen der Probleme dauerhaft abgestellt sind. Nach Abschluss der Kulanzregelung sollten die „Beschwerdekunden“ im Rahmen eines speziellen Kampagnenmanagments nachbetreut werden.

Zusammenfassend kommt es darauf an, Kundenbeschwerden positiv zu akzeptieren und für kontinuierliche Verbesserungsprozesse zu nutzen (KVP). In jeder Beschwerde oder Reklamation kann eine Verkaufschance verborgen sein. Schwieriger zu vermeiden sind Umsatzverluste bei schweigenden Kunden.

6.8.4 Kundenrückgewinnungs-Management Groß ist die Enttäuschung, wenn ein Kunde seinem Zulieferer überraschend eröffnet, dass er in Zukunft beim Wettbewerber einkaufen wird. Sofort kommen im Verkaufsteam schlechtes Gewissen und die Frage auf: Hätten wir das nicht früher schon irgendwie bemerken können? Lieferantenwechsel passieren, besonders bei erklärungsbedürftigen Produkten, nicht über Nacht. Sie kündigen sich durch frühe, stille Signale an. Diese aufzuspüren und damit umzugehen, ist Sache des Churn­Management.717 Der Begriff Churn ist eine Kombination von Change und Turn. Kunden, die abspringen möchten, sollen wieder umgedreht werden. Insbesondere für Banken und Versicherungen ist diese Aufgabenstellung von herausragender Bedeutung. Tabelle 6.12 stellt eine Auswahl früher Signale für einen Kundenverlust zusammen, auf die Marketing und Vertrieb achten können. Seinen Kunden gut zu kennen, ist eine Grundvoraussetzung zur proaktiven Verhinderung von Kundenabgängen.

717 Vgl.  z. B. die Ausführungen bei Winkelmann, (Außendienst-Management), 1999, S. 208–209.

6.8 Spezielle Konzepte für Kundenbetreuung 

 595

Tabelle 6.12: Frühe Signale für eine Kundenabwanderung. Nr. Frühe Signale für eine Kundenabwanderung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Nachlassender Druck des Kunden Nachlassende Freundlichkeit des Kunden Kunde fasst sich zusehends kürzer Der Kunde will nicht mehr besucht werden Außendienstmitarbeiter wird nicht mehr an den Messestand oder zum Event eingeladen Verändertes Bestellverhalten des Kunden. Aufträge werden immer kurzfristiger vergeben Kunde reklamiert zunehmend Kleinigkeiten Neue Spezifikationen enthalten Referenzwerte der Konkurrenz Nachlassendes Interesse des Kunden an Rahmenaufträgen Kunde ist nicht mehr zur Referenzabgabe bereit

Ist der schlimmste Fall eingetreten, d. h. vergibt der Kunde Folgeaufträge an Wettbewerber, dann scheut der Außendienst oftmals intensive Rückgewinnungsaktionen. Folgende Gründe werden angeführt: (1) Es ist den Außendienstmitarbeitern peinlich, Fehler einzugestehen und bei den verlorenen Kunden wie Bittsteller aufzutreten. (2) Man fürchtet die vernichtende Kundenaussage: „Ja, wenn ich gewusst hätte, wie gut die Konkurrenz arbeitet, hätte ich schon viel eher beim Wettbewerb gekauft“. (3) Man befürchtet, verlorene Kunden nur unter erheblichen Preiszugeständnissen zurückgewinnen zu können. Aktuelle Untersuchungen lassen zweifeln, ob die letzte These Allgemeingültigkeit beanspruchen darf. Erhebungen in unterschiedlichen Branchen belegen für systematische Rückgewinnungsprogramme Erfolgsquoten bei den Zielkunden von 11 bis 40 Prozent. Die Renditen liegen zwischen bemerkenswerten 40 und 80 Prozent.718 Auf Grund einer empirischen Erhebung formulieren Sauerbrey und Henning folgende Thesen zum Kunden-Rückgewinnungs-Management:719 – Kündigungsquoten (besonders in den Dienstleistungsbranchen) werden nicht sinken. – Ein professionelles Rückgewinnungsmanagement verspricht hohe Erfolgsquoten. – Die wichtigsten Erfolgsfaktoren für die Kundenrückgewinnung sind: starke Motivation und hohe fachliche und kommunikative Fähigkei718 Vgl.  Homburg; Schäfer, (Ehemalige Kunden), in: FAZ v. 15.2.99, S.  29 sowie die Ergebnisse einer Studie von Sauerbrey; Henning, (Kunden-Rückgewinnung), 2000, S. 13–39. 719 Sauerbrey; Henning, (Kunden-Rückgewinnung), 2000, S. 19–20.

596 

– – –

 6 Vertriebspolitik

ten der Mitarbeiter, ausgereifte Database-/IT-Unterstützung, richtiges Timing der Rückgewinnnungsmaßnahmen, Schaffung von kundenindividuellen Anreizen zur Rückkehr sowie exakte Zielkunden-Selektion. Die Bindungsdauer zurückgewonnener Kunden ist im Durchschnitt nicht schlechter als die von Stammkunden. Die Kostenrelationen zwischen Neukunden-Akquisitionen, KundenRückgewinnung und Kundenbindung liegen bei 6 zu 3 zu 1. Bei Rückgewinnungsaktionen sind ROI von 20% und (weit) mehr erzielbar.

Für Kundenrückgewinnungs-Management empfiehlt sich folgende Checkliste:720 (1) Ursachen des Kundenverlustes analysieren und beseitigen (2) Attraktivitäten (Kundenwertigkeiten) der verlorenen Kunden unter­ suchen. (3) Chancen und Kosten eines möglichen Rückgewinnungserfolges abgleichen. (4) Einzelne Rückgewinnungsmaßnahmen in Kontaktprogramm festschreiben (Planung einer Rückgewinnungs-Kampagne), (5) Mögliche Zugeständnisse und Argumente für eine neuerliche Aufnahme der Geschäftsbeziehung im Voraus festlegen (gut durchdachte Vorbereitung der Argumente notwendig). (6) Behutsame und langfristig angelegte Vorgehensweise ins Auge fassen, wenn ein früherer Kunde bereits einen längerfristigen Liefervertrag mit einem Konkurrenten abgeschlossen hat. (7) Generell: Nicht der Rückblick sollte im Vordergrund der Gespräche mit dem Kunden stehen, sondern konkrete Vorteile, die ein Wie­ dereinstieg bei dem früheren Lieferanten bringt. (8) Zurückgewonnene Kunden sind eine Zeitlang mit hoher Priorität zu betreuen! Eine Denkaufgabe ist der Kostenvergleich Neukundengewinnung versus Kundenrückgewinnung. Müsste man eigentlich für zurückgewonnene Kunden doppelte Kosten in Ansatz bringen? Sie waren früher schon einmal Neukunden und haben früher Akquisitionskosten verursacht. Entscheidender ist die Erfahrung, dass Kundenrückgewinnung kostenintensiver ist als Kundensicherung (Customer Retention). Kunden-

720 Vgl. auch die Handlungsempfehlungen bei Winkelmann, (Außendienst-Management),1999, S. 231.

6.9 Verkaufen über das Internet 

 597

verluste lassen sich allerdings nicht vermeiden. Von Praxisrelevanz sind daher die strategischen Alternativen: – kontinuierliche Neukundensuche, um den Verkaufstrichter nicht austrocknen zu lassen; allerdings mit der Folge entsprechender Einschränkungen bei der Stammkundenpflege, versus – diskontinuierliche Rückgewinnungsaktionen im Rahmen von Kampagnen, oft in Zusammenarbeit mit Call-Center und Direktmarketing-Agenturen. Bislang stand die Rückgewinnung durch eigene Außendienstmitarbeiter im Mittelpunkt. Der Direktvertrieb in den Formen des Besuchs- oder Distanzverkaufs ist aber nur eine von mehreren Wegen, einen Kunden zurückzugewinnen. Verkaufsunterstützung durch das Inside Sales, das Internet sowie E-Commerce haben sich in den letzten Jahren zu praxisrelevanten Alternativen der Kundenrückgewinnung entwickelt.

6.9 Verkaufen über das Internet Was 1969 als Arpanet des Pentagon zur Sicherung der weltweiten Computerdatenbanken gegen einen globalen Atomschlag begann, hat sich mittlerweile zur „größten Innovation seit Erfindung der Dampfmaschine“ entwickelt. Das Internet hat unsere beruflichen und privaten Welten gravierend verändert.721 Kaufen und Verkaufen im Internet kennt viele Anwendungsarten. E-Business ist der Oberbegriff für Anwendungen, wobei zum E-Business auch unterstützende Hardware und Internet-Serviceleistungen zählen. Abbildung 6.75 verdeutlicht die Bedeutung des World Wide Web für ausgewählte Wirtschaftsbereiche.722 Allen Märkten bietet das Internet die Vorteile einer zeitlich und räumlich unbegrenzten und kostengünstigen Kommunikation, niedrige Eintrittbarrieren und die Vision, dass in der virtuellen Welt kleine wie große Unternehmen gleiche Chancen haben. Das Internet ist der Schlüssel zur Globalisierung. Der Zusammenbruch der sog. New Economy vor 20 Jahren brachte nur eine Atempause für den Siegeszug des WWW. Offline und Online fin721 Vgl. für einen umfassenden historischen Überblick: Hermanns; Sauter, (Electronic Commerce), 2001. 722 Vgl. Hermanns; Sauter, (Electronic Commerce), 2001, S. 25 – trotz aller Weiterentwicklungen auf technischer Ebene haben sich die grundlegenden Verkaufsoptionen im digitalen Umfeld seit vielen Jahren etabliert.

598 

 6 Vertriebspolitik

E-BUSINESS IN VERSCHIEDENEN MARKTBEREICHEN Administration

Consumer-to-Business: z. B. Jobbörsen mit Anzeigen von Arbeitssuchenden

Consumer-toAdministration: z. B. Steuerabwicklung von Privatpersonen (Einkommenssteuer etc.)

Business-to-Consumer: z. B. Bestellung eines Kunden in einer Internet-Shopping Mall

Business-to-Business: z. B. Bestellung eines Unternehmens bei einem Zulieferunternehmen über die Cloud

Business-to-Administration: z. B. Steuerabwicklung von Unternehmen (z.B. Umsatzsteuer)

Administration-to-Consumer: z. B. Abwicklung von Unterstützungsleistungen (Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe)

Administration-to-Business: z. B. Beschaffungsmaßnahmen öffentlicher Institutionen im Internet

Administration-toAdministration: z. B. Transaktionen zwischen öffentlichen Institutionen im Inund Ausland

Consumer

Consumer-to-Consumer: z. B. InternetKleinanzeigenmarkt

Business

Anbieter der Leistung

Business

Administra tion

Consumer

Abbildung 6.75: E-Business-Marktbereiche.

den sich seither zu einer neuen Real Economy zusammen. Ein- und Verkaufen im Internet wird zur täglichen Routine. Die historische Entwicklung dieses Erfolgsweges lässt sich anhand von 20 ausgewählten Phasen und Ereignissen skizzieren: – 1992: Mit dem Buch Snow Crash schuf Neil Stepenson die Idee des Metaverse, die ab den 2020-er Jahren Realität zu werden scheint. – 1994: Joe McCambley entwickelt die Idee der Banner, und AT&T schaltete die erste Banner-Werbung online. – 1995: Brochureware: die Versender übertragen Kataloge im großen Stil in das Internet. – 1997: E-Commerce: Start des Booms des Online-Verkaufs, der E-Shops, des digitalen Versandhandels. – 1999: Ausweitung der engen E-Shops auf virtuelle Portale und Marktplätze in B2C und vor allem B2B. – 2001: eCRM, erste Ansätze, die Ideen und Funktionalitäten von Customer Relationship Management (CRM) in das Internet zu übertragen. – 2002: Philip Rosedale setzt die Second Life Idee um. – 2005: E-Enterprise, E-Supply Chain Management, E-Procurement, d. h. Übertragung sämtlicher Geschäftsprozesse in das Web und ab 2010 zunehmende Übernahme von Daten und Prozessen in eine Cloud (Cloud Computing). – 2008 Web 2.0, d. h., „Kunden machen Marketing“. – 2009 mobile Business der neuen Generation. – 2009: WhatsApp beginnt einen Siegeszug als Instant-Messaging Dienst (seit 2014 Teil von Meta Platforms).

6.9 Verkaufen über das Internet 

– – – – – –







 599

2010 der Durchbruch Social Media. 2012: Palmer Luckey schiebt den Hype um die Virtual Reality (VR, virtuelle 3D-Welten) an. 2013: Telegram wird von den Brüdern Nikolai und Pawell Durow gegründet. 2014 Web 3.0: Gavin Wood prägt diesen Begriff für eine neue Generation des World Wide Web, die auf der Idee der Blockchain basiert. 2016: Mit dem Videoportal TikTok (in China Doujin) steigen die Chinesen in den Social Media Markt ein. 2018: Mit Google Ads (vorher AdWords) promotet Google ein Werbetool, das Werbeanzeigen automatisiert – in Abhängigkeit vom Suchverhalten – schalten kann. 2021: Mark Zuckerberg sieht die Zukunft in einer futuristischen Parallelwelt und firmiert seine Facebook Inc. in Meta Platforms Inc. um. Gartner schätzt, dass bis 2026 ein Viertel der Menschheit täglich mindestens eine Stunde im Metaverse verbringt, 40 Prozent der Konsumenten können sich heute vorstellen, in Zukunft im Metaverse einzukaufen.723 2020–2021: Die Corona-Pandemie beschleunigt eine Home-OfficePhilosophie – Business Anwendungen werden via Internet für eine Masse von Arbeitnehmern in die heimische Umgebung übertragen. 2022: Die EU einigt sich auf ein Gesetz gegen Hass und illegale Inhalte im Internet, das Plattformanbietern eine Löschungsverantwortung zuweist.

Vieles sieht nach Glamour und Ausleben von Kreativität aus. Doch in der Realität stehen hinter den bahnbrechenden Internet-Innovationen Marketingideen und Geschäftsmodelle. Am Ende geht es auch um das Verkaufen.

6.9.1 E-Commerce Unter E-Commerce wird digitaler Handel im Internet verstanden. Kriterien für E-Commerce sind Transaktionen (Verkauf), nicht Werbung. Social-Commerce (früher Facebook-Commerce, kürzer: F-Commerce) gilt als spezielle Spielart. Die Verkaufsfunktionalität ist in eine soziale Plattform integriert. Der Kunde braucht die Social Media Plattform nicht verlassen, um eine Bestellung zu tätigen.

723 Vgl. den Hinweis in der ASW, 6/2022, S. 37.

„E-Commerce ist die moderne Form des Versandhandels.“ (Michael Otto, in: MM, 6/2003, S. 80)

600 

Singles Day in China: Der Shop Alibaba hat als Spitzenwert in 2020 sagenhafte 583.000 Bestellungen in einer Sekunde registriert.

 6 Vertriebspolitik

Im Konsumgüterbereich hat der Online-Handel den klassischen Versandhandel umsatzmäßig verdrängt. Der Online-Handel hält mit 71,5 Mrd. Euro Umsatz im Jahr 2021 einen Anteil von 14,1 Prozent am gesamten deutschen Einzelhandelsumsatz (lt. ZAW 505.9 Mrd. Euro) und von 85 Prozent am gesamten Versandhandel (84 Mrd. Euro lt. Statista). Ein mindestens ebenso starkes Wachstum verzeichnet der Internet-Handel für gewerbliche Märkte. Der digitale B2B-Umsatz in Deutschland betrug bereits im Jahr 2003 103 Mrd. Euro. Für 2021 schätzt das IFH Köln den B2B E-Commerce auf 1,3 Billionen Euro. Die erheblichen Transparenz-, Effizienz- und Kostenvorteile des Internet machen die digitalen Werbe- und Verkaufskanäle gleichermaßen für Lieferanten, Anbieter und Käufer attraktiv. Es erscheint möglich, aus Effizienz- und Kostengründen teure Besuchs-Außendienste zumindest partiell durch E-Commerce zu substituieren. Abbildung 6.76 betrachtet Chancen und Risikien von E-Commerce im Vergleich zu persönlichem Verkauf. Allerdings ist es nicht ratsam, Außendienst und E-Commerce als Konkurrenten zu betrachten. Im Rahmen des Hybriden Verkaufs/Hybrid Selling ergänzen sie sich. Der Trend geht zum Multi Channel Marketing, in dem Kommunikations- und Verkaufskanäle zu einem integrierten Ganzen gebündelt werden.

Chancen und Risiken von E-Commerce im Vergleich zum Außendienst Vorteile und Chancen gegenüber konventionellem Außendiensteinsatz – – – – – – – – – – – – – –

Einsparung von Außendienstkosten Entlastung von Innen- und Außendienst Kunde übernimmt Teil der Auftragsabwicklung Schnelle Aktualisierung von Preisen u. techn. Daten Kunde kann Infos zeitlich unbegrenzt abrufen Kunde kann Infos standortunabhängig abrufen Kunde kann Infos bei Bedarf abrufen Kunde kann Infos wiederholt abrufen Antwortstandardisierung für ca. 60% aller Fragen Kunde hat auch privat Zugang zu den Daten Präzisere Steuerung von Produktpräsentationen Flexible Erfassung von Beanstandungen, Reklamat. Flexible Terminabsprachen über E-Mail und www Surfen regt evtl. zu Spontankäufen an

– – – – – – – – – – – – – –

Nachteile und Risiken gegenüber konventionellem Außendiensteinsatz Manche Kunden bestehen auf persönl. Gespräch Wettbewerbssituationen undurchschaubar Buying-Center des Kunden schwerer durchschaubar Kundenerwartungen weniger transparent AD ist nicht mehr „alleiniger Hüter“ des Kunden Kunde kann nicht persönlich „gecoached“ werden Individueller Dienst am Kunden erschwert Klassische Preisverhandlung nicht möglich Preisdifferenzierung (insbes. regional) erschwert Evtl. wird Provisionssystem des AD unterlaufen Markenführung wird wichtiger als Kundenbetreuung Gefahr einer Corporate Identity Verwässerung Außendienst muss Web-Inhalt gut kennen Innendienst verliert Betreuungskompetenz

Abbildung 6.76: Chancen und Risiken von E-Commerce im Vergleich zum Außendienst.

„Wir liefern von der Hallig bis zur Alm.“ (Helmuth Lüchau, Otto Group)

Unternehmen verfolgen im Internet verschiedene Geschäftsmodelle: (1) E-Commerce ist als Markterschließungsinstrument für kleine Firmen und Existenzgründer interessant, die hinsichtlich Verkaufskraft und Flächendistribution beschränkt sind. Sie können mit Hilfe des

6.9 Verkaufen über das Internet 

(2)

(3)

(4)

(5)

(6)

 601

Internet weltweite Kundengewinnung und Betreuung ohne kostspieligen Außendienst und Vertriebspartner anstreben. Beim Sachgütervertrieb gehört zur Online-Strategie leistungsfähige Logistik. E-Commerce ist für die Hersteller eine Alternative, die konsequent auf Online-Direktvertrieb setzen. Bei einer handelsausgrenzenden Vertriebsstrategie sind Distanzberatung und eine exzellente Logistik erfolgsentscheidend. Der Begriff D2C (Direct-2-Consumer) bringt diesen neuen Direktvertrieb zum Ausdruck. 60% der Kunden bevorzugen den Kauf beim Hersteller, wenn er eine Alternative zum Kauf über Zwischenhändler darstellt.724 Bei der handelsintegrierenden Internetstrategie baut sich der Hersteller einen direkten, meist werblichen Kontakt zum Kunden auf, leitet dann Kundenkontakte an die Handelspartner zurück, die für die jeweilige Kundenregion verantwortlich sind (Bsp.: Miele, Philips, Loewe Opta oder die Automobilhersteller). Hersteller beschaffen sich gezielt Markt-Know how, um Leistungsangebote besser auf Kundenwünsche ausrichten zu können und um vertrieblich Druck auf den Handel auszuüben. Sie versuchen, den Handel in ihre Verkaufsstrategie zu integrieren. Handelskonzerne reagieren mit eigenen Webauftritten, indem sie in die eigenen Webshops aufnehmen oder ihnen Zugang zu den Verkaufsplattformen gewähren, (Bsp.: Webshops: Thomann, Galeria, Bsp. Plattformen: amazon, Otto, About You). Für Hersteller wie Kunden sind diese digitalen Angebote attraktiv, da Sortimente gebündelt werden. Konsumenten wollen nicht sofort kaufen. Zunächst informieren sie sich über Angebote im Internet, um dann in gezielt auf die online beworbenen Produkte digital oder vor Ort zuzugreifen. Im Rahmen des Multi Channel Marketing verlagern Unternehmen den Verkauf von standardisierten Artikeln (Commodities), Ersatzteilen, spezifizierten OEM-Komponenten oder Informationsdienstleistungen auf E-Commerce-Shops. Im Rahmen von Extranets oder geschlossenen Foren, Blogs oder Social Media Communities kann jeder Kunde seine relevanten Daten mit den für ihn gültigen Konditionen und Vorgangsinformationen im Web abrufen und Prozesse anstossen. Im Vertrieb werden Ressourcen für die Verkaufsberatung frei. Letztlich bietet E-Commerce auch dem nicht-konzerngebundenen stationären Handel neue Verkaufschancen. Das klassische Laden­ geschäft wird durch einen Onlineshop ergänzt oder ersetzt.

724 Vgl. o. V. (Direktvertrieb), 2022, S. 6.

602 

 6 Vertriebspolitik

(Click-and-Mortar-Unternehmen). Der Shop erreicht 24 Stunden die Kunden. Der Kunde bestellt vom PC oder Smartphone  – ohne Parktplatzsuche und Einkaufsgedränge. Google unterstützt Händler beim Aufbau optimierter Shops Nach dem Fernabsatzgesetz (heute im BGB) können die Kunden bei einem Internet-Kauf ein Produkt innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zurückgeben. Viele Unternehmen weiten diese Frist als besondere Kundendienstleistung aus.  Die Initiative, einen Onlineshop aufzurufen, geht vom Kunden aus. Internet-Händler mit langweiligen oder schlecht perfomenden Web-Auftritten haben es schwer, Online-Käufer zu gewinnen. Dagegen kommen die Vorteile von E-Commerce bei einem lebendigen und mehrwerteübertragenden Kundendialog zum Tragen. Die wesentlichen Argumente trägt Tabelle 6.13 zusammen. Tabelle 6.13: Vor- und Nachteile von E-Commerce.

Die Universität Bamberg schätzt die Kosten für einen Retourenartikel auf 2,85 €. Die Kosten entstehen durch Porto, Sichtung der Ware und dem unvermeidbaren Wertverlust (Quelle: Universität Bamberg, www.retourenforschung.de).

Vorteile und Chancen des E-Commerce

Nachteile und Herausforderungen des E-Commerce

– Große Kundenreichweite

– Reduzierte Kundeninteraktion

– Keine zeitlichen oder räumlichen Begrenzungen

– Bedenken der Kunden bzgl. Sicherheit und Wahrung der Privatsphäre

– Automatisierte und reaktionsschneller Kundendialog

– Spezialisiertes technisches Fachwissen notwendig

– Skalierungsoptionen

– Anforderungen an die Datenaufbereitung und -haltung

– Datengesteuertes Angebotsmanagement

– Keine Testmöglichkeiten für Kunden

– Transparenz im Käuferverhalten

– Umfangreiche Kundenrechte inkl. Recht der Warenrückgabe

– Individualisierung und Personalisierung auf Kundenwünsche möglich

– Hoher Wettbewerb im digitalen Umfeld

– Rationalisierungpotenziale und vergleichsweise niedrigere Kosten als alternative Verkaufsansätze

– Versand von Produkten zieht Lieferzeiten nach sich

– Vielfach Chancengleichheit zwischen Groß- und Kleinunternehmen

– Beachtung von evolvierenden rechtlichen Grundlagen

– Retargeting und Remarketing

– Anfälligkeit gegenüber HackingAngriffen

6.9 Verkaufen über das Internet 

 603

E-Commerce ist für Privatkunden heute fester Teil des Einkaufsverhaltens.  Webplattformen sind weit entwickelt und viele Marktanteile mehr oder weniger fest verteilt. Das weiter oben bereits angesprochene Volumen des B2B E-Commerce übertrifft den B2C E-Commerce jedoch bei weitem. Der B2B E-Commerce besitzt dabei ausgewählte Besonderheiten, die eine Umsetzung vielfältiger als im Privatkundenbereich machen. Tabelle 6.14 listet die Besonderheiten auf. Tabelle 6.14: Besonderheiten des B2B E-Commerce. Besonderheit B2B E-Commerce Deutlich größere Bestellmengen

Die Produktdaten müssen auch größere Bestellmengen abbilden, ggf. Staffelungen und angepasste Preisstellungen in Abhängigkeit von Bestellmengen berücksichtigen.

Automatisierte Bestellprozesse

Vollintegrierte B2B E-Commerce-Ansätze verbinden Angebotssysteme mit Bestellsystemen (EDI), damit ausgewählte Bestellungen vollautomatisch ausgeführt werden können.

Individuelle Konditions-, Rabattund Zahlungssysteme

B2B-Kunden haben vielfach individuelle Vereinbarungen mit den Anbietern, komplexe Konditionssysteme müssen ebenfalls digital abbildbar sein.

Verlässliche Bestands-, Verfügbarkeits- und Liefertermine

B2B Geschäft beruht auf Verlässlichkeit, da B2B-Kunden die eingekauften Waren für eigene Geschäftsprozesse benötigen.

Langfristige und vollständige Kundenhistorie verfügbar

Die Geschäftsbeziehungen im B2B-Umfeld sind meist langfristig und verwenden unterschiedliche Kontakt- und Kaufwege. Alle Daten müssen im digitalen Umfeld für den Kunden jederzeit verfügbar sein.

Angebotsspeicherung

Kunden nutzen B2B E-Commerce Angebote für Angebotsvergleiche, somit müssen auch nicht zu Umsatz konvertierte Geschäftsprozesse vorgehalten werden.

Revisionssicherheit

Datenstände müssen zu ausgewählten Zeitpunkten wieder herzustellen sein, um Revisionsmöglichkeiten zu gewähren.

Um den Online-Dialog mit Interessenten und Kunden lebendig zu gestalten, bieten sich zahlreiche Werkzeuge an: – Text- und Video-Chats anbieten – Call-Back-Angebote, durch die der Kunde auf Knopfdruck (Call-BackButton) einen Rückruf des Anbieters, auch zu einer bestimmten Zeit, erbitten kann (oft in Kombination mit einem Call-Center), – In den Webauftritt integrierte Fragen- und Antworten-Sektionen (FAQ – Frequently Asked Questions) integrieren,

604 





 6 Vertriebspolitik

Communities auf der eigenen Webseite oder in Social Media, mittels derer ein Anbieter seine Fan-Gemeinde pflegen kann, entweder vom Unternehmen moderiert oder vom Unternehmen gemonitored interaktionsfähige künstliche Wesen  – Avatare, die sich auch figürlich präsentieren, Bots (Roboter) als körperlose Gesprächspartner der Besucher, die für die Surfer routinemäßige Arbeiten übernehmen.

Immer zu beachten ist die rechtliche Absicherung der digitalen Kundenbeziehung: für Newsletter müssen Double Opt-Ins (zweifache Zustimmung zur Kontaktansprache) eingeholt werden und es muss eine einfache Möglichkeit zum Opt-Out geben. Weitere rechtliche Anforderungen im E Business sind Registrierungsbestätigungen, Hinweise auf Geschäftsrücktrittsoptionen, das gesondertes Bestätigen von allgemeinen Geschäftsbedingungen und das Impressum des Anbieters für den Web-Auftritt. Diese Auflistung stellt keine rechtliche Beratung dar. Ein am E-Business interessiertes Unternehmen muss aktuelle Anforderungen an die rechtliche Absicherung des Geschäfts eigenständig erarbeiten und aktuell halten. Die digitalen Funktionalitäten ermöglichen einen Online-Kundenentwicklungsprozess in folgenden Schritten:725 (1) Attract: Interesse des Surfers wecken, (2) Engage: den Surfer zum Web-Angebot bewegen, (3) Retain: den Kunden an das Web-Angebot binden, (4) Learn: aus den Kundenangaben lernen und (5) Relate: mit diesen Erkenntnissen weitere Kundenkontakte individualisieren. Jedoch: 98 Prozent aller Shop-Besucher verlassen diesen, ohne zu kaufen. Vor einem Kauf informiert sich der Verbraucher auf vier Wettbewerbsseiten. Re-Targeting ist eine Funktionalität, um bei Abwendern gezielt nachzufassen und mit Nachdruck in den Shop zurückzuholen. Besucher des Shops werden markiert (bspw. durch die Setzung eines sog. Cookies), um den Internetusern auf anderen Webseiten gezielt Werbung einspielen zu können, die sie zum ursprünglichen Angebot zurückleiten soll. Zunehmende Datenschutzvorgaben der Regulatorik und der Anbieter von Betriebssystemen erschweren (Re-) Targetting aktuell deutlich. Beim Aufbau eines Shops sollte vor allem geachtet werden auf: sichere und schnelle Technologie (u. a. geringe Ladezeiten und mobile-friendly Gestaltung), attraktives Erscheinungsbild, anwenderfreundli-

725 Vgl. Gräf, (Website), in: ASW, 6/2000, S. 52 mit dem Hinweis auf Kierzkowski u. a. 1997.

6.9 Verkaufen über das Internet 

 605

che Funktionalitäten (Usability), reibungslose Logistik beim Fullfillment, sichere Datenübertragung (Verschlüsselung), transparentes Zahlungsoptionen und -bedingungen, umfassenden Kundenservice bei Rückfragen und Beanstandungen und natürlich auf die Einhaltung der kundenschutzrechtlichen Vorschriften.

6.9.2 Social Commerce E-Commerce dringt verstärkt in die sozialen Netzwerke vor. Eigentlich widerspricht das Verkaufen dem Charakter der sozialen Plattformen. Wegen der zunehmenden Bedeutung wird jedoch Social Commerce als zusätzliche Ausprägung des E-Commerce gewürdigt; als Symbiose von digitalem Versandhandel und Social Media. Der früher verwendete Begriff Facebook-Commerce ist nicht mehr passend. Nahezu alle Social Media Plattformen haben Shopping-Funktionalitäten integriert oder werden von engagierten Nutzern und Influencern als Werbe- und Abverkaufsmedium verwendet. Eine Umfrage von Chadwick Martin Mailey bei 1.500 Verbrauchern zur Nutzung der Social Media hat ergeben, dass 60 Prozent der Facebook-Fans einer Marke und 79 Prozent der Twitter-Follower ihre bevorzugten Marken gerne Freunden empfehlen. Sie verstehen sich als Mitglieder einer Gemeinschaft, die sich zu über 50 Prozent (Facebook) bzw. knapp 70 Prozent (Twitter) an die in den sozialen Netzwerken positionierten Marken gebunden fühlen.726 Laut einer Studie an der FH Münster geben 55 Prozent aller Online-Käufer Kaufbewertungen in den sozialen Netzwerken ab. 80 Prozent der Befragten entscheiden sich auf Grund dieser Bewertungen. 70 Prozent nutzen die Social Media über den gesamten Kaufprozess.727 Heute wird Social Media von Unternehmen als zukunftsträchtiger Verkaufskanal verstanden und organisiert. Es kann sich kein Markenartikler eine Abstinenz aus dem Social Media-Umfeld leisten. Für Unternehmen gilt: werben und verkaufen, wo die Zielgruppen sind. Diese Zielsetzung drängt die Anbieter in Richtung Social Commerce. Hier etablieren gibt es drei vertriebliche Ansätze: (1) Die Kunden werden von der Social Media-Seite auf klassische Online­ shops gelenkt; z. B. durch Influencer-Kampagnen mit Rabattcodes und Links in der Bio (auf den Profilseiten).

726 Vgl. Hinweis in salesBusiness, 6–7/2010, S. 28. 727 Vgl. Hinweis in acquisa, 7–8/2011, S. 12; ferner www.dsaf.de.

606 

 6 Vertriebspolitik

(2) Unternehmen unterhalten Social Shopping Plattformen, die an die eigenen Profile auf den Netzwerken angedockt sind. Der Kaufvorgang selbst wird in diesem Umfekd abgewickelt oder führt aus der Community heraus zum klassischen Online-Angebot. (3) Social Media-Anwendungen werden für Co­Creationen von Marken und Usern genutzt, die dann exklusiv oder auch breit verfügbar angeboten werden. Als Beispiel für eine erfolgreiche Social Media Verkaufsstrategie in den Anfangsjahren wird gerne Dell zitiert. Innerhalb von zwei Jahren wurden über rund 35 Twitter-Accounts über 6,5 Mio. USD Umsatz generiert. Starbucks gilt als erstes Unternehmen, das Facebook zu Verkaufszwecken eingesetzt hat. H&M war eines der ersten Modehäuser, das über Twitter und Facebook Produkte bewarb und verkaufte. Volkswagen bewarb und verkaufte den Polo GTI nur über Facebook. Und McDonalds hat bereits mehrfach über den „My Burger“-Ansatz zusammen mit Social Media Nutzern neue Burger kreiiert, die später in den Restaurants angeboten wurden. Noch sind die Umsatzzahlen deutlich hinter denen der klassischer E-Commerce-Ansätze. Jedoch kann der Vertrieb durch intelligente Social Media-Funktionen wie Gruppenkauf, Co­Browsing oder Group Gifting (gemeinsam ein Geschenk kaufen) von den vielfältigen Möglichkeiten des Social Media-Shoppings profitieren.728 Aktuelle Entwicklungen greifen im Social Commerce die direkte Interaktion zwischen Unternehmen und Fans und Followern auf Social Media auf. Livestreaming als neues Teleshopping hat sich als Ersatz für die klassische Kundenberatung während der Corona-Pandemie etabliert. Chinesische Kunden nutzen Livestream Shopping, um in der unübersichtlichen Produktvielfalt durch Streamer und Influencer Orientierung zu erhalten. Europäische und deutsche Konsumenten nutzen Livestream Shopping für Inspirationen. Und im B2B E-Commerce kann ein Livestream über eine B2B-Plattform wir LinkedIn ein Bild von Produkt und Unternehmen vermitteln, den ein gedruckter Prospekt in der Vielfalt der Eindrücke nicht vermag. Nicht alle Verbraucher, die sich über die Social Media mit Gleichgesinnten und Freunden austauschen wollen, akzeptieren diese auch als Verkaufsplattformen. Deshalb sind auch noch viele Unternehmen vorsichtig, was die mit Social Media Auftritten verbundene Verkaufsziele betrifft. Zuviel Kommerz könnte der Tod von Social Commerce bedeuten.

728 Vgl. Winkelmann, (Vertriebskonzeption), 2012, S. 192.

6.9 Verkaufen über das Internet 

 607

Andererseits: Die Influencer-Szene beweist, wie passend sich die Idee der sozialen Medien mit hartem Verkaufen verbinden lässt.

6.9.3 Plattformen Neben birelationalen E-Commerce-Shops (1-n Beziehungen) und dem Social Media Verkauf stehen die multirelationalen Internet-Marktplätze und -Plattformen (n-zu-n Beziehungen). Wie beim einfachen E-Commerce ist eine Webseite der Ausgangspunkt. Der Portal-Begriff geht auf die Einstiegsseite von Yahoo um das Jahr 2000 zurück.729 Eine Internet-Plattform stellt Interessenten, Lieferanten, Kunden, der Öffentlichkeit und auch Mitarbeitern das unternehmensweite Know how und oft personalisierbare Dienstleistungen auf einer einheitlichen Web-Oberfläche zur Verfügung. Von einem einzigen Zugang aus kann ein offener oder geschlossener Benutzerkreis weitgehend intuitiv auf Informationen zugreifen und Prozesse anstoßen. Portale bieten vielfach auch Zugang zu E-Commerce-Funktionen. Mehrere Anbieter und/oder Nachfrager oder neutrale Internet-Dienstleister können sich auf Plattformen zu virtuellen Marktplätzen/Online­Marktplätzen zusammenschließen. Online-Marktplätze schaffen ohne Zeitverzögerung Kontakte zwischen einer Vielzahl von Anbietern und Interessenten. Sie ermöglichen weltweite geschäftliche Transaktionen im Internet. Portale und Plattformen bedeuten: Computer to People. Gateways bedeuten: Computer to Computer (bzw. Silent Marketing). Plattformen und Marktplätzen wird ein enormes Wachstum vorausgesagt. „Das Plattform-Geschäftsmodell ermöglicht Interaktionen zwischen Produzenten und Konsumenten von Wert. Dieses Ziel wird durch zwei Mechanismen erreicht. Erstens bietet eine Plattform eine Plug-and-Play-Infrastruktur, die die offene Beteiligung eines externen Ökosystems von Produzenten und Konsumenten fördert. Zweitens legt sie die Governance-Regeln für die sich daraus ergebenden Interaktionen fest.“730 Verschiedene Vorteile begründen Wachstumsprognosen: (1) Online-Plattformen sind zunehmend hardware- und betriebssystemunabhängig und bauen auf standardisierten Schnittstellen auf. (2) Sie „simulieren“ die Bedingungen vollkommener Märkte, d. h. keine räumlichen und zeitlichen Begrenzungen, vollständige Markttransparenz, hohe Reaktionsgeschwidigkeit. 729 Vgl. Kappe, (Portale), in: Client/Server, 4/2000, S. 23–24. 730 Vgl. Choudary, S., (Plattformen), online unter: http://platformthinkinglabs.com/.

608 

 6 Vertriebspolitik

(3) Sie profitieren von standardisierten Bedienungen und multimedialer Attraktivität. (4) Sie sind im Vergleich zu klassischen Verkaufsplätzen kostengünstig. (5) Neue Angebote können schnell weltweit bekannt gemacht werden. (6) Und vor allen Dingen: Die Teilnehmer der Plattformen versprechen sich hohe Rationalsierungseffekte und Kostensenkungen durch die Automatisierung von Angebots- und Beschaffungsprozessen.

Ein Einkäufer

Viele Einkäufer

Ein Anbieter

Klassischer E-Commerce

Exklusive Herstellerplattformen

Viele Anbieter

Marktplätze und Plattformen bieten Unternehmen eine gute Chance, Angebote zu bündeln und weltweit schnell an neue Zielgruppen heranzutreten. Unterschieden werden Portale und Marktplätze: – nach Trägern: eigengeführte oder neutral geführte Plattformen, – nach dem Initiator: einkäufer- und verkäufergetriebene Plattformen; auch: Einkaufs-, Kunden-, Partner- oder Service-Plattformen, – nach Märkten: B2B- oder B2C-Plattformen, insb. den B2B-Plattformen wird noch großes Wachstum vorausgesagt, – nach Branchenzahl: Vertikale Plattformen dienen einer Branche über alle Wertschöpfungsstufen, horizontale Plattformen agieren branchenübergreifend (Automobilkonzerne arbeiten zusammen, um aus allen Zulieferbranchen standardisierte MRO-Produkte (Maintenance, Repair, Operations) in größeren Stückzahlen einzukaufen), – nach Zugangsbeschränkung: offene Plattformen, die sich über Transaktionsgebühren finanzieren, und geschlossene (private) Plattformen, die nur per Passwort ausgewählten Teilnehmern zugänglich sind (Extranet-Plattform).

Exklusive EinkaufsPlattformen

Marktplatz / Plattform

Abbildung 6.77: Geschäftsmodelle im E-Commerce.

6.9 Verkaufen über das Internet 

 609

Je nach Verhandlungsrelation lassen sich die vier Geschäftsmodelle der Abbildung 6.77 skizzieren.731 Die Autoren bewerten in ihrer Klassifizierung bekannte Handelsunternehmen nach: – Transaktionseffizienz, die besonders hoch ist, wenn regelmäßige Bestellungen bei wenigen Lieferanten aufgegeben werden; und einer – Markteffizienz, die besonders hoch ist, wenn standardisierte Produkte an Abnehmer mit geringer Einkaufsmacht vertrieben werden. Bei hoher Markt- und Transaktionseffizienz (ALDI, Lidl) sind bilaterale Systeme von Vorteil. Bei hoher Markteffizienz und niedriger Transaktionseffizienz (Metro, Wal-Mart) kann die exklusive Einkaufsplattform (Händlerplattform) empfohlen werden. Bei niedriger Markt- und hoher Transaktionseffizienz (Swatch, Harman&Kardon) kann eine exklusive Herstellerplattform (zur Versorgung des Handels) gewagt werden. Ein Marktplatz bietet sich als Universallösung an, wenn sowohl die Marktwie auch die Transaktionseffizienz niedrig sind (Otto, amazon). In der Praxis entstehen neue, innovative Transaktionsmodelle und Services für Portale, Marktplätze und Plattformen: – Preisvergleichsportale: Marktvergleiche, – virtuelle Shopping-Malls: Bündelung von separaten Onlineshops, – Power-Shopping: Zusammenschluss, um bessere Einkaufspreise zu verhandeln, – Board-Auktionen: Auktionsangebote mit Laufzeiten, – Live-Auktionen: Auktionsangebote mit engem Zeitfenster, – Lieferanten-Suchmaschine: Bündelung von Lieferantenangaben, – Katalogdienste: Bündelung von Kataloganbietern. In Bezug auf die Marketing- und Vertriebsfunktionalitäten sollten Portale, Marktplätze und Plattformen mindestens fünf Funktionen bieten:732 (1) E-Commerce-Funktion: ermöglicht die wirtschaftlichen Kontakte, Transaktionen und Vertragsabschlüsse. (2) Content-Funktion: beinhaltet die Zugriffsmöglichkeit aller Marktplatz-Teilnehmer auf alle Arten von Daten, Datenbanken und Prozessen. (3) Customization-Funktion: ermöglicht eine Individualisierung von Web-Informationen und Angeboten für die unterschiedlichen Marktteilnehmer (1to1-Angebote).

731 Vgl.  auch im Folgenden: Behrenbeck; Menges; Roth; Warschun, (B2B-Geschäftsmodelle), in: ASW, 11/2000, S. 42. 732 Vgl. Schneider; Schnetkamp, (E-Markets), 2000, S. 100–112.

610 

 6 Vertriebspolitik

(4) Collaboration-Funktion: ermöglicht den Marktteilnehmern eine enge Zusammenarbeit in einzelnen Aufgabenbereichen (Integrationsoptionen: z. B. gemeinsame Forschung und Entwicklung, gemeinsame Kataloge). (5) Connectivity-Funktion: vernetzt einen Marktplatz mit anderen Plattformen, Wirtschaftsverbänden, Dienstleistern und auch mit anderen Märkten. Die Aufbruchstimmung großer Branchenmarktplätze geht nach und nach in normales Geschäftsgebahren über. Über Unternehmensplattformen hinaus unterhält heute praktisch jede Branche einen Marktplatz, der vielfach ausschließlich Insidern bekannt ist.733 Marktplatz- und Plattformbetreiber verfügen über eine Vielzahl an Verdienstoptionen: (1) Einnahmen über Zugangsbeschränkungen: Aufnahmegebühr oder Trennung in Free und Freemium- (Premium-) Bereiche und -Funktionen, (2) Gebühr für die Nutzung: Regelmäßig wiederkehrende Nutzungsgebühren stellen die Einnahmenfluss sicher, (3) Beteiligung an den Transaktionen: Jede über die Plattform abgewicklete finanzielle Transaktion wird mit einer Servicegebühr/-Abgabe belegt, (4) Monetarisierung der Nutzerdaten: Auf der Plattform engagierten Unternehmen wird kostenpflichtig ermöglicht, Werbung an Plattformnutzer auszuspielen, (5) Ausnutzung von Preisunterschieden: Plattformen können Produkte kostengünstig einkaufen/einlisten und zum Bestpreis weiterverkaufen (Arbitrage), (6) Vertrieb eigener Services und Produkte: Der Plattformbetreiber verkauft eigene Leistungen an die auf der Plattform interagierenden Nutzer. Der schleichende Prozess bzw. Strukturwandel geht unverändert weiter in Richtung Online-Handel und digitale Plattformen. Mitte 2022 verkündete der führende Elektronikversender Conrad den Rückzug aus dem stationären Handel. Noch 2017 betrieb Conrad 23 deutsche Filialen. Nun wolle man sich auf den Onlinehandel konzentrieren und sich zu „Euro-

733 Eine Übersicht digitaler B2B-Platformen stellt der BDI  – Bundesverband der Deutschen Industrie zusammen: https://bdi.eu/publikation/news/deutsche-digitale-b2b-plattformen-2021/.

6.9 Verkaufen über das Internet 

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pas führender B2B-Beschaffungsplattform für technischen Betriebsbedarf“ entwickeln.

6.9.4 Mobile Commerce Der Begriff Mobile Commerce beschreibt das standort- und zeitunabhängige Kaufen und Verkaufen im Internet. Mobile Business umfasst sämtliche, kaufmännische Nutzungen des Internet mit Hilfe von Handy, Smartphone, Tablet oder Notebook mit Internetanschluss. Kunden können zu jeder Zeit und an jedem Ort auf das Internet zugreifen, um Produktinformationen abzurufen und Einkaufs- und Verkaufstransaktionen vorzunehmen. In B2C-Märkten ist Mobile Commerce die mobile Variante des Online-Shoppings. In B2B-Märkten steht Mobile Commerce auch für den Tablet- oder Smartphone-gesteuerten Außendienst. Die Schwerpunkte des mobilen Einsatzes von Smartphones und Tablets liegen in den Bereichen – Mobile Shopping via Webseiten (Blumen, Musik, Bücher, Kleidung), – App-basiertes Mobile Shopping, – Mobile Social Media Marketing (mobile Aktionen für Communities). – Mobile Banking und mobile Broking (Finanzdienstleistungen), – Mobile Ticketing (mobile Reservierungen; Reisen, Hotelzimmer etc.), – Location Based Services (Navigationsdienste, z. B. Verfolgung gestohlener Autos, Suche nach dem nächstgelegenen Restaurant, Parkhilfen, Stadtführungen), – Netzbasierte Spiele für Mobilgeräte, – Mobile CRM (mobile Steuerung der Marketing- und Vertriebsprozesse und des Außendiensteinsatzes. In der mobilen Umgebung sind die Erfolgsfaktoren für Mobile-Commerce Ubiquität, Convenience, Lokalisierbarkeit, jederzeitige Erreichbarkeit, Sofort-Einwahl (Instant Connectivity), Personalisierung und Sicherheit (insbes.  auch für die Bezahlung per Handy). Bereits 2002 haben mehr Menschen mit mobilen Geräten auf das Internet zugegriffen als mit dem PC.734 Für viele Menschen ist das mobile Device heute primärer Zugriffspunkt auf das Internet. Die Idee ist faszinierend, jedem Handy-Nutzer automatisiert seine individuelle Werbung und exakt auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Informationen und Angebote zuzuspielen. Personalisierte Werbung ohne

734 Vgl. Garbe, (mobile Zielgruppen), in: ASW, 11/2000, S. 110.

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 6 Vertriebspolitik

Streuverluste. Mobile Commerce ist jedoch ohne eine entsprechende Technik nicht möglich. Erforderlich sind schnelle, flexible und sichere Datenübertragungen. 3G, 4G, 5G, Bluetooth und Wifi sind hier die Schlagworte. Als bedeutende Antriebsfeder für das mobile Business gilt Mobile-Tagging-, Semacode-Verfahren oder wie landläufig bezeichnet: die QR-Codes.  Sie sind seit 2003 in Japan im Einsatz. Der Kunde kann mit seinem Handy den QR Code auf einem Plakat fotografieren, das dargestellte Kleid nebst gewünschter Farbe und Größe spezifizieren und sofort bestellen. Bezahlt wird per Handyrechnung. Es gibt bereits Supermärkte für den schnellen Einkauf. Der Kunde bestellt nach der Arbeit anhand von QR-Codes.  Während er mit der U-Bahn auf dem Weg nach Hause ist, beginnt ein Logistikauslieferer bereits mit dem Expressversand der bestellten Ware in die Wohnung des Kunden. Trotz Herausforderungen (Übertragungsstandards, Betriebssysteme, Sicherheit, Virenabwehr, hohe Anforderungen an das Backoffice) ist es heute offensichtlich: Smartphones und Laptops sind die Einkaufsassistenten der Konsumenten und die Arbeitswerkzeuge der Außendienstmitarbeiter. Es wäre aber keine gute Vision, wenn beziehungsorientierte Verkaufarbeit zukünftig dem anonymen Internet-Marketing zum Opfer fallen würde und die Kundenorientierung der Effizienz computergestützter Prozesse geopfert würde. Das reale Zusammentreffen von Anbietern und Nachfragern wird auch weiterhin ein wesentliches Element von Vertrieb und Verkauf bleiben, sowohl in B2C wie auch in B2B.

6.9.5 Digitale Messen, Events, Webinare Messen und Events sind im B2B-Vertrieb wichtige Kommunikations- und Vertriebsmaßnahmen (die Diskussion des Instruments findet in Tiefe in Kapitel 7 statt). Nicht selten gehen große Budgetpositionen in die Teilnahme an Leitmessen der eigenen Branche. Ein prominenter Messestand in exponierter Lage auf einer Messe kann ein wichtges Instrument für erfolgreichen B2B-Vertrieb sein. Während der Corona-Pandemie konnten über zwei Jahre keine physischen Goßveranstaltungen durchgeführt werden. B2B-Unternehmen haben daher Erfahrungen mit neuen Möglichkeiten gemacht und begonnen, an digitalen Messeformaten und Event teilzunehmen oder selbst zu veranstalten. Digitale Messen besitzen den Vorteil, dass sie nicht an den physischen Ort zu Teilnahme oder Besuch gebunden sind. Unternehmen und Kunden aus potenziell der gesamten Welt können an digitalen Messen zur gleichen

6.10 Vertriebskanalpolitik und Multi Channel Marketing 

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Zeit teilnehmen. Die Kosten für beide Seiten sind geringer. Ausstellende Unternehmen müssen keinen physischen Messestand bauen und der digitale Messestand wird von weniger Mitarbeitenden betreut. Die digitale Messe kann 24 Stunden am Tag besucht werden. Stationäre Messen sind durch Öffnungszeiten der Messehallen begrenzt. Das gemeinsame Erlebnis von Unternehmen und Kunden, das spontane Zusammentreffen und die ungezwungene Kommunikation einer physischen Messe können digitale Messen und Events jedoch (noch) nicht ersetzen. Sie sind eingeschränkt in der Vermittlung von Erfahrungen und Erlebnissen. Und vor allem Dinge fehlen die berührbaren Exponate. Digitale Messen haben sich in Form von hybriden Messen etabliert. Messen, die vor Ort stattfinden, bieten nicht anreisenden Interessenten eine digitale Teilnahme an wichtigen Messe-Highlights an, bspw. einem Vortragsprogramm. Unternehmen richten neben dem eigenen Messestand eine virtuelle Präsenz ein, um mit digitalen Teilnehmehmern zu kommunizieren. Eigenständige digitale Formate werden getrennt vom klassischen Messevertrieb betrachtet. Sofern das digitale Event nicht ein bekanntes physisches (Messe- oder Event-) Format ersetzen oder ergänzen soll, kann das Format neu entwickelt werden. Durch Nutzung der digitalen Kommunikationstools können vollkommen neue Events kreiiert werden, die für beide Seiten viele Vorteile bringen. Virtuelle Produktvorstellungen oder -launches können von Kunden weltweit besucht werden, die sonst nie einem solchen Event beigewohnt hätten. In Kombination mit E-Commerce kann ein digitales Event neben Markenerlebnissen auch Vertriebsumsätze erzielen. Möglichkeiten von eigenständigen digitalen Messen und Events stehen am Anfang. Zunehmend digital affine Messebesucher und Messeaussteller experimentieren mit den Möglichkeiten. Webinare als kleinere Formate bieten sich an, um dem interessierten Kundenkreis Produkte und Leistungen vorzustellen und zu verkaufen.

6.10 Vertriebskanalpolitik und Multi Channel Marketing In der Praxis erfolgt die Vermarktung in vielen Branchen in Zusammenarbeit mit Vertriebspartnern über mehrere Absatzstufen hinweg und in konventionellen und digitalen Kanälen. Die Begriffe Vertriebsweg, Absatzweg und Distributionsweg bzw. -kanal werden vielfach synonym verwendet. Abbildung 6.78 zeigt die Grundabgrenzung zum direkten Vertrieb.

Indirekter Vertrieb

Inside Sales, direkter E-Commerce (D2C)

-

Außendienstvertrieb, Niederlassungen, Tochtergesellschaften

Agenturen, Handelsvertreter, Franchise-Partner, Strukturvertrieb

-

Großhandel (dreistufig) oder Verkauf direkt an Handel und Handwerk (zweistufig)

Zwei- oder dreistufiger Vertrieb

Direkter Vertrieb

Nullstufiger Vertrieb

 6 Vertriebspolitik

Einstufiger Vertrieb

614 

Abbildung 6.78: Absatzwege-Typologie.

Ein Absatzweg umfasst „auf welchen Kanälen die Leistungen (Podukte) zu den Käufern (Verwendern) optimal gelangen sollen, ...“.735 Es müssen nicht immer Institutionen sein oder, wie Kotler es ausdrückt, „ineinandergreifende Organisationen“.736 Sehr oft sind es Einzelpersonen mit besonderem Branchen-Know how, die in Verkauf eingeschaltet sind (z. B. Handelsvertreter; Makler). Daher wird synonym von Vertriebspartnerpolitik gesprochen.

6.10.1 Kanalstrukturen Vertriebskanal- bzw. Absatzwegepolitik inklusive der Vertriebspartnerpolitik umfasst als Aufgaben:737 (1) Entscheidung über Stufen eines Absatzweges, (2) Sichtung, Auswahl und Gewinnung geeigneter Vertriebspartner (Vertriebspartner-Qualifizierung),

735 Weis, (Marketing), 2018, S. 517. 736 Kotler et al., (Marketing-Management), 2007, S. 849 unter Bezug auf eine Definition von Stern und El-Ansary. 737 Vgl. Kotler et al., (Marketing-Management), 2007, S. 849 ff.

6.10 Vertriebskanalpolitik und Multi Channel Marketing 

 615

(3) optimale Ausgestaltung der Vertriebskanalprozesse, (4) Koordination und Führung der Vertriebspartner. Vertriebskanalstufen sind vertikal zu planen und zu steuern. Eine Kanalstufe liegt vor, wenn eine Instanz außerhalb des Backoffice Kundenkontakte hat.738 Außendienst-Vertrieb über Großhändler und freie Einzelhändler ist z. B. ein Kanal mit drei Absatzwegestufen. Wird der Großhandel ausgeschaltet, spricht die Praxis von zweistufigem Vertrieb. Der Trend geht zum Mehrkanalvertrieb, wobei das Internet vielfältige Kanaloptionen bietet. Mehrkanalvertrieb (Multi Channel Marketing) ist die abgestimmte Steuerung paralleler Vertriebswege. Dabei ist zwischen organistorischen Einheiten, die die Verantwortung für den Markterfolg in einem Kanal tragen, und den Kommunikationsmitteln, die in einem Kanal zum Einsatz kommen, zu unterscheiden. Mehrkanalstrukturen ergeben sich, wenn Absatzkanäle auf Kundengruppen bzw. -Segmente ausgerichtet werden.739 Kleinkunden können z. B. durch kostengünstige digitale Ansatzkanäle bedient werden (bspw. E-Commerce), große Account werden durch Key Account Management (siehe dazu 6.7.1) deutlich aufwändiger betreut werden. Mehrkanal-Management bedeutet, dass eine definierte Kanaleinheit (z. B. ein Call-Center) mit Hilfe bestimmter Kommunikationsmittel (z. B. Telefon und Mail) bestimmte Aufgaben (z. B. Verkauf von Flugtickets) übernimmt. Beim Multi Channel Marketing sind Partner in die eigene Vertriebssteuerung mit einzubeziehen.740 Kanäle werden auch auf Plattformen (Kanalplattformen) gebündelt. Herausforderungen entstehen, wenn B2C- und B2B-Kanäle parallel laufen und wenn (wie bei amazon) das eigene Handelsgeschäft wie auch Handelsgeschäft von Partnern auf einer Plattform konkurriert. Abbildung 6.79 zeigt Ausgestaltungen von Absatzkanalstrukturen. Ein Mono Channel-System bietet Kundengruppen einen dezidierten Absatzkanal an. Verkauft ein B2B-Unternehmen ausschließlich über werkseigenen Außendienst, ist dies ein Mono Channel-Ansatz. Werden weitere Vertriebskanäle hinzugefügt, bspw. ein Showroom am Standort, in dem

738 Wir haben uns damit der Praxisterminologie angeschlossen. Bislang hatten wir den Außendienst nicht als Vertriebsstufe betrachtet. 739 Vgl. Wieseke, (Sales Profit Chain), 2022, S. 155. 740 Die Optionen der Digitalisierung bieten dabei die Chance, Vertriebspartner datenseitig stärker zu integrieren, als dies früher möglich war. Empirische Erhebungen zeigen eindeutig auf, dass eine stärkere Integration eine bessere Performance der Partnerschaft und damit der Leistung gegenüber den Kunden sicherstellt. Vgl. Baumgartner et al., (Sales Growth), 2016, S. 200 f.

616  Isoliertes Design

EinkanalVertriebssystem / Mono-Channel

 6 Vertriebspolitik Integrierendes Design

MehrkanalVertriebssystem / Multi-Channel

MehrkanalVertriebssystem / Onmi-Channel

Voll-integriertes Design

AllkanalVertriebssystem / NoLine Handel

Abbildung 6.79: Von Mono Channel zur Omni Channel Absatzkanalstruktur.

Beratung und Verkauf stattfindet, entstehen Multi und Omni Channel Absatzsysteme. Der Übergang zwischen den Bezeichnungen ist fließend. Das Allkanal-Vertriebssystem wird auch als NoLine Handel bezeichnet. In dieser Entwicklungsstufe verändert sich der Blick des Unternehmens auf die Absatzkanalstrukur-Planung. Es wird nicht mehr aus Sicht des Unternehmens gedacht, welche Absatzkanäle angeboten werden. Es wird der Blickwinkel des Kunden eingenommen: welche Absatzkanäle kommen für das Produkt oder die Leistung in Frage. Danach wird das eigene Absatzkanalsystem ausgerichtet und orchestriert. Abbildung  6.80 veranschaulicht über Jahrzehnte etablierte Absatzwege für Konsum- und Industriegüter. Auf die Definitionen des direkten (B2C und B2B) und indirekten Vertriebs (B2B2C) in Kapitel  1 kann Bezug genommen werden. Größere Unternehmen organisieren sich in der Praxis in allen Kanälen. O2 bietet z. B. speziell auf Firmenkunden zugeschnittene Businessverträge an (B2B), unterhält eigene O2-Shops für Endkunden (B2C) und schaltet Händler wie Media Markt und Saturn für den indirekten Vertrieb an Endkunden ein (B2B2C). Die herausfordernden, mit den indirekten Vertriebswegen zusammenhängenden Fragen kommen in der Marketingliteratur (oder auch in der CRM-Diskussion) zu kurz. Die Digitalisierung bietet attraktive Möglichkeiten, das Internet für eigene B2C-Kanäle zu nutzen (heute oft auch als D2C/ Direct-to-Consumer-Geschäft bezeichnet), um den Handel auszugrenzen. Die Komplexität in Abbildung 6.80 ist enorm. Die besonderen Herausforderungen, die daraus entstehen, werden weiter unter thematisiert. Um die Komplexität sichtbar zu machen, wird bei Absatzkanalplanung mit der Coverage Matrix die Marktabdeckung durch Absatzkanäle dokumentiert. Abbildung 6.81 zeigt eine Coverage Matrix eines B2B-Unternehmens, das seine Kunden nach einer 5-stufigen ABC-Analyse unterteilt und die Absatzkanäle darauf abstimmt. Die Kundenkontaktpunkte werden sichtbar und dadurch planbar. Die Coverage Matrix zeigt Doppelbetreuungen und stellt potenzielle Konflikte dar. Kundengruppe B wird im obigen Beispiel sowohl direkt durch Telesales wie auch indirekt über Handelsvertreter betreut. Die Heraus-

6.10 Vertriebskanalpolitik und Multi Channel Marketing 

E-Commerce

Direkt, nullstufig Direkt, einstufig indirekt, einstufig

Direktverkauf Business-toConsumer B2C

Außendienst

Außendienst, KAM

Indirekt, dreist. Konsumgüterher steller, Markenartikel -Industrie

Indirekt, dreist.

Stat. Einzelhandel

Großhandel Handelsvertreter

Direktverkauf Business-toBusiness B2B

Außendienst, KAM Vertreter, Kommissionär Verkaufsgesellschaft

Indirekt, zweist.

Außendienst

Techn. Handel

Indirekt, dreist.

Techn. Großhandel

Techn. Fachhandel

Handelsvertreter

Techn. Fachhandel

Indirekt, zweist.

Konsumenten, private Endkunden

E-Commerce

Direkt, nullstufig Direkt, einstufig

Werksverkauf

Versandhandel

Indirekt, zweist.

Indirekt, zweist.

 617

Industriegüterhersteller

Abbildung 6.80: Typische Absatzwege in Privat- und Geschäftsgütermärkten.

forderung ist in diesem System die verursachungsgerechte Zuordnung von Provisionierungen auf die Umsätze, die mit diesen Kunden erzielt werden. Eine weitere Besonderheit ist bei dem Beispiel aus Abbildung 6.81 die Reichweite des Onlineshops. Vom größten bis zum kleinsten Kunden greifen alle Kunden auf den Onlineshop zu. Im B2B-Umfeld muss die Shop-Logik darauf Rücksicht nehmen und z. B. in der Lage sein, kundenspezifische Rabatte abbilden zu können. Multi Channel ist erfolgreich, wenn es gelingt, direktes und indirektes Geschäft konfliktfrei zu steuern und dabei treuen Handelspartnern eine starke Wachstumsbasis zu bieten. Diesen Weg geht z. B. der Otto-Konzern mit einer Customer-Management-Organisation. Die unterschiedlichen, teilweise konfliktären Geschäftsmodelle werden auf der Plattform otto. de mit Hilfe von CRM gesteuert.741

741 Vgl. Campillo-Lundbeck, (Marketingsilos), in: Horizont, Nr. 18–19/2022, S. 16–17.

Gewerbliche Kunden, OEM, öffentliche Hand

618 

 6 Vertriebspolitik

B2B

Ka

Ku

Großunternehmen

Unternehmens- Untern.- Unternehmensungebunden gebunden eigen

nd nä en l Ku e zu nd de en n DIREKT

Kd-Gruppe A

Kleinunternehmen

Kd.-Gruppe B

KG C

KG D

KleinstKunden KG E

Persönl. Direktvertrieb Telesales Postalisches DM Digitales DM Messen Online-Shop

INDIREKT

Direktvertrieb HV

Franchisenehmer

INDIREKT Marktplätze

Fachkatalog Influencer m. Vertrag

Abbildung 6.81: Coverage Matrix.

Branding & Advertising Markenentwicklung (Branding)

ContentProduktion

Customer Interaction KampagnenPlanung undSteuerung

Kaufen

Verkaufen / Traffic

CRM, Kunde, System Steuerung Projects, Processes CRM, Cust.-Perf.

Abbildung 6.82: Customer Management Organisation von OTTO.742

Wie in Abbildung 6.82 dargestellt, stehen der Unternehmensbereich Brand&Advertising (Marketing) und Customer Interaction (Sales) nebeneinander. Die Koordination (CRM-Integration) erfolgt durch Querschnittsprozesse (im Sinne einer Matrix-Organisation). Die Plattform berücksichtigt sowohl die Bedürfnisse von privaten Endkunden wie auch die der integrierten Handelspartner. Die erfassten Kanäle bilden eine dritte Dimension: Onsite, Offline und Online. Klassischer Vertrieb und Internet-Welt verschmelzen zu einer Einheit. Ohne eine Digitalisierungsstrategie ist das nicht möglich. 742 Quelle: Campillo-Lundbeck, (Marketingsilos), in: Horizont, Nr. 18–19/2022, S. 16.

6.10 Vertriebskanalpolitik und Multi Channel Marketing 

 619

Doch auch hinter der Digitalisierung stehen Menschen. Zunächst einmal sind die für die Vertriebskanäle am besten geeigneten Vertriebspartner zu finden, falls der Hersteller (die Industrie) den Verkauf nicht mit eigenen Verkaufsorganen durchführen will; was ihn in Massenmärkten überfordern würde. Diversifizierte Absatzkanäle werden auch von Einkäuferseite erwartet. In einer Umfrage von McKinsey (siehe Tabelle  6.15) zeigt sich, wie viele unterschiedliche Kanäle B2B-Einkäufer für Recherche, Vergleich, Entscheidung und Kauf nutzen. Die Anzahl der genutzten Kanäle ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Tabelle 6.15: Anzahl Kanäle, die B2B-Kunden bei der Entscheidungsfindung nutzen.743 Anzahl der von B2B-Kunden genutzten Kanäle für Entscheidungsfindung 2016 E-Mail Persönlich Telefon Lieferanten-Webseite E-Beschaffungsportale

2019 E-Mail Persönlich Telefon Lieferanten-Webseite E-Beschaffungsportale Mobile App Trade Show

2021 E-Mail Persönlich Telefon Lieferanten-Webseite Einkaufsabteilung Mobile App E Beschaffungsportale Videokonferenz Web-Chat Google/Internetsuche

Die Ergebnisse betonen das Nebeneinander von Remote Selling und persönlichen Verkaufsansätzen. Ein Großteil der Kanäle ist ohne persönlichen Kontakt zwischen Einkäufer und Verkäufer nutzbar. Dies wirkt wie eine Abwertung des persönlichen Kontakts. Jedoch hat die Umfrage auch gezeigt, dass für viele der befragten B2B-Einkäufer die Bereitstellung eines persönlichen Ansprechpartners und der fallweise Besuch ein wichtiges Signal der Wertschätzung durch die anbietenden Unternehmen darstellt.744 Persönliche Kontakte können auch über Videokonferenzen realisiert, die die knappen Zeitbudgets auf beiden Seiten berücksichtigen.

743 Vgl. Huber, Köstring, (Wachstum), 2022, S. 12. 744 Vgl. Huber, Köstring, (Wachstum), 2022, S. 13.

620 

 6 Vertriebspolitik

6.10.2 Zielsetzungen und Konflikte des Multi Channel Marketing Kunden kaufen heute in vielen Kanälen ein. Sie nutzen diese Kanäle nebeneinander, parallen, nacheinander und je Einkaufsanlass unterschiedlich. Sowohl B2C wie auch B2B-Kunden. Wichtige Erkenntnis für den Vertrieb ist, dass Kunden nicht in Einkaufskanälen denken. Sie analysieren, wo Sie ihre Produkte am schnellsten, einfachsten, kostengünstigsten oder beratungsintensivsten kaufen können. Diese grundsätzliche Veränderung im Einkaufsverhalten von Kunden hat maßgebliche Auswirkungen auf die Absatzkanalgestaltung. In einigen Märkten haben sich über die Jahre feste Kanalstrukturen etabliert. Zulieferbetriebe der Automobilindustrie müssen Beratung und Verkauf über Außendienst leisten, unverändert nachbestellbare Produkte datenseitig über EDI-Schnittstellen an Beschaffungsinstrumente der Automobilhersteller anbinden, und der B2B-Onlineshop kann weniger nachgefragte Produktvarianten vorhalten. Tabelle  6.16 listet die Ziele der Ausweitung der Vertriebskanäle auf:745 Tabelle 6.16: Zielsetzungen des Multi Channel Marketing. Zielsetzung des Multi Channel Absatz- und Umsatzsteigerung

Mehr Kunden ansprechen durch bspw. Ansprache neuer Zielgruppen oder Marktsegmente.

Produktivitätsvorteile erreichen

Bei mehr Absatz ergeben sich Economies of Scale und Scope.

Übertragung des akquisitorischen Potentials auf neues Tätigkeitsfeld

Ein bewährter Absatzkanal kann die Reputation auf einen neuen Absatzkanal übertragen, der Imagetransfer hilft dem neuen Absatzkanal bei der Etablierung.

Reaktion auf veränderte Konsumgeohnheiten

Mehrere Kanäle bilden eine kanalübergreifende Customer Journey ab.

Erschließung von Renditeoasen

Verschiedene Wettbewerbsintensitäten in den Kanälen können unterschiedliche Renditeoptionen eröffnen.

Markteintrittsstrategie

Mit neuen Absatzkanälen können sich Unternehmen neue Teilsegmente des Marktes erschließen.

Markteintrittsbarrieren errichten

Eigene Absatzkanäle erschwerden Wettbewerbern den neuen Markteintritt.

745 Vgl. Spandl, (Horizontale Betriebstypenediversifikation), 2003, S. 140 ff.

6.10 Vertriebskanalpolitik und Multi Channel Marketing 

 621

Tabelle 6.16 (fortgesetzt) Zielsetzung des Multi Channel Erneuerungsstrategie

Ein in die Jahre gekommenes Image kann durch neue innovative Absatzkanäle revitalisiert werden.

Kundeselektion vornehmen

Alternative Kundentypen können durch verschiedene Kanäle kollisionsfrei angesprochen werden.

Reaktion auf begrenzte Absatzmöglichkeiten

Mögliche Reichweiten und Volumina von Absatzkanälen sind begrenzt, weitere Kanäle können Wachstumsoptionen ermöglichen.

Vermeidung ruinöser Preiskämpfe

Umgehung des direkten Wettbewerbs durch neue Kanäle.

Markttests neuer Kanäle

Option zum ungefährdeten Austesten neuer Absatzansätze.

Marktdurchdringung

Neue Kanäle können bei gesättigten Absatzkanälen neue Umsatzchancen eröffnen.

Verringerung von Transaktionskosten

Neue Absatzkanäle können geringere oder anders aufgeteilte Transaktionskosten für Marktteilnehmer besitzen.

Überhangverwertung und Abschleusung

Sonderprodukte oder nicht abverkaufte Waren lassen sich über neue Kanäle einfach und kollisionsfrei verkaufen.

Risikostreuung

Mehrere Absatzkale streuen die Geschäftsoptionen und verringern Risiko für Unternehmen.

Mehrkanalsysteme sind mit folgendem Konfliktpotenzial belastet: (1) Kannibalisierung zwischen Absatzkanälen: Eröffnet ein Unternehmen einen neuen Absatzkanal (bspw. neben dem stationären Geschäft wird ein Onlinekanal eingerichtet), wird der Umsatz des alten Kanals teilweise in Richtung des neuen Kanals abwandern. Damit ist nicht nur Mehrumsatz erzielt, sondern Umsatz wurde verlagert, was die Beurteilung des Erfolgs der Kanalerweiterung erschwert. (2) Konflikte und ungesunder Wettbewerb zwischen den Kanälen: Unterschiedliche Kanäle treten unvermeindlich miteinander in Wettbewerb. Das kann zu Reibungsverlusten führen. (3) Free Riding einzelner Absatzkanäle: Preisagressive Absatzkanäle profitieren von beratungsintensiveren Kanälen. Eröffnet, wie im obigen Beispiel, ein stationäres Geschäft (beratungsintensiver Kanal) einen Onlineshop, wird dieser von der Beratung des stationören Geschäfts profitieren (Free Riding). Auch das sog. Showrooming beschreibt das

622 

 6 Vertriebspolitik

Free Riding-Problem: Onlineshops profitieren von Laden- und Präsentationsflächen des stationären Handels, ohne deren kostenintensive Ladenstruktur betreiben zu müssen. (4) Unterschiedliche Leistungsversprechen zwischen den Kanälen: Jeder Absatzkanal besitzt spezifische Leistungsbesonderheiten. Stationäre Geschäfte können umfangreich beraten, Onlineshops bieten potenziell unbegrenzte Warenauswahl. Treten beide Absatzkanäle unter einem Markennamen auf, könnten Kunden diese hervorragende Beratungsleistung auch im Onlineshop suchen und suchen im stationären Geschäft nach der umfassenden Produktauswahl suchen. Beides ist nicht realisierbar. (5) Konsumentenverwirrungen: Werden unterschiedliche Absatzkanäle parallel betrieben, werden Kunden bei allen Absatzkanälen ähnliche Erwartungen besitzen. Die Angebotsvielfalt ist für Kunden unübersichtlich und sie werden durch die Vielzahl der Optionen verwirrt. (6) Sub­Optimierungen der Absatzkanäle: Jeder Absatzkanal benötigt spezifische Expertise. Ist ein Unternehmen als Stationärhändler gestartet, wird in diesem Feld seine primäre Expertise liegen. Im neuen Onlineshop muss sich diese Expertise erst entwickeln. Die Leistungsfähigkeit bleibt im Vergleich zur Online-Konkurrenz im Hintertreffen. (7) Kordinationsschwierigkeiten zwischen den Absatzkanälen: Unterschiedliche Absatzkanäle erfordern unterschiedliche interne Abwicklungsstrukturen. Im diskutierten Beispiel hat das stationäre Geschäft Waren in größeren Verpackungseinheiten erhalten, die im Geschäft verräumt und vorgehalten werden. Wird ein Onlineshop ergänzt, müssen Produkte einzeln verpackt und dem Logistikdienstleister übergeben werden. (8) Domizilprinzip: Ambulanter Handel, initiativer Händler sucht Konsumenten auf, Heimvertrieb, bspw. Verkaufspartys, Heimvorführungen, Beratungs- und Verkaufsgespräche im Heim oder Domizil des Kunden (9) Distanzprinzip: Immaterielle Warenpräsentation und Verkaufsabwicklung als konstituierendes Merkmal, Waren werden schriftlich, fernmündlich oder elektronisch bestellt (Versandhandel und E-Commerce), Warenübergang idR. durch Lieferung (10) No Line Handel: Kunde und Verkäufer denken nicht mehr in Absatzkanälen, sondern allein in Abwicklung des Austausches (11) Hybridsysteme: Z. B. Bestellshops von Versandunternehmen, Pop Up-Stores des E-Commerce, etc., Hybridsysteme kombinieren die verschiedenen Optionen immer wieder neu.

6.11 Groß- und Einzelhandel 

 623

Um einen Überblick zu bestehenden Absatzkanaloptionen zu haben, werden maßgebliche Absatzkanäle in Folge zusammengefasst. Ausgewählte Ausprägungen weden anschließend diskutiert. Abbildung  6.86 stellt die Differenzierung für B2C vor, Abbildung 6.87 widmet sich B2B.

6.11 Groß- und Einzelhandel – dominierende Absatzkanaform vieler Branchen Nach Industrie und Handwerk ist der Einzelhandel in Deutschland die drittgrößte Wirtschaftskraft. Der ZAW veröffentlicht für 2020 bemerkenswerte Zahlen: 577,4 Mrd. Euro Umsatz, davon 505,9 Mrd. Euro stationär und 71,5 Mrd. Euro Online-Handel. Als Partner im indirekten Vertrieb für die Hersteller operieren rund 300.000 Einzelhandelsunternehmen mit 3,09 Mio. Beschäftigten an rund 450.000 Standorten. Täglich kommt es im Handel zu rund 50 Mio. Kundenkontakten.746 Dabei übernehmen Groß- und Einzelhandel unterschiedliche Funktionen.

6.11.1 Funktion des Absatzmittlers Bei der Frage,wie Handelspartner in das eigene Absatzsystem eingebunden werden, sind drei Ausrichtungen zu unterscheiden: (1) Unternehmenseigener Vertrieb: Die Absatzfunktionen werden vollständig vom Unternehmen erfüllt. Sie sind weisungsgebunden und das Unternehmen kann Vertriebsaktivitäten ohne Partnerkonflikte steuern. Beispiele sind der eigene Außendienst, die eigene Niederlassung oder der selbst betriebene Onlineshop. (2) Unternehmensgebundener Vertrieb: Die Absatzstruktur ist an das Unternehmen vertraglich gebunden. Durch die vertraglichen Verbindungen kann das Unternehmen die Absatzhelfer mittelbar steuern. Die Eingriffmöglichkeiten sind jedoch begrenzt. Beispiele sind Handelsvertretungen, Franchisestrukturen oder auch ein angemieteter Außendienst. (3) Unternehmensungebundener Vertrieb: Das Unternehmen nutzt Absatzmittler für den Vertrieb. Eine weisungsmäßige Beeinflussung der Absatzbemühungen ist nicht möglich, idR. werden Rahmenbedingungen für den Vertrieb abgestimmt, innerhalb derer sich der Absatz-

746 Vgl. ZAW, (Werbung 2021), 2022, S. 118.

Ein neues Phänomen: Quick Commerce. Die Marketing-Philosophie der gesteuerten Ungeduld. Der schnelle Weg vom Erstkontakt zum Einkaufswagen. Mit dem Fahrrad innerhalb von 10 Minuten geliefert. Die fünf größten Einzelhändler der Welt in 2020: (1) Walmart – 514 Mrd. US$, (2) Cosco – 142 Mrd. US$, (3) Amazon – 140 Mrd. US$, (4) Schwarz Gruppe (Lidl, Kaufland) – 126 Mrd. US$, (5) Kroger – 118 Mrd. US$ (Quelle: Deloitte (Global Power), 2020).

624 

 6 Vertriebspolitik

mittler frei bewegt. Beispiele sind der Einzel- und Großhandel, internationale Distributoren oder auch der Handel über Online-Plattformen. Handels- und Handwerksbetriebe kaufen in eigenem Namen und auf eigene Rechnung. Sie übernehmen Eigentum an der Ware und sind damit Absatzmittler. Der Handel steht im Mittelpunkt des indirekten Vertriebs (B2B2C). Im funktionalen Sinne umfasst der Handel den gesamten Warenaustausch einer Volkswirtschaft. Der Handel verbindet die Gütererstellung mit dem Konsum. Nach dieser traditionellen Abgrenzung würde auch der direkte Verkauf der Hersteller eine Handelstätigkeit sein. Die Praxis geht daher vom institutionellen Handelsbegriff aus, der im Gesetz durch die Berufsausbildung im Einzelhandel verankert ist. Einzelhandel betreibt, (1) wer Waren anschafft (Eigentum übernimmt) und sie unverändert oder nach üblicher Be- oder Verarbeitung in offenen Verkaufsstellen an Endverbraucher in konsumadäquaten Mengen anbietet, (2) wer Muster oder Proben zur Entgegennahme von Bestellungen zeigt (3) oder Waren versendet, die nach Katalog, Proben oder Mustern bestellt werden (Versandhandel). In Massenmärkten sind dem Einzelhandel Großhandelsbetriebe vorgeschaltet. Diese verkaufen als Koordinatoren für die Industrie regaladäquate Mengen zu Großhandelspreisen an Wiederverkäufer und Wiederverarbeiter (Fachhandel, Fachhandwerk). In manchen Branchen wird der Großhandel nur noch wegen einer Vorfinanzierungsfunktion und einer Lagerhaltungsfunktion geschätzt. Beim Streckengeschäft liefert der Hersteller direkt an. Im grenzüberschreitenden Warenverkehr werden noch Ein- und Ausfuhrhandel unterschieden.747 Das historische Funktionenmodell des Handels der Abbildung 6.83 geht auf Oberparleiter zurück.748 Dieses historische Modell nimmt (leider) keine Trennung zwischen Groß- und Einzelhandel vor. Heute bestimmen große Handelskonzerne unsere Konsumwelt.749 Beim technischen Handel sind z. B. Konzerne wie Stinnes, Haniel, Raab Karcher, Thyssen Schulte, Cordes&Graefe, Richter&Frenzel zu nennen. 747 Sowie Außen- und Binnenhandel, vgl. Haller, (Handelsmarketing), 2008, S. 16. 748 Vgl.  Oberparleiter, (Warenhandel), 1930; vgl.  ferner die historischen Schriften von Schär, (Handelsbetriebslehre), 1911 sowie in einer späteren Ausgabe Seyffert, (Wirtschaftslehre), 1972. 749 Zur Stellung des Handels in der Volkswirtschaft vgl. Haller, (Handelsmarketing), 2008, S. 23–28.

6.11 Groß- und Einzelhandel 

 625

AUFGABEN DES HANDELS NACH DEM FUNKTIONENMODELL I. ÜBERBRÜCKUNGSFUNKTIONEN 1. Raumüberbrückungsfunktion / Transportfunktion

Handel überbrückt für Hersteller räumliche Entfernungen zu den Kunden; Handel übernimmt Transportaufgaben (Ausnahme: Streckengeschäfte)

2. Zeitüberbrückungsfunktion a.) Lagerfunktion

Lagerhaltung des Handels gleicht Bedarfsschwankungen des Marktes aus.

b.) Vorausdispositionsfunktion

Lagerhaltung des Handels wirkt als Puffer für die Produktionsplanungen der Hersteller

c.) Kreditfunktion

I. d. R. übernimmt der Großhandel durch die Vorfinanzierung der Ware das Delkredererisiko für die Hersteller

3. Preisausgleichsfunktion

Preispolitik des Handels hält Preis-/Leistungsniveaus der Sortimente in marktgerechten Relationen und korrigiert Mengenungleichgewichte durch Sonderangebots-Aktionen und Zweitplatzierungen

II. WARENFUNKTIONEN 1. Quantitätsfunktion

/ Mengenumwandlungsfunktion

Handel kauft in herstellergerechten Mengen und verkauft in abnehmergerechten Mengen (Sammeln und Teilen)

2. Qualitätsfunktion

Handel sortiert, mischt, veredelt oder verpackt Ware

3. Sortimentsfunktion

Handel stellt aus Vielfalt des Warenangebotes eine

/ Manipulationsfunktion

gemäß Kundenwünsche attraktive und betriebstypenentsprechende Auswahl zusammen

III. MARKETINGFUNKTIONEN 1. Markterschließungsfunktion

Handel erschließt und betreut lokale und regionale

2. Interessenwahrungsfunktion

Handel ist Koordinator und Berater im Interesse von

/ Marktbetreuungsfunktion

/ Informations- und Beratungsfunktion

Märkte zum Vorteil der Hersteller Herstellern und Endkunden

Abbildung 6.83: Funktionenmodell des Handels.

Der Lebensmittelgroßhandel, Lebensmitteleinzelhandel und der Fachgroß- und -einzelhandel erfüllen für die Wirtschaft wichtige Funktionen. Durch ihre breite Marktabdeckung und regionale Kundennähe profitiert die Industrie von fünf Verstärkungsfunktionen des Handels:750 (1) Handel als Distributionsverstärker: Dazu werden sie (1) entweder keine Händler ausschließen (intensive Distribution) oder (2) Händler gezielt nach bestimmten Kriterien auswählen (selektive Distribution) oder (3) sich nur mit wenigen Top-Händlern verbün-

750 Vgl. hierzu Irrgang, (vertikales Marketing), 1989, S. 3–7 sowie die dort angegebene Literatur.

626 

(2) Der Begriff Intermediär wird als Begriff für eine dazwischenliegende Absatzsstufe synonym verwendet.

(3)

(4)

(5)

 6 Vertriebspolitik

den (exklusive Distribution). Diese Auswahl erfolgt im Rahmen der Vertriebspartnerstrategie. Handel als Imageverstärker: Handelspartner unterstützen die werblichen Aktivitäten und den Marktauftritt des Herstellers Platzierungsverstärker: der Handel bringt die Herstellerprodukte auf die Regalplätze (Gate-Keeper-Funktion des Handels durch Listung und Auslistung). Beratungsverstärker: mit seiner Fachkompetenz und den persönlichen Beziehungen zu den Kunden vor Ort unterstützt der Fachhandel die Hersteller als (Kunden-) Berater. Zudem übernehmen die Handelspartner für die Hersteller eine Ser­ viceverstärkungsfunktion durch Reparatur- und Wartungsdienstleistungen.

Das Funktionenmodell bietet das Bild einer heilen Welt. Die Industrie beklagt jedoch, dass der Handel seine Aufgabe zur Stärkung der Herstellermarken vernachlässige. Durch den Aufbau von Handelsmarken würde der Handel mehr in Richtung Einkaufsstättentreue und weniger in Richtung Lieferantentreue (Markentreue) agieren. Ausserdem würde der Handel nicht genug tun, um Beratungskompetenz für die Herstellerprodukte aufzubauen. Hierbei spielt der Umstand eine große Rolle, dass in vielen Volkswirtschaften ein grosser Mangel an qualifiziertem Verkaufspersonal herrscht. Regelmäßig übersehen wird die große Anzahl technischer und vertrieblicher Partner für die Industrie. Der Heizungshersteller Viessmann beispielsweise stützt sich auf 60.000 Partner weltweit, die von mehreren Hundert Vertrieblern betreut werden – und koordiniert mit 68 Vertriebs- und 120 Verkaufsniederlassungen in 31 Ländern (2021). Neben Handelsbetrieben sind noch folgende Institutionen als Absatzhelfer und Absatzpartner zu unterscheiden: Handelsvertretungen In Deutschland arbeiten über 60.000 Handelsvertretungen (Handelsvermittlungsbetriebe), davon ca.  25 Prozent als Einzelfirma. Sie sind selbständige Gewerbetreibende (Istkaufleute i. S. des § 1 HGB), die in fremdem Namen und auf fremde Rechnung Geschäfte abschließen (deshalb: Absatzhelfer). Die deutschen Handelsvertretungen vermitteln Produkte für ca. 178 Mrd. Euro Umsatz und erzielen 5 Mrd. Euro Eigenumsatz. Damit liegt ihr Einschaltungsgrad in den deutschen Warenströmen bei rund 30 Prozent. Im Durchschnitt ist jede Handelsvertretung für 6 Lieferanten tätig.

6.11 Groß- und Einzelhandel 

 627

Kosten für Vertriebsaktivitäten

Als traditionsreiche Kaufmannsform genießen Handelsvertretungen Rechtsschutz im Rahmen der §§ 84–92 HGB. § 91 HGB trifft die wichtige Unterscheidung zwischen Vermittlungs- und Abschlussvertreter. Der Handelsvertreter hat die Interessen seines Auftraggebers und Geschäftsgeheimnisse zu wahren. Für die vermittelten Geschäfte erhält er eine Provision bei relativ geringen Fixbezügen.

„kritische“ Umsatzsschwelle

Provision Handelsvertreter Provision eigener Außendienst Grundgehalt eigener Außendienst

Fixum Handelsvertreter Umsatz Abbildung 6.84: Kostenvergleich eigener Außendienst versus Handelsvertretung.

Deshalb bieten sich Handelsvertreter besonders dann an, wenn beim Umsatz die kritische Masse fehlt (der Umsatz also links der kritischen Umsatzschwelle der Abbildung 6.84 liegt), um einen eigenen Außendienst zu finanzieren. Abbildung  6.84 veranschaulicht dieses umsatzbezogene Entscheidungsproblem der Wahl zwischen Reisenden und Handelsvertretern. Die Entscheidung für oder gegen Handelsvertreterverkauf hängt aber nicht nur vom Umsatz ab. Die Vertriebsarbeit mit Handelsvertretungen ist typisch für bestimmte Branchen (z. B. Möbel, Bekleidung, Spielwaren). Handelsvertreter bieten Branchenkontakte als Know how und Möglichkeiten zur Sortimentsbündelung. Je qualifizierter das Know how ist, desto kritischer muss sich ein Hersteller fragen: – Soll ein Handelsvertreter nur für das eigene Unternehmen tätig sein oder als Mehrfirmenvertreter auch für andere (Konkurrenten ausgeschlossen)? – In welchem Maße soll ein Handelsvertreter Gebietsschutz erhalten?

628 

 6 Vertriebspolitik

Je enger ein Handelsvertreter vertraglich an seine Lieferanten gebunden ist, desto stärker ist seine Verhandlungsposition in Bezug auf einen Ausgleichsanspruch im Falle einer Trennung. Eine Vertretungsform mit besonders starker Lieferantenbindung ist der Agenturvertrieb (z. B. Versicherungs-Agenturen, Tankstellen). Agenturen sind in ein einheitliches Präsentationskonzept eingebunden und erhalten i. d. R. Gebietsschutz. Ihre Räumlichkeiten (die Agentur) haben die Agenturen weitgehend selbst zu finanzieren. Eingelagerte Ware brauchen sie nicht vorzufinanzieren. Ein wichtiger Einsatzbereich von Handelsvertretungen sind Markterschließungen und Markteintritte. Wenn sich ein eigener Außendienst finanziell noch nicht rechnet oder die Umsatzpotenziale uneindeutig sind, kann über eine Handelsvertretung der Markt eröffnet werden. Unternehmen engagieren aus diesem Grund bspw. vielfach Handelsvertretungen für die Expansion in internationale Märkte. Im internationalen Geschäft wird die Handelsvertretung auch durch den englischen Begriff „Distributor“, „Commercial Agency“ oder „Trade Representative“ beschrieben. Kommissionäre Kommissionäre sind Absatzhelfer, übernehmen also kein Eigentum an der Ware. Sie handeln allerdings in eigenem Namen (§§ 383 ff. HGB). Gegen Kommission bzw. Provision übernehmen sie für ihre Auftraggeber gewerbsmäßig die Warengeschäfte. Im Gegensatz zum Handelsvertreter braucht ein Kommissionär den Namen seines Auftraggebers nicht preiszugeben. I. d. R. genießen sie keinen Gebietsschutz. Beispiele sind die Depotsysteme von Tchibo oder die der Kosmetikhersteller in Apotheken. Makler Handelsmakler (§§  93 ff HGB) gehören zur Kategorie der Absatzhelfer. Ihre Aufgabe beschränkt sich darauf, vertragswillige Partner zusammenzuführen (Vermittlung von Verträgen). Sie haben die Interessen beider Seiten zu wahren. Die Maklergebühr (Courtage) wird bei Nachweis eines Geschäftsabschlusses fällig. Vertriebliche Praxisbedeutung haben sie vor allem im Zusammenhang mit Bank-, Versicherungs- und Immobiliengeschäften. Im Zusammenspiel von eigenen und fremden Vertriebsorganen ergeben sich in der Praxis branchentypische Geschäftsmodelle für die Vertriebswege. Abbildung  6.85 skizziert ausgewählte Vertriebswegestrukturen. Auch digitale Kanäle lassen sich gut in die Teilgrafiken integrieren und

KonsumgüterHersteller Gebrauchsgüter / Elektrogroßgeräte

Flächen-/ Regionalvertrieb

Stores Off- und Online

D2C-Geschäft Key AccountManagement

Verband / Großhandel

Flächen- / Regionalvertrieb

Fachhandwerk Off- und Online

Textil-Fachhandel Filialisiert / nichtfilialisiert Modemessen, Ordermessen Key Account Management

OEM

Handelsvertretung

Außendienst

Pharma-Berater

Techn. Handel

Gewerbl. Kunden

MaschinenbauHersteller

Textilhersteller

Handelsvertreter

Ärzte und Krankenhäuser

Patient

Pharmahersteller

Indirekter 3-stufiger + 2-stufiger Vertrieb Indirekter 2-stufiger Vertrieb

Einkaufs-Zentralen des Handels

End-Kunde

B2B-Vertrieb, 1 - und 2-stufig

Key Account Management

End-Kunde

Indirekter 2-stufiger Vertrieb

 629

End-Kunde

Indirekter 3-stufiger Vertrieb

6.11 Groß- und Einzelhandel 

PharmaGroßhändler

Apotheken

Abbildung 6.85: Beispielhafte Vertriebswege ausgewählter Branchen und Segmente.

630 

 6 Vertriebspolitik

verbinden dann Hersteller und Endabnehmer, Hersteller und Handel, Großhandel mit Einzelhandel und den Handel mit den Endabnehmern. Es entstehen Multikanal-Netzwerke, die im Rahmen eines Multi Channel Marketing zu steuern sind. Eine ergänzende Entwicklung zum Ausbau der Absatzkanäle in B2C und B2B-Märkten ist die Integration von After-Sales-Kanälen in die Planung der Vertriebsstrukturen.751 Kundenservice, Techniker und Ver­ triebsingenieure haben Wissen rund um Kunden und deren Bedürfnisse. Durch engen Kontakt zum Kunden erfährt der After Sales Bereich von Neuanschaffungen und anstehenden Projekten. Wird dieser Kontakt genutzt, um Informationen in neue Vertriebsanstöße zu überführen, erweitert sich die Reichweite der Absatzkanäle. Neben technischer Expertise werden Bedarfsanalyse, gelebte Kundenorientierung und auch eine Vertriebskommunikation Schlüsselfertigkeiten modernen Lösungsvertriebs.752 Herausforderungen liegen vielfach der Abneigung von Servicemitarbeitenden gegenüber dem Verkauf. Wird im Unternehmen die Bedeutung von Zusatzverkäufen als zusätzlicher Dienst am Kunden positioniert, kann diese ablehnende Haltung von Servicemitarbeitenden überwunden werden. Auslieferungsstrukturen können auch als Vertriebshebel genutzt werden – bei jeder Auslieferung wird ein Gutschein übergeben und über diesen Gutscheincode generierter Umsatz wird dem Auslieferungsfahrer mit Provisionen vergütet. Von „We must provide a better service before we earn the right to sell“ zu „I Understand my customers’ needs and they appreciate my advice“. 753 Die Zusammenarbeit mit Absatzmittlern ist herausfordernd. Neben den eigenen Absatzbemühungen und den unternehmens-individuellen Zielsetzungen müssen bei der Ausgestaltung der Partnerschaft mit Absatzmittlern weitere Wünsche und Zielsetzung berücksichtigt werden. Tabelle 6.87 zeigt Bruchlinien auf, die bei jeder Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Absatzmittlern entstehen können. Sind diese gegensätzlichen Ausgangssituationen bekannt und werden passende Kompro-

751 Vgl. Baumgartner et al., (Sales Growth), 2016, S. 61 f. 752 Vgl. Barrantes, Gensterblum, (Vertriebsingenieure), 2022, S. 28. 753 Baumgartner et al., (Sales Growth), 2016, S. 62.

6.11 Groß- und Einzelhandel 

 631

Tabelle 6.17: Herausforderungen in der Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Absatzmittler. 754 Wünsche des Herstellers an Absatzmittler

Wünsche des Absatzmittlers an Hersteller

Sichtbarkeit im Markt und Feedback aus dem Markt

Investition des Herstellers in Vermarktung und gute Ertragsmöglichkeiten

Wachstum mit allen Produkten als Zielsetzung der Partnerschaft

Fokussierung auf die wichtigsten und umsatzstärksten Produkte

Effektive Vermarktung der eigenen Produkte durch viele Absatzmittler

Exklusivität im Vertrieb der Produkte des Herstellers

Generierung von individuellem Zusatznutzen für den Kunden

Eindeutige Kundenzuordnung mit Festlegung von Zuständigkeiten

Klare Aufgabenabgrenzung und Verantwortlichkeiten zur eigenverantwortlichen Umsatzgenerierung durch den Absatzmittler

Kooperative Vorgehensweise und fortwährende Unterstützung durch den Hersteller

misse zwichen der Parteien verhandelt, können die Partnerschaften in Folge erfolgreich etabliert werden.

6.11.2 Betriebstypen des Handels Die Welt des Handels ist vielseitig. Abbildung 6.86 und Abbildung 6.87 bieten einen Überblick über Handelsformen im Konsumgüter- und Gewerbegüterbereich - geordnet nach den Verkaufsformprinzipien. Seit etwa 1970 ist ein Konzentrationsprozess im Handel zu beobachten.755 Kosten-, Synergievorteile und vor allem mehr Marktmacht gegenüber Wettbewerbern und Lieferanten sind die zentralen Zielsetzungen. In Massenmärkten der Lebensmittel, Textilien oder der sog. braunen Ware (Radio, TV, Hifi) geht der Trend hin zu Zusammenschlüssen zu Filialunternehmen (nach statistischem Bundesamt mindestens 5 Filialen erforderlich: z. B. Hennes&Mauritz, Media Markt, ALDI), zu Verbundgruppen (d. h. Einkaufsverbände und freiwillige Ketten, bspw. Euronics, Intersport) unabhängiger Händler auf der Grundlage vertraglicher Regelungen (z. B. Markant) sowie zu Mischformen (z. B. Rewe, Edeka, jeweils 754 Quelle: Baumgartner et al., (Sales Growth), 2016, S. 113, eigene Übersetzung mit Ergänzungen. 755 Vgl. hierzu die umfangreichen statistischen Daten bei Oehme, (Handels-Marketing), 2001, S. 32–40; S. 316–322; Jensen, (Groß und schwach), in: MM, 12/1995, S. 110–119.

– –

– –

E-Commerce Social Commerce Teleshopping Telefonvertrieb

Handel über Kommunikationsmedien





Universalversandhandel Spezialversandhandel

Versandhandel

Distanzprinzip

– – –



– – – –

Fachgeschäft Boutique Kaufhaus Gemischtwarenhandel Verbrauchermarkt Discounter Factory Outlet ...

Ladenhandel

– –

– – –

Tankstelle Kiosk Automatenhandel Postenhandel ...

Restlicher stationärer Handel

Residenzprinzip

Konsumgüter Betriebstypen

– – –

Markthalle Markthandel Schaustellergewerbe

Halb-stationärer Handel

– –

– –





Verkaufsparty Straßenhandel Heimdienst Rollender Verkaufswagen Verkaufsschiff ...

Ambulanter Handel

Treff-/Domizilprinzip

632   6 Vertriebspolitik

Abbildung 6.86: Betriebstypen des Handels nach Verkaufsformen in Konsumgütermärkten

– –





Elektronischer Vertrieb (ECommerce) ERP-basierte Systeme Call Center Plattformen

Handel über Kommunikationsmedien



Verkaufskataloge

Versandhandel

Distanzprinzip

– –



Verkaufsniederlassung Großhandel Distributoren

Ladenhandel

– –



Lagerverkauf / FOC Hausmesse Pop UpVerkauf

Restlicher stationärer Handel

Residenzprinzip

Gewerbliche Güter Betriebstypen





MesseVerkauf PromotionTour

Halb-stationärer Handel





– –

Außendienst Geschäftsführung Handelsvertreter Produktionsverbindungshandel

Ambulanter Handel

Treff-/Domizilprinzip

6.11 Groß- und Einzelhandel   633

Abbildung 6.87: Betriebstypen des Handels nach Verkaufsformen in gewerblichen Märkten

634 

COVID19 beschleunigt den Strukturwandel im Handel. Laut Handelsverband Deutschland liegt die Zahl der Ladenschließungen 2022 mit ca. 16.000 dreimal so hoch, wie im Durchschnitt der Jahre vor der Pandemie.

 6 Vertriebspolitik

sowohl eigenständige Händler wie auch Regiebetriebe der Zentralorganisationen).756 Eine Folge dieser Entwicklung ist das Sterben des kleinen Einzelhandelsgeschäftes um die Ecke (Tante Emma). Seit Jahren steht auch das Fachgeschäft für gehobene Sortimente in der Innenstadt oder Stadtteillage unter starkem Existenzdruck. Die kleinen Betriebstypen im Handel können nur durch Service und erstklassige Beratung überleben. Für alle Betriebstypen gilt, dass sie zunehmend dem Online-Handel weichen müssen. Geradezu dramatisch war der Schritt von Media Markt, Kunden im Laden online bestellen zu lassen. In den Regalen liegen nur noch wenige Schaustücke. Dieses Phänomen ist Ausdruck einer Betriebstypendynamik, mit der der Handel auf den Wandel wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, auf ein verändertes Verbraucherverhalten und auf neue Strategien der Hersteller reagiert. Im Wandel der Zeit entstehen und vergehen neue Handelsbetriebstypen. Von einer Dynamik der Betriebsformen ist die Rede. Vergleichbar mit dem Lebenszyklus der Herstellerprodukte kann ein Betriebstypen-Lebenszyklus für Handelsbetriebe betrachtet werden.757 Grundsätzlich lassen sich Betriebsformen des stationären Handels nach Qualitätsniveau des Sortiments, Sortimentsbreite und -tiefe, Preislage, Standort, Rechtsform, Herstellerbindung und vor allem nach Ladengröße einteilen. Bezogen auf das Kriterium Geschäftsgröße ergibt sich in etwa die folgende Rangordnung für die Outlets des Einzelhandels:758 Fachgeschäft Das Fachgeschäft ist eine Betriebsform des Non-Food-Sektors mit breitem und tiefem Sortiment innerhalb einer Branche, mit Verkaufsflächen zwischen 200 und 600 qm, angesiedelt in Wohn- und Citylagen, mit qualifizierter Beratung und Serviceleistungen auf gehobenem Preisniveau. Kaufhaus Das Kaufhaus ist ein größerer Einzelhandelsbetrieb in der Innenstadt. Der Betriebstyp symbolisiert den Höhepunkt der Entwicklung des Einzelhandels im 19. Jahrhundert. Die ersten Kaufhäuser waren Wertheim, Tietz, Karstadt 1875 und 1879 in Stralsund, 1881 in Wismar und 1882 in Gera.759 Unter dem Namen Galeria führen Kaufhof und Karstadt Deutsch756 Zur Struktur des Einzelhandels vgl. Haller, (Handelsmarketing), 2008, S. 35–54. 757 Vgl. Haller, (Handelsmarketing), 2008, S. 56. 758 Vgl. Nielsen, (Universen), 2008. 759 Vgl. Diesteldorf, (Kaufhaus), in: SZ, Nr. 287, 2021, S. 24.

6.11 Groß- und Einzelhandel 

 635

lands letzte Kaufhauskette. Geboten werden gestraffte Sortimente spezieller Warengruppen. In mindestens einer Branche wird ein tiefes Sortiment geführt. Auf einen Food-Bereich (außer Süßwaren, Spirituosen) wird zunehmend verzichtet. I. d. R. ist keine Selbstbedienung möglich. Warenhaus Das Warenhaus liegt mit Verkaufsflächen ab 3.000 qm größenordnungsmäßig unter dem Kaufhaus aber über dem Fachgeschäft. Vermarktet werden sowohl breite als auch tiefe Sortimente. „Alles unter einem Dach“ lautet die traditionelle Devise. Es mischen sich Bereiche mit Bedienung und Selbstbedienung. Fehlende Sortimentsbereiche (z. B. Food) werden als Mietflächen vergeben (Store in the Shop). Vollsortiment: 20.000 – 30.000 Artikel. Das Warenhaus erleidet das gleiche Schicksal wie das Kaufhaus. Zu stark sind Online-Handel und aggressive Discounter infolge von Strukurwandel und Corona vorgedrungen. Dabei standen die Warenhäuser für ein Versprechen der Wirtschaftswunder-Ära:  den Menschen Kauferlebnisse in der Stadt und einen Ort der gesellschaftlichen Durchmischung zu bieten. Wie schrieb Diesteldorf Ende 2021: „Der Online-Handel ist kein Ort der Begegnung. Einkaufen ohne Menschen ist kein Konzept für die Zukunft…. Der Kontakt zu Menschen und Dingen, das Sinnliche am Einkaufen, macht den Unterschied. In ihm liegt der Wert der Idee Warenhaus.“ 760 Fachmarkt oder Category Killer Angebot eines engen Sortiments, dafür aber eine tiefe Auswahl. Populäre Beispiele dieser Betriebsform sind Media Markt und Saturn. Einer der größten Media Markt Standorte hat in München 10.000qm Verkaufsfläche. Der laut Eigenbezeichnung von Saturn größte Elektrofachmarkt der Welt in Hamburg bietet Waren auf rd. 18.000qm an. Andere bekannte Fachmarktkonzepte sind B.O.C. (durchschnittlich rd. 2.000 qm Verkaufsfläche) und BabyOne (1.000-1-500qm Verkaufsfläche). Durch die große Auswahl ist die fallweise Fachberatung für Kunden kauf relevant und wird daher von allen Fachmarktbetreibern angeboten. Mega-Store und Shopping-Center (ab 10.000 qm) Der Trend geht zu immer größeren Einkaufszentren. Im Jahr 2004 waren in Deutschland 13 Projekte mit jeweils über 10.000 qm Verkaufsfläche in der Planung. In Dortmund entstand zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 ein Mega-Markt mit 57.000 qm. Das größte Mega-Shopping-Center ist 760 Diesteldorf, (Kaufhaus), in: SZ, Nr. 287, 2021, S. 24.

636 

 6 Vertriebspolitik

das centro in Oberhausen mit 70.000 qm. Die Zahl der Großzentren in Deutschland wird auf über 400 geschätzt. Das Marktforschungsunternehmen Nielsen differenziert die Betriebstypen des Lebensmitteleinzelhandels nach Betriebsgrößen: Supermarkt (klein: 100–399 qm, groß 400–999 qm) Der Supermarkt ist das Fachgeschäft des Lebensmitteleinzelhandels, mit Verkaufsflächen zwischen 100 und 999 qm und einem Sortiment von 5.000 – 12.000 Artikeln mittlerer Qualitäts- und Preislagen. Oft ist ein Frischebereich integriert (Wurst, Käse). Wichtig ist die Nachbarschaftslage. Geiz ist geil: „Wir gehen in eine Schnäppchen- und Geizkultur, weil Konsum eigentlich nicht mehr spannend ist.“ (Matthias Horx, Zukunftsinstitut Kelkheim, www. zukunftsinstitut.de)

Discounter Discounter sind Lebensmittel-Einzelhandelsgeschäfte, für deren Absatzpolitik das Discount-Prinzip maßgeblich ist (Niedrigpreise, begrenztes Sortiment); unabhängig von der Größe der Verkaufsfläche. Beispiele sind Netto, Plus, Norma, ALDI, Lidl oder Penny. Der Discounteranteil am Lebensmittel-Einzelhandel-Umsatz (Lebensmittel-Einzelhandel = LEH) lag 2017 bei 37,4 Prozent. Discounter führen zwischen 2.000 und 3.500 unterschiedliche Produkte im Sortiment. Kleiner Verbrauchermarkt Kleine Verbrauchermärkte sind Lebensmittel-Einzelhandelsgeschäfte mit einer Verkaufsfläche zwischen 1.000 und 2.499 qm, die ein breites Sortiment des Lebensmittel- und Nichtlebensmittelbereiches in Selbstbedienung anbieten. Die Standorte liegen außerhalb des Innenstadtbereiches. Ausreichend Parkplätze sind obligatorisch. Großer Verbrauchermarkt und SB-Warenhaus (ab 2500 qm) Stadtrandlagen, große Parkplätze, umfassende Sortimente und Selbstbedienung kennzeichnen diese große und preisaggressive Betriebsform. Oft sind Dienstleister angegliedert, wie Friseur, Optiker und Reinigung. Der Großverbrauchermarkt geht nach internationalen Vereinbarungen bei etwa 4.999 qm Verkaufsfläche in die Betriebsform des SB-Warenhauses über. Kaufland, Globus und Real sind Beispiele hierfür. Restlicher Lebensmitteleinzelhandel (klein:  2500 qm

1.826

3,6%

2.106

6,0%

15,3%

40.550 16,7%

14.526

6,0% –64,2%

Verbrauchermärkte 1000 – 2499 qm

4.114

8,1%

5.745

16,4%

39,6%

22.510

9,3%

39.704

16,4%

Verbrauchermärkte

5.940

42,2%

7.851

22,5%

32,2%

63.060 26,0%

54.230

22,4% –14,0%

5,1%

59.030 24,4%

110.398

45,6%

76,4%

87,0%

Discounter

15.154

30,0% 15.931

45,6%

Supermärkte insgesamt

15.387

30,4%

6.422

18,4% –58,3%

20.950

8,7%

44.546

18,4% 112,6%

Märkte groß 400 – 999 qm

5.396

10,7%

3.694

10,6% –31,5%

15.615

6,4%

25.663

10,6%

Märkte klein 100 – 399 qm

9.991

19,8%

2.728

7,8% –72,7%

5.335

2,2%

18.884

7,8% 254,0%

Drogeriemärkte (< 100 qm)

14.072

27,8%

4.743

13,6% –66,3%

12.845

5,3%

32.926

13,6% 156,3%

Total

50.553 100,0% 34.947 100,0% –30,9%

155.885 64,4% 242.100 100,0%

(Quelle. Nielsen – Deutschland 2018, früher Universen) – kleine Märkte > 100 qm inkl. Aldi, Lidl, Norma

761 Ausgangsbasis der Umsatzzahlen ist der Basisumsatz des LEH von 241 Mrd. € in 2018, auf Basis der von Nielsen angegeben %-Werte sind die weiteren Umsatzwerte je Betriebstyp abgeleitet.

64,3%

55,3%

638 

Die Top-3 der Nichtdiscounter: Edeka, REWE, Kaufland. Die 5 Top-Discounter: ALDI, Lidl, Netto, Penny und Norma.

„Das neue Normal ist ‚phygital‘ – der Königsweg des Handels ist hybrid.“ (Quelle: Michael Müller, President bei der GFK, Best Brands Sonderbeilage der Wirtschaftswoche, 2022, S. 36)

 6 Vertriebspolitik

Als Sonderformen des stationären Einzelhandels sind u. a. Tankstellen-Shops und Kiosks zu nennen. Wenn Kraftstofftanken bald auf dem Rückzug ist, werden sich die Tankstellen erneut neu positionieren müssen. Von untergeordneter Bedeutung ist beim nicht-stationären Einzelhandel der reisende Handel, der traditionell als ambulanter Handel bezeichnet wird. Handelskonzerne versuchen, unterschiedliche Unternehmenstypen (Bsp. Standortentwicklugen der REWE: Rewe, Rewe To Go, Rewe City, Rewe Center, Rewe Online), Betriebstypen und Länderstrategien zu einem schlagkräftigen Mix zu bündeln. Selbstverständlich präsentieren sie sich heute als Multi Channel Unternehmen mit starken Online-Kanälen. Im Mix ihrer Verkaufsstellen streben sie folgende strategische Differenzierungen an: (1) Größendifferenzierungen: ausgewogene Mischung von Groß- und Kleinbetriebsformen, (2) Regionaldifferenzierungen: ausgewogene Mischung der Outlets in Ballungsgebieten und in ländlichen Gebieten und (3) Sortimentsdifferenzierungen: ausgewogene Mischungen von Food-/ Non-Food-Sortimenten sowie Discount-, Fach- und Spezialsortimenten. Der „Branchenriese“ Metro AG besteht heute aus den Metro-Cash&Carry Märkten (früher auch zugehörig: Mediamarkt und Saturn (heute Ceconomy) und Real) operiert weltweit mit 95.141 MitarbeiterInnen in fast 700 Märkten und erwirtschaftet einen Umsatz von 25,6 Mrd. Euro (2020/21). Mit unterschiedlichen Strategien bearbeiten ALDI Nord und ALDI Süd der Gebrüder Theodor und Karl Albrecht den Weltmarkt. Zusammen kamen sie 2020 auf einen Umsatz über 31 Mrd. Euro; erwirtschaftet von 2.205 Filialen von ALDI Nord und 1.954 Filialen von ALDI Süd. ALDI Nord konzentriert sich auf den europäischen Markt. ALDI Süd ist u. a. auch in China, Australien und in den USA engagiert. Auch der Drogeriemarkt ist eine bedeutende Handelsform geworden. Die drei großen Marken sind dm mit rd. 9,04Mrd. € Umsatz, Rossmann (7,9 Mrd. €) und Müller (3,08 Mrd. €) Versandhandel und Online-Handel Von großer wirtschaftlicher Bedeutung ist der (digitale) Versandhandel. Es werden unterschieden: Multi Channel Versender, reine InternetVersender, Powerseller, Versender mit Heimat im stationären Handel, Teleshopper-Versender, Hersteller-Versender, Apothekenversender sowie sonstige kleinere Typen.

6.11 Groß- und Einzelhandel 

 639

Weiter oben wurde bereits auf das enorme Wachstum des OnlineVersandhandels aufmerksam gemacht (siehe dazu Kapitel  6.1.8.). Der gesamte Versandhandel in Deutschland belief sich laut Statista Research Department im Jahr 2021 auf rund 84 Milliarden Euro. Der Anteil des Online-Handels am gesamten Versandhandel liegt bei ca 85 Prozent.762 Die traditionsreichen Versender haben rund um die Jahre 1995– 2000 die Wachstumschancen im Online-Handel, bzw. die Neigung der Endverbraucher, im Internet zu bestellen, unterschätzt. Als Neckermann 2012 bekannt gab, den Print-Katalog einzustellen und Online-Kataloge und Online-Transaktionen zu priorisieren, war das schon zu spät. Es folgten Insolvenz und Aufkauf der Markenrechte durch die Otto-Gruppe. Auch stationäre Einzelhändler sind mittlerweile in den Onlinehandel eingestiegen – Edeka, Lidl, Norma, Netto. Und neue Player sind hinzugetreten. Sie allen haben die Old School Versenderwelt durcheinandergewirbelt. Amazon ist das alles überstrahlende Erfolgsbeispiel. Gerade bei Amazon wird deutlich, dass sich klassische Großhandel- und Einzelhandelfunktionen auflösen. Amazon operiert sowohl als Einzelhändler, wie auch als Plattform für partnerschaftlich angebundene Händler. Kleidung, Bücher, Elektronik, Hardware, Computer und Software, Reisen und Büromaterial verzeichnen hohe Internet-Umsätze. Großhandel Der Großhandel ist mit seiner Verteiler- und Warenbündelungsfunktion dem Einzelhandel vorgelagert. Dort werden als Betriebsformen der Sortimentsgroßhandel, Spezialhandel, Streckengroßhandel, Zustellgroßhandel, Cash&Carry-Großhandel und der Regal-Großhandel (Rack-Jobber) unterschieden.763 Mit wachsenden Betriebsgrößen und zunehmendem Leistungsvermögen des Einzelhandels wird der Großhandel in Frage gestellt. Es ist immer die Frage, ob sich ein Markenartikler (die Industrie) zutraut, Handelsfunktionen selbst zu übernehmen. In einigen Marktbereichen, z. B. im Pressewesen (Pressegrosso-System) und in der Apothekenversorgung ist die Funktion der Vordistribution des Großhandels dagegen unverzichtbar. Zahlreiche Trends haben den dramatischen Strukturwandel der Betriebsformen beschleunigt. Handelskonzerne müssen auf Marktsättigung in konventionellen Marktsegmenten, Zunahme von Single-Haushalten, Alterung der Bevölkerung, zunehmendes Schnäppchenjäger-Ver-

762 Bezogen auf die vom ZAW für 2021 gemeldeten 71,5 Mrd. Euro: vgl. ZAW, (Werbung 2021), 2022, S. 118. 763 Vgl. Scharf et al., (Marketing), 2022, S. 551.

Der Pionier im Teleshopping: OTTO in Kooperation mit Sat. 1. Heute wird die Branche dominiert von QVC, HSE24 und Channel21.

640 

 6 Vertriebspolitik

halten der Verbraucher (Smart-Shopper), hybride Verbrauchergruppen, zunehmende Unsicherheit in den globalen Lieferketten, das EU-Lieferkettengesetz und vor allem auf Angriffe von internationalen Wettbewerbern reagieren. Store Erosion ist der Begriff für den Betriebstypenverschleiss.764 Als Beweis für diesen Retail Life Cycle bzw. das Wheel of Retailing765 wird das enorme Marktwachstum der Verbrauchermärkte und SB-Warenhäuser betont. Der Trend geht unverändert weiter zu größeren, integrierten Flächeneinheiten. Die zukünftigen Stufen der Betriebstypenevolution im Handel werden Mega-Stores und Malls nach US-amerikanischem Vorbild sein. Aber auch Techno-Discount und Automatenshops, in Kombination mit Cyber-Stations, werden zum Kauf einladen. 24 Stunden einkaufen, verkaufen wo und wann Menschen kaufen möchten: In diese Nischen strömt eine Bugwelle neuer Betriebsformen. Auswertungen von Nielsen belegen die Betriebstypendynamik. In den letzten 15 Jahren haben 30,9 Prozent weniger Geschäfte einen 55,3 Prozent höheren Umsatz erwirtschaftet. Die Sieger im großen Spiel des Einzelhandels sind die Discounter. Die Zahlen belegen aber auch den brutalen Effizienz- und Umsatzwachstumsdruck (Umsatz + 254%) für die kleineren Geschäfte, deren Anzahl von fast 10 Tausend auf 2,7 Tausend geschrumpft ist. Dabei sind die Relikte der Tante Emma Zeit  – kleine Märke unter 100 qm  – hier gar nicht mehr erfasst. Sie gelten für die Statistik schon als „ausgestorben“. Weil einige Tante Emmas in Größenordnungen über 100 qm hineingewachsen sind, mischen sich in diesem unteren Bereich die Konzepte von Bedienung und Selbstbedienung (Teilselbstbedienung).

6.11.3 Betriebstypen im Wandel Das „House of Rituals“ in Amsterdam inszeniert auf 1.700 qm auf 4 Etagen alle angebotenen Warenwelten und lässt Kunden in die Markenphilosophie eintauchen (Quelle: w&v, 02/2022, S. 42ff).

Um gegen Discounter und Konsumsättigung überleben, entwickeln die Handelskonzerne neue Konzepte; z. B. Themenwelten. Wurden Sortimente in der Vergangenheit nach Warengruppen präsentiert, so schafft man heute Lebensfelder in Szenen und Bildern. Eine Verkaufsraumdramaturgie soll Reize vermitteln, Neugier wecken und Erlebniswerte beim Einkauf steigern. Zunächst werden Warenleitbilder definiert. Diese entsprechen meist Lebensstil-Bereichen, wie z. B. die Segmente Mode, Persönlichkeit, Genuss/Geselligkeit, Wohnen, Sport/Freizeit, Multimedia und

764 Vgl. zur Store Erosion: Haller, (Handelsmarketing), 2008, S. 422. 765 Vgl. zu diesen Begriffen: Specht, (Distributionsmanagement), 2005, S. 98 und 99.

6.11 Groß- und Einzelhandel 

 641

Business.  Im nächsten Schritt werden alle Produkte zu Warenbildern gebündelt, die zu einem Lebensstilthema passen. Auch die Warenpräsentation selbst soll Spannungsbögen erzeugen, Dramaturgien aufbauen. Dazu werden sog. Attraktoren definiert und mit ihnen Lifestyle-Points, Faszinations-Points oder Image-Points geschaffen. Die Warenpräsentation erfolgt in Themenbereichen (Konsumfelder): – Living: Wohnen, Gemütlichkeit, Bad und Wellness, – Genuss und Geselligkeit: Küche, Essen und Trinken, – Personality: u. a. Lederwaren, Brillen, Uhren/Schmuck, Kosmetik, – Sport und Freizeit: Fitness, Sauna, – Multimedia und – Fashion: Casual, Classics, Dress In, My Line, Cocktail, Landhaus, Pelze. Es scheint, als haben diese kreativen Ideen die klassischen Hauskonzepte nicht retten können. So wird mit kreativen Ladenideen experimentiert. Procter&Gamble und A&P trieben im Rahmen eines Co-Marketing-Ansatzes das One-Stop-Shopping voran. Die Warengruppen Höschenwindeln, Babynahrung oder BabyShampoo werden als Komplementärsortiment im Regal positioniert.766 In Zeiten rückgängiger Nachfrage sollten Impulskäufe forciert werden. Die Metro unterhielt in Rheinberg bei Düsseldorf einen Future-Store (Metro Extra), um gegen die Discounter zu konkurrieren. Im „Supermarkt der Zukunft“ ist der Einkaufswagen ein fahrbares Informationsterminal. Kassiert wird durch eine vollautomatische Selbstzahlerkasse. Per Funksignal lesbare Etiketten lenken die Kunden direkt zum richtigen Warenregalplatz. Die Regaloptimierung erfolgt durch Radio Frequency Identification (RFID767). Effizienz domiert über menschliche Zuwendung. Von Tante Emma, d. h. von der persönlichen Beratung im Handel, rücken wir immer weiter ab. Die als Tankstellenlieferant bekannte Lekkerland-Tobacco-Gruppe (2021: 8,2 Mrd. Euro Umsatz mit 3.140 Mitarbeitern, Distribution über 51.300 Tankstellen und Outlets) installierte 250 sog. U-Stores im Rahmen eines Franchise-Konzeptes. Der U-Store ist die moderne Form eines Kiosks.  Er bietet das kompakte Convenience-Sortiment (Süßwaren, Getränke, Tabakwaren) und darüber hinaus Consumer-Dienstleistungen wie Ticket- und Abonnementdienste, bei Ladenöffnungszeiten von 5 bis

766 Vgl. den Hinweis in ASW, 6/2001, S. 53. 767 RFIDs ermöglichen eine kontaktlose Übertragung und ermöglichen dadurch die Abfertigung von vielen Objekten zum Beispiel in der Parketsortierung, vgl.  Kruse/ Wolfram, (Digital Connection), 2018, S. 196.

Erlebniskauf: „They may not forget what you say, but they will never forget how you made them feel.” (Carl W. Büchner)

642 

 6 Vertriebspolitik

22 Uhr.768 Aral hat 2006 den ersten C-Store eröffnet: Eine Tankstelle ohne Zapfhahn sozusagen. Die Bahn unterhält mit den DB ServiceStores ein bundesweites Franchise-System. Bahnhöfe sollen das Flair von Einkaufswelten erhalten. Man möchte Idee der Tankstellen-Shops adaptieren: Convenience-Shops mit breitem Angebot und langen Öffnungszeiten. Evident wird diese Idee leider bis heute nur bei Großbahnhöfen. Auch bei den Discountern gibt es neue Entwicklungen. Zunehmend wird der Ladentyp der Hard-Discounter durch Aufnahme von Markenartikeln und einer aufwändigeren Ladengestaltung zum Soft-Discount-Format aufgewertet (ALDI-Süd, Lidl). Die Veränderung der Erlebniswerte beim Kauf beeinflusst auch die Standortpolitik des Handels. Wie weiter vorn aufgezeigt, ist die Verkaufsstätte (Outlet) für die Imageprofilierung von so großer Bedeutung, dass der Handelsstandort als 5. Marketingmix-Instrument bezeichnet werden kann. 769 Drei Dinge sind ... für den Erfolg im Einzelhandel wichtig, nämlich erstens der Standort, zweitens der Standort und drittens noch einmal der Standort.“ (Quelle: Berekoven, (Einzelhandelsmarketing), 1996, S. 342)

Zu unterscheiden sind 6 Standorttypen: (1) Innenstadt, 1a-Lage, (2) Innenstadt, 1b-Lage, (3) Innenstadt Randlage, (4) Nahversorger im Wohngebiet, (5) Einkaufszentrum in der Vorstadt, (6) Standort „grüne Wiese“. Aktuelle Bedeutung haben Standortstrategien zur besseren Plazierung von Outlets. Die Handelsunternehmen verfolgen die Zielsetzungen, ihre Outlets (Verkaufsstandorte) – näher an Kundenpotenzialen, – näher an Verkehrsknotenpunkten, – näher an Passantenströmen, – näher am Angebot von ergänzenden Sortimenten, – näher an Plätzen mit Event-Charakter, – näher an kostengünstigen Verkaufsflächen anzusiedeln. Negative Konsequenz der letztgenannten Zielsetzung ist das Innenstadt-Sterben. Viele Innenstadtstandorte sind für unabhängige Fachgeschäfte mittlerweile unbezahlbar geworden. Hinzu treten die Phänome

768 Vgl. Hassmann, (Convenience), in: salesBusiness 10/2003, S. 8–10. 769 Vgl. zu den Standortfaktoren Liebmann; Zentes; Swoboda, (Handelsmanagement), 2008, S. 499–500.

6.11 Groß- und Einzelhandel 

 643

einer allgemeinen Stadtflucht und die rückläufige Zahl von Bürobeschäftigten in den Innenstädten, auch als Reaktion auf die veränderten Arbeitsgewohnheiten nach der Corona-Pandemie. Der Facheinzelhandel weicht auf 1b-Lagen aus. Ketten und Leerstand erobern die Stadtbilder. Auf der anderen Seite setzen sich die virtuellen Einkaufswelten im Internet immer mehr durch: Otto oder Amazon sind vielzitierte Beispiele.

6.11.4 Zusammenarbeit von Hersteller und Handel Die Zusammenarbeit mit Handelsformaten ist eine notwendige Zielsetzung von Herstellern, die keine eigenen Absatzorganisationen vorhalten können oder wollen. Dabei ist der Auftakt von vertraglichen Beziehungen durch die Listung der zu vertreibenden Produkte der Beginn einer umfangreichen strategischen und operativen Zusammenarbeit von Hersteller und Händler. Abbildung 6.88 listet auf, welche Stufen der Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Händler insgesamt gemanaged werden müssen.

5. Promotion 4. Preis 3. Platzierung 2. Distribution 1. Listung Abbildung 6.88: Sales Pyramide der Vertriebsumsetzung.770

(1) Listung: Um Produkte für Händler bestellfähig zu machen, müssen dieses im sog. Ordersatz aufgenommen und eingelistet werden. Ohne eine Listung ist bspw. die EDV-basierte und ggf. automatisch erfolgende Bestellung und Nachbestellung nicht zu realisieren. Ohne Listung idR. keine umfassende Zusammenarbeit. (2) Distribution: Die Produkte müssen vom Handel geordert werden, um sie auch physisch anzubieten. Die numerische Distributionsquote beschreibt den Marktdurchdringungsgrad anhand der Anzahl an Geschäften, die ein Produkt physisch aufgenommen haben. Die gewichtete Distribution beschreibt die Umsatzbedeutung der Pro770 Quelle: Steiner, (Vertrieb), 2013, S. 27.

644 

 6 Vertriebspolitik

dukte im Verhältnis zu allen Vergleichsprodukten der Branche in den Geschäften.771 (3) Platzierung: Die Platzierung der Produkte im Handel besitzt große Abverkaufsbedeutung. Wertige Warenpräsentationen sind Grundvoraussetzung für Umsatzerfolg. In der Regel unterscheidet man bei Händlern im Konsumgüterbereich: – Regalplatzierungen: Greif­ oder Blickzone (wichtigste Umsatzbringer, A-Marken, Kategorien-definierende Produkte, Reckzone (oberer Regalbereich, höherwertige Produkte, Neuheiten, Ergänzungssortimente), Bückzone (günstige Produkte, Palettenware, hohe Umschlaggeschwindigkeiten) – Zweitplatzierungen: Palettenplätze (ganze Palette, halbe Palette, viertel Palette), Regalgondel, Vorkassenzone, Themenplatzie­ rungen, Sonderflächen-Platzierungen (4) Preis: ein attraktiver Endverbraucherpreis ist ein wichtiges Instrukent der Abverkaufsförderung. Handelsunternehmen sind in der Preisgestaltung frei, Hersteller dürfen keine Preisvorgaben machen (das sog. kartellrechtliche Verbot der vertikalen Preisbindung). Die Setzung der unverbindlichen Preisempfehlung durch den Hersteller besitzt Empfehlungscharakter für den Händler, ist aber nicht bindend. (5) Promotion: Zielgerichtete Maßnahmen zur Absatzförderung setzen jetzt Umsatzimpulse gegenüber dem Handel und dem Endkunden. Hersteller können besondere Umsatzanstrengungen des Handels honorieren (bspw. Zusatz-Einkaufspreisrabatte bei Erreichung von Umsatzzielen) und zusammen mit dem Handel an Endkunden gerichtete Verkaufsförderung umsetzen (bspw. Aufnahme der Produkte in die Handelswerbung mit einem Aktionspreis für Endkunden, der Hersteller ersetzt dem Händler einen Teil der Ertragsminderung).

6.11.5 Zielkonflikte zwischen Hersteller und Handel „Trotz aller Sonntagsreden von der Partnerschaft: Hersteller und Handel verfolgen sehr häufig unterschiedliche Ziele.“772 Abbildung 6.83 hat die Unterstützungs- und Koordinierungsaufgaben des Handels zum Vorteil der Industrie aufgezeigt. In der Planung der Absatzwege erarbeitet der

771 Vgl. Steiner, (Vertrieb), 2013, S. 28 f. 772 Irrgang, (vertikales Marketing), 1989, S. 7.

6.11 Groß- und Einzelhandel 

 645

Hersteller ausgewählte Zielsetzungen, die er im Rahmen von Auswahl und Festlegung der Absatzkanalpartnerschaften zu optimieren versucht. Tabelle 6.19 bringt diese zum Ausdruck. Tabelle 6.19: Operative Zielsetzungen bei Planung und Auswahl von Absatzkanalpartnerschaften.773 Zielsetzungen bei der Planung der Absatzkanalpartnerschaften Vertriebskosten/Handelsspanne

Unterschiedliche Absatzkanäle ermöglichen unterschiedliche Aufschläge und Renditen.

Distributionsgrad

Festlegungen zur Verfügbarkeit der Produkte gegenüber Endkäufern.

Image des Absatzkanals

Absatzkanäle haben positionierende Wirkungen.

Kooperationsbereitschaft/ Konfliktvermeidung

Zur Erreichung der eigenen absatzpolitischen Ziele ist die kooperative Zusammenarbeit in der Absatzkanalstruktur notwendig.

Aufbaudauer und Flexibilität

Wie lange dauert es, vorgesehene absatzpolitische Ziele zu realisieren?

Beeinflussbarkeit/ Kontrollierbarkeit

Macht- und Größenverhältnisse haben einen Einfluss auf die Beeinflussbarkeit der nachgelagerten Absatzkanalpartner.

In der Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Handel gibt es oft Konflikte. Denn der Handel verfolgt verständlicherweise auch eigene Ziele: – hohe regionale Potenzialausschöpfung, – Gewinnung neuer Kunden, – Erhöhung der Einkaufshäufigkeiten (Kauffrequenzen), – Erhöhung des durchschnittlichen Einkaufsbetrages, – Einkaufsstättentreue des Kunden statt Markentreue (siehe oben). Ein systemimmanenter Konflikt zwischen Hersteller und Handel verbirgt sich vor allem im letzten Ziel.774 Abbildung 6.89 stellt abweichenden Interessen von Hersteller und Handel gegenüber. Sieht man von weichen strategischen Zielsetzungen wie Image- und Marktmacht ab, dann lassen sich Absatzkanalprobleme auf betriebswirtschaftliche Problematiken zurückführen: Werden von den infolge der harten Konkurrenz relativ unbeweglichen Marktpreisen die variablen Kosten aller Vertriebspartner abgezogen, dann bleibt ein Kanal-Deckungsbeitrag. Dieser kann nur einmal verteilt 773 Quelle: Meffert, (Marketing), 2019, S. 581. 774 Vgl. Irrgang, (vertikales Marketing), 1989, S. 7.

646 

 6 Vertriebspolitik

ZIELKONFLIKTE ZWISCHEN HERSTELLER UND HANDEL Herstellerinteressen – – – – – – – – – – – – –

Handel soll alle neuen Produkte abnehmen Dominanz für das Herstellermarken-Image Verkauf des Gesamtprogramms Möglichst viele Vororder durch den Handel Kontinuierlicher Abverkauf an den Handel Fertigungsoptimale Bestellmengen Mindestbestellmengen für den Handel Preisprobleme zu Lasten der Handelsspanne Keine Warenrücknahme (Remissionen) Abverkaufrisiken beim Handel Bevorzugte Regalplatzierung für eigene Produkte Handel soll überregional für Hersteller werben Hersteller entscheidet über Marktauftritt am POS

Handelsinteressen – – – – – – – – – – – – –

Listung nur für Top-Produkte Dominanz für Handels- und Handelsmarkenimage Zielgruppenbezogene Sortimentsauswahl Möglichst wenig Vororder bei den Herstellern Bestellmengen entsprechend der Nachfrage Nur regalfüllende Bestellmengen Flexible Nachbestellmöglichkeit Preisprobleme zu Lasten der Einkaufspreise Rückgaberecht für Lagerware Abverkaufsrisiken beim Hersteller Sortimentsgerechte Warenplatzierungen Regionale und lokale Standortwerbung Handel entscheidet über Marktauftritt am POS

Spezielle Forderungen in Industriegütermärkten (gewerblichen Märkten) – – – – – –

Techn. Handel soll hohe Servicekompetenz zeigen Handel soll Verkaufsgebietsgrenzen respektieren Handel integriert sich in Vertriebssteuerung / CRM Gemeinsame strategische Marktplanung Mehr Preisflexibilität bei Kampfangeboten Mitarbeit des Handels am Vertriebscontrolling

– – – – – –

Serviceverantwortung liegt beim Hersteller Keine Gebietsgrenzen für den Handel Kampfpreisegehen zu Lasten der Hersteller Planungsautonomie ECR-Führerschaft beim Handel Hersteller soll auf vertikales Marketing verzichten

Abbildung 6.89: Zielkonflikte zwischen Hersteller und Handel.

ALDI macht über 2/3 seines Umsatzes mit No Name Handelsmarken.

Die Discounter gewinnen an Image: 76% der Käufer verbinden die Produkte von ALDI, Lidl u.a. nicht mehr mit minderer Qualität.

werden. Was unternehmen deshalb Hersteller und Handel, um den Kostendruck zu mildern, um Druck auf Handelsspannen bzw. Herstellerpreise auszuüben und vor allem um Kunden an das eigene System zu binden? Eine strategische Chance für die Auseinandersetzung von Händlern und Markenartikelherstellern und für den Kampf um die Kunden liegt in der Profilierung von Handelsmarken. „Handelsmarken gehören zu den Gewinnern bei den Markenstrategien.“775 Diese greifen zunehmend die etablierten Herstellermarken an, die sich ihrerseits in punkto Qualität, Preis und Image in das Premium-Markensegment abzusetzen versuchen. Bei den Discountern beträgt der Umsatzanteil der Handelsmarken im Bereich der Fast Moving Consumer Goods (FMCG = Lebensmittel, Getränke, Drogeriewaren, Kosmetika; ohne Frischwaren) heute zwischen 77 und 90 Prozent. Verlierer sind Mittelpreismarken. Ihr Marktanteil dürfte 2021 nur noch knapp 30 Prozent erreichen. Besonders gefährlich für klassische Herstellermarken sind Gattungsmarken im Billigsegment. Gut&Günstig (Edeka), Tip (Metro) oder Ja (Rewe) sind Beispiele. Vermarktet werden Convenience-Produkte mit schnellem Umschlag. Aus dem Blickwinkel der Markenartikelhersteller werden Verbraucher dahingehend umerzogen, dass die üblicherweise von renommierten Herstellern gebotenen Markenmehrwerte nun auch für namen-

775 Preißner, (Marketing-Praxis), 1997, S. 93.

6.11 Groß- und Einzelhandel 

 647

lose Produkte gelten sollen; und dies zu 30 – 40% niedrigeren Preisen. Die größten Preisdifferenzen der Handels- zu den Herstellermarken gibt es noch bei gekühlten Lebensmitteln (ca. 45%), tiefgekühlten Lebensmitteln (ca. 43%) und Kosmetika (knapp 40%). Dramatisch erodiert sind die Markenaufschläge bei Tiernahrung und Gesundheitsprodukten (ca. 20%) und bei Körperpflegeartikeln (ca.  17%).776 Der Verbraucher löst sich von der Vorstellung, dass die klassischen Markenartikel automatisch eine bessere Qualität bieten. Gutes muss nicht teuer sein. Der preisagressive Handel verankert seine Store Brands mit Markenkraft im Verbraucherbewusstsein

6.11.6 Elemente der Zusammenarbeit von Hersteller und Handel Category Management Unter Category Management (CM) versteht man die dauerhafte Ausrichtung der Warengruppen auf die Wünsche der Kunden in Zusammenarbeit mit kompetenten Industriepartnern und als Ausdruck einer Gesamt-Marketing-Strategie (Definition des ECR Council Europa, Best Practice Report). Beim Category Management werden ganze Warengruppen wie Profit Center gesteuert. Die klassische funktionale Organisation im Handel mit der Trennung von Einkauf und Verkauf wird aufgegeben. Ein Warengruppen-Management (mit Warengruppen-Managern) ist integrierend für Einkauf, Preisgestaltung, Sortimentsstruktur, POS-Warenrepräsentation, Werbung und Logistik verantwortlich. Der Erfolg wird am Category-Deckungsbeitrag, am Marktanteil der Warengruppen und an der Kundenzufriedenheit gemessen. Ein warengruppenbezogener Erfolgsdruck baut sich auf, den die Hersteller, die sich dem CM unterordnen müssen, zu spüren bekommen. Category Management läuft in acht Phasen ab:777 (1) Strategische Abstimmung: gemeinsame Abstimmung zu Zielsetzungen und Erwartungen an die Zusammenarbeit, (2) Kategorien­Insights & Definition: Erarbeitung des Verständnisses zu Bedürfnissen und Erwartungen der Kunden an die Waren-Kategorie und die Sortimente, (3) Kategorien­Rolle: Festlegungen zur strategischen Relevanz der Kategorie und Sortimente für den Handelsbetrieb,

776 Vgl. die Auswertung von Nielsen Global Services in ASW, 5/2004, S. 55. 777 GS1 ist im deutsprachigen Raum das führende Beratungshaus zu Category Management. Der 8-Phasen-Ablauf ist zentrales Element der zertifizierten Ausbildung zum Category Management der GS1.

648 

 6 Vertriebspolitik

(4) Kategorien­Bewertung: Untersuchung auf Umsatzpotenziale und erste Abstimmung zu möglichen Ansatzpunkten, (5) Strategische Zielsetzung: Festlegung der strategischen Ausrichtung und der übergeordneten quantitativen Ziele, (6) Kategorien­Taktiken: Marketing-Maßnahmen, welche Produkte werden wo platziert und mit welchen Promotion-Maßnahmen angeboten, (7) Kategorien­Umsetzung: Implementierung der Maßnahmen am Point-of-Sale (POS), (8) Kategorien­Überprüfung: Evaluation des Erfolgs der Maßnahmen. In der Definition der Sortimente unterscheidet die Auslegung des Category Managements vier Sortimentskategorien: (1) Pflichtsortiment (55–60% des Gesamtumsatzes): Kunden erwarten diese Produkte im gut-sortierten Handel, (2) Saisonsortiment (15–20% des Gesamtumsatzes): Produkte und Angebote mt Fokus auf saisonale Nachfrage, (3) Profilierungssortiment (5–7% des Gesamtumsatzes): damit unterscheidet sich der Händler maßgeblich in der Wahrnehmung der Kunden vom Wettbewerb, (4) Ergänzungssortiment (15–20% des Gesamtumsatzes): jetzt kommt die Breite und Tiefe des Sortiments zum Tragen, die Auswahl wird mit weiteren Produkten und Angeboten ausgeweitet. Eine besondere Wettbewerbskonstellation entsteht, wenn der Handel die Category-Führerschaft für ein bestimmtes Sortiment einem Markenartikler, dem Category Captain, überträgt. Dieser bekommt dadurch Einfluss auf die Placements seiner Konkurrenten. Ein namhafter Category Captain für das Convenience Sortiment ist für viele Handelsketten z. B. Tobacco Lekkerland. Efficient Customer Response (ECR) ECR hat sich als ganzheitliches Konzept zur Steuerung des gesamten Vertriebsweges aus dem Category Management heraus entwickelt.778 Alle Partner der Wertschöpfungsketten sollen die Zusammenarbeit optimieren und gestalten. Einen großen Schub bekommt die vom Marktgeschen ausgehende, computergestützte Logistiksteuerung durch die RFID-Chips.  Zielsetzung von Efficient Customer Response ist die computergestützte Steuerung und Optimierung der gesamten Wertschöpfungskette 778 Vgl. als Standardwerk: von der Heydt, (ECR), 1998; s. auch www.ccg.de.

6.11 Groß- und Einzelhandel 

 649

vom Hersteller bis zum Kunden. Diese Prozessoptimierung erfolgt wie beim KANBAN-Prinzip vom Markt aus.  Der Kunde steuert durch sein Nachfrageverhalten den Prozess.  Man spricht auch von Reverse Economy. Ein Mantelverkauf bei Marks & Spencer wird simultan von der Scannerkasse erfasst. Umgehend erfolgt über das Distributionszentrum in der Nähe von London Meldung an den Lieferanten. Am nächsten Tag hängt der Nachschub wieder im Textilgeschäft.779 Die Wertschöpfungskette wird für Hersteller und Handel zum Boot, das der Kunde rudert: „Die neue Methode verknüpft beide Lager, sie produzieren und verkaufen im Idealfall wie ein einstufiges Unternehmen. Von den Einsparungen profitieren im besten Fall alle Beteiligten. Vor allem der Kunde...“780 Eine Partnerschaft zwischen Hersteller und Handel ist unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg. Die Zielsetzungen von ECR lauten: – wirkungsvolle Reaktion auf Kundenwünsche, – und damit Optimierung der Kundenzufriedenheit, – bessere „Durchleuchtung“ des Verbrauchers, – und damit Erschließung neuer Umsatzpotenziale, – ein präziser, papierloser Informationsfluss, – schnelle Reaktion der gesamten Wertschöpfungskette auf die Nachfrage, – Minimierung der Kapitalbindung in der Kette, – Kooperation statt Konfrontation zwischen Hersteller und Handel. Abbildung 6.90 verdeutlicht die vier Säulen von ECR: (1) Efficient Replenishment: im Logistikbereich den von der Nachfrage aus gesteuerten Warennachschub (NOS-Konzeption: Never out of Stock), (2) Efficient Store Assortement: die kunden- und renditeorientierte Sortimentsgestaltung, (3) Efficient Promotion: im Marketingbereich die systemoptimierte Handels- und Konsumentenpromotion und speziell (4) Efficient Product Introductions: die Optimierung der Markteinführung neuer Produkte.781

779 Vgl. Becker, (Kundenschiene), in: MM, 6/1997, S. 121; mit dem Beispiel von TESCO. 780 Becker, (Kundenschiene), in: MM, 6/1997, S. 120–121. 781 Vgl. zu den Einzelinstrumenten die Quelle bei Heinemann, (Dynamisierung), in: ASW, Sondernummer Oktober 1997, S. 189 sowie die entsprechenden Ausführungen bei v.d. Heydt, (ECR), 1999.

Barcodes gibt es etwa seit 1993 (IBM). Angeblich war Wrigleys Kaugummi das erste scannergesteuerte Produkt.

650 

 6 Vertriebspolitik

Efficient Consumer Response Management ECR SCM

Logistik-Perspektive (Supply-Side)

Nachfragerperspektive (Demand-Side)

Managementmodul Efficient Replenishment

Managementmodul Efficient Store Assortement

Managementmodul Efficient Product Introduction

Managementmodul Efficient Promotions

Effizienter nachfragegesteuerter Warennachschub

Effiziente Sortimentsgestaltung

Effiziente Produktneueinführung

Effiziente Verkaufsförderung

Category Management Basistechnologien für ECR (ECR Enabling Technologies) Z.B. EDI (Electronic Data Interchange), Scanner-Kassen, RFID, etc.

Abbildung 6.90: Basiselemente von Efficient Consumer Response.782

ECR ist eines der zukunftsweisenden Konzepte für die Vertriebspartnerpolitik, gefördert von einer starken Lobby.783 ECR funktioniert aber nur bei durchgängiger Standardisierung der Datenströme mit Hilfe von EDI = Electronic Data Interchange oder EDIFACT = Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transport. ECR schafft hohe Transparenz in der Sortimentsentwicklung. Hersteller geraten innerhalb der Wertschöpfungskette in neuartige, computerkontrollierte Wettbewerbssituationen. Außerdem droht Verpflichtung zur Just-in-Time-Belieferung. Konzeptionell wird die Entwicklung nicht bei ECR stehen bleiben, sondern in Richtung Internet-basierte Supply Chain Konzepten weitergehen. RFID-Chips für das Marketing Die Radio Frequency Identification wird – in Verbindung mit dem Electronic Product Code (EPC) – zur Schlüsseltechnologie für die Steuerung lückenloser Verkaufs- und Logistikketten.784 RFID-Systeme verdrängen die Barcodes.  Ein RFID-Tag besteht aus einem winzigen Speicherchip (dem Transponder) mit einem ebenso kleinen Antennenmodul. Aktive RFID-Chips (Autoschlüssel mit Funkbedienung) agieren selbständig, wir-

782 Quelle: Meffert et al., (Marketing), 2019, S. 613. 783 Die Top 5 des Handels und die Top 10 der Konsumgüterhersteller haben sich zu einer losen Interessengemeinschaft mit Namen ECR-Board zusammengeschlossen. 784 Vgl. Garber, (RFID-Technologie), in: ASW, 2/2005, S. 30–33; o. V., (Chip), in: isReport, 1 + 2/2005, S. 34–37.

6.12 Vertikale Marketing-Strategien der Hersteller 

 651

ken über große Reichweite, haben aber nur eine kurze Lebensdauer. Passive RFID-Tags sind kleiner, kostengünstiger und langlebiger. Sie müssen allerdings über ein RFID-Lesegerät angesteuert werden. Ein RFID-Lesegerät kann 200 Transponder auf einmal bedienen. Für das Marketing und Vertrieb wird die RFID-Technologie Konsequenzen haben: – RFID forciert den Trend zum Pervasive Computing: Die menschliche Kommunikation wird partiell durch Computer-Maschinen-Kommunikation abgelöst. Eine Barbie-Puppe überprüft via Chip ihre Kinderzimmerumgebung und sorgt dafür, dass automatisch eine Angebots-E-Mail mit dem Hinweis auf fehlendes Zubehör versendet wird. – Artikel überprüfen ihren Bestand im Regal selbst und lösen bei Unterschreiten bestimmter Sicherheitsmengen selbst Bestellprozesse aus (der intelligente Kühlschrank). – Durch den auf der Produktverpackung aufgeklebten Tag kann das Verbraucherverhalten ausspioniert werden. – Die Artikelsuche im Supermarkt entfällt. Produkte können direkt angesteuert werden. – Einkaufswagen werden zum Computer. RFID beschleunigt das Kassieren oder Reklamationsvorgänge. – Über den Chip und einen Bildschirm lassen sich während des Kaufs direkt Informationen an die Käufer vermitteln. – Produkdiebstahl wird durch Kontrolleinheiten auf RFID-Basis im Ladengeschäft minimiert. – Markenprodukte können gekennzeichnet und besser gegen Piraterie geschützt werden. Ohne Zweifel wird sich RFID für mehr Effizienz im Handel einerseits, aber auch für mehr Konsumdruck einsetzen lassen. Kein Wunder, dass diese Technologie von Verbraucherschützern kritisch beobachtet wird.

6.12 Vertikale Marketing-Strategien der Hersteller Wie reagieren Hersteller auf Strategien der Handelsriesen? Auf welche Weise versuchen Hersteller, die Regie im Absatzkanal zu übernehmen? Grundsätzlich können Hersteller: – Bei einer Marktführung des Handels eher reaktiv oder eher aktiv operieren,

652 



 6 Vertriebspolitik

oder eher defensiv oder eher aggressiv selbst die Regie im Absatzkanal übernehmen. Die Kombination der Möglichkeiten führt zu den vier absatzmittlergerichteten Basisstrategien der Abbildung 6.91.785

Akzeptanz der Handelsdominanz

Anstreben Herstellerdominanz

Eher reaktive Strategien

Klassische Pull-/PushStrategien

Soweit möglich – Abkopplung vom Handel

Eher aktive Strategien

n lte ler ha stel r Ve Her r de

Situationsverbesserung durch Kooperation

Vertikales Marketing, z.B. eigene Stores

Abbildung 6.91: Absatzmittlergerichtete Basisstrategien

Von besonderer Brisanz sind alle Maßnahmen der Hersteller oder der Handelsunternehmen, selbst die Regie im Absatzkanal zu übernehmen. Sie verfolgen dann ein vertikales Marketing. Demzufolge spricht man von zunehmender Vertikalisierung der Märkte. Unter einem vertikalem Marketing versteht man die Strategien der (Markenartikel-) Hersteller, die Regie oder sogar Dominanz im Absatzkanal zu erreichen, indem sie Handelsfunktionen (Vertriebsfunktionen) selbst übernehmen, den traditionellen Einzelhandel damit ausschalten. Vertikales Hersteller-Marketing kann mit oder ohne Einbindung von Vertragspartnern (vor allem Franchise-Nehmern) erfolgen. Die sog. Vertikalen sind Unternehmen, die die gesamte Wertschöpfungskette beherrschen – von der Produktion bis zur Ladentheke (Zara, Max Mara). Zielsetzung ist nicht immer die Führerschaft im Absatzkanal. Abbildung 6.92 bietet eine Übersicht über die verschiedenen Formen des vertikalen Herstellermarketing.

785 Vgl. in Anlehnung an Meffert et al., (Marketing), 2012, S. 319, in Aufl. 2019 nicht mehr aufgenommen.

6.12 Vertikale Marketing-Strategien der Hersteller 

 653

Hersteller Werksverkauf Eigener Großhandel

D2C E Commerce

Factory Outlet Center Eigener Store

Einzelhändler

Shop-in-Shop

Flagship Store

Vertragshändler Franchise

Kunde Abbildung 6.92: Betriebsformen des vertikalen Hersteller-Marketing.

6.12.1 Betreiben eigener Stores und D2C Wir stellen noch eine besondere Form des B2C vor: das D2C-Geschäft. Starke Herstellermarken versuchen, mehr Umsatz über eigene Absatzkanäle abzuwickeln. Sie übernehmen Handelsfunktionen eigenständig und grenzen den klassischen Handel aus. Sie erhöhen die eigenen Margen, da der Wegfall von Handelsstufen (Eliminierung von Groß- und Einzelhandel) die Kosten im Absatzkanal im ersten Schritt reduzieren. Neben dem Aspekt der Umsatzgenerierung versuchen die Hersteller durch diese Strategie auch die Abhängigkeit vom Handel zu verringern. Gerade in Zeiten zunehmender Konzentraton auf Handelsseite verschieben sich die Machtverhältnisse vielfach stark in Richtung der Handelsketten. Vertikales Marketing ist eine bewusste Gegenstrategie. Die Umsetzung dieses Ansatzes zeigt sich im Aufbau eigener Stores oder eines eigenen E-Commerce Shops. Neben erzielbaren Umsatz- und Ertragssteigerungen durch eigenständigen Produktverkauf müssen die Hersteller die Kosten des Handelsbetriebs einkalkulieren. Im Falle eines stationären Geschäfts sind dies Miet- und Personalkosten sowie die Kosten für die Erstellung des Ladenbaus und Werbekonzeptes. Bei der Entscheidung für einen eigenen D2C-Ansatz sind es die Kosten für das Betreiben eines Onlineshops sowie die spezifischen Personalkosten für dieses Spezialgebiet des digitalen Geschäfts. Ein weiteres Argument für vertikale Marketing-Strategien sind direkte Kundenbeziehungen. Verkauft ein Hersteller über Handelsstufen, bleiben Endkunden für ihn anonym und er kann sie nicht eigenständig ansprechen. Baut der Hersteller direkte Absatzkanäle zu Kunden auf,

Neue Marken entstehen als reine D2C-Brand ohne Handelsbeziehungen. In den USA werden 25% aller D2C-Umsätze durch diese neuen Marken erzielt (Quelle: w&v, 02/2022, S. 22).

654 

 6 Vertriebspolitik

etabliert er eigene Kundendaten und -beziehungen, die für Marketing und Werbung genutzt werden können. Tabelle 6.20: Typologie D2C Brands.786 Art D2C 1 Single Product

Beispiel Ein Produkt/eine Produktkategorie im direkten Verkauf, bspw. Black Chilli Messer, Ooni Pizzaöfen

2 Product Ökosystem Produkt und Dienstleistung, bspw. Peloton

D2C-Brand Polestar vermarktet ausschließlich zentral, um Polestar-Markenwerte markenkonform zu vermitteln. Klassische Automobilmarken vermarkten stark regional verwurzelt, um Besonderheiten der Händlerstrukturen abzubilden (Quelle: w&v 02/2022, S. 32).

3 Single Category

Alles aus einer Produktkategorie aus einer D2C-Hand, bspw. Gymshark, Gymbassador

4 Multi Category

Ausgewählte Kategorien von der D2C Brand strukturiert zusammengefasst, bspw. Kapten&Son

5 Product Interfaces

Individuelle Konfigurationen, bspw. Tylko, Mycs

6 Community

Eine Gemeinschaft auf Marke und Zusammengehörigkeit fokussiert, bspw. Code41

Kunden schätzen den direkten Kontakt zur Marke. Sie erwarten und erleben ein besseres Kauferlebnis im Vergleich zum Kauf bei unabhängigen Händlerstrukturen, und sie können sich besser und intensiver mit der Marke auseinandersetzen.787 Marken honorieren diese Nähe und das Interesse der Kunden mit personalisierten Angeboten und Erlebnissen, die emotionale Bindungen der Kunden weiter erhöhen. Die verschiedenen Ausprägungen des D2C-Geschäfts fasst Tabelle 6.20 zusammen. Diese Argumente für eigene D2C-Ansätze müssen sich aber mit der neu entstehenden Komplexität dieses Ansatzes messen. Neue Expertisen müssen aufgebaut werden. Neben guten Markenführungs- und Herstell-Fähigkeiten müssen im D2C-enagierte Unternehmen auch Handelskompetenz entwickeln.

6.12.2 Flagship-Store Flagship-Stores sind Aushängeschilder der Hersteller, z. B. das Nivea-Haus in Hamburg, der Nike-Store an der Tauentziehnstraße in Berlin oder der Apple-Store in New York. Von der Grundanlage sind sie wie eigene Stores/ D2C-Geschäft zu betrachten, die strategischen Zielsetzungen unterscheiden sich jedoch maßgeblich. 786 Quelle: Mozart, (Keep it simple), 2022, S. 26. 787 Vgl. Schreier, (D2C), 2022, S. 18.

6.12 Vertikale Marketing-Strategien der Hersteller 

 655

In diesen eigenständig betriebenen Handelsformaten der Hersteller werden die Marken CI-konform präsentiert und mit besonderen Elementen und Ausstattungsmerkmalen in Szene gesetzt. Manche Unternehmen betreiben nur einen Flagshipstore, andere Unternehmen platzieren Vorzeigehandelsgeschäfte in wichtigen Städten und Regionen. Die betreibenden Hersteller verfolgen unterschiedliche Ziele mit dem Aufbau von Flagship­Stores: (1) Markenaufbau durch eindrucksvolle und erinnerungswürdige Präsentation aller markentypischen Elemente, (2) Kundenbindung durch Interaktion und Events im Store, (3) Kunden-Einbindung durch individuelle Markenerlebnisse, bspw. Co-Creation, (4) Umsatzgenerierung, (5) Experimentierfeld und Produkttests in geschütztem Umfeld, (6) Etablierung von Präsentationsstandards, auch für Absatzpartnerschulungen. Vielfach wird zum Betreiben eines Flagshipsstore großer finanzieller Aufwand betrieben. Die Kosten für teure Ladenmieten an exponierten Standorten, die hochwertige Ausstattung und die überdurchschnittliche Personalausstattung können vielfach durch den Ertrag über den Umsatz nicht erwirtschaftet werden. Daher werden Flagshipstores als Werbeund Marketing-Investition betrachtet und betrieben. Neben Herstellern betreiben auch Pure Online Player ausgewählte Flagshipstores als stationäre Erweiterungen. Die obigen Zielsetzungen können auch für Onlineshops angenommen werden. Ergänzend bieten Onlineshops zum ersten Mal ihren Kunden die Chance, physisch mit der Marke und den Produkten zu interagieren. Produkte können getestet werden, und Verkaufspersonal kann komplexe Produkte und Angebote besser vermitteln.

6.12.3 Werksverkauf und Factory Outlet Center In beschränktem Umfang ist für 1b-Ware, Überproduktionen und Auslaufmodelle in mittleren Preissegmenten ein Werksverkauf möglich. Dieser wird durch den Handel geduldet.788 Die Verkaufsmengen sind vergleichsweise gering. Die Hersteller, z. B. im höherwertigen DOB-Be-

788 Eine Zusammenstellung von 1250 Firmen mit Werksverkauf bietet der Zeppelin Verlag unter dem Titel „Fabrikverkauf in Deutschland“ an.

Der spektakulärste Flagshipstore von Apple steht in Singapur: umgeben von Wasser vor dem Marina Bay Sands Hotel, entworfen von Foster&Partners aus London.

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Die Top-5 der deutschen Outlet-Center 2021: (1) Outletcity Metzingen (früher Werksverkauf von Hugo Boss), (2) Designer Outlet Neumünster, (3) Zweibrücken Fashion Outlet, (4) Wertheim Village und (5) das Ingolstadt Village (Quelle: Kathrin Reimer, prinz.de).

 6 Vertriebspolitik

reich, verschaffen sich Markt-Know how, das sie dann in eigenen Outlet-Konzepten nutzen. Wegen dieser Gefahr führt Werksverkauf immer wieder zu Konflikten mit dem Handel. Werksverkauf-Standorte entwickeln sich zu Pilgerstätten der Markenfans. Jedoch bleibt die wirkliche Umsatzbedeutung regional begrenzt und kann keine relevante Größe erreichen. Die Entwicklungen der Factory Outlet Center hat den Werksverkauf auf ein neues Nivau gehoben. Das Factory Outlet Center (FOC) ist eine mittel- bis großflächige Betriebsformen (über 5.000 qm), in denen mehrere Hersteller unter dem Dach einer koordinierenden Organisation Überkapazitäten, Chargen 2. Wahl, Retouren oder Sonder-Labels im hochwertigen Markenartikelbereich zu günstigen Preisen direkt an die Endverbraucher vertreiben. Das größte europäische FOC in Metzingen vereint ca. 130 Markenpartner aus den Bereichen Fashion, Beauty, Home&Living, Schmuck und Accessoirs.  Die Herstellermarken mieten sich in die bewirtschafteten Flächen ein, und das zentrale Centermanagement übernimmt klassische Einkaufszentrums-Management-Aufgaben: Sicherheit, Reinigung, Instanthaltung, Organisation von Events, etc. Das Factory Outlet Center wird für ein möglichst großes Einzugsgebiet geplant. Eine gute Erreichbarkeit mit dem PKW und ggf. öffentlichen Verkehrsmitteln ist zentrale Planungsanforderung. Die Ansiedelung eines Factory Outlet Centers auf der grünen Wiese ist dabei vielfach umstritten. Die großflächige Betriebsform zieht Kundenströme aus naheliegenden Stadtzentren ab und trägt zum zunehmenden Leerstand in Innenstädten bei. Zudem versuchen sich die lokalen Handelsstrukturen gegen die Präsenz der Herstellershops im Factory Outlet Center zu wehren. Günstige Markenprodukte und 1b-Ware reduziert die Nachfrage, die Kunden direkt in der Innenstadt decken. Vom Einzelhandel gefürchtet sind die in den USA erfolgreich laufenden Factory Outlet Malls. Indem die Shopping-Center als Erlebniswelten ausgestaltet werden, entstehen hochattraktive Einkaufszentren. Sie sind quasi eine Verschmelzung von Shopping und Freizeitpark und bieten für die anreisenden Kunden vielfältige Unterhaltungsmöglichkeiten. Diese verunsichern immer wieder die Kommunalpolitik. Es ist die Sorge der Stadplaner, dass Verbraucher den Innenstadt-Fachgeschäften den Rücken kehren. Aber auch die Markenhersteller gehen Risiken ein. Die möglichen negativen Auswirkungen auf ihr klassisches, über den Handel betriebenes Markengeschäft, sind zu beurteilen. Während in Deutschland etwa 20–23 relevante (große) Factory Outlet-Center bestehen, spricht man von rund 800 Werksverkauf-Standorten.

6.12 Vertikale Marketing-Strategien der Hersteller 

 657

6.12.4 Shop-in-Shop-Konzepte Ein Beispiel für Hersteller-Engagement im Handel sind Shop in Shop Konzepte. Ein Hersteller wird danach selbst am POS aktiv, indem er auf angemieteten Geschäftsflächen seine Marken in eigener Regie präsentiert und verkauft. Er bekommt direkten Kontakt zu Kunden, kann sich knappen Regalplatz in bevorzugten Lagen sichern und sein Corporate Design wahren. Die Kassenführung kann eigenständig sein, läuft aber üblicherweise über die Zentralkasse des Handelsgeschäftes. Dem Käufer gegenüber wird das Bild einer integrierten Betriebsform vermittelt. Bekannte Beispiele sind Markeninseln von Apple, Microsoft oder Samsung in Filialen von Media Markt und Saturn. Für den Handel ist diese Spielart des vertikalen Marketing ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite kann das Handelsgeschäft von der starken Herstellermarke profitieren und die Ladenpräsentation auflockern. Auf der anderen Seite werden die Spielräume einer eigenen Imageprofilierung des Handels zumindest eingeschränkt. In jedem Fall müssen die beiden Images und werblichen Auftritte kompatibel sein. Eine Designer-Marke wie Escada wird keinen Shop bei einem DOB-Discounter unterhalten. Das Store-in-Store-Konzept geht darüber hinaus. Ein Hersteller mietet sich fest abgegrenzte Etagen. Der Charakter einer integrierten Betriebsform wird aufgegeben. Die überlassene Fläche wird CI-mäßig als eigenständiges Geschäft geführt. Beispiele sind Edeka- oder dm-Läden in großen Warenhäusern. Starke Herstellermarken, besonders im DOB-Bereich, haben diesen letzten Schritt vollzogen und machen dem Handel in unmittelbarer Nachbarschaft mit eigenen Läden Konkurrenz. Der Begriff „Shopperitis“ bringt es auf den Punkt: Argwöhnisch sieht der Handel zu, wie Jil Sander, Bogner, Escada, Zara u. a. aus Partnerschaften Wettbewerb werden lassen. Und Schadenfreude kommt auf, wenn sich Hersteller-Outlets nicht halten können und die Vermutung aufkommt, dass Hersteller und Handel wohl doch über unterschiedliche Kernkompetenzen verfügen.

6.12.5 Vertragshändler- und Franchise-Systeme Vertragshändlersysteme sind auf feste Bindungen zwischen Hersteller und Händler ausgelegt. Ein Hersteller legt Auswahlkriterien für seine Vertriebspartner (qualitative Selektion) sowie die Ausweitung und Dichte seines Netzes (quantitative Selektion) fest. Er bindet nur die ihm am besten

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 6 Vertriebspolitik

geeignet erscheinenden Vertriebspartner an sich. Der Hersteller kann die Gewährung eines Händlervertrages mit Verkaufs- und Leistungsauflagen koppeln und offenkundig gleich geeignete Kandidaten ausschließen. Verschiedene Exklusivitäten können bei der Ausgestaltung der Systeme definiert werden: 789 (1) Markenexklusivität: Der Hersteller kann festlegen, dass der teilnehmende Vertragshändler mehrere oder nur eine Marke führen darf (2) Quantitative Exklusivität: Die Anzahl der Vertragshändler wird vom Lizenzgeber/Hersteller festgelegt (3) Qualitative Exklusivität: Der Hersteller wählt eigenständig aus, welche Qualitätsmerkmale Vertragshändler erfüllen müssen (4) Gebietsexklusivität: der Hersteller legt die Anzahl der Vertragshändler in einer von ihm definierten Region fest. Vertragshändlersysteme sind bspw. im Automobilvertrieb weit verbreitet. Im Zuge der Entwicklung von Präsentations- und Servicestandards mussten bisherige Handelspartner der Automobilmarken neue Vertragshändler-Verträge alzeptieren, mit denen sie sich der qualitativ hochwertigen Präsentation der angebotenen Fahrzeuge verpflichtet haben. Der Hersteller wälzt durch die vertragliche Bindung Investitionskosten auf Handelspartner ab. Wollen diese weiterhin Produkte und Leistungen des Herstellers anbieten, müssen sich sich Vorgaben der starken Hersteller beugen. Franchising ist die engste Form der Vertriebspartnerbindung im Rahmen des vertikalen Marketing. Der Vertriebspartner (Franchise-Nehmer) „kauft“ das Marketing- und Vertriebskonzept des Franchise-Gebers und nutzt dessen CI. So genießt er den Schutz eines starken Markendaches, was auch die zentrale Weiterentwicklung und Unterscheidung zu einem Vertragshändlersystem darstellt.790 Franchising wird wie folgt definiert: Beim Franchising handelt es sich um eine dauerhaft angelegte, vertragliche Kooperation, bei der ein Franchise-Geber einem Franchise-Nehmer ein definiertes Managementund Marketing-Know how zur Verfügung stellt und diesem gegen Entgelt das Recht einräumt, Leistungen unter Nutzung seines Namens und

789 Vgl. hierzu und im folgenden Dudenhöffer, (Beziehungsnetze), in: ASW, Sondernummer Oktober 1995, S. 122–130, die Darstellung dient bis heute als Basisdefinition zu Vertragshändlersystemen. 790 Vgl. ein Ranking der 10 größten deutschen Franchise-Systeme: TUI/First (1405 Betriebe), McDonald´s (1264), Studienkreis (1010), Schülerhilfe (1090), Foto Quelle (950), Kamps Bäckereien (950), Ihr Platz (717), Fressnapf (625), Autodienst (600), Musikschule Fröhlich (541). Quelle: Deutscher Franchise Verband, RP Online 2022.

6.13 Vertriebs- und Distributionslogistik  

 659

seiner Konzeption anzubieten. Der Franchise-Nehmer verpflichtet sich, vorgegebene Qualitäts- und Leistungsstandards einzuhalten und in vollem Umfang die Corporate Identity des Lieferanten zu übernehmen. VOR- UND NACHTEILE EINES FRANCHISE-SYSTEMS Vorteile für den Franchise-Geber im Vergleich zum eigenen Niederlassungsnetz – – – – –

Schnellere Expansion bei dynamischen Partnern Fixkostenaufbau auf Seiten der Franchise-Nehmer Konkursrisiken auf Vertriebspartner verlagert Keine Haftung für Fremdkapital der Partner Umsatzabhängige Einnahmen

Vorteile für den Franchise-Nehmer im Vergleich zum eigenen Handelsgeschäft – – – – – – – –

Wesentliche Nachteile für den Franchise-Geber – – – – – – –

Geringere Durchgriffsrechte auf Verkaufspersonal Aufwändige Kontrolle der Vertriebspartner Erfolg hängt von Partnerqualität ab Schlechte Partner schaden dem eigenen Image Häufig Mitbestimmung der Partner Geringere Flexibilität bei starken Partnern Bildung von eigenem Markt-Know how begrenzt

Schnellerer Weg in die Selbständigkeit Geringeres Geschäftsrisiko Profitieren vom Image des Franchise-Gebers Übernahme einer bewährten Marketingkonzeption Unterstützung und Beratung Laufende Schulung Finanzierungshilfen Franchisegebühren sind variable Kosten Wesentliche Nachteile für den Franchise-Nehmer

– – – – – – –

Nachteile bei einem schwachen Hersteller-Image Hohe Abhängigkeit vom Franchise-Geber Keine strategischen Entscheidungsfreiheiten Geringere Flexibilität in der Preispolitik Zwang zur Standardisierung Abhängigkeit vom Erfolg des Herstellers Oft hohe Einstiegskosten / Gebühren

Abbildung 6.93: Vor- und Nachteile des Franchisinsg.

Franchise-Systeme wie die von McDonald´s (40.000 Betriebe weltweit), Benetton, Holiday Inn, Hertz oder Sixt ermöglichen eine weltweite Durchsetzung standardisierter Leistungsprogramme und globalisierter Marktauftritte im Rahmen vertraglich geregelter Partnerschaften. 2021 gab es in Deutschland rund 920 Franchise-Systeme mit ca. 181.000 Franchisenehmern. Mit fast 787 Tausend Beschäftigten erwirtschaftete die Branche laut Angabe des Deutschen Franchiseverbandes rund 136 Mrd. Euro Umsatz. Auch in Krisenzeiten zeigt die Franchise-Branche eine stabile Entwicklung. Ausgewählte Vor- und Nachteile des Franchising fasst Abbildung 6.93 zusammen.

6.13 Vertriebs- und Distributionslogistik Die Betriebswirtschaftslehre verwendet den Logistikbegriff nicht einheitlich (alternative Begriffe: Distribution, physische Distribution, Distributionslogistik, Absatzlogistik, Marketinglogistik, Verkaufslogistik etc.). Im Kern geht es um das Halten von Serviceversprechen gegenüber den Kunden und um eine Optimierung der Wertschöpfungskette.

660 

 6 Vertriebspolitik

Die Vertriebslogistik/Distributionslogistik/physische Distribution umfasst alle Aufgaben und Methoden sowie Prozesse und Systeme zur Gestaltung eines kunden- und kostenoptimierten Material- und Informationsflusses entlang der Wertschöpfungskette vom Hersteller bis zum Endabnehmer. Zielsetzung ist die Auslieferung der Ware in der richtigen Menge am richtigen Ort zur bestätigten Lieferzeit. Aus Kundensicht soll ein logistischer Auftrag folglich – die richtigen Produkte, – zum richtigen Zeitpunkt, – am richtigen Ort, – in der richtigen Menge, – in der vereinbarten Qualität – und mit den dazugehörigen Informationen – zu minimierten Kosten zur Verfügung stellen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe wirken drei Bereiche zusammen: (1) Lagerwirtschaft, (2) inner- und außerbetriebliche Transportsysteme sowie (3) waren- und materialflusssteuernde Informationssysteme. Wegen der verschärften Wettbewerbsbedingungen darf Vertriebslogistik nicht (nur) als transport- und lagertechnisches Instrument verstanden werden,791 sondern vielmehr als wichtiges Instrument zur Sicherung von Kundenzufriedenheit und zum Erreichen von Wettbewerbsvorteilen. Umsatz durch Kundenzufriedenheit hängt unmittelbar von der Leistung (-performance) des logistischen Prozesses ab, gemeinhin als Lieferservice bezeichnet.792 Im Zuge des wachsenden Online-Handels kommt der Warenverfügbarkeit und Lieferung eine überragende Bedeutung zu. Der Lieferservice verfolgt aus Sicht der Kunden die Zielsetzungen: (1) schnelle Lieferzeiten, (2) hohe Lieferzuverlässigkeit (Termineinhaltung, Versorgungssicherheit), (3) hohe Transparenz über den Status einer Lieferung (z. B. Verfolgung von Lieferungen über das Internet), (4) Absicherung schadensfreier Lieferungen (keine Schäden, kein Schwund) und

791 Wie es im Begriff der physischen Distribution zum Ausdruck kommt. 792 Vgl. Meffert et al., (Marketing), 2019, S. 582 ff.

6.13 Vertriebs- und Distributionslogistik  

 661

(5) hohe Lieferflexibilität (auch: Befriedigung individueller Kundenwünsche), Aus Sicht der Betriebswirtschaft sind folgende Themen zu adressieren: – Prozesssicherheit, – Reduzierung von Durchlaufzeiten, – Reduzierung der Warenbestände, – Senkung von Materialflusskosten, – Beherrschung der Variantenvielfalt, – Optimierung des Informationsflusses entlang der logistischen Kette. Folgende Entscheidungen sind im Rahmen der Lagerwirtschaft zu fällen: – Für unterschiedliche Produkte sind Lagerkategorien (vom Rohstofflager bis zur Endproduktlagerung) vorzusehen. – Lagerstandorte sind mit Straßen-, Bahn-, Wasser- oder Luftanbindung einzurichten. – Der Warenstrom kann zentralisiert über Zentrallager oder dezentralisiert über unabhängige Lager bzw. in Verbundkombinationen gesteuert werden. – Über die Lagermengenpolitik bzw. Sicherheitspolitik ist zu entscheiden. Die besondere Problematik dieses Punktes wird z. B. deutlich, wenn der Endkunde Just-in-time Belieferung fordert. – In den Lägern sind Ablaufsysteme einzurichten (z. B. personalgebundene vs. automatisierte Lagerung; chaotische vs. systematische Lagerung). Auch die Transportwirtschaft leistet einen erheblichen Beitrag zum Vertriebserfolg und für die Kundenzufriedenheit. Zum Aufbau der innerund außerbetrieblichen Transportsysteme sind festzulegen:793 – die Transportmittel mit den Alternativen LKW, Bahn, Binnenschiff, Seeschiff und Flugzeug, – die Transportwege, z. B. Güterverkehr, Eisenbahngüterverkehr, Binnenschiffahrtsverkehr, Überseeschiffahrtsverkehr oder Luftverkehr, – multimodale Verkehrskonzepte als Kombination verschiedener Transportträger und/oder Transportketten. Anzuführen wäre hier z. B. der Huckepackverkehr (Verladung von Last- und Sattelzügen auf Bahn oder Schiff) oder auf Container.

793 Vgl. zu diesem Themenbereich z. B. Jaeger; Laudel, (Transportmanagement), 1994.

7 Kommunikationspolitik „Noch nie gab es so viele Medien wie heute, noch nie wurde so viel Geld für Kommunikationsmaßnahmen ausgegeben, und noch nie waren sie so erfolglos wie heute. Dies ist der Widerspruch, der Kommunikationsprofis in Unternehmen und Agenturen um den Schlaf bringt. Alles ist machbar, aber nichts funktioniert voll und ganz. Zeit zum Überlegen gibt es kaum.“794 „Kommunikation bedeutet die Übermittlung von Informationen und Bedeutungsinhalten zum Zweck der Beeinflussung von Meinungen, Einstellungen, Erwartungen und Verhaltensweisen bestimmter Adressaten gemäß spezifischen Zielsetzungen.“795 Kommunikation ist die Übermittlung (einseitig) oder der Austausch (zweiseitig: Dialog) von Botschaften. Die Kommunikationspolitik als Instrument des Marketing umfasst alle Maßnahmen zur Gestaltung und zur Verbreitung von Botschaften mit den Zielen, bei definierten Zielgruppen und Kunden Aufmerksamkeiten, Erinnerungen, Kaufpräferenzen,796 Kaufimpulse und unverwechselbare Identitäten für Produkte (Marken) oder Unternehmen zu erreichen. Kommunikationspolitik unterstützt die Vertriebs- und Verkaufspolitik. Die Kommunikation trifft auf menschliche Sinne. Mit den Augen nehmen wir den größten Teil aller Eindrücke wahr: 83%, akustisch nehmen wir 11% aller Informationen auf. Über die Nase kommen noch 3,5% unsere Sinneseindrücke. Über die Haut sind es 1,5%, der Geschmackssinn macht abschließend 1% der Sinneseindrücke aus.797 Unternehmenskommunikation (aka Werbung und PR) hat in der Regel ökonomischen Zielsetzungen, die sich aus Unternehmensstrategie und Ableitung von Bereichszielen ableiten. In der Bedeutung der Zielsetzungen halten sich langfristige und kurzfristige Zielsetzungen fast die Waage. Am wichtigsten beurteilten Marketingentscheider 2022 die Steigerung der (1) Markenbekanntheit und (2) Kundengewinnung. Danach folgen (3) Kundenbindung, (4) Kundenansprache, (5) Abwerbung von Wettbewerbskunden und (6) Abwanderungsreduzierung.798

794 Mast (Unternehmenskommunikation), 2020, S. 71. 795 Bruhn, (Marketingkommunikation), 2011, S. 1. 796 Gutenberg sprach in diesem Sinne von Präferenzpolitik, vgl. Gutenberg, (Absatz), 1984, S. 243. 797 vgl. o. V. (Sinneseindrücke), 2013, S. 7. 798 vgl. Horizont 16–17/2022, S. 4. https://doi.org/10.1515/9783110787771-007

Das Wesen der Werbung ist Freiheit.“ (Quelle: Zitat aus dem Gründungsprotokoll des ZAW, 1949)

664 

 7 Kommunikationspolitik

7.1 Bedeutung der Kommunikation Informationen sind „Schmierstoffe“ unserer Wirtschaftswelt. Kommunikation ist Austausch von Informationen. Informationen sind Botschaften, die dem Empfänger etwas bieten und dadurch etwas bewirken sollen. Wie dargelegt, zielt die Kommunikationspolitik auf die optimale Gestaltung und Verbreitung von werblichen Botschaften. Menschen bedienen sich aus vielen verschiedenen Informationsquellen: – Quellen aus dem persönlichen Umfeld: Verwandtschaft, Freunde, Bekannte, Influencer. – Kommerzielle Quellen: Werbung, Unternehmensinformationen. – Öffentliche Quellen: Nachrichten, Institutionen. – Eigene (Lebens-) Erfahrung: was man selbst erlebt hat. In 2020 wurden in Deutschland rd. 39,3 Mrd.€ investiert, das entspricht 1,2% des deutschen Bruttoinlandsprodukts (Quelle: Deutsche Post Dialogmonitor, 10/2021).

Informationen von Unternehmen sind dabei die zweitwichtigste Informationsquelle für Menschen. Dadurch besitzt die Kommunikationspolitik der Unternehmen eine überragend wichtige Bedeutung. Fünf Fragen stehen für die Kommunikationspolitik im Vordergrund: (1) Wie kann durch Botschaften Interesse geweckt werden? (2) Wie können durch Botschaften Kaufpräferenzen geschaffen werden, so dass der Kunde bei freier Wahl das Produkt dieses Unternehmens vorzieht? (3) Wie lassen sich über Präferenzen hinaus Kaufimpulse auslösen? (4) Wie kann die Botschaft in Erinnerung bleiben? (5) Wie können Botschaften Unternehmen und Produkten/Marken eine unverwechselbare Identität verleihen, mit der sich Kunden, Mitarbeiter und externe Partner gerne identifizieren, von der sie motiviert werden und durch die sie sich an einen Lieferanten oder eine Marke gebunden fühlen? Die Herausforderung der Kommunikationspolitik steckt in 3 fundamentalen Sätzen: – Es ist nicht möglich, nicht zu kommunizieren! Auch wenn man nicht miteinander spricht, hat dies eine kommunikative Bedeutung! – Kommunikation ist „Träger des sozialen Geschehens“799; und die marktorientierte Unternehmensführung prägt in ihrer Qualität die

799 Kroeber-Riel, (Bildkommunikation), 1996, S. 456 unter Bezug auf eine Studie von Hartley und Hartley.

7.1 Bedeutung der Kommunikation 



 665

Güte der sozialen Interaktionen mit dem Unternehmensumfeld. „Schlechte“ Kommunikation zerstört Beziehungen, selbst wenn die sachliche Basis stimmt. Es ist nicht wichtig, welche Botschaft vom Sender ausgeht. Entscheidend ist, was beim Empfänger der Botschaft ankommt, bzw. wie er die Botschaft interpretiert.

Viele Werbemillionen verpuffen wirkungslos, weil insbesondere die letzte Aussage wenig Beachtung findet. Wenn es nach der ersten Aussage nicht möglich ist, nicht zu kommunizieren, dann prägen alle Marketing- und Vertriebsinstrumente zusammen die Unternehmenskommunikation. Denn sie vermitteln Botschaften in den Markt. Auch die anderen Instrumente des Marketing-Mix kommunizieren – auf ihre eigene Art und Weise: – Leistungsprogrammpolitik: Botschaften durch Qualität und Image eines Produktes. – Konditionenpolitik: Kommunikation durch Preislage, Preisauszeichnung und Preisaktionen. – Vertriebspolitik: Botschaft durch Ausgestaltung der Absatzkanäle. Außendienst, Innendienst und Vertriebsleitung. Es bringt wenig, alle Marketing- und Vertriebsinstrumente der Kommunikationspolitik unterzuordnen. Diese Vorgehensweise entspräche zwar dem vorhin geäußerten Satz „alles ist Kommunikation“. Das gesamte Marketing würde sich auf die Kommunikationspolitik reduzieren. Sinnvoller erscheint, Kommunikationspolitik als Instrument im Rahmen des Marketingmix zu definieren. Kommunikationspolitik hat sich als ein Instrument unter mehreren zu bewähren. Sie soll Verkauf vorbereiten, unterstützen und kundenbindend begleiten. Aufgabe dieses Kapitels wird es folglich sein, – den Rahmen einer eigenständigen Kommunikationspolitik für die marktorientierte Unternehmensführung aufzuzeigen, – und dabei die kommunikativen Einzelinstrumente herauszuarbeiten, die der Gestaltung und Übertragung von Werbebotschaften dienen.

7.1.1 Rahmenbedingungen der Kommunikation Der Kommunikationsmarkt ist gekennzeichnet von hohem Werbedruck. Täglich sind Kunden zwischen 4.000 und 6.000 unterschiedlichen Werbebotschaften (1975: 300) ausgesetzt. Davon werden 95% nicht wahrge-

„Wer nicht wirbt, der stirbt.“ Altmodisch, aber immer aktuell!

666 

„Der hybride Konsument, der heute Hummer speist und morgen Fischbulette – er ist im Jahr 2020 zum neuen Otto Normalverbraucher geworden.“ (Quelle: Christian Rickens, in: MM 2/2006, S. 91)

 7 Kommunikationspolitik

nommen, 5% schaffen es in das Kurzzeitgedächtnis und 2% ins Langzeitgedächtnis. Dieser Werbedruck nimmt in nahezu allen Branchen weiter zu und stellt Unternehmen immer mehr vor die Frage der Effektivität (to do the right things) und der Effizienz (to do the things right). Die in den letzten Jahren zunehmende Verbreitung moderner Informations- und Kommunikationsmedien haben dazu beigetragen, dass die Auswahl an Werbemedien und –trägern um ein Vielfaches angestiegen ist. Man spricht vom Aufmerksamkeitsdilemma: mehr homogene und austauschbare Produkte führen zu mehr Wettbewerbsdruck, was wiederum zu einer steigenden Anzahl an Werbungen und Botschaften führt. Diese Botschaften werden weniger von den Kunden wahrgenommen, da die Kommunikationsempfänger sich Strategien zur Werbevermeidung angeeignet haben. Somit sinkt dann auch die Effizienz der Werbemittel. Was wiederum mehr Werbung nach sich zieht. B orm ereits atio chaf ns- t zu Auf r nah me

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An

Zeit Abbildung 7.1: Zusammenhang Informationsangebot – und -aufnahmebereitschaft.

Abbildung  7.1 zeigt den Zusammenhang illustrativ auf. Verschiedene Entwicklungen werden in diesem Zusammenhang diskutiert. Die Digitalisierung ist das beherrschende Thema, sie durchdringt alle Bereiche der Kommunikation und eröffnet neue Möglichkeiten. Das führt zur Pluralisierung der Angebote, da mehr Inhalte auf mehr Wegen angeboten werden. Dabei wachsen Inhalte auch zunehmend zusammen (die sog. Konvergenz). Bild, Ton und Text verschmelzen und werden in neuen Medienformen innovativ verknüpft (z. B. digitale Außenwerbung). Diese Medienvielfalt bringt eine Zersplitterung der Zielgruppen mit sich. Dadurch, dass immer gezieltere Medien entwickelt werden können,

7.1 Bedeutung der Kommunikation 

 667

entstehen zielgerichtete Informationsangebote für die Zielgruppen. Somit kann genauer kommuniziert werden, die Reichweiten sinken damit aber auch. In diesen Zielgruppen wird dann zunehmend monothematisch kommuniziert, um bei der Vielfalt an Botschaften mit der eigenen einheitlichen und integrierten Botschaft in Erinnerung bleiben zu können.

Mehr Kommunikationsangebote „Mehr Werbungsformen und -medien“ Mehr Kommunikationsanlässe durch zunehmende Kommerzialisierung; „Werbung zu mehr Anlässen“

Monothematische Kommunikation „Werbung mit einem beherrschenden Thema“

„Klassischer“ Trichter der Kommunikation

Intensivere Kommunikation „Werbung involviert tiefer“

„Neuer“ Trichter der Kommunikation Abbildung 7.2: Trichter der Kommunikation.

Der neue Trichter der Kommunikation zeichnet sich heute durch 4 wesentliche Veränderungen aus (vgl. Abbildung 7.2): (1) Werbung zu mehr Anlässen: Werbliche Kommunikation durchdringt immer mehr Lebensbereiche. Konsumenten und Kunden sind mehr Werbeangeboten ausgesetzt. Entwicklungen wie Content Marketing oder Created Media zeigen, dass Kommunikation mittlerweile auch als unternehmensgesteuerte Information oder Unterhaltung gedacht wird (bspw. Abou You Creator Awards als Fernsehshow auf Pro7). (2) Mehr Werbungsformen und ­medien: Nahezu alle digitalen Kommunikationsmedien werden heute auch für werbliche Einsätze verwendet. Dadurch hat in den letzten Jahren eine Vervielfachung der verfügbaren Werbemedien stattgefunden. (3) Werbung mit einem beherrschenden Thema: Unternehmen versuchen, eine zentrale Botschaft bei den Kunden zu platzieren. Sie müssen die Aufmerksamkeit der Kunden erzielen, um Interesse für ihre Botschaften aufbauen zu können. Um Kunden die Erinnerung

668 

 7 Kommunikationspolitik

an die Inhalte der Botschaften zu erleichtern, wird zunehmend auf einen einheitlichen und integrierenden Ansatz gesetzt. (4) Werbung involviert tiefer: Der Aufbau einer langfristigen Kundenbeziehung nimmt für viele Unternehmen heute eine zentrale Rolle ein. Nur durch starke Involvierung kann zunehmende Kundenbindung erreicht werden, die langfristige Umsätze sichert.

7.1.2 Kommunikationswirkung Die Informationstheorie unterscheidet einen Sender, eine Botschaft, einen Träger der Botschaft (z. B. Brief, Fax, Anzeige, TV-Spot), einen Empfänger und die Wirkung der Botschaft. Sender (Anbieter)

Botschaft (TV-Spot)

Werbeträger (TV Sender)

Empfänger (Kunde)

Abbildung 7.3: Beispielhaftes dialogfreies Kommunikationsmodell.

Abbildung 7.3 skizziert das Modell der klassischen Werbung. Ein Anbieter (Sender) codiert und sendet seine Botschaft (z. B. TV Spot) über einen Kanal (z. B.: TV Sender) an einen Kunden (Empfänger). Dieser interpretiert (decodiert) die Botschaft aus seiner persönlichen Sicht und reagiert auf eine bestimmte Weise. Ein Kommunikationsvorgang lässt sich dabei nach der Lasswell-Formel in folgende Elemente zerlegen: (1) Wer (Kommunikator = Sender), (2) sagt was (Kommunikationsinhalt = Botschaft), (3) unter welchen Kommunikationsbedingungen, (4) über welchen Kommunikationskanal (Brief, Mail, Internet, SMS, TV), (5) zu wem (Kommunikant = Empfänger), (6) mit welcher Wirkung (Kommunikationseffekt, z. B. Kaufentscheidung). Als Voraussetzungen für erfolgreiche Kommunikation gelten: – Sender und Empfänger verfügen über den gleichen Code (Sprache) zur Identifikation und Entschlüsselung der Signale. – Die Partner verfügen über ein ausreichendes Zeichenrepertoire (Sprachschatz). – Über Bedeutung und Verwendung der Zeichen muss Einigkeit herrschen.

7.1 Bedeutung der Kommunikation 



– – –

 669

Dem Empfänger muss aufgrund von Kontextrahmen und Erfahrungshintergrund eine Interpretation möglich sein (Bewertung der Information). Die Information muss sich gegen konkurrierende Signale durchset­ zen (Überwindung der selektiven Wahrnehmung). Die Informationsinhalte müssen so gestaltet sein, dass sie gelernt werden können. Die Informationen müssen die Einstellungs- und Motivationsstruktur des Empfängers ansprechen, um die vom Sender gewünschten Reak­ tionen auszulösen (also über eine Schwelle der Fühlbarkeit kommen).

Die Informationen wirken dann auf den Empfänger auf einer kognitiven (Denken, Wissen, Lernen), affektiven (Fühlen, Wünschen, Anstreben, Bedürfen) und konativen Bewusstseinsebene (Wählen, Entscheiden, Handeln) ein. Der Kommunikationsprozess der Abbildung  7.3 ist eine Einbahnstraße. Der Botschaftenträger bietet keine Response-Möglichkeit. Man spricht von einstufiger oder einseitiger Kommunikation. Eine Rückmeldung des Empfängers an den Absender des TV Spots ist zwar durch bspw. eine E-Mail oder einen Social Media-Kommentar möglich, bedarf aber besonderer Initiative (Anstrengung). Das aufgezeigte Grundmodell ist kennzeichnend für die Medien der sog. Klassikmedien und einer Klassikwerbung. Moderne Kommunikation strebt nach Interaktion mit den Kunden mit dem Ziel, einen lebendigen und nachhaltigen Dialog zu führen. Der Dialog schafft eine verstärkte Kundenbindung. Notwendig sind Anreize, die dem Empfänger eine einfache und schnelle Reaktionsmöglichkeit gegenüber dem Sender bieten (Responsegenerierung). Dialog-Marketing und hier speziell Optionen der Online-Kommunikation verfügen über diese Fähigkeit Sender (Anbieter)

Botschaft (Social Media Post)

Werbeträger (Social Media Plattf.) Interaktionsoption (Social Media Plattf.)

Abbildung 7.4: Beispielhaftes dialogisches Kommunikationsmodell.

Ein Beispiel ist Online-Werbung. Der Kunde kann im Internet raum- und zeitlos kommunizieren. Neben Kommunikation durch den Botschaftenträger (das Medium) tritt eine Kommunikation mit dem Medium (Abbildung  7.4). Es entsteht eine Lernschleife. Der Sender (Anbieter)

Empfänger (Kunde)

670 

 7 Kommunikationspolitik

lernt durch die Reaktion seinen Kunden besser kennen und kann die nächste Botschaft gezielter auf den Interessenten oder Kunden ausrichten

7.1.3 Modelle der Kommunikationswirkung Menschliche Kommunikation ist eine soziale Handlung der Vermittlung individueller Bedeutungskonstruktionen800

Gesellschaft Kognition Biographie, individueller Lebenszusammenhang Kodierung&Dekodierung Sinnesaktualisierung Bedeutungskonstruktion Common Ground

Unterstellung

KommunikationsAngebote

Unterstellung

Kognition Biographie, individueller Lebenszusammenhang Kodierung&Dekodierung Sinnesaktualisierung Bedeutungskonstruktion Common Ground

Abbildung 7.5: Grundmodell der Kommunikation.801

Abbildung  7.5 zeigt das Grundmodell der Kommunikation nach Tropp auf. In Erweiterung der oben aufgezeigten grundlegenden Dialogansätze wird hier die Zweiseitigkeit der Kommunikation deutlich. Die Kommunikation ist in einen gesellschaftlichen Rahmen gebettet. Jeder Teilnehmer der Kommunikation hat seine eigene Biografie und bringt individuelle Lebenszusammenhänge in den Austausch ein. Zudem findet die Kommunikation auf einer gemeinsamen Basis statt (Common Ground), die wie unausgesprochene Rahmenbedingungen Verständnis und Bedeutungskonstruktionen beeinflusst. Der Austausch zwischen beiden Kommunizierenden findet durch Kodierung der Inhalte in bspw. Sprache oder Text statt, die dann dem Gegenüber angeboten wird. Der Gegenüber dekodiert die Kommunikationsinhalte und interpretiert diese wiederum in seiner Lebenswelt.

800 Tropp (Moderne Marketing-Kommunikation), 2019, S. 15. 801 Quelle: Tropp (Moderne Marketing-Kommunikation), 2019, S. 14.

7.1 Bedeutung der Kommunikation 

 671

Praktisch formuliert verfolgt ein Unternehmen eine Zielsetzung mit einer Werbung (z. B. mehr Produkte verkaufen). Diese Zielsetzung wird kodiert in einer Copy Strategie verpackt (z. B. „Jetzt extra viel sparen und gleich zugreifen.“). Diese Botschaft kommt beim Empfänger an und wird analysiert (bspw. eine positive Reaktion „großartiges Angebot“) und resultiert in einer Kaufhandlung. Kommunikation hat drei zentrale Wirkungszielsetzungen und soll auf den entsprechenden Ebenen Änderungen erzielen: – Kognition: Das Wissen der Kommunikationsempfänger soll erweitert werden. – Affektion: Die Emotionen und Einstellungen zur Botschaft sollen in einer für das Unternehmen positiv wirkenden Art verändert werden. – Konation: Aus diesen beiden Wirkungen soll eine Handlungstendenz oder ein Verhalten resultieren, welches dem Unternehmen hilft.

MEDIENAgenda

Um die Wirkung von Kommunikation aus zwei alternativen Sichtweisen zu erläutern, werden das Agenda-Setting-Modell und die Two-Step-FlowTheorie betrachtet.

Themen in den Medien

t1

t2

PUBLIKUMSAgenda

Themen in den Köpfen der Rezipienten

Zeit

Abbildung 7.6: Agenda-Setting-Modell.802

Das Agenda-Setting Modell (siehe dazu Abbildung 7.6) stammt aus einer Zeit, in der vielfach über Massenmedien kommuniziert wurde. Themen, die in den Medien transportiert wurden, haben sich in späterer Folge auch in der Diskussion in der Bevölkerung gezeigt. Übertragen auf heutige Kommunikationsansätze kann man dieses Modell als Erklärungsansatz für die Themensetzung durch Kommunikationsstrategien ansehen. Will ein Unternehmen ein bestimmtes Thema 802 Quelle: Merten (Kommunikation), 2013, S. 111.

672 

 7 Kommunikationspolitik

bei Zielgruppen platzieren, muss vorab viel rund um das Thema kommunizieren werden. Soll beispielweise die nächste Produktgeneration eines Smartphones auf den Markt gebracht werden, starten Unternehmen deutlich vor dem offiziellen Erscheinungstermin mit der Kommunikation. Das interessierte Zielpublikum lernt das Produkt kennen und beim Erscheinen auf dem Markt ist die neue Produktgeneration bereits Diskussionsthema in den Zielgruppen. Leider kann dieser Zusammenhang von Seiten der Unternehmen nur teilweise geplant werden. Kommunikationsempfänger wählen nach ihren spezifischen Interessenlagen aus, welche Informationen sie ansehen und lesen. Unternehmen versuchen, durch entsprechende Thematisierungen und Strukturierungen Informationen interessant und relevant anzubieten, die Werbungsempfänger entscheiden dennoch eigenständig über die Wahrnehmung und Informationsverarbeitung. Eine Erweiterung der Wirkungsmodelle der Kommunikation kann das Two-Step-Flow Modell einbringen. Als Orientierungsanker für Informationen dienen nicht nur Unternehmensinformationen, sondern auch andere Personen, die sich mutmaßlich gut bei ausgewählten Themen auskennen. Besitzt eine Person eine kommunikative und inhaltliche Kompetenz, wird diese als Meinungsführer wahrgenommen. Der Zusammenhang wird in Abbildung 7.7 dargestellt.

Medium

Meinungsführer

Meinung

Information

tung obach ige Be ter / h selseit Wech er Beobac und B d rA ehme Übern

Übernehmer von Meinungen

Abbildung 7.7: Two Step Flow Modell/Meinungsführermodell.803

Werden relevante Meinungsführer identifiziert, können Unternehmen durch gezielte Ansprache dieser Personen einen weiten Empfängerkreis der eigenen Botschaften adressieren. Dieses Modell ist durch die Disziplin des Influencer Marketing mehr in die Betrachtung gerückt. Die 803 Eigene Darstellung in Anlehnung an Merten (Kommunikation), 2015, S. 115 f.

7.1 Bedeutung der Kommunikation 

 673

Meinungsführerschaft selbst ist seit vielen Jahrzehnten bekannt und etabliert. Durch die sozialen Netzwerke können Meinungsführer große Reichweiten erzielen, die mit klassischen Medien bisher nicht zu erzielen waren. Ein wesentliches Merkmal dieses Modells ist Nähe und Bekanntschaft, die Meinungsführer zu den Übernehmern der Meinungen benötigen. Klassische Meinungsführer konnten Nähe nur zu Personen im physischen Umfeld aufbauen. Digitale Netzwerke lassen Nähe auch über Distanz entstehen. Mischen Influencer persönliche Updates und Botschaften mit ausgewählten Werbebotschaften, kann eine gute Übernahme der Meinungen vermutet werden. Die Übernehmer von Meinungen beobachten nach diesem Ansatz auch die Wirkung der Botschaften auf wiederum andere Übernehmer der Meinungen. Likes, Shares und Kommentare zu Postings auf Social Media vermitteln einen Eindruck, wie populär Informationen im Empfängerkreis sind. Je mehr Likes und Kommentare ein Posting erzielt, desto eher werden Inhalte dann auch von den Übernehmern der Meinungen wahrgenommen und ihrerseits übernommen.

7.1.4 Werbeverweigerung Trotz vieler neuer kreativer Ideen: Die Wirkung von Werbekampagnen wird zunehmend angezweifelt: „Früher“, erinnert sich Peter Wippermann, Trendforscher und Professor für Kommunikationsdesign, „wussten Unternehmen: Da ist unsere Zielgruppe, da machen wir einen Kringel drum und hauen die Werbung drauf. Das ist jetzt vorbei. Kein Unternehmen könne mehr vorausberechnen, wo es wen erreicht.“804 Die klassischen Zielgruppen verlieren ihre festen Konturen. Ein Symbol hierfür ist der Porsche- Fahrer, der bei ALDI vorfährt. Es gibt keinen typischen Porsche-Fahrer mehr. Der Verbraucher verhält sich zusehends hybrider, „als ungreif- und unbegreifbares Mischwesen, als Konsument ohne echte Eigenschaften, geschlagen mit einem düsteren Hang zur Individualität.“805 Klassische Medienwerbung verliert an Durchschlagskraft. Auch das zunehmende Szene-Marketing bricht traditionelle Zielgruppen auseinander. Immer wieder erhärten Konsumentenbefragungen die Kritik an Werbung und melden eine zunehmende Werbemüdigkeit der Verbrau-

804 Boldt, (wahres Leben), in: MM, 10/1997, S. 228. 805 Boldt, (Maßstab), in: MM, 4/1998, S. 143.

Consumer Resistance bezeichnet das Phänomen, dass sich Verbraucher durch Marketingaktivitäten gestört fühlen und sich der Werbung entziehen.

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Twitter (heute X) hat ursprünglich die Länge der Tweets auf 140 Zeichen begrenzt, was heute auf 280 Zeichen ausgeweitet wurde. Viele Videos auf TikTok sind 15 Sekunden lang.

 7 Kommunikationspolitik

cher. So würden einer GfK-Befragung zufolge 45,1 Prozent von 2.500 Konsumenten die Werbung gerne einschränken. 22,4 Prozent sprachen sich sogar für ein Abschaffen jeglicher Werbung aus.806 Untersuchungen decken 56% sog. „Fernsehverweigerer“ in der Gruppe der 14- bis 19-jährigen auf; mit Abitur oder weiterführendem Schulabschluss. Die durchschnittliche Sehdauer der 14- bis 19-jährigen beträgt laut AGF/GfK nur noch 104 Minuten pro Tag (Gesamtdurchschnitt der Bevölkerung: 211 Minuten). Dabei sind die Wenig-Seher besonders einkommensstark und gebildet.807 Die Jugend weicht zunehmend auf Social Media aus. Bei diesen Einwendungen ist die spezifische Zielsetzung der Werbung zu berücksichtigen. Wenn es um Imagewerbung und Pull geht, fühlen sich die Konsumenten trotz täglicher Flut der Werbebotschaften durchaus angesprochen; aber auch überfordert. Wenn es aber darum geht, durch Werbung aus Interessenten Kunden zu machen und an ein Produkt oder eine Marke zu binden, dann bietet die Direktansprache gute werbliche Erfolgschancen. Drei Phänomene tragen zu nachlassenden Aufnahmebereitschaft von Werbung bei: (1) Kurzzeitlesen: Empfänger lesen nur noch kürzere und einfacherer Texte, diese Entwicklung ist durch die zunehmende Medialisierung des Alltags geprägt, auch durch die physische Verkleinerung von Medien (Smartphone-Bildschirm vs. Fernsehen, Nordisches Format (bspw. FAZ, HAZ) vs.  Tabloid (bspw. BILD kompakt, Handelsblatt) führt zu sinkender Bereitschaft, längere Texte zu lesen. (2) Kurzzeitsehen: Bewegtbild wird in immer kürzeren Zeitlängen betrachtet, die Aufmerksamkeitsspannen sinken. Gut rezipierte Videos im Internet haben heute eine Laufzeit von unter 2 Minuten, Betrachter wenden zudem weniger Zeit auf die Dechiffrierung visueller Reize auf. (3) Kurzzeithören: Auch Audio-Reizen wird weniger und kürzer zugehört. Aus diesen Phänomenen resultiert eine zunehmend oberflächliche Informationsverarbeitung, und die Werbungsempfänger können sich weniger auf komplexe und lange Botschaften konzentrieren. Diese Aspekte müssen in die Werbeplanung einfließen.

806 vgl. o. V., (Einschränkung), in: PM-Beratungsbrief v. 5.5.1997, S. 1. 807 vgl.  AC Nielsen Single Source, zit. in: o. V., (Werber), in: PM-Beratungsbrief v. 13.1.2001, S. 1.

7.2 Markenführung 

 675

Kunden wünschen sich eine deutlich stärkere kommunikative Selbstbestimmung. Werbung unterbricht vielfach die Nutzung der Medien (bspw. der TV Spot unterbricht den Spielfilm, der Sponsored Post unterbricht den eigenen Social Media Feed). Auch ist das Misstrauen gegenüber werbenden Unternehmen groß. Um Werbung zu vermeiden, verfolgen Konsumenten eine Vielzahl an Strategien: – Technische Unterdrückung von Werbebotschaften, Adblocker für den Browser, Werbevermeidungs-Apps auf dem Smartphone, – „Bitte keine Werbung“ Aufkleber am Briefkasten, ausgewählte Metropolregionen erreichen eine Werbeverweigerungsquote von über 50%, – Bewusstes „Überblättern“ von Anzeigen, – Unmittelbare Entsorgung von Werbebeilagen, – Bewusstes Opt-Out bei Cookie-Abfragen, – Abmeldungen von Werbe-Newslettern, – Blacklisting der eigenen Mailadresse (Eintrag in die Robinsonliste zum Schutz vor unaufgeforderten Werbesendungen und Telefonanrufen), – Blockierung ausgewählter Telefonnummern. Unternehmen müssen auf diese veränderten Rahmenbedingungen reagieren. Werbung muss relevanter werden, sie muss Interessen der Kunden besser treffen. Dann sind Konsumenten bereit, sich der Werbung zu widmen. Auf technischer Seite versuchen Unternehmen, Adblockern zu begegnen. Einzelne Webseiten werden nur noch angezeigt, wenn der Webseitenbesucher explizit der Ausspielung von Werbeanzeigen zustimmt. Und Werbung wird mit immer mehr Inhalt und Nutzwert versehen. Die Marketing Disziplin Content Marketing zielt darauf ab, dass Webseiten-Besucher oder Leser von Zeitschriften in gesponsorten Beiträgen so viel Mehrwert sehen, dass Sie sich diese, trotz werblicher Ausrichtung interessiert ansehen.

Deutschandweit verweigern rd. 28,5% unadressierte Werbung.

„Spam ist nur ein Mangel an Informationen über den Verbraucher.“ (Quelle: Hal Varian, Chefökonom google, ct 16/2022, S. 15)

7.2 Markenführung Unternehmen stehen vor der grundlegenden Entscheidung, ob sie wiedererkennbare Marken entwickeln oder Produkte und Leistungen anonym oder schwächer positioniert anbieten wollen. Klassisches Marketing ist auf Konsumgüter fokussiert. Demzufolge werden Belange einer Marke hauptsächlich auf klassische Markenartikel der Konsum- bzw. Gebrauchsgüterindustrie bezogen. Mit dem Phänomen Marke und der Markenfaszination haben sich aber alle Wirt-

Marken sind nach Esch „kristallisiertes Vertrauen.“

676 

Eine Marke ist „the Consumer´s idea of a product.“ (Ogilvy)

 7 Kommunikationspolitik

schaftsbereiche auseinanderzusetzen. Niemand, der im Wettbewerb steht, will noch seinem Produkt eine anonyme Maske verleihen. Deshalb folgen wir einem Zitat von Pepels: „Ohne Markenartikel gibt es kein Marketing, man kann sogar sagen: Marketing heißt, Marken machen. Zentrales Anliegen der Markenstrategie ist es, aus einem mehr oder minder austauschbaren Angebot eine Marke zu formen.“808 Das Markengesetz lässt die „Markierung“ eines Gutes in alle Richtungen zu. Eine Marke ist in der Gesellschaft etwas Schützenswertes. Die Marke stellt ein Bekenntnis der Wirtschaft zum freien Wettbewerb dar. Nach aktuellem Recht reicht für eine Markenanmeldung bereits eine nur geringe Unterscheidungskraft aus. Die rechtliche, merkmalsorientierte Definition der Marke: „ Als Marke können alle Zeichen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Klänge, dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware oder ihrer Verpackung sowie sonstige Aufmachungen einschließlich Farben und Farbzusammenstellungen geschützt werden, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.“ (§ 3 Abs. 1 Markengesetz (MarkenG)). Nach der wirkungsorientierten Definition sind Marken „Vorstellungsbilder in den Köpfen der Konsumenten (Kunden!), die eine Identifikations- und Differenzierungsfunktion übernehmen und das Wahlverhalten prägen.“809 Der funktionsorientierte Ansatz definiert Marken als Möglichkeit, sich von Konkurrenzangeboten zu unterscheiden und dadurch von den Käufern als besonders (einzigartig) wahrgenommen zu werden (Produktpositionierung!). Die wichtigsten Erwartungen an Marken sind: – Die Marke ist eine Persönlichkeit und besitzt eine Markenidentität) – Die Marke zeichnet sich durch gleichbleibende Qualität aus – Die Marke besitzt ein konstantes Preis-/Leistungsverhältnis – Die Marke zeigt Kontinuität im werblichen Auftritt – Die Marke hat vertriebliche Präsenz (Ubiquität) in zielgruppenadäquaten Vertriebskanälen. Zur Markenführung (Markenpolitik, Branding) gehören alle Instrumente und Maßnahmen, um Markenbilder zu schaffen (zu profilieren), im Zeitablauf zu sichern und zu stärken, mit neuem Markenglanz aufzufrischen 808 Pepels, (Marketing), 2012, S. 59. 809 nach Esch; zit. in Esch et al. (Markenführung), 2005, S. 11.

7.2 Markenführung 

 677

(Marken-Relaunch) oder wieder einzuführen (Markenrevitalisierung). Dazu stellen sich die Instrumente des Marketing-Mix in den Dienst der Marke. Welchen Platz nimmt die Markenpolitik im Marketing-Mix ein? Es wäre durchaus angemessen, der „umgreifenden“ Markenpolitik ein eigenes Kapitel neben den vier Marketinginstrumenten zu widmen. Doch die Markenpolitik ist nicht isoliert zu sehen. Produktgestaltung, Preissetzung und Verkauf schaffen eine Markenbasis. Das entscheidende Aufwerten eines Gutes in die Sphäre einer Marke ist dann ein Erfolg von werblichen Botschaften. Branding ist Aufgabe von Produktmanagement und Kommunikationspolitik. Vereinfacht gesagt: Werbung und Kommunikation schafft Markenvertrauen und verankert Marken in den Köpfen der Abnehmer! Das klassische Marketing ist auf den Markenartikel der Konsumgüterhersteller gerichtet. Die Markenartikel geraten jedoch unter Druck. Smart-Shopper ziehen Markenprodukte immer weiter in einen Preiskampf gegen No Name-Produkte und Handelsmarken. 76 % der Konsumenten bringen niedrige Preise nicht mehr mit schlechter Qualität in Verbindung.810 Der Markenverband ist daran interessiert, den guten Ruf des Markenproduktes und die Höherwertigkeit zu wahren. „Markenführung ist  eine höchst individuelle Kunst, muss Chefsache in jedem Markenartikelunternehmen sein, und dies in permanenter Anpassung an neue Verbraucherwünsche. Erfolgreiche Absatzpolitik wird so zusammengehalten durch die Kraft der Marke, die Märkte prägt und entwickelt. Die Rahmenbedingungen dieser Märkte, in denen die Mitglieder des Markenverbandes Herstellermarken produzieren oder vertreiben, werden vom Verband mitbestimmt. Im großen Puzzle Tausender von Marken übernimmt er (der Markenverband, d. Verf.) die Aufgabe, den politischen Rahmen abzustecken, klare Linien zu formulieren, innerhalb derer jedes Unternehmen mit höchstmöglichem Freiheitsgrad agieren kann.“811 Der 1903 gegründete Deutsche Markenverband ist einer der ältesten Industrieverbände. Über 400 Markenartikler sind dem Verband angeschlossen. Sie erwirtschaften über 300 Mrd. Euro Sachgüter-Umsatz und 200 Mrd. Euro Dienstleistungsumsatz und vertreten 1,5 Mio. Arbeitsplätze.812 80 Prozent aller Konsumgüter sind Markenprodukte. Noch überwie810 Befund einer Allensbach-Umfrage: vgl. Campillo, (Rabattfalle), in: acquisa, 4/2003, S. 19. 811 Markenverband – Anwalt der guten Namen – 1999, S. 5. 812 vgl. www.markenverband.de

95 der führenden 100 deutschen Dach- und Einzelmarken sind im Markenverband vertreten.

678 

 7 Kommunikationspolitik

gen Herstellermarken im Warenkorb der Kunden. Bei Nahrungsmitteln beispielsweise lag deren Marktanteil 2005 bei 65 Prozent (Handelsmarken, die sog. Private Labels 35 Prozent mit leicht steigender Tendenz). Der Markenverband kümmert sich um den „Schutz der Marke als dem erfolgreichsten Marketing- und Distributionsinstrument einer Volkswirtschaft“ und führt im Sinne der Mitglieder einen Dialog mit Handel, Medien, Agenturen, Verwaltung und Politik. Dabei orientiert sich der Verband am EU-Leitbild des „durchschnittlich informierten Verbrauchers.“813 Der Verband veröffentlichte zehn Kernbotschaften zur Faszination Marke:814 – Die Marke ist Kreativität – Marken faszinieren. – Die Marke ist Verbrauchervertrauen. – In Deutschland gibt es lt. Markenverband ca. 500.000 eingetragene Marken. Jährlich kommen ca. 50.000 neue hinzu. – Marken sind Innovationsführer – Kreativität fordert ihren Preis. – Die Marke ist ein Garant für Produktvielfalt. – Die Marke ist Garant für Medienvielfalt. – Die Marke ist das Original. Das Original schlägt die Kopie (Statement gegen die bedrohliche Markenpiraterie). – Die Marke ist starker Wirtschafts- und Wertschöpfungsfaktor für den Standort Deutschland. – Die Marke ist Impulsgeber für Wirtschaft und Gesellschaft. – Die Marke ist Baustein der Wissensgesellschaft. – Marken benötigen faire Rahmenbedingungen. In sieben Punkten wird die Philosophie des Markenverbandes deutlich:815 (1) Ein Markenartikel gibt dem Verbraucher Sicherheit beim Einkaufen. (2) Ein Markenartikel ist auf Dauer angelegt. Durch Leistung und kontinuierlichen Marktauftritt schafft er Vertrauen bei den Verwendern. (3) Produktion und Forschung der Markenartikel liegen auf höchstem Niveau. (4) Für Markenartikel werden Versorgung, bequemer Einkauf und Service garantiert. (5) Markenartikel fördern den Wettbewerb und dadurch Produktinnovation.

813 ein Thema aus dem Jahresbericht 1999/2000. 814 vgl. www.markenverband.de, entsprechende Unterseite; abgerufen 06/2005. 815 vgl. www.markenverband.de/verband/markenartikel.html, abgerufen 6/2005.

7.2 Markenführung 

 679

(6) Die Hersteller informieren durch Markenwerbung und Verkaufsförderung. Der Markenartikel verhindert auf diese Weise Produktenttäuschungen. (7) Markenartikel setzen Maßstäbe für wirtschaftlichen und technischen Fortschritt. Kunden und Marken in Köpfen der Kunden sind zentrale Werte des Unternehmenserfolgs.  Booz Allen Hamilton und Wolff Olins identifizieren in einer Studie zehn Merkmale von markengeleiteten Unternehmen.816 Die in der Tabelle  7.1: dargestellten Erfolgsmerkmale klingen allerdings recht allgemein. Tabelle 7.1: Merkmale von markengeleiteten Unternehmen.817 10 MERKMALE VON MARKENGELEITETEN UNTERNEHMEN Sie streben mit ihrer Marke anspruchsvolle strategische Ziele an. Ihre Marke dient als zentrale Plattform, um Strategien, Kunden und Mitarbeiter zu verbinden. Ihre Markenbildung (Branding) ist nicht von den anderen Management-Prozessen getrennt. Mitarbeiter glauben an die Marke. Bei ihnen übernimmt die Geschäftsführung die zentrale Verantwortung für die Marke. Ihre Anreize, Erfolgsmessung, Entlohnung für die Mitarbeiter sind daran gekoppelt, wieviel diese zur Bildung, zur Stärke und zum Wert der Marke beigetragen. Ihre Marketingabteilung kann den voraussichtlichen Mehrwert jeder Marketinginvestition bestimmen. Mit ihren Informationssystemen durchleuchten sie ihre Kunden und schaffen eine Plattform, um einen ROI von Marketingmaßnahmen zu berechnen. Sie messen regelmäßig zentrale Leistungsindikatoren wie die Gewinnspanne und die Shares-of-Wallet (eigene Lieferanteile an den gesamten Einkaufsbugets der Kunden). Sie verstehen, welche Faktoren den Wert der Marke erhöhen und wie sie diese beeinflussen.

816 vgl. die Ergebnisse in Garber, (Marken), in: ASW Sonderheft Marken 2005, S. 26. 817 Booz Allen Hamilton und Wolff Olins – Europäische Studie unter Marketing- und Vertriebs-Chefs 2004) – Zusammenfassung durch Thorsten Garber.

680 

 7 Kommunikationspolitik

Markenpolitik ist eine der anspruchsvollsten Aufgaben des Marketing. Markenanalyse, Markenpositionierung, strategische und operative Markenführung und die Markenwertrechnung sind große Arbeitsgebiete des Branding. Sie weisen eine große Nähe zum Produktmanagement auf. Abbildung 7.8 bietet den Überblick.

DIE AUFGABENBEREICHE DER MARKENPOLITIK (BRANDING) Markenpotenzialanalyse, Schnittstelle zwischen Produktmanagement und Markenführung (Markenfeststellung, markenrechtliche Vorklärungen) Markenstrategie und Markenpositionierung Markenpersönlichkeit

Markenkern

Abgleich mit Unternehmensstrategie

Markenarchitektur

Einsatz von Kommunikationsinstrumenten zur Umsetzung der Markenpolitik

Markenpflege

Markendehnung

Markenrelaunch

Operative Markenführung

Markenkommunikation und operaitve Markenführung

Operative Markenführung

Markeneinführung

Markenwertrechnung, Brand Equity, MarkenwertControlling

Markenrevitalisierung

Messung des vertrieblichen Markterfolgs © Prof. Dr. Peter Winkelmann

Abbildung 7.8: Aufgabenbereiche der Markenpolitik.

7.2.1 Strategische Markenführung Der obere Teil der Abbildung 7.8 zeigt strategische Aufgaben der Markenpolitik, der untere die operativen. Die einzelnen Aufgabenbereiche werden im Folgenden erklärt. Die Markenpotenzialanalyse untersucht, welche Produkte bereits als Marken positioniert sind oder zu Marken ausgebaut werden könnten und ob hierzu die marktlichen und rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. Bei den großen markenführenden

7.2 Markenführung 

 681

Unternehmen sitzen dazu Produktmanager und Markenmanager am Tisch. In vielen technischen Unternehmen fällt das Branding mit in den Verantwortungsbereich des Produktmanagements. Was Marken wirklich ausmacht, liegt in einer emotionalen Dimension. Die faszinierenden Marken unserer Welt können Geschichten erzählen. Sie verströmen Energien, die wir intellektuell nicht fassen und instrumentell nicht konstruieren können. Sie werden Kult. Marken verkörpern Persönlichkeiten mit einem unverwechselbaren Markenkern. Hauptaufgabe der Strategiearbeit ist es, Markenpersönlichkeiten und definierbare Markenkerne zu formen. So entsteht Markenfaszination. Markenkäufer übertragen ihre Persönlichkeitsmerkmale auf die Marke.818 Sie identifizieren sich mit der Marke. ”Die Markenpersönlichkeit wird hier als Gesamtheit menschlicher Eigenschaften bezeichnet, die mit einer Marke verbunden sind.”819 Eine Marke motiviert den Käufer zum Kauf, indem sie ihm eine leichte Identifikation mit der Markenpersönlichkeit ermöglicht. Eine Markenpersönlichkeit ist folglich ein Abbild des typischen Käufers. Markenpersönlichkeiten sind als Markenimages bei Käufern und Nichtkäufern im Markt abfragbar. Esch und Wicke weisen auf die bedeutende Rolle von Assoziationen hin, mit deren Hilfe Markenimages Verankerungen im Denken und Fühlen der Käufer finden.820 Um das Phänomen starker Marken zu verstehen, bedarf es eines Verständnisses für die Persönlichkeitsmerkmale einer Marke. Aaker hat hierzu 1997 mit seinen Big Five ein zeitloses persönlichkeitspsychologisches Konzept vorgelegt:821 – Sincerity (Aufrichtigkeit); typische Attribute: bodenständig, ehrlich, gesund, heiter, – Exitement (Spannung); typische Attribute: gewagt, temperamentvoll, fantasievoll, modern, – Competence (Kompetenz); typische Attribute: zuverlässig, intelligent, erfolgreich, – Sophistication (Kultiviertheit); typische Attribute: vornehm, edel, charmant, – Ruggedness (Robustheit); typische Attribute: zäh, stark, überlegen, natürlich.

818 vgl. Aaker, (Markenpersönlichkeit), 2000, S. 95. 819 Aaker, (Markenpersönlichkeit), 2000, S. 94. 820 vgl. Esch; Wicke; Rempel, (Markenführung), 2005, S. 51. 821 vgl. Aaker, (Brand Personality), Journal of Marketing Research, 8/1997, S. 347–356.

Der Apotheker Oscar Troplowitz kreierte auf der Grundlage eines Salbenpatentes von Isaac Lifschütz 1911 die erste Nivea-Creme. Das Rezept hat sich bis heute kaum verändert. Jahresverkauf: 123 Mio. Dosen mit 12.500 Tonnen in 200 Länder. Umsatz 2021: 7,627 Mrd. € Heute führt Beiersdorf rund 500 Produkte in den Markenfamilien.

682 

 7 Kommunikationspolitik

Alternativ gibt es das Erfolgsfaktoren-Konzept, nach dem starke Marken folgende Eigenschaften aufweisen:822 – Vom Kunden wahrgenommene, verlässliche Qualität: ein besonders anspruchsvolles Qualitätsversprechen der Marke, – Einzigartigkeit: Uniqueness, zumindest hohe Wettbewerbsdifferenzierung, – Vividness: Lebendigkeit, zeitlose Aktualität, – Langlebigkeit: starke Marken betonen ihre lange Tradition, – Anspruch auf eine starke Marktstellung, – starke gefühlsmäßige Metapher, um Emotionen zu wecken, – konsistenter Werbeauftritt: Stimmigkeit im Werbeauftritt im Zeitablauf. Nach der Theorie der Markenrelevanz sind Marken erfolgreich, wenn sie Käufern und Anbietern grundlegende Nutzenvorteile nach Tabelle 7.2: bieten.823 Das Nutzenspektrum hängt von Produktart und Zielgruppe ab. Tabelle 7.2: Markennutzen für Käufer und Anbieter. Markennutzen für Käufer

Markennutzen für Anbieter



Nutzen zur Orientierung im Überangebot der Produkte



Nutzen zur Wertsteigerung des Unternehmens



Nutzen zur Entlastung bei der Produktauswahl



Akquisitorische Potenzial



Qualitätssicherungsfunktion



Nutzen als Plattform für neue Produkte



Persönliche Identifikation



Basis für Marktsegmentierungen



Prestigesteigerung durch Marke



Stärkung der Kundenbindung



Nutzen zum Vertrauensaufbau



Wettbewerbsdifferenzierung



Preiskonstanz



Absicherung von Marktsegmenten



Ideeller Nutzen



Informationsnutzen



Risikoreduktion

Laut einer Studie der GfK und des Gesamtverbandes Werbeagenturen (GWA) gehören noch hohe Innovationsbereitschaft und die Konzentra822 vgl. Biel, (Markenwertaufbau), 2000, S. 88. 823 Spalte 1 u. 3: vgl. Meffert; Burmann; Koers, (Markenmanagement), 2005, S. 10–11; Spalte 2: vgl. Meffert; Schröder; Perrey, (B2C-Märkte), in: ASW, 10/2002, S. 28–33; nach MCM und McKinsey.

 683

7.2 Markenführung 

tion auf definierte Zielsegmente dazu.824 Starke Marken verfügen über hohe Relevanz im täglichen Leben der Käufer.825 Die Erfolgsfaktoren steigern aber nur dann die Markenkraft, wenn ein Produkt die gefühlsund verstandesmäßige Wertschätzung der Konsumenten auch erhält und zudem Kaufimpulse auslöst. Nur dann wird die Marke Bestandteil des kaufentscheidenden Evoked-Sets im Kopf des Käufers. Der ToyotaSlogan „Nichts ist unmöglich“ ist zum geflügelten Wort geworden. Nur kaufen viele Autofahrer deshalb die Marke Toyota noch lange nicht.

SollPositionierung

Unternehmen

Markenkäufer sind treue Kunden. 75% der Waschmittelkäufer bleiben immer der gleichen Marke treu, bei Röstkaffee sind es 71%.

Verbraucher MarkenBekanntheit

Marketing-Mix Kommunikation Image des Herstellers

Markierung – Name – Logo – Verpackung

Geplante Markenpersönlichkeit

Markenpräferenz

Marken(erst-) Kauf

Image der Marke und der markentypischen Verwender

Erfahrung mit der Marke

Abbildung 7.9: Zusammenhang zwischen unternehmerischer Markenpolitik und Verbraucherverhalten.826

Aus Abbildung 7.9 von Schweiger und Schrattenecker lässt sich die Relevanz der Marke für Kaufverhalten erkennen. Kunden entwickeln eine Markenpräferenz auf Basis der vom Unternehmen entwickelten Markenpersönlichkeit. Das Markenimage entwickelt sich schrittweise durch Kauf- und Verwendungserfahrungen. Starke Marken bieten Herstellern und Käufern die aus Abbildung 7.10 ersichtlichen Vorteile im Wettbewerb. Hauptvorteil einer starken Marke liegt aus Unternehmenssicht im höheren Unternehmenswert (Shareholder Value). Starke Marken bauen mittels Kundenbindung langfristig realisierbare Umsatz- und Ergebnispotenziale auf.

824 vgl. den Hinweis auf die Befunde der GfK-Studie in ASW, 9/2001, S. 34. 825 vgl. Joachimsthaler, (kleiner), in: ASW, 8/2002, S. 12. 826 Quelle: Schweiger/Schrattenecker (Werbung), 2017, S. 98

MarkenTreue

684 

 7 Kommunikationspolitik

VORTEILE VON STARKEN MARKEN AUS HERSTELLER-UND KÄUFERSICHT aus Herstellersicht – – – – – – – – –

aus Käufersicht

Starke Marken bewirken Kundenloyalität Starke Marken bieten Plattformen für Markenerweiterungen (für neue, starke Produkte) Starke Marken sind Ausdruck besonderer Herstellerkompetenzen Starke Herstellermarken festigen die Macht beim Handel (s. z.B. Haribo Colo Rado bei ALDI) Starken Marken werden (wegen des Markenguthabens) Fehler leichter verziehen (z.B. Elchtest bei der A-Klasse) Starke Marken erholen sich relativ schnell von es Wettbewerbs Starke Marken bieten relativ sichere Kalkulationsgrundlagen Starke Marken können eine lange Lebensdauer haben Starke Marken fördern ein positives Image der Gesamtunternehmung

– – – – – – – –

Zu starken Marken haben die Kunden Vertrauen Starke Marken erleichtern dem Kunden die Produktauswahl Starke Marken reduzieren das Qualitätsrisiko Starke Marken reduzieren für den Kunden das Kaufrisiko Starke technische Marken geben dem Kunden mehr Sicherheit bezüglich Ersatzteilbesch ung und Nachkaufmöglichkeit Starke Marken können dem Kunden bei der Stärkung seines Selbstwertgefühls helfen (Prestigee kte, Distinktionskonsum) Starke Konsumgütermarken können die Lebensfreude des Kunden steigern (Bsp.: der Porsche-Fahrer) Starke Marken machen einem Kunden das „Preisopfer“ leicht

(vgl. in Anlehnung an Biel, (Markenwertaufbau), 2000, S. 68–69)

Abbildung 7.10: Vorteile starker Marken aus Hersteller- und Käufersicht.

Beim Erarbeiten einer Markenstrategie dürfen kaufmännische Überlegungen nicht fehlen. Insbesondere für Konsumgüter gilt: bei überragender Markenführung kann der Marktwert einer Marke den Bilanzwert einer Unternehmung übersteigen. Nach Sattler/Pricewaterhouse Coopers repräsentieren B2C-Marken im Durchschnitt 56% des Unternehmenswertes, B2B-Marken dagegen nur 18% (vgl. Hinweis in ASW 2/2004, S. 27). Der Markenwert der Top-100-Marken global stieg von 2010 bis 2021 von 2,4 Billionen USD auf jetzt 7,1 Billionen USD827. Durch unterschiedliche Berechnungsarten sind diese Werte nur bedingt aussagefähig. Tabelle 7.1 und Tabelle 7.2 zeigen Rankings der Markenwerte für 2022 auf. Tabelle 7.3: Top 10-Markenwerte der globalen Brands nach Kantar. Platzierung

Unternehmen

Land

Markenwert (in Mrd. USD)

1 2 3 4 5 6 7

Apple Google Amazon Microsoft Tencent McDonalds Visa

US US US US China US US

947,1 819,6 705,6 611,5 214,0 196,5 191,0

827 Online unter: https://www.kantar.com/de/inspiration/brand/brandz-top100–2021

7.2 Markenführung 

 685

Tabelle 7.3 (fortgesetzt) Platzierung

Unternehmen

Land

Markenwert (in Mrd. USD)

8 9 10

Facebook Alibaba Louis Vuitton

US China US

186,4 170,0 124,3

Tabelle 7.4: Top 8-Markenwerte der deutschen Brands nach European Brand Institute.828 Platzierung

Unternehmen

Land

1 2 3 4 5 6 7 8

SAP Deutsche Telekom Mercedes Benz Siemens BMW DHL Adidas Aldi

DE DE DE DE DE DE DE DE

Markenwert (in Mrd. EUR) 69,0 64,6 30,3 29,2 27,6 27,0 23,8 21,3

Die Kalkulation von Markenwerten hat in der EU seit 2005 große Bedeutung. Zuvor ging der immaterielle Markenwert bei Unternehmensaufkäufen in der Restgröße des sog. Goodwills auf. Jetzt muss ein kaufendes Unternehmen analog den US-GAAP Rechnungslegungsvorschriften neben den erworbenen Sachvermögenswerten und Schulden auch zugegangene Marken identifizieren und bewerten. Im Rahmen dieser Purchase Price Allocation sind Marken nach einer Fair-Value-Bewertung im Zugangszeitpunkt zu aktivieren.829 Das strategische Potenzial einer Marke kann in einem Trichter-Modell (Branding Funnel) analysiert werden.830 Abbildung  7.11 deckt Fragestellungen bei der beispielhaft untersuchten Marke auf. Nach diesen Vorarbeiten ist die Markenstrategie festzulegen – in Abhängigkeit von bewährten Markentypen. Im Mittelpunkt steht die Markenträgerstrategie. Markenträgerstrategien zielen auf eine Positionsstärkung im Wettbewerb. Hersteller, Handelsunternehmen, Zweit-Label-Fabrikanten forcieren eigene Marken.

828 Quelle: BrandZ-Ranking von Kantar in: Horizont 24–25/2022, S. 6. 829 vgl. Hanser, (Kapitalanlage), in: ASW, 2/2004, S. 27–28. 830 vgl. Pietralla; Bachem, (Budgets), in: ASW, Sonderausgabe Marken 2002, S. 74.

686 

 7 Kommunikationspolitik

BEISPIEL FÜR EINEN BRANDING-FUNNEL BrandingDimensionen

Kernfrage

Ergebnis Marke X

Grundgesamtheit

Was ist die Zielgruppe bzw. der relevante Markt der Marke?

100%

Bekanntheit

Branding-Leistungs-Indikatoren (KPIs)

Wie bekannt ist die Marke? 99% Bekanntheit / Grundgesamtheit Ist die Marke mit positiven Image 69% Image / Bekanntheit Assoziationen besetzt? Wird die Marke als tatsächlich Kaufabsicht zukünftige Kaufalternative 53% Kaufabsicht / Image betrachtet? Wird die Marke tatsächlich Kauf 27% Kauf / Kaufabsicht gekauft? Wird die Marke wieder gekauft, Loyalität bzw. handelt es sich um 16% Loyaliltät / Kauf Stammkunden? (Quelle: McKinsey Marketing Practice; vgl. Pietralla; Bachem, (Budgets), in: ASW, Sonderausgabe Marken 2002, S. 74)

Abschmelzverluste

–1% –30% –16% –16% –11%

Abbildung 7.11: Beispielhafter Branding Funnel.

U. a. sind folgende Markenträgerstrategien etabliert: – Herstellermarkenstrategien vermarkten Konsumprodukte bekannter Nahrungs- und Genussmittelhersteller (z. B. Jacobs-Suchard: Milka Lila Pause; Becks: Becks Bier; Ferrero: Raffaello), Arzneimittel- und Reinigungsmittelhersteller, Gebrauchsgüterhersteller (Kärcher-Reinigungsgeräte, Bosch und Siemens Hausgeräte,) oder Industriegüterhersteller (Linde-Klimatechnik, KUKA-Roboter, ThyssenKrupp mit Nirosta-Edelstahl). – Handelsmarkenstrategien sind Strategien von Handelskonzernen, sich gegenüber Herstellermarken mit Eigenmarken (Private Labels) zu profilieren. So führen ALDI, Lidl oder Penny eigene Discountmarken. Rewe forciert die Eigenmarke Ja  & Rewe Selection, Edeka gut&günstig. Rewe verfolgt die Zielsetzung eines Eigenmarkenanteils von 30 Prozent. ALDI macht zwei Drittel des Umsatzes mit eigenen Marken. Produziert werden Handelsmarken von Markenartikelherstellern, die den Handel mit Sonderprodukten beliefern oder von Produzenten, die sich auf Handelsmarkenproduktion spezialisiert haben oder denen es nicht gelingt, eigene Marken aufzubauen. – Gattungsmarken sind Handelsmarken für günstigste Segmente, auch bekannt als No Names, generische Marken oder weiße Ware (Bsp.: „Ja“ von Rewe). Manchmal erfüllen sie nur qualitative Mindestvoraussetzungen. – Herkunftsmarken beziehen den Markenbegriff auf die Herkunft, Bsp.: Parma Schinken oder Hamburger Speck. – Dienstleistungsmarke: auch Dienstleistungen können sich als Marke etablieren. Der hochwertigste Friseursalon der Stadt ist eine Marke, an der sich Kunden orientieren. Im Zuge des zunehmenden Anteils an Dienstleistungen an der Wertschöpfung ist die Etablierung von Dienstleistungsmarken eine Abgrenzungs- und Profilierungsstrategie.

7.2 Markenführung 



 687

Erst­, Zweit­, Drittmarken: Erstmarken sind i. d. R. Stammmarken im Hochpreissegment. Zweitmarken dienen zur Abschöpfung niedrigpreis-orientierter Zielgruppen. Drittmarken werden preisaggressiv geführt, z. B. als Dauerniedrigpreismarken. Man spricht bei dieser Typologie auch von A-/B-/C-Marken.

Der Markenträgerwettbewerb verschärft sich zunehmend (1) durch Eigenmarkenstrategien der durch den Konzentrationsprozess immer mächtiger werdenden Handelskonzerne, (2) durch verändertes Verbraucherverhalten, das durch einen Verlust der Mitte gekennzeichnet wird (Konsumpolarisierung),831 (3) durch Eintritt neuer Wettbewerber, die sich stark über die Marke und das Marketing profilieren (bspw. Markteintritt chinesischer Automobilmarken in den europäischen Markt in den 2020er Jahren). So stehen Markenträgerstrategien heute im Zeichen von zunehmenden Wettbewerb und Marktsättigung. Hinzu tritt die Frage, ob und in welchem Maße eine Konkurrenz zwischen eigenen Marken verhindert oder gar gefördert werden soll.

7.2.2 Modelle der Markenführung Ein grundlegendes Modell der Markenführung mit dem Namen der identitätsbasierten Markenführung geht auf Meffert zurück.832 Es unterscheidet eine interne und eine externe Sicht auf die Marke. Aus interner Betrachtungsweise wird das Selbstbild der Marke formuliert. Aus dem Auftreten der Marke, was aus dem Selbstbild resultiert, formt sich auf der externen Seite das Markenimage. Somit stehen sich Markenidenti­ tät als Selbstbild und Markenimage als Fremdbild gegenüber und Ziel des Markenführer wird eine größtmögliche Deckungsgleichheit sein. Das Selbstbild der Marke resultiert aus Nutzenversprechen und Markenverhalten. Das Nutzenversprechen kann funktionaler (bspw. Beschaffenheit des Produktes) und auch nicht-funktionaler (Emotionen, die das Produkt auslöst) Natur sein. Beide Werte können zusammen auftreten. Luxus-Taschen erfüllen einen objektiven Zweck, wie Sie auch Emotionen

831 vgl.  zur Ausdünnung der mittleren Preissegmente Becker, (Marketing-Konzeption), 2009, S. 359. 832 vgl. Meffert et al., (Marketing), 2019, S. 265.

688 

 7 Kommunikationspolitik

Führungskonzept: Markenidentität MarkenNutzenversprechen

Persönlichkeit –wie kommunizieren wir? Werte –woran glauben wir? Kompetenzen –was können wir?

der e dbild Frem Zielgrupp n e n exter

BrandTouchpoints Marken-Verhalten

Vision –wohin wollen wir?

Marken-Bedürfnisse

Marken-Erlebnis

Funktionale und symbolische Markennutzen

der tbild e Selbs Zielgrupp n e n r inte

Markenwirkungskonzept: Markenimage

Herkunft –woher kommen wir?

Marken-Attribute Leistungen Vision Persönlichkeit Werte Kompetenzen Herkunft

Marken-Bekanntheit

Abbildung 7.12: Modell der identitätsorientierten Markenführung.833

und Gefühle aussenden können. Das Verhalten der Marke beschreibt, wie die Marke bspw. in Werbung und der allgemeinen Öffentlichkeit kommuniziert oder wie das Produkt letztlich für den Kunden funktioniert. Über alle Kontaktpunkte zwischen Marke und Kunde (im Modell Abbildung 7.12 Brand Touchpoints genannt) sucht der Kunden seine Markenbedürfnisse befriedigt. Die Suche orientiert sich am Marken-Nutzenversprechen. Das Markenverhalten resultiert beim Kunden in einem Marken-Erlebnis. So müssen Angebote der Marken (Nutzenversprechen und Verhalten) genau auf die Erwartungen der Kunden (Marken-Bedürfnisse und Marken-Erlebnisse) abgestimmt sein. Die Markenidentität stellt die Merkmale und den Charakter der Marke aus Sicht des Markenführers dar. Das Markenimage entsteht im Kopf der

833 Leicht angepasste Darstellung in Anlehnung an Meffert et al., (Marketing), 2019, S. 266 und Meffert et al., (Marketing), 2015, S. 329 ff.

7.2 Markenführung 

 689

Zielgruppen durch die individuelle Wahrnehmung der von der Marke ausgehenden Merkmale und Erlebnissen. In der Unternehmenspraxis kommen verschiedene weitere Ansätze zum Einsatz. Das Identitätsprisma nach Kapferer (Abbildung  7.13) und das Markensteuerrad nach Esch (Abbildung 7.14) werden ergänzend vorgestellt. Bild des Senders Markenpersönlichkeit

MarkenBeziehung

Typischer MarkenVerwender (Reflektion)

Austausch mit der Kultur

Innenorientierung

Außenorientierung

Erscheinungsbild

Selbst-Image

Bild des Empfängers

Abbildung 7.13: Identitätsprisma nach Kapferer in Anpassung durch Baumgarth.834

Sechs Facetten definieren die Markenidentität im Ansatz von Kapferer. Das Erscheinungsbild stellt die Beschaffenheit der Marke in allen objektiv zu beschreibenden Elementen dar (Haptik, Farbe, Duft, etc.). Die Markenpersönlichkeit definiert und beschreibt Merkmale, die mit der Marke assoziiert sind. Hier sind vor allem die Werte verankert, die die Marke auszeichnen. Die Markenbeziehung (im Originalmodell „Bezug zum Verbraucher“835) und der Austausch mit der Kultur (im Original „Kultur“) stellen dar, wie sich die Marke im Umfeld verhält und auch durch das Umfeld geprägt wird. Sie schafft Möglichkeiten zum Austausch mit Kunden (bspw. durch Flagshipstores oder Communities) und ist dabei aber auch in einen größeren kulturellen Kontext eingebettet. Die Betrachtung der typischen Markenverwender beschreibt spontane Assoziationen, die mit der Marke einhergehen, das Selbstimage (im Original „Vision“) ergibt sich aus den Wunschvorstellungen der Marken834 Quelle: Baumgarth (2014), S. 224. 835 vgl. Ringle (Markenführung), 2004, S. 56.

690 

 7 Kommunikationspolitik

verwender. Dieses Element ist ein starker Indikator für Wünsche der Kunden an die Marken. Die Marken- und Werbeagentur „icon“ (heute Kantar Added Value) hat sich durch ein achtstufiges Verfahren zur Markenwertanalyse und zur Markenstrategie einen Namen gemacht. Als Darstellungstools werden das Markensteuerrad und der Markeneisberg verwendet. Esch hat das Modell aus der Praxis aufgegriffen und umfassend erweitert. Heute ist das Markensteuerrad ein weit akzeptiertes und verwendetes Modell zur Markenführung.

P Be ersö zie n hu lich n Er gsm keits leb e nis rkm und se a le, MarkenKompetenz Wer bin ich?

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Abbildung 7.14: Modifiziertes Markensteuerrad nach Esch.836

Das Markensteuerrad bezieht mit seinen beiden Seiten verhaltenswissenschaftliche und neurowissenschaftliche Erkenntnisse der Forschung ein. Auf der linken Seite sind die Hard Facts repräsentiert, die rechte Seite beschreibt die Soft Facts.837 Der untere linke Quadrant erfasst rationale und sachliche Attribute der Marke. Die Eigenschaften können dabei Besonderheiten des Produkts 836 Quelle: Esch, Rühl (Markenidentität), 2016, S. 217. 837 vgl. Esch, Rühl (Markenidentität), 2016, S. 217 f.

7.2 Markenführung 

 691

darstellen oder sich aus dem dahinterstehenden Unternehmen ableiten lassen. Der obere linke Teil des Modells greift auf, dass Kunden eher Nutzen denn konkrete Eigenschaften bei einer Produktwahl ansetzen. Es ist eine zentrale Besonderheit des Modells, dass es den Reason  & Benefit Why (frühere Betitelung der Elemente) als entscheidungsrelevant definiert. Esch und Rühl weisen darauf hin, dass die rationale linke Seite des Modells vielfach leicht durch Unternehmensvertreter zu füllen ist. Produkteigenschaften und sachliche Nutzenargumente sind oft einfacher zu identifizieren und beschreiben, als es emotionale Aspekte sind.838 Die rechte Seite des Modells widmet sich den Soft Facts der Marke. Oben wird die Markentonalität eingeordnet. Darunter ist die Markenpersönlichkeit zu verstehen, die durch Weckung von Emotionen entstehen kann. Wie die Marke im Markt und mit Kunden interagiert, definiert, was Kunden mit der Marke erleben und welche Tonalität sie der Marke zuschreiben. Der untere rechte Quadrant beschreibt schlussendlich das Markenbild. Mit welchen zentralen Gestaltungselementen tritt die Marke auf. Welche spezifischen Ereignisse und ggf. sogar haptische Erlebnisse kann die Marke den Kunden bereiten? Das letzte Element ist die Markenkompetenz, die sich zentral in der Mitte befindet. Hier finden sich Geschichte und Herkunft, spezielle Markenbesonderheiten und weitere Markenassets wieder. Die Forderung zur Umsetzung dieses Bereichs lautet: „Die Markenkompetenz sollte dabei in ein oder zwei Sätzen erfassbar sein.“839 Sie zeigt, dass es hier um wirklich abgrenzungsstarke Unterscheidungen geht, die Alleinstellungen ausmachen können.

7.2.3 Markenwert „Markenimage ist taktischer Natur – ein Element, mit dem kurzfristige Ergebnisse zu erzielen sind und das gut und gerne den Fachleuten für Werbung und Promotion überlassen werden kann. Der Markenwert dagegen ist strategischer Natur – ein Vermögenswert, der Grundlage für Wettbewerbsvorteile und langfristige Rentabilität sein kann und daher von den Spitzenkräften eines Unternehmens gesteuert oder genau überwacht werden sollte. Das Ziel der Markenführerschaft besteht im Aufbau von Markenwerten und nicht in der einfachen Verwaltung des Markenimages.“840

838 vgl. Esch, Rühl (Markenidentität), 2016, S. 218. 839 Esch, Rühl (Markenidentität), 2016, S. 219. 840 Aaker; Joachimsthaler, (Top-Strategien), in: ASW, 6/2000, S. 30.

692 

Die DIN ISO 10668 Markenbewertung – Anforderungen an die monetäre Markenbewertung ist ein praktischer Ratgeber für die korrekte Berechnung von Markenwerten.

Die wertvollste Automarke der Welt 2022: Tesla mit 75,9 Mrd. USD (auf Platz 23 des BrandZ Rankings von Kantar).

 7 Kommunikationspolitik

Der Begriff Markenwert als Brand Value ist Ausdruck des Versuchs, das psychologische Konstrukt Marke in einen ökonomischen Wert zu überführen. Dieser besitzt eine besondere Bedeutung beim Verkauf von Unternehmen oder Marken. Es gibt zahlreiche Verfahren zur Markenwertmessung, die z. T. zu stark divergierenden Werten führen. Der Begriff Markenwert als Brand Equity bewertet das Vorstellungsbild, dass Interessenten und Kunden von einer Marke haben. Der Brand Value schätzt den gesammelten monetären Wert einer Marke. Diese Unterscheidung ist bedeutend, da sie die Betrachtung und Steuerung von Marken behandelt: der jetzige Ist-Wert (Brand Value) und der über Jahre aufgebaute Wert in den Köpfen der Verbraucher (Brand Equity). Nach differenzierterer Sichtweise gibt es eine Markenstärke, die sich „in den Köpfen der Konsumenten widerspiegelt“841 und die durch markenbindende Kaufentscheidungen zu ökonomischen Wertbeträgen führt. Drei Ansätze der Markenwertmessung versuchen, dieses schwer messbare Konstrukt zu operationalisieren: – Die konsumentenbezogene (marktbezogene) Bewertung von Marken entwickelt einen Markenwert anhand der Erfolgsfaktoren Kundenzufriedenheit, Wiederkaufabsicht, Referenznennung, Einstellung zur Marke. – Die herstellerbezogene (finanzwirtschaftliche) Markenbewertung misst die auf die Markenkraft zurückzuführenden Cash-Flows und Marktanteile. – Analogieverfahren orientieren sich an Markenverkäufen oder nehmen Rückschlüsse aus realisierten Markenlizenzen vor. Gerpott und Thomas haben eine Übersicht unterschiedlicher Verfahren erstellt. Dabei differenzieren Sie in finanzorientierte, kundenpsycho­ logische und hybride Verfahren. Finanzorientierte Verfahren rücken eine in Geldeinheiten zu bewertenden Größenordnung in den Mittelpunkt. Die kundenpsychologischen Verfahren versuchen, Wahrnehmungs- und Erlebniselemente zu erfassen, um so einen Markenwert zu ermitteln. Hybride Verfahren versuchen sich an einer Kombination der Sichtweisen, um als Ergebnis auch eine monetäre Bewertung von Wahrnehmung durchführen zu können. Abbildung 7.15 listet eine Vielzahl unterschiedlicher Modelle und Vorgehensweisen auf. Vermerkt sind jeweils die ursprünglichen Etablierungsdaten, einzelne Modelle haben in der Praxis eine schrittweise Erweiterung und Anpassung erfahren. Die Grundstruktur der Bewertungsansätze ist in den meisten Fällen jedoch unverändert geblieben. 841 Esch et al., (Markenführung), 2005, S. 11.

7.2 Markenführung 

 693

Verfahren der Markenbewertung Finanzorientierte Verfahren – Kostenorientierte Verfahren, z.B. -Stobert (1989) -Birkin (1993)

– Kapital- / Ertragswertorientierte Verfahren, z.B. –Markenwertformel von Kern (1992) –Marktwertmodell von Herp (1982)

– Preisorientierte Verfahren, z.B.

–TESI Preismodell von Erichson (1988) –Preismodell von Blackston (1990) –Hedonisches Preismodell von Sander (1994)

– Kapitalmarktorientierte Verfahren, z.B. Börsenwertformel von Simon/Sullivan (1991)

Kundenpsychologische Verfahren – Dimensionen des Markenwerts von Aaker (1991) – Markenbildklarheitsund Attraktivitätsindex (MAX) von Andresen (1991) – Brand EquityModellrahmen von Srivastava/Shocker (1991) – Markenwissen von Keller (1993) – Brand Asset Valuator von Young&Rubicam (1993 – Markeneisberg-Modell von icon (1997) – Genetischer Code von IFM (1999) – Brand Potential Index der GfK (2001)

Hybride Verfahren – MarkengewinnMarkenstärke-Ansatz von Interbrand (1989) – Markenbilanz von Nielsen (1989) – Brand Performance von Nielsen (1993) – Objektivierte marktorientierte Markenbewertung von Bekmeier-Feuerhahn (1998) – Brand Broker Verfahren von Semion (2000) – B.E.E.S. Verfahren von BBDO (2001) – Brand Scorecard –Linxweiler (2001) –BBDO (2003)

Abbildung 7.15: Verfahren der Markenbewertung nach Gerpott und Thomas.842

Die Unterteilung der finanzorientierten Verfahren bietet eine interessante Differenzierung an. Kostenorientierte Verfahren gehen von dem Ansatz aus, dass Investitionen in die Marke den Markenwert gestalten. Dieser nachvollziehbare Ansatz führt zu der Herausforderung, dass bspw. das Umfeld der Marke (bspw. viel oder wenig Konkurrenz) den Markenwert beeinflusst, da in unterschiedlicher Höhe investiert werden muss. Auch lässt der vergangenheitsorientierte Ansatz keinen Rückschluss auf zukünftige Erfolgspotentiale der Marke. Kapital- oder ertragswertorientierte Ansätze schließen diese Zukunftslücke durch den klassischen Ansatz der Investitionsrechnung. Zukünftige Ertragsströme durch bspw. markenseitig möglich gewordene Preissteigerungen fließen genauso ein wie auch zukünftige Aufwendungen, die in die Marke getätigt werden müssen. Die preisorientierten Verfahren sehen in der Marke ein Element, was bei der Preisfindung von Produkten und Dienst842 Vgl. Gerpott, Thomas, (Markenbewertung), 2004, S. 396.

)

694 

 7 Kommunikationspolitik

leistungen maßgebliche Aufpreise ermöglicht. Der Markenwert ergibt sich bei diesen Betrachtungen aus dem Preisabstand, den die Marke im Vergleich zu unmarkierten Produkten erzielen kann. Kapitalmarktorientierte Ansätze betrachten den Börsenwert (oder die Unternehmensbewertungen) der Markenführer und ziehen davon den Wert der materiellen Güter ab.843 Drees hat in einer Studie 190 Markenartikelexperten befragt, wie sie die Qualität der Markenbewertungsverfahren führender Marktforschungsinstitute und Beratungsunternehmen einschätzen und wie bekannt ihnen diese Verfahren sind. Abbildung  7.16 zeigt die Rangfolge.844 Nur vier Verfahren erzielten neben der keinem Institut zuzuordnenden generischen Markenkernanalyse einen Bekanntheitsgrad von mehr als 30 Prozent: das Markensteuerrad/Eisbergmodell von icon (und neu: Esch), die Marken&Monopole-Methode von Konzept&Analyse, die Markenbilanz von Nielsen und der BrandCharacter von Grey. Verwendet haben allerdings nur 15% das Modell von icon, 8% den BrandCharacter, 4% die Marken&Monopole und niemand die Markenbilanz. Viel Analyseaufwand der Institute und wenig Akzeptanz auf Seiten der Markenindustrie. Nach Qualitätseinschätzungen der Praxis hat sich offenbar die konsequente Marketingarbeit von icon ausgezahlt. Das Markensteuerrad wird hier zusammen mit der Erweiterung des Eisbergs diskutiert - eine anwendungsorientierte Vertiefung der Betrachtung. Das ursprünglich auch von icon entwickelte Verfahren versucht über Kundenbefragungen einen Markenwert zu bestimmen. Die zwei Konstrukte Markenbild/ -präsenz und Markenguthaben sollen über verschiedene Subkonstrukte eine Aussage über das Markenprofil treffen.845 Die Analogie zum Eisberg bringt zum Ausdruck, dass eine Marke aus sichtbaren Elementen (Markenbild oder -präsenz) sowie unsichtbaren Elementen (Markenguthaben) besteht. Somit stehen echte Kontaktpunkte mit der Marke in einem engen Zusammenhang mit den nach und nach abgespeicherten Erlebnissen. Ein Markenguthaben ist eine Konsequenz aus vielen Kontakten zur und mit der Marke. Durch Kontakte zur Marke entstehen Assoziationen und Bilder zur Marke, die bestenfalls die von der Marke ausgesendete Identität stützen und auch weitere positive Verknüpfungen ermöglichen und fördern. Thorsten Esch hat das Eisbergmodell behutsam weiterentwickelt und aktuelle Treiber des Markenwirkung neu integriert. Abbildung 7.17 stellt die Grundannahmen grafisch dar. 843 vgl. Gerpott, Thomas, (Markenbewertung), 2004, S. 397 f. 844 vgl. Drees, (Markenbewertung), in: ASW, 10/1999, S. 96–97 sowie ausführlich Heft 6 der Erfurter Hefte zum angewandten Marketing, Erfurt 1999. 845 vgl. Gerpott, Thomas (Markenbewertung), 2004, S. 398.

 695

7.2 Markenführung 

Bekanntheit der Markenwertmodelle 50

Markenkern-Analyse (generisch) 40

Eisbergmodell (ICON)

40

Marken&Monopole (Konzept&Analyse) Markenbilanz (Nielsen)

33

Brand Character (Grey)

32

Brand Status (ICON)

26 23

Marken-Potenzial-Ausschöpfung (Grey) Brand Potential Analysis (BBDO)

18

Brand Asset Valuator (Y & R)

17

Markensimulator

17 50

40

30

20

10

0

Einschätzung der Qualität Markenkern-Analyse (generisch)

50

41

Eisbergmodell (ICON) 31

Marken&Monopole (Konzept&Analyse) Markenbilanz (Nielsen)

26

Brand Character (Grey)

28

Brand Status (ICON)

42

Marken-Potenzial-Ausschöpfung (Grey)

25

Brand Potential Analysis (BBDO)

25

Brand Asset Valuator (Y & R)

12

Markensimulator

12 0

10

20

30

40

Abbildung 7.16: Bekanntheit und Qualität von Verfahren zur Markenbewertung.

Drei Metadimensionen beschreiben den aktuellen Markeneisberg. „Sichtbarkeit: Eine Marke, an die man spontan denkt, die über ein klares Markenbild verfügt und der man häufig begegnet. Die Sichtbarkeit ist der kurzfristige Markenerfolgsindikator. Magnetismus: Eine unique Marke mit einem attraktiven Markenbild, die im Kommen ist und Interesse weckt. Der Magnetismus ist zentraler Treiber für Wachstum… Emotionale Bindung: Eine Marke, zu der man eine vertraute Beziehung

50

696 

 7 Kommunikationspolitik

MARKENPRÄSENZ

Fundament für Loyalität und Stabilität

MARKENGUTHABEN

Emotionale Bindung

Treiber für Wachstum

Magnetismus

Kurzfristiger Markenerfolgsindikator

Sichtbarkeit

Abbildung 7.17: weiterentwickelter Markeneisberg nach Esch.846

aufgebaut hat. Die emotionale Bindung ist das Fundament für Loyalität und Stabilität.“847 In Ergänzung zu den drei Metaebenen unterteilt der Markeneisberg den Faktor Magnetismus noch einmal dezidiert. Er betrachtet die Eigenständigkeit und Erinnerungswürdigkeit des Markenauftritts („Uniqueness), beachtet die Entwicklungsmöglichkeiten der Marke („Momentum“) und führt eine Bewertung der „Attraktivität“ der Marke durch. Diese Items werden in der Detailbetrachtung jetzt in Tabelle 7.5 operationalisiert: Tabelle 7.5: Operationalisierung des weiterentwickelten Markeneisbergs.848 MARKENPRÄSENZ Sichtbarkeit

Ungestützte Bekanntheit (Salience) Klarheit des inneren Bildes Kontakthäufigkeit mit der Marke

Uniqueness

Präsentiert sich einprägsam Unterscheidet sich von anderen Marken

846 Quelle: Esch (Markeneisberg), 2019, S. 1461. 847 Esch (Markeneisberg), 2019, S. 1461. 848 Vgl. Esch (Markeneisberg), 2019, S. 1463

7.2 Markenführung 

 697

Tabelle 7.5 (fortgesetzt) MARKENPRÄSENZ Momentum

Ist im Kommen Gewinnt in Zukunft an Bedeutung Entwickelt sich weiter, bleibt nicht stehen

Attraktivität

Attraktivität des inneren Bildes Weckt immer wieder Interesse

MARKENGUTHABEN Emotionale Bindung

Sympathie Vertrauen Commitment

In der Umsetzung werden die verschiedenen operationalisierten Items jetzt empirisch in den Zielgruppen abgeprüft. Als Referenzwert werden Branchenstandards verwendet. Dadurch können die Marken ihre individuellen Stärken und Schwächen identifizieren und gezielt steuern und investieren. Das dargestellte Beispiel (Abbildung 7.18) ist ein anonymisiertes Untersuchungsergebnis eines Haushaltgroßgeräteherstellers.849 Die spezielle Marke ist gerade im Aufstieg begriffen (Momentum + 13 Indexpunkte im Vergleich zum Branchendurchschnitt) und liegt auch bei Einzigartigkeit (Uniqueness) sowie Attraktivität leicht über dem Branchendurchschnitt. Die Sichtbarkeit auf dem Markt und auch die ungestützte Markenbekanntheit (=kennen Kunden die Marke, ohne eine Liste an Markenvorschlägen zu erhalten) hat ein großes Defizit (–11 Indexpunkte). Genau deshalb sollte in diesen Bereich investiert werden. Das Markenguthaben liegt nur leicht unter dem Branchenschnitt, was auf eine gewisse Etablierung im Markt durch bspw. andere Produktbereiche schließen lässt. Das Modell des Markeneisbergs wird von der Marketing- und Unternehmensberatung Kantar Added Value seit vielen Jahren eingesetzt. Über 7.500 Marken aus über 60 Ländern wurden in den letzten Jahren mit diesem Modell bewertet. Neben der praktischen Anwendung hat sich der Markeneisberg auch in der akademischen Diskussion einen festen Platz erarbeitet. Verschiedene Metaanalysen tragen umfassende Anwendungsmöglichkeiten zusammen.850 Zentrale Bedeutung für den kurzfristigen Erfolg von Marken wird heute insbesondere dem Faktor Salience (ungestützte Bekanntheit)

849 Vgl. Esch (Markeneisberg), 2019, S. 1462). 850 vgl. Esch (Markeneisberg), 2019, S. 1465 f.

698 

–11

MARKENPRÄSENZ

+13

Momentum

+3

Attraktivität

Emotionale Bindung

–3

Emotionale Bindung

MARKENGUTHABEN

Magnetismus

+3

Uniqueness

Sichtbarkeit

Sichtbarkeit

 7 Kommunikationspolitik

Abbildung 7.18: Beispielhafte Anwendung des Eisbergmodells bei einer Marke für Haushaltsgroßgeräte.851

zugeschrieben. Die sog. mentale Verfügbarkeit der Marke ist ein notwendiger Faktor, damit Kunden überhaupt in ihren Kaufentscheidungen zur Marke tendieren können. So ist die Platzierung der Marke als topof-mind beim Konsumenten (Kunde hat die Marke als einer der drei in Frage kommenden Marken im Kopf) eine vordringliche Aufgabe moderner Markenführung.

7.2.4 Operative Markenführung „Markenführung ist Krieg. Es gibt heute zu viele Marken, die auf meist stagnierenden Märkten ums Überleben kämpfen. Markenführung ist Krieg um Kunden, um Marktanteile, um Umsätze, um Gewinn. Krieg um den vielzitierten Shareholder Value und folglich auch Krieg um die Zukunft von Unternehmen, die diese Marken besitzen.“852 Ca. 150 Mio. US-$ kostet der Aufbau einer globalen Marke im 1. Jahr. Nach 2 bis 3 Jahren sollte der Break-even-Punkt einer Markeninvestition erreicht sein.853 851 Quelle: Esch (Markeneisberg), 2019, S. 1462. 852 Brandtner, (Krieg), in: MM, 6/1999, S. 186. 853 vgl. o. V., (Marke), in: MM, 1/2001, S. 72.

7.2 Markenführung 

 699

Bei der Markenaufbaustrategie wird aus Sicht der Käufer eine vollständig neue Marke entwickelt. Möglich ist, dass bereits ein Produkt existiert, das jedoch bislang nicht im Sinne einer Marke kommuniziert wurde (z. B. fehlendes Leistungsversprechen, fehlende Wettbewerbsdifferenzierung). Die Markenführung hat für Sicherung und den Aufbau des Markenprogramms über den Lebenszyklus zu sorgen. Hauptziel der Markenführung ist die Steigerung des (der) Markenwerte(s) (Brand Equity). Der Markenaufbau fordert eine Integration aller Produktbotschaften. Das beinhaltet auch Signale (Botschaften), die von den anderen Marketinginstrumenten ausgehen. Eine erfolgreiche Markenführung erfordert die integrierte Kommunikation über alle Medienkanäle. Wie kann auf dem Fundament eines soliden Produktes eine neue Marke geschaffen oder ein erfolgreiches Produkt zur Marke weiterentwickelt werden? Zunächst muss sich die Marke einer Ist-Analyse von Markenbekanntheit, Markenstärke und Markenwert unterziehen. Nach Aaker messen folgende Fragen die aktuelle Bekanntheit einer Marke854: – Wie hoch ist der Bekanntheitsgrad der Marke (Share of Mind), und wo soll sie hin entwickelt werden? Die höchste Stufe der Markenbekanntheitspyramide bezeichnet Aaker als Exclusive Top of Mind (siehe Abbildung 7.19 Markenkanntheitspyramide nach Aaker). – Wie positiv und wie stark wird die Marke von den Käufern und den Nicht-Käufern beurteilt? – In welchem Maße wirkt die Marke wettbewerbsdifferenzierend? – Werden die mit der Marke verbundenen Assoziationen vom Zeitgeist beeinflusst? Zeichnen sich im Zeitablauf für die Markenidentität und die Markenbotschaften Gefahren ab? – Welche Markenverbundwirkungen sind von der Unternehmung zu beachten? Abbildung 7.19 zeigt die unterschiedlichen Markenausprägungen nach Aaker auf. Zum Thema Markenpositionierung kann auf Ausführungen zu Produkt- und Imagepositionierung Bezug genommen werden. Ein Kernproblem der Positionierung: Die Käuferschichten polarisieren sich. Entweder man kauft Luxus, ohne auf den Preis zu schauen oder „die Discounter-Tüte wird zum Bekenntnis“. Der Verbraucher erwartet gute Qualität zum Schnäppchenpreis. Abbildung 7.20 deutet diesen dramatischen Prozess der Erosion der klassischen Markenartikel in einem Span-

854 vgl. Aaker, (Markenwert), 1992, S. 84.

Bekannte Erlebnisinhalte von Marken: Beck’s Bier: Segeln und Abenteuer, BMW: Freude am Fahren, Diesel Jeans: Bewunderung erleben, Milka: zarte Versuchung, Volks- und Raiffeisenbanken: wir machen den Weg frei.

700 

 7 Kommunikationspolitik

nungsfeld zwischen Qualitätsanspruch und Niedrigpreispolitik an (mittlere Segmente: 1973: noch 49%, 2020 geschätzt: 20–30%). Dominierende Markenbekanntheit / Exklusive Erinnerung Intensive Markenbekanntheit / Top -of - Mind Aktive Markenbekanntheit / Erinnerung an die Marke Passive Markenbekanntheit / Wiedererkennung gestützt Marke ist unbekannt Abbildung 7.19: Markenkanntheitspyramide nach Aaker.855

hoch

Luxus Herstellermarken Premium Herstellermarken

niedrig

Qualitätsniveau

Premium Handelsmarken Klassische Herstellermarken Cheap Chic Trendmarken Eigenmarken des Handels Gattungsmarken / No-Names

niedrig

Preisniveau

hoch

Abbildung 7.20: Markentypen im Preis-/Qualitätsspektrum.

Im nächsten Schritt sind für den Markenaufbau einsetzbaren Instrumente zu identifizieren. Die wichtigsten sind in Abbildung  7.21 zusammengestellt. Die Abbildung bietet einen Baukasten der operativen Instrumente, 855 vgl. Aaker, (Markenwert), 1992, S. 84

7.2 Markenführung 

 701

mit denen sich Marken aufbauen und sichern lassen. Ein Markenaufbau ist nicht alleinige Angelegenheit der Instrumente der Kommunikationspolitik. Stil der Werbung und Kommunikation

Grad der Exklusivität

Design und Verpackung

Produkteigenschaften

Preispositionierung

Markengeschichte

Qualitätsniveau

Markenname

Markensymbole, Logo

Abbildung 7.21: Operative Instrumente für den Markenaufbau.

Konditionenpolitik Vertriebspolitik Kommunikationspolitik

Produkte suchen Kunden

Vision, Kontinuität, Kommunikation von Versprechen in den Markt, die gehalten werden, Abstimmung aller Instrumente

Leistungsprogrammpolitik

Sind wir eine Marke?

Nach Abbildung  7.22 ist eine Abstimmung aller Marketinginstrumente erforderlich.856 Alle Marktaktivitäten haben sich in den Dienst der Marke zu stellen. Inkonsistenzen im Marketing-Mix gefährden den Markenaufbau. Die etablierten Markenberatungsunternehmen haben Konzeptionen entwickelt, um die Markenbildungsinstrumente integriert zu planen und bieten diese im Rahmen ihrer Marketingberatungen an. Es gibt wohl kein Unternehmen, das den Aufbau einer Marke nicht in die Hände erfahrener Berater legt. – Produkte und Dienstleistungen mit – Berechenbare Preispolitik und positive Preis-/Wertrelation – Produktverfügbarkeit in markenimageentsprechenden Vertriebskanälen – Konstante Kommunikation von emotionaler Aufladung, Markenleitbild und Faszination

Kunden suchen Marken

Abbildung 7.22: Beiträge der Marketing Mix-Instrumente zum Markenaufbau.

856 Ergebnis einer Projektarbeit im Marketing- und Vertriebsschwerpunkt im SS 2001 an der HAW Landshut.

t

702 

 7 Kommunikationspolitik

Abbildung 7.23 zeigt einen vierteiligen Beratungsansatz zum Markenaufbau von BBDO Consulting.857 Aus der Sicht der Marketingabteilung werden nun die einzelnen Arbeitsschritte noch einmal zusammengefasst. Unter Berücksichtigung der in Abbildung 7.21 aufgezählten markenrelevanten Faktoren ergibt sich ein Markenaufbaukonzept:858 – Festlegen der angestrebten Markenpersönlichkeit, in der charakteristische Merkmale der Marke enthalten sind. Man spricht auch vom Markenkern. – Durchführen einer Markenpositionierung nach den für Kunden relevanten Nutzenraum-Kriterien. Dabei ist der richtige Weg zwischen aktiver (Marktbeeinflussung) und passiver (Marktanpassung) Positionierung zu finden. Um die bei der Positionierung gewünschte Wettbewerbsdifferenzierung zu erreichen, sind Marken der Konkurrenz zu analysieren. – Definition des zentralen Markenanspruchs: Wofür steht die Marke? (Claim) – Ableitung eines nachhaltigen Markennamens nebst Logo. – Kreieren eines markierungsentsprechenden und Markenanspruch-entsprechenden Produkt- und Verpackungsdesign. – Wirkungsvolle Gestaltung der markenprägenden Bilder für die Werbung. – Planung eines emotionalen Konzeptes zur Markenkommunikation: Wie sollen die Markenbotschaften in die Köpfe der Käufer gebracht werden? Marken müssen Geschichten erzählen können (StoryTelling)! – Bestimmung eines Verfahrens zur Messung des Markenwertes. Von zentraler Bedeutung für die Marketingabteilung ist das Branding­ Dreieck mit den Instrumenten Markierung, Logo und Produktdesign. Die Etablierung (Einführung) einer Marke im Markt erfolgt im Rahmen von crossmedialen Kampagnen. „Normale“ Werbung schafft allerdings keine Markenwerte. Für Markenaufbau sollte Werbung besonders nachhaltige Markenbotschaften enthalten, sog. Marken­Codes:859

857 Vortragsunterlage von B. Sander, 1. Deutscher Kundenwerttag, Mai 2003. 858 vgl. Langner, Esch, (Branding), in: ASW, 7/2003, S. 48–51; Homburg; Krohmer, (Marketingmanagement), 2012, S. 613 ff. 859 vgl. Buchholz; Wördemann (Wachstums-Code); zit. in: Hassmann, (Versprechen), in: salesBusiness, 4/2001, S. 52.

MARKENFÜHRUNG IN B2B NACH BBDO-CONSULT

7.2 Markenführung 

BRAND-ANALYSIS Identifikation von High-Potential-Kunden Segmentierung und Zielgruppenportfolio Ist-Anaylse der Markenstärke Zerlegung der Markenperformance entlang des Kundenentwicklungspfades Identifikation von Stärken, Schwächen und Optimierungshebeln Erhebung der Präferenztreiber

HOLISTISCHE IMPLEMENTIERUNG Leadership: Führung des Wandels Commitment: Interner Wandel Impact: Externer Wandel Navigation: Steuerung des Wandels

 703

MARKENPOSITIONIERUNG Benefit: Das zentrale Nutzenversprechen Fokus: Zentrales Kernelement des Benefit? Reason to Believe: funktionale und emotionale Markenattribute Brand Character: Markenattribute, die die Markenpersönlichkeit charakterisieren

BRAND-CONTROLLING Brand Screen Tracking Strategischer Dialog Zentrale Budgetallokation Brand Screen Tracking Wettbewerber zienz Controlling Key Learnings / Best Practices

Abbildung 7.23: Markenführungsmodell B2B nach BBDO Consult.











Nutzen und Vorteile: Bei erfolgreicher Markenführung sind Produktvorteile stereotyp, aber nicht eintönig an die Zielgruppen zu kommunizieren. Normen und Werte: Appelle an Stolz und Ehre, an Familiensinn und Innovationsfreude, an Eitelkeit und Umweltbewusstsein, motivieren Käufer zur Entscheidung für die Marke. Wahrnehmung und Programmierung: Bei Schnupfen greift man zu Tempo; der Familie serviert man am Weihnachtsfest Jacobs Krönung. Diese Beispiele zeigen etablierte Verknüpfungen. Identität und Selbstdarstellung: „Sage mir, welche Marke Du kaufst, und ich sage Dir, zu welcher Gesellschaftsschicht Du gehörst.“ Markenkäufer übertragen ihre persönlichen Eigenschaften auf die Marke. Emotion und Liebe: Es gilt, Emotionen von Verbrauchern zu wecken und Sehnsüchte zu beleben. BMW – Freude am Fahren.

Für die Marke Becks bilden Schlüsselbildstrategie, d. h. der Fokus auf Musik und das grüne Segel, Musik-Events und Musik-Sponsoring, entscheidende Elemente für den Markenerfolg.860 Während der Aufbau der Marke Becks im Sinne des klassischen Marketing auf erheblichem Werbedruck beruht, ging Howard Schultz mit der Kaffee-Shop-Reihe Starbucks einen anderen Weg.861 Er setzte auf Public Relations, Meinungsführer-Marketing und Mund-zu-Mund-Propaganda. „Marketingexperten 860 Beispiel eines vorbildlichen Markenaufbaus vgl. Andresen; Meermann, (Musik), in: ASW, 9/1998, S. 50–57. 861 vgl. Hirn, (Rastlos), in: MM, 5/2001, S. 130–138.

704 

 7 Kommunikationspolitik

schüttelten ratlos die Köpfe. So etwas gab es noch nie im Land der Werbegläubigen. Aufbau einer Marke ohne teure Kampagnen.“862 Kaffee wird zum Kultprodukt stilisiert; Kaffee-Shops zu Oasen der Ruhe. Markenversprechen, die Verbraucher in einer hektischen Zeit verinnerlichen, ohne dass es ausgefallener Werbeslogans bedarf. Eine überragenden Markenaufbau verzeichnen auch Red Bull und die Ergo-Versicherung. Zalando hat den Schrei als Glücksemotion fest bei Kunden verankert. Diese Marken haben es geschafft, innerhalb kurzer Zeit fest im Bewusstsein der Verbraucher verankert zu sein. Auch der Mittelstand kann Mut zur Markenpolitik haben. Laut Joachimsthaler haben gerade kleinere und mittlere Unternehmen wegen ihrer regionalen Konzentration und der starken Kundenbindung gute Chancen, sich rasch und kostengünstig Marken aufzubauen.863 Abbildung 7.24 gibt hierzu Empfehlungen. EINE PRÜFLISTE FÜR DEN AUFBAU VON MITTELSTANDSMARKEN

① ② ③ ④ ⑤ ⑥



Die Marke baut Relevanz im Konsumentenalltag auf. Deshalb gilt es vor allem, den Verwendungsprozess zu verstehen. Die Marke muss über eine starke, klare und dauerhafte Identität verfügen, die zentral von der Unternehmensleitung gesteuert wird. Markenkern und Markenversprechen müssen klar sein. Die Marke wird nicht durch die kreative Idee einer Agentur geprägt, sondern durch eine klare Ableitung der Markenstrategie aus der Unternehmensstrategie. t durch neue Sichtweisen des Die Marke darf keiner Me-too-Positionierung unterliegen. Sie Marktes zukünftige Wachstumspotenziale. Die Marke darf nicht nur als Produkt gesehen werden, sondern als integriertes Geschäftsmodell - vom Vertriebskonzept bis zur Gestaltung von Kundenbindungsmaßnahmen. Die Marke hat ihre Kundenbeziehungen vor allem über nicht-klassische Markenbildungsprogramme (z.B. Events) aufgebaut, steht dadurch in lebendiger Interaktion mit den Anspruchsgruppen und besitzt eine hohe Individualität. Die Stärke und Rolle der Marke wird auch anhand neuer, individueller Methoden untersucht; wie Beobachtung, Video Sampling, Life Szenarien Analysen oder Markencollagen. Marken sollten leicht (unmittelbar) mitden Assoziationen verknüpft sein.

(vgl. Joachimsthaler, (kleiner), in: ASW, 8/2002, S. 12)

Abbildung 7.24: Prüfliste für den Aufbau von Mittelstandsmarken.

7.2.5 Markenarchitekturen und Markenstrukturen Bei einer Einzelmarkenstrategie (Mono-Marken-Strategie) wird in jedem relevanten Markt nur eine Marke vermarktet. Bei einer Mehrmarkenstrategie werden die Marktsegmente jeweils durch mindestens zwei Marken besetzt. Die Marken bleiben eigenständige Markenpersönlichkeiten. Ziel

862 Hirn, (Rastlos), in: MM, 5/2001, S. 132. 863 vgl. Joachimsthaler, (kleiner), in: ASW, 8/2002, S. 12–13.

7.2 Markenführung 

 705

ist eine intensivere Abschöpfung der Käuferschichten. Eine Familien­ markenstrategie (Produktgruppen- oder Range-Marketing-Markenstrategie) fasst mehrere Produkte unter einer Marke zusammen. Von einem Unternehmen können mehrere Markenfamilien parallel geführt werden. Oft verraten die Marken keinen Bezug zum Unternehmen (Bsp.: Nivea Produktfamilie von Beiersdorf, Vileda-Produkte von Freudenberg). Eine Dachmarkenstrategie (Company-Markenstrategie) vermarktet sämtliche Produkte eines Unternehmens unter einer Marke. I. d. R. sind auch die Subbrands unterhalb der Dachmarke starke Familien- oder Einzelmarken (Beispiel: TUI, Dr. Oetker, VW-Modellpalette). Die verschiedenen Ausprägungen sind Abbildung 7.25 zu entnehmen.864 Einzelmarkenstrategie

Dachmarkenstrategie

Markenführer

Markenführer

Marke 1

Marke 2

Produkte 1-n

Dachmarke

Produkte 1-n

Produkt 1

Produkt 2

Produkt 3

Familienmarkenstrategie Markenführer

Marke 1

Marke 2

Produktgruppe 1

Produktgruppe 2

Produkt 1a

Produkt 1n

Produkt 2a

Produkt 2n

Abbildung 7.25: Markenträgerstrategien.





Einzelmarken im Rahmen einer Einzelmarkenstrategie: Der Hersteller führt in einem Marktsegment ein einzelnes, starkes Produkt. Der Firmenname tritt oft in den Hintergrund (Bsp.: Nutella, Scotch Tapes, Tempo, Persil, Underberg). Einzelmarken im Rahmen einer Mehrmarkenstrategie: Hier lässt der Hersteller Konkurrenz im eigenen Hause zu. Mindestens zwei

864 vgl.  z. B. Becker, (Dachmarken), 2005, S. 393 ff, zur Erläuterung auch Tropp (Moderne Marketingkommunikation), 2019, S. 252 f.

706 





 7 Kommunikationspolitik

gleichartige Marken werden in einem Marktsegment positioniert. Preislich unterschiedliche Konsumenten-Zielgruppen sollen abgeschöpft werden (Bsp.: VW mit Golf und Polo; Henkell mit Henkell trocken, Carstens SC und Rüttgers). Das Beispiel Golf zeigt, wie Produkte sich wandeln (Golf-Modellgenerationen), die Marke (Golf-Generation als Markenbegriff) jedoch bleibt. Die Gefahr der Mehrmarkenstrategie liegt in einer Kannibalisierung der Marktsegmente. Je ähnlicher sich Konsumentenschichten verhalten, desto stärker werden sich Marken untereinander Zielgruppen streitig machen. Das Preisniveau verfällt. Familienmarken (Produktgruppenmarke) im Rahmen einer Familienmarkenstrategie: Unter einem Markenbegriff werden Einzelprodukte ohne Herstellerbezug geführt (Bsp.: Nivea von Beiersdorf mit einem umfassenden Sortiment von Körperpflegemitteln, wie Hautcreme, Sonnencreme, Seife, Shampoo). Dachmarken im Rahmen einer Dachmarkenstrategie: Die Dachmarkenstrategie vereint alle Unternehmensleistungen unter einem Markennamen. Oft ist dies der Firmenname (Bsp.: Boss, Sony, Siemens). Der Trend geht zur Dachmarkenstrategie: „Vorbei ist es mit der Zeit, als wir glaubten, mit jedem neuen Produkt eine neue Marke etablieren zu müssen.“865

Neben diesen ersten Unterscheidungen der Markenträgeransätze lassen sich weitere Differenzierungen bei der Markenführung thematisieren. – Regionale oder nationale Markenstrategien: Die Regionalmarkenstrategie beschränkt die Markenführung auf bestimmte Distributionsgebiete (Bsp.: Feinkostkette Vinzenz Murr in Süddeutschland, Drogeriekette Budnikowsky in Hamburg und Umgebung). – Internationale Markenstrategien: stehen oft unter dem Motto: „So viel Standardisierung wie nötig, soviel Differenzierung wie länderspezifisch möglich“. Dies führt zu multinationalen Markenstrategien mit landestypischen Local Brands (Bsp.: Nestlé mit Sarotti, Alete, Thomy). – Globale Markenstrategien: Die Hersteller standardisieren ihre weltweiten Markenauftritte (Coca-Cola, McDonald´s, internationale Hotelketten, P&G mit Braun, Oil of Olaz, Always, Pringles, Ariel, Duracell, Pampers, Bounty u. a.). Die aufgezeigten Markenstrategien schließen sich nicht grundsätzlich aus: „Wir brauchen beide Arten von Marken, die globalen und die regi-

865 J.C. Lindenberg, Geschäftsführer von Unilever Deutschland, im Interview mit Kerstin Plewe; Berdi, (aufräumen), in: ASW, Supplement Marken, 2001, S. 6.

7.2 Markenführung 

 707

onalen. Globale Marken geben uns globale Reichweite und globale Economies of Scale. Durch lokale Marken verfügen wir über lokale Wurzeln. Die Kombination aus beiden macht das allerbeste Portfolio aus.“ (A. Burgmans, Unilever)866 In der Praxis werden Strategierichtungen der Markenführung kombiniert.867 Es ergeben sich Markenhierarchie-Systeme. Im Vordergrund stehen Kombinationen von Einzel-, Familien- und Dachmarken zu markensynergetischen Verbünden. So ergeben sich Vorstrukturen für Markenarchitekturen. Wirkungszusammenhänge zur Erleichterung einer ganzheitlichen Markenführung werden noch nicht sichtbar. Eine Basisstrategie liegt darin, Einzelmarken zu profilieren und diese durch eine kompetente übergeordnete Kompetenz zu stärken. Im Fall der Firma Henkel profitieren starke Einzelmarken vom Corporate Image von Henkel als das eines forschungsstarken und ökologieorientierten Großkonzerns. Ein Beispiel für eine zweistufige Kombination bietet Bahlsen durch die Verknüpfung von homogenen, markendifferenzierten Produktfamilien (bspw. Produktfamilien Bahlsen, Leibniz Kekse und Brandt) unter einem mit hohem Imagewert ausgestatteten Markendach. Die dreistufige Markenarchitektur der Automobilkonzerne kann am Beispiel von Mercedes erläutert werden. Unter einem bewährten Markendach werden Familienmarken aufgezogen. Bei der C-Klasse wird regelrecht von Generationen gesprochen. Darunter stehen dann einzelne PKW-Programmvarianten, wie bspw. die T-Modelle oder Coupés oder neuerdings auch der Performance-Ableger AMG. In den letzten Jahren ist das Marketing einen Schritt weitergegangen. Komplexe Systeme von Markenarchitekturen haben sich herausgebildet. Sie werden als Markenhäuser bezeichnet. Abbildung 7.26 macht Wechselwirkungen zwischen Markenebenen der Markenhäuser deutlich.

7.2.6 Markenentwicklungen Marken bleiben nicht ewig aktuell. Durch Wirren der Zeit und im Fluss neuer eigener und wettbewerblicher Produkte müssen Marken vom Produkt- bzw. Markenmanagement sorgfältig gepflegt werden. Die Pflege der Markenprodukte und der Erhalt der Markenwerte sind nicht allein eine Marketingaufgabe. Das Marketing kann Marken-

866 vgl. o. V., (Marke), in: MM, 1/2001, S. 72. 867 Die drei Beispiele sind angelehnt an Becker, (Dachmarken), 2005, S. 393–394.

708 

 7 Kommunikationspolitik

DAS SYSTEM DER MARKENARCHITEKTUREN BRANDED HOUSE Unternehmensmarke dominiert, Submarken von untergeordneter Bedeutung

same identity eine Identität BMW

identity Identitäts variation Volvo Cars, Volvo Trucks

HOUSE OF SUBBRANDS Submarken beeinflussen Unternehmensmarke stark

master brand as driver

Unternehmensmarke dominiert HP Desk Jet, Laser Jet

co - drivers

HOUSE OF ENDORSED BRANDS Stützung der Submarken durch die Dachmarke

Marken haben gleiche Bedeutung

strong endorse ment

token endorsement

deutliche Stützung

Gillette Sensor

Courtyard by Marriott

angedeutete Stützung Henkel, 3M

HOUSE OF BRANDS Führung der Einzelmarken ohne Markendach

shadow endorser Stützung verdeckt, aber bekannt Sub-brands von Procter & Gamble

not connected Stützung verdeckt und nicht bekannt Pedigree (Mars)

linked name Name impliziert Stützung Nescafé

Abbildung 7.26: System der Markenarchitekturen.868

versprechen positionieren und kommunizieren. Gehalten werden kann es nur aus der Leistungsprogrammpolitik heraus. „Große Marken verändern ihre Kernwerte auch über Jahrzehnte nicht.“ 869 Semper idem gilt als Geheimnis von Underberg. So sind es vorrangig ständige Leistungsverbesserungen und Kontinuität im Werbeauftritt, die eine erfolgreiche Markenpflege auszeichnen. Verliert eine Marke dennoch einmal trotz guter Pflege an Ausstrahlung, kann ein Relaunch sie wiederbeleben. Verschiedene Ansätze führen neben der Aktualisierung des Markenauftritts zu einer Weiterentwicklung der Markenansätze. Eine Linienausweitung (Line Extension) liegt vor, wenn eine bestehende Marke auf ein neues Produkt bzw. Produktvariante einer bereits am Markt etablierten Produktgruppe ausgeweitet wird.“ Beim Markentransfer (Brand Extension) „wird eine bestehende Marke auf Produkte einer anderen Produktgruppe übertragen.870

868 Quelle: Esch, Bräutigam, (Markenführung), 2005, S. 851. 869 und „Vergessen Sie das Thema Repositionierung“: Simon, (Gefasel), in: MM, 6/2001, S. 126. 870 Beide Zitate aus Homburg (Marketingmanagement), 2012, S. 688, 689.

7.2 Markenführung 

 709

Über 90 Prozent der neu eingeführten Produkte erhalten ihr Gesicht durch einen Markentransfer von Seiten einer Dachmarke. Der Anbieter verspricht sich intensivere Produktnutzung bei bisherigen Kunden und eine Erschließung neuer Kundensegmente. Die Marktkraft des Angebotsprogramms soll synergetisch gestärkt werden. Die Dachmarke Nivea wurde von Beiersdorf zu einer erfolgreichen Markenfamilie ausgebaut. Ausgehend von Kaffeefiltertüten hat sich Melitta auf vielfältige Produktkategorien von Lebensmittelfolien über Kaffee bis hin zu Luftbefeuchtern ausgedehnt. Becks war bereits mehrfach Anwärter auf Marken Awards. Denn es ist Becks gelungen, Zielgruppenbegrenzungen durch die geschmacklich herbe Basismarke mittels Einführung des milden Becks Gold sowie weitere Linienausweitungen zu überwinden. Vorteil bei allen Praxisbeispielen: Eine neue Marke erhält durch die Aura der Dachmarke schnell eine starke Markenidentität. Zudem kann die Muttermarke profitieren. Tesa ist es gelungen, sein Image durch Tesa-Power-Strips in Richtung Innovation zu stärken. Allerdings birgt die Markenerweiterung durch Markentransfer auch Risiken. Ein zu breites Produktportfolio oder inkonsistente Markenerweiterungen können Verbraucher irritieren. Die Dachmarke wird kannibalisiert und verliert an Markenwert. Eine Untersuchung von 130 Praxisfällen von Markentransfers mit Rückwirkungen auf die Dachmarke ergab folgende Voraussetzungen für eine erfolgreiche Markenerwei­ terung:871 – Markenbreite: Nischenmarken können durch Line Extensions eher gestärkt werden als breite Dachmarken. – Markenstärke: Die Dachmarke sollte im Bewusstsein der Zielgruppe verankert, aber noch nicht erstarrt sein. – Marken­Fit: Die Ähnlichkeit zwischen Marke und Markenerweiterung sollte möglichst hoch sein. – Markenaffinität: Bei zu geringer Imageaffinität sind negative Ausstrahlungseffekte zu erwarten (Luxus-Automobil Phaeton von VW). – Markenprestige: Marken mit einem prestigestarken Image können eher positive Auswirkungen einer Extension verbuchen als funktionsorientierte Marken. – Ein neuer Zweitname: Sub-Branding kann positive Effekte verstärken und negative abfedern. Gleichzeitig kann ein später zu verselbständiger Markenname unter dem Schutz der Dachmarke eingeführt werden.

871 vgl. Sattler; Kaufmann, (Imagepflege), in: acquisa, 5/2005, S. 24–26.

„Markenwerte sind akkumulierte, also gespeicherte Leistungsgeschichte.“ (Quelle: J. Plüss, Marketingleiter von Miele, in ASW, Sondernummer Oktober 2000, S. 37)

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 7 Kommunikationspolitik

Stimmiges Markenkonzept: Nur bei konsistentem Konzept und Image können Extensions die Marke unterstützen.

Kann sich eine Line Extension am Markt durchsetzen, wird der Gesamtwert der Markenfamilie gestärkt. Bei einem Markenrelaunch werden bestehende Marken aufgefrischt und mit frischer Markenkraft versehen. Unter Markenrevitalisierung wird die Wiedereinführung traditionsreicher Marken mit einer besonderen Geschichte (Wiederbelebung) beschrieben. Verschiedene Analysefragen helfen, den Relaunch vorzubereiten: – Was ist der Produktkern? An welche Komponenten erinnern sich die Käufer? – Wie müssen die Produkte beschaffen sein, um die früheren Werte zu transportieren und gleichzeitig mit modernen Produkten konkurrieren zu können? – Welche Einstiegs- und Wachstumsmöglichkeiten bietet der Markt? – Mit welchen Botschaften lässt sich das Produkt/die Marke revitalisieren? – Welche Vertriebswege stehen zur Verfügung? – Sind Markenrechte gesichert? – Berücksichtigt das Vermarktungskonzept den langen Vorlauf für die Listung im Handel und die Kreation einer Werbekampagne? – Enthält das Budget alle Kosten für Produktion, Marketing und Vertrieb? – Was soll geschehen, wenn die Relaunch-Strategie nicht erfolgreich ist? Gibt es einen Notfallplan? Für beide Strategien eignen sich Retromarken.872 Retromarken sind Marken mit starkem Vergangenheitsbezug (Tradition, jahrzehntelange Markengeschichte). Retromarketing basiert auf der Aktivierung nostalgischer Emotionen bei den Konsumenten. Daimler mit dem Maybach, die Sprudelmarken Bluna, Sinalco und Afri Cola, die Traditionsmarken DUAL und Wega, der New Beetle als Nachfolger des Kult-Käfers von VW, der BMW MINI, der Fiat 500 oder die Wiedereinführung des Kultsirups Tritop können als Beispiele für ein Retromarketing angeführt werden.873 Aber auch neue Marken stehen im Licht des Retromarketing. Beispiele sind der Chrysler PT Cruiser mit starkem Vergangenheitsbezug in der Markenkommunikation oder

872 Der Begriff kommt von Repro, dem Kurzwort für Reproduktion. 873 vgl. Esch, (Markenführung), 2008, S. 15, S. 118–124 mit dem Beispiel Asbach.

7.2 Markenführung 

 711

Uhren von Fossil, die in der Markenkommunikation lediglich vereinzelte Retro-Elemente aufweisen. Für den Relaunch von DUAL wurde den Elektronikgeräten ein futuristisches Design verpasst, gemischt mit den traditionellen Designelementen. In dem Designmix haben Verbraucher jedoch die alte Traditionsmarke nicht mehr wiedererkannt. Der Käfer wurde als Massenauto gerade durch seine Unzulänglichkeiten zum Kultobjekt. Die hochgeliftete technische Ausstattung des New Beetle konnte nur Zielgruppe der Lifestyle-Generationen ansprechen. Das erweiterte Produkt deckte sich daher nicht mit dem erwarteten Produkt, so dass der Käfer-Nachfolger nicht erfolgreich werden konnte. Erfolgreicher ging die Loewe AG bei ihrem Relaunch im schwierigen Markt der Unterhaltungselektronik vor. Für den Erfolg erhielt Loewe u. a. den Marketing-Preis 2002.874 Loewe verfolgte eine Premium-Strategie mit einer Wettbewerbsdifferenzierung durch Design. Als Haupt-Erfolgsfaktor wird die stringente Markenarchitektur angeführt: von den Kernkompetenzen (Ästhetik, Design, Intelligenz/Technologie, Wertigkeit/Qualität) über die Markenpersönlichkeit (persönlich, inspirierend, konsequent) zur Markenkompetenz (Loewe macht die multimediale Welt zu einem Erlebnis) und schließlich zum Markenanspruch („einfach erleben“). Alle Kommunikationsinstrumente sind aufeinander abgestimmt. Jeder Kundenkontakt unterliegt einer Wiedererkennung. Die Devise „Premium Home Entertainment“ durchzieht als Claim den Kommunikations-Mix875. Abbildung  7.27 stellt ausgewählte Markennamen, Markendesigns und Logos ausgewählter große Marken im Ablauf der Jahrzehnte. Viele große Marken sind verschwunden (AEG, Dresdner Bank, Hoechst, Karstadt, Kaufhof). Starke Marken passen sich behutsam dem Zeitgeist an. Die Abbildung legt Zeugnis ab für Marken, die Geschichte schreiben. Verschiedene Schlüsselfragen helfen, eine passende Entscheidung über die Weiterentwicklung bis hin zum Relaunch der Markenauftritten zu entscheiden.876 – Was ist der Produktkern? An welche Komponenten erinnert sich der Käufer? – Wie müssen die Produkte beschaffen sein, um die früheren Werte zu transportieren und gleichzeitig mit modernen Produkten konkurrieren zu können? – Welche Einstiegs- und Wachstumschancen bietet der Markt?

874 vgl. Bunk, (Loewe), in: ASW, Sonderausgabe Marken 2002, S. 22–28. 875 vgl. loewe.tv 876 vgl. Fischer, (Nostalgie), in: MM, 6/1999, S. 183.

712 

 7 Kommunikationspolitik

1911

2022

1902

2022

1966

2022

1886

2022

Abbildung 7.27: Ausgewählte Marken im Zeitablauf.877

– – – –

– –

Mit welchen Botschaften lässt sich das Produkt/die Marke revitalisieren? Welche Vertriebswege stehen zur Verfügung? Sind alle Markenrechte gesichert? Berücksichtigt das Vermarktungskonzept den Vorlauf für die Listung bei Vertriebspartner und im Handel sowie der Kreation einer Werbekampagne? Enthält das Budget alle Kosten für Produktion, Marketing und Vertrieb? Was passiert bei einem erfolglosen Relaunch?

Für eine marktorientierte Unternehmensführung ist es bedeutend, die eigene Stärke im Markenwettbewerb zu kennen. Doch wie kann der Wert bzw. Die Kraft einer Marke gemessen werden?

7.2.7 Marken-Kooperationen und Brand Licensing In Zeiten steigender Marketingaufwendungen und zunehmenden Kommunikationswettbewerbs sind das Zusammenwirken von Marken mit der Vergabe von Nutzungsrechten vielfach verwendete Kommunikationsstrategien. Damit diese Arten der Zusammenarbeit für beide

877 Viele weitere Beispiele finden sich unter brandslex.de.

7.2 Markenführung 

 713

Seiten erfolgreich sind, müssen neben Produkten und Angeboten auch Grundausrichtungen von Werten und Erwartungen der kooperierenden Unternehmen zueinander passen. Bei Marken-Kooperationen suchen Partner nach sich ergänzenden Zielgruppen, in denen sich Angebote optimal nebeneinander positionieren lassen, ohne große Raubeffekte zu erzeugen. Werden gemeinsame inhaltliche Themen adressiert, können beide Markenpartner viel Content und Netzwerk in die Kooperation einbringen.878 Marken und Image beider Partner müssen kombiniert werden können, damit ein Mehrwert aus der Zusammenarbeit entsteht. Beispiele für erfolgreiche Marken-Kooperationen sind Zusammenarbeiten von adidas und Gucci oder Supreme und The North Face. Bei diesen Beispielen besetzen die Partner in einem kooperativen Ansatz die Markenspektren aus unterschiedlichen Dimensionen: Sport und Luxus sowie Trendmarke und Robustheit. Marken versprechen sich Erfolge in zweierlei Sicht: die Zusammenarbeit mit attraktiven Marken lässt gegenseitigen Imagetransfer erwarten. Die Sportmarke adidas wird im Luxusumfeld als aktuell und innovativ wahrgenommen. Die Luxusmarke Gucci erreicht eine neue Zielgruppe und kann Markenaussagen positionieren. Aber auch der Kostenaspekt spielt eine Rolle. Werden Vermarktungsaktivitäten zur Kooperation gemeinsam finanziert, kann man entweder einen gelungenen Auftritt mit reduzierten Kosten erreichen oder den Werbeeffekt stärken, wenn beide Marken zu Investitionen in den Auftritt und die Bekanntmachung bereit sind. Neben gleichberechtigten Kooperationen können starke Marken auch eine Co-Promotion mit kleineren Marken umsetzen. Diese Partnerschaften haben den Charakter einer Verkaufsförderung, da beide Parteien aufmerksamkeitsstarke Formen der Zusammenarbeit wählen. Viele Unternehmen der Konsumgüterindustrie bieten bspw. OnPack-Promotions an. Gutscheine, die auf die Produktverpackungen ausgespendet/aufgeklebt sind, die offensichtlich nicht zum Kernprodukt gehören. Bspw. Reisgutscheine im Wert von 50,-€ bei Buchung im TUI-Reisebüro, aufgeklebt auf der Butterverpackung von Kaergarden. Anderen Formen der Zusammenarbeit über Co-Promotion können Gewinnspiele oder Produkt-Bundles sein. Von ständig wachsender Bedeutung ist auch das Geschäft mit Lizenzen. Das Institut für Handel und Marketing, Universität Hamburg, ermittelte allein im Zeitraum 2001–2004 eine 8-prozentige Umsatzsteigerung mit lizensierten Produkten auf ca.  26,4 Mrd. Euro.879 Die Lizenzgeber

878 vgl. Reidel, (Marketingkooperationen), 2015, S. 19. 879 Im Auftrag des europäischen Lizenzverbandes ELMA; vgl. Reinstrom et al., (Lizenzmarkt), in: ASW, 3/2006, S. 51–52.

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Mövenpick erwirtschaftete 2005 mit einer Lizenz für Eis von Schöller über 60 Millionen Euro Umsatz.

 7 Kommunikationspolitik

Boss, Gerry Weber, Joop, Marco Polo, Bogner, Escada, Davidoff, Bäumler, Ahlers, Tom Tailor, Jil Sander, Betty Barclay und Ravensburger TV kommen auf Lizenzeinnahmen von 1,6 Mrd. Euro. Unter Brand-Licensing versteht man die gezielte Aufwertung (Veredelung) markenloser Produkte durch eine vertragliche Nutzung von Namen (Brand-Names), Logos oder Warenzeichen starker Markenartikler. Bedeutende Markenobjekte sind Film-/TV-Figuren (Fernseh-Maus, Janoschs Tigerente, Starwars-Figuren, Minions), Markenartikel (Milka), Designer/Mode (Bogner, Boss), Kunst/Kultur (Harry Potter) und natürliche Persönlichkeiten. Durch Lizenzvergabe an einen passenden Lizenznehmer weitet ein Lizenzgeber Marktdurchdringung und Markenkraft aus und verdient an den Lizenzgebühren. Lizenznehmer können Produkte aufwerten, Zielgruppen erschließen und Vertriebswege aufbauen. Deshalb – achten Lizenzgeber auf Qualität, Seriosität und Synergiepotenzial der Produkte, die mit ihren Markennamen verbunden sein wollen, – beurteilen potenzielle Lizenznehmer die Marken danach, wie gut sie zu ihren Produkten passen und sie an neue Zielgruppen und Vertriebswege (z. B. Handelsschienen) heranbringen. Die Parteien verhandeln folgende Punkte:880 – Lizenzgebühr, die üblicherweise in einem Rahmen zwischen 4 (Lebensmittel) und 12 Prozent (Verlagswesen) des Handelsabgabepreises liegt, – Garantiesumme; i. d. R. als Vorauszahlung auf der Grundlage einer Umsatzprognose zu leisten, – Laufzeit (ab 5 Jahren sinnvoll), – Vertragsgebiet (Vorsicht vor evtl. Kollisionen), – Ausschlussklauseln für bestimmte Regionen oder Vertriebswege, – Beginn der Vertragslaufzeit, – Gerichtsstand. Zudem ist zu klären, wie Lizenznehmer Markensymbole des Lizenzgebers nutzen können. Brand-Licensing liegt im Trend. Bekannte Beispiele sind Lizenzprodukte von Disney. So bietet bspw. die Textilhandelskette Primark Disney Textilien an, adidas hat eine Sonderausgabe des Bryony Kindersportschuhs entwickelt, und mit Gucci werden aus-

880 vgl. die Empfehlungen des ehem. Junghans-Chefs Bublath in: Fischer, (Ruhm), in: MM, 8/1999, S. 121. Dem Beitrag sind auch einige der folgenden Beispiele entnommen.

7.3 Strategische Planung der Kommunikation 

 715

gewählte Produkte gemeinsam vermarktet. Coca Cola bietet gemeinsam mit McDonalds ausgewählte Sammelgläser als Zusatzprodukte beim McDonalds Menü an. Es gibt Crocs Pantoletten und Textilien mit Coca Cola-Schriftzug. Die Markenlizensierung als Form der markenunterstützten Produktförderung ist Ausdruck eines ungebrochenen Markenglaubens und einer Lebensstilsehnsucht der Verbraucher. Gewarnt sei allerdings vor modischen Trends. Ist das lizensierte Objekt nicht mehr aktuell und gefragt, gehen Lizenzerwartungen nicht mehr auf.

7.3 Strategische Planung der Kommunikation Die strategische Ausrichtung der Kommunikationspolitik bedeutet eine verbindliche, mittel- bis langfristige Schwerpunktlegung für die Gesamtkommunikation des Unternehmens bzw. eines Bezugsobjekt des Unternehmens sowie für den Einsatz der einzelnen Kommunikationsinstrumente. Die strategische Kommunikationsplanung setzt den Rahmen für die taktische Kommunikationsplanung.“ … „Die taktische Ausrichtung der Kommunikationspolitik bedeutet die kurzfristige Planung und Durchführung von Kommunikationsmaßnahmen mit dem Ziel, Beiträge für den effizienten Einsatz der bereitgestellten Budgets und für die Erreichung der strategischen Kommunikationsziele einzelner Kommunikationsinstrumente zu leisten.881 Der zunehmende Kommunikationswettbewerb führt dabei zu vielen Herausforderungen für die Planung: – Fragmentierungen der Zielgruppen: neue Kommunikationsformen (bspw. Blogs, Communities und Social Media Gruppen) haben zu einem deutlich ausdifferenzierten Kommmunikations- und Informationsverhalten der Konsumenten geführt. Unternehmen müssen zielgerichteter kommunizieren und mit mehr Einzelaktivitäten spezifische Interessengruppen erreichen. – Zweiseitige Kommunikation: die weit verbreitete Nutzung von Social Media hat die Kommunikation zweiseitig gestaltet. Kunden können durch Kommentare und Interaktionen einen Rückkanal zu Unternehmen eröffnen. Zudem können Kunden auch untereinander kommunizieren. Dadurch verlieren die Unternehmen teilweise ihre Kommunikationshoheit.

881 Bruhn (Kommunikationspolitik), 2019, S. 58, 59.

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– –

 7 Kommunikationspolitik

Zunehmende Anzahl an Kommunikationsinstrumenten: die Digitalisierung hat in den letzten Jahren eine Vielzahl neuer Kommunikationsinstrumente hervorgebracht. Social Media Plattformen wie bspw. TikTok erfordern vollkommen neue Kommunikationskonzepte, wenn Kurzformvideos von nur 15 Sekunden-Länge ausgespielt werden. Steigende parallele Nutzung von Medien: welche Medien werden von Konsumenten zu welchen Zeitpunkten genutzt, bspw. das Smartphone parallel zum linearen Fernsehen. Unsicherheit bezüglich der Wirkungen von Instrumenten, bspw. wie stark abverkaufsteigernd ist eine Radio-Kampagne. Ressourcenbeschränktheit: Kommunikationsbudgets und Abteilungsgrößen sind in den letzten Jahren in vielen Unternehmen deutlich gesteigert worden, dennoch reichen finanzielle und personelle Ressourcen selten aus, alle Zielsetzungen ausreichend zu verfolgen.

Die Ausrichtung der Unternehmenskommunikation folgt im Rahmen der strategischen Planung. Hier werden mittel- bis langfristigen Zielsetzungen der Kommunikation entwickelt und festgelegt. Wie Bruhn ausführt, hilft diese Schwerpunktsetzung, für die spätere taktische und operative Ausgestaltung der Werbung die Rahmenbedingungen festzulegen. Die Zusammenhänge verdeutlicht Abbildung 7.28. Ebene der Gesamtkommunikation Strategische Planung

Ebene der KommunikationsFachabteilungen

Strategisches Kommunikationskonzept auf Unternehmensebene Strategie der Gesamtkommunikation (Integrierte Kommunikation)

Taktische Planung

Abbildung 7.28: Ebenen der Kommunikationsplanung.882

Zielsetzungen können dabei aus unterschiedlichen Sichtweisen formuliert werden. Quantitative Ziele können beispielsweise Umsatzausweitung oder Neukundengewinnung sein. Qualitative Ziele können sich an Einstellung- und Kaufabsichtenänderungen ausrichten. 882 Quelle: Bruhn (Kommunikationspolitik), 2019, S. 59

7.3 Strategische Planung der Kommunikation 

 717

Allgemein lassen sich Kommunikationsziele aus den 3R des Kun­ denmanagements (Recruitment/Kundenakquise, Retention/Kunden­ bindung und Recovery/Kundenrückgewinnung) ableiten und erweitern. Abbildung 7.29 zeigt die Ziele in Abhängigkeit von zu erreichenden Stakeholdern und Kunden auf.

Recruitment / Kundenakquisition

Stakeholder Brand/Marke/Positionierung Brand / Marke Sales / Verkauf 1:n Sales / Verkauf 1:1 Retention / Kundenbindung Recovery / Kundenrückgewinnung Abbildung 7.29: Zielsetzungen der Kommunikation.

Grundlegende Zielsetzung ist das Erreichen allgemeiner Stakeholder und Anspruchsgruppen des Unternehmens. Diese sollen in angemessener Form über alle unternehmensrelevanten Themen informiert gehalten werden. In der taktischen und operativen Umsetzung finden sich hier viele Instrumente aus dem Public Relations- und Öffentlichkeitsarbeitsumfeld. Abgeleitet aus den 3R des Kundenmanagements können die Zielsetzungen weiter differenziert werden. Diese schlagen sich später in unterschiedlicher Auswahl der Instrumente nieder. Insbesondere bei der  Kundenakquisition unterscheidet sich die Ausrichtung nach der konkreten Zielsetzung. Ausgehend von der Strategie kann die Kommunikation der Marke im Vordergrund stehen oder konkreter Abverkauf die Zielsetzung sein. Bei Zielsetzung Abverkauf wird zwischen der Mas­ senkommunikation 1:n und der individuellen Kommunikation 1:1 unterschieden. Diese drei Unterscheidungen resultieren in unterschiedlichen Instrumenten, die in der operativen Umsetzung der Kommunikation zum Einsatz kommen. Die letzten beiden Zielsetzungen sind in der Kommunikationsstrategie separat zu betrachten, da sie einen speziellen Instrumentenansatz

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 7 Kommunikationspolitik

verfolgen. Kundenbindung benötigt spezifische kommunikative und auch technisch gestützte Ansätze, um einmal gewonnene Kunden später identifizieren und zielgerichtet erreichen zu können. Vergleichbar kann die Kundenrückgewinnung nur mit einer entsprechenden Wiedererkennung einmal bedienter Kunden aufgesetzt werden.

7.3.1 Integrierte Kommunikation

Jedes fünfte deutsche Unternehmen setzt auf crossmediale Kampagnen. Jeder dritte WerbeEuro fließt in integrierte Kampagnen (s. Hinweis in Dialog Marketing Monitor 2012, S. 4).

Die integrierte Kommunikation steht für ein konsistentes und kongruentes Bild in den Köpfen von Stakeholdern und Kunden. Über alle Medienkanäle wird eine vergleichbare Botschaft gesendet. Diese kommunikative Klammer sorgt für eine inhaltlich und formal abgestimmte Botschaft und organisiert und integriert crossmediale Kommunikation auf allen Ebenen. Einzelne werblichen Elemente dürfen (und können) nicht isoliert voneinander gestaltet werden. Markenwerbung zielt auf Integration aller werblichen Elemente. Gute Chancen zur Verwirklichung von integrativen Markenbildern haben Produkte mit nachweisbaren Vorteilseigenschaften. Wie können die einzelnen Kommunikationsinstrumente geschickt kombiniert und zu einer Werbung und einem Kundendialog aus einem Guss verschmolzen werden? „Integrierte Kommunikation ist ein strategischer und operativer Prozess der Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle, der darauf ausgerichtet ist, aus den differenzierten Quellen der internen und externen Kommunikation von Unternehmen eine Einheit herzustellen, um ein für die Zielgruppen der Kommunikation konsistentes Erscheinungsbild des Unternehmens bzw. eines Bezugsobjektes des Unternehmens zu vermitteln.“883 Integrationsprobleme sind im Zeitablauf (bei der Kampagnensteuerung) und beim Zusammenwirken verschiedener Werbeträger (Parallelschaltungen, z. B. von Anzeige und Spot) zu lösen. Esch und Andresen kritisieren die Zersplitterung vieler Kommunikationsauftritte und vertreten deshalb auch das Konzept einer Integrierten Kommunikation. Vor allem im Rahmen von Kampagnen sind Werbebotschaften formal und inhaltlich zu integrieren, d. h. ganzheitlich aufeinander abzustimmen. Dies geschieht durch die angesprochenen integrativen Klammern:

883 Bruhn, (Kommunikationspolitik), 2010, S. 93.

7.3 Strategische Planung der Kommunikation 







 719

Die inhaltliche Integration sorgt für eine enge thematische Abstimmung der verschiedenen Unternehmensbotschaften. Sie ist langfristig ausgerichtet und orientiert sich an strategischen Zielsetzungen der Kommunikationspolitik. Beispielsweise werden Claims als „Reason Why“ in der Unternehmenskommunikation verwendet. Bekannte Beispiele sind die seit Jahren konsistent verwendeten Claims von Otto („Otto – find‘ ich gut“) oder der F.A.Z. („Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“) Die formale Klammer legt den Außenauftritt der Kommunikation fest. Mit welchen gestalterischen Elementen werden die Botschaften kommuniziert, welche markentypischen Erkennungszeichen, Bilder, Farbe, Töne und Sprachelemente werden in allen Auftritten konsequent genutzt. Bekannte Beispiele sind hier Markenzeichen wie der Mercedes-Stern oder die Unternehmensfarbe Magenta für die Deutsche Telekom. Die zeitliche Integration stimmt die Terminierung der Kommunikation ab. Botschaften müssen in zeitlicher Abstimmung geplant werden, um die gewünschte Kommunikationsleistung zum richtigen Zeitpunkt konsistent und kontinuierlich zu erzielen. Wenn beispielweise eine neue Verkaufsförderungsaktion vom Media Markt an den Start gehen soll, müssen alle Instrumente (Online, TV, Print, Radio) zum entsprechenden Zeitpunkt aktualisiert und in den unterschiedlichen Medien eingebucht sein.

Die kommunikative Integration kann sich auch auf die interne Kommunikation übertragen. Da eigene Mitarbeiter Markenbotschafter sind, ist es aus Unternehmenssicht sinnvoll, interne Kommunikationsmedien nach Maßgaben der externen Integration einzusetzen. Extern kommunizierte Botschaften sollen den Mitarbeitern vermittelt werden, damit auch intern der Anspruch des Unternehmens gelebt werden kann. Zudem können Anpassungen der externen Botschaften auf interne Zielsetzungen und Erwartungen übertragen werden. So formuliert bspw. der Mercedes Benz Claim („Das Beste oder nichts“) auch eine Erwartungshaltung an das Engagement der Mitarbeitenden. Bruhn bringt in der Darstellung der verschiedenen Ordnungsebenen die verschiedenen Ansatzpunkte zur Integration der Kommunikation gut zur Geltung (siehe dazu Abbildung  7.30). Ausgehend von der strategischen Planung ziehen sich die Entscheidungsebenen jetzt sowohl horizontal wie auch vertikal durch die Kommunikationspolitik durch. Die oberste Ebene (Strategische Positionierung, kommunikative Leit­ idee und Leitinstrumente und Gestaltungsprinzipien) sind langfristiger Natur und werden nur unregelmäßig überarbeitet. Ausgangspunkt

Die umsatzstärksten Corporate Design-Agenturen 2021 in Deutschland: (1) Meta Design, (2) Peter Schmidt Group, (3) Mutabor, (4) Eden Spiekermann, (5) Strichpunkt (Quelle: Horizont 34-35/2022, S. 29).

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 7 Kommunikationspolitik

für eine Überarbeitung kann eine Neupositionierung des Unternehmens oder ein nicht mehr zeitgemäßer Außenauftritt des Unternehmens sein. Ab der Ebenen der Zielgruppen wird taktischer orientiert entschieden und gearbeitet. So können sich Zielgruppenziele jährlich oder sogar unterjährig verändern, so dass weitere integrierende Elemente angepasst werden müssen. Werden beispielweise Umsatzziele in den ersten drei Quartalen eines Geschäftsjahres nicht erreicht, kann dies eine verkaufsfördernde Anpassung der zentralen Werbeaussagen erfordern. Dies kann eine Umgestaltung der Werbeinstrumente nach sich ziehen. Diese Neugestaltung wirkt sich dann zusätzlich auf die Einzelmaßnahmen aus, die sogar erweitert werden können (bspw. aktionistisches Ausweiten der Onlinemarketing-Aktivitäten). Strategische Planung

Operative Umsetzung

Strategische Positionierung

Kommunikative Leitidee

Leitinstrumente und Gestaltungsprinzipien

GesamtUnternehmen

Zielgruppenziele

Kernaussagen

Kristallisations-, Integrations- und Folgeinstrumente

HauptZielgruppen / Segmente

Maßnahmenziele

Einzelaussagen

Kommunikationsmittel

Kommunikationsanlässe / Kontakte

Abbildung 7.30: Vertikale und horizontale Ordnung der Inhalte der integrierten Kommunikation.884

Eine integrierte Kommunikation führt nicht kurzfristig zum Erfolg. Mit 1,5 Jahren kann ein Unternehmen rechnen, selbst wenn so systematisch vorgegangen wird wie beim F&E-Prozess für ein neues Produkt.885 Aus diesen Darstellungen kann der Begriff der crossmedialen Kommunikation abgeleitet werden. Wenn Kommunikation integriert aufgesetzt wird, benötigt es auch die Abstimmung mit den später einzusetzenden Kommunikationsinstrumente und -mitteln. Moderne Kommunikationsstrategien kombinieren eine Vielzahl an Instrumenten, um möglichst 884 Quelle: Bruhn (Kommunikationspolitik), 2019, S. 108. 885 vgl. Esch; Andresen, (Botschaften), in: ASW, 8/2000, S. 53.

7.3 Strategische Planung der Kommunikation 

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große Reichweiten zu erreichen. Kampagnen werden mit klassischen Instrumenten ausgespielt (bspw. TV und Radio), finden digital statt (z. B. eigene Kampagnen-Landingpage und Social Media-Kommunikation) und haben dialogisch orientierte Instrumente in der Umsetzung (bspw. Integration der Kampagne im E-Mail Newsletter). So muss neben der Integration aller Instrumente auch die crossmediale Auslieferung der Kommunikation geplant werden. Crossmediale Kommunikationsplanung kann als gezielte Aussteuerung von Kommunikationsinhalten über miteinander in inhaltlicher Verbindung stehender Kommunikationsinstrumente und -mittel verstanden werden. Die Zielsetzung der Planung einer integrierten und crossmedial ausgelieferten Kampagne ist Gewinnung von Aufmerksamkeit beim Empfänger. Das Ziel ist die positive Wahrnehmung mit hoher Werbewirkung. Die crossmediale Kampagne kann in paralleler Ausspielung oder zeitlich in gegenseitiger Abhängigkeit (vor-, nachgelagerte Sequenzen, etc.) geplant werden.

7.3.2 Strategien der Kommunikation Die strategische Ausrichtung der Kommunikation orientiert sich immer an Zielsetzungen, die das Unternehmen mittel- bis langfristig verfolgt. Eine allgemein anwendbare Unterscheidung der Kommunikationsstrategien legt Bruhn vor886: – Bekanntmachungsstrategie: Sollen Unternehmen, Produkte oder Marken bei Kunden einen höheren Bekanntheitswert erreichen, müssen auffällige und erinnerungswürdige Kampagnen aufgesetzt werden. – Informationsstrategie: Bekannte und wahrgenommene Unternehmen und Produkte informieren Kommunikationsempfänger über spezifische Eigenschaften, die relevant für die Kaufentscheidung für den Kunden sein können. Die Informationen haben dabei einen rational überzeugenden Inhalt, um alle benötigten Informationen und zusätzliche Details zum Produkt zu kommunizieren. – Imageprofilierungsstrategie: Mit diesem Ansatz sollen beim Kunden positive Einstellungen und Emotionen in Bezug auf die kommunizierte Leistung erzeugt werden. Das Unternehmen erzeugt eine einzigartige Wahrnehmung auf dem Markt.

886 vgl. Bruhn (Kommunikationspolitik), 2019, S. 222 ff.

722 





Guerilla Marketing: Ausdruck für Marketing-Aktivitäten, die bewusst mit Erwartungen der Kunden brechen und neue Erlebnisse oder überraschende Auftritte inszenieren.







 7 Kommunikationspolitik

Konkurrenzabgrenzung: Die einzigartige Wahrnehmung auf dem Markt ergibt sich durch die gezielte Herausstellung von den Unterscheidungsmerkmalen zum Wettbewerb. Sie dient der Profilierung am Markt und der Abgrenzung von Konkurrenten, um Kunden einen einzigartigen Wettbewerbsvorteil aufzuzeigen, der Kaufentscheidungen maßgeblich beeinflusst. Zielgruppenerschließungsstrategie: Auf Basis der Markt- und Kundensegmentierungen sind verschiedene Zielgruppen für das Unternehmen und das Angebot identifiziert worden. Mit einer gezielten Kommunikationsstrategie auf ausgewählte Zielgruppen werden diese konkret angesprochen und können bestenfalls zu einer Erweiterung der Endkundenreichweite beitragen. Kontaktanbahnungsstrategie: Nicht nur absatzrelevante Zielsetzungen werden durch die Kommunikation erzielt. Mit dieser Strategie werden die Kommunikationsinstrumente auf weitere Adressaten ausgerichtet. Die Kontaktanbahnungsstrategie ist der Ansatz, die Kommunikation beispielsweise gegenüber der interessierten Öffentlichkeit (z. B. im Rahmen Public Relations und Öffentlichkeitsarbeit) oder auch Geschäftspartnern aufzubauen. So kann dieser Ansatz genutzt werden, um erste Kontakte zu möglichen Distributoren im Ausland bei einer Exportstrategie zu entwickeln. Beziehungspflegestrategie: Kundenbindung als spezielle Aufgabe von Marketing und Vertrieb erfordert einen besonderen Kommunikationsstil. Vielfach wird mit dieser Strategie eine dialogische Komponente in Verbindung gebracht, da Kundenwissen eine gezielte Personalisierung der Kommunikation zulässt. Widerstandsstrategie: Unternehmen versuchen, einen Status Quo zu erhalten. Wenn beispielsweise Änderungen im Umfeld eine Anpassung der Unternehmensstrategie nahelegen würden, kann durch zielgerichtete Kommunikation bei den Stakeholdern und Zielgruppen die Veränderung verzögert oder angehalten werden.

Diese Strategien finden sich in den Kommunikationskonzepten der Unternehmen wieder. In der Regel wirken diese verschiedenen Zielsetzungen zusammen. Ein auffälliger Werbespot im Radio (bspw. Seitenbacher Müsli) führt zu Konkurrenzabgrenzung, informiert Kunden über Inhaltsstoffe und Geschmacksrichtungen (Informationsstrategie) und baut die Markenbekanntheit durch die wiederkehrenden Elemente der integrierten Kommunikation auf (markanter Werbespruch zur Beziehungspflegestrategie). Auch die Grenze zur Vertriebspolitik ist fließend.

7.4 Operative Planung der Kommunikation 

 723

7.4 Operative Planung der Kommunikation Zunächst kann nach der Art einer Botschaft gefragt werden. Grundsätzlich sind verbale und nicht-verbale Informationsinhalte zu unterscheiden. Zu den verbalen Ausdrucksformen gehören Text-, Sprach- und Musikbotschaften. Als nonverbale Botschaftsformen sind stehende oder bewegte Bilder, Geräusche, Töne, Mimik, Gestik, Musik, Geschmack, Gerüche oder Anfühlbarkeit (Haptik) aufzuzählen. Tabelle 7.6 führt wesentliche Gestaltungselemente der Kommunikation auf und ordnet deren Bedeutung ein. Tabelle 7.6: Gestaltungselemente der Kommunikation. Gestaltungselement

Beschreibung

Headline

Kurze und erinnerungsstarke Überschriften und Headlines erzielen die beste Kommunikationswirkung, die inhaltliche Formulierung muss eindeutig sein.

Farben

Farben sollen Aufmerksamkeit erregen. Zudem müssen Farben eine Wiedererkennung des Kommunikationsabsenders erlauben.

Größe

Größere Elemente haben mehr Chance und Zeit zur Wahrnehmung. Sie werden i.d.R. schneller und länger wahrgenommen.

Platzierung

Kommunikation muss an den Stellen platziert werde, wo der Blickverlauf der Kunden verweilt. Bei Printanzeigen geht der Blick von links oben nach rechts unten. Bei Online Suchen wird die erste Suchergebnisseite bevorzugt, die auch Werbeanzeigen transportiert.

Bilder

Bilder sind schnell zu erfassen. Sie müssen für die gewünschte unterstützende Wirkung für die Kommunikation hin ausgewählt werden. Wahrnehmungsbilder werden so ausgewählt, dass die Bedeutung vom Betrachter direkt identifiziert wird. Gedächtnisbilder haben den Ansatz, durch das Betrachten der Bilder weitere innere Bilder beim Betrachter auszulösen.

Schriftgestalt

Lesbarkeit und Art der Anmutung (traditionell, modern, etc.) sind relevante Entscheidungsparameter bei der Wahl der Schriftarten.

Absatzsetzung

Kurze, lesefreundliche Absatzgestaltung ist ein wichtiges Gestaltungselement, um den Mediennutzungsverhalten der Zielgruppen zu entsprechen. Auf Social Media wird sehr sparsam formuliert und mit kurzen Absätzen strukturiert, um der Kurzzeitbetrachtung der Kommunikation zu entsprechen.

724 

 7 Kommunikationspolitik

Der Kommunikationspolitik steht eine Fülle von Medien und Gestaltungsformen zur Verfügung. Diese Vielfalt der Instrumente ist auch notwendig, denn die Unternehmen stehen „immer seltener in einem Produktwettbewerb, sondern immer häufiger in einem Kommunikationswettbewerb.“887 Abbildung 7.31 beschreibt ein System von Instrumenten. Imagepolitik Corporate Identity Corporate Design

Corporate Behavior

Öffentlichkeitsarbeit/ Public Relations

Messen-Events und Ausstellungen Corporate Publishing – – – –

Geschäftsbericht Imagebroschüre Corporate Website Mitarbeiter- Zeitschrift

Corporate Culture

Instrumente, die vorrangig Unternehmensleistungen, Produktgruppen und Einzelprodukte bewerben

Instrumente, die vorrangig das Gesamtimage eines Unternehmen stärken

Sponsoring

Corporate Communication

Internet-Marketing und OnlineWerbung – – – – – – – –

SEA und SEO Display- und Bannerwerbung Mobilwerbung E Mail und Newsletter Social Media Marketing Influencer Marketing Ingame und Metaverse- Marketing Affiliate Werbung

Klassikmedien und Klassikwerbung – – – –

Instrumente, die vorrangig den Verkauf unterstützen, Kunden direkt ansprechen und binden

– – – – –

Dialogmarketing und Direktwerbung

Direktwerbung mit Print Direktwerbung digital Direktwerbung mit dem Telefon Verkaufsförderung Verkaufsunterlagen

Kundenbindungsinstrumente – – –

Kundenkarten Kundenclubs Coupons. Rabatte

TV- und Bewegtbildwerbung Radio- und Audiowerbung Printwerbung Außen und OoH- Werbung

Abbildung 7.31: Übersicht der Instrumente der Kommunikationspolitik.





Kommunikationsinstrumente wie Corporate-Identity-Politik, Öffentlichkeitsarbeit (PR), Corporate Publishing, Sponsoring und EventMarketing sollen keine speziellen Produkte bewerben, sondern ein positives Bild der Unternehmung in der Öffentlichkeit formen. Klassische Medienwerbung in Online-, Print- und Audio-visuellen Medien, Außenwerbung, große Bereich der Verkaufsförderung mit Messen und Ausstellungen sowie viele Spezialinstrumente sollen Erinnerungs- und Präferenzwerte für bestimmte Angebotsleistungen (Produkte) schaffen. In ihrer höchsten Vollendung schafft Werbung Markenwerte, d. h. Käuferpräferenzen für Markenprodukte.

887 Bruhn, (Kommunikationspolitik), 2019, im Vorwort S. V.

7.4 Operative Planung der Kommunikation 



 725

Instrumente wie Direktwerbung, Verkaufsunterlagen, Bindungsinstrumente wie Coupons oder auch Rabattmarken unterstützen speziell den persönlichen Verkauf. Werbung dient hier dem Verkauf!

Alle Kommunikationsinstrumente haben ihren Ursprung in einer ganzheitlichen Imagepolitik und fließen in dieser wieder zusammen.

7.4.1 Abgrenzung mittels Positionierung als Ziel der Kommunikation Um eine starke Marke im Rahmen einer Kommunikationsstrategie umzusetzen, stellt die Abgrenzung vom Wettbewerb eine der wichtigsten Zielsetzungen dar. Im Rahmen der Wettbewerbsstrategien wurden weiter vorn die Strategien nach Porter beschrieben. In der Quintessenz hat Michael Porter die Möglichkeit der Erschaffung eines Wettbewerbsvorteils mit den beiden Optionen günstiger (die sog. Kostenführerschaft) oder anders (die sog. Differenzierung) beschrieben. Wenn ein Unternehmen keinen Kostenvorteil besitzt und ggf. sogar teurer als der Wettbewerb anbietet, muss es für diesen Aufpreis einen für den Kunden nachvollziehbaren Grund geben. Dieser Vorteil muss kommuniziert werden. Zentrale Unterscheidungsmerkmale

Erwartungen Kunden

Eigener USP

Irrelevante Aspekte

WettbewerbsParität

USP Wettbewerb

Abbildung 7.32: Zentrale Unterscheidungsmerkmale vom Wettbewerb.

Abbildung 7.32 zeigt, welche Positionen in der operativen Umsetzung der Werbung beim Kunden zu kommunizieren sind. Ausgehend vom eigenen USP kann eine Kommunikationsstrategie entwickelt werden. Dabei stellt das Unternehmen eigene Vorteile in den Mittelpunkt und etabliert eine Alleinstellung aus Sicht des Kunden. Sind Alleinstellungsmerkmale für die

726 

 7 Kommunikationspolitik

Kunden in der Kaufentscheidung und in seinen Erwartungen nicht relevant, tragen sie nicht zur nachhaltigen Abgrenzung von der Wettbewerbsposition bei. Zudem muss das Unternehmen bei der Entwicklung der operativen Kommunikationsstrategie auch die mit dem Wettbewerb vergleichbaren Positionen berücksichtigen. Mit austauschbaren Produkteigenschaften wird ein Unternehmen keine Abgrenzung vom Wettbewerb erzielen. Die Eigenschaften sind vielleicht aus Sicht des Kunden Mindesteigenschaften, die der Markt an die Leistungsfähigkeit des Produkts oder der Dienstleistung stellt. Zur kommunikativen und inhaltlichen Abgrenzung tragen sie nicht bei. Erfolgstreiber sind eigene Leistungsvorteile oder Alleinstellungen, die Kunden einerseits als Erwartungen an die Produktleistungen haben und die andererseits vom Wettbewerb nicht erreicht werden. Auf diesen zentralen Unterscheidungsmerkmalen wird in der operativen Ausgestaltung einer Kommunikationsstrategie aufgebaut, um eine Abgrenzung vom Wettbewerb zu forcieren. Wenn diese Elemente im Erwartungshorizont der Kunden liegen, kann das Kaufinteresse geweckt werden.

7.4.2 Corporate Identity und Image Wendelin Wedekind, früher bei VW/Porsche, wird mit dem Satz zitiert: „Ich arbeite für das großartigste Unternehmen der Welt. Wir stellen etwas her, was niemand wirklich braucht. Kein Mensch braucht einen Porsche, und trotzdem will ihn jeder haben.“ Selten wurde die Bedeutung eines überragenden Unternehmensimage so prägnant in der Öffentlichkeit kommuniziert. Dieser Satz von Wedekind kennzeichnet damit auch die Magie der Imagekraft. Manager wie Politiker sind deshalb sorgsam darauf bedacht: – ein sympathisches Bild in der Öffentlichkeit abzugeben und zu sichern (Schädlich sind Imagepannen: z. B. Shell mit der Bohrinsel-Affäre Brent Spa oder Benetton mit einer zwar aufmerksamkeitsstarken, aber vom Verbraucher überwiegend als unangenehm empfundenen Werbekampagne), – in der Gesamtschau aller persönlichen und unternehmensbezogenen Aktivitäten mit einem einheitlichen Erscheinungsbild aufzutreten, – welches sich zudem wohltuend und prägnant von Wettbewerbern abhebt – und das voraussichtlich über einen längeren Zeitraum stabil ist.

7.4 Operative Planung der Kommunikation 

 727

Ein Image besteht aus wertenden Eindrücken von einem Bezugsobjekt (Person, Produkt, Firma, etc.), die sich zu einem ganzheitlichen Bild verbinden.888 Imagepolitik umfasst alle Maßnahmen, um bei Interessenten, Kunden und in der Öffentlichkeit ein bestimmtes Bild über eine Unternehmung, eine Person oder über ein Produkt/eine Marke zu formen oder zu verändern oder um Einstellungen in einer bewussten Weise zu beeinflussen (verändern). Das Problem für die Wirtschaft: Imagepolitik wird leicht vernachlässigt, weil Image nach deutschem Bilanzrecht keine Berücksichtigung in der Bilanz findet (Thema immaterieller Firmenwert). Ein Image entspricht einer persönlichen Einstellung des Betrachters zu einem Gegenstand (siehe dazu auch Abbildung  7.12 und die dazugehörigen Darstellungen und Erläuterungen). Die Imagepolitik einer Unternehmung versucht in die „Black Box“ des Kunden zu stoßen und diese inneren Bilder zu beeinflussen. Die bereits angeführten Punkte (1)  Anstreben eines positiven Bildes, (2) eines einheitlichen Erscheinungsbildes und einer (3) Wettbewerbsdifferenzierung umreißen die Ziele der Imagepolitik. Grundlage von Images sind die behandelten inneren Bilder (Schlüsselbilder). Die große Bedeutung der Imagepolitik für die marktorientierte Unternehmensführung gründet sich auf folgende Sachverhalte889: – Images beeinflussen strategischen Unternehmenserfolg und Marktanteile. – Images sind wesentliche Erfolgsfaktoren für den Shareholder Value. – Positive Unternehmensimages ummanteln Marken-Images. – Positive Images motivieren eigene Mitarbeiter stark. – Images sind hochsensibel und können nur bedingt beim Kunden forciert werden. – Images besitzen wegen eines hohen Zeitbedarfs zum Aufbau und bei gleichzeitig großer Gefahr schneller Imageverluste hohe strategische Brisanz. – Alle unternehmerischen Teilbereiche tragen zum Unternehmensimage bei. – Images im Markt, die nicht mit Unternehmensvision und Mission in Einklang stehen, sind kontraproduktiv. Eine derartige Situation erfordert eine Neuausrichtung der Kommunikationspolitik.

888 vgl. z. B. die Erläuterungen bei Trommsdorff, Teichert, (Konsumentenverhalten), 2011, S. 133–134.; Andritzky, (Operationalisierbarkeit), 1976, S. 215. 889 vgl. zu einigen Punkten: Huber, (Imageplanung), 1993, S. 76, wobei wir aber wegen der Unerreichbarkeit der inneren Bilder keinesfalls mit Huber übereinstimmen, dass Images vom Management „direkt beeinflussbar“ sind.

728 

 7 Kommunikationspolitik

Erfolgreiche, starke Images von Unternehmen oder Produkten zeichnen sich durch verschiedene Qualitäten aus: (1) Prägnanz: Prägnante Images sind durch Klarheit, Richtigkeit und eindeutige Zurechenbarkeit gekennzeichnet. Problematisch sind diffuse Images. (2) Konstanz: Ständig wechselnde Imagebotschaften können sich beim Kunden nicht zu einem positiven Bild verfestigen. Kontinuität in der Imagepolitik bzw. Konstanz bei den Botschaften ist bedeutend. (3) Differenzierung: Anzustreben sind Unverwechselbarkeiten gegenüber der Konkurrenz. Ein Image sollte auf Distanz zu Wettbewerbsimages gehen. (4) Originalität: Gute Imagebotschaften sind originell, verblüffen den Empfänger, hinterlassen oft ein Schmunzeln, ohne platt oder anstößig zu wirken. Gute Ideen werden in der Konsumwelt vom Verbraucher honoriert (z. B.: die Alpenbilder von Lila Pause oder das Deutschland-Image der BMW-Werbung). (5) Keine Markenspannungen, d. h. keine signifikanten Dissonanzen zwischen Markenversprechen und Produkterfahrungen der Käufer. (6) Kongruenz: Bei starken Images decken sich Selbst- und Fremdbild. Leider sieht einen die Umwelt nicht immer so, wie man das gerne hätte. Hauptziel der Imagepolitik ist folglich eine möglichst hohe Kongruenz zwischen Selbstimage und dem im Markt gewachsenen Fremdimage. Alle Aktionen eines Unternehmens, alle Botschaften seiner Mitarbeiter sowie seiner Produkte und Dienstleistungen haben imagebildende Wirkung. Dadurch stehen alle Marketing- und Vertriebsinstrumente in einer Beziehung zur Imagepolitik. Unternehmen streben Imagebildung über Kommunikationsinstrumente an, es gibt aber keine ausschließlich das Image fördernde Instrumente. Es gilt, Erfolgsfaktoren und Aktionsbereiche zu finden, durch die Images in der Öffentlichkeit positiv beeinflusst werden können. In den letzten Jahren hat sich der Bereich der Corporate Identity dabei bewährt, ein kontrolliertes äußeres Erscheinungsbild des Unternehmens und seiner Produkte in der Öffentlichkeit und damit auch bei Interessenten und Kunden zu prägen. Die Begriffe Unternehmensimage und Corporate Identity lassen sich nicht scharf voneinander abgrenzen. Birkigt und Stadler nehmen die Begriffsabgrenzung im Sinne von Eigen- und Fremdbild vor: „Corporate Identity bezeichnet das Selbstbild des Unternehmens, Corporate Image dagegen sein Fremdbild. Image ist also die Projektion der Identity im

7.4 Operative Planung der Kommunikation 

 729

sozialen Feld.“890 Diese Definition stellt eine interne Firmenpersönlichkeit neben ein externes Firmenimage. Alternativ kann die Corporate Identity auch in eine umfassende Imagepolitik eingebettet werden: Corporate Identity ist das sichtbare Erscheinungsbild, der sichtbare Marktauftritt einer Unternehmung nach außen und gegenüber Mitarbeitern. Die Corporate Identity ist somit ein bewusst angestrebtes Erscheinungsbild. Das Image einer Unternehmung ist das tatsächliche Bild über eine Unternehmung und deren Leistungsprogramm in den Köpfen der Verbraucher (Fremdbild). Corporate Identity Politik umfasst Maßnahmen zur gezielten Gestaltung und bewussten Vereinheitlichung von Firmenbild und Marktauftritt. „Corporate Identity ist Unternehmenskommunikation mit dem Ziel, die Einstellungen meinungsbildender Gruppen zu einem Unternehmen zu formen oder zu verändern.“891 Dabei ist Corporate Identity nicht als eigenständiges Instrument im Rahmen der Kommunikationspolitik zu verstehen, sondern als Gesamtheit von Gestaltungs- und Ausführungsanweisungen für andere Instrumente. Die Corporate Identity Regeln werden i. d. R. in einem Corporate Identity-Handbuch beschrieben. Über die Einhaltung wacht üblicherweise das Marketing oder eine an die Geschäftsführung berichtende Stabsstelle. Die Corporate Identity Politik ist tragender Kern der Imagepolitik. Die Imagepolitik geht über die Corporate Identity Politik hinaus. Sie umfasst ergänzend die Fülle von imagebildenden Handlungen und Ereignissen in der Praxis, die oft nicht in die gezielte Steuerung des Erscheinungsbildes eingebracht werden (z. B. Auftragsabwicklung, Reklamationswesen) oder nicht eingebracht werden können. Bsp.: Mit Handelspartnern werden gemeinsame imagebildende Maßnahmen abgestimmt. Handelspartner wollen sich der Corporate Identity des Lieferanten aber nicht unterordnen. Oder: Eine neue Verpackung soll ein Hochpreis-Image fördern, wird aber nicht im Rahmen der Corporate Identity geplant. Abbildung 7.33 veranschaulicht den Zusammenhang zwischen Unternehmensimage und Corporate Identity. Corporate Identity Regelungen sollen das Unternehmensimage verbessern, indem beeinflussbare Imagekomponenten vereinheitlicht werden. Vier unterschiedlich weit gefasste Ansätze für eine gewünschte Corporate Identity­Standardisierung werden vorgeschlagen:

890 Birkigt et al. (Corporate Identity), 2002, S. 23. 891 Demuth, (Erfolgsfaktor Image), 1994, S. 27. Diese Definition kann aber ebenso gut auf den Bereich Public Relations angewandt werden.

Co rp De orat sig e n

730 

 7 Kommunikationspolitik

Co Be rpo ha ra vio te r

Corporate Identity

Selbstbild feld~

nungs

~Span

Corporate Image

Fremdbild Corporate Communications Marktorientierte Unternehmensführung

Imagepolitik

Internes und sozioökonomisches Umfeld

Abbildung 7.33: Spannungsfeld zwischen Identity und Image.









Corporate Design: Der designorientierte Ansatz beschränkt sich auf die Vereinheitlichung optischer Erkennungselemente (z. B. Apple iPhone, Porsche Design, Braun-Design, Bang&Olufsen). Corporate Behavior: Der führungsorientierte Ansatz will das Selbstverständnis der Unternehmung mit dem Verhalten der Mitarbeiter in Einklang bringen. Corporate Communication: Der kommunikationspolitische Ansatz beschränkt Corporate Identity auf Maßnahmen von Werbung und PR. Corporate Culture: Die Aspekte verschmelzen langfristig zu einer Unternehmenskultur. Diese ist als Resultierende zu verstehen und weniger ein als gestaltbares Instrument der Imagepolitik.

Am einfachsten planbar ist das Corporate Design. Es zielt auf Standardisierung visueller Elemente des Auftritts der Unternehmung in der Öffentlichkeit. Das Logo von Unternehmen und Produkten, Produktgestaltungselemente (z. B. der stilisierte blau-weiße BMW-Propeller), Gebäudefassaden (z. B. alle Markentankstellen, Einzelhandelsketten), Briefpapier, Visitenkarten, LKW-Planen, Verpackungen, kurz: alle denkbaren Imageträger werden mit gleichen bzw. aufeinander abgestimmten, sichtbaren Identifikationsmerkmalen ausgestattet. Corporate Design legt sozusagen die Handschrift des Unternehmens fest. Ein Paradebeispiel für ein konsequentes Corporate Design ist die Marke Coca-Cola. Das Firmenlogo – der markante, weiße Schriftzug auf rotem Hintergrund – wird weltweit auf Produkten, Verpackungen, Werbungen, Fahrzeugen, Arbeitskleidung, Briefbögen etc. umgesetzt. Corporate Behavior „bildet die in sich schlüssige und widerspruchsfreie Ausrichtung aller Verhaltensweisen der Unternehmensmitarbeiter

7.4 Operative Planung der Kommunikation 

 731

im Innen- und Außenverhältnis.“892 Wichtig ist, dass Firmeninhaber und Führungskräfte – wie Gallionsfiguren – den Mitarbeitern und Öffentlichkeit bekannten Unternehmenswerte vorleben. Die Gründer von Fritz Kola, Mirco Wolf Wiegert, oder Wolfgang Grupp von Trigema sind hierfür treffende Beispiele. Auch beinhalten Corporate Identity-Handbücher Regeln und Empfehlungen, wie Mitarbeiter Schriftwechsel und verbale Kommunikation (z. B. die Anrufannahme am Telefon: Guten Tag, hier ist die Deutsche Telekom, mein Name ist xxx, was kann ich für Sie tun?) mit Kunden, Lieferanten und der Öffentlichkeit zu führen haben. Die Grenze zur Corporate Communication ist fließend. Corporate Communication umfasst Standardisierungsregeln, nach denen relevante Kommunikationsbotschaften in der Öffentlichkeitsarbeit, in Werbung, im Messewesen, in Verkaufsförderung, beim Sponsoring etc. auf die gewünschte Unternehmens- oder Produktidentität hin abzustimmen sind. Auch Stil und Inhalte im Schriftverkehr und auf Anrufbeantwortern sind zu standardisieren. Von besonderer aktueller Bedeutung ist die Aufgabe, mit Mitarbeitern Kommunikationsregeln für ihr Engagement in den Social Media zu vereinbaren. Corporate Communication wird dann vom Thema Compliance tangiert. Bei einer Corporate Identity aus einem Guss fügen sich alle Elemente zu einer Firmenkultur zusammen. Eine Unternehmenskultur lässt sich nicht herbeireden. In einer Firma mit ausgeprägter Kultur werden sich nur Mitarbeiter dauerhaft wohlfühlen, die sich nach eigenem Selbstverständnis mit der Firmenkultur identifizieren. Einstellungen, Normen und das Selbstverständnis der Unternehmung gegenüber ihrer Umwelt sind berührt. Auch der Begriff Corporate Philosophy versucht das Phänomen konturierter Imageprofile von Unternehmen zu erfassen. Die Imagepolitik sollte über die operativ gefassten Corporate IdentityRegelungen und Corporate Identity-Handbücher hinausgehen. Sie ist ein umfassender Prozess zur Analyse und Festlegung von Ist- und SollImages (Image-Positionierung), zur Auswahl und zum Einsatz imagebildender Instrumente sowie zur Imagekontrolle auszugestalten.893 Ein interessantes Modell hierzu bietet die GfK im Rahmen des Brand & Communication Research an. Als wichtigste Imagefaktoren sind Sympathie und Kompetenz identifiziert. Unternehmen lassen sich nach diesen Faktoren in einem Reputationsportfolio mappen894.

892 Meffert et al., (Marketing), 2000, S. 708. 893 vgl. Hätty, (Markentransfer), 1989, S. 93. 894 vgl. Schwaiger et al., (Unternehmensmarke), in: ASW, 12/2003, S. 35.

732 

 7 Kommunikationspolitik

Abbildung  7.34 veranschaulicht die Methode. Ein Zwei-Faktoren-Portfolio ist jedoch grob, um differenzierte Imagekampagnen zu fahren. Deshalb durchleuchten höher entwickelte Imageanalysen die semantischen Potenziale der Unternehmensbilder.

REPUTATIONS-/ IMAGEPORTFOLIO 100

Kompetenz in Prozent

90 BMW

80

Lufthansa

70 60

Allianz

EOn

50 40 30

40

50

Sympathie in Prozent

60

70

80

(Quelle: Schwaiger; Högl; Hupp, (Unternehmensmarke), in: ASW, 12/2003, S. 35)

Abbildung 7.34: Reputations-/Imageportfolio.

Abbildung 7.35 zeigt das Brand Personality Gameboard der GfK Marktforschung.895 Das Gameboard visualisiert Ähnlichkeiten in Wahrnehmungsprofilen von Marken und Menschen. Die GfK Marktforschung und McKinsey arbeiten mit Erkenntnissen auf dem von Aaker beruhenden Ansatz zusammen. Nach dem weiter vorn beschriebenen Verfahren der multidimensionalen Skalierung werden Marken bzw. Unternehmen in einem Spannungsfeld von 13 Persönlichkeitsmerkmalen in Beziehungen zueinander gesetzt. Kraft versus Geist und Vernunft versus Lust sind die gegensätzlichen Pole. Der Abstand zwischen den Imagepositionen spiegelt den Grad der Ähnlichkeit wider. Die Biermarke Becks (frühere Kampagne: Sail away) ist prägnant in Richtung Selbstverwirklichung aufgestellt. Bruce Willis entspricht dieser Persönlichkeitsposition. L’Oréal repräsentiert franzö895 vgl. Hölscher, Hupp, (Persönlichkeiten), in: ASW, Sonderausgabe Marken, 3/2003, S. 122; ferner Manuskript von Dr. Hupp: (Markenpersönlichkeit). Vgl. zur Imagepositionierung alternativ auch den CAPO-Ansatz: Krüger. Buri, (CAPO), in: ASW, Sonderausgabe Marken, 3/2002, S. 92–95.

Abbildung 7.35: Brand Personality Gameboard der GFK.

Goethe

Günther Jauch

Charmant

Geist

Alfred Biolek

Richard von Weizsäcker

Robin Hood

(Quelle: mit frdl. Genehmigung von Dr. Oliver Hupp, GfK Marktforschung)

Julia Roberts

Evita Thomas Gottschalk

James Bond

Alice Schwarzer

Nelson Mandela

Gandhi

Quelle: GfK Marktforschung, n = 900, McKinsey

Vornehm

Ehrlich

Wohlerzogen

Zuverlässig

Authentisch

Intelligent

Vernunft

Robbie Williams

Fröhlich

Bruce Willis

Freiheitsliebend

Lust

Leidenschaftlich

Temperamentvoll

Kraft

MickJagger

Lance Armstrong

Rocky

Robust Mutig

DAS BRAND PERSONALITY GAMEBOARD DER GfK MARKTFORSCHUNG

7.4 Operative Planung der Kommunikation   733

734 

 7 Kommunikationspolitik

sischen Charme. Einem internationalen Image wird am ehesten Julia Roberts gerecht. Die sich aus der Imagepositionierung ergebenden Fragen lauten: – in welchem Imagefeld kaufrelevanter Eigenschaften eine Unternehmung, eine Marke oder eine Person aufgestellt ist, – ob das Image dort auf ein ausreichend großes Kundensegment trifft, – welche Positionierungen die relevanten Wettbewerber einnehmen, – ob eine Position glaubwürdig ist. Lassen sich diese Fragen eindeutig und positiv beantworten, kann von einer Idealpositionierung gesprochen werden. Das GfK-Gameboard bestätigt die große Bedeutung emotionaler Ladungen einer Imagepositionierung. Wer mit falschen Personen oder Begriffen wirbt, hat keine Chance. Ein konsistenter Imageaufbau ist Grundstein für Vertrauensaufbau für die Entwicklung von Marken. Krombacher gilt als Positivbeispiel: Nach dem ersten Kampagnenstart mit Günther Jauch stieg der Umsatz um 3 Prozent.

7.4.3 Markenname und Claim Die Relevanz der Marken aus strategischer Sicht ist in Kapitel 7.2 diskutiert und beschrieben. In der operativen Umsetzung stehen Unternehmen unterschiedliche Vorgehensweisen zur Verfügung, wie ein aussagekräftiger Markenname entwickelt werden kann. Der Markenname besitzt eine hohe Relevanz für die Wahrnehmung des Angebots durch Kunden. Identische Produkte mit verschiedenen Markennamen werden von Kunden unterschiedlich bewertet. Zudem kann ein bekannter Markenname eine Präferenzbildung bei Kunden erzielen. Der Weltmarktführer Coca Cola wird bei den meisten Blindverkostungen von Kunden nicht als präferierte Cola-Marke ausgewählt. Trotzdem gewinnt Coca Cola bei vielen Kaufentscheidungen am Warenregal durch die starke und bekannte Marke gegenüber den Wettbewerbern. Der Name ist bei der Produktauswahl durch Kunden vielfach das unterscheidungsstärkste Element. Produktqualitäten und Leistungsfähigkeiten von Serviceangeboten lassen sich für Kunden meist erst nach dem Kauf bewerten. Der Markenname wird in Millisekunden wahrgenommen. Es bilden sich Assoziationen im Gehirn des Kunden, und Einstellungen gegenüber den Produkten formieren sich. Bei der Entwicklung von Markennamen stehen verschiedene Überlegungen im Mittelpunkt:

7.4 Operative Planung der Kommunikation 

– – – –

 735

Welches Image soll durch den Markennamen beim Kunden erzeugt werden? Welche Themenfelder soll/kann der Markenname besetzen? Welche Zielgruppe soll der Markenname ansprechen? Wie soll die Marke preislich im Wettbewerb positioniert werden?

Um Markennamen zu kreieren, kann man sich in der Praxis unterschiedlichen Vorgehensweisen und Ansätzen bedienen. Die zu kreierenden Marken können dabei aus verschiedenen Kategorien entwickelt werden: Tabelle 7.7: Markennamen-Entwicklung. Nr.

Ansatz

Beschreibung

Beispiel

1

Eigennamen

Markennamen, die bspw. auf den Gründerpersonen beruhen

Krupp, Siemens, Bosch, Villeroy & Boch, Jil Sander

2

Inhaltliche Begriffe

Aus dem Produkt oder der Dienstleistung abgeleitet

SodaMax, Club Mate, Pocket Coffee

3

Technische Begriffe

Die Namen werden in TeldaFax, chromecast, IoT, Anlehnung an die verwendete Thinkpad, Reebok (afrik. Technologie entwickelt Antilopenart)

4

Kunstnamen

Entwicklung von Markennamen, die bei Kunden spezifische Assoziationen wecken sollen

FlickR, AirBnB, Debeka, Jack Wolfskin, Jim Block, Prinzenrolle, Häagen Dasz

5

Lexikalische Begriffe

Alle Worte des Dudens

Müller Joghurt, wer liefert was, Niedrig Kalkuliert Discount (NKD)

6

Übersetzungen

Fremdsprachliche Begriffe mit inhaltlicher Bedeutung

VOX (lat. Für Sprache), Hyundai (koreanisch für Modernität)

7

Ortsbezeichnungen

Namen mit Bezug zu regional oder überregional relevanten Orten, Städten oder Ländern

Rügenwalder Mühle, Hannöversch Pils, Hansaplast,

8

Abkürzungen

Aus zentralen Buchstaben des Namens neu entwickelte Kurzformen

AEG, BMW, Audi

9

Akronyme

Kurzwort, was aus den Anfangsbuchstaben des Markennamens gebildet wird

REWE, ALDI (Albrecht Discount), Milka (Milch & Kakao), Haribo

10

Kombination von Worten und Zahlen

Möglichkeit der Betitelung von Produktwelten

A320, A330, A340, BMW 3er-Reihe, 8x4

736 

 7 Kommunikationspolitik

Tabelle 7.7 (fortgesetzt) Nr.

Ansatz

Beschreibung

Beispiel

11

Lautmalerische Begriffe

Besonderer Nachahmung von besonderen Geräuschen etc.

Flip Flop, BiFi (wie beefy)

12

Alliterationen

Kombination mit gleich klingenden oder gleich geschriebenen Worten, erzeugt Erinnerbarkeit

Bitte ein Bit, Tom Tom

Die in Tabelle  7.7 vorgestellten Ansätze helfen, abgrenzungsstarke Marken zu entwickeln. Die Entscheidung für einen Markennamen ist langfristig orientiert und positioniert Produkte und Unternehmen in der Wahrnehmung der Konsumenten. In der digitalen Welt müssen Markennamen neben den sprachlichen Eigenschaften auch Internet-tauglich sein. Dafür müssen Sie in allen für den Markenauftritt relevanten Sprachen in weitgehend identischer Art schreibbar sein. Dies ist insbesondere relevant bei Sprachen, die einen Schriftsatz haben, der von der klassischen englischen Schrift abweicht (in der deutschen Sprache bspw. Namen mit „ä“, „ö“, „ü“ oder „ß“. Zudem müssen benötigte Internetdomains und passende Social Media Profile verfügbar sein. Der Claim, umgangssprachlich oft als Slogan bezeichnet, unterstützt die Positionierung der Marke und des Markennamens. Da er i. d. R. länger als der Markenname ist, kann der Claim mehr Inhalt transportieren und das Markenversprechen zum Ausdruck bringen. Dafür nutzen Claims verschiedene Ansätze:896 – Begründung oder „Reason Why“: Der Claim kann zum Ausdruck bringen, warum die Marke besser ist als der Wettbewerb, zum Beispiel Mercedes: „Das Beste oder nichts“ grenzt sich eindeutig von anderen Automarken ab. – Aufforderungen: Der Claim kann eine Handlungsaufforderung formulieren. Die Biermarke Bitburger mit „Bitte ein Bit“ bringt die Bestellung des Getränks im Slogan unter. – Erklärungen und Leistungsversprechen: Der Claim kann bei schwer einzuordnenden Markennamen notwendige Erklärungen liefern, anhand derer Kunden die Produkte verstehen. Die Marke Rennie der Bayer AG mit „Rennie räumt den Magen auf“ kommuniziert den Produktnutzen eindeutig.

896 vgl.  zur Diskussion verschiedener Claim-Strategien auch die Metastudie von Bauer, Rietz, (Claims), 2022, S. 70 ff.

7.4 Operative Planung der Kommunikation 



 737

Ergänzende Erläuterungen wie Anspruch, Vision und Haltung: mit diesem Ansatz kann das Markenversprechen ausgeweitet werden. Beispiel Haribo: „Haribo macht Kinder froh und Erwachsene ebenso“. Der Claim sorgt für die Erweiterung der Zielgruppe von Süßigkeiten in Richtung Erwachsene.

Die Umsetzung eines Claims in die Sprachbotschaft ist eine Kunst. Die Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners hat bekannte Slogans auf werberelevante Kriterien hin untersucht und daraufhin folgende Grundsätze für die Gestaltung von Slogans formuliert897: – Inhalt: Ein Slogan muss das Thema und die Inhalte, die kommuniziert werden sollen, prägnant treffen. – Assoziation: Ein Slogan soll eine direkte Assoziation mit dem werbenden Unternehmen hervorrufen. – Differenzierung: Ein Slogan sollte im Vergleich zur Konkurrenzwerbung ausreichend differenzieren. – Klang: Ein Slogan soll gut klingen und einprägsam sein. – Verständlichkeit: Ein Slogan sollte sprachlich verständlich sein. – Identifikation: Ein Slogan sollte nicht nur der Kommunikation nach außen dienen, sondern auch eine Identifikation der Mitarbeiter ermöglichen. – Internationalität: Wegen der zunehmenden Globalisierung sollte ein Slogan diese Anforderungen auch in fremdsprachlichen Übersetzungen erfüllen. – Gefahren durch mangelnde Verständlichkeit: Bsp. Postbank. Aus „Unter‘m Strich zähl‘ ich“ wurde „Unter‘m Strich zahl‘ ich.“ – Zu ergänzen ist noch die Bildaffinität: Ein Slogan sollte direkt eine Brücke zu einem erlebnisstarken Key Visual (eine Visualisierung der Botschaft) bauen. Tabelle 7.8: Markenwerte ausgewählter Unternehmen und Produkte.898 Marke

Markenwert

Markenclaim

Markenklang Schlüsselbild

Audi

Progressiv

Vorsprung durch Technik

„Herzschlag“

Dr. Best

Nachgebend

Die klügere Zahnbürste gibt nach

Tomate

Easycredit

Fairness

Der Kredit, der mehr kann

Blau-orange

897 vgl. o. V., (Slogan), in: ASW, 11/1999, S. 34. 898 Quelle: Kilian (Markennamen), 2013, S. 38.

Vier Ringe

738 

 7 Kommunikationspolitik

Tabelle 7.8 (fortgesetzt) Marke

Markenwert

Google

Einfach

Markenclaim

Reduzierte Startseite

Krombacher Felsquellwasser Eine Perle der Natur Red Bull

Energie

Markenklang Schlüsselbild

Red Bull verleiht Flügel

Melodie der Simple Minds

Bewaldete Insel Flügel

Tabelle 7.8 zeigt die praktische Umsetzung der weiter oben beschriebenen Markenentwicklung und -führung auf. Viele der beschriebenen Beispiele haben ihre Positionierung über Jahre aufgebaut und sich ein festes Bild in den Köpfen der Konsumenten erarbeiten können. Tabelle 7.9 zeigt eine Checkliste für die Entwicklung von Claims auf. Tabelle 7.9: Checkliste für erfolgreiches Claiming.899 Checkliste für erfolgreiches Claiming 1

Rechtslage prüfen: Unter https://register.dpma.de/DPMAregister/Uebersicht sind alle nationalen Marken aufgeführt. Auch Blicke in das Domain-Register und in den Titelschutzanzeiger sind sinnvoll.

2

Ist-Situation klären: Wofür steht die Marke? Was ist das Leistungsversprechen? Passt der Claim zur Unternehmenskultur? Was tut die Konkurrenz?

3

Funktionen beachten: Ein Claim soll Nutzen stiften, soll die Position der Marke stärken und die Bekanntheit erhöhen. Es ist zu prüfen, ob der angedachte Claim diese Aufgaben auch erfüllt.

4

Ziele definieren: Welche zentrale Botschaft soll der Claim vermitteln? Für welche Werte soll er stehen?

5

Prägnanz wahren: Nicht die Länge eines Claims ist entscheidend, sondern die Aussagekraft. Beispiel: Milka – die zarteste Versuchung, seit es Schokolade gibt. Also kann auch ein langer Claim prägnant sein.

6

Kontinuität behalten: Claims brauchen Zeit, um sich durchzusetzen. Claims, die alle 2 Jahre wechseln, weil sie nicht mehr dem Zeitgeist oder dem Markenkern entsprechen, sind wirkungslos.

7

Claim schützen: Claims und Slogans lassen sich wie Logos als Wortmarken oder als Wort-Bild-Marken beim DPMA für zehn Jahre schützen. Ist ein Claim oder ein Logo etabliert und steht für ein Unternehmen oder eine Marke, dann erlangt er Verkehrsgeltung. Das Wettbewerbsrecht schützt den Claim, auch wenn er nicht im DPMA registriert ist.

899 vgl. Reidel, (Claims), in: Horizont, 39/2010, S. 22.

7.4 Operative Planung der Kommunikation 

 739

7.4.4 Bilder in der Kommunikation – Imagery „Denn nicht die Sandburg ist das Wichtigste im Sandkasten des Kindes. Das Wichtigste ist das Bild einer Sandburg, die das Kind im Sinn hatte, ehe es mit dem Bauen anfing. Warum meinst du, dass das Kind sonst die Burg einhaut, sobald sie fertig ist? .... Ist es dir nie passiert, dass du etwas zeichnen oder basteln wolltest, dass du einfach nicht richtig hinbekommen hast? Du versuchst es immer wieder, aber es funktioniert nie. Und das liegt daran, dass dein inneres Bild immer vollkommener ist als die Kopien, die du mit den Händen zu formen versuchst.“900 Bilder sagen mehr als 1000 Worte. Bilder besitzen für das Ansehen und die Markenkraft einer Unternehmung eine fundamentale Bedeutung, dass ihnen ein gesonderter theoretischer Abschnitt gewidmet wird.

„Was zählt, ist die Kraft der Erinnerungswerte ausdrucksstarker Bilder in den Köpfen der Konsumenten.“ (Quelle: Wippermann, 1996, S. 36)

FAKTEN ZUR MENSCHLICHEN BILDVERARBEITUNG Der Mensch kann in 1,5 –2 Sekunden ein Bild mittlerer Komplexität, in der gleichen Zeit aber nur 7 – 10 Wörter aufnehmen. Ein Bildthema wird in 1/100 Sekunde erfasst. 1–2 Sekunden Aufmerksamkeit sind zur Erinnerung für ein Bild mittlerer Komplexität notwendig. Das Gehirn kann bis zu 200 visuelle Bildinformationen pro Sekunde verarbeiten.

Der Mensch kann 21 Bilder pro Minute verarbeiten. Bei 75 Jahren Lebensdauer und 8 Stunden Schlaf pro Tag sind das 551.880.000 in der Bilderbibliothek des Lebens. Im Durchschnitt bleiben einer Anzeige nur 2 Sekunden, um die Aufmerksamkeit eines Lesers zu gewinnen. In den 2 Sekunden kann derMensch nur max. 7 Informationen sinnvoll verarbeiten (= die „magical number 7“ des Psychologen Miller (s. ASW, 12/2003, S. 47). Ein Kunde benötigt durchschnittlich nur 3,44 Sekunden, um ein Angebot im Regal zu registrieren und auszuwählen. Der Mensch ist pro Tag rund 1.600 konkreten und 5.200 unkonkreten Werbereizimpulsen (Impressions) ausgesetzt. Nur 2% der Impressions bleiben in Erinnerung (Problem der Reizüberflutung). Reale Objekte werden besser erinnert als ihre Bilder – Bilder werden besser erinnert als konkrete Wörter – konkrete Wörter werden besser erinnert als abstrakte Wörter. Deshalb gilt: Der Mensch behält 10% von dem, was er liest, 20% von dem was er hört, 30% von dem, was er sieht, 70% von dem, was er sieht und hört und 90% von dem, was er selbst tut (vgl. Focus (2002), S. 72).

Abbildung 7.36: Fakten zur menschlichen Bildverarbeitung.

„Bilder sind Schnellschüsse ins Gehirn.“901 Kroeber-Riel schreibt: „Ein Bild ist die Aufzeichnung eines realen oder fiktiven Gegenstandes, die dem Gegenstand ähnlich ist und deswegen wie der Gegenstand wahrgenommen werden kann.“902 Bilder wirken wie Wirklichkeiten. Tatsächlich besitzen Bild und abgebildeter Gegenstand die gleiche Wahr900 Gaarder, (Kartengeheimnis), 2007, S. 242. 901 Kroeber-Riel, (Bildkommunikation), 1996, S. 53. 902 Kroeber-Riel, (Bildkommunikation), 1996, S. 35, s. auch im Folgenden zu den Definitionen.

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 7 Kommunikationspolitik

nehmungsqualität. Bilder üben folglich die gleichen Reize aus, wie reale Gegenstände und können Menschen, in unserem Fall Interessenten und Kunden, zum Kauf bewegen. Zwischen der Realität und bildlichen Scheinwirklichkeiten besteht eine magische Verwandtschaft. Manchmal sind Scheinwirklichkeiten sogar schöner als die Realität, wie das Eingangszitat andeutet. Abbildung 7.36 fasst Fakten zur täglichen Reizüberflutung durch werbliche Bilder zusammen.

Scratch´n ´Sniffing ist eine Sonderwerbeform, bei der eine Werbefläche mit Duftstoffen behandelt wird, die sich durch Reibung freisetzen.

Erfolgreiche Werbebilder wirken auf alle Sinne: – Visuelle Bilder: Sie beinhalten Bildmotive, Bildgröße, -form, -farbe, Detailreichtum, Platzierung (Darstellung im Kontext) des Bildes als Ganzes, räumliche Organisation der Bildinhalte sowie die möglichen Verknüpfungen der Bilder mit Text, Sprache, Musik, Geräuschen etc. (Apple, Yellow Strom, Meister Propper). – Akustische Bilder: Diese werden in der Kommunikation neben Sprache und visuellen Bildern regelmäßig eingesetzt. Sie umfassen Musik, Geräusche oder vokale Sprechmuster. Bekannte akustische Werbebilder sind z. B. der Marsch für das Reinigungsmittel der General, die Hymne von Underberg, der Jingle der Telekom oder die Sequenz „nichts ist unmöglich“ von …?903 – Geruchsbilder (Duftbilder): Beispiel: die Parfümierung von Kosmetikanzeigen in Brigitte, Elle oder im Manager-Magazin oder der Zitrusduft von Reinigungsmitteln. Jetzt wird sogar versucht, über das Internet Geruchsimpulse an Zusatzgeräte am POS zu geben. – Haptische Bilder: Hierbei geht es um den Tastsinn. Ein Beispiel ist die rauhe Verpackung der Underberg-Flasche, das Wellenmuster der Coca-Cola-Flasche, die typischen Anfühlbarkeiten von Automobillenkrädern oder Armaturenbrettern. Bilder entfalten ihre Kraft auf zweistufige Weise: – als Wahrnehmungsbilder: Diese müssen beim Empfänger eine Wahrnehmungsschwelle überschreiten und werden dann subjektiv interpretiert und weitergehend – als Gedächtnisbilder (Memory Images, Mental Images): Gedächtnisbilder werden für längere Zeit gespeichert und sind aus dem Gedächtnis abrufbar. Gedächtnisbilder gelten als die entscheidenden inneren Bilder. Sie werden mit dem inneren Auge betrachtet. Lt. Kroeber-Riel werden sie „gespei903 Wenn Sie gerade an Toyota denken, dann ist das ein Beweis für die die Kraft dieses musikalischen, aber auch sprachlich eingängigen „Erinnerungsbildes“.

7.4 Operative Planung der Kommunikation 

 741

cherte Emotionen“. Sie steuern das Verhalten und sind deshalb für Werbung von herausragender Bedeutung. Die Gehirnforschung sieht die Verarbeitung dieser inneren Bilder (wie auch die kreativen Vorgänge) in der rechten Gehirnhälfte angesiedelt. Die linke Gehirnhälfte ist mit den kognitiven Prozessen (sprachlich-analytische Vorgänge) des Intellekts befasst. Anfang der 70er Jahre nahm in der Psychologie die Lehre von den inneren Bildern, die Imagery-Forschung, ihren Aufschwung: „Unter Imagery versteht man die Entstehung, Verarbeitung, Speicherung und Verhaltenswirkung innerer Bilder. Diese Vorgänge finden in einem eigenständigen Gedächtnissystem statt.“904 Imagery beschäftigt sich mit Wirkung von informativen und emotionalen Bildern auf das menschliche Verhalten. Vor allem Kroeber-Riel hat die Imagery-Forschung in die betriebswirtschaftliche Forschung, und hier speziell in die Kommunikationspolitik, eingebracht. Die Werbung setzt gezielt Imagerytechniken zur Ansprache und Beeinflussung ihrer Zielgruppen ein. Grundlage sind gesetzmäßige Zusammenhänge von Bildwirkungen. Warum bleiben manche Bilder lange in Erinnerung, andere nicht? Aktivierung Die Aktivierung des Betrachters, d. h. die Erregung von Aufmerksamkeit, stellt die erste Stufe eines Bilderfolges dar. Im Mittelpunkt von Aktivierungstechniken stehen physisch intensive, emotional intensive und überraschende Reize. Physisch intensive Reize gehen vor allem von der Bildgröße und von Farben aus.  Bei einer Auswertung von 600 Anzeigen wurde festgestellt, dass die durchschnittlichen Betrachtungsdauern 2,8 Sek. bei einer zweiseitigen, 2 Sek. bei einer ¾ bis einseitigen und 0,6 Sek. bei einer Anzeige von einer halben Seite betragen. Vierfarbige Anzeigen erreichen fast dreifache Recallwerte (Erinnerungswerte) wie schwarz-weiße Bilder. Die Farbwirkung geht jedoch fast noch stärker in Richtung Sympathie/Antipathie als in Richtung Aktivierung. Emotionale Bildelemente sind klassische Reize der Werbung. Die Werbewirtschaft geht davon aus, dass sich Schlüsselreize, die biologisch vorprogrammierte Reize auslösen, im Zeitablauf kaum abnutzen. Bsp.: die Fahrt im Cabrio dem Sonnenuntergang entgegen oder die heile Familienwelt von Dr. Oetker Pizza. Nach der Aktivierung ist der Kunde bereit, Werbeinformationen anzunehmen.

904 Kroeber-Riel, (Bildkommunikation), 1996, S. 25.

Im Gehirn gibt es ein Lust- oder auch Bedrohungszentrum: der Nucleus Acumbum. Dieser leuchtet, wenn Männer einen Porsche sehen (zit. in salesBusiness, 6/2009, S. 48).

742 

 7 Kommunikationspolitik

Informationsvermittlung Nach der werblichen Aktivierung folgt die bildliche Umsetzung von Produktvorteilen und Anwendungsbeweisen. Eine besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang der „dritte Effekt“ von Bildern, d. h. die Kombination eines beworbenen Produktes mit einer inhaltlich unabhängigen Symbolik, die mit dem Gegenstand nicht unmittelbar in Beziehung steht, aber markante Eigenschaften aufweist. Diese Bildanalogie löst beim Betrachter eine sog. freie Bildassoziation aus. Er überträgt die Eigenschaften der ergänzenden Symbolik auf den beworbenen Gegenstand: „ein Auto, so wendig wie ein Rennpferd.“905 Auslösen von Emotionen Die Werbebotschaften sollen emotionalisieren. Zu unterscheiden sind Klima- und Erlebniswirkungen (z. B. Lifestyle). Klimawirkungen sind kurzfristiger Natur. Sie sollen den Bildbetrachter für den Moment in eine positive Stimmung versetzen. Erlebniswirkungen haben dagegen dauerhafte Kraft. Sie lösen innere Filme aus (Abenteuererlebnisse, Produktanwendungen, z. B. Autofahrten, Einkauf als Erlebnis, Ausleben eines Lebensstils etc.), die der Konsument vor seinem inneren Auge wiederholt abrufen kann. Ziel ist die emotionale Konditionierung. Ein Gegenstand wird immer wieder stereotyp mit einem emotionalen Bild verknüpft, so dass dem Produkt (langsam) ein emotionaler Erlebniswert zuwächst. So ist die Becks-Werbung (viele Grüntöne) zu einem Symbol für das Erlebnis von seemännischer Freiheit und Abenteuer geworden. Das Verkaufsprodukt Bier tritt in den Hintergrund. Drei Voraussetzungen sollten für die Emotionalisierung erfüllt sein:906 – Vorliegen eines starken emotionalen Reizschemas (z. B. Mutter und Kind, Wald und Natur, Sonne und Speiseeis, Meer und Umwelt, Schwiegermutter), – Einsatz einer Dramaturgie, die diesem Schema wirksam entspricht und eine – lebendige Umsetzung des Bildmotivs bzw. der Dramaturgie. Sprachergänzung Werbung bindet meist Sprachinformationen ein. Claims und Slogans sollen Bildelemente verstärken und absichern. Die sprachlichen Zusätze helfen, die inneren Bilder des Betrachters zu festigen. Denn Bilder sind

905 Kroeber-Riel, (Bildkommunikation), 1996, S. 135. 906 vgl. Kroeber-Riel, (Bildkommunikation), 1996, S. 162.

7.4 Operative Planung der Kommunikation 

 743

oft mehrdeutig interpretierbar. Der Text soll das Bild nicht dominieren, sondern gewissermaßen nur einen Rahmen bieten. Entscheidend ist die emotionale Verbindung von Bild und Textbotschaft. Die Sequenz „Wir machen den Weg frei“ der Volks- und Raiffeisenbanken soll hier exemplarisch angeführt werden. Der Konsument wird die komplexe Werbebotschaft (das komplizierte Produkt Finanzdienstleistungen) sprachlich einfach auf einen Punkt bringen. Es gibt zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten von Bild- und Textbotschaften.907 Unter Bezug auf Wember weist Kroeber-Riel auf das Problem der Bild-Text-Schere hin: Werden z. B. eingängige Bilder durch abstrakte Produktinformationen begleitet, wie es oft bei Messepräsentationen geschieht, dann werden die Textinformationen nicht wahrgenommen.908 Aufbau von Gedächtniskraft Fotos vergilben. Werbebilder sollen bleiben. Die Gedächtnisleistung eines Informationsempfängers (Werbeempfängers) hängt vor allem von seiner persönlichen Aktivierung, einer einprägsamen Gestaltung und Vermittlung der Botschaft und von den Bedingungen ab, unter denen eine Botschaft aufgenommen und verarbeitet wird. Eine Bilderinnerung baut sich gleichmäßig innerhalb von 2 – 4 Sekunden auf. Bewegtbilder wie bspw. Fernsehbilder sind daher mindestens 2 Sekunden lang sichtbar sein. Im Social Media-Umfeld werden Anzeigen nur 0,7 Sekunden betrachtet – eine große Herausforderung für die Schaffung von Bilderinnerung. Zur reinen Wiedererkennung reichen kürzere Schaltzeiten. Damit sich Einstellungsänderungen bei Kunden ergeben, sind zahlreiche Wiederholungen notwendig. Kampagnen laufen daher mit wiederkehrenden, sehr ähnlichen Bildern auf dem gleichen Werbeträger über einen längeren Zeitraum. Eine bekannte Technik zur Steigerung der Gedächtniskraft ist die Reminder-Technik: Ein Werbespot üblicher Länge wird mit einem verkürzten Ausschnitt einige Minuten später im gleichen Werbeblock kombiniert. Der Kurzspot greift die Schlüsselszene, den Slogan und die Kernmelodie auf. Wichtig für den Aufbau von Gedächtniskraft sind Schlüsselbilder. Diese sind Bildmotive, die den Kern einer Botschaft visualisieren: „Ein Schlüsselbild ist ein bildliches Grundmotiv für den langfristigen Auftritt der Firma oder Marke, das dazu dient, sachliche oder emotionale Angebotsvorteile im Gedächtnis zu verankern.“909 Gute Beispiele 907 vgl. Kroeber-Riel, (Bildkommunikation), 1996, S. 76. 908 vgl. Kroeber-Riel, (Bildkommunikation), 1996, S. 185–186. 909 Kroeber-Riel, (Bildkommunikation), 1996, S. 201.

744 

 7 Kommunikationspolitik

sind das grüne Schiff von Becks Bier oder die Balken und weißen Blasen von O2. Für Schlüsselbilder gilt910: – Kernelemente müssen eindeutig erkennbar sein. – Das Schlüsselbild muss einprägsam und lebendig gestaltet sein. – Das Schlüsselbild muss in Bezug auf eine Umsetzung in verschiedenen Medien – möglichst mit Überraschungsmomenten – variationsfähig sein. – Das Schlüsselbild muss sowohl langfristig durchhaltbar wie auch im Zeitablauf anpassungsfähig an ein verändertes Käuferverhalten sein. Beeinflussung des Kaufverhaltens In Kenntnis der Wirkungskette des Werbeerfolgs der Abbildung  7.37 kommt es im Endeffekt darauf an, dass eine Botschaft Käuferverhaltensweisen (Kaufentscheidungen und Wiederholungskäufe) dauerhaft konditioniert; also im „Kundenkopf“ programmiert. Einprägsame, lebendige Bildgestaltungen und langfristig konsistente Bildwiederholungen lösen Kaufimpulse aus911. Die Werbung verwendet sozusagen eigene Closing-Techniken.

Bild

GedächtnisBild

Einstellung

Verhalten

Abbildung 7.37: Wirkungskette des Werbeerfolgs.

Imagerystrategien – Zusammenhang der Bilder mit Imagepolitik und Werbung Werbekampagnen vermitteln Botschaften. Bild-, Ton- und Sprachbotschaften sollten im Einklang mit einer Imagery-Strategie stehen. Imagery-Strategien erhöhen die Durchsetzungskraft auf dem Markt. Fünf Wirkungszusammenhänge für Botschaften und Bilder sind zu beachten: – Der formale Marktauftritt des Unternehmens wie auch aller Produkte ist zu vereinheitlichen (einheitliches Erscheinungsbild = Corporate Design). In allen Werbebotschaften wie auch auf allen schriftlichen Firmenunterlagen sollte eine gleiche, unverwechselbare Identität erkennbar sein.

910 vgl. Esch; Andresen, (Botschaften), in: ASW, 8/2000, S. 53. 911 vgl. Kroeber-Riel, (Bildkommunikation), 1996, S. 239.

7.4 Operative Planung der Kommunikation 

– – –



 745

Alle Botschaften sind aufeinander abzustimmen. Von zentraler Bedeutung sind Schlüsselbilder (die visuellen Leitmotive). Die Botschaften sollten zur Unternehmenskultur passen. Die Botschaften sollten auf eventuelle interkulturelle Unterschiede in der Akzeptanz bestimmter Schlüsselbilder bei den Zielgruppen hin abgestimmt werden (z. B. ist das Motiv Kuh im Kulturkreis des Hinduismus nicht umsetzbar). Der Zeitrahmen für eine Werbekampagne ist so zu bemessen, dass sich die Werbebilder zur Schaffung langfristiger Kaufpräferenzen festigen können.

Letztlich sollten im Sinne von Customer Relationship Communication (CRC) Botschaften und Bilder, die der Vertrieb Interessenten und Kunden vermittelt, mit denen der Kommunikationspolitik im Einklang stehen. Jede Kommunikation prägt innere Bilder. Kernbotschaften des Verkaufs dürfen von denen der Werbung nicht abweichen. Auf Grundlage strategischer Weichenstellungen und unter Beachtung der Gesetzmäßigkeiten der Werbepsychologie können spezifische Instrumente der Kommunikationspolitik geplant werden. Der Rahmen für die Bildgestaltung soll hier durch relevante Erkenntnisse aus der Praxis abgerundet werden. Die Kraft der Bilder entfaltet sich dadurch, dass sie – informieren (einfache Bilder für sprachlich schwer vermittelbare Sachverhalte), – unterhalten (durch Abwechslung), – Erlebnisse vermitteln (Spannung aufbauen, „Storytelling“), – emotionalisieren (Gefühle auslösen), – Interpretationen ermöglichen und Engagement beim Betrachter auslösen. Ein markenbildender Einsatz von Bildern verlangt nach – Originalität: eine Bebilderung sollte innovativ sein, – Exklusivität: gute Bildmotive sind „einzigartig“ – Authentizität: ein Bild sollte glaubwürdig sein912 Zusammengefasst gilt bei der Auswahl passender Bilder die Werbegrundregel des 3K: Kontrast, Klarheit, Konsistenz.

912 vgl. Schmidt, (Ausdruckskraft), in: ASW, 9/2000, S. 151.

90% aller Zeitschriften- und Zeitungsleser betrachten zuerst die Bilder. Nur 40 bis 70% lesen die Überschriften der Artikel.

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 7 Kommunikationspolitik

Werbebilder haben sich ergänzend ethischen Maßstäben zu unterwerfen. Das im Stern von Benetton veröffentlichte menschliche Gesäß mit dem Stempelaufdruck „H.I.V.-Positiv“ verletze die Menschenwürde, so die Begründung des BGH für ein Verbot der Anzeige im Jahr 2001.

7.4.5 Copy-Strategie der Kommunikation Es liegt im Interesse von Werbetreibendem und Kommunikationsagentur, so schnell wie möglich einen klaren Auftragsrahmen für eine Kampagne zu schaffen. Eine Copy-Strategie ist das „Pflichtenheft“ für eine Werbekampagne. Sie dokumentiert strategische und kreative Anforderungen an die Kampagne. Sie entsteht im Rahmen von Briefingsitzungen von Auftraggeber und Agentur. Eine Copy-Strategie gibt den Rahmen für kreative Arbeit vor, bildet den Leitfaden für die Kampagnendurchführung und dient als Honorargrundlage für die Agenturleistungen.“913 Esch unterscheidet die Copy-Strategie in eine Kreativ-Strategie und die kreative Umsetzung der Werbestrategie: Die Kreativstrategie definiert er folgendermaßen: „Festlegung der Werbeinhalte entsprechend den Bedürfnissen der Zielgruppen und der angestrebten Positionierung. Voraussetzung ist die Planung des Werbeziels.“914 In der Umsetzung der Kreativstrategie setzt er dann auf die Elemente (Bild) Motiv, Produktversprechen, Begründung des Versprechens und Festlegungen zum Stil der Werbung. Bildlich gesprochen fasst Kloss zusammen: „Ausgehend von der angestrebten Positionierung definiert die Copy-Strategie die Eindrücke, die der Verbraucher von der beworbenen Marke haben soll“915 Ein Strategiebriefing (zu klärende Punkte: Wettbewerbsumfeld, zu bewerbende Produkte, Werbe-Zielgruppe, Werbeziele, Zeitrahmen, Budget) entwickelt den Rahmen. In der Copy-Strategie stimmen Klient und Agentur den strategischen Vorgaben folgend die kreativen Elemente ab916:

913 Sie ist die „schriftliche Fixierung wichtiger Vorgaben für kreative Lösungsansätze im Rahmen der festgelegten Werbestrategie „: Bruhn, (Marketingkommunikation), 2011, S. 391. 914 https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/copy-strategie-28920/version-252542 915 Kloss (Werbung), 2012, S. 205. 916 vgl. in Anlehnung an Scharf et al., (Marketing), 2009, S. 405–406.

7.4 Operative Planung der Kommunikation 

– – – – – – –

 747

die Werbe-Zielsetzung und die gewünschte Positionierung des beworbenen Produktes im Nutzenraum, das Nutzenversprechen (Product Claim, Consumer Benefit), der Nutzenbeweis (Reason why) zur Steigerung des Erinnerungswertes, das Ideen-Kernmotiv für die Visualisierung der Problemlösung (Key Visual), das Aufhängerbild mit abgeleiteten Reizbildern (Teaser, Teasing Visual), die dazu passenden verbalen/tonalen Schlüsselreize (Key Slogan, Key Jingle), die atmosphärische Aufmachung, im Fachjargon Tonalität (Tonality) genannt, als „sinnliche“ Grundstimmung des oder der Werbemotive.

Copy-Strategie

Marke

Claim

Aussage

Botschaft

Umfeld

Erfolgreiche Claims: Krombacher – Eine Perle der Natur. Ritter Sport: quadratisch – praktisch gut.

Kunde

Basiskommunikation Markenkommunikation Umfeldkommunikation Vertriebskommunikation Abbildung 7.38: Einordung der Copy-Strategie.

Die Copy-Strategie folgt damit als Kommunikationselement auf die Gestaltung der Gestaltung von Marke und Claim und gibt den angebotenen Produkten und Leistungen die ganzheitliche Ausgestaltung. Abbildung  7.38 zeigt die Einordung. Sie soll den Beworbenen konkrete Anhaltspunkte vermitteln und mit klaren Aussagen Abgrenzung und Alleinstellung erreichen. Abbildung 7.39 listet beispielhaft Elemente einer Copy-Strategie für die Grotherm 2000 Armatur der Firma Grohe auf. Aufgabe der „Kreativschmieden“ ist dann die kreative Umsetzung der Werbebotschaft entsprechend den Vorgaben des Auftraggebers – limitiert durch Budgets und die Inhalte der Copy-Strategie.

748 

 7 Kommunikationspolitik

Copy-Strategieelemente für „Grotherm 2000“ der Firma Grohe Zielsetzung

Produkteinführung

Zielgruppe

gehobene Käuferschichten / Akademiker

Positionierung

umweltfreundliche High-tech Wasserspar-Problemlösung

Consumer Benefit

Einspareffekte beim Wasserverbrauch bis zu 700 Euro

Reason why

schnell wirkende Dosier- und Temperaturelektronik

Key Visual

spannend aufgemachter Klapptext mit Motivvariationen

Key Slogan

„Wenn Ihr Geld baden geht“

Tonality

gehobenes Genre, kompetente Wassertechnologie

Abbildung 7.39: Beispielhafte Copy Strategie für Grotherm 2000.

Über den Werbeerfolg entscheiden (neben Zielgruppenpräsenz des Werbeträgers) visuelle, auditive, oder geschmackliche Ausdrucksformen der Werbung. Grundregeln zur Werbemittelgestaltung sind bspw. bei Anzeigen Formen, Farben, Umrandungen, Schriftzeichen (Fonts), Symbole und auch Anordnungen, Größenordnungen und Platzierungen. Für die Auslösung von Erinnerungen, Präferenzen und letztlich Kaufanreizen entscheidet der Wirkungsverbund. Eine optimale Werbemittelgestaltung gibt es nicht. Jedoch sind grundlegende Stile und Techniken für die Wirkungsverbünde in Online, Anzeigen, Plakate oder Fernsehspots bekannt.917 So lassen sich für eine Headline-Gestaltung acht Grundstile unterscheiden: – Nachrichtenstil (Apotheken-Umschau), – Fragestil („Heute schon geschweppt?“), – Erzählstil (Clausthaler alkoholfrei, Levis), – Aufforderungsstil („Schrei‘ vor Glück!“), – Drohstil (Wer nicht Trigema kauft, gefährdet deutsche Arbeitsplätze), – Aufrüttel-Stil („damit Sie auch morgen noch kraftvoll zubeißen können“), – 1-2-3-Stil (quadratisch, praktisch, gut), – Wissensvermittlungs-Stil („Wie Sie mehr aus Ihrer Rente machen“).

917 vgl. Kotler et al. (Marketing-Management), 2017, S. 737 und die Darstellungen verschiedener Medien im Vergleich und Zusammenspiel.

7.4 Operative Planung der Kommunikation 

 749

Unterschiedliche Techniken kreieren atmosphärische Aufmachung:918 – Die Slice­of­life­Technik zeigt zufriedene Produktverwender in Situationen des täglichen Lebens (Jacob´s Krönung). – Die Lifestyle­Technik bringt das beworbene Produkt mit einem bestimmten Lebensstil in Zusammenhang (Gauloises, Diesel-Jeans). – Die Traumwelt­Technik lockt durch Sehnsüchte und unerfüllbare Wünsche (Bacardi-Rum, Hornbach „Es gibt immer was zu tun“). – Die Stellvertreter­Technik stellt eine künstliche Person (Meister Propper, Clementine), ein Tier (Trigema-Affe) oder eine natürliche Person (Thomas Gottschalk für Haribo) in den Vordergrund. Der Stellvertreter muss für das Produkt glaubwürdig stehen. – Die Symbol­Technik nutzt Mythen und archaische Bilder. – Die Jingle­Technik baut Klangbilder (Dt. Telekom, Toyota, McDonald´s). – Die Nonsens­Technik nimmt sich selbst nicht ganz ernst („Ich bin doch nicht blöd!“). – Die Kompetenz­Technik stellt die Erfahrungen und technischen Vorteile eines Anbieters heraus (Audi: Vorsprung durch Technik, Persil – da weiß man, was man hat). – Die Testimonial­Technik (Zeugen-Technik) lässt Produktvorteile oder eine positive Produktnutzung durch einen Fachmann oder einen VIP bestätigen (Günther Jauch für Krombacher, Till Schweiger für die VHV Versicherung). – Bei der Technik des wissenschaftlichen Nachweises (Beweistechnik) wird eine Beweisführung für die proklamierten Produktvorteile (Blend-a-med, Dr. Best, Intel) inszeniert, oder die Werbung bezieht sich auf Testergebnisse der Stiftung Warentest oder anderer Institute.

7.4.6 Gendersensible Sprache Durch Sprache formen sich Bilder im Kopf des Rezipienten. Die Auswahl der Worte besitzt große Bedeutung, da Werbetreibende Wirkungen bei Empfängern erzielen wollen. Die Planung der Copy Strategie ist der

918 vgl.  mit Erweiterungen: vgl.  die umfassenden Zusammenstellungen bei Hünerberg, (Marketing), 1984, S.  249–252, auch bei Kotler et al. (Marketing-Management), 2017, ab S, 704 finden sich verschiedenen Hinweise für die passende kreative Ausgestaltung von Botschaften.

Beck’s wechselte von „Sail away“ zu „folge Deinem inneren Kompass“. Aktuell lautet der Slogan „Erst mit dir wird’s legendär“.

750 

 7 Kommunikationspolitik

übergeordnete Ansatz, um passende Worte und Geschichten zu identifizieren und festzulegen. Im deutschen Sprachraum wird in den letzten Jahren verstärkt über eine gendersensible Sprache diskutiert. Das vielfach verwendete generische Maskulinum der deutschen Sprache (=die Zuordnung von Personenbeschreibungen zum Vorteil des männlichen Geschlechts) ist vielfach Hauptkritikpunkt, da durch fehlende konkrete Ansprache von weiblichen und/oder diversen Geschlechtern diese nicht mitgemeint sein könnten oder sind. Das Ernstnehmen dieser Herausforderungen und die Verwendung einer möglichst gendersensiblen Sprache sind wichtige Instrumente zur Realisierung von Gleichberechtigung aller Geschlechter und sexueller Orientierungen. Sprache kann das Problem sichtbar machen und den gleichberechtigten Platz aller Geschlechter in der Gesellschaft unterstreichen. Verschiedene Sprachversionen befinden sich heute im Einsatz. Ein vorherrschender Einsatz einer der vielen Optionen kann noch nicht konstatiert werden: – Paarform/Ansprache beider Geschlechter: Kundinnen und Kunden, – Splitting: Kund/-innen, – Binnen-I: KundInnen, – Funktionalisierung: Kundschaft, – Synonyme/Ersatzbegriffe: Kaufinteressierte, – Unterstrich/Gender-Gap: Kund_innen, – Sternchen/Gender-Stern: Kund✶innen. Die verschiedenen Umsetzungsoptionen sind gesellschaftlich unterschiedlich weit vorgedrungen. Unternehmen müssen neben der endkundengerichteten Sprache auch die hauseigenen Sprachgewohnheiten weiterentwickeln. Die Entwicklung hin zu einer gendersensiblen Sprache ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die neben der inhaltlichen Diskussion auch praktisch gelöst werden muss. Bisherige Auswahlboxen bei Online-Formularen sahen 2 Auswahlfelder für die Festlegung der Anrede Mann/Frau vor, zukünftige Formulare müssen die Vielzahl möglicher Antworten abbilden können. Sanitärräumlichkeiten müssen der Kategorie „divers“ Rechnung tragen.

7.4.7 Content Marketing in der Kommunikation Content Marketing kann als Reaktion auf vielfältige Veränderungen verstanden werden: als Antwort auf den Medienwandel, als Reaktion auf

7.4 Operative Planung der Kommunikation 

 751

die Zunahme an Medienoptionen, als Ergreifung der Chance nach neuen Einflussoptionen, als Antwort auf ein zunehmendes Glaubwürdigkeitsproblem der Werbung und als die Eröffnung eines Zugangs zu bisher rein journalistisch geprägten Themenumfeldern.919 Seit den 2010er Jahren hat sich Content Marketing als Disziplin in der Marketingkommunikation etabliert. Grundansatz des Content Marketings ist eine informierende Kommunikation, die erst im zweiten Schritt überzeugend und verkaufend wirken soll. So werden Marken zu Content-Erstellern (Inhalte-Produzenten), die neben verkaufender Kommunikation zusätzlich informierende Inhalte erstellen und verbreiten. Content ist relevant, wenn er: – informiert, berät und unterhält, – Interaktion fördert, – zur Partizipation einlädt, – in einen Dialog mündet. In Abgrenzung zu Public Relations, welches den Fokus auf Berichterstattung mit Nachrichtencharakter legt, kann Content Marketing als klar werblich orientierter Kommunikationsansatz beschrieben werden. Die inhaltliche Ausrichtung wird strategisch geplant und orientiert sich an den Grundsätzen der integrierten Kommunikation. Die im Content Marketing kommunizierten Themen und Inhalte lehnen sich an der Marken-Identität an und sollen beim Kunden neben dem informierenden Mehrwert-Charakter auch das Marken-Image positionieren und stärken. Als weitere notwendige Abgrenzung steht Content Marketing für einen durch Unternehmen induzierten Kommunikationsfluss. Mit oder ausschließlich von Kunden und Usern generierte Inhalte sind i. d. R. dem Content Marketing nur ansatzweise zuzuordnen, da sie nicht der vollständigen Kontrolle des Unternehmens unterliegen. Eine Kundenzeitschrift ist eindeutiges Content Marketing, da alle Inhalte vom Unternehmen kontrolliert werden. Werden jedoch Kunden beispielsweise über Social Media Aktivitäten angesprochen und die Inhalte erzielen viele Interaktionen und Kommentare, sind diese Stimmungen und Sentiments vom Unternehmen nicht oder nur in Ansätzen zu steuern und kontrollieren, auch wenn der initiale Inhalt vom Unternehmen gepostet wurde. Content Marketing kann unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen. Tabelle 7.10 zeigt diese auf.

919 Mast (Unternehmenskommunikation), 2020, S. 230 f.

752 

 7 Kommunikationspolitik

Tabelle 7.10: Zielsetzungen des Content Marketing. Zielsetzung

Beschreibung

Aufmerksamkeitsgenerierung Content Marketing entwickelt für User und Kunden interessante und relevante Themen, die für Aufmerksamkeit im interessierten Umfeld sorgen können. Nutzenstiftung

Die Themen des Content Marketing sollen für Leser werthaltig und nicht vorrangig verkaufend formuliert sein.

Positionierung

Durch passende Themenentwicklung und -platzierung positioniert sich das Unternehmen inhaltlich im Umfeld interessierter Kunden.

Themenführerschaft

Über Produktkommunikation hinaus können durch gutes Content Marketing ganze Themen und Diskussionen beherrscht werden.

Medienkreation, Owned Media

Durch Content Marketing können neue Medien entwickelt werden, die inhaltlich von den Unternehmen gesteuert werden, bspw. Zeitschriften, YouTube Kanäle oder dezidierte Social Media Profile.

Auffindbarkeit

Die Entwicklung von thematischen Inhalten führt insb. im digitalen Umfeld zu einer besseren Auffindbarkeit durch bspw. Suchmaschinen. Unternehmen entwickeln durch mehr Content einen größeren digitalen Fußabdruck.

Aufbau neuer Kundenkontakte

Letztlich soll Content Marketing neben Bestandskunden auch neue Kunden auf Angebote und Leistungen von Unternehmen aufmerksam machen. Passender inhaltlicher Content kann die interessierte Öffentlichkeit erreichen und damit auch mittelbar auf das Unternehmen aufmerksam machen.

In der Umsetzung formulieren Unternehmen Content MarketingAnsätze nach verschiedenen Erzählstrategien: – Informierende Inhalte: neue Themen, Vermittlung von faktenbasiertem Wissen. – Erklärende Inhalte: Hintergrundwissen, detailreiche Erläuterungen, Lösungen für Probleme und Herausforderungen. – Erzählende Inhalte: erweiterte Erzählungen, die mehr als die reinen Hard Facts kommunizieren. – Zusammenfassende Inhalte: Metastudien, Zusammenfassungen größerer Contents. – Bewertende Inhalte: Hilfestellungen für Entscheidungen, Vergleiche und Bewertungen. – Diskussionsorientierte Inhalte: Herausstellen kritischer Aspekte, um eine engagierte und kontroverse Diskussion zu forcieren.

7.4 Operative Planung der Kommunikation 

 753

Die ersten Ansätze sind durch den stark nutzenstiftenden Charakter vielfach präferierte Formen des Content Marketing. Die beiden letzten Ansätze sind streitbarer und werfen mehr Kontroversen auf, können dadurch aber vielfach mehr unmittelbare Aufmerksamkeit generieren. Festlegung einer vorteilhaften Interpretation / Bewertung

Gestalten des Kontextes und der Situation

Formulierung einer Story

Touchpoints

Framing

Formate / Modi

Storytelling

ThemenPerspektive

Deutungsrahmen

Form und Inhalte

Dramaturgie / Inszenierung

Verwendung von Impulsen Sound Bites / Tipping Points Worte, Bilder, kurze Auszüge, Clips

Abbildung 7.40: Content Marketing in der Umsetzung.920

Abbildung 7.40 zeigt eine exemplarische Umsetzung eines Content Marketing-Ansatzes. Wo können Kunden und Interessierte mit Inhalten erreicht werden (Touchpoints)? Wie müssen wir uns als Unternehmen positionieren, dass wir eine möglichst positive Wahrnehmung erzielen können (Framing)? Was sind Inhalte und Formate, die unsere Zielgruppe nutzt (Formate/Modi)? Wie können wir unsere Inhalte so interessant gestalten, dass sie gern genutzt werden (Storytelling)? Wie können wir mit Auszügen und Verweisen über viele andere Kanäle auf unsere Contents aufmerksam machen (Sound Bites, Tipping Points)? Die vier hervorgehobenen Bereiche der 9-Felder Matrix Abbildung  7.41 beschreiben innovatives Content Marketing. Unternehmen schaffen es, über reinen abverkaufsorientierte Ansätze hinaus Inhalte und Themen zu entwickeln und kommunizieren. Dies verbreiten sie auf Kanälen, die im Wettbewerbsumfeld entwickelt sind oder auch neu besetzt werden. Beispielweise haben Baumärkte wie Hornbach und Bauhaus über ihre YouTube-Kanäle vielfach auf Content Marketing gesetzt. Es wird über mehr als Produkte kommuniziert (bspw. Bau-Tutorials, Materialkunde, Q&A-Sessions). Und diese Inhalte werden in einem für die Produktkommunikation wenig verwendeten Kanal wie das Onlinevideoportal YouTube ausgespielt.

920 vgl. Mast (Unternehmenskommunikation), 2020, S. 262.

Umsetzung

Auswahl der inhaltlichen Anknüpfungspunkte

Kommunikationsansatz

754 

 7 Kommunikationspolitik

Story-Telling, narrativer Ansatz

Innov atio des Co nen nt Marke ent ting

Produkt und Content Management Direkter Produkt-/ LeistungsBezug MarktMindestmaß

MarktStandard

MarktInnovation

Abbildung 7.41: Innovatives Content Marketing.

7.4.8 Identifikation adressierbarer Daten Viele Kampagnen werden auf gezielt ausgewählte Adressatenkreise ausgerichtet. Die Datenqualität ist entscheidend für die hochwertige Auslieferung von Kommunikation und stellt Erfolg sicher. Drei Datenarten werden unterschieden: (1) First Party Data: eigener Datenstamm, der sich in vollständigem Zugriff durch das Unternehmen befindet, bspw. Kundenadressen, Telefonnummern, Mail-Adressen, Namen der Ansprechpartner. Hochwertigster Datenstamm, da voller Zugriff, volle Nutzbarkeit, keine Zusatzkosten aufzubringen. (2) Second Party Data: über Kooperationen nutzbare Daten, diese Daten besitzen eine nachvollziehbare Herkunft, die Nutzbarkeit ist durch Verträge oder Absprachen eingeschränkt. Vielfach ausgewählte Kriterien zur Selektion verfügbar, je nach Datenquelle ein- oder mehrfach nutzbar. (3) Third Party Data: diese Daten werden von Dritten gesammelt und dann Werbetreibenden für Miete oder Kauf angeboten. Vorteilhaft ist der Zugriff auf große Datenmengen, die schnell verfügbar sind (bspw. Zukauf eines E-Mail-Verteilers). Die Qualität der Daten ist vorab nur schwer abzusichern und alle Datenschutzanforderungen müssen gewahrt werden. Ein zentraler Unternehmenswert liegt in einer gepflegten und DSGVOkonformen Kundendatenbank. Eigene Daten (First Party Data) stellen die

7.5 Kampagnenmanagement 

 755

hochwertigsten Daten dar. Diese Kunden sind dem Unternehmen so gezielt durchleuchtet, dass Merkmale in Datenbanken hinterlegt sind, die für zielgerichtete Marketingaktivitäten genutzt werden. Ein weiterer Aspekt verdient Beachtung: Nutzt ein Unternehmen Werbeanzeigen auf Social Media, um Kunden zu erreichen, ist das Unternehmen in zweierlei Hinsicht auf das Social Media-Netzwerk angewiesen. Einerseits werden Adressen genutzt, die das Social Media Netzwerk besitzt (und auch nicht an die Werbetreibende herausgibt). Andererseits muss das werbetreibende Unternehmen darauf hoffen, dass die eigenen Werbeanzeigen zum passenden Zeitpunkt und im richtigen Umfeld an die Social Media Nutzer ausgespielt werden. Nutzt ein Unternehmen First Party Data zur Kommunikation, so werden ansprechbereite Kunden genau zum richtigen Zeitpunkt kontaktiert.

7.5 Kampagnenmanagement Steht die Kommunikationsstrategie fest, wird das Konzept für die Kampagnenplanung erstellt. Dabei sind statische und dynamische (zeitraumbezogene) Aspekte zu beachten. Überlegungen starten mit einem marktforscherischen Blick auf derzeitige und die in der Zukunft angestrebte Positionierungen der bestehenden und neuen Produkte im psychologischen Wahrnehmungsraum der Kunden und im Vergleich zum Wettbewerb. Das Verfahren der Produktpositionierung wurde bereits weiter vorn dargestellt (Kapitel 4). Design, Qualität und Funktionalität eines Produktes werden auf eine angestrebte Position im Raum der Nutzenempfindungen der Konsumenten hin entwickelt. Diese Positionierungsstrategie muss durch adäquate Kommunikationsmaßnahmen umgesetzt werden. Nicht immer halten Produkteigenschaften im Sinne des Verbraucherschutzrechtes das, was aggressive Positionierungskampagnen im Fernsehen oder großen Publikumszeitschriften versprechen. Oft haben Verbraucher sogar das Gefühl, ein Produkt bleibt technisch unverändert, und es werde eigentlich nur die sprichwörtliche Werbetrommel gerührt. Tut das der Werbetreibende erfolgreich, dann erreicht er die Unique Communication Proposition; „... eine erlebte Alleinstellung in der Meinung der Nachfrager ... unabhängig davon, ob ein Produkt nun faktisch unique ist oder nicht.“921

921 Pepels, (Marketing), 2012, S. 97–99.

Jedes Jahr werden die besten Marketingkampagnen prämiert. Die Marketing-Preise 2011-2021: 2011: Schüco, 2012: Zalando, 2013: Lindt & Sprüngli, 2014: ImmobilienScout24, 2015: Motel One, 2016: Mymuesli, 2017: Vorwerk, (Thermomix), 2018: Kärcher, 2019: Katjes, 2020: About you, 2021: HelloFresh.

756 

 7 Kommunikationspolitik

Im Visier der Werbung stehen immer auch Zielgruppen. Jüngere Zielgruppen sind öfters und intensiver, auf jeden Fall anders zu bewerben als ältere. Im Rahmen der Abhandlungen zum Käuferverhalten wurden zahlreiche Determinanten diskutiert. Diese lassen sich zu Motivationsfeldern für Kaufentscheidungen bündeln.922 Sie offenbaren das eigentliche Geheimnis, warum Käufer ein Produkt einem anderen vorziehen. Es sind: – Nutzenerwartungen: Der Käufer erwartet, dass ihm ein Produkt eine überlegene Problemlösung bzw. einen signifikant höheren Nutzen bietet. – Identitäten: Bei vielen Produktarten kann sich der Kunde durch eine bestimmte Produktwahl selbst verwirklichen. Das gewählte Produkt ist dann Ausdruck seines persönlichen Lebensstils. Das gilt insbesondere für Designerprodukte, Mode, Autos, Wohneinrichtungen etc. – Programmierungen: Viele Kaufentscheidungen sind bereits im Elternhaus oder in der Schule angelernt. Von diesen „frühen Programmen“ werden Kaufentscheidungen für viele Güter des täglichen Bedarfs bestimmt (z. B. für Strümpfe, Unterwäsche, Hemden, Automarken). – Normen: Normen wirken sogar noch stärker als Programmierungen. Mit seiner Kaufentscheidung löst der Konsument nicht selten einen inneren Konflikt. Beispiele: umweltschonende Produkte, alkoholfreies Bier, Fleisch-Alternativen. – Emotionen: Die kaufbeeinflussende Wirkung von Emotionen wurde bereits im 1. Kapitel erläutert. Bei dynamischen Aspekten stehen Kampagnen im Vordergrund, die Produkte über Markt- bzw. technologische Lebenszyklen begleiten (s. noch einmal den Produktlebenszyklus weiter vorn). Grob zu unterscheiden sind Kampagnen zur Marktvorbereitung (z. B. für neue Smartphones), zur Markteinführung, zur Bewerbung von Produktverbesserungen (Produktvariationen) oder zur Bewerbung von Produktdifferenzie­ rungen (z. B. für PKW-Sondermodelle). Die Herausforderung liegt darin, bereits in dieser Phase der strategischen Kampagnenfestlegung den Mix für das gesamte Leistungsprogramm zu bestimmen. Werbekampagnen können sich auch an dynamischen Kundenentwicklungen orientieren. Zwei Konzepte sind zu unterscheiden:

922 vgl. Buchholz, Wördemann, (Markenwachstum), in: ASW, Sondernummer 10/1997, S. 166.

7.5 Kampagnenmanagement 





 757

Kundenstatus-bezogene Kampagnen umfassen vor allem Werbeansätze zur Neukundengewinnung, zur Erreichung einer größeren Kundenloyalität von Stammkunden oder speziell zur Kundenrückgewinnung. Um Streuverluste im Gesamtmarkt zu vermeiden, werden für derartige Kampagnen meist Instrumente des Direktmarketing eingesetzt. Bei der Lebenszyklus-Betrachtung geht es darum, Kunden werblich durch Zyklen (Customer Lifetime Cycle) zu begleiten. Gehörte Schüler X als 14-jähriger noch zur Zielgruppe von Sony-Playstations, so kann der junge Mann zehn Jahre später wegen eines Vario-Notebooks oder einer digitalen Kamera von Sony akquiriert werden. Man spricht von Up-Selling-Strategien.

Weiter vorn wurde eine Schwachstelle von CRM noch nicht thematisiert: In der Praxis beschränkt sich CRM vielfach auf Vertriebsautomatisierung (insb. Außendienststeuerung). Der Schulterschluss mit der Kommunikationspolitik (Werbung, Kundendialog, Corporate Publishing) wird nicht vollzogen. CRM wird auf Top-Management-Ebene und in der IT-Abteilung umgesetzt. Werbung und Dialogmarketing bleiben auf der Ebene des Marketingleiters.  Dadurch erkennen wir zwei Säulen von CRM923: – die herkömmliche (beziehungsorientierte) Vertriebssteuerung als Customer Relationship Sales (CRS; konventionelle Verkaufssteuerung) und – die auf den Aufbau werthaltiger Kundenbeziehungen ausgerichtete Kommunikationspolitik: Customer Relationship Communication (CRC). Abbildung  7.42 verdeutlicht den Zusammenhang. Customer Relations­ hip Communications (CRC) stellt die Kundenkommunikation unter die Führung einer CRM-Strategie. Damit soll verhindert werden, dass Vertrieb (die operativen Geschäftsbereiche) und Marketing wie Silos nebeneinanderstehen. Aufbauend auf CRM-Definitionen lässt sich CRC wie folgt definieren: CRM besteht aus den Säulen Customer Relationship Sales (CRS = integrierte Vertriebssteuerung) und Customer Relationship Communication (CRC).

923 vgl. Winkelmann, (Communication), in: acquisa, 12/2001, S. 8.

758 

 7 Kommunikationspolitik

CRM

Customer Relationship Management

CRS

Customer Relationship Sales

CRC

Customer Relationship Communication

Abbildung 7.42: Zusammenhang CRM mit CRS und CRC.

„CRC ist eine wesentliche Säule einer CRM-Philosophie. CRC integriert und optimiert auf der Grundlage einer Kunden-Datenbank und einer Unternehmens-/Produktpositionierung medienübergreifend alle Prozesse der Unternehmenskommunikation. Zielsetzung ist die Harmonisierung aller Kundenbotschaften, ausgerichtet auf Kunden-Lebenszyklen und mit dem Ansatz, die Kundenbindungen zu stärken. Das setzt voraus, dass CRC-Konzepte Vorkehrungen für eine permanente Verbesserung des Kundenkontaktes und für eine Mitgestaltung des Kunden beinhalten.“924 CRM ist nur dann wirklich integriertes Kundenmanagement, wenn gilt: CRM = CRS + CRC. Die Herausforderung liegt darin, Erfolgselemente von CRM passend in Kundenkommunikation zu übernehmen. Praxiserfolge liegen vor.925 Da bei CRC vor allem den Kundenzeitschriften zentrale Bedeutung zukommt, wird diese Thematik später im Zusammenhang mit Corporate Publishing vertieft.

7.5.1 Kampagnenplanung Werbekampagnen werden i.d.R. mit externe Agenturen konzipiert und umgesetzt. (verschiedene Agenturtypen sind in Kap. 7.5.4 aufgeführt). Zum Start einer Zusammenarbeit schreiben Unternehmen die Tätigkeiten meist über einen Pitch aus. Nach erfolgreicher Pitch-Absolvierung ist die Kommunikationsstrategie in eine Kommunikationskampagne zu überführen. Hier hilft die schematische Darstellung nach Schmidbauer und Knödler-Bunte. Abbildung 7.43 zeigt die Phasen auf. 924 vgl. Winkelmann, (Communication), in: acquisa, 12/2001, S. 8. 925 vgl. Campillo, (Dialog-Dirigenten), in: acquisa, 5/2003, S. 34–37.

7.5 Kampagnenmanagement 

Recherche: Wie beschaffen wir uns die relevanten Informationen?

3

Analyse: Wo liegen die Ursachen und Kernprobleme, und wie bewerten wir Sie?

4

Zielgruppen und Ziele: Was wollen wir bei wem erreichen?

5

Positionierung: Wie positionieren wir uns im Kommunikationsumfeld?

6

Botschaften und kreative Leitideen: Wie gestalten wir die Ideen und die Kommunikationsinhalte?

7

Maßnahmenplanung: Mit welchen Mitteln und Maßnahmen wollen wir kommunizieren?

8

Erfolgskontrolle : Was haben wir erreicht und mit welchen Methoden belegen wir den Erfolg unserer Maßnahmen?

9

Präsentation und Dokumentation: Wie präsentieren wir unser Kommunikationskonzept und dokumentieren die Ergebnisse?

Operativer Bereich

2

Strategischer Bereich

Briefing: Mit welchem Problem haben wir es zu tun?

Analytischer Bereicher

1

 759

Abbildung 7.43: 9 Phasen Konzeptionsmodell.926

Die verschiedenen Phasen werden in Folge detaillierter aus Sicht einer Aufgabenstellung für eine Kommunikations- oder Marketingagentur diskutiert. Die Beschreibung der einzelnen Phasen orientiert sich an Schmidbauer/Knödler-Bunte (Kommunikationskonzept), 2004, S. 34 ff. Im Briefing (Phase 1) erfolgt die zentrale Weichenstellung für die Kampagne. Die ausgewählten Agenturen erfahren durch ein gutes und umfassendes Briefing die Aufgabenstellung und können in Rücksprache mit dem Auftraggeber Fragestellungen klären. Diese Informationen sind dann detaillierter als in der Pitch-Ausschreibung, da die Agentur jetzt in die Feinausgestaltung der Kommunikation einsteigen wird. In der Recherche-Phase (Phase 2) befasst sich die Agentur tiefer mit der Branche und den Besonderheiten der Produkte, um relevante Informationen und Insights zu erarbeiten. Da Agenturen i. d. R. keine Experten in den Produktmärkten der Auftraggeber sind, liegt ein wichtiger Teil der Agenturarbeit in der Recherche, um zielgerichtete Kampagnen in den speziellen Branchen und mit den besonderen Herausforderungen jedes einzelnen Produktes erarbeiten zu können.

926 Quelle: Schmidbauer, Knödler-Bunte (Kommunikationskonzept), 2004, S. 34.

760 

 7 Kommunikationspolitik

Durch das aufgebaute Fachwissen können Agenturen in der Analysephase (Phase 3) die Aufgabenstellung besser durchdringen und nochmals zielgerichtete Rückfragen an den Auftraggeber richten. Verschiedene klassische Analysetechniken (bspw. SWOT-Analyse oder Stärken-/ Schwächen-Profile) können der Analyse einen Rahmen geben. Nach diesen drei analytischen Phasen startet die strategische Planung mit einer Betrachtung der möglichen Zielgruppen und auch Festlegung zu den erreichbaren Zielgruppen vor dem Hintergrund des zur Verfügung stehenden Kommunikationsbudgets (Phase 4). Die Festlegung konkreter Ziele ermöglicht den Übergang von der theoretischen Analyse und Betrachtung der Aufgabenstellung hin zur operativ messbaren Umsetzung. Die Phasen 5 (Positionierung) und 6 (Botschaften und kreative Leitidee) müssen den Zielsetzungen jetzt praktisch orientierte Kommunikationskonzepte folgen lassen. Welches Image soll bei den Zielgruppen erzielt werden, wie wird die Philosophie in eine Bildsprache überführt, und wie soll die Alleinstellung möglichst erinnerungsstark kommuniziert werden. Die kreative Leitidee ist die daraus abgeleitete übergeordnete Tonalität der Kampagne, an der sich alle Instrumente und Maßnahmen orientieren können. Diese zentralen Festlegungen dienen der Strukturierung und der Auswahl von konkreten Maßnahmen (Phase 7). In diesem Schritt arbeitet die Agentur zum ersten Mal konkret an Werbemaßnahmen. Alle vorher durchlaufenen Planungsstufen haben diese Phase vorbereitet, und jetzt wird die Idee der Kampagne zum „Leben erweckt“. Alle Maßnahmen werden konzipiert, in Einklang gebracht (die weiter oben diskutierte integrierte Kommunikation) und miteinander inhaltlich, formal und zeitlich verbunden. Für die Kampagne werden in Phase 8 (Erfolgskontrolle) Erfolgsmaßstäbe definiert. Idealerweise können Erfolgsmaßstäbe und Kennzahlen einen direkten Rückschluss auf das Briefing (Phase 1) und die Formulierung von Zielgruppen und Zielen (Phase 4) ermöglichen. So kann die Agentur im Gespräch mit dem Auftraggeber einen Gegencheck durchführen, ob die entworfene Kampagnen die Erwartungen des Auftraggebers treffen kann. Phase 9 ist die abschließende Vorstellung des entworfenen Konzepts vor dem Auftraggeber (Präsentation). Diese Präsentation führt zur finalen Entscheidung über Umsetzung der geplanten Kampagne. Das 9 Phasen-Modell nach Schmidbauer und Knödler-Bunte gibt die Sichtweise von Agenturen wieder. Sollte das Kommunikations- oder Kampagnen-Konzept inhouse (ohne Agenturen) entwickelt werden, sehen die notwendigen Schritte vergleichbar aus. Einzig die Präsentation

7.5 Kampagnenmanagement 

 761

(Phase 9) wird nicht vor dem externen Auftraggeber, sondern intern gegenüber einem fachlich verantwortlichen Leitungskreis erfolgen. Die Arbeitsschritte bis zur Vorstellung der Konzeption sind identisch.

7.5.2 Mediaselektion Im Rahmen der Kampagnenplanung ist die Mediaselektion ein abschließender Prozessschritt, d. h. die Auswahl der geeigneten Träger für die Werbebotschaften. Das als Banner, Anzeige, TV-Spot oder Plakat gestaltete Werbemittel sucht einen Werbeträger. Dieser trägt die Werbebotschaft an die Umworbenen heran. Die Mediaselektion soll z. B. entscheiden, ob eine Anzeige in der WirtschaftsWoche oder im Manager Magazin geschaltet wird oder ob sie als TV Spot auf einem der Nachrichten-TV Kanäle besser platziert ist. Die Medien stehen in harter Konkurrenz zueinander und werben mit Nutzerprofilen und ihren Erfolgskennziffern. Dominierende Zielsetzung der Mediaselektion ist die Minimierung der Streuverluste einer Werbebotschaft. Ein Streuverlust entsteht, wenn eine Botschaft eine umworbene Person der Zielgruppe nicht erreicht oder, trotz Ansprache, von ihr nicht zur Kenntnis genommen wird.

Zielgruppe des Unternehmens

Nutzerschaft, die beiden Zielgruppen angehören

Zielgruppe des KommunikationsInstruments

Streuverluste Abbildung 7.44: Schematische Darstellung des Streuverlust.927

Dabei ist, wie aus Abbildung 7.44 zu ersehen, der Streuverlust in zweierlei Hinsicht zu betrachten. Einerseits werden Medien mit Werbung belegt, die nicht von der gesamten Zielgruppe wahrgenommen werden. 927 Quelle: Bruhn (Kommunikationspolitik), 2015, S. 223.

762 

 7 Kommunikationspolitik

Belegt eine Marke einen TV Spot, schaut naturgemäß nur ein Bruchteil der gewünschten Kunden zum Ausstrahlungszeitpunkt den TV Sender und nimmt die Werbung wahr. Andererseits schauen aber auch TV-Zuseher zu, die gar nicht zur Zielgruppe des Unternehmens zählen und für die der Werbespot irrelevant ist. Es werden also nur die Kunden effektiv erreicht, die als Zielgruppe des Unternehmens den TV Spot zum spezifischen Zeitpunkt sehen. Die Praxis spricht vom Mediastreuplan und weniger vom Werbeträger-Plan. Zu den wichtigsten Mediaselektionskriterien zählen:928 – Die generelle Attraktivität des Mediums (z. B. Spiegel Online im Vergleich zu Bild Online), – Eindrucksqualität und Image des Mediums (Bsp.: Bild TV versus N-TV), – zeitliche Verfügbarkeit des Mediums (Tages-, Wochen- oder Monatszeitung vs. 24/7 Verfügbarkeit von Online-Medien), – räumliche Reichweite (Bsp.: Landshuter Zeitung oder Hannoversche Allgemeine versus FAZ), – quantitative Reichweite (durch die Botschaft erreichte Personenzahl), – in Verbindung mit Kontaktfrequenzen (Kontaktsummen und –verteilungen), – qualitative Reichweite oder Zielgruppeneffizienz (Messung der Streuverluste) – und letztlich der Kontaktpreis (1.000er Kontaktpreis). “Die crossmediale Kompetenz eines Unternehmens zeigt sich darin, die (Dialog-) Marketing-Instrumente so zu kombinieren, dass der Kunde an jedem Ort und zum gewünschten Zeitpunkt die maßgeschneiderte Unternehmens-, Produkt- oder Markenbotschaft erhält – ob am PC, am Telefon, in der Zeitung, im Briefkasten, im Fernsehen, zu Hause, am Arbeitsplatz oder unterwegs.“929 Die Forderung zeigt, dass viele Instrumente aus Unternehmenssicht geplant und kombiniert werden müssen. Einen Ansatz, wie Instrumente

928 vgl. die „historischen“ Ausführungen von Freter, (Mediaselektion), 1974, S. 77 ff.; die umfassende Darstellung bei Rogge, (Werbung), 2004, S. 255 ff. sowie die dort angegebene Literatur und die Ausführungen zum Medienprofil und zur Kontaktqualität bei Pepels, (Marketing), 2012, S. 786–790. 929 Bernd Kracke, früherer DDV-Präsident, (Crossmedia), in: Marketingjournal, 2/2002, S. 39.

7.5 Kampagnenmanagement 

 763

klassifiziert werden und in einen inhaltlichen und Wirkungszusammenhang gebracht werden, wird von Kühn vertreten.930 Grundannahme der Strukturierung ist, dass Marketing-Instrumente nach zwei Dimensionen unterschieden werden können: wie hoch ist die Absatzbedeutung und welche Freiheitsgrade oder Gestaltungsspielraum genießen die Instrumente in der Ausgestaltung. Insbesondere die Absatzbedeutung ist aus Sicht der marktorientierten Unternehmensführung ein relevantes Kriterium, was den Einsatz von Kommunikationsinstrumenten determiniert. Jedes Unternehmen besitzt spezifische Kommunikationsmaßnahmen, die eine maßgebliche Umsatzverantwortung haben. Andere Kommunikationsansätze können diese stützen, wiederum andere runden den Außenauftritt des Unternehmens ab. Durch die größte Umsatzbedeutung sind aber ausgewählte Instrumente aus Unternehmenssicht wichtiger und relevanter als andere. Diesen Zusammenhang kann das Modell gut illustrieren. Das Dominanz-Standard Modell unterscheidet 4 Instrumentenklassen: – Dominierende Instrumente: Instrumente, die für den Markterfolg gegenüber dem Wettbewerb ausschlaggebend sind. Diese Instrumente benötigen hohen finanziellen, personellen und/oder intellektuell-kreativen Input. In der Umsetzung besitzen sie großen Gestaltungsspielraum und Freiheitsgrade und können in regelmäßigen Abständen aktualisiert und überdacht werden. – Komplementäre Instrumente: Auch sie sind bedeutend für den Markterfolg, stützen dabei die dominierenden Instrumente. Sie besitzen Freiheitsgrade, orientieren sich dabei aber an den dominierenden Instrumenten und folgen diesen in der Gestaltung und Umsetzung. – Standardinstrumente: Die Marktsituation gibt einen zu erreichenden Standard vor, den die Unternehmensleistung und -kommunikation erreichen muss.  Eine Übererfüllung hat keine positiven Auswirkungen, jedoch wird die Nichterreichung von Kunden bestraft. Da diese Instrumente die klar definierten Mindestanforderungen haben, besitzt die Umsetzung dieser Instrumente nur wenig Gestaltungsspielraum. – Marginale Instrumente: Marketing- und Kommunikationsinstrumente ohne maßgebliche heutige und zukünftige Erfolgsrelevanz, daher ist auch die Diskussion zu den Freiheitsgraden eher obsolet.

930 Vgl. Kühn et al., (Marketing), 2020, S. 144 f

764 

 7 Kommunikationspolitik

Sehr hoch

Absatzbedeutung

hoch

StandardInstrumente

Dominante Instrumente

mittel

Komplementäre Instrumente schwach

Marginale Instrumente

null null

schwach

mittel

hoch

Sehr hoch

Freiheitsgrade Abbildung 7.45: Dominanz-Standard Modell nach Kühn.931

Abbildung 7.45 bietet eine visuelle Darstellung des Dominanz-Standard-Modells. Ausgangspunkt für die Anwendung des Dominanz-Standard-Modells sind Bedürfnisse und Kaufkriterien der Kunden. Zudem kann eine Analyse der Wettbewerbssituation mögliche Abgrenzungsfaktoren und -instrumente identifizieren. Maßgeblich für beide Sichtweisen ist die Absatzbedeutung der Instrumente. Die Einordnung in die Freiheitsgrade (Gestaltungsspielraum) zeigt die mögliche Kreativität in der Umsetzung, die Unternehmen der Branche bei der Ausgestaltung haben. In der unternehmensinternen Umsetzung werden die verfügbaren Instrumente im ersten Schritt kategorisiert, um einen Überblick zu möglichen Marketinginstrumenten des Unternehmens zu erhalten. Als erstes werden dominierende Instrumente ausgestaltet. An diesen lehnt sich dann die Ausgestaltung der komplementären und marginalen Instrumente an. Zum Schluss werden Standardinstrumente geplant, die einerseits die Vorgaben der anderen Instrumente übernehmen und sich andererseits an den erwarteten Branchenstandards orientieren. Neben der Ausgestaltung im Hinblick auf den kompletten Marketing-Mix (wie von Kühn in seinem Werk maßgeblich ausgeführt), kann dieses Modell auch auf die Kommunikationsplanung im Speziellen angewandt werden. Welche Kommunikationsinstrumente haben die größte Absatzbedeutung? Welche Instrumente stützen und unterstützen (kom931 Quelle: Kühn et al., (Marketing), 2020, S. 146.

7.5 Kampagnenmanagement 

 765

plementäre und marginale Instrumente) und welche Standard-Kommunikation erwartet der Kunde? Beispielhaft lässt sich die Anwendung in Bezug auf die Kommunikationsinstrumente am Elektronikhandelsunternehmen Media Markt zeigen. (siehe dazu Abbildung 7.46).

Sehr hoch

Absatzbedeutung

hoch

mittel

StandardInstrumente

Dominante Instrumente pts, . TV S Bspw beilage, s g Zeitun etting Targ

op, E ne Sh r . Onli Bspw Newslette Mail

Komplementäre Instrumente

, bung atwer g . Plak Bspw le shoppin goog

schwach

Marginale Instrumente null null

schwach

zeug. Fahr Bspw g, Instore n u b Bekle Radio

mittel

hoch

Sehr hoch

Freiheitsgrade Abbildung 7.46: Dominanz-Standard-Modell am Beispiel Kommunikationsmaßnahmen Media Markt.

Eine alternative Darstellung zur Unterscheidung von Kommunikationsinstrumenten differenziert noch stärker nach Abhängigkeiten untereinander.932 Die Leitinstrumente werden durch den Werbetreibenden aktiv gestaltet. Sie beeinflussen die anderen Instrumente und sind weitgehend unbeeinflusst von ihnen. Kristallisationsinstrumente sind einerseits beeinflussbar (durch die Leitinstrumente), können aber auch selbst beeinflussen. Integrationsinstrumente werden vielfach in Kombination mit den vorab definierten Instrumenten eingesetzt, sie wirken sich bei ihrem Einsatz wenig auf andere Instrumente aus.  Und letztlich beschreiben Folgeinstrumente Kommunikationsinstrumente, die stark beeinflusst werden und dadurch von den anderen Instrumenten maßgeblich abhängen.

932 vgl. Bruhn (Kommunikationspolitik), 2015, S. 125 f.

Hohe Beeinflussbarkeit

Niedrige Beeinflussbarkeit

766 

 7 Kommunikationspolitik

Hohe Einflussnahme

Niedrige Einflussnahme

Leitinstrumente

IntegrationsInstrumente

bung

iawer

ed z.B. M

Kristallisationsinstrumente e Engin earch z.B. S ertising Adv

oring

pons

z.B. S

Folgeinstrumente

z

ing

arket

ektm .B. Dir

Abbildung 7.47: Kategorisierung von Kommunikationsinstrumenten.933

Der Darstellung in Abbildung 7.47 folgend besitzen Kommunikationsinstrumente der Mediawerbung (bspw. TV Spot, Display Advertising, Printwerbung) einen hohen Einfluss auf alle anderen Instrumente. An ihnen orientiert sich die Gestaltung und Umsetzung bspw. der Kristallisationsinstrumente. Im Beispiel können Search Engine Advertising-Kampagnen erst dann gestaltet werden, wenn zentrale Kommunikationsbotschaften durch Leitinstrumente vorgegeben sind. Sponsoring als Integrationsinstrument passt sich in den allgemeinen Kommunikationsrahmen ein. Folgeinstrumente werden auf Basis aller Kommunikationsmaßnahmen unterstützend umgesetzt, und sie greifen Ansätze der anderen Instrumente auf. Eine alternative Darstellung vertritt Thedens.  Er verteilt Kommunikationsinstrumente in einer Value Spectrum-Matrix nach einem Grad der Kundenbindung und nach Kundenwerten. Abbildung 7.48 zeigt sein Value-Spectrum Portfolio.934 Das Modell beruht auf folgenden Überlegungen: – Die Eignung eines Kommunikationsinstrumentes hängt vom Grad der Kundenbindung (Loyality) ab. Je höher die Kundenbindung, desto eher sind individuellere (aber auch kostspieligere) Werbemaßnahmen anzuraten. – Die Eignung eines Kommunikationsinstrumentes hängt vom Kundenwert ab (Für wieviel Umsatz ist der Kunde gut?). Je mehr Umsatzoder Ergebnisvolumen ein Kunde repräsentiert, desto eher sind

933 Eigene Darstellung in Erweiterung und Anlehnung an Bruhn (Kommunikationspolitik), 2015, S. 125 f. 934 vgl. hierzu Thedens, (Integrierte Kommunikation), 1991, S. 28, Modelldarstellung eigene Erweiterung.

 767

7.5 Kampagnenmanagement 

hoch

personalisierte und damit tendenziell kostspieligere Werbemaßnahmen gerechtfertigt. VIPService

KundenKarte Telefon

Digital SEA

Kundenwert

Klass. & EMailings Special Offers Digital Newsletter

niedrig

FirmenZeitschrift hoch

Digital Social Media

Digital Display

Kataloge

TV

Beilagen Klass. VKF

Audio

Printmedien Kundenbindung

Abbildung 7.48: Kommunikationsinstrumente im Value Spectrum Modell.

Als Extreme stehen sich gegenüber: auf der einen Seite das Sponsoring, bei dem Interessenten oder Kunden kaum in ein Bindungsverhältnis gebracht werden können, und auf der anderen Seite der VIP-Service als höchste Stufe einer bindenden Kundenansprache. Wegen der hohen Kosten ist der VIP-Service nur für ausgesuchte, ertragsstarke Kunden ratsam. Die digitalen Instrumente sind als Erweiterung dem Modell hinzugefügt, um die Bandbreite an Optionen vollständig abzubilden. Drei Vorteile bringt der Ansatz von Thedens: – Umverteilung der Kommunikationsbudgets entsprechend Kundenprioritäten, – mehr Relevanz in den Botschaften durch Kunden-Zielsegmente, – aufgabengerechte Koordination der Kommunikationsinstrumente.

7.5.3 Planung des Timings von Kommunikationsmaßnahmen Ein Newsletter, ein einmaliger Kontakt-Call oder bei Printmedien die Zeitungsanzeige von gestern – singuläre Kontakte sind schnell vergessen. Werbeerinnerung baut erst sich durch Wiederholung von Werbeimpulsen im Zeitablauf auf. Und durch eine schnelle Umsetzung der Kunden-

Sponsoring niedrig

768 

 7 Kommunikationspolitik

reaktionen in Marketingaktionen. Werbetiming und der Closed Loop werden zu wichtigen Aufgaben eines Kampagnenmanagements. Realtime-Marketing verwirklicht den Closed Loop. Dieser zielt darauf ab, nach Kundenreaktionen (Responses) sofort Marketingaktionen anzustoßen (z. B. dem Kunden sofort ein genau passendes Angebot zu unterbreiten). Beim eventgetriggerten Kampagnenmanagement werden „kritische Ereignisse“ (z. B. Geburt eines Kindes eines Kunden) von EDV-Systemen herausgefiltert. Auf der Grundlage von Entscheidungsregeln werden Maßnahmen eingeleitet (prozessgesteuertes Kampagnenmanagement). Die Werbepraxis verfolgt vielfach intermittierende Werbestrategien. Kurze, intensive Teilkampagnen werden in unregelmäßigen Zeitabständen geplant. Dies kann bei saisonbezogenen Produkten prozyklisch (prosaisonal) oder antizyklisch (antisaisonal) erfolgen.935 Vielfach wird eine Untersuchung von Zielske aus dem Jahr 1959 zitiert. Beim Vergleich einer Diskontinuitätsstrategie (Aktion mit 1 Kontakt pro Woche über 3 Monate) mit einer Kontinuitätsstrategie (1 monatlicher Kontakt über 12 Monate) wurden folgende Ergebnisse deutlich: – Mit zunehmender Kontakthäufigkeit steigt das Recall-Niveau (Niveau der Wiedererkennung). – Der Lernerfolg (Erinnerungszuwachs) nimmt allerdings mit zunehmender Kontakthäufigkeit ab. – Dem Lernvorgang wirkt ein Vergessensvorgang entgegen (Decay). – Die Ergebnisse insgesamt sprechen für einen gleichmäßigen Werbemitteleinsatz (gleichmäßige Streuung von Kampagnen) im Zeitablauf.936 Die Werbeerfolgsforschung belegt, dass einmal gelernte Werbebotschaften zwar nicht so schnell vergessen, jedoch schnell von anderen Botschaften überlagert (interferiert) werden.937 So sind sich hochschaukelnden Werbebudgets in der Praxis Ausdruck von Marketinganstrengungen, interferierende Botschaften zu überlagern und dadurch zu neutralisieren.938

935 vgl. Weis, (Marketing), 2009, S. 491–493. 936 vgl. Zielske (Remembering and Forgetting), 1959, S. 243. 937 vgl.  zur Interferenztheorie Kroeber-Riel; Weinberg; Gröppel-Klein, (Konsumentenverhalten), 2009, S. 281. 938 vgl. Schmalen, (Kommunikationspolitik), 1992, S. 45.

7.5 Kampagnenmanagement 

 769

Kloss hat eine Darstellung verschiedener zeitlicher Verteilung von Kommunikationselementen entwickelt. Abbildung 7.49 zeigt verschiedene Optionen sehr anschaulich. steigend

abfallend

alternierend

intermittierend

kontinuierlich

konzentriert

gleichmäßig

Abbildung 7.49: Zeitliche Verteilung von Kommunikation.939

Begrifflich lassen sich die Zeitpunkte des Einsatzes von Werbung und Kommunikation detaillierter unterteilen. – Schwerpunkt­ und/oder konzentrierter Werbeeinsatz: Zu festgelegten Zeitpunkten erfolgt ein konzentrierter Einsatz, bspw. für Artikel des Gartenbedarfs zu Beginn des Frühlings oder für Spielwaren in der Vorweihnachtszeit. – Gleichverteilter und/oder kontinuierlicher Werbeeinsatz: Konsumgüter, die das ganz Jahr über gleichmäßig gekauft werden (bspw. Tiefkühlprodukte, Wurst oder Käse) werden gleichmäßig über das Jahr beworben. – Flighting oder wechselnder Werbeeinsatz: Hochphasen und Phasen reduzierter Werbeintensität wechseln sich ab, bspw. Elektronikartikel werden verstärkt in Frühjahr und Herbst beworben, da dies die umsatzstärksten Zeitpunkte sind. – Pulsierend oder regelmäßig intensivierter Werbeeinsatz: wenn der Absatz verschiedenen regelmäßig wiederkehrenden Verläufen folgt, orientiert sich die Werbung an den Abverkaufskurven, bspw. Artikel für Reisen oder Werbung für Bekleidung in Abhängigkeiten von Jahreszeiten

939 Quelle: Kloss (Werbung), 2012, S. 421.

770 







 7 Kommunikationspolitik

Frontloading oder Auftakt­fokussierte Werbung: Soll bspw. eine Marke schnell bekannt gemacht werden, erfolgt ein intensiver Werbeeinsatz zu Beginn der Kampagne. Im weiteren Verlauf lässt die Intensität nach und versucht, die einmal aufgebaute Bekanntheit auf dem erreichten Niveau zu stabilisieren. Z. B. waren die Auftaktkampagnen von Zalando Frontloading orientiert. Nach Etablierung von Zalando als relevanter Online Shop hat sich die Werbung in den Zielsetzungen auf die Stützung der erreichten Markenbekanntheit fokussiert. Backloading oder Schlusspunkt­fokussierte Werbung: Zielt die Werbung auf einen bestimmten Termin ab, steigert sich die Werbeintensität im Rahmen der Kampagne. Als Beispiel kann die Werbung rund um große Sportereignisse wie die Fußball Weltmeisterschaft oder Olympische Spiele genannt werden. Guerilla­Einsatz: Erfolgt der Werbeeinsatz ohne erkennbares zeitliches Muster, so versucht die Kampagne Überraschungserfolge zu erzielen

Wie viel Zeit und Wiederholungen benötigt es, bis sich eine Werbebotschaft in den Köpfen der Konsumenten festsetzen kann? Wann werden Konsumenten der Werbung überdrüssig? Mit „Wear In“ werden Zeit und Anzahl der Werbeeinsätze beschrieben, die es benötigt, damit die Werbung vom Konsumenten wahrgenommen wird. „Wear Out“ beschreibt, ab wann Werbewirkung negative Folgen, wie bspw. Gegenreaktionen der Konsumenten auslöst. Bei der Werbewirkung lassen sich drei Effekte unterscheiden: – Lineare Steigerung der Werbewirkung („Lineareffekt“): Jeder Kontakt mit der Werbung steigert die Werbewirkung linear und gleichmäßig. – Lernverlauf der Werbewirkung („Lernkurveneffekt“): Zu Beginn ist eine Werbewirkung gering, nach mehrfachem Kontakt zur Werbung nimmt die Werbewirkung überproportional zu, später nimmt sie wieder etwas ab, Verlauf einer klassischen S-Kurve. – Werbewirkung ab einem Mindestmaß an Kontakten („Schwellen­ werteffekt“): Erst nach ausreichender Zahl an Werbekontakten wird eine effektive Werbewirkung erzielt. Spezielle Webseiten (sog. Landing-Pages) unterstützen den Trend zu intensiven, aber zeitlich limitierten Kampagnen. Diese präsentieren in begrenzten Zeiträumen Inhalte multimedial und verfolgen die Kundenreaktionen digital. Wichtig sind einprägsame Domain-Namen und von

7.5 Kampagnenmanagement 

 771

Standardinhalten der Markenwerbung abweichende Botschaften und Mehrwerte, um eine starke Werbeerinnerung zu erreichen. Onlinekampagnen sind kurzlebig. Mittlerweile werden praktisch alle Großkampagnen der Markenhersteller durch Kampagnen-Websites flankiert. Marketingaktionen haben Erfolgschancen, wenn sie sich an allgemeinen Ereignissen oder spezifischen Ereignissen beim Kunden orientieren. Durch digitale Prozesssteuerung können aus der Fülle der kundenrelevanten Daten bzw. aus den Kundendatenbanken definierte Kundenereignisse automatisiert gefiltert und daraus Betreuungsaktivitäten, z. B. ein Glückwunschmail, ein neues Angebot, Zusenden eines Testproduktes etc., angestoßen werden. Sog. Event-Trigger prüfen z. B. bei einem Bankkunden regelmäßig die Geldeingänge aller Konten und unterbreiten dem Kunden bei Erreichen bestimmter Schwellenwerte automatisch Angebote für Geld- und Kapitalanlagen. Der Begriff Realtime-Marketing trifft diese Vorgehensweise.940 Realtime Marketing ergänzt die zeitliche Planung von Kampagnen um dynamische Elemente. Ereignisauslöser für ein Realtime-Marketing mit eventgetriggerten Aktionen können z. B. sein: – Lebensveränderungen im persönlichen Umfeld des Kunden, – berufliche Veränderungen, – triggerbare Kaufentscheidungen, – Gesetzesänderungen, von denen ein Kunde betroffen ist, – Änderungen in wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (Zinsen, Immobilienpreise, neue Technologien), – Aktionen von Wettbewerbern. Abbildung  7.50 zeigt, welche Ereignisse Autohäuser zum Anlass für individuelle Kundenansprachen nehmen.941 Die wichtigsten Trigger sind sicher das Alter des Autos (im Durchschnitt wird ein Auto in Deutschland 8,5 Jahre gefahren) sowie die TÜV- und Kundendiensttermine. Dadurch ergeben sich für die Autohäuser datenschutzsichere Gelegenheiten für eine regelmäßige Kundenansprache.

940 Hinweis auf das Buch Realtime-Marketing von Regis McKenna in: o. V., (Angebot), in: acquisa, 8/2000, S. 50. 941 vgl. die Info in acquisa, 2/2001, S. 7.

772 

 7 Kommunikationspolitik

ANLÄSSE FÜR AUTOHÄUSER FÜR INDIVIDUALANSPRACHEN Zeit nach Autokauf  79,1% Geburtstage  73,3% Serviceintervalle  68,9% Jahresereignisse  68,4% neue Modelle  12,6% Events  6,3% (Quelle: samaxis/IfA 2000; 206 Automobilhändler; zit. in acquisa, 2/2001, S. 7)

① ② ③ ④ ⑤ ⑥

Abbildung 7.50: Anlässe für Autohäuser für Individualansprachen.

7.5.4 Die Rolle von Agenturen im Kampagnenmanagement

BWL-Absolventen gehen oft irrtümlich davon aus, dass Sie später als Kreative arbeiten werden. Sie werden aber eher Contacter oder Strategen.

Unternehmen bedienen sich bei der Umsetzung ihrer Kommunikationspolitik und speziell im Kampagnenmanagement der Kompetenz und Expertise von Agenturen. Grundsätzlich sind 3 Mitarbeiterfunktionen in Agenturen zu unterscheiden: Contacter, Strategen und Kreative. Diese bearbeiten Aufgaben und Fragestellungen, wie Sie in Abbildung 7.51 aufgezeigt sind: – Welche Werbeobjekte (Angebotsleistungen) sollen – bei welchen Werbe-Zielgruppen, – mit welchen Marketingzielen (Marktzielen) beworben werden? – Welches Budget ist für die Kampagne notwendig bzw.¬ steht zur Verfügung? – Welche Aufgaben sollen in der eigenen Werbeabteilung erledigt werden bzw. – welche Agenturen und sonstigen Dienstleister sollen eingeschaltet werden? – Welche Teil-Kampagnen sollen geplant werden? – Welche Werbemittel (z. B. Anzeige, Fernseh-Spot, Plakat, Poster) – sollen in welcher Form kreativ umgesetzt (Copy Strategy) und auf – welchen Werbeträgern/Medien (Werbeträgerauswahl, Mediaselektion) an die Werbe-Zielgruppen herangetragen werden? – Wie sieht das Werbetiming (Anzahl Schaltungen, Schaltpläne) aus? – Wie soll der Erfolg der Werbekampagne überprüft werden?

7.5 Kampagnenmanagement 

 773

PLANUNG UND DURCHFÜHRUNG EINER WERBEKAMPAGNE Auftraggeber

Agentur - Pitching

Werbeobjekte

Auftrag Kommunikations agentur

Marketingziele Werbe - Zielgruppe

Strategie - Briefing: Wettbewerbsumfeld, Positionierung. Kampagnenziele

Werbebudget

Werbeträgerauswahl Werbe - Timing: Schalt - , Streupläne

Kampagnenablauf

Copy - Strategy: Werbemittel, Claims, Benfits, Reason Why, Tonality

Mediaagentur: Umsetzung der Kampagne

Kreativagentur: kreative Umsetzung, Werbemittelgestaltung

MaFo -Institut: Werbeerfolgs - messung

Werbedienstleister: technische Umsetzung

Abbildung 7.51: Planung und Durchführung einer Werbekampagne.

Nur selten erfolgt Werbearbeit vollständig inhouse. Werbewirtschaft ist Agenturgeschäft. Nach dem Prinzip der Arbeitsteilung übernehmen Kommunikationsagenturen, auch Marketingagenturen genannt, die Werbestrategie (Copy-Strategie). Für die kreative Umsetzung der sog. Copy-Strategy (z. B. Umsetzung einer Idee in ein Plakat) sorgen Werbebzw. Kreativagenturen. Diese sind oft Teil der Kommunikationsagenturen. Die Ergebnisse der Kreativarbeit, also Internetbanner, Anzeigen, Spots etc., werden auf bezahlten Werbeträgern (den Werbemedien) platziert und auf einer Zeitschiene „geschaltet“. Auf die Verteilung der Werbebudgets durch Platzierung von Anzeigen und Spots in den Medien (Mediaselektion, Werbestreuplanung) haben sich Mediaagenturen spezialisiert. Abbildung 7.52 und Tabelle 7.11 zeigen die unterschiedlichen Akteure im Werbeumfeld auf und ordnen die Zuständigkeiten. Die Überlappungen machen deutlich, dass eine trennscharfe Abgrenzung nur schwer erreicht werden kann. Viele Agenturen versuchen sich als Full Service Agentur zu positionieren, um mehr Umsatz- und Ertragsoptionen zu bekommen.

Top 10 Brutto-Werbeumsätze inhabergeführter Kommunikationsagenturen in Mio. €: (1) Serviceplan – 381,7, (2) Jung von Matt – 97,5, (3) Hirschen Group – 82,8, (4) Fischer Appelt – 72,5, (5) MC Group – 66,3 (6) Pilot Group – 55,6, (7) Achtung Gruppe – 30,4, (8) Grabarz & Partner – 24,2, (9) Pahnke Group – 23,2, (10) Faktor 3 – 21,4 (Quelle: Horizont, 14–15/2022, S. 12).

774 

 7 Kommunikationspolitik Full ServiceAgentur

Kommunikationsagentur Werbeagentur Mediaagentur Sonstige Dienstleister Abbildung 7.52: Agenturen im Kampagnenumfeld. Die kreativsten Kommunikationsdienstleister: (1) BBDO, (2) Serviceplan, (3) DDB, (4) Fischer Appelt, (5) Heimat (Quelle: Horizont 49/2021, S. 9). Ranking der Mediagenturen in Deutschland in Mio. €: (1) MediaCom – 1.530, (2) OMD – 1.501, (3) PHDOMG – 932, (4) Mindshare – 911, (5) Mediaplus – 879, (6) Carat – 839, (7) Havas Media – 740, (8) Pilot Media – 657, (9) Wavemaker – 595, (10) Initiative – 554 (Quelle: comVERGENCE; in: ZAW (Werbung), 2021, S. 163, erfasst sind die Total Billings reduziert um 50% geschätzte Rabatte und sonstige Abzüge).

Tabelle 7.11: Aufgaben im Agenturumfeld. Agentur

Aufgabenbereich

Beispielhafte Zielsetzungen

Kommunikationsagentur, Strategische Werbe- und auch als Marketingagentur Kommunikationsplanung bezeichnet

Steigerung Markenbekanntheit, Konkurrenzabgrenzung, Zielgruppenerschließung, etc.

Werbeagentur, auch als Kreativagentur bezeichnet

Werbemittelplanung und -entwicklung (Schrift, Bild, Ton. Bewegtbild, haptisch, Augmented, virtuell, mit/ohne Rückkanal

Kampagnen mit Online und Bewegtbildinhalten, Stützung durch Printwerbemitel mit Verkaufsförderungsansätzen

Mediaagentur

Werbe- und Kommunikationsträgerplanung, Einbuchung in die/ Umsetzung der Trägermedien

Budgetverteilung für die Werbemittel und Werbemedien (z. B. Anzeige und TV-Spot) auf die Werbeträger (z. B. Handelsblatt und N-TV)

Im Umfeld von Werbekampagnen und Agenturen haben sich spezifische Begriffe etablieren können, die von Beteiligten mehr oder weniger intensiv genutzt werden.942 Abbildung 7.53 gibt einen umfassenden Überblick. Der Pitch ist eine Ausschreibung von Kreativleistungen, bei dem sich Agenturen und Dienstleister mit Ideen und Grobkonzepten für den Gesamtauftrag bewerben. Der Pitch ist sozusagen ein Ideen-Wettbewerb.

942 Der klassische Beitrag von Hoeppe lässt wenig Wünsche offen, was einen tiefgehenden Einblick in der Agenturarbeit betrifft: vgl. Hoeppe, (Texter), in: MM, 6/1999, S. 242–262.

7.5 Kampagnenmanagement 

 775

BEGRIFFE IM AGENTURGESCHÄFT Art Director

verantwortlich für die kreative Arbeit

Berater

verantwortlich für die Konzeptionen für die Klienten

Billings

Umsätze der Werbeagenturen

Booklet

kleines Handbuch zur Dokumentation der Strategie

Copy

Anzeigentext (s.u. den speziellen Gliederungspunkt)

Copy Strategy

Briefing der Agentur mit den Eckpunkten der Kampagne

Etat Director

verantwortlich für die Kundenetats (Budgets)

Flyer

kleines Faltblatt; meist zur Imagedarstellung

Kampagne

Werbe“feldzug“

Key Idea

zündende Kernidee

Key Visual

bildliches Leitmotiv einer Anzeige / eines Spots

Landingpage

Spezielle Aktionswebseite

Layout

Gestaltung und grafischer Aufbau von Seiten

Mock Up

Vorführmodell, nicht-funktionsfähiger Prototyp

Pappen

praktische Hilfsmittel für Kundenpräsentationen

Pitch, Pitching

Präsentation im Wettbewerb mit anderen Agenturen

Scribble

Skizze eines Kreativentwurfes, meist auf Pappen

Spendings

Werbeausgaben des Klienten

Spot

Einzelelement der TV- oder Rundfunkwerbung

Storyboard

Drehbuch eines Werbe-Spots

Take

die einzelne Foto- oder TV-Aufnahme

UX Design

Gestaltung und grafischer Aufbau Webseiten& Apps

Abbildung 7.53: Begriffe im Agenturumfeld.

Zum Pitch werden ausgewählte Agenturen eingeladen, eine offene Ausschreibung wird nur selten vorgenommen. Für die Entwicklung und Erstellung erster Pitch-Konzepte werden vielfach keine Honorare bezahlt. Große werbetreibende Unternehmen erwarten kostenfreie Pitches, da der zu vergebenden Auftrag entsprechend umfangreich ist. Kleinere Unternehmen bieten Abschlagszahlungen für Pitch-Leistungen an, um ausreichend teilnehmende Agenturen bei dem Pitch zu haben. Eine Pitch-Ausschreibung kann sich an sieben grundlegenden Schritten orientieren: 943 – Anforderungen an den Pitch definieren: welche Unternehmensbereiche sind durch die Agenturauswahl betroffen, welche Besonderheiten sind bei der Ausschreibung zu beachten?

943 vgl. Reidel, (Assessment für Agenturen), 2014, S. 25.

776 

– –





– –

 7 Kommunikationspolitik

Strategie für Pitch-Ausschreibung definieren: soll eine Lead-Agentur gefunden werden, soll ein Pool an Dienstleistern aufgebaut werden? Leistungskatalog erstellen: welche Leistungen sollen die zu findenden Partner zukünftig erbringen, rd. 75% der Leistungen sind definierbar, weitere 25% der Leistungen zeigen sich erst im Laufe der Zusammenarbeit. Agentur-Screening durchführen: Vorqualifikation einzuladender Agenturen, bspw. auf Basis von Branchenerfahrungen, Wettbewerben, Verzeichnissen. Preise einholen und qualitativen Pitch durchführen: grundlegende Preisangebote stellen sicher, dass nur Agenturen eingeladen werden, die ins Budget passen. Weitergabe der Pitch-Vorgaben und nach nachvollziehbaren Kriterien den Pitch absolvieren. Entscheidung und Vertragsabschluss: Vereinbarung zu den festgeschriebenen Leistungen treffen und Rahmenbedingungen für zukünftig auftretende Zusatzaufgaben definieren.

Für die Teilnahme am Pitch benötigen die eingeladenen Agenturen weitgehende Informationen vom potenziellen neuen Auftraggeber, um die Pitch-Vorgaben passgenau umsetzen zu können: – Eindeutige Aufgabenbeschreibung mit Kriterien der Erfolgsmessung, Termine für Pitch-Prozess und anstehende Auftragslaufzeiten. – Hintergrundbeschreibungen zu Unternehmen und Produkt. – Gestalterische Vorgaben (bspw. Corporate Identity Handbuch). – Copy-Strategie und Kernargumente. – Vorgaben zur Pitch-Präsentation und Art der Entscheidungsfindung.

7.5.5 Marketing Automation im Spannungsfeld mit kreativer Kampagnenplanung 2018 ließ die personalpolitische Entscheidung von Zalando aufhorchen: 200–250 Mitarbeiter der Marketingabteilung sollten abgebaut werden, da das Marketing zukünftig deutlich weniger personalintensiv bearbeitet wird.944 Marketing wird auch weiterhin kreative Elemente besitzen, jedoch durch digitale Tools und Algorithmen stärker datengetrieben funktionieren.

944 Der ganze Bericht: https://t3n.de/news/zalando-spart-200–mitarbeiter-jobs-individualisierung-981580/

7.5 Kampagnenmanagement 

 777

Marketing Automation ist die softwaregestützte Kampagnenentwicklung und -umsetzung, die automatisiert effiziente und effektive Marketing- und Vertriebsmaßnahmen realisiert. Zumeist handelt es sich bei den Softwarelösungen um Kombinationen der Funktionsbereiche Datenanalyse, Kundensegmentierung und Maßnahmenentwicklung und -aussteuerung. Zukünftig können Algorithmen der künstlichen Intelligenz für die optimale Allokation der Marketing-Budgets ohne menschliches Zutun sorgen. Werbeanzeigen werden dann automatisiert bei verschiedenen Kundengruppen getestet, Budgets auf die erfolgreichsten Anzeigengruppen umgeschlüsselt und so das Maximum am ROAS (Return-on-Ads-spend) erzielt. Tabelle 7.12: Vergleich Marketing Automation und kreative Kampagnenentwicklung. Merkmale von Marketing Automation

Merkmale von kreativer Kampagnenentwicklung

Effizienz: höchster Gegenwert für Budget

Interesse: kreative Kampagnen erzeugen hohe Sichtbarkeit

Effektivität: exakte Zielführung der Marketingaktionen

Neugier: Zielgruppenausweitung durch emotionale Ansprache

Schnelligkeit: Testszenarien, Unimittelbarkeit

Langfristigkeit: emotionale Positionierung durch Imageaufbau

Vermeidung Fehlentscheidungen: nachvollziehbare Budgetallokation

Mut: kreative Spitzenleistungen

Skalierung: keine personalpolitische Ressourcenknappheit

Anpassung: Agiles Fortschreiben

Echtzeitadaption: Echtzeitreaktion der Kampagnen

Reaktivität: kreative Reaktionen auf aktuelle Ereignisse

Datenmengen: interne und externe Daten verarbeitbar

Zielgruppenadäquanz: Orientierung an Megatrends

Atomic Design: hyper-individualisierte Werbeauslieferung möglich

Reichweite: breit streuende Kampagnen mit hoher Reichweite

Lerneffekte: jeder Datensatz schlaut das System auf

Neuentwicklung: neue und überraschende Ansätze

Verschiedene Marketingdisziplinen bieten sich für Marketing Automation an: – E-Mail-Marketing: Verschiedene automatisierte Mailsequenzen können nach unterschiedlichen Kriterien durch E-Mail-Marketingsysteme versendet werden.

Zur Schaltung von google-Anzeigen ist bei der vollautomatisierten „Performance Max Kampagne“ nur noch ein Werbebudget anzugeben. Alle weiteren Entscheidungen trifft der Algorithmus.

778 









 7 Kommunikationspolitik

SEA/Search Engine Advertising: Gebote und Anzeigenauswahl kann automatisiert nach vorgegebenen Zielsetzungen und Rahmenbedingungen erfolgen. Social Media Marketing: Postings können gegeneinander getestet werden. Am besten performende Postings werden durch automatisierte Paid Social Media-Strategien gepusht. Bestandskundenaktivierung: Kampagnen können Bestandskunden nach vorgefilterten Kriterien analysieren und dann Ansprachestrukturen generieren. Lead Qualifizierung: Kundeninteraktionen werden getrackt und bewertet (bspw. das Herunterladen eines Whitepapers, das Ausfüllen eines Formulars, etc.). Durch die gesammelten Interaktionen im Zeitablauf werden Kundendaten und -informationen prozessgesteuert werthaltiger und können an Mitarbeiter im Vertrieb weitergegeben werden.

Gute Erfolge mit Marketing Automation erfordern einen gepflegten Datenstamm. Nur bei Vorliegen einer Vielzahl analysierbarer Daten können Algorithmen lernen und Ergebnisse erzielen, die menschlicher Analyse und Kreativität überlegen sind.

7.6 Umsetzung der Kommunikationsplanung Werbung ohne Ziel, Strategie und Budget wird keinen Erfolg erzielen. Aktive Kommunikationskampagnen verorten gemäß der bereits behandelten Positionierung Bilder in den Köpfen der Kunden. Passive Kommunikationsstrategien passen sich dagegen an veränderte Kundengewohnheiten an. Auch für die Wettbewerbsauseinandersetzung ist die Frage nach Aktion oder Reaktion wichtig. Will man sich durch aggressive Werbung vom Wettbewerb abheben (Differenzierungskommuni­ kation); oder möchte man eher mit den Werbeaktivitäten der Konkurrenz mithalten (Anpassungskommunikation)? Hinsichtlich der Reichweite sind regionale, nationale, internatio­ nale und globale Kommunikationsstrategien zu unterscheiden. Soll eine Werbemaßnahme im weltweiten Maßstab durchgeführt werden oder soll sie eine abgegrenzte, regionale Zielgruppe in einem speziellen Kulturkreis erreichen? Betreffend Umfang und Intensität einer Werbestrategie ist als quantitative Komponente festzulegen, ob das Niveau der Kommunikationsmaßnahmen (Intensität, Anzahl der sog. Impressions) verstärkt, zurück-

7.6 Umsetzung der Kommunikationsplanung 

 779

genommen und/oder qualitativ verändert werden soll. Qualitativ gelten als strategische Alternativen: – kontinuierliche Kommunikationsstrategien, die bewusst an bestehenden bildlichen oder sprachlichen Kommunikationsaussagen festhalten und – diskontinuierliche Kommunikationsstrategien, die den Kunden überraschen und/oder bestehende Bilder verrücken sollen Im Rahmen der dynamischen Kommunikationspolitik ist zu regeln, wie eine Kommunikationsstrategie ein Produkt im Zeitablauf fördern soll. In der Praxis schwanken Kommunikationsbudgets im Zeitablauf. Empirische Untersuchungen stellen immer wieder fest, dass Unternehmen mehrheitlich in guten Zeiten größere und in schlechten Zeiten geringere Budgets zur Verfügung stellen. Nur wenige Unternehmen verfolgen bewusst gegensätzliche Strategien. In Relation zur Konjunkturlage bzw. zur wirtschaftlichen Verfassung einer Unternehmung sind folglich pro­ zyklische, antizyklische und konjunkturindifferente Strategien zu unterscheiden. Isolierte Kommunikationskampagnen laufen in Regie einer Planungseinheit. Integrierte Kommunikationskampagnen erfordern das Abstimmen von Medien und Vertriebspartnern (Kanälen). Von wachsender Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Verbindung von Herstellerkommunikation und Händlerkommunikation in der Medienwerbung oder auf gemeinsamen Veranstaltungen.

7.6.1 Budgetierung der Kommunikation Kommunikationspolitik erfordert eine kaufmännische Budgetplanung. Der Werbedruck ist stark – die finanziellen Spielräume sind zu eng. Und neue Werbemedien (bspw. die dynamische Entwicklung neuer Social Media Angebote wie Instagram und TikTok) erfordern steigende Budgets.  Mit einem Patentrezept für ein optimales Werbebudget wäre ein Mysterium der Marketingtheorie gelüftet. Jedoch leider erweisen sich die von der wissenschaftlichen Forschung erarbeiteten Modelle für die praktische Unternehmensführung zumeist als nicht umsetzbar.945 Die Budgetrahmen sind in der Praxis durch Erfahrungsregeln (empirische Normen), Branchengepflogenheiten und aktuelle finanzielle Mög-

945 vgl. auch die umfangreiche Diskussion zu Budgetierungsansätzen bei Bruhn (Kommunikationspolitik), 2019, ab S. 239 und die kritische Reflektion ab S. 275.

Die fünf ausgabenstärksten Werbetreibenden Jan.-Nov. 2021 in Deutschland: (1) Ferrero – 652 Mio. €, (2) Amazon – 471 Mio. €, (3) Lidl – 439 Mio. €, (4) Aldi (gesamt) – 396 Mio. €, (5) L‘Oreal – 303 Mio. €.

780 

 7 Kommunikationspolitik

lichkeiten bestimmt.946 Daneben orientiert sich das Budget an den unternehmerischen Zielsetzungen, soll bspw. mehr Branding und Markenaufbau oder Abverkauf und Performance-Marketing betrieben werden. Das Modell aus Abbildung 7.29 ist ein möglicher Ausgangspunkt: (1) Kommunikation gegenüber- Stakeholdern, (2) Branding gegenüber Kunden, (3) Sales 1:n, (4) Sales 1:1, (5) Kundenbindung oder (6) Kundenrückgewinnung. Dieses Modell ist in späterer Folge bei der Diskussion der einzusetzenden Kommunikationsinstrumente der Orientierungsanker für die Planung. Üblich sind folgende Budgetierungsmethoden für den Werbeetat: (1) Im Idealfall bilden die strategischen Unternehmensziele die Richtschnur für Umfang und Qualität der Kommunikationsmaßnahmen und die dafür erforderlichen Budgets. Plastisch ist hierfür der Begriff Ziel- und Aufgaben-Methode (Objective­and­Task­Me­ thod).947 (2) Die verfügbaren finanziellen Mittel sind i. d. R. jedoch begrenzt. So geht die ausgabenorientierte Methode (All­we­can­afford­Method) von einem Budgetrahmen aus, „den man sich leisten“ kann. Ganz davon abgesehen, dass diese Budgetierungsmethode strategische Zielsetzungen und die Wechselwirkungen im Marketing-Mix außer Acht lässt: Die Vorgehensweise führt zu einem prozyklischen Verhalten. In wirtschaftlich guten Zeiten wird viel, in schlechten Zeiten wenig für das Unternehmensimage und für die Produktwerbung getan. Bei einem antizyklischen Verhalten würde man dann also in wirtschaftlich schwachen Zeiten gezielt die Kommunikationsanstrengungen erhöhen – soweit es sich die Unternehmung leisten kann. (3) Die Problematik eines prozyklischen Verhaltens wird besonders bei der Prozentsatzmethode (Percentage­of­Method) deutlich. Nach ihr werden die Werbebudgets als prozentuale Anteile vom Umsatz (Percentage-of-Sales-Method) oder vom Gewinn (Percentage-ofProfit-Method) festgelegt. Trotz der geschilderten Nachteile wird die Prozentsatzmethode in der Praxis am häufigsten verwendet. Für Kommunikationsbudgets gängig sind in der Konsumgüterindustrie Werbequoten von 6 – 12% und bei Industriegütern von 2 – 6% vom Umsatz. Die Prozentanteile gelten als Richtschnur und werden bei der Unternehmensplanung jährlich an die laufende Strategie und an die Wirtschaftslage angepasst. (4) Bei der Branchenbenchmark-Methode (Market­Benchmark) orientiert sich die Werbequote am Branchendurchschnitt bzw. am Trend 946 vgl. Rogge, (Werbung), 2004, S. 149–173. 947 vgl. z. B. Weis, (Marketing), 2019, S. 602 ff.

7.6 Umsetzung der Kommunikationsplanung 

 781

der Branche. Die eigenen Werbeaufwendungen können in Relation zum Durchschnitt der Branche gesetzt werden (Indexzahl). (5) Bei der Konkurrenzbenchmark-Methode (Competitive­Method) versucht man, mit den Werbebudgets des oder der Hauptwettbewerber mitzuhalten. Verschiedene Einflussgrößen verändern die Budgethöhe je nach Unternehmensart, Beschaffenheiten von Produkt und Markt und Stellung des Unternehmens auf dem Markt:948 – Anzahl möglicher Kunden: Sind viele potenzielle Kunden zu erreichen, benötigt dies ein tendenziell größeres Werbebudget, da breiter geworben wird. Eine niedrigere Kundenanzahl kann zielgerichteter und vielfach kostengünstiger beworben werden. – Alleinstellungsmerkmale der beworbenen Produkte: Ist ein Produkt im Wettbewerb vergleichbar, muss das Unternehmen ein höheres Budget aufwenden, um im Vergleich zu den Wettbewerbern durchzudringen. Ist das Produkt oder die Serviceleistung einzigartig, genügt vielfach ein geringeres Budget, da weniger Abgrenzungswerbung betrieben werden muss. – Deckungsbeiträge des Produkts oder der Serviceleistung: Erzielen Produkte hohe Deckungsbeiträge, stehen tendenziell mehr finanzielle Mittel für die Bewerbung zur Verfügung. Ist dies eine Charakteristik des Marktes, schaukeln sich die Marktteilnehmer vielfach zu höheren Marketing- und Werbebudgets hoch. Sind die Margen geringer, sind auch die Werbebudgets vielfach geringer. – Absatzkanäle: Werden Produkte ausschließlich über eigene Absatzkanäle vertrieben, können Unternehmen dies mit tendenziell geringeren Werbebudgets realisieren. Wird ein großer Teil des Umsatzes über Intermediäre und Handelspartner erzielt, steigt das Werbebudget, da vielfach die absatzfördernde Werbung des Absatzpartner mitfinanziert werden muss (sog. Werbekostenzuschüsse / WKZ). Neben diesen nah am eigentlichen Produkt oder der Serviceleistung zu findenden Dimensionen kann die Marktbeschaffenheit einen Einfluss auf die Höhe des Werbebudgets nehmen. Tabelle 7.13 zeigt weitere Faktoren auf.

948 Diese und weitere Argumente finden sich u. a. bei Bruhn (Kommunikationspolitik), 2019, S. 245.

782 

 7 Kommunikationspolitik

Tabelle 7.13: Exogene Einflussfaktoren auf die Höhe des Werbebudgets. Faktor

Erläuterung/Diskussion

Anzahl der Wettbewerber

Eine große Anzahl an Wettbewerbern bewirkt ein höheres Werbebudget, um sich in der Kundenwahrnehmung durchsetzen zu können, bspw. Hersteller von Kraftfahrzeugen.

Saisonalität des Absatzes

Durch die Fixierung auf bestimmte Absatzzeitpunkte, muss zu diesen Zeiten der Umsatz unbedingt realisiert werden, daher werden dort tendenziell höhere Werbebudgets eingesetzt, Bsp. Spielwaren im Weihnachtsgeschäft.

Phase des Lebenszyklus

In frühen Phasen muss stark investiert werden, um das Produkt bekannt zu machen, in späten Phasen ebenfalls, um sich im Wettbewerb gegen neue Technologien durchsetzen zu können.

Abhängigkeit von dritten Faktoren

Orientieren sich die Werbeinvestitionen an begleitenden Events oder Veranstaltungen, steigen auch hier die Investitionen, z. B. Sportartikel im Zusammenhang mit sportlichen Großereignissen.

Modernität der Endkunden

Wenn die angesprochenen Kunden sehr aktiv auf neue Kommunikationsangebote reagieren, zieht dies i. d. R. höhere Werbeinvestitionen nach sich, da Unternehmen auf mehr Kanälen werben müssen.

Die Budgetierungsansätze schließen sich nicht aus. Unternehmen werden alle Orientierungsgrößen berücksichtigen. Keinesfalls aber hängt der Erfolg der Kommunikation vom Budget ab. Die Werbetreibenden wissen: Werbedruck allein bewegt wenig. So gilt z. B. für Markenprodukte die Regel: 100% mehr Werbedruck (Werbeausgaben) bringt nur ca. 3,5% mehr Marktanteil.949 Wenn auch eine Korrelation zwischen der Höhe eines Kommunikationsbudgets und der Bekanntheit eines Produktes nicht zu leugnen ist: Die Qualität der Werbung muss stimmen. Und wer die falsche Strategie verfolgt, kann sich Werbeausgaben sparen. Die oben schon aufgeführten Herausforderungen an die Budgetierung von Werbebudgets müssen ergänzend einer kritischen Betrachtung unterzogen werden. Verschiedene zentrale Herausforderungen lassen sich aus wissenschaftlicher und praktischer Sicht festhalten: – Welche Daten stehen zur Verfügung (das sog. Datenproblem): Um eine optimale Budgetierung vornehmen zu können, benötigt es exakte Daten mit guter Qualität und hoher Verlässlichkeit. Vielfach sind diese 949 vgl. Hoffmann, (Profit), in: Welt am Sonntag v. 4.7.1999, S. 54.

7.6 Umsetzung der Kommunikationsplanung 







 783

Daten nicht oder nur eingeschränkt verfügbar. Quantitative Daten lassen sich individuell erheben (bspw. Kontakthäufigkeit von Plakatwerbung durch Passantenzählungen oder Onlineauswertungen von Öffnungsraten von Newslettern) und schaffen eine vergleichsweise objektive Faktenbasis. Qualitative Daten, wie bspw. Imagewerte nach der Schaltung von großflächigen Anzeigen- und Online-Kampagnen, können nur annäherungsweise durch sozialwissenschaftliche Forschung in ausgewählten Stichprobengrößen erhoben werden. Wie wirkt Werbung (das sog. Wirkungsproblem): Welche Faktoren fördern oder reduzieren die Werbewirkung? Wird eine TV Werbung bei schlechtem Wetter oder bei Sonnenschein ausgestrahlt? Derartige Einflüsse haben maßgebliche Auswirkungen auf Einschaltquoten und somit auch auf Erfolgschancen der Werbekampagne. Wie wird Werbeerfolg bemessen (das sog. Messproblem): Digitale Werbung ist in vielen Fällen durch Klick-Zahlen, Impressions und Online Sales in der Wirkung gut nachvollziehbar. Klassische Werbung, wie bspw. eine Anzeige in einer Fachzeitschrift oder die Schaltung eines Radiospots, besitzt diese unmittelbare Messbarkeit nicht. Wie wirken die verschiedenen Werbemedien und Instrumente miteinander (das sog. Interdependenzproblem): Werbung wird i. d. R. über verschiedene Medien und Kanäle zeitgleich geschalten (bspw. wird ein TV Spot durch eine Online-Kampagne und Plakatwerbungen in Metropolregionen unterstützt). Welche Werbung besitzt nun welchen Anteil am Erfolg der Kampagne? Im Online Marketing wird diese Herausforderung der Werbewirkungsbewertung über sog. Attributionsmodelle adressiert.950 Im Verbund mit klassischen Medien stehen diese Modelle noch vor großen Herausforderungen, da Nachverfolgung von Werbewirkung im Offline-Umfeld aufwändig und nur annäherungsweise möglich ist. Verschiedene Attributionsansätze werden verwendet: (1) Last Click: Der letzte Werbekontakt erhält die komplette Erfolgszurechung. (2) First Click: der erste Werbekontakt erhält die Erfolgszurechnung. (3) Badewanne: Der Werbekontakt zu Beginn und Ende der Customer Journey werden als bedeutender bewertet, Ansatz: zu Beginn geht es um Aufbau von Bekanntheit, zu Ende um die Erzielung der Conversion.

950 Erläuterungen zur Online-Attribution u. a. online zu finden unter https://omr. com/de/daily/glossary/attribution/

784 

 7 Kommunikationspolitik

(4) Linear: jeder Werbekontakt hat die gleiche Relevanz und Bedeutung. (5) Time Decay: über die Zeit steigt die Bedeutung für den Abschluss.

7.6.2 Kennzahlen zur Planung der Mediaselektion Erfolg hat ein Werbeträger, wenn er strategische und operative Zielsetzungen des Werbetreibenden erreicht. Zu unterscheiden ist die ex ante Analyse von Kontaktchancen durch eine Mediastreuplanung von der ex post Erfolgsanalyse eines Werbemediums im Rahmen der Werbeträgerforschung. Dabei unterscheidet sich der Erfolgsmaßstab je Unternehmen, Produkt und expliziter Zielsetzung der Kampagne. Die effektiv notwendige Kontaktfrequenz ergibt sich aus der Entscheidung, ob viele Kontakte zu einer Person benötigt oder die gewünschte Werbewirkung durch einzelne Kontakte zu vielen Personen erzielt wird. Bei vielen Kontakten zu einer Person (bspw. die wöchentliche Versendung eines E-Mail-Newsletter) wird eine hohe Werbewirkung mit tendenziell einem höheren Involvement bei der Person erreicht. Dies kann für teure Käufe und komplexe Produkte und Serviceleistungen ein zielgerichteter Ansatz sein. Sollen hingegen Konsumgüter vertrieben werden, kann der Ansatz von einem Kontakt zu vielen Personen alternativ erfolgreich sein. Die Buchung eines TV Spots oder einer großflächigen Display Kampagne auf einer frequentierten Webseite kann für Konsumgüter eine effektive Kontaktstrategie darstellen, die Werbeerfolg erzielt. Als Mediaselektionskriterien haben sich Kennziffern bewährt. Die Medienwirtschaft hat sich auf Kennzifferndefinitionen der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) verständigt. Unterschieden werden Kennzahlen nach 4 Kategorien: (1) Kontakt­Kennzahlen (2) Reichweiten­Kennzahlen (3) Kommunikationsdruck­Kennzahlen (4) Response­Kennzahlen Von besonders großer Bedeutung ist der Kontaktpreis. Kontakt bedeutet für Werbetreibende Unternehmen die Chance auf Wahrnehmung. Diese Kontaktchance kann sehr differenziert ausgewiesen werden. Das Werbemedium Print bspw. versucht sowohl die Leserschaft per Ausgabe (LpA), die Leserschaft pro Seite (LpS) und auch die Leserschaft pro Werbung führende Seite (LpwS) zu differenzieren, um den Werbetreibenden eine möglichst genaue Einschätzung zu den Kontaktchancen über die Wer-

7.6 Umsetzung der Kommunikationsplanung 

 785

beinsertion zu ermöglichen. Nahezu alle Mediengattungen bieten eine Betrachtung der Kontaktfrequenz und den dazu in Ansatz gebrachten Kosten an. Durch die Kennzahl des 1000er-Kontaktpreis werden Werbemedien vergleichbar. Der zu errechnenden 1000er­Kontaktpreis (TKP) wird üblicherweise in Kosten pro 1.000 Werbekontakte ausgedrückt. In ungewichteter Form werden die Gesamtkosten einer Werbeschaltung durch alle Werbekontakte (in 1.000) dividiert. Diese Kennziffer lässt den Zielgruppenanteil unter Lesern, Hörern, Zusehern oder Online-Nutzern unberücksichtigt. Deshalb gibt es alternativ den sog. gewichteten Tausenderpreis. Die Werbekosten werden dann nur auf die Zielpersonen (Multiplikation der Bruttokontakte mit dem Zielgruppenanteil des Werbeträgers) bezogen. Aber auch gewichtete 1.000er Kontaktpreise lassen die Qualität der Werbeschaltung und differenzierte Werbekontaktchancen außer Acht. Deshalb wird ein Affinitäts­Index zu einem weiteren Erfolgsmaßstab für das Erreichen der Zielgruppe. Er beschreibt die Reichweite eines Mediums in der Zielgruppe im Vergleich der Reichweite des Mediums in der Bevölkerung. Er wird über die Division des Anteils der Zielgruppe in dem Medium durch den Anteil der Zielgruppe in der Gesamtbevölkerung (x100) berechnet. Sind in der Leserschaft eines Freizeitmagazins 8% Angler, der Zielgruppenanteil der Angler in der Gesamtbevölkerung beträgt aber nur 2%, dann errechnet sich ein attraktiver Affinitäts-Index 400 (Rechenweg 8: 2 x 100). Ein Affinitätswert von 100 bedeutet, dass das gewählte Medium keine besonders Abdeckung der Zielgruppe erreicht. Je höher der Affinitäts-Index ausfällt, desto präziser wird die Zielgruppe im Vergleich zur Trefferquote in der Gesamtbevölkerung mit dem ausgewählten Medium erreicht. Gemäß IVW-Definitionen bedeuten die Kennziffern: – Bruttoreichweite: zählt alle Kontakte in Mio. (ohne Berücksichtigung/Bereinigung von Mehrfachkontakten). – Nettoreichweite: gibt alle erreichbaren oder erreichten Zielpersonen mit mindestens einem Kontakt in Mio. an (jede Person wird nur einmal erfasst). – Prozentuale Nettoreichweite: errechnet den Anteil der erreichten Zielpersonen an den maximal erreichbaren Zielpersonen (Zielgruppenausschöpfung). – Bruttokontakte: in Mio. ergeben sich als Summe aller erzielbaren oder erzielten Kontakte (Treffer) in der Zielgruppe (nur Bezug auf Zielgruppe).

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Eine Kampagne erreicht 80% der Zielgruppe. Jede Person bekommt 3 Werbeimpulse. GRP = 240.







 7 Kommunikationspolitik

Gross Rating Points (GRP): stellen die erzielbaren oder erzielten Bruttokontakte pro 100 Zielpersonen dar (Kontakte pro 100 Zielpersonen). Zielgruppen­Affinität: gibt den prozentualen Anteil der mindestens einmal durch das Medium erreichten Zielpersonen an allen von diesem Medium erreichten Personen an (Effizienz der Zielgruppe). Affinitäts­Index: teilt den Anteil der vom Medium erreichbaren Zielpersonen durch den Zielgruppenanteil in der Gesamtbevölkerung (x 100).

Zur Messung des Kommunikationsdrucks wird die Kennzahl Gross Rating Point verwendet (GRP). Sie beschreibt als Indexwert alle Kontaktchancen einer Kampagne. Dabei werden auch Mehrfachkontakte in die Betrachtung einbezogen. Diese auf den ersten Blick vielleicht grob wirkende Kennzahl ist neben 1000er-Kontaktpreisen und Nettoreichweite die am meisten in der Werbeplanung verwendete Kennzahl. Sie ist Maßstab für den Werbedruck und kann über die Zeit als Indexwert verglichen werden. Alle Werbeanstöße werden berücksichtigt und einbezogen. Die einfache Berechnung betrachtet absolute Bruttokontakte im Verhältnis zu den absoluten Zielpersonen (x100). Beispiel: Bei einer absoluten Anzahl in der Zielgruppe von 4 Mio. Kunden erreicht eine beispielhafte Werbekampagne im TV bei einmaliger Ausstrahlung 2,2 Mio. Personen aus der Zielgruppe. Diese TV Werbung wird im Rahmen der Kampagne 3x ausgespielt. GRP = ((2,2 Mio. × 3) : 4 Mio.) × 100 = GRP 165. Eine alternative Planung in der gleichen Zielgruppe erreicht über die Schaltung von Social Media Ads 320.000 User, die Ads werden zu 6 Zeitpunkten geschaltet: GRP: ((0,32 Mio. × 6) : 4 Mio.) × 100 = GRP 48. Die TV Kampagne erzielt einen höheren Werbedruck. Werden beide Kampagnen zeitgleich geschaltet, addiert sich der GRP. Im Zusammenspiel mit 1000er Kontaktpreisen und der angesprochenen Nettoreichweite bestehen jetzt Entscheidungsgrundlagen für die Werbekampagne in Abhängigkeit von Zielsetzungen und Kosten. Der GRP kann aus Unternehmenssicht mit früheren Werbezeiträumen verglichen werden. Dadurch lässt sich die analytische Unterstützung von Werbeplanung und -budgetierung im Zeitverlauf entwickeln. Der GRP wird ergänzend auch zum Konkurrenzvergleich verwendet. Die Werbeformate (TV Spots, Online-Werbungen, etc.) werden von den Mediaagenturen erfasst und zum Verkauf von Sendezeiten und Anzeigenstrecken statistisch aufbereitet. So kann ein Unternehmen die eigenen Werbeanstrengungen über den GRP kalkulieren und gleichzeitig nachvollziehen, wie intensiv der Werbedruck der eigenen Kampagne im Vergleich zum relevanten Wettbewerb ist.

7.6 Umsetzung der Kommunikationsplanung 

 787

Die vergleichende Betrachtung von Werbedruck hat neue Kennzahlen etablieren lassen: – Share of Advertising (SoA): Wie groß ist der eigene Anteil am Mediabudget der Branche? – Share of Voice (SoV): Wie groß ist die prozentuale Werbeabdeckung durch die eigene Kampagne? – Share of Mind (SoM): Wie groß ist der eigene Anteil an den Gesamtwerbekontakten, die die Zielgruppe erhält? Diese Kennzahlen lassen die Orientierung am Wettbewerbsumfeld in den Vordergrund rücken. Eine verlässliche Steuerung von Kommunikationsanstrengungen ermöglicht eine stärker analytisch entwickelte Budgetplanung. Methoden wie die Market Benchmark oder Competitive Method sind analytisch höher entwickelt und verfeinern die Orientierung der Werbeanstrengungen am Wettbewerbsumfeld (siehe 7.6.1).

7.6.3 Kennzahlen und Messungen zur Werbeerfolgskontrolle Die Messung des Werbeerfolgs erfolgt in drei Richtungen: (1) Werbemittelerfolg: Welche Wirkungen erreicht eine Anzeige, ein Online Kampagne etc. aus welchen Gründen durch die kreativen Elemente bei den Umworbenen? (2) Werbeträgererfolg: Wurden gemessen an 1000er-Kontaktpreis, Reichweite, Affinität sowie anderer Mediaselektionskennzahlen die richtigen Medien ausgewählt? (3) Gesamterfolg: In welchem Ausmaß sind Werbeziele einer Kampagne insgesamt erreicht worden (mehr Bekanntheit, neue Leads, Umsatzgenerierung)?

„I know half the money I spend on advertising is wasted. I just don´t know which half.” Bruhn zitiert diesen berühmten Ausspruch des Händlers John Wanamaker (1837-1922) in seiner 1. Auflage: Bruhn, (Kommunikationspolitik), 1997, S. 359.

Die Werbeerfolgskontrolle betrachtet zunächst die Qualität eines Werbemittels, also die kreative Wirkung einer Anzeige oder eines TV-Spots. Trifft die Anzeige nicht in das Herz des Kunden, dann bleibt selbst eine Positionierung im reichweitenstärksten Hochglanzmagazin wirkungslos. Tabelle 7.14 zeigt wichtige Messgrößen für die Werbeerfolgskontrolle. In der Praxis liegt ein Schwerpunkt im kognitiven Messbereich951. Um den Erfolg einer Anzeige, eines TV-Spots oder eines Plakates festzustellen, werden Käufer nach Wiedererkennung (Recognition) und der inhaltlichen Erinnerung an die TV-Spots und deren Botschaften (Recall) befragt:

DAR-Test (Day after Recall): Telefoninterviews einen Tag nach Ausstrahlung eines TV-Spots.

951 d. h., es werden keine Einstellungen erfragt, sondern Sachverhalte.

788 

 7 Kommunikationspolitik

Tabelle 7.14: Messgrößen für den Werbemittelerfolg. Messgrößen für den Werbemittelerfolg Kognitive Erfolgsgrößen (bewerten/erinnern)

Affektive Erfolgsgrößen (fühlen)

Konative Erfolgsgrößen (handeln, überprüfbar)

– Werbekontakte

– Einstellungen

– Kaufabsicht

– Wiedererkennung (Recognition)

– Assoziationen

– Effektiver Kauf

– Erinnerung (Recall), gestützt oder ungestützt

– Vergleiche

– Kaufempfehlung – Wiederholungskauf



Werbewirkung einer E.On-Kampagne: gestützte Bekanntheit: 93%; ungestützte Bekanntheit: 66% (vgl. MM (062004), S. 84).



Recognition­Tests: Am bekanntesten ist der Starch-Test mit ca. 150 – 200 Testpersonen. Die Tests befragen nach den Kategorien „noted“ (Anzeige gesehen), „seen/associated score“ (Anzeige global wahrgenommen) und „read most score“ (Anzeige zu mehr als 50% gelesen). Die Wiedererkennungstests gelten als recht zuverlässig.952 Ergänzend können Ereigniskenntnisse, Werbekenntnisse, Namenskenntnisse und Eigenschaftskenntnisse abgefragt werden. Recall­Tests prüfen weitergehend den Erinnerungsumfang der Umworbenen ab. Bei der ungestützten Erinnerung (Unaided Recall) sollen Befragte Details einer Werbung ohne Hilfestellung beschreiben.953 Eine hohe ungestützte Bekanntheit ist der größte Erfolg in der Werbung. Bei der gestützten Erinnerung (Aided Recall) werden Hilfestellungen gegeben, z. B. Nennung eines Markennamens, ein kurzer Blick auf das Logo oder Hinweise zum Produkt. Bekannter Vertreter dieser Kategorie ist der Impact-Test, bei dem Befragte eine bereits gelesene Zeitung oder Kärtchen mit den Namen der beworbenen Firmen bzw. Produkte vorgelegt bekommen.

Die Werbewirkungsmessung im Gefühlsbereich wurde bereits bei im Kapitel zur Skalierungstechnik beschrieben. Einstellungen (Wie gefällt Ihnen die Anzeige ...?), Assoziationen (Wenn Sie den Markennamen Supreme hören, woran denken Sie dann?) oder Vergleiche (Suchen Sie sich aus den Bildmotiven jeweils zwei aus, die sich sehr ähnlich sind, sowie zwei, die Sie als grundverschieden empfinden) stehen im Vordergrund der Befragungen.

952 vgl. Bruhn, (Marketingkommunikation), 2011, S. 523–527. 953 vgl. Weis (Marketing), 2018, S: 641.

7.6 Umsetzung der Kommunikationsplanung 

 789

Als Werbeauswirkungen auf das konkrete Kaufverhalten können im Markt erfragt werden: Kaufabsichten, konkrete Käufe und Weiterempfehlungen. Die Werbeerfolgsmessung wird durch zwei Phänomene erschwert: – zeitlichen Übertragungseffekt: Eine Anzeige oder ein TV-Spot wirkt nicht unverzüglich. Die Wirkung tritt vielmehr mit einer zeitlichen Verschiebung in Proportionen auf; sie überträgt sich stückweise in die Zukunft.954 – Carry­over­Effekt: Dieser verhindert eine isolierte Wirkungserfassung einer Werbemaßnahme. Bereits beim Anblick einer Anzeige beeinflussen das Produktäußere (Produktdesign), das empfundene Hersteller-Image wie auch Kenntnis über den Produktpreis die Wahrnehmung (als Folge des Phänomens der selektiven Wahrnehmung) und die Wirkung des Werbemittels. Zur Lösung dieser Probleme wurden Scoring-Modelle entwickelt. Sie messen die Wirksamkeit von Anzeigen nicht durch Erhebung isolierter Erfolgsparameter, sondern mit Hilfe von multivariablen Bewertungen. Z. B. analysiert der TachEswa-Index Werbung anhand der Kriterien Geschwindigkeit (einer Werbeaufnahme), Einstellung und Gedächtniswirkung sowie der Subdimensionen Aufmerksamkeit, Informationsinhalt, Anzeigenerinnerung, Markenerinnerung, Akzeptanz und Persuasion (Überzeugungskraft).955 Jedes Werbemittel wird anhand von 160 Kriterien überprüft. Für erfolgreiche Anzeigen oder Spots gilt ein Benchmark (Overall-Score) von 100 und mehr Punkten. Bei Analyse von Anzeigen in Spiegel und Focus haben vier Anzeigen diese Spitzenwerte erreicht: Hannoversche Leben, Die Bahn, Fuji und jusline.de. Alle vier Spitzenanzeigen zeichnen sich aus durch: – eine stark bildorientierte Kommunikation, – keine „Kopflastigkeit“, – hohe, zielgerichtete Kreativität, – Fokus auf Dienstleistungen. Die Reichweiten von Online-Medien werden bspw. durch die Arbeitsgemeinschaft Online Forschung (agof) als Zusammenschluss führender Online Vermarkter zusammengefasst und regelmäßig veröffentlicht. In den Auswertungen werden die wichtigsten Fakten zur allgemeinen Onlinenutzung der deutschen Bevölkerung zusammengetragen. Aus 954 vgl. Rogge, (Werbung), 2004, S. 238. 955 vgl. Meyer-Hentschel, (Überdurchschnittlich kreativ), in: ASW, 2/2001, S. 92–93.

790 

 7 Kommunikationspolitik

Kommunikationssicht ist die Analyse der genutzten Online Angebote, wie bspw. Webseiten und Social Media Netzwerke relevant, da sich in diesen Werbeschaltungen realisieren lassen. Neben allgemein aufbereiteten Marktdaten können digitale Medien auch für Werbetreibende individuell analysiert werden. Durch die Möglichkeit, dass ausgewählte Performancedaten von Online Medien frei zugänglich sind, bieten Dienstleister Tools an, mit denen sich individuelle Reichweitenkennzahlen erheben lassen.956 Als bedeutendste allgemeine Reichweiten-Studien der Printwirtschaft sind hervorzuheben: – Media-Analyse (MA) der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (agm): Angeschlossene Marktforschungsinstitute liefern halbjährlich Leserschaftsdaten. Befragte müssen mindestens eine der letzten 12 Ausgaben genutzt haben. – Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA): Das private Institut für Demoskopie in Allensbach befragt nach dem Quotenverfahren 22.000 Leser (der Befragte muss eine Zeitschrift mindestens sehr selten nutzen), analysiert spezielle Zeitschriftenreichweiten und bietet zahlreiche qualitative Zielgruppeninformationen. Aufgabe der Anzeigenmarktforschung ist es, den Weg von der Druckauflage zu Leserkontakten und weiter zu gewünschten Zielgruppenkontakten nachzuverfolgen. Im Mittelpunkt steht die verkaufte Auflage, differenziert nach Einzelverkauf, Abo-Verkauf und sonstigem Verkauf (im wesentlichen Lesezirkel). Das Erfolgskriterium ist die Anzahl der Leser pro Nummer (LpN): „Im Leser pro Nummer werden alle Personen erfasst, die von der durchschnittlichen belegbaren kleinsten Einheit eines Werbeträgers, d. h. bei einmaliger Insertion erreicht werden. In der Praxis der Werbeträgerforschung ist das die Zusammenfassung aller Personen, die im jeweiligen Erscheinungsintervall Kontakt mit irgendeiner Einheit des Werbeträgers hatten.“ (Broschüre der IVW) Der Ansatz beruht auf der Gesetzmäßigkeit, dass die Anzahl der Leser einer bestimmten Ausgabe einer Zeitschrift innerhalb eines beliebigen Zeitraums gleich ist der Leserschaft einer beliebigen Ausgabe in einem bestimmten Zeitraum. Beispiel: Leser von Heft 10 im Zeitraum Woche 10 bis 16 entsprechen den Lesern der verschiedenen Ausgaben (Hefte 10 bis 16) in der Woche 16. Man kann also die Identität von Leser pro Nummer und Leser im Erscheinungsintervall unterstellen, so dass

956 Ein bekanntes Tool ist https://www.similarweb.com/de/

7.6 Umsetzung der Kommunikationsplanung 

 791

es nicht notwendig ist, wiederholte Befragungen nach der Nutzung einer bestimmten Nummer durchzuführen. Eine Leserbefragung in Woche 16 ist ausreichend. Durch Berücksichtigung von individuellen Nutzungswahrscheinlichkeiten wird die Analyse weiter verfeinert und der LpNWert in einen LpA-Wert überführt.957 Die GfK führt weltweit das größte Fernsehforschungspanel. Die Zuschauerdaten gelten als „Währung“ der Mediaplanung. Sie wird in Deutschland im Auftrag der AGF durchgeführt. Werbewirtschaft und TV-Sender wollen in Erfahrung bringen, welche Zielgruppen zu welchen bevorzugten Zeiten welche TV-Kanäle wie lange nutzen. Sie beschaffen sich die Informationen hierzu vor allem aus dem Panel der AGF/ GfK-Fernsehforschung. Die Daten werden in 5.400 Panel-Haushalten bei ca.  11.000 Personen erhoben. Auswahlgrundlage für die Quotenstichprobe ist die Grundgesamtheit von ca 38,7 Mio. deutschen Fernsehhaushalten mit 75,2 Mio. Personen; aufbereitet in der ma (Media-Analyse) bzw. dem Mikrozensus für die EUA-Haushalte.958 Durch die zunehmende Nutzung von IPTV (Übertragung des TV-Signals über das Internet) können die Betreiber der dafür notwendigen Settop-Boxen bei ihren Nutzern minutengenaue TV-Nutzungen erheben. Ein spannender Bereich ist die Erfolgsmessung für die Out-of-HomeMedien. Der ZAW wies für 2021 insgesamt 288.817 Standorte für klassische und digitale Plakatmedien aus.959 Die Branche hat 2021 rd. 2,3 Mrd.€ Umsatz erzielt. Die Arbeitsgemeinschaft Medien stellt Wirkungsdaten und Erfolgsmessungen für Plakate nach einem 3-stufigen Erhebungsverfahren zur Verfügung:960 Zum Start werden Befragte nach ihren Mobilitätsdaten der letzten Tage befragt. Die telefonischen Interviews ergeben Wegpunkte, zu denen die Kunden außer Haus unterwegs waren. In der zweiten Stufe werden diese Bewegungsdaten mit standardisiert erhobenen Frequenzdaten der Straßen angereichert. Diese Frequenzdaten nehmen auf Straßenabschnitte speziellen Bezug, um den exakten Abgleich mit Plakatstandorten zu ermöglichen. In der dritten Phase kommen dann standortspezifische Bewertungskriterien der Plakatpositionierung hinzu. Der sog. K-Faktor

957 Dazu werden folgende Lesergruppen mit ihren Lesewahrscheinlichkeiten unterschieden: ganz seltene Leser (1–24%), seltene Leser (25–40%), gelegentliche Leser (41–58%), häufige Leser (59–82%), Kernleser (83–100%). Kernleser lesen praktisch jede Ausgabe. 958 vgl. GfK (Hrsg.), Fernsehzuschauerforschung, akt. Ausgabe, und interne Infos GfK. 959 vgl. ZAW (2021), S. 104. 960 vgl. https://www.agma-mmc.de/media-analyse/ma-out-of-home/datenerhebung, online am 01.06.2022.

792 

 7 Kommunikationspolitik

(als Maßstab der Umfeldkomplexität des Mikrostandortes des Plakats) betrachtet Sichtbarkeit des Plakats, bspw. reduziert eine schräge Aufstellung des Plakats zum Straßennetz die Wahrnehmungsmöglichkeiten und wertet damit die Werbewirkung tendenziell ab.

7.7 Instrumente der Kommunikationspolitik – Mediawerbung „Medien werden unterschieden in „leanback“, „on demand“, „manually curated“ und „algorithmically curated“. Die Veränderung ist bspw. am TV zu erkennen: früher ausschließlich nach vorgegebenem Programmschema (leanback), heute als Streaming (on demand) und mit vielen automatischen Playlists der Plattformen (algorithmically curated).

Werbemärkte global in Mrd. US$: (1) USA – 219, (2) China – 89, (3) Japan – 43, (4) UK – 31, (5) Deutschland – 25 (Quelle: ZAW, (Werbung), 2021, S. 30).

Mediawerbung bedeutet Transport und die Verbreitung werblicher Informationen über die Belegung von Werbeträgern mit Werbemitteln im Umfeld öffentlicher Kommunikation gegen ein leistungsbezogenes Entgelt, um eine Realisierung unternehmensspezifischer Kommunikationsziele zu erreichen. … Die Mediawerbung ist: (1) eine Form der unpersönlichen Kommunikation, (2) eine Form der mehrstufigen, indirekten Kommunikation, (3) die sich öffentlich (4) und ausschließlich über technische Verbreitungsmittel (die Medien) (5) vielfach einseitig (6) mittels Wort-, Schrift-, Bild- und/oder Tonzeichen (7) an ein disperses Publikum richtet.961 Mediawerbung spricht Konsumenten nicht persönlich an. Im Mittelpunkt stehen Insertions- und Printmedien (Zeitungen, Publikumszeitschriften, Fachzeitschriften, Anzeigenblätter, Adressbücher etc.), elektronische (audiovisuelle)-Medien (Internet, öffentlich-rechtliches und privates Fernsehen, Film und Hörfunk, Kino) sowie das Spektrum der Außen- und Innenwerbung durch Plakate und Aufschriften. Dabei bewirbt klassische Medienwerbung vor allem Markenprodukte. Markensicherung ohne permanente Mediapräsenz ist nicht möglich. Institutionen wie der Zentralverband der Werbewirtschaft (ZAW), Nielsen, der Deutsche Dialogmarketing Verband (DDV), Schickler oder die Deutsche Post versuchen, durch vielfältige Statistiken die schier unzählbaren Werbeausgaben abzubilden. Alle Werbestatistiken belegen: Die Werbewirtschaft dreht weltweit ein großes Rad. Auf den Ebenen der Strategieberatung, der kreativen Lösungen und der kommerziellen Verteilung auf Werbeträger wird um die werbende Wirtschaft, um Accounts, wie auch um nicht kommerzielle Einrichtungen gekämpft. Nach dem Corona-Einbruch 2020 (43,7 Mrd. € Nettowerbeumsätze nach 48,5 Mrd. € 2019) wurde 2021 mit 46,3 Mrd. Euro nahezu wieder das alte Niveau erreicht. Der ZAW kommt in seiner Schätzung auf nahezu die gleichen Zahlen: 44,9 Mrd. € werden vom Zentralverband für die gesamte kommerzielle Kommunikation für 2020 ausgewiesen, die

961 Bruhn (Kommunikation), 2015, S. 374 f.

7.7 Instrumente der Kommunikationspolitik – Mediawerbung  

 793

Berechnung fügt dabei Werbeerlöse der Medien (siehe dazu Tabelle 7.15), die Investitionen der Wirtschaft in Werbung sowie weitere erfassbare Formen der kommerziellen Kommunikation zusammen und bildet dadurch die vollständige Branche ab. Damit bewegt sich die Werbewirtschaft auf Augenhöhe mit gewichtigen Branchen wie Pharma (49 Mrd. €) oder IT-Hardware (29 Mrd. €).962 Die Netto-Werbeeinnahmen erfassbarer Werbeträger 2021 werden vom Zentralverband der Werbewirtschaft e.V. (ZAW) für Deutschland auf 25,872 Mrd. Euro beziffert. Der Blick auf Tabelle 7.15 zeigt: Der Trend bei den Klassik-Medien (insb. Print) ist seit 2007 rückläufig. Online Werbung ist mit einem Anteil von 44,9% mittlerweile der Platzhirsch der Werbemedien. Pandemiebedingt wurde 2020 ein Rückgang von rd. 5% im Vergleich zum Vorjahr registriert. 2021 stiegen die Werbeeinnahmen wieder um fast 9%. Tabelle 7.15: Netto-Werbeeinnahmen 2019 bis 2021 in Mrd. €.963 Mediaform

Netto 2019

Netto 2020

Netto 2021

Anteil 2021 an Gesamt

Internet

8,989

9,953

11,616

44,9%

Print

8,410

7,265

7,689

29,7%

Bewegtbild/Fernsehen

5,180

4,895

5,486

21,2%

Postalische Direktwerbung

2,875

2,582

2,566

9,9%

Out of Home/ Außenwerbung

1,226

0,987

1,071

4,1%

Audio/Radio

0,844

0,777

0,790

3,1%

Kino

0,093

0,019

0,022

0,1%

25,007

23,756

25,872

Gesamt

Für Werbeträger liegen die Zielsetzungen der Massenwerbung darin, – Beworbene über die Existenz eines Angebotes zu informieren, – Leistungsvorteile gegenüber vergleichbaren Angeboten herauszustellen, – Bedürfnisse und Gefühle des Wohlbefindens zu wecken,

962 vgl. ZAW (Werbung), 2021, S. 8 f. 963 vgl. ZAW (2021), S. 17.

794 

– –

Rangliste der stärksten Wachstumsaussichten für Werbemedien: (1) Social Media, (2) Displaywerbung, (3) Videowerbung, (4) Suchmaschinenwerbung SEA, (5) TV-Werbung, (6) Audio-Streaming, (7) Podcasts, (8) Outof-Home, (9) E-Mail, (10) Native Advertising, Beeindruckend ist die Dominanz von digitalen Werbeformaten, die geringsten Wachstumsaussichten hat Radiowerbung (Quelle: Horizont 16-17/2022, S. 4).

„Werbemittel stellen die Verkörperung der gedanklichen Werbebotschaft dar.“ Werbeträger dagegen tragen die Botschaften an die Umworbenen.“ (Weiß, (2009), S. 472)

 7 Kommunikationspolitik

dadurch Kaufanreize zu stimulieren und Vorteile/Belohnungen durch eine Kaufentscheidung herauszustellen.

Für die klassische Mediawerbung gelten allerdings Begrenzungen: – Dem Interessenten oder Kunden kann die Botschaft lediglich angeboten werden. – Der Beworbene wird nicht persönlich (namentlich) angesprochen. Es fehlen die Beziehungselemente einer persönlichen Ansprache. – Der Werbetreibende kann nur mit zusätzlichem Aufwand überprüfen, ob und in welchem Umfang die Botschaft die Zielgruppe erreicht, wie der Beworbene die Botschaft versteht und empfindet (wertet) und wie er sich beim Kauf entscheidet. Grundsätzlich sind also Werbemittel (die kreative Dimension: z. B. Anzeige) und Werbeträger (die kaufmännische Dimension: z. B. Welt am Sonntag) zu unterscheiden.964 Werbemittel drücken die Werbebotschaft in einer visuellen (Foto, Film, Zeichnung), akustischen (Musik, Sprache, Geräusche), haptischer (Anfühlbarkeit) oder geschmacklichen Form aus. Vier Anforderungen werden an Werbemittel gestellt:965 (1) Auf ihnen müssen sich die Werbebotschaften sinnvoll aufbringen lassen. (2) Der Kontakt mit dem Medium soll dem Beworbenen Nutzen bieten, um dadurch zumindest Aufmerksamkeit zu erregen. (3) Ideale Werbemittel bieten Möglichkeiten zur zweistufigen Kommunikation, also zu einem Dialog zwischen Werber und Umworbenem. (4) Für ein Werbemittel (z. B. eine Anzeige) sollten reichweitenstarke Werbeträger vorhanden sein; vor allem ein breites Angebot von Fachzeitschriften oder Special Interest Portalen. Die Auswahl der passenden Werbemittel kann nach unterschiedlichen Priorisierungsansätzen vorgenommen werden. Bekannt sind ICE und MoSCoW. Im ersten Schritt hilft der MoSCoW-Ansatz, die verschiede-

964 Diese Trennung geht auf Nieschlag, Dichtl und Hörschgen zurück. Der Begriff Werbeträger klingt altmodisch. Er wird auch den neuen Medien nicht mehr gerecht. Immer stärker wird deshalb von Werbemedien statt Werbeträgern gesprochen. Eine Trennung zwischen Werbemittel und Werbeträger wird in Theorie und Praxis nicht immer eingehalten. Die verschiedenen Begriffe fasst Weis zusammen, vgl. Weis (Marketing), 2018, S. 604. 965 vgl. zu den Anforderungen Nieschlag et al., (Marketing), 2002, S. 1075 ff.

7.7 Instrumente der Kommunikationspolitik – Mediawerbung  

 795

nen Optionen zu clustern. Über das ICE-Scoring werden die geclusterten Optionen dann bewertet und gereiht. Das MoSCoW-Modell ist in vielen Bereichen einzusetzen. In unserem Anwendungsfall der Kommunikationsinstrumente hilft es, zwischen den Alternativen zu entscheiden: – M – Must (have): Nicht verhandelbare Medien, sie sind wesentlich für den Erfolg und zwingend notwendig, hier: welche Kommunikationsinstrumente sind absolut unverzichtbar für unsere Zielsetzungen? – S – Should (have): Wichtig, im Idealfall umzusetzen, jedoch nicht entscheidend wie die M-Elemente, auch als Soll-Anforderungen bezeichnet. – C – Could (have): Kann-Anforderungen, manchmal auch als niceto-have tituliert, fallen dabei vielfach dennoch Budget- und Ressourcenbeschränkungen zum Opfer. – W – Won’t (have): Was sollen wir bewusst ignorieren und nicht umsetzen, kann zwar als Idee für einen späteren Zeitpunkt notiert werden, muss aber im Zuge der Priorisierung jetzt ausgeblendet werden, hier: Welche neuen Medien könnten wir einsetzen, müssen wir Stand heute aber erst einmal ignorieren? Diese einfache Kategorisierung bringt eine Struktur in mögliche Ideen – hier die Auswahl passender Mediawerbung unter Berücksichtigung der Budget-Grenzen. Es wird eine erste Reihenfolge der Umsetzung entwickelt. Die Einteilung bleibt dabei relativ grob und kann noch keine exakte Festlegung zur Umsetzung mit sich bringen. Schwierig ist, dass aus praktischer Sicht viele Muss-Anforderungen definiert werden, die aus strategischer Sicht zu diskutieren sind. Auch fallen Betrachtungen für die Zukunft unter den Tisch – zukünftige neue Muss-Anforderungen können unter den heutigen Budget-Grenzen mit diesem Ansatz nur schwer bewertet werden. Das daran optimal anknüpfende ICE ist ein einfach anzuwendendes Scoring-Modell, welches eine konkrete Priorisierung zulässt. Dabei ist es nicht auf die Anwendung bei Kommunikationszielsetzungen begrenzt, auch wird es bei der Weiterentwicklung von Produktfeatures angewendet. – I – Impact (Auswirkung/-en): Wie maßgeblich ist die Auswirkung, die ein spezifisches Kommunikationsinstrument auf die übergeordneten Zielsetzungen (bspw. Markenaufbau oder Abverkauf) haben kann? – C – Confidence (Vertrauen, Sicherheit): Wie sicher ist das Erreichen der eben bewerten Auswirkung? – E – Ease (Einfachheit): Wie leicht lässt sich die Maßnahme umsetzen?

796 

 7 Kommunikationspolitik

Diese drei Items werden für alle in Betracht gezogenen Alternativen (bspw. haben sich aus dem MoSCoW-Modell als M – Must (have) Kommunikationsinstrumente Social Media Werbung, TV-Spot und Printanzeige gezeigt) mit einem Score (1 = schlechteste Bewertung, 10 = beste Bewertung) bewertet und miteinander multipliziert. – Social Media: I: 7, C: 5, E: 8 = ICE-Score: 280 – TV-Sport: I: 8, C: 5, E: 3 = ICE-Score: 120 – Printanzeige: I: 5, C: 6, E: 9 = ICE-Score: 270 Die Auswahl fällt auf die Social Media Kampagne, die einen etwas besseren Score als die Printanzeige besitzt. Und obwohl der TV Spot die größte Auswirkung haben kann (Score: 8), wertet ihn die umständliche Umsetzung (bspw. hohes Budget, komplexe Produktion, etc., Score: 3) ab. Für die kreative Darstellungen einer Werbebotschaft bieten sich viele Werbemittel an: – Suchmaschinen-Anzeigen, – Anzeigen (Inserate) in Zeitungen, Zeitschriften oder Magazinen, – Beilagen in Zeitungen und Zeitschriften (Supplements), – Display-Werbung im Internet, – Fernseh-Spots und Video-Clips, – Social Media Werbung, – Kinowerbung, – Hörfunk-Spots, Podcast-Werbung, – Lautsprecherwerbung, z. B. bei Sportveranstaltungen, – Erkennungsmelodien als Bestandteile von TV- oder Funkspots (Jingles), – Plakate, Werbeposter, auch Werbeplakate auf Litfaßsäulen, – Aufkleber jeglicher Art, Stickermotive, – Aufdrucke (Imprints) auf Kleidung (z. B. das Lacoste-Krokodil), Einkaufstüten, Telefonkarten, Regenschirmen etc., – Werbeschriften und Beklebungen Bahnen, Bussen, Taxen, Flugzeugen (Transportmedienwerbung), – Influencer Werbung, – Werbetafeln, Poster an Häusern oder an öffentlichen Plätzen (Corporate Identity-Lights), – Bannerwerbung in Sportstadien, auf öffentlichen Plätzen, in UBahnen, – Schaufensterdekorationen, Aufsteller in Läden (Displays), – usw.

7.8 Klassikwerbung 

 797

Jedes dieser Instrumente besitzt für die Werbung besondere Vor- und Nachteile. Oft ist mit einem Werbemittel auch die Art des Werbeträgers bestimmt.966

7.8 Klassikwerbung Klassikwerbung hat als definierendes Merkmal eine unidirektionale Ausrichtung. Damit ist die Einseitigkeit der Kommunikation gemeint: Das werbetreibende Unternehmen sendet Botschaften auf Medienkanälen aus. Einen direkten Dialog können Werbungsempfänger in den meisten Fällen nicht eingehen. Mit der zentralen Planung von klassischen Werbeinstrumenten legen werbetreibende Unternehmen auch den Zeitplan der Werbung fest. Dabei haben sie heute mit zunehmenden Herausforderungen zu kämpfen. In vor-digitalen Zeiten wurden Werbeanstöße nach internen Vorgaben terminiert. Und erst ausgesendet oder verteilt, wenn das Unternehmen alle Vorbereitungen abgeschlossen hatte. Zur Verteilung eines gedruckten Werbeflyers benötigte es umfangreiche Terminpläne mit Agenturen, Lithografen, Druckereien und Speditionen. Erst nach Abschluss der Vorarbeiten konnte eine klassische Werbung eingesetzt werden. In Zeiten des Internetmarketing und der Onlinewerbung können Werbeanstöße in Echtzeit realisiert und umgesetzt werden. Zudem verlangen Kunden eine immer stärkere kommunikative Selbstbestimmung und Sie versuchen, Werbung auszuweichen. Vereinfacht gesagt: früher war Werbung durch den Zeitplan des Absenders bestimmt. Heute muss sich Kommunikation am Zeitplan und Wünschen der Empfänger orientieren. Ausgewählte Empfehlungen für Klassikwerbung fasst Tabelle  7.16 zusammen.

7.8.1 TV- und Bewegtbildwerbung Fernsehen ist das Medium mit der größten Verbreitung in der Bevölkerung. Im Jahr 2022 hatten 38,75 Mio. deutsche Haushalte ein empfangsbereites Fernsehgerät, was einer Quote von 95,6% der 40,55 Mio. deutschen Haushalte entspricht. Fernsehen ist zentrales Leitmedium in Deutschland. Es dient der Meinungsbildung für viele Menschen. Und

966 vgl. Rogge, (Werbung), 2004, S. 179.

Advocacy Marketing – Werbung von Personen und Institutionen für Produkte und Dienstleistungen, hinter denen man wirklich steht, i.d.R. ohne konkrete Werbezahlungen durch die beworbenen Marken.

798 

 7 Kommunikationspolitik

Tabelle 7.16: Empfehlungen für erfolgreiche Klassikmedien und Klassikwerbung. Empfehlungen für erfolgreiche Klassikwerbung

Die Zunahme von IPTV (TV über Internet empfangen) führt zu einer besseren Messbarkeit von Werbung. Der Zugriff auf Übertragungsboxen kann Werbeausstrahlungen mit Zuseherzahlen kombinieren. Die Firma Adscanner hat Zugriff auf über 1 Mio. Übertragungsboxen von Vodafone und kann damit verlässliche Hochrechnungen auf die Gesamtbevölkerungszahl vornehmen (Quelle: Horizont 1617/2022, S. 28).



Finden Sie die passende Auswahl von Medien mit möglichst geringem Streuverlust in Ihren Zielgruppen.



Entscheiden Sie sich für Medien mit der notwendigen Multisensorik, bspw. um Emotionen zu vermitteln.



Entwickeln Sie eine aufmerksamkeitsstarke Gestaltung, um im ausgewählten Medium entsprechend aufzufallen.



Nutzen Sie die Ausdifferenzierung der Klassikmedien → es bestehen mehr SpartenTV-Sender, neue Special Interest Zeitschriften erscheinen, etc.



Gestalten Sie die Werbeauftritte hochwertig, Klassikmedien werden i. d. R. länger betrachtet als vergleichbare digitale Medien.



Nutzen Sie bei Klassikmedien die besondere Wirkung von Bildern, um Ihre Botschaften zielgenau zu kommunizieren.

Fernsehen besitzt für viele Unternehmen die zentrale Bedeutung für die ökonomische Wertschöpfung. Aktuell stehen über unterschiedliche Übertragungstechnologien (DVBT, IPTV, Satellit, Internet) rund 150 frei empfangbare deutschsprachige Fernsehsender zur Verfügung. Weitere Sender sind hinter Paywalls verfügbar oder können abonniert werden. Die zunehmende Dynamik bei der Gründung und Etablierung neuer TV-Sender führt zu einer Differenzierung zwischen technisch möglichen Reichweiten und effektiv erzielten Reichweiten. Neu eingespeiste Sender müssen insb. bei der Übertagungstechnik Satellit von Kunden vielfach manuell gesucht und eingespeichert werden, was Verzögerungen des Durchsatzes bei der effektiven Reichweite nach sich zieht. Öffentlich-rechtliche Fernsehsender besitzen bis heute Vorgaben zur Werbeeinbindung über den Rundfunkstaatsvertrag. Die Etablierung der privat finanzierten TV Sender ab dem Jahr 1984 hat nach und nach zu einer umfassenden Werbelandschaft geführt. 1988 wurden rd. 280.000 Werbespots jährlich ausgestrahlt, für 2020 gingen Schätzungen von rd. 6,820 Mio. Werbespots aus.967 Der Vorteil von TV – und Bewegtbildwerbung liegt in der Kraft bewegter Bilder und der multisensorischen Zuschaueransprache. Durch die Kombination von Bild, Musik und Sprache berührt Werbung alle Sinne von Interessenten und Kunden. Im Sekundenbereich können Produktvor-

967 vgl. ZAW (2021), S. 122.

7.8 Klassikwerbung 

 799

teile dynamisiert werden, was beim statischen Printbild unmöglich ist. So können Emotionen bei Kunden geweckt und Produkte und Dienstleistungen in vielen Anwendungssituationen und Verwendungsanlässen gezeigt werden. Die Vielfalt der Werbemittelgestaltung, von kurzen Spots über Doppel-Spots (Reminder-Technik), Werbesendungen, Programmsponsoring bis hin zu speziellen Werbekanälen prädestinieren die Fernsehwerbung für Produkteinführungen und für die Erhaltungswerbung. Fernsehen kann über große Reichweiten kurzfristigen Werbedruck erzeugen und ist vielfach Mittel der Wahl für groß angelegte Bekanntmachungsstrategien. Die begriffliche Erweiterung hin zum Bewegtbild bringt zum Ausdruck, dass filmisch gestaltete Werbung heute nicht nur im TV ausgestrahlt wird. Neben dem seit Jahrzehnten etablierten linearen TV haben sich weitere Abspieloptionen für Videoinhalte entwickelt. YouTube als Videoplattform, Social Media Netzwerke mit Videofunktionen (Instagram Reels, TikToks, Twitch-Streams, etc.) bieten eine Vielfalt an Optionen, bewegte Bilder gegenüber Kunden anzubieten. Ein Nachteil von klassischer Fernsehwerbung liegt in fehlender Speichermöglichkeit. Während sich Zeitschriften mit darin enthaltenen Anzeigen und Beilagen über längere Zeit stapeln, ist ein 20–30 Sekunden Spot schnell vorbei. Digitale Plattformen bieten hingehen eine Speicherfunktion auch für Werbungen an. Ein weiterer Nachteil liegt in vergleichsweise hohen Streuverlusten infolge fehlender Zielgruppendifferenzierung. Trotz verschiedener Einschränkungen ist die verkaufsfördernde Wirkung erwiesen. So stieg im MediaScan-Panel der MGM die Kaufwahrscheinlichkeit für die beworbenen Produkte kurzfristig deutlich an, wenn die Panel-Haushalte Werbekontakte hatten. Ohne Werbekontakt lag die Kaufwahrscheinlichkeit der Produkte im Durchschnitt nur bei 1,03 Prozent je Haushalt und Woche, mit Werbung bei 1,31 Prozent. Untersucht wurden 62 Marken mit Fernsehwerbung. 74 Prozent der Produkte konnten von diesem Effekt profitieren. TV-Spot-Preise schwanken beträchtlich, je nach Zuschauerattraktivität eines Senders, Sendezeit und laufendem Programm. Spitzenreiter sind in vielen Fällen große Formate der öffentlich-rechtlichen Sender. Führend sind die Samstag-Sportschau mit Bundesliga-Fußball als Hauptinhalt und der letzte Spot vor der Tagesschau. In den privaten Sender werden die höchsten Sekundenpreise bei Showformaten erzielt, die eine große Mobilisierungskraft bei den Zusehern besitzen. Wichtige Formate sind das Dschungelcamp, Germanys Next Top Model, Let’s Dance und The Masked Singer. Einzelne Spots können Werbetreibende mehrere Zehn-

Werbewirkung von Spots auf Youtube kann deutlich höher als im linearen TV ausfallen: 3,9-facher Umsatz und 1,7-facher höher Return-on-Investment im Vergleich zu Fernsehen, gemessen am Umsatz je 1.000 Zuseher (Quelle: Horizont 40-41/2022, S. 49).

800 

An Finalsendungen zu Germany’s Next Top Model beteiligen sich viele Unternehmen mit Sonderwerbeformen, crossmedialen Konzepten und Lizenzverträgen.

Im Jahr 2020 nutzen bereits 36% der TV-Nutzer min. 1x wöchentlich Streamingdienste.

 7 Kommunikationspolitik

tausend Euro kosten. Dafür werden aber auch Millionen an Zuschauern erreicht. Über die weiter oben beschriebene Kennzahl des 1000er-Kontaktpreises (TKP) können diese Summen ins Verhältnis gesetzt werden. Klassische Fernseh-Werbeblöcke (25–30 Sekunden Spots) werden durch sog. Sonderwerbeformen ergänzt. Infolge der Kreativität und technischen Expertise der Privatsender machen klassische Spots nur noch 24 Prozent der Werbezeit aus. 73 Prozent sind bereits Programmsponsoring. Pragmatisch betrachtet ist alles Sonderwerbeform, was nicht klassischer Spot ist. Dabei wird oft das Product-Placement (im Zusammenhang mit einer Promotion) im Fernsehen mit dazu gezählt. Im Werbe- und Marketingplaner sind u. a. genannt: – Advertiser-Founded Programming (AFP): Bereitstellung von sendefähigem Material, das in passende Themenfelder eingebaut werden kann (bis zu ganzen Sendungen: Pampers TV, Lego-Show), – Infomercials /Telepromotions: Dauerwerbesendung mit einer rechtlich vorgeschriebenen Mindestlänge (90 Sekunden), die außerhalb von Werbeblöcken platziert werden. – Product-Placements: gezielte, oft unterschwellige Einbindung von Produkten in Film- und TV-Produktionen. – Splitscreen-Spots: Werbung und Programm werden zeitgleich in getrennten Fenstern ausgestrahlt. Dabei gibt es Unterformen: – Der Diary ist ein 5-, 7- oder 10-Sek.-Splitscreen-Spot im direkten Anschluss an das Programm, der noch vor Werbetrenner und Werbeblock platziert wird. – Beim Cut-in wird der Spot in die laufende Sendung eingebunden, als vertikale Banderole oder als Rahmen um das Programm. – Beim Splitbreak laufen Werbeinsel und Programm parallel zueinander. – Win Ad: Ist ein Gewinnspiel im Werbeblock im unteren Bildrand. – TV-Sponsoring: Der Werbetreibende wird zu Beginn und am Ende der gesponserten Sendung bis zu 7 Sekunden in Wort und Bild als Sponsor der Werbung genannt. Sonderwerbeformen sind zuweilen problematisch, weil Fernsehzuschauer nicht mehr zwischen Information und Werbung unterscheiden können. Neu auf dem Markt sind neben Sonderwerbeformen auch erste Ansätze, TV Werbung gezielt an einzelne Zuseher auszuspielen. Das sog. Adressable TV kann über einen dynamisch anzusteuernden Bereich des Fernsehgerätes zielgerichtet auf den Zuseher zugeschnittene Werbung ausspielen. Der dafür notwendige technische Standard (HbbTV) wird nach und nach in modernen Smart TV Geräten vorinstalliert.

7.8 Klassikwerbung 

 801

In den letzten Jahren ist die Bedeutung von nicht­linearem TV gestiegen. Zeitunabhängiges Fernsehen über Mediatheken und StreamingDienste (bspw. Netflix, Disney +, Amazon Video, paramount +) hat zu einer abnehmenden Nutzung des linearen Fernsehens geführt. Die zusammenführende Funktion des Fernsehens nimmt schrittweise ab und TV Nutzer stellen sich ihr eigenes Programm zusammen. Das horizontal und vertikal verschränkte TV Programm der klassischen TV Sender (so wie in den TV Zeitschriften abgebildet) entwickelt sich hin zu einer stärker ausdifferenzierten Sehgewohnheit aller TV Nutzer. Mediatheken streamen Werbung gezielt aus und kostenpflichtige Streaming-Dienste bieten heute werbungsfinanzierte Abonnements vergünstigt an. Daneben haben sich neue Bewegtbildformate etabliert, die zu Werbungszwecken genutzt werden. Vertikale Videoformate werden vorzugsweise auf Social Media eingesetzt. Die für diese Plattformen entwickelten Videos sind deutlich kürzer (bspw. ist TikTok ursprünglich mit einer Begrenzung auf 15 Sekunden gestartet). Um die flüchtige Aufmerksamkeit der Social Media Nutzer beim Scrollen der Neuigkeiten-Feeds zu greifen, hat sich auch die Dramaturgie des Storytellings verändert. Videos und Bewegtbildwerbung müssen in den ersten Sekunden den Zuseher fesseln, ansonsten scrollt er weiter durch den Feed. Die Anforderungen an gute Bewegtbildwerbung haben sich in den letzten Jahren nur geringfügig verändert und unterliegen weiterhin grundlegenden Erwartungen. Tabelle 7.17 listet die wesentlichen Anforderungen auf. Die verschiedenen Einsatzbereiche der TV- und Bewegtbildwerbung werden im Rahmen der allgemeinen Zielsetzungen der Kommunikation (Abbildung 7.54, siehe dazu auch die grundlegende Erläuterung in 7.3) erläutert. Alle weiteren in Folge diskutierten Medien werden in identischer Form thematisiert. Die vergleichende Darstellung kann für eine Mediaplanung hilfreich sein. TV- und Bewegtbildwerbung eignet sich für viele Zielsetzungen der Werbung. Insbesondere, wenn große Gruppen an Menschen erreicht werden sollen, ist TV-Werbung bis heute ein Medium mit einer Alleinstellung. Moderne Video- und Bewegtbildformate (insb. vertikale Videos auf Social Media) schaffen eine enge Beziehung zwischen Marke, Creator und Nutzer und haben sich als kommunikative Ausdrucksform neben dem Massenmedium Fernsehen etabliert. Die wichtigsten Einsatzbereiche ordnet Abbildung 7.54 ein. Abschließend die Zusammenfassung von Vor- und Nachteilen von TV- und Bewegtbildwerbung, die in Tabelle  7.18 aufgeführt sind. Die Pfeile geben die Eignung der Werbung für die Zielsetzungen wieder.

Die großen Samstag-Abend-Formate wie Wetten Dass oder Verstehen Sie Spaß wurden immer als „Lagerfeuer der Fernseh-Familie“ bezeichnet. Das „Lean Back-Erlebnis“ wird mehr und mehr durch eigens kuratierte Inhalte ersetzt.

802 

 7 Kommunikationspolitik

Tabelle 7.17: Merkmale guter Bewegtbildwerbung. Merkmale guter Bewegtbildwerbung

Beschreibung

Auswahl des passenden Werbeumfelds

Gezielte Selektion von Kanal (Sender oder Social Media Netzwerk) sowie Sendezeit und inhaltliches Umfeld reduziert Streuverluste und erhöht die Werbewirkung.

Passung zur Markenidentität

Die werbetreibende Marke muss schnell und auch bei abschweifender Aufmerksamkeit erkennbar bleiben.

Eindeutige Tonalität und Bildsprache

Die kommunikative Klammer der integrierten Kommunikation kann als zentrales Gestaltungsmerkmal der Bewegtbildwerbung gelten, jedoch fallweise auch aktionistische Anpassung auf Content-Trends notwendig (bspw. auf TikTok).

Fokussierung auf zentrale Botschaften

Eine gezielte Beschränkung auf wenige zentrale Aussagen erhöht Recall- und Recognition-Werte.

Online-Verlängerung der Bewegtbildwerbung

Gute Bewegtbildkampagnen erzielen eine sofortige Zunahme der Online-Aktivitäten der User bei der entsprechenden Marke.

Maßgebliche Einsatzbereiche TV- und Bewegtbildwerbung

Recruitment / Kundenakquisition

Stakeholder Brand/Marke/Positionierung

Eignung

Brand / Marke Sales / Verkauf 1:n Sales / Verkauf 1:1 Retention / Kundenbindung Recovery / Kundenrückgewinnung

Abbildung 7.54: Maßgebliche Einsatzbereiche TV- und Bewegtbildwerbung.

Auch die Wirkung von Kino-Spots ist nicht zu unterschätzen, diese werden ergänzend unter Bewegtbildkommunikation diskutiert. Der Zuschauer kann Werbung nicht durch Umschalten verhindern. Nach einer Untersuchung von Media Research ist die Kinowerbung dem Fernsehen sowohl in der qualitativen Beurteilung wie auch in der Erinnerungsleis-

7.8 Klassikwerbung 

 803

Tabelle 7.18: Vor- und Nachteile von TV- und Bewegtbildwerbung. Vorteile TV- und Bewegtbildwerbung

Herausforderungen/Nachteile TVund Bewegtbildwerbung



Hohe und höchste Reichweiten, 96% der Haushalte besitzen TV



Hohe Produktionskosten



Multisensorik: Bild, Ton, Text



Hohe Schaltkosten bei reichweitenstarken Sendern



Hohe Emotionalisierung möglich



Eingeschränkte Messbarkeit



Kreative Werbeideen realisierbar



Werbevermeidung nimmt zu



Verlängerung der Werbewirkung durch VOD/Video-on-Demand



Lineare TV-Nutzung nimmt ab



Schnelle Reaktionen und hoher Werbedruck zu erzielen



Multi Screen-Nutzung durch Parallelnutzung von TV, Smartphone und Tablet



Neues Video im Social Web, vertikales Video



Uneingeschränkte Aufmerksamkeit notwendig für komplexe Botschaften



Gut für Branding geeignet



Rechtliche Beschränkungen

tung der Zuschauer überlegen. Ein Zuschauer merkt sich durchschnittlich sieben Spots. Pro Film werden durchschnittlich zehn bis fünfzehn Spots geschaltet, so dass die Werbeerinnerung bei fünfzig Prozent liegt. Publikumsträchtigen Filmen vorgeschaltet, bietet die Kinowerbung ein effizientes Werbeumfeld.

7.8.2 Radio- und Audiowerbung Dem Hörfunk fehlt die visuelle Attraktivität von Printmedien, Fernsehen und Kinowerbung. Vor dem Aufkommen der digitalen Hör-Optionen wurde manchmal schon vom vergessenen Medium gesprochen. Die Digitalisierung und Möglichkeiten des zeitversetzten Hörens durch Podcasts und Streaming haben Radio- und Audiowerbung einen neuen Schwung verliehen. Die Möglichkeiten der Radiowerbung sind noch längst nicht ausgereizt. Gerade bei Podcastwerbung ist in den letzten Jahren eine große Innovation zu verzeichnen gewesen. Radio zeichnet sich durch spezifische Besonderheiten aus: – Radio ist laut Media Analyse Radio (Stand 2021) das beliebteste Medium. 74,7% der Deutschen hören täglich Radio und das mit einer durchschnittlichen Dauer von 260 Minuten.

Top 5 Werbetreibende im Radio: (1) Rewe (60,6 Mio.€), (2) Kaufland (58,8 Mio. €), (3) Lidl (50,5 Mio. €), (4) Penny Markt (44,6 Mio. €), (5) Aldi Essen (43,1 Mio. €) (Quelle: ZAW (2021), S. 179).

804 





– – –



Instore Radio (z. B. Platinmusic) ist eine gute Möglichkeit, Kunden mit Audioinhalten am POS zu erreichen.

Im Stadtstaat Berlin bestehen 17 private Radiostationen, im Flächenland Hessen nur 2 landesweit empfangbare und 5 regional zugelassene Radiostationen.

 7 Kommunikationspolitik

2021 haben rd.  450 Hörfunkprogramme terrestrisch gesendet, 74 Sender kommen aus öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, 274 sind Privatsender, und es bestehen 101 sonstige Sender. Neben terrestrischem Empfang (UKW und DAB +) etabliert sich die Online-Nutzung (sog. Simulcast-Hören, d. h. Streaming von terrestrisch ausgestrahltem Radio über dezidierte Webseiten wie bspw. Radio.de oder tunin.de), Musikstreaming über große Plattformen mit oder ohne Abonnement sowie das Hören von Podcasts. Praktisch alle Botschaften lassen sich akustisch umsetzen. Akustische Botschaften bauen starke innere Bilder auf. Radio begleitet Konsumenten durch den Tag: unter der Dusche, beim Frühstück, auf dem Weg zur Arbeit, im Büro oder in der Firma, auf dem Heimweg, beim Abendessen. Hörfunk-Werbung bewirkt Werbeerinnerung im Unbewussten.

Zuweilen wird Radiowerbung der Nachteil einer geringeren Aufmerksamkeitswirkung zugesprochen: der Konsument höre Radio als Nebenbeschäftigung. Die Forschung hat das Gegenteil bewiesen. Die Erinnerungsleistung der Werbung steigt mit der Zahl Werbekontakte an, selbst wenn Konzentration nicht ausschließlich auf das Medium gerichtet ist. Der Verlauf der Aufmerksamkeiten für Personen mit und ohne Nebenbeschäftigung ist praktisch gleich. Es ist möglich, einem Radioprogramm zu folgen, wenn dabei beispielsweise gegessen oder Sport getrieben wird. Audiospots sind so aufgebaut, dass sie die passive Aufmerksamkeit auf sich ziehen und dass man sie problemlos versteht. Verschiedene Werbeformen haben sich etabliert: – Klassischer Radiospot, meist 20–30 Sekunden lang, wird in Werbeinseln des Radioprogramms integriert, entweder als Single Spot (einzelner Werbespot) oder Tandem Spot. Der Tandem Spot wird zweigeteilt im Werbeblock ausgestrahlt, bspw. erster Teil 20 Sekunden und zum Schluss des Werbeblocks noch ein 10-sekündiger Reminder-Spot. – Sonderplatzierungen, exklusive Platzierungen, – Sponsoring von Kategorien („das Wetter wird präsentiert von“), – Infomercial: für Werbetreibende produzierte Features oder Bestandteile des Radioprogramms. Die Werbung im Radio muss sich an regionalen Besonderheiten der Verfügbarkeit von Radioangeboten orientieren. Die Landesmediengesetze sind in den deutschen Bundesländern unterschiedlich, was eine zersplitterte Radiolandschaft nach sich zieht. Es existiert nur eine Radiostation mit Werbeschaltungsoptionen, die bundesweit über Antenne zu empfangen ist: Klassikradio. Die Kampagnenplanung unterliegt einer enormen

7.8 Klassikwerbung 

 805

Komplexität, wenn bspw. bundesweite Spotausstrahlungen geplant sind. Spezialisierte Marketingagenturen nehmen die Planung den Werbetreibenden ab, zudem haben sich ausgewählte Sendergruppierungen in der Vermarktung zusammengeschlossen, um den Buchungsaufwand für Radio zu reduzieren. Der gerade angesprochene Nachteil besitzt hingegen einen enormen Vorteil bei regionalen Kampagnen, da auf Bezirksebene die Ausstrahlung angesteuert werden kann. Die Entwicklung hin zu Radioplattformen, Streamingdiensten und Podcast-Nutzung hat Audiowerbung wieder in den Fokus gerückt. Radioplattformen bieten bundesweite und sogar internationale Reichweiten  – bei jedoch noch geringer Höreranzahl. Diese Plattformen können programmatisch gebucht werden (auf Basis von hinterlegten Zielgruppenkriterien), was Audio in einen umfangreichen Mediamix integrierbar macht. Streamingplattformen (bspw. Spotify, Deezer, Amazon Music, Apple Music) bieten über kuratierte Playlisten Radio-ähnlichen Unterhaltungswert. Die Nutzung der Streaming-Dienste ist für den Hörer kostenlos, wenn er Werbeinsertionen akzeptiert und werbefrei, wenn er ein Abonnement abschließt. Podcasts sind vorproduzierte Audiodateien, die über Podcatcher (Smartphone Apps zum Download und Hören von Podcasts) und Audioplattformen und Streamingdienste gehört werden können.968 Auch in diesen Medienformaten spielt Werbung eine große Rolle, da Podcasts als Nischenmedium auf eine Finanzierung durch Werbepartner angewiesen ist. Die Werbewirkung in Podcasts wird als sehr hoch angegeben, da sich Podcast-Hörer längere Zeit mit dem Podcast beschäftigen. Sie hören thematisch passende Werbung, die fest oder dynamisch in die Podcast-Datei oder das Streaming eingebunden ist. In der Regel bucht ein Werbetreibender eine individuelle Vereinbarung mit einem Podcast oder einer Podcast-Vermarktungsagentur. Verschiedene Werbeformate haben sich für Podcast-Werbung etabliert: – Host­Read Ads/direkt eingesprochene Werbungen: Der Werbetext wird vom Gastgeber/Host des Podcast vorgelesen. Diese Werbeform besitzt eine hohe Authentizität und Wirksamkeit bei den Hörern. – Pre­Produced Ads/vorproduzierte Spots: Analog klassischen Werbespots wird ein Audioelement produziert, was an passender Stelle im Podcast integriert wird. – Podcast Sponsoring: Ganze Episoden oder Staffeln werden von einem werbetreibenden Unternehmen unterstützt. Als Alternativen kann man bspw. in der ganzen Staffel mit einer Sponsoring-Nachricht arbei-

968 vgl. Homburg (Marketing), 2020, S. 881.

806 



Noch werbefrei: der Podcast für Wirtschaft und Wissenschaft „wirtschafthochzwei“ von den beiden BWL-Professoren Hans-Jürgen Wieben und Torsten Spandl. Zu finden auf Spotify, Apple Music und allen weiteren Podcast-Plattformen.





 7 Kommunikationspolitik

ten oder bspw. bei mehreren Episoden in einer Staffel für jede Episode einen neuen Sponsoringtext entwerfen. Diese innovative Werbeform zeichnet sich durch die Vielfalt der Themen aus. Branded Podcast/unternehmenseigener Podcast: Der komplette Podcast kann als Unternehmensbeitrag/-werbung entwickelt werden. Unternehmen versuchen mit eigenen Podcast-Angeboten Reichweiten in den Zielgruppen zu erzielen. Shownote Ads/Werbung in den Informationen zur Show: Podcasts werden durch Shownotes bekannt gemacht. Dies sind weiterführende Informationen zur Episode, rund um den/die Host/s zur Show und auch ggf. Werbepartnern. Da Podcast Hörer sich Episoden selbst zusammenstellen, werden Shownotes genutzt, um sich über den Inhalt der Episode zu informieren. Da ist die Werbung dann entsprechend passend platziert. Eine neue Entwicklung sind Dynamic Ad Insertion Ads: gestreamte Podcastfolgen können über diese neue Technologie zielgruppenspezifisch mit ausgewählten Audiospots erreicht werden. Vergleichbar einem Targeting und Re-Targeting des Online Marketing können so ausgewählte Hörer erreicht werden. Zudem können Unternehmen Podcastwerbung ohne konkreten Fokus auf einen Podcast umsetzen, da sie eine Anzahl an Streams bei bspw. Spotify buchen.

Audiowerbung ist für den Aufbau einer Produktbekanntheit gut geeignet. Sie kostet einen Bruchteil der Fernsehwerbung und mehrfache Schaltungen sind kostengünstig möglich. Im kollektiven Bewusstsein verankerte Marken und Produkte haben den Aufbau ausschließlich oder hauptsächlich über Radiowerbung geschafft: Seitenbacher Müsli, Carglass, Musterhausküchen Fachgeschäft. Es können dabei jedoch nur wesentliche Markenelemente transportiert werden. Weiteres Merkmal von Radiowerbung ist eine hohe Mobilisierungskraft. Werbespots von Handelsunternehmen sind abverkaufsorientiert und adressieren eine sofortige Handlung des Kunden (Spots mit Hinweisen auf die Tage, wo die Angebote im Geschäft gelten). Die verschiedenen Einsatzbereiche nach Abbildung 7.55 zeigen die hohe Abverkaufsorientierung von Radiowerbung auf. Der Charakter kann sich durch zunehmende Relevanz von Podcast-Werbung mittelfristig weiterentwickeln. Zur Zeit sind erreichbare Hörerzahlen von Podcasts im Vergleich zu klassischen Radioprogrammen noch sehr gering. Tabelle  7.19 listet wesentliche Argumente pro und contra Radio und Audiowerbung auf.

7.8 Klassikwerbung 

Maßgebliche Einsatzbereiche Radio- und Audiowerbung Stakeholder Brand/Marke/Positionierung

 807

Eignung

Recruitment / Kundenakquisition

Brand / Marke Sales / Verkauf 1:n Sales / Verkauf 1:1 Retention / Kundenbindung Recovery / Kundenrückgewinnung

Abbildung 7.55: Maßgebliche Einsatzbereiche Radio- und Audiowerbung. Tabelle 7.19: Vor- und Nachteile von Radio- und Audiowerbung. Vorteile Radio und Audiowerbung

Herausforderungen/Nachteile Radio- und Audiowerbung



Höchste Nutzungsraten aller Medienkategorien



Nebenbeimedium



Medienform für Aufmerksamkeit und Bekanntmachung



Zersplitterte Anbieterlandschaft



Hohes Aktivierungspotential



Regional differierende Schaltungsmöglichkeiten



Vergleichsweise günstiges Medium



Eingeschränkte Emotionalisierung



Multisensorik: Ton, Text, erinnerungswürdige Stimmen, erinnerungswürdige Dialoge



Schwierige Erfolgsmessung



Vielfältige Werbeformen



Zunehmend globale Hörgewohnheiten



Medienform zur Entspannung, daher positive Wahrnehmung



Komplexe Buchung bei überregionalen Kampagnen



On Demand und Special Interest-Inhalte (Podcast)



Streaming erreicht junge Zielgruppen



Gute regionale Steuerung

808 

 7 Kommunikationspolitik

7.8.3 Printwerbung Printwerbung wird in 6 Segmente unterteilt und erzielte 2021 rd.  7,5 Mrd. € Nettowerbeumsatz:969 (1) Anzeigenblätter (1,1 Mrd. €) (2) Corporate Publishing (Magazine, Bücher, 2,3 Mrd. €) (3) Tageszeitungen inkl. Supplements (1,8 Mrd. €) (4) Publikumszeitschriften (730 Mio.€) (5) Fachzeitschriften (1,3 Mrd. €) (6) Verzeichnisdienste (320 Mio. €) Das Vertrauen in Tageszeitungen ist groß. Angst vor Fake News und Übertreibungen bspw. in Social Media stärkt die Hinwendung von Verbrauchern zu öffentlich-rechtlichen Medien und überregionalen Tageszeitungen (Quelle: Nielsen-Analyse zu Mediennutzung und Werbemarkt, in: Die Zeitungen, Juni 2022, S. 2).

Interessanter Effekt der steigenden digitalen Werbeaufwendungen: Bei ausgewählten Unternehmen ist Kundengewinung über Printkataloge mittlerweile wieder günstiger als Werbung im digitalen Umfeld (Quelle: Businesswire, 19. Juli 2022).

Printwerbung bedeutet Anzeigenschaltung in entsprechenden Printmedien. Anzeigen werden über die Größe der Anzeigenfläche berechnet, bspw. Ganzseitige oder halbseitige Anzeigen. Viele Medien bieten auch die Schaltung von Kleinanzeigen (Classified Ads) an. Alternativ können Printerzeugnissen eigene Printbeilagen hinzugefügt (bspw. Prospekte in Anzeigenblättern oder Advertorials in Tageszeitungen) oder beigeheftet werden. Zudem können Unternehmen eigenständige Printprodukte herstellen und verteilen (z. B. Kundenmagazine und Paketbeilagen). Zentrales Merkmal von Printwerbung ist eine periodische Erscheinungsweise, die nach Tagen, Wochen oder Monaten strukturiert ist. Große Tageszeitungen (z. B. BILD, FAZ, Süddeutsche, WAZ) und Publikumszeitschriften (z. B. Stern, Bunte, Focus) wie auch Wochen- und Sonntagszeitungen (Spiegel, Focus, Die Zeit, Welt am Sonntag) erreichen heute alle Bevölkerungsschichten. Sie sind von regionaler oder überregionaler Bedeutung. Große Zielgruppen sind täglich oder wöchentlich zu erreichen. Die meisten hochwertigen Printprodukte (Zeitungen, Zeitschriften) müssen von interessierten Lesern käuflich erworben werden, entweder im Einzelkauf oder über ein Abonnement. Kaufzeitungen und Kaufzeitschriften haben daher i. d. R. interessiertere Leser als kostenlos verteilte Anzeigenblätter. Je teurer ein Printprodukt bepreist ist, desto höher kann man die Verweildauer beim Leser vermuten, was zu höheren Chancen für die Wahrnehmung der Werbung führt. Printwerbung orientiert sich vielfach am thematischen Umfeld des Printprodukts. Die Branche unterscheidet folgende Umfelder: – Nachrichtenumfeld, bspw. Tageszeitungen, Wochenzeitungen, – Leisure­Umfeld, bspw. TV Magazine, Yellow Press, Special Interest Magazine, Sport, etc., – Business Umfeld, bspw. Business News, Fachzeitschriften,

969 vgl. Pimpel (Media Index), 2022, S. 26.

7.8 Klassikwerbung 

– –

 809

Self Help Umfeld, bspw. Wohnen, Fachmagazine, Testmagazine, Corporate Publishing­Umfeld: Kundenmagazine, Fach- und Branchenmagazine.

Laut Auswertung der Mediaanalyse (MA) nutzen acht von zehn Bundesbürgern über vierzehn Jahre täglich Zeitungsangebote. Dabei lesen noch rd. 56% der Bevölkerung Zeitungen in Print. Die digitalen Angebote der Tageszeitungen erreichen insgesamt mehr Leser. Der Rückgang der gedruckten Auflagen der Tageszeitungen ist bereits seit vielen Jahren zu verzeichnen. Die größte deutsche Tageszeitung BILD hat 2013 eine verkaufte Auflage von rd. 2,65 Mio. Exemplaren täglich erreicht. 2022 ist die Auflage auf 1,18 Mio. Exemplare gesunken. Dafür kann die BILD aber über das Online-Portal bild.de monatlich über 200 Millionen Zugriffe verzeichnen. Die Verschiebungen bei den Medienformen führen zu Herausforderungen für die statistische Zuordnung zu Werbemedien. Ist eine Anzeigenbuchung, die bspw. aus dem Lebensmittelhandel heraus sowohl für die gedruckte Ausgabe der BILD-Zeitung wie auch das digitale Angebot auf bild.de erfolgt, dem Kanal Print, dem Medien Onlinewerbung oder beiden Kategorien zuzuordnen? Andere Formen der Printmedien sind auch in den zunehmend digitalen Zeiten erfolgreich. Zeitschriften erfreuen sich weiterhin großer Beliebtheit in der Bevölkerung, wöchentlich werden allein über 12 Mio. TV-Zeitschriften verkauft. Spiegel, Die Zeit und der Stern dominieren viele öffentlich ausgetragenen Diskussionen. Moderne und gut umgesetzte Zeitschriften (bspw. Landlust und Emotion) erreichen neue Leserschaften und können heute ihre Auflagen weiter steigern. Die Diskussion des Werbemediums Print muss daher auf die explizit ausgewählten Printsegmente Bezug nehmen. Unternehmen müssen entscheiden, in welchem Printsegment Sie ihre Werbung platzieren wollen und welches thematische Umfeld dafür passend ist. Printmedien dienen vor allem dazu, ein Unternehmen, eine Marke oder ein Produkt bekannt zu machen. In ausgewählten Werbeformaten ist Printwerbung auch dazu geeignet, detailliert Produktvorteile darzustellen. Großflächige Anzeigen von Luxusmarken in Hochglanz-Modemagazinen sind eine wichtige markenbildende Kommunikation. Detaillierte Produktinformationen in Fachzeitschriften gepaart mit einem Advertorial können interessierten Lesern eine Vielzahl an Informationen rund um Angebote und Leistungen vermitteln. Viele Teile des Printmedienmarkt sind straff nach Streugebieten organisiert. Kontaktzahlen und Mediaselektionskriterien werden im Rahmen qualifizierter Erfolgsmessungen ständig aktualisiert. Tageszeitungen und Anzeigenblätter haben klar definierte Verteilungsgebiete, an denen sich

Die BILD bringt i.d.R. 1-2 p.a. eine bundesweit an alle Haushalte verteilte Ausgabe heraus: Auflage rd. 41 Mio.

Digitale Transformation: 1/3 von 7.000 Zeitschriften in D. ist gefährdet. Dagegen erfolgreiche Beispiele: Die Zeit, Spiegel-Gruppe, Hubert Burda Medien (Quelle: ASW, 07-08/2022, S. 23).

810 

Print besitzt immer noch beeindruckende Werbeinvestitionen: Werbung Zeitungen: 4,5 Mrd. €, Werbung in Anzeigenblättern: 1,19 Mrd. €, Werbung in Publikumszeitschriften: 2,45 Mrd. €, Werbung in Fachzeitschriften: 1,36 Mrd. € (Quelle: ZAW 2021, S. 17).

 7 Kommunikationspolitik

der Werbungskunde orientieren kann. Vielfach sind Medien sogar noch regional zu steuern, Anzeigenblätter können z. B. auf Stadtteilebene belegt werden. Das erfolgreiche Medium „Einkauf Aktuell“ der Deutschen Post zur Verteilung von Printprospekten kann von Werbetreibenden teilweise Straßenzug-genau gebucht werden. Fachzeitschriften sind ein relevantes Printumfeld für zielgerichtete Werbung. Bedeutsam ist, dass Fachmedien zu den wichtigsten Informationsquellen und Werbemöglichkeiten im B2B-Umfeld zählen. So hat sich trotz fortschreitender Digitalisierung ein breiter Markt an Fachzeitschriften behaupten können, die vielfach über Printausgaben der Zeitschriften ihre Leser erreichen. In allen Branchen und Segmenten der Wirtschaft berichten Fachmedien über Themen und Trends. Durch diese Zielgruppennähe bieten diese Medien ein gutes und relevante WerTabelle 7.20: Wirkung von B2B Werbung über Fachzeitschriften.970 Wirkung von B2B Werbung über Fachzeitschriften

Branchenspezifische Fachzeitschriften (75%) sind die mit Abstand wichtigste Informationsquelle für Entscheider, mit Abstand folgen Webseiten der Anbieter (55%) und die Webseiten der Branchenmedien (44%) (Quelle: Horizont 28-29/2022, S. 22).

Zielgruppe in passender Verfassung

Lektüre von Fachmedien ist Arbeitsalltag, die Leser befinden sich in tiefer Analyse und Verarbeitung der Beiträge.

Leser investieren Zeit in die Lektüre der Fachzeitschrift

Über 80% aller Nutzer von Fachzeitschriften lesen mehr als 60 Minuten pro Woche in Fachmedien.

Relevant in der Customer Journey

Fachmedien besitzen einen wichtigen Anteil auf der Kundenreise von Interesse zu Kauf, insb. da sie spezifische Inhalte bieten.

Passendes und vertrauensvolles Umfeld

Das redaktionelle Umfeld stellt die objektive Sichtweise des Magazins sicher, Werbung befindet sich damit in einem guten Umfeld.

Lead Generierung

Fachmedien sind Auftakt für Kontaktaufnahmen mit Unternehmen.

Wenig Kampf um Aufmerksamkeit

Die Fachlichkeit des Mediums ist fokussiert auf enge berufliche Themengebiete, was ein tiefes Involvement der Leser sicherstellt.

B2B Werbung ist geschätzte Informationsquelle

Unternehmenskommunikation ist im B2BUmfeld ein relevantes Informationsmedium, Anzeigen sind integraler Bestandteil der Informationssuche von B2B Entscheidern.

B2B-Werbung ist vertrauensbildend

Fachmedien besitzen hohe Glaubwürdigkeit, die sich auch auf die werbungsschaltenden Unternehmen übertragen kann.

970 Vgl. Kaufmann, (Fachzeitschriften), 2022, S. 30

7.8 Klassikwerbung 

 811

beumfeld, in dem sich Unternehmen mit Anzeigen und Editorials und Advertorials präsentieren können. Tabelle 7.20 zeigt Besonderheiten der Printwerbung in Fachzeitschriften. Um wirksame Printwerbung zu gestalten, können unterschiedliche Elemente der Werbung gezielt entwickelt werden. Abbildung 7.56 führt die verschiedenen Elemente auf. Bei den erweiterten Eigenschaften sind insb. die Platzierung und etwaige Sondergestaltungen gesondert zu betrachten. Die Platzierung beschreibt, in welches thematische Umfeld die Werbung integriert ist (bspw. eine Printanzeige für eine Luxusuhr im Umfeld von Leisure und Glamour-Zeitschriften oder als Rücktitelanzeige eines Wirtschaftsmagazins). Neben einer gezielten Platzierung kann Printwerbung auch eine eigenständige Platzierung anstreben, bspw. ein Sonderheft/Booklet in einer Zeitschrift für Luxusartikel oder eine Paketbeilage eines Onlineshops mit passender Zielgruppe. Zudem muss für die Printwerbung entschieden werden, ob diese fest im Medium/mit dem Medienpartner verbunden ist (Anzeige auf Seite in Zeitschrift) oder alternativ bspw. nur beigelegt wird (Prospekte in ausgewählten Verteilungsgebieten des regionalen Anzeigenblattes). Die wesentlichen Merkmale der Umsetzung einer Printwerbung sind in Tabelle 7.21 zusammengefasst. In Abbildung  7.57 ist neben den offensichtlichen Einsatzbereichen Markenaufbau und Abverkauf auch Kundenbindung hervorzuheben. Regelmäßige Kommunikation mit Printwerbung an die Zielgruppe baut Markenbekanntheit auf. Jeder Kontakt, jeder Werbeflyer, der den Kunden Gestaltungsoptionen von Printwerbung Inhalt

Bildsprache

Erweiterte Eigenschaften Thematisches Umfeld

Titelzeile

Anmutung

Platzierung / Umfeld

Untertitel

Motivauswahl

Größe

Marke

Farben

Sondergestaltungen

Claim / Slogan

Symbole

Digitale Erweiterung

Haupttext

Abbildung 7.56: Gestaltungsoptionen von Printwerbung.

Spezielle Platzierungen Integriert, beigelegt, etc.

Ergänzende Elemente Eigenständigkeit der Werbung

812 

 7 Kommunikationspolitik

Tabelle 7.21: Merkmale guter Printwerbung. Merkmale guter Printwerbung

Beschreibung

Schnell zu erfassender Inhalt

Printwerbung muss unmittelbar erkennbar sein, um die Aufmerksamkeit auf die Werbung zu lenken.

Stopp-Anker

Printwerbung benötigt Botschaften oder Signale, die den Leser im Lesefluss erreichen und bei der Werbung verweilen lassen.

Erinnerungswürdigkeit

Die Printwerbung muss dem Leser in Erinnerung bleiben können, da sie i. d. R. keine direkte Reaktion des Kunden nach sich ziehen kann, meist muss der Leser einen Medienbruch vornehmen (von der Zeitschrift zum Smartphone wechseln), um auf eine Printwerbung zu reagieren.

Abgestimmtes Verhältnis von Bild- und Textanteilen

Je nach Ausrichtung informations- oder emotionslastiger.

Passendes Werbeumfeld

Die Platzierung in einem inhaltlich passenden Umfeld erhöht Relevanz und Glaubwürdigkeit der Werbung. Eine exakte Platzierung der Werbung nimmt das Medium in den meisten Fällen jedoch eigenständig vor.

Maßgebliche Einsatzbereiche – Printwerbung

Recruitment / Kundenakquisition

Stakeholder Brand/Marke/Positionierung Brand / Marke Sales / Verkauf 1:n Sales / Verkauf 1:1 Retention / Kundenbindung Recovery / Kundenrückgewinnung Abbildung 7.57: Maßgebliche Einsatzbereiche Printwerbung.

Eignung

7.8 Klassikwerbung 

 813

im Briefkasten oder über das Anzeigenblatt erreicht, stärkt Markenbekanntheit und Position im Evoked Set des Kunden. So werden beispielsweise viele Printwerbungen für Gebrauchsgüter (bspw. Möbel) über eine lange Zeit keinen Kauf auslösen, weil der Kunden aktuell keinen Bedarf hat. Wird jedoch ein Kauf in diesem Bereich in Erwägung gezogen, erinnert sich der Kunden an das werbende Unternehmen, da er die Printwerbung bereits mehrfach erhalten hat. Tabelle 7.22: Vor- und Nachteile von Printwerbung. Vorteile Printwerbung

Herausforderungen/Nachteile Printwerbung



Variables Werbeformat –einfache bis hochwertige Gestaltung



Statische Gestaltung



Für unterschiedliche Zielsetzungen verwendbar – von Branding bis Abverkauf



Kurze Kontaktzeiten, i. d. R. unter 2 Sekunden für ganzseitige Anzeigen



Etabliertes Werbeformat mit vielfach hoher Akzeptanz (Ausn.: Werbeprospekte)



Reduzierte Darstellungsmöglichkeiten bei komplexen Sachverhalten



Mehrfache Werbekontakte möglich, mehrfache Nutzung des Mediums oder mehrere Leser



Unterschiedliche Dynamiken in den Printformaten, tw. stark sinkende Reichweiten



Je nach gewähltem Printmedium gute regionale Steuerung



Wenig Reichweite in jungen Zielgruppen



Zielgruppensteuerung bei Special Interest Printmedien



Medienabhängige hohe Preise, tw. relativ durch sinkende Auflagen weiter steigend



Thematische Umfelder erhöhen Glaubwürdigkeit der Werbung



Zunehmende Titelausdifferenzierung



Multisensorik durch Kombination von Text und Bild



Eingeschränkte Reaktionsmöglichkeiten für Kunden



Verlängerung der Reichweiten durch digitale Verknüpfungen



Begrenzte Werbeflächen je Medium



Vergleichsweise kostengünstige Werbegestaltung



Lange Vorlaufzeiten für Einbuchungen und ggf. Produktion (Werbeprospekte)



Kein zu berücksichtigendes technisches Umfeld

Zeitenwende bei Zeitungsbeilagen: OBI ersetzt die gedruckte Angebotswerbung durch eine App (Quelle: Horizont, 28–29/2022 S. 19).

814 

 7 Kommunikationspolitik

Tabelle  7.22 trägt wesentliche Argumente zusammen. Print ist ein vielseitiges Format, das durch Digitalisierung in Mitleidenschaft gezogen wird. Ausgewählte Printprodukte werden in absehbarer Zeit aus den Märkten verschwinden. Aktuelle und zielgruppenadäquat entwickelte Printformate, wie bspw. Zeitschriften werden jedoch auch in Zukunft eine Rolle auf den Medienmärkten spielen. Und dann auch für werbetreibenden Unternehmen relevante Medien darstellen.

7.8.4 Außen und OoH-Werbung Außenwerbung ist eine der ältesten Werbeformen. Bereits vor mehreren Tausend Jahren wurden in Stein gemeißelte Hinweise auf Verkaufsständen platziert. Heutige Werbeformate der Außenwerbung sind stationär und mobil zu finden. Im Zuge der Digitalisierung ist der Begriff Außenwerbung in Out-of-Home (OoH) aufgegangen, da neue Werbemittel (bspw. Bildschirme in der Öffentlichkeit) eingeführt wurden und somit alle außerhalb des privaten Umfeldes verfügbaren Werbemedien mit diesem Begriff vereint werden. Wesentliche Formate sind: – Klassische Plakate, bspw. 8/1 Großflächen oder City Light-Plakate, – Stationäre elektronische Medien, bspw. Infoscreens und Public Video, – Hinweismedien, bspw. Firmenschilder und Wegbeschilderungen, – Stadtmöblierungen, bspw. Fahrradständer und Kreuzungsuhren, – Ambient Media, bspw. Edgar Cards oder Tragetaschen, – Mobile Out­of­Home Medien, bspw. Verkehrsmittelwerbung, – Ambush Marketing, bspw. unerwartete Werbung im Umfeld von Großereignissen. Sao Paulo in Brasilien hat im Januar 2007 ein strenges Außenwerbeverbot eingeführt. Über 15.000 Plakatflächen und 1.300 Riesenposter wurden entfernt. In Europa war Grenoble im Jahr 2015 die erste Stadt, die schrittweise Außenwerbung reduziert oder untersagt.

In Deutschland gibt es ca. 153.000 Standorte mit Großflächen und Superposter-Plakaten. Diese Plakatform ist weit verbreitet und Kunden und Konsumenten gut bekannt. Das Großflächenplakat wird in mehreren Teilen produziert (meist 8) und die Bezeichnung 8/1 ist geläufig. Sog. Superposter haben das gleiche Format, sind jedoch an besonders exponierten Stellen mit Beleuchtung versehen. Das Plakatformat in Bus- und Straßenbahnhaltestellen wird City Light Plakat genannt. Diese Formate sind meist beleuchtet und haben damit eine längere Werbewirkung als unbeleuchtete Großflächen. Bundesweit stehen knapp 90.000 City Light Flächen zur Verfügung. Die klassische Litfaßsäule ist an rd. 14.300 Standorten zu finden. Tabelle 7.23 führt aktuelle Netto-Werbeumsätze auf.

7.8 Klassikwerbung 

 815

Tabelle 7.23: Out of Home Nettoumsätze nach Werbeträgern in Deutschland 2020.971 Werbeträger 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Digital Out of Home Großflächen City-Light-Poster Ambient Dauerwerbung Mega Lights, City Light Boards Verkehrsmedien Medien an Flughäfen Ganzsäule Riesenposter Allgemeinstellen Gesamt

Nettoumsatz in Mio. €

Anteil an gesamt

226,9 217,7 197,7 98,6 82,4 54,7 51,6 22,3 16,8 10,3 989,0

23% 22% 20% 10% 9% 6% 5% 2% 2% 1%

Außenwerbung ist eine Werbeform, die ein Kunde nicht vermeiden oder technisch unterdrücken kann. Gut gemachte Außenwerbung wird von vielen Konsumenten als wenig störend und aufdringlich empfunden. Sie lässt sich standortgenau steuern, Buchungssysteme können bis auf einen einzelnen Plakatstandort hin eine Auswahl treffen. Der besondere Bezug zum Standort der Außenwerbung führt auch dazu, dass es nur eine begrenzte Anzahl an interessanten Standorten gibt. Besonders auffällige Außenwerbungsstandorte (bspw. Megaplakate an Baugerüsten im Innenstadtbereich) sind selten, dementsprechend bei werbetreibenden Unternehmen beliebt und damit teuer. Die Digitalisierung hat der Außenwerbung einen Innovationsschub verliehen. Viele Plakat- oder City Light-Standorte sind durch digitale Alternativen ergänzt und ersetzt worden. Videoscreens finden sich an Bushaltestellen, an Bahnhöfen und auf großen Kreuzungen. Dort präsentierte Werbung kann kurzfristig angepasst werden und ist nicht mehr an feste Belegungszeiten der klassischen Außenwerbungsmedien gebunden. Standorte können mehr Werbung ausspielen und die Variabilität der Buchungsmöglichkeiten gibt werbetreibenden Unternehmen Möglichkeiten, im Außenwerbungsbereich kurzfristig und aktionistisch zu werben. Zudem kann digitale Außenwerbung programmatisch im Auktionsverfahren belegt werden. Für diese Digitalisierung hat sich auch der Begriff Digital Signage (digitale Beschilderung) etabliert. Digital Signage umfasst neben dem oben beschriebenen Einsatz digitaler Medieninhalte, also elektronische Plakate und elektronische Verkehrsschilder, auch digitale Produktinformationen,

971 Quelle: ZAW 2021, S. 103.

Bereits rd. 33% des Gesamtumsatzes im Out of Home-Werbemarkt (2,3 Mrd. € in 2020) erfolgt über digitale Außenwerbungsmedien (764 Mio. €) (Quelle: ZAW (Werbung), 2022, S. 102).

816 

 7 Kommunikationspolitik

Flatscreens am POS und auf Events. Inhalte können kostengünstig erstellt und zentral gesteuert werden. Es ist damit zu rechnen, dass digitale Werbemedien klassische Plakat- und Poster-Formate zurückdrängen werden. Neben stationären Außenwerbungsformaten sind mobile Werbeformate in der Außenwerbung weit verbreitet. Für Verkehrsmittelwer­ bung spricht, dass Fahrzeuge der Verkehrsbetriebe meist einen Großteil des Tages im Einsatz sind, durch die großen Fahrtstrecken weite Werbebereiche abdecken und Kunden erreichten, die durch andere Werbemedien nicht erreichbar sind. Auffällige Gestaltungen von Verkehrsmitteln binden sich in das Stadtbild ein und Kunden lernen werbetreibende Unternehmen kennen. Neue Entwicklungen von semitransparenten Folien lassen eine ganzflächige Beklebung von Fahrzeugen zu, was sehr aufmerksamkeitsstark ist, Die Möglichkeiten zur Verkehrsmittelwerbung sind je Verkehrsverbund unterschiedlich. Daher erfordert die Einbuchung von Werbung eine stark regionalisierte Steuerung. Auch der Begriff der Ambient Werbung oder der Ambient Media ist dem Kontext der Außenwerbung zuzuordnen: Werbung und Kommunikation im physischen Umfeld der Konsumenten In diese Werbungskategorie fallen alle Medien, die Werbung in Umfeldern transportieren können, die klassischerweise nicht mit Werbung belegt werden. Kunden werden überrascht und in ungewöhnlichen Situationen mit der Kommunikation erreicht. Beispiele können Postkartenregale in der Gastronomie („Edgar Cards“), Getränkeuntersetzer (Bierdeckel) oder auch Aufkleber (Floor Grafics oder Sticker Marketing) sein. Neben diesen kleinteiligen Mediaansätzen kann Ambient Media aber auch deutlich größer gedacht werden. Straßenbemalungen, vollständige Beklebungen von Fahrzeugen und Gebäuden oder auch Flugzeuge mit Schleppbannern. Die Möglichkeiten von Ambient Media sind vom spezifischen Standort und ggf. geltenden rechtlichen Bestimmungen abhängig. Ambush Marketing ist bei diesen Betrachtungen ein Sonderfall des OoH-Marketing. Brands und Marken nutzen bestehende Werbeanlässe, um Produkte auffallend in Szene zu setzen. Besonderheit ist hierbei, dass werbende Brands als Trittbrettfahrer von der Popularität eines Ereignisses zu profitieren versuchen. Im Rahmen von Sport-Grossereignissen (bspw. Fußball-WM und -EM) starten viele Marken und Brands spezifische Werbekampagnen, die die Besonderheit des Fußball-Wettbewerbs aufnehmen. Dabei sind die werbenden Unternehmen aber keine offiziellen Partner der Ereignisse. Eine Fußball-Weltmeisterschaft wird einen Softdrink-Hersteller als Hauptsponsor auswählen. Andere Softdrink-Marken werden in dem Zeitraum auch mit Fußball als Werbemotiv arbeiten (bspw. mit großen Aufstellern im Getränkefachmarkt mit der Aufschrift: Erfrischungsdrink für Fußballfans).

7.8 Klassikwerbung 

 817

Da der Kunde sich i. d. R. nur eine sehr kurze Zeitspanne mit Außenwerbung befasst und diese vielfach nur 1x sieht, müssen Spezifika bei der Gestaltung berücksichtigt werden. Tabelle  7.24 listet wesentliche Gestaltungsprinzipien auf. Die Dynamik der Entwicklungen der letzten Jahre hat die Werbeerlöse in Außenwerbung vergleichsweise stabil gehalten. 2021 erzielt Außenwerbung einen Bruttowerbeumsatz von rd.  2,3 Mrd. € erzielt. Davon sind bereits knapp 1/3 Umsätze aus digitalen Out of Home Medien. Die Digitalisierung hat das jahrhundertealte Medium modernisiert und für Werbungstreibende attraktiv gehalten. Tabelle 7.24: Merkmale guter Außen- und OoH-Werbung. Merkmale guter Außen und OoH-Werbung

Beschreibung

Aufmerksamkeitsstarke Gestaltung

Da Außenwerbung in kurzen Aufmerksamkeitsspannen aufgenommen wird, muss die Werbegestaltung schnell Aufmerksamkeit erzielen können.

Präsenz von Marke und markentypischen Elemente

Durch die geringe Aufmerksamkeitsspanne des Rezipienten für Außenwerbung müssen zentrale Elemente der Marke eindeutig und unmissverständlich kommuniziert werden.

Erfassbarkeit auf Distanz

Außenwerbung wird aus Distanz betrachtet. Oft ist bei mobiler Außenwerbung das Werbemedium in Bewegung. Daher muss bei der Gestaltung beachtet werden, dass die Werbebotschaft auf Distanz zu erkennen und zu entschlüsseln ist.

Hochwertige Bildqualität

Durch große Druckformate oder Ausspielungsscreens ist eine hochwertige Bildproduktion notwendig.

Standortunterschiede berücksichtigen

Jeder Standort für Außenwerbung hat unterschiedliche Standortqualitäten. In der Gestaltung für Außenwerbung muss dies bestmöglich Berücksichtigung finden und ggf. eine individuelle Gestaltung und Umsetzung für besondere Standorte nach sich ziehen.

Direkte Reaktionsmöglichkeiten vorsehen

Gut gestaltete Außenwerbung hält einen einfachen digitalen Kontaktweg zum werbetreibenden Unternehmen bereit (bspw. QR Code). So können Kunden direkt reagieren und es findet eine rudimentäre Werbeerfolgsmessung statt.

Die weiterhin große Bedeutung von Plakatwerbung für die Markenkommunikation lässt sich auch aus Abbildung 7.58 erkennen. Wenige Wer-

818 

 7 Kommunikationspolitik

bemittel haben die Chance, so viele Kontakte konsistent und planbar zu erreichen. Maßgebliche Einsatzbereiche – Out-of-Home und Außenwerbung Stakeholder Brand/Marke/Positionierung

Eignung

Recruitment / Kundenakquisition

Brand / Marke Sales / Verkauf 1:n Sales / Verkauf 1:1 Retention / Kundenbindung Recovery / Kundenrückgewinnung

Abbildung 7.58: Maßgebliche Einsatzbereiche Außenwerbung und OoH. Tabelle 7.25: Vor- und Nachteile Außenwerbung und OoH. Vorteile Außenwerbung und OoH

Herausforderungen/Nachteile Außenwerbung und OoH



Hohe und höchste Aufmerksamkeit



Begrenzte Standortverfügbarkeit



Kreatives Werbemedium



Hohe Werbemittelkosten zzgl. Schaltkosten



Hohe Erinnerungswirkung



Lange Vorlaufzeiten bei klassischer Außenwerbung



Positive Wahrnehmung durch Kunden



Feste Belegungszeiträume bei klassischer Außenwerbung (i. d. R. 10 Tage = 1 Dekade)



Keine Werbevermeidung und -verweigerung



Unterschiedliche regionale Verfügbarkeit, insb. außerhalb von Ballungsräumen wenig Verfügbarkeit



Exzellente regionale Steuerung



Schwierige Messbarkeit der Werbewirkung



Technische Innovationen durch zunehmende Digitalisierung

Zusammenfassend ist die Entwicklung bei Außenwerbung interessant und bietet Unternehmen vielfältige Werbeformen. Besondere Standorte mit speziell für den Werbeanlass entwickelten und produzierten Werbe-

7.8 Klassikwerbung 

 819

plakaten oder digitalen Werbeformen erzielen höchste Aufmerksamkeit. Eine abschließende Übersicht zeigt Tabelle 7.25.

7.8.5 Messen, Ausstellungen, Events Die Messewirtschaft zählt zu zentralen Dienstleistungsbranchen der deutschen Wirtschaft. Als eines der wichtigsten Marketinginstrumente sind Messen und Ausstellungen wesentliche Impulsgeber für den internationalen Handel mit Gütern und Dienstleistungen.972 Messen sind Statussymbole für die austragenden Länder, Städte und Gemeinden. Am Anfang der historischen Entwicklung steht die Weltausstellung 1851 in London mit 6 Mio. Besuchern und bereits 14.000 Ausstellern. Die Weltausstellung in Paris 1931 zählte 32 Mio. Besucher auf 2 Mio. qm Fläche. Die Weltausstellung 2022 in Dubai hat 73 Millionen Besucher angezogen, was die größte Besucherzahl einer Messe und Ausstellung aller Zeiten darstellt. Als Instrumente zur Imagebildung und Verkaufsförderung sind Messen und Ausstellungen von herausragender Bedeutung. Sie gelten als Schaufenster der Konsum- und Industriegüterwelt. Ihre Aufgabe ist es, über das Leistungsangebot eines Unternehmens oder einer Branche zu informieren, Beziehungen zu pflegen und neue Kunden und Vertriebspartner zu gewinnen. Auf großen Fachmessen werden zusätzlich maßgebliche Geschäftsabschlüsse getätigt. Eine Messe ist eine zeitlich begrenzte, im Allgemeinen regelmäßig am gleichen Ort wiederkehrende Veranstaltung, auf der eine Vielzahl von Ausstellern das wesentliche Angebot eines oder mehrerer Wirtschaftszweige vorstellt und überwiegend an gewerbliche Wiederverkäufer, gewerbliche Verbraucher oder Großabnehmer vertreibt. Der Veranstalter kann in beschränktem Umfang an einzelnen Tagen während bestimmter Öffnungszeiten Letztverbraucher zum Kauf zulassen. Eine Ausstellung ist eine zeitlich begrenzte Veranstaltung, auf der eine Vielzahl von Ausstellern ein repräsentatives Angebot eines oder mehrerer Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsregionen ausstellt und vertreibt oder über dieses Angebot zum Zwecke der Absatzförderung informiert.973 In Zeiten digitaler Kommunikation und elektronischen Kaufvorgängen im B2B und B2C stellen klassische Messen weiterhin einen wichti-

972 Harald Kötter, AUMA. 973 Die Weltausstellung ist z. B. eine Ausstellung i. e. S., d. h. eine reine Informationsveranstaltung.

Mit den Worten „ite missa est“ eröffneten die Priester mittelalterliche Märkte. Möglicherweise liegt hier der Ursprung des Messebegriffs (vgl. Oehring, (Architektur), 1992, S. 35).

820 

 7 Kommunikationspolitik

gen Baustein der Kommunikationsstrategie der Unternehmen dar. Die Unmittelbarkeit des persönlichen Kontakts zeigt sich in dem sich weiter verbreitenden Begriff der „Live Communication“ für diese Kommunikationsarten. Messen und Events ermöglichen einen direkten und emotional aufladbaren Kontakt. Sie bieten die Chance zur Pflege des Netzwerks und der Ansprache aller Sinne der Besucher und Kunden. „Informelles Networking und zufällige Treffen auf realen Messen lassen sich mit digitalen Formaten kaum realisieren.“974 Aus Besuchersicht erfüllen physische Messen eine wichtige Aufgabe: Viele Anbieter und Lösungen können an einem Ort besucht und kennengelernt werden. Klassische Messen und Ausstellungen werden immer stärker durch digitale Erweiterungen und Präsenzen ergänzt. Ein Event ist eine zielgruppenorientierte Veranstaltung mit dem Anspruch einer besonderen Seltenheit und Wertigkeit und mit dem Ziel der „Inszenierung“ eines besonderen Ereignisses. Unter Event-Marketing versteht man die Planung, Durchführung und Kontrolle hochwertiger kommerzieller Veranstaltungen mit dem Ziel einer besonderen Kundenbindung. Auf einen kurzen Nenner gebracht: Messen sind Abschlussmärkte für Einkäufer,975 Ausstellungen sind Informations- und Kaufmärkte für Endverbraucher. Und Events schaffen intensive Kundennähe. Messen und Ausstellungen lassen sich gut gemeinsam betrachten, da sie vergleichbare Ausprägungen besitzen. Da ein Event gezielt auf spezielle Erlebnisse für Kunden und Besucher hin optimiert ist, bietet sich eine differenzierte Betrachtung im weiteren Verlauf dieses Abschnittes an. Messen und Ausstellungen werden folgendermaßen beschrieben und abgegrenzt: – nach Einzugsgebiet: regionale, nationale, internationale Messen, – nach Märkten: Konsumgüter-, Industriegüter-, Dienstleistungsmessen, – nach Anbieterstruktur: Gewerbe-, Berufsstände-, Handwerk-, Industrie-, Dienstleistungsmessen u.v. a.m., – nach Angebotsbreite: Universalmessen, Fachmessen, Einbranchen-, Mehrbranchenmessen, – nach Funktion: Verkaufsveranstaltung, Informationsveranstaltung; s. o., – nach Standort: fester Messeplatz, Wandermesse, – nach Dauer: Dauermessen, periodische Messen.

974 Appel, (Messen), 2022, S. 22. 975 Hierzu zählen auch: Börsen, Auktionen, Submissionen, Märkte, Einschreibungen, Lizitationen: vgl. die Aufstellung bei Pepels, (Marketing), 2012, S. 618–622.

7.8 Klassikwerbung 

 821

Je nach Zielsetzung verfolgen Aussteller und Besucher bestimmte Strategien bei ihrer Messeteilnahme. Sie nehmen teil, um – sich über das Angebot der Branche, neue Technologien und Produkte und Trends zu informieren (Informationsstrategie), – Preis-Leistungsverhältnisse einer Branche zu eruieren, Wettbewerbsvergleiche vorzunehmen, Kundenerwartungen zu erfragen (Marktforschungsstrategie), – mit bestehende Kunden Termine zu vereinbaren (Stammkundenpflege), – neue Zielgruppen anzusprechen (Zielgruppenerschließungsstrategie), – Projekte zu besprechen, Verkaufsabschlüsse zu tätigen (Verkaufsstrategie), – neue Produkte vorzustellen (Markteinführungsstrategie), – bekannter zu werden, Image und Corporate Identity zu stärken (Imageprofilierungsstrategie), – Beziehungen zu pflegen (zu Ausstellern, z. B. im Rahmen von Einkäufer-Erfahrungskreisen, zu Kunden, zur Presse und der allgemeinen Öffentlichkeit (Beziehungspflegestrategie), – neue Vertriebspartner zu finden, z. B. ausländische Handelsvertreter oder Exporteure, Importeure (Vertriebspartnerstrategie) – oder um Präsenz in der Branche zu demonstrieren (Präsenzstrategie). Werbliche Ausrüstungs- und Gestaltungselemente spielen eine große Rolle für den Erfolg. Messestände sollen informieren, unterhalten und ein Ort der Begegnung sein. Mit Messegesellschaft und Messeagentur/-bauer sind folgende Punkte zu verhandeln: – Standplatzierung auf Messehalle und Messegelände, – Modalitäten des Auf- und Abbaus, – Standgröße, – Art des Standes, Standkonzeption und Standbauweise (z. B. Office, Bistro, Freifläche etc.),976 – Grafik und Beschriftung, – Farbe und Licht, – Vorrichtungen für Exponate (z. B. Wasseranschluss, Extra-Stromanschluss, Internet etc.), – Bewirtung (Catering),

976 eine anschauliche Übersicht von Standalternativen findet sich bei: Clausen, (Messe), in: acquisa, 1/1998, S. 53.

822 

– –

 7 Kommunikationspolitik

Aussteller-Promotion (Werbung für die Aussteller), sonstige, von der Messegesellschaft angebotene Dienstleistungen (z. B.: Catering, Wifi, Aufnahme in Presseverteiler, Aussteller-Verzeichnis, Katalogservice, Security, Versicherungen etc.).

Messestände haben eine Größe ab 9 qm Fläche (3x3m). Ab 20 qm stellt sich Raumgefühl ein. 40 qm erlauben bereits eine kleine Koje mit Besprechungsräumen. Folgende Standtypen sind zu unterscheiden: – Der Reihenstand (zum Gang offen) ist die häufigste und preiswerteste Form. – Der Eckstand hat zwei freie Seiten und bietet daher eine bessere Sicht und eine größere Gestaltungsfreiheit. Die besten Plätze liegen in der Nähe zum Haupteingang oder bei einem wichtigen Durchgang.977 – Der Kopfstand ist mit seinen drei offenen Fronten zu empfehlen, wenn die Exponate oder Firmeninformationen wenig Wandfläche beanspruchen. Er bietet guten Freiraum für die flächenmäßige Platzierung der Exponate oder für Besucher-Sitzgruppen. Kopfstände ziehen i. d. R. viele Besucher an. – Der Insel­ oder Blockstand ist nach allen Seiten zugänglich. Er verlangt erfahrungsgemäß eine Mindestgröße von ca. 500 qm und gute Messeerfahrungen des Standpersonals.  Durch Kabinen, Displaywände und Besucher-Sitzgruppen ist eine hochflexible Gestaltung einer Messestand-Landschaft möglich. – Das Freigelände ist sinnvoll bei großen Exponaten aus dem Industriebereich (Kräne, Lastwagen etc.) oder für Aktionsstände (Wasserspiele, Exponate mit hoher Geräuschentwicklung etc.). Ein Großteil eines B2B-Werbebudgets fließt vielfach in Messen und Events, die wichtige Branchentreffpunkte sind. (Quelle: Appel (Messen), 2022, S. 20).

Messebeteiligungen sind kostspielig, vor allem bei wiederholten Teilnahmen.978 Damit eine Messe ein Erfolg wird, sind folgende Punkte sorgfältig zu planen und vorzubereiten: – Messe-Zielsetzungen im Einklang mit der Unternehmensstrategie,979 – besonders zu fördernde Produkte (auch für Markteinführungen), – verstärkt anzusprechenden Besucherzielgruppen, – die Zielgruppen zum Messebesuch animierende Einladungsaktion,

977 vgl. zu den Vor- und Nachteilen der Standtypen: Leicher, (Messen), 1990, S. 12 ff. 978 Wir empfehlen eine mindestens dreimalige Teilnahme. 979 vgl. Amon, (Messe-Ziele), in: Marketing-Journal, 1/1991, S. 56. Für viele Unternehmen ist die Neukundengewinnung vorrangiges Ziel einer Messebeteiligung. Studien haben jedoch ergeben, dass 7 von 10 Fachbesuchern nicht ausreichend kontaktiert werden und dass nur 2 von 10 mit der Gesprächsqualität auf der Messe zufrieden sind: vgl. Clausen, (Messe), in: acquisa, 1/1998, S. 50.

7.8 Klassikwerbung 



– – – – – – – – –

 823

Standkonzept, abgestimmt auf die Ziele der Messeteilnahme und im Einklang mit der Corporate Identity-Strategie, attraktive Beleuchtungen, Farben, Beschriftungen sowie ein einheitliches Erscheinungsbild der Standbesatzung, interessante und anregende Exponate (Ausstellungsstücke), Auswahl und Messetraining der Standbesetzung (Messe-Spielregeln), Aktionsprogramm für den Stand mit Event-Charakter, Verhaltensregeln für die Phasen vor, während eines Messegesprächs und nach dem Kundenkontakt, Konzept zur Presse- und VIP-Betreuung (wichtig: Pressemappe), sinnvolle Messe-Kontaktberichte, effiziente und kostengünstige Auf- und Abbauorganisation, Analysekonzeption für die Auswertung des Messeerfolgs, Konzept für die Nachverfolgung (Follow-up) der Messekontakte (Leads).

Diese und weitere Aspekte sind in Tabelle 7.26 anhand von Phasen der Messebeteiligung dargestellt. Tabelle 7.26: Merkmale guter Messen und Ausstellungen. Merkmale guter Messen und Ausstellungen

Beschreibung

Vor der Messe/der Ausstellung Frühzeitige Ankündigung

Kunden und Interessenten sollten möglichst früh auf die Messeteilnahme hingewiesen und eingeladen werden.

Standbau, Exponate und Aktionen planen

Planung und Beauftragung eines CI-konformen Standes: Sollen Produkte als Originale, Muster, Modell oder Attrappen präsentiert werden, welche HighlightAktionen sind im Rahmen der Messeteilnahme vorgesehen?

Ziele definieren

Erfolgsmessung der Messe in quantitativen und qualitativen Zielsetzungen planen.

Kapazitätsplanungen und Kostenschätzungen

Welche Aufwendungen müssen getätigt werden, wie wird die Besetzung des Standes sichergestellt, welche Reiseplanungen müssen gemacht werden?

Schulung des Standpersonals

Welche Ziele haben die Messegespräche, wie sollen Kundendaten erfasst werden, wer besitzt welche Verantwortung rund um die Messe.

Pressekonzept

Pressemappe erstellen, Versandplan entwerfen, Pressegespräche vereinbaren.

824 

 7 Kommunikationspolitik

Tabelle 7.26 (fortgesetzt) Merkmale guter Messen und Ausstellungen

Beschreibung

Während der Messe/der Ausstellung Aktive Kundenansprache

Festgelegte Vorgehensweise zur optimalen Kundenansprache, um neben vereinbarten Gesprächstermine auch Neukundenkontakte zu erzielen.

Kontaktdokumentation

Messekontakte müssen erfasst werden (direkt ins CRM übernehmen), um vertrieblich nachfassen zu können, zudem ist die Anzahl der Kontakte eine Erfolgskennzahl für Messeteilnahme.

Stumme Verkäufer

Wie werden Exponate, Flyer, Give Aways positioniert, so dass sie gut einsehbar sind und auch dem Standpersonal die Möglichkeit zur Ansprache der Besucher geben.

Nach der Messe/der Ausstellung Nachbearbeitung der Kontakte

Alle Kontakte sollten unmittelbar bearbeitet werden.

Nachberichterstattung

Lancierung von Berichterstattungen in externen Medien, interne Nachberichterstattung.

Folgende Besuchertypen sind bei Fachmessen zu betreuen: – Profi-Messebesucher: besucht die Fachmesse regelmäßig, ist vorbereitet, führt zielgerichtete Gespräche, will sich informieren und tätigt Kaufabschlüsse. Hierzu zählen Stammkunden. – Sporadischer Messebesucher: hat drängendes Problem, sucht eine Lösung und benötigt Beratung. Er vertritt oft nur ein begrenztes Potenzial. – Beziehungsorientierter Messebesucher: trifft Fachkollegen, erhofft sich Anregungen für Arbeit und Signale für Trends. Aktuelle Projekte oder Aufträge stehen nicht an. Kontakt ist wichtig für Beziehungspflege. – Vertretungssuchende nutzen die Messe, um an einem Ort viele Aussteller zu sichten und sich dann gezielt bei ausgewählten Ausstellern um Vertriebspartnerschaften zu bemühen. Ausländische Handelsorganisationen gehen i. d. R. so vor, um in kurzer Zeit möglichst viele Kontakte zu knüpfen. – VIP-Besucher (z. B. Politiker) und Pressevertreter besuchen gezielt Messestände, die gut zu ihrem Image passen oder wo besonders förderungswürdige Produkte (z. B. Umwelttechnik, Biotechnologie)

7.8 Klassikwerbung 



 825

ausgestellt werden. Für diese Besuchergruppen sind Betreuungsmaßnahmen und Pressemappen vorzubereiten. Messeflaneur: ist nur oberflächlich informiert und interessiert, sucht Abwechslung und Werbegeschenke. Ist der Messebesucher, der dem Erfolg der Messebeteiligung im Weg steht.

Der Erfolg einer Messe oder einer Ausstellung wird auf beiden Seiten gemessen: Die Messegesellschaft analysiert den Erfolg der Messe als Projekt, um bei der Folgeveranstaltung wieder Standfläche an Aussteller verkaufen zu können. Die Aussteller interessieren sich für den Erfolg der eigenen Messebeteiligung; evtl. unabhängig vom Erfolg der Gesamtveranstaltung. Die Messegesellschaften analysieren den Gesamterfolg der Veranstaltung anhand von Parametern, bei denen die Besucherzahl eine besondere Rolle spielt. Mit diesen Erfolgsdaten akquirieren sie dann zukünftig neue Aussteller: – Anzahl der Aussteller; Anteil ausländischer Aussteller, Anteil neuer Aussteller, – Gesamt-Standfläche der Veranstaltung und Veränderung gegenüber Vormesse, – durchschnittliche Netto-Standfläche pro Aussteller, – Anzahl der Besucher; Anteil Fachbesucher, Anteil ausländischer Besucher, – Relation Fachbesucher zu Nettofläche als spezielle Effizienzkennziffer.980 Ergänzend hierzu erfolgen Besucherbefragungen. Diese Besucherstrukturtests erheben Herkunft, Wirtschaftszweig, Hierarchieebene, berufliche Stellung, Aufgabenbereich des Besuchers und sein Verhalten auf der Messe (Häufigkeit von Messebesuchen, Aufenthaltsdauer, Anzahl der besuchten Aussteller). Aus Sicht der Aussteller ist der Nutzen einer Messeinvestition schwer direkt messbar, wenn es sich um keine Order- (Bestell-) Messe handelt. Im Anlagengeschäft oder bei Software kann es ein bis zwei Jahre dauern, bis aus einem Messekontakt ein Abschluss geworden ist. Viele Unternehmen betrachten Messen daher strategisch als Hygienefaktoren.981 Schon zwei Jahre Messeabstinenz können erhebliche Rückschläge beim Image und bei der Bekanntheit im Markt bewirken. In 980 vgl. Rominski, (Effizienz-Maßstäbe), in: ASW, 6/1994, S. 104; Dietrich, (Messezahlen), in: ASW, 8/1995, S. 106–108. 981 Hygienefaktoren: Die Vorteile fallen nicht auf. Doch deutliche Nachteile hat man, wenn sie fehlen.

826 

 7 Kommunikationspolitik

jedem Fall aber versuchen die Aussteller, den Erfolg ihres Messeauftritts anhand von standbezogenen Messedaten nachzuweisen: – Besucher pro Tag und pro Quadratmeter-Standfläche, – Besucher pro Tag pro Standmitglied, – durchschnittliche Gesprächszeit (Belegungszeit) pro Standmitglied pro Tag, – Gesamtkosten des Messestandes incl. Laufende Kosten, gesamt und pro qm, – Anzahl der generierten Leads (verfolgungswürdige Messekontakte), gesamt, pro Tag, pro qm Standfläche, pro Teammitglied Standbesetzung, – Kosten pro Lead, – nachweisbar auf Messekontakte zurückzuführende Aufträge und Neukunden, – Messe-ROI (durch Messe generierter Deckungsbeitrag zu Messekosten). Durch die zunehmende Digitalisierung sind auch digitale Events und Ausstellungen eine neue Alternative. Die Corona-Pandemie der Jahre 2020–2022 hat zu einem starken Wachstum von Online-Messen geführt, da klassische Messen über knapp 2 Jahre nicht stattfinden konnten. Diese neue Art der Messe hat sich damit schnell etablieren können und wird auch nach Wiederaufnahme des klassischen Messegeschäfts Bestand haben. Sowohl als eigenständige Messeart, wie auch zur Unterstützung und digitalen Verlängerung klassischer Messen und Ausstellungen. Tabelle 7.27: Vorteile von digitalen Messen und Ausstellungen. Vorteile digitaler Messen, Events und Ausstellungen für Messebetreiber und Aussteller

Vorteile digitaler Messen, Events und Ausstellungen für Besucher

– Kostengünstig zu realisieren

– Kennenlernen von Anbietern und Lösungen ohne Reisezeiten

– Keine Reisezeiten und –kosten

– Persönliche Konferenzagenda

– Weite Reichweiten möglich

– Spontaner Besuch

– Direkter Digitalkontakt zum Zielpublikum

– Whitepaper und Case Studies

– Gleiche Präsentationsmöglichkeiten für kleine und große Aussteller

– Anonyme oder pseudomisierte Teilnahme möglich

– Flexible Laufzeiten

– Live Chat Beratung

– Neue Themen schnell adressierbar

– Workshops und Breakout-Rooms – Live Demos

7.8 Klassikwerbung 

 827

Tabelle 7.27 (fortgesetzt) Vorteile digitaler Messen, Events und Ausstellungen für Messebetreiber und Aussteller

Vorteile digitaler Messen, Events und Ausstellungen für Besucher

– Schneller Ersatz bei Ausfall von Speakern

– Call Back-Funktionen

– Nachhaltige Messepräsentation durch umweltschonende digitale Messestände

– Automatisierte Feedbackmöglichkeiten an Veranstalter und Aussteller

– Gute Analysen und Reportingmöglichkeiten

Viele positive Aspekte dieser neuen Art an Messen und Ausstellungen sind in Tabelle 7.27 zusammengefasst. Es geht hier nicht um besser oder schlecht. Eine Online-Messe ist anders. Im digitalen Setting fehlen i. d. R. persönliche Begegnungsorte. Auch sind Möglichkeiten zum Testen und haptischen Erleben von Exponaten nicht gegeben. Die verwendete Softwarelösung für die digitale Messe schränkt Kommunikations- und Interaktionsformate ein. Eine aktive Kommunikation zwischen Ausstellern und Besuchern muss im Rahmen der Planung und des Setups der digitalen Messen gezielt geplant werden, bspw. durch themenspezifische Bereiche, einfache Chat-Funktionen und Gamification. Die unterschiedlichen Softwarelösungen unterscheiden sich in den Funktionalitäten. Aussteller sowie Besucher müssen sich mit den angebotenen Funktionen arrangieren. Dies beschreibt eine generelle Abhängigkeit vom Funktionieren der Technik auf beiden Seiten. Aussteller müssen die Softwarefunktionen bedienen können, und Besucher müssen über passende Endgeräte an den Messen teilnehmen. Der Begriff Event verdient eine separate Betrachtung, da die Ausgestaltung von Events sehr vielfältig ausfallen kann. Wie bereits betont: Events grenzen sich von Messen und Ausstellungen durch ihren einmaligen und besonders herausgestellten Aktionscharakter ab. Sie schaffen intensive Kundennähe. Ein Happening-Charakter und das Flair besonders seltener oder sogar exklusiver Ereignisse sollen die an der Aktion teilnehmenden Gäste begeistern, dauerhafte Erinnerungswerte schaffen und die Kundenbindung stärken. Ein Event wird Teil der Unternehmenskommunikation. Es  kann eigenständig als Veranstaltungsart betrachtet werden oder als EventMarketing als ein Kommunikationsinstrument für weitergehende unternehmerische Zielsetzungen gesehen werden.982 Es „bündelt die Faszi-

982 Vgl. Bruhn (Kommunikationspolitik), 2019, S. 416 f.

828 

 7 Kommunikationspolitik

nation einer Marke zu einem Zeitpunkt, an einem Ort.“983 „Event-Marketing wird im Rahmen der Unternehmenskommunikation als die eigenständige, multisensuale und erlebnisorientierte Inszenierung von temporären Ereignissen, welche sich sowohl an interne als auch an externe Adressaten richtet, zur Erreichung der Kommunikationsziele definiert“984 Events werden je nach Art und Zielgruppe unterschieden, Abbildung 7.59 stellt unterschiedliche Ausprägungen dar. FORMEN DES EVENT-MARKETING Art des Events Firmeninterne

Events

Firmenexterne Events

Zielgruppe Führungskräfte, Mitarbeiter aller Hierarchieebenen, Vertriebspartner, Angehörige von Mitarbeitern

Interessenten, Neukunden, Schlüsselkunden, Stammkunden, Öffentlichkeit

Veranstaltungen Aktionärsversammlungen Außendienstkonferenzen Vertriebspartnertagungen Festakte, Jubiläen Sommer-, Weihnachtsfeiern Incentive-Events für Top-Verkäufer Pressekonferenzen Kongresse Sportveranstaltungen Musikveranstaltungen Dichterlesungen Starauftritte Talkshows; z.B. mit Politikern Kleinkunsttage Ausstellungen Kinderbelustigungen Mitmachaktionen; z.B. mit ADAC Web-Events, z.B. Web-Promi-Chats

Abbildung 7.59: Formen des Event-Marketing.

Als Event-Ziele meldeten deutsche Unternehmen in einer Repräsentativbefragung:985 62% Kundenbindung, 45% Imageverbesserung, 24% Aufmerksamkeit für die Marke steigern, 13% Umsatzerhöhung und 11% Motivation. Gemäß den Zielsetzungen dienen Events der Motivation und Bindung firmeninterner Zielgruppen (Aktionäre, Händler, Mitarbeiter) wie auch der Ansprache von Interessenten und Kunden. Die Herausforderung: Nicht jedes Fest ist ein Event. Ein Event sollte durch Erlebniswert und Kaufstimulanz herkömmliche Brand Building- oder VKF-Maßnahmen übertreffen. Verschiedene Anforderungen gelten hierfür, auf die sich spezialisierte Event-Agenturen ausrichten. Tabelle 7.28 stellt Merkmale guter Events zusammen. 983 Zitat aus der Event-Wissensseite der ASW, 2/2003, S. 43. 984 Meffert et al., (Marketing),2019, S. 767. 985 vgl. die Auswertung in: ASW, 2/2003, S. 43. Mitgliederbefragung des Forum Marketing Eventagenturen (FME).

7.8 Klassikwerbung 

 829

Tabelle 7.28: Merkmale guter Events.986 Merkmale guter Events

Beschreibung

Strategische Ausrichtung

Ein Event sollte strategisch vorbereitet werden und im Einklang mit den Zielen der Kommunikationspolitik stehen. Die Zielgruppe sollte klar definiert sein.

Relevant und interessant für die Zielgruppe

Ein interessantes Motto und eine kreative Umsetzung sollten auf die Zielgruppen abgestimmt sein.

Professionelle Umsetzung, um Erwartungen an Marke zu erfüllen

Wichtig ist Professionalität (u. a. Mitarbeit von Fachleuten) bei der Planung und Vorbereitung des Events. Professionalität ist ebenso bei der Umsetzung gefordert; z. B. in Bezug auf Medientechnik, Pressebetreuung, Entertainment, Catering etc.

Emotionalisierung der Marke

Ein Event soll in der Gefühls- und Erfahrungswelt des Teilnehmers verankert werden und bei ihm eine starke positive Emotionalisierung auslösen.

Charakter der Einzigartigkeit

Ein Event soll wie ein besonderes und idealerweise unwiederholbares Ereignis (Exklusivität) empfunden werden.

Aktivierung der Teilnehmer

Ein guter Event aktiviert die Teilnehmer. Diese werden z. B. in Aktionen mit eingespannt oder können mit dem Veranstalter direkt in Kontakt treten (Closed Loop).

Interaktionsmöglichkeiten

Die Umsetzung des Events soll neben der Erlebnisorientierung auch Raum und Platz für Austausch zwischen Eventveranstalter und Teilnehmer sowie der Teilnehmer untereinander bieten.

Digitale Verlängerung planen

Physische Events können durch gezielte Ansätze der digitalen Verlängerung (Stichwort: Instagramable) eine deutlich größere Reichweite erzielen.

Die Grenze zwischen Event-Marketing und Sponsoring ist fließend. Viele kulturelle Events werden heute durch die Wirtschaft gesponsert.987 Sponsoring ist jedoch oft dauerhaft ausgelegt, und der Sponsor bleibt im Hintergrund. Events sind lebendiges Marketing, und sie vertreten ausdrücklich kommerzielle Interessen.

986 Eigene Zusammenstellung sowie auch die 6 Punkte von Bruhn, (Marketingkommunikation), 2011, S.  1016–1017 und o. V., (Event-Erfolg), in: PM-Beratungsbrief v. 28.9.1998, S. 2 987 vgl. Pracht, (emotional), in: acquisa, 5/2003, S. 52–54

830 

 7 Kommunikationspolitik

Maßgebliche Einsatzbereiche Messen, Ausstellungen, Events

Recruitment / Kundenakquisition

Stakeholder Brand/Marke/Positionierung

Eignung

Brand / Marke Sales / Verkauf 1:n Sales / Verkauf 1:1 Retention / Kundenbindung Recovery / Kundenrückgewinnung

Abbildung 7.60: Maßgebliche Einsatzbereiche Messen, Ausstellungen und Events.

Abschließend kann die Übersicht Abbildung 7.60 aufzeigen, wo Messen, Ausstellungen und Events im Kommunikationsumfeld den größten Einfluss nehmen können. Im Bereich von Kundenbindung sind Messen und Events ein zentrales Element, was bestehende Kundenbeziehungen stärkt und revitalisiert. Vor- und Nachteile sind in Tabelle 7.29 zusammengefasst. Tabelle 7.29: Vor- und Nachteile von Messen, Ausstellungen und Events. Vorteile Messen, Ausstellungen und Events

Herausforderungen und Nachteile Messen Ausstellungen und Events

– Direkter 1:1 Kundenkontakt möglich

– Begrenzte Reichweite

– Erlebniswert für den Kunden

– Nachbereitung notwendig

– Interaktive Touchpoints zu den Kunden: Information, Austausch, Socialising, Testen

– Überangebot an Messen, Sättigung der Teilnehmer

– Erfolgsmessung über Teilnehmerzahlen und – Kosten- und personalintensiv Bestelleingänge – Kreative Ausgestaltung möglich

– Professionelles Management gefordert

– Nachhaltige Wirkung bei Teilnehmern zu erzielen

– Muss durch begleitende Kommunikationsmaßnahmen flankiert werden

7.8 Klassikwerbung 

 831

7.8.6 Sponsoring Sponsoring ist der Idee nach unternehmerisches Mäzenatentum. Um in der Öffentlichkeit bei Zielgruppen ein positives Image zu erhalten, stellt ein Sponsor einem Geförderten Geld- oder Sachmittel zur Verfügung. Ein Bezug zu konkreten Produkten bzw. zu einer Verkaufsaktion sollte nicht sichtbar werden. Sofern Amtsträger Begünstigte sind, darf nicht der Verdacht einer Vorteilsannahme entstehen. Bei Unternehmen sind Compliance-Regeln zu beachten. Unkritisch ist i. d. R. ein Sponsoring für gemeinnützige Organisationen. Der Idee nach werden vor allem nichtkommerzielle Einrichtungen, d. h. Organisationen aus Sport, Kunst und Kultur, gefördert. Deutlich wird allerdings ein Trend zum Sponsoring von kommerziellen Medien, speziell von TV-Sendungen. Mit Sponsoring verfolgen Unternehmen verschiedene Zielsetzun988 gen: – Steigerung der eigenen Bekanntheit, – Imageverbesserung in den eigenen und angrenzenden Zielgruppen, – Kontaktpflege zum Sponsoringumfeld und der allgemeinen Öffentlichkeit, – Mitarbeitermotivation durch unternehmerisches Engagement und Bezug zum gesponsorten Unternehmen oder Einzelperson, – Nachweis der Übernahme gesellschaftlicher Verpflichtungen und Verantwortung Sechs unterschiedliche Formen des Sponsorings dominieren:989 (1) Sport­Sponsoring: Einzelpersonen, Mannschaften, Sportstätten, Sportveranstaltungen, etc., (2) Kultur­Sponsoring: Künstler, Ensemble, kulturelle Einrichtungen, kulturelle Veranstaltungen, Stiftungen, etc., (3) Schul­ und Universitätssponsoring: Lehrstühle, Forschungsförderung, Ausstattungsförderung, Wettbewerbe, Stipendien, etc., (4) Öko­Sponsoring: Umwelt- und Naturschutzvereinigungen, finanzielle Förderung von Projekten, etc., (5) Sozio­Sponsoring: soziale Organisationen, Spendensammlungen, Patenschaften, etc., (6) Mediensponsoring: Programmförderungen, Stützung der Medienvielfalt, etc.

988 Vgl. Meffert et al., (Marketing), 2019, S. 772. 989 Vgl. Schweiger, Schrattenecker (Werbung), 2021, S. 141.

832 

 7 Kommunikationspolitik

Folgende Besonderheiten von Sponsoring sind hervorzuheben: – Eine Förderung sollte nicht unmittelbar mit einer wirtschaftlichen Gegenleistung verbunden sein; vor allem nicht mit Kaufverpflichtungen für den Geförderten. Vielmehr stellt der Geförderte Name, Logo und Leistungen des Sponsors positiv heraus, um dessen Imagebildung in der Öffentlichkeit zu unterstützen. – Der Sponsor soll im Vergleich zum Geförderten in einer passiven Rolle bleiben. Einflussnahmen erfolgen im Vorfeld und beziehen sich z. B. auf das Motto der Veranstaltung oder auf Ort, Zeit, Wahrung bestimmter Corporate Identity-Wünsche und Einsatz bestimmter Werbemittel (z. B. Trikotwerbung, Aufkleber, Fahnen, Bandenwerbung). – Beim Sponsoring geht es auch um Verkaufsförderung, wenn das Konzept den Förderer in Kontakt mit attraktiven Zielgruppen bringt. Beispielsweise bekommt der Förderer einer Greenpeace-Veranstaltung das Wohlwollen einer umweltsensiblen Zielgruppe. Geschäftschancen ergeben sich dann indirekt. Insbesondere Sportsponsoring ist aus Kommunikationssicht ein viel genutztes Instrument. Dabei bietet die Zusammenarbeit von Werbetreibenden und Gesponsorten für beide Seiten große Vorteile. 66% der deutschen Bevölkerung sind an Sport interessiert. So haben Unternehmen durch ein zielgerichtetes Engagement mit diesem Kommunikationsinstrument gute Chancen, eine vielfältige Wahrnehmung in diesem Umfeld zu erzielen. Neben dem kommunikativen Aspekt erfüllt bspw. Sportsponsoring aber auch einen Dienst für den gesponsorten Sport: Viele Sportveranstaltungen kommen auch nach Einschätzung der Sportinteressierten nicht ohne Sponsoring aus. Daher wird die kommunikative Verbindung von Sport und Wirtschaft akzeptiert und unterstützt.990 „Für die Refinanzierung des Profi- und insbesondere Breitensports und den Nachwuchs ist Sponsoring unabdingbar. Es ist ein effizientes und vielfältiges Kommunikationsinstrument für Unternehmen jeder Größe.“991 Sponsoring als Kommunikationsmaßnahme hat die Besonderheit, dass es durch weiterführende Kommunikationsmaßnahmen unterstützt werden muss.  Die Vereinbarung eines Sponsoringvertrages mit einem Team der Formel 1 wird erst dann werbewirksam, wenn diese Vereinbarung über anderen Medien kommuniziert wird. Die Werbewirkung wird erzielt, wenn die kommunikative Zusammenführung von Marke und in diesem Beispiel dem Rennteam der Formel 1 vollzogen ist.

990 Vgl. Rentz, (Sponsoring), 2014, S. 28. 991 Andreas Jung, Marketingvorstand FC Bayern München, zit. aus ZAW (2021), S. 197.

7.8 Klassikwerbung 

 833

Wird beispielsweise ein Öko-Sponsoring eingegangen, muss entschieden werden, wie dies an die Öffentlichkeit kommuniziert wird. Wie kann sich ein Unternehmen hier profilieren, ohne dass es als Greenwashing992 wahrgenommen wird? Diese Entscheidung ist bei vielen Sponsoring-Engagements in ähnlicher Art zu treffen. Die interessierte Öffentlichkeit nimmt wahr, dass Unternehmen nicht aus reiner Nächstenliebe Künstler, soziale Organisationen oder Umweltschutzverbände unterstützen. Wie viel Werbung und Hoffnung auf einen Imagetransfer sind akzeptabel, wie weit darf ein Unternehmen beim Gesponsorten in den Vordergrund treten? Wesentlich zu bedenkende Aspekte listet Tabelle 7.30 auf. Tabelle 7.30: Merkmale eines guten Sponsorings. Merkmale guten Sponsorings

Beschreibung

Passendes Engagement Gesponsorter & SponsoringUnternehmen

Wie glaubwürdig kann eine Verbindung zwischen beiden Parteien eingegangen werden? Passen Gesponsorter und Unternehmen inhaltlich zusammen?

Langfristiges Engagement

Sponsoring ist auf eine Zusammenarbeit ausgelegt. Insb. die Gesponserten müssen mit finanziellen Zusagen planen können, um ihren Missionen, Visionen und Aufgaben nachkommen zu können.

Klare Absprache zu Zielsetzungen

Das unterstützende Unternehmen besitzt naturgemäß wirtschaftliche Erwartungen an die Partnerschaft. Diese müssen eindeutig geklärt sein.

Akzeptanz der gegenseitigen Abhängigkeit

Beide Seiten gehen eine gemeinsame Verantwortung in der Partnerschaft ein, der auch beide Seiten gerecht werden müssen.

Zwei Umstände erschweren die Erfolgskontrolle für das Sponsoring: – Die Sponsoring-Beiträge enthalten i. d. R. keine Produktbotschaften (keine Werbung), für die Werbewirkungen gemessen werden können.

992 Greenwashing „bezeichnet den Versuch von Organisationen, durch Kommunikation, Marketing und Einzelmaßnahmen ein „grünes Image“ zu erlangen, ohne entsprechende Maßnahmen im operativen Geschäft systematisch verankert zu haben. Bezog sich der Begriff ursprünglich auf eine suggerierte Umweltfreundlichkeit, findet dieser mittlerweile auch für suggerierte Unternehmensverantwortung Verwendung.“, Gablers Wirtschaftslexikon, online unter: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/greenwashing-51592/version-384777

834 



 7 Kommunikationspolitik

Der Sponsor bleibt offiziell im Hintergrund. Die Aufmerksamkeit der Zielgruppe gilt in erster Linie dem geförderten Event.

Die eingeschränkte Erfolgskontrolle ist zu akzeptieren. Den Sponsoren sollte es vorrangig um die Förderung ideeller Werte gehen. Sie fördern regionale Vereine und Aktivitäten und engagieren sich dort, wo auch ihre persönlichen Neigungen und Interessen liegen (z. B. Herr Hopp (SAP) und die TSG Hoffenheim). Ginge es nur um eine Steigerung von Umsatz, Ergebnis und Marktanteil, dann gibt es wirkungsvollere Kommunikationsinstrumente. Weitere zu berücksichtigende Aspekte bei der Entscheidung für oder gegen Sponsoring sind in Tabelle 7.31 zusammengefasst. Die abschließende Übersicht der Einsatzbereiche des Sponsorings stellt die Besonderheit des Instruments noch einmal dar. Die Entscheidung für Sponsoring ist klar bekanntheitsgetrieben, zudem kann die Übernahme einer unternehmerischen Verantwortung für die Gesellschaft ein weiterer Motivator für ein Sponsoring-Engagement sein. Abverkaufszielsetzungen lassen sich mit Sponsoring nicht erreichen. Alle Einsatzbereiche werden in Abbildung 7.61 zusammengefasst. Tabelle 7.31: Vor- und Nachteile Sponsoring. Vorteile Sponsoring

Herausforderungen und Nachteile Sponsoring



Gute Steigerung der Bekanntheit durch aufmerksamkeitsstarkes Sponsoring möglich (bspw. Fußball)



Passender Fit zwischen Gesponsorten und Sponsor notwendig



Hohe Aktualität der Themen



Imagetransfer möglich – wie kongruent ist die Werbeintention?



Aus breitem Themenfeld wählbar



Sponsoring benötigt flankierende Werbeinvestitionen zur Bekanntmachung



Kontaktpflege und Aufbau eines Netzwerks



Abhängigkeit vom Gesponsorten in guten und schlechten Zeiten



Externe und interne Kommunikationswirkung



Langfristige Mittelbindung



Unternehmerische Verantwortungsübernahme durch gezieltes Sponsoring möglich



Schwierige Messbarkeit des Sponsoring-Erfolgs

7.8 Klassikwerbung 

Maßgebliche Einsatzbereiche Sponsoring

Recruitment / Kundenakquisition

Stakeholder Brand/Marke/Positionierung

 835

Eignung

Brand / Marke Sales / Verkauf 1:n Sales / Verkauf 1:1 Retention / Kundenbindung Recovery / Kundenrückgewinnung

Abbildung 7.61: Maßgebliche Einsatzbereiche Sponsoring.

7.8.7 Public Relations und Öffentlichkeitsarbeit Public Relations (PR) umfasst Maßnahmen, um die Öffentlichkeit über Vorgänge der Unternehmung zu informieren, ein positives Bild im Unternehmensumfeld zu prägen und um dadurch Vertrauen bei den sog. Stakeholdern und in der Öffentlichkeit aufzubauen. Eine besonders erfolgreiche PR bewirkt, dass Medien und Öffentlichkeit von sich aus positiv über die eigene Unternehmung bzw. Institution berichten. Gegenüber der Werbung gibt es zwei wesentliche Abgrenzungen: – Werbung zielt auf Kaufpräferenzen und auf Marktanteile von bestimmten Produkten oder Geschäftsfeldern. PR will dagegen mit Hilfe vertrauensbildender Maßnahmen ein positives Image für die Gesamtorganisation (sachlicher Unterschied) erreichen. – Werbung kauft Medien und ist in vollem Umfang für den Inhalt der Werbebotschaften selbst verantwortlich. PR muss Medien (Öffentlichkeit) durch Relevanz und Inhalt der Themen und Aussagen überzeugen, um in der Berichterstattung berücksichtigt zu werden. Das gilt nicht für eigene PR-Medien, wie z. B. eine Kundenzeitung, die Hausmesse oder eine Imagebroschüre. Der Begriff Public Relations (PR) hat eine lange Tradition; länger als der Begriff Marketing. Der Begriff passt deshalb gut in die strategische Hemisphäre der marktorientierten Unternehmensführung. Der PR-Be-

„Tue Gutes und lass darüber reden.“ (Oeckel)

836 

Die fünf Presseagenturen mit den größten Honorarumsätzen in 2021: (1) FischerAppelt: 62,1 Mio. €, (2) mc Group: 58 Mio. €, (3) Serviceplan Content Group: 51 Mio. €, (4) Achtung Agenturgruppe: 26 Mio. €, (5) Oliver Schrott Kommunikation: 24 Mio. € (Quelle: www.datenbanken. pr-journal.de).

 7 Kommunikationspolitik

griff wurde in der heutigen Bedeutung erstmals 1897 in einem amerikanischen Yearbook of Railway Literature erwähnt.993 Als Vater der modernen Public Relations gilt Ivy Lee (1877 – 1934) mit den Erfahrungen, die er als Berater und Verteidiger der Familie Rockefeller sammeln konnte. Er brachte PR wie folgt auf den Punkt: „Unser Plan ist kurz und offen, die Presse und die Bevölkerung schnell und genau über die Tatsachen zu unterrichten, die für sie von Wert und Interesse sind.“ Carl Hundhausen machte den PR-Begriff 1937/38 in Deutschland bekannt; u. a. durch einen Beitrag Public Relations in der ZfB. 1950 übersetzte der damalige PR-Chef der BASF, Albert Oeckl, Public Relations mit Öffentlichkeitsarbeit.994 Seither werden die Begriffe synonym verwendet. Der Umsatz der eingetragenen ca. 3.500 PR-Agenturen in Deutschland liegt in einer Spannweite zwischen. 4 bis 5 Mrd. Euro.995 Sechs wichtige, imagebildende Aufgabenbereiche fallen in das PR-Ressort: (1) Informationsaufgaben: Im Rahmen der Informationsaufgaben sind relevante Zielgruppen und die Öffentlichkeit über die Unternehmenssituation, Ereignisse und umfeldrelevante Meinungen des Managements zu informieren. (2) Pressearbeit: Auch die Informationsversorgung und die Betreuung der Pressemedien gelten als wichtige und nicht immer einfache Aufgaben von PR. Eine erfolgreiche PR-Arbeit zeichnet sich dadurch aus, dass die (Fach)Presse von sich aus über das Unternehmen und seine Produkte berichtet. (3) Beziehungsaufgaben: PR hat speziell die Kapitaleigner und Aktionäre wie auch alle anderen Stakeholder über wertbeeinflussende Vorgänge im Unternehmen zu informieren. Ein Spezialgebiet ist die Pflege guter Beziehungen zu Kapitalgebern (Investors-Relations). (4) Lobbying: Eine gute PR kann der Unternehmung weltweit Türen öffnen und helfen, Verbündete zu gewinnen. PR ist ein unverzichtbarer Katalysator für die Meinungsbildung auf politischer Ebene. (5) Besuchswesen: Eine spezielle Informationsaufgabe liegt darin, das Unternehmen für die Öffentlichkeit zu öffnen und definierten Zielgruppen (z. B. Kunden, Schulklassen, Politikern) den Betrieb zu zeigen. (6) Bei Problemfällen operiert das PR als Krisenmanagement. Wie man es nicht machen sollte, zeigen der Streit um die Versenkung 993 vgl. Kalt, (Öffentlichkeitsarbeit und Werbung), 1994, S. 17. Zuvor: Dorman Eaton, 1982. 994 vgl. Haedrich, (Öffentlichkeitsarbeit), 1982, S. 5 995 Infos zum PR-bereich unter: www.pr-journal.de

7.8 Klassikwerbung 

 837

der Ölverlade- und Lagereinrichtung Brent Spa der Shell AG oder die BP-Kommunikation bei der Deepwater Horizon Katastrophe. Tabelle 7.32: Merkmale guter PR- und Öffentlichkeitsarbeit. Merkmale guter PR und Öffentlichkeitsarbeit

Beschreibung

Wahrnehmung der Informationsfunktion

PR berichtet glaubwürdig über relevante Informationen zu Unternehmen und Branche.

Vertrauensfunktion

PR sichert Vertrauen für und in das Unternehmen ab, PR berichtet wahrheitsgetreu und verschweigt keine Tatsachen.

Proaktives Agieren

Pressearbeit ist ein aktiver Prozess des Anbietens von Inhalten an Medien.

Reaktionsbereitschaft

Die Pressearbeit muss als Reaktion auf aktuelle Themen und bei relevanten Unternehmensereignissen tätig werden.

Dialogbereitschaft

Öffentlichkeitsarbeit ist Dialog mit interessierter Medienwelt und Fachöffentlichkeit, nach Bereitstellung von Unternehmensinformationen nehmen Medien eigenständige Verwertungen der Inhalte vor und wenden sich mit Rückfragen an Unternehmen.

Langfristigkeit

Pressearbeit erfordert einen langfristigen Kontakt- und Netzwerkaufbau in die Medienwelt, Erfolge werden erst nach tw. Jahren sichtbar.

In diesem Sinne hat PR die öffentliche Meinung zu analysieren und vorauszusagen und „die Unternehmung auf allen Ebenen der Organisation im Hinblick auf Grundsatzentscheidungen, Aktivitäten und Kommunikation, unter Berücksichtigung aller öffentlichen Aspekte und der gesellschaftlichen und staatsbürgerlichen Verantwortung der eigenen Organisation“996 zu beraten. Von diesem Gedanken der Informations- und Berichtsaufgaben der Pressearbeit sind die Empfehlungen für gute Pressearbeit in Tabelle 7.32 geprägt Wenn sich die Medienwirtschaft gut informiert fühlt, dann wird sie aus eigenem Antrieb positive Meldungen über die Unternehmung verbreiten. Das ist dann die beste PR und gleichzeitig die kostengünstigste Werbung, da Glaubwürdigkeit bspw. klassischer Nachrichtenmedien deutlich über der Glaubwürdigkeit offenkundig werblich ausgerichteter Kommunikation anzusiedeln ist.

996 Kalt, (Öffentlichkeitsarbeit und Werbung), 1994, S. 45

838 

 7 Kommunikationspolitik

Für die praktische Umsetzung bieten sich verschiedene konkrete Instrumente an:997 – Pressekonferenzen: Das Unternehmen versucht, ein konsistentes und meist vorteilhaftes Bild der Aktivitäten zu vermitteln. Neben der aktiven Vorstellung der Themen werden ergänzende Unterlagen (Pressemappen, Fotos, Hintergrundberichte, etc.) an die Vertreter der interessierten Öffentlichkeit (meist Pressevertreter) ausgegeben. – Jahresversammlungen, Hauptversammlungen: Unternehmen berichten regelmäßig über die allgemeinen und speziellen geschäftlichen Entwicklungen im Rahmen von turnusmäßig organisierten Versammlungen. – Pressegespräch und Interview: Pressevertreter können ihre Fragen in einem 1:1-Gespräch gegenüber den Entscheidern des Unternehmens stellen und anschließend exklusiv dazu berichten. – Pressinformationen: Unterjährig werden interessante Entwicklungen durch Presseveröffentlichungen kommuniziert. Diese werden gezielt ausgewählten Medienvertretern zugesendet oder auf Presseportalen bereitgestellt. Unternehmen pflegen einen sog. Presseverteiler, an den alle Informationen standardmäßig verteilt werden. – Redaktionsbesuche: Die gezielte Zusammenarbeit mit ausgewählten Medien kann durch Besuche in den Redaktionen unterstützt werden. So wird ein enger Kontakt aufgebaut werden und die Journalisten und Redakteure erhalten Informationen aus erster Hand. – PR­Anzeigen: Eine klassische Anzeige in Publikums- oder Fachmedien wird geschaltet, um eine bestimmte Wahrnehmung von Unternehmensangelegenheiten und -themen zu erreichen. – Advertorial: Vielfach kombinieren Fachmagazine die Buchung einer PR-Anzeige mit dem Abdrucken von redaktionell aussehenden Texten des Unternehmens.  So entsteht der Eindruck einer journalistischen Berichterstattung, wobei der Text mit den Unternehmensinteressen abgeglichen ist. – Kongress­ und Vortragsbeiträge von Unternehmensvertretern: Spezielle Fachthemen bieten sich aus Unternehmenssicht an, um auf Fachkongressen im Rahmen des Vortragsprogramms vorgestellt zu werden. Die Integration in das Vortragsprogramm wird vielfach von den Unternehmen kommerziell gebucht. – Besichtigungen: Gezielte Besuche von Produktionsanlagen bieten sich als öffentlichkeitswirksame Veranstaltungsformate an. Besichtigungen können öffentlich buchbar angeboten werden (bspw. Touren

997 vgl. Kreutzer (Marketing), 2017, S. 353 f mit eigenen Erweiterungen.

7.8 Klassikwerbung 



 839

durch Brauereien oder Automobilwerke) oder sind als besondere Aktivitäten nur ausgewählten Gruppen gegenüber zugänglich (bspw. Baustellenbesichtigungen bei großen Neubauprojekten). Tag der offenen Tür: Einladungen ins Unternehmen bieten die Möglichkeit, ein authentisches Bild vom Unternehmen gegenüber der interessierten und Branchen-Öffentlichkeit zu zeigen.

Folgende Themeninhalte bieten sich u. a. für Unternehmensveröffentlichungen an: – Veränderungen im Management und bei den Kapitalverhältnissen, – Informationen über Geschäftsbericht, Bilanzergebnis, Unternehmensleitlinien, – Mitteilungen über Strategieänderungen oder Produkteinführungen, – Informationen über wesentliche geschäftliche Veränderungen, wie Erweiterungen, Aufstockung von Mitarbeitern, Auslandsengagements, Umzug oder Umbau, – Informationen über Mitarbeiter, Auszubildende, Jubiläen, neue Mitarbeiter, – Öko-Engagement und andere sozialpolitische Engagements, – Spenden-Aktionen und Sponsoring-Maßnahmen, – Beteiligung an Messen und Ausstellungen und Events, – erhaltene Auszeichnungen, wie ISO-Zertifizierung, Gütesiegel, Qualityoder Design-Awards, – Empfänge für Politiker, Verbandsführer und Meinungsführer im Haus. Maßgebliche Einsatzbereiche PR- und Öffentlichkeitsarbeit

Recruitment / Kundenakquisition

Stakeholder Brand/Marke/Positionierung Brand / Marke Sales / Verkauf 1:n Sales / Verkauf 1:1 Retention / Kundenbindung Recovery / Kundenrückgewinnung Abbildung 7.62: Maßgebliche Einsatzbereiche PR- und Öffentlichkeitsarbeit.

Eignung

840 

 7 Kommunikationspolitik

Die aufgezeigte Themenübersicht für PR-relevante Kommunikationsinhalte zeigt auch Abbildung 7.62 auf: es geht um Positionierung des Unternehmens in der allgemeinen und Fachöffentlichkeit. Dadurch, dass Art und Weise der Veröffentlichung in redaktionell geführten Medien nicht beeinflusst werden kann, können Unternehmen keine zielgerichteten Abverkaufszielsetzungen an PR- und Öffentlichkeitsarbeit richten. Vielfach sind in entsprechend groß aufgestellten Unternehmen die Kommunikationsbereiche vom Presse- und Öffentlichkeitsbereich getrennt. Die Zielsetzungen sind sehr unterschiedlich, und auch die Ausrichtung der Kommunikation erfolgt im PR und Öffentlichkeitsbereich dezidiert anders als in der klassischen Marketing-Kommunikation. Mitarbeitende im PR-Bereich haben vielfach einen journalistischen Hintergrund, um die besonderen Anforderungen und Erwartungen von Medienvertreter an Unternehmensinformationen zu kennen und zu würdigen. Tabelle  7.33 fasst wesentliche Empfehlungen für einen gelingende Pressearbeit zusammen. Tabelle 7.33: Empfehlungen für erfolgreiche PR und Öffentlichkeitsarbeit. Empfehlungen für erfolgreiche PR- und Öffentlichkeitsarbeit – – – – – – – – –

Agieren, nicht reagieren bei Veröffentlichung von Firmennachrichten. Kein Täuschen, Vernebeln oder Verschweigen. Wahrheit und Klarheit als Maßgabe. Sicherung der Glaubwürdigkeit. Kontinuität erzielt Wirksamkeit. Transparenz in Bewertung und Ergebnismessung. Keine Schleichwerbung, so objektiv wie möglich. PR ist Dienstleistung für die interessierte Öffentlichkeit. PR muss den Ausgleich zwischen Auftraggeber und Öffentlichkeit erzielen. PR ist Dialog.

Der Übergang zwischen redaktionellen Medien und durch Unternehmen unterstützte oder finanzierte Informationsangebote wird fließender. Unternehmen versuchen durch eine der PR-Arbeit ähnliche Strategie der Eigenverbreitung von Inhalten vergleichbare Wirkungen wie bei klassischen PR-Arbeit zu erzielen. Erstellung und Verbreitung von Unternehmensinformationen, die vordergründig keinem klaren werblichem Ziel folgen, werden im Rahmen von Content Marketing Strategien entwickelt. Dies ist dann der Übergang von Pressearbeit hin zu Marketing-Kommunikation. Ein Trend in der PR- und Öffentlichkeitsarbeit geht zu Internetoder Online-PR. Über eigene Blogs und Podcasts verbreitete Themen, die einer objektiv ausgerichteten Machart entsprechen, können von der Öffentlichkeit nicht von redaktionellen Medien unterschieden werden.

7.9 Internetwerbung 

 841

Special Interest Portale im Internet wirken wie redaktionell entwickelte Medienangebote, dabei sind Sie von Unternehmen entwickelt und betrieben. Frei zugängliche Online PR-Portale, auf denen Unternehmen Pressemitteilungen einstellen, erzielen hohe Zugriffszahlen (bspw. Openpr. de) Die angebotenen Presseberichte lesen sich wie redaktionell erstellte Inhalte, sind dabei aber von Unternehmen inszeniert und aufgesetzt. White Paper (als Fallstudien tituliert) suggerieren eine Objektivität in der Berichterstattung, die jedoch nicht überprüfbar ist. PR ist dauerhafte Aufgabe der marktorientierten Unternehmensführung. Die Arbeit ist sensibel. Ein über Jahre aufgebautes Firmenimage kann über Nacht, z. B. durch eine Umweltaffäre, zerstört werden. So liegt die Verantwortung für Öffentlichkeitsarbeit auch in den Händen der Unternehmensleitung. Zusammenfassend sind Vor- und Nachteile in Tabelle 7.34 dokumentiert Tabelle 7.34: Vor- und Nachteile von PR- und Öffentlichkeitsarbeit. Vorteile PR- und Öffentlichkeitsarbeit

Herausforderungen und Nachteile PRund Öffentlichkeitsarbeit



Hohe Reichweiten über klassische Medien



Nur langfristig erfolgreich



Kontaktaufbau zu Multiplikatoren: Journalisten, Redakteure, Influencer



Zeitintensiv durch Kontaktaufbau und -pflege



Kontakt zu Zielgruppen, die über werbliche Kommunikation nicht erreicht werden



Keine Steuerung möglich,



Unterschwellige Beeinflussung durch objektive Berichterstattung der unabhängigen Medien



Werbewirkung nicht messbar



Aufbau von Vertrauen und Image, Positionierung als Experte



Interne Abgrenzung PR und Marketing notwendig



Aufbau von SEO-relevantem Content im Internet



Unterschiedliche Wirkung von Pressearbeit in der Öffentlichkeit

7.9 Internetwerbung Das Internet ist technisch gesehen ein Zusammenschluss von Computern (Servern), der einen Datenaustausch ermöglicht. Dieser Austausch basiert auf einem von allen teilnehmenden Servern umgesetzten Protokoll (TCP/IP, Transmission Control Protocol/Internet Protocol), welches

842 

 7 Kommunikationspolitik

Regeln und Prozesse zwischen Computern festlegt. Mit Etablierung des World Wide Web (WWW) ist die Darstellung multimedialer Inhalte und Daten schnell und günstig möglich geworden. Über vergleichsweise einfach zu nutzende Programmiersprachen wie HTML können Webseiten und Informationsangebote für das World Wide Web entwickelt werden. Diese technischen Entwicklungen sind der Hintergrund für die schnelle Verbreitung und Adaption des digitalen Austausches, was letztlich auch in die Werbung über digitale Kanäle geführt hat.

7.9.1 Grundlagen der Onlinewerbung Internetmarketing und Onlinewerbung haben sich zu einem führenden Werbe- und Kommunikationsmedium entwickelt. Beeindruckende Steigerungsraten in den Werbeinvestitionen in digitalen Medien haben einen fundamentalen Wandel der Kommunikation begleitet. Ausgewählte relevante Ereignisse und Abschnitte aus Werbesicht sind in Tabelle 7.35 zusammengefasst. Tabelle 7.35: Siegeszug der Onlinewerbung.998 Meilensteine der Entwicklung der Onlinewerbung 1994 1999 2000 2001 2004 2005 2007 2010 2013 2014 2015 2016 2018 2019 2020 2022

Start der Internetwerbung Milestone „Moorhuhnjagd“ Start Google AdWords Bewegtbildwerbung „The Hire“ (BMW) Gründung Facebook durch Mark Zuckerberg Start YouTube Marktstart iPhone Marktstart iPad Programmatic Advertising ost Real Time Bidding ab Marktstart Adressable TV Fake News und Hate Speech Erstes Augmented Reality Spiel: Pokémon Go Podcasts als Hypemedium Kurzvideos über TikTok Regulierung Third Party Cookies Übernahme Twitter durch Elon Musk

998 vgl. HORIZONT, Nr. 49/2021, S. 34.

7.9 Internetwerbung 

 843

Die zentralen großen Entwicklungsschritte in der Internetkommunikation lassen sich grob an die drei Entwicklungsstufen der Internettechnologie knüpfen: – Web 1.0 (Start um 1994): Meist statische Internetseiten, deren Inhalte von zentralen Servern bereitgestellt wurden. – Web 2.0 (Start um 2004): Webseiten und Inhalte werden interaktiv, das Internet wird partizipativ und von Nutzern verfasste und entwickelte Inhalte (User Generated Content/UCG) werden zu einem wichtigen Faktor der Online-Umgebung. Die Etablierung der sozialen Netzwerke startet mit den Entwicklungen des Web 2.0. – Web 3.0 (Start um 2020): Das dezentralisierte Internet. Zentrale Web3-Technologien (Blockchain-Anwendungen, Peer-to-Peer-Netzwerke, Token, künstliche Intelligenz, Semantik) reduzieren die Abhängigkeit von zentralen Servern und Diensten. Die Internetnutzung wird ubiquitär, immer mehr Menschen und Geräte sind mit dem Internet verbunden. Immer weitere Lebensbereiche werden digitalisiert. Speziell die Onlinewerbung zeichnen verschiedene Charakteristiken aus, die die Bedeutung und Relevanz des Mediums unterstreichen.999 (1) Schnelligkeit: Durch die digitale Verbreitung lassen sich Informationen und Werbung direkt kommunizieren und ggf. schnell adaptiv anpassen. (2) Flexibilität: Je nach Zielsetzung können unterschiedliche Ausprägungen des Internetmarketing verwendet werden, diese Werbeformen können zudem flexibel von den werbetreibenden Unternehmen ausgestaltet werden. So können Unternehmen Ihre Webseiten frei gestalten und nach eigenen Wünschen ausgestalten. (3) Multimedialität: Texte, Bilder, Grafiken, Audio-Content, Bewegtbildinhalte, virtuelle Welten. Spielumgebungen. Die Möglichkeit, die Botschaften multimedial zu stützen, sind im digitalen Umfeld enorm. (4) Individualität: Bei großer Reichweite kann höchst-individuell kommuniziert werden. Mit Mail-Kommunikation können einzelne Personen angesprochen werden. Aktuelle Targeting-Technologien lassen exakt geplante Zielgruppen ansteuern. (5) Interaktivität: Durch Entwicklungen zum Web 2.0 sind dezidierte Rückkopplungskanäle für Internetnutzer entstanden. Werbung

999 vgl. Schweiger, Schrattenecker, (Werbung), 2021, S. 150 f.

844 

 7 Kommunikationspolitik

wird nicht nur passiv konsumiert, sondern soll zum Dialog zwischen Werbetreibendem und Internetnutzer anregen. (6) Authentizität: Unternehmen und Kunden können in einen ungefilterten Dialog eintreten. Ausgewählte Medienformen sind speziell für den schnellen und unpolierten Austausch ausgerichtet (bspw. Twitter und Instagram Storys). (7) Selektivität: Internetnutzer entscheiden eigenständig, welche Informationsangebote sie nutzen. (8) Internationalität und Ubiquität: Internetkommunikation ist nicht durch physische Begrenzungen eingeschränkt, potenziell können Kunden weltweit erreicht werden, durch die hohen Nutzungsraten digitaler Endgeräte weltweit ist Internetwerbung auch potenziell überall verfügbar. (9) Wirtschaftlichkeit: Über die Onlinewerbung kann mit adäquaten Medien vergleichsweise kostengünstig Werbung geschaltet werden. Zudem bietet die Onlinewerbung eine sehr exakte Werbeerfolgsrechnung, so dass über Werbeinvestitionen zielgerichtet entschieden werden kann. Budgets werden effizienter eingesetzt, da Kosten und Nutzen exakt nachvollziehbar werden. (10) Reaktionsgeschwindigkeit: Auf aktuelle Anlässe kann digitale Kommunikation direkt reagieren. Werbesujets sind innerhalb kurzer Zeit entwickelt, grafisch und technisch umgesetzt und online ausgespielt. Der Fachbegriff Real Time Advertising beschreibt diese Geschwindigkeit. Zudem kann die Werbeintensität flexibel verändert werden: sind Conversions zu niedrig, können weitere Werbeinsertionen unmittelbar digital gebucht werden. Die Entwicklungen des digitalen Marketing haben spezialisierte Agenturen hervorgebracht. Die zehn größten Agenturen Deutschlands 2021: (1) Reply, (2) Pan.net, (3) Init, (4) PIA, (5) Team Neusta, (6) Valtech, (7) Valantix CX, (8) Diva-e, (9) MGM Technology Partners, (10) Digitas Pixelpark (Quelle: BVDW Ranking, in: Horizont 20-21/2022, S. 10).

Verschiedene Werbeformen werden heute unter dem Begriff Internetund Onlinewerbung subsumiert. Doch hat sich die Werbung im Internet heute stark ausdifferenziert. Deshalb sollte die Internetwerbung nicht als ein Medium klassifiziert werden. Die Spielarten sind feiner zu unterscheiden, um Einsatzbereiche und deren Vor- und Nachteile adäquat diskutieren zu können. In diesem Lehrbuch wird der Klassifizierung des ZAW gefolgt. Tabelle  7.36 zeigt die gängige Unterteilung der digitalen Werbemedien. Das Wachstum der Internet-basierten Werbung liegt deutlich über Wachstumsraten des Gesamtwerbemarktes.  Zum einen werden alte Werbeformate verdrängt. Zudem tragen digitale Werbeformate zu einem Wachstum des Gesamtwerbemarktes bei.

7.9 Internetwerbung 

 845

Tabelle 7.36: Netto-Werbeeinnahmen erfassbarer Werbeträger in Deutschland in Mrd. €– Internet.1000 Mediaform

Nettoumsatz 2020

Nettoumsatz 2021

Veränderung z. VJ

Internet gesamt

9,981

11,616

16,4%

davon Search

4,647

5,170

11,3%

davon Display (inkl. Social Media)

4,106

5,120

24,7

davon in-Stream Video

0,833

1,146

29,8

davon Classified

1,163

1,241

6,7%

davon In Stream Audio

0,065

0,084

29,2%

Hinter diesen Werten stehen spezielle Abrechnungsmodelle, die sich in Internetmarketing und Onlinewerbung etabliert haben, die Zusammenstellung verschiedener Abrechnungsmodalitäten ist in Tabelle 7.37 aufgelistet: Tabelle 7.37: Abrechnungsformen der digitalen Werbung. Name

Beschreibung

Beispiel

CPC – Cost per Click

Abrechnung nach Anzahl der Klicks

Suchmaschinenwerbung bei Google

CPL – Cost per Lead

Kosten pro neuem Kundenkontakt

Displaywerbung, GutscheinMarketing

CPO – Cost per Order

Kosten je Bestellung

Affiliate Marketing

CPA – Cost per Acquisition

Abrechnung jeder Conversion, ist eine Zusatzbezeichnung für CPL und CPO

Neukundenprämie mit Laufzeitvergütung

CPV – Cost per View

Abrechnung nach Anzahl der realisierten Videoabrufe

YouTube

CPM – Cost per Mill

Tausender-Kontaktpreis

Podcast-Werbung

RTB – Real Time Bidding

Werbungen werden ersteigert, jede Werbung hat individuellen Preis, Budget des Werbetreibenden gedeckelt

Displaywerbung

1000 vgl. ZAW (2021), S. 17 und online: https://zaw.de/branchendaten/netto-werbeeinnahmen-der-medien/

846 

 7 Kommunikationspolitik

Da aus Sicht der Kommunikation nicht nur von Dritten betriebene Medien für Werbungszecke belegt werden, können eine Vielzahl an Onlinewerbungsformate diskutiert werden. Eine Zusammenstellung verschiedener Kanäle ist im sog. PESO-Modell etabliert worden, was Paid, Earned, Shared und Owned Medienformate unterteilt und erläutert. Erweitert kann dieses Modell als PESCO-Ansatz beschrieben werden, der in Abbildung 7.63 dargestellt ist. Anzeigen/Advertising

Anreize/Incentives Eigene Kanäle/ Own Channel –Website –App –Mailadressen –Blog, Podcasts –Webinare, –Kd.-Zeitschrift –...

PAID Media

OWNE D Media

Eig. neues Media/ Own New Media –Brand Lands –Awards –Events –...

Quasi-redaktionell/native

–Sponsored Content –...

Inhalte/Content

Kooperationen/ Partnerships

SHARED Media

Filialen/Branches

–Unternehmensseiten auf sozialen Netzwerken –...

Autorität/Authority

–Fans/Follower –Expertenstatus –Whitepaper-Content –Wikipedia-Content –Google Authorship –...

EARNED Media

–Imageaufbau –Marken Journalismus –Mehrwerte –Kuratierte Inhalte –UCG/Nutzergener. Inhalte –Berichte/Reviews –...

CREATE D Media

Koop. neues Media/ New Media –TV-Events –Branchen-Initiat. –...

–Banner, Display –SEA –Social-Ads –bezahlte Insertionen –...

–Promoted Content –Affiliate –Marken-Botschafter –...

–Co-Branding –Influencer –Celebrities –Online-Reputation /-PR –...

Postings/Outposts

–Soziale Netzwerke –Listings –...

Abbildung 7.63: PESCO-Modell der Medienformate.

Paid Media sind Medienformate, bei denen der Werbetreibende für Verbreitung der Werbebotschaft einen Medienbetreiber bezahlt. Darunter fällt Werbeschaltung im digitalen Umfeld. Bucht ein Unternehmen eine Feed Ad bei Instagram ein, ist dies eine bezahlte Werbeinsertion, die als Paid Media bezeichnet wird. Earned Media sind Werbeleistungen, die man sich als Werbetreibender selbst verdient hat. Durch gute Postings gewinnt ein Unternehmen Fans und Follower auf Social Media, die dann auch zukünftig durch den Algorithmus gesteuert weitere Postings angezeigt bekommen. Earned ist eine interessante Kategorie, da sie Medienreichweite beschreibt, für die ein

7.9 Internetwerbung 

 847

Unternehmen in der direkten Betrachtung nicht bezahlen muss. Shared Media geht da sogar noch einen Schritt weiter. Ist die Werbung oder Information relevant und gut, können Nutzer diese unter ihren Freunden und Bekannten weiterverteilen. So entsteht ebenfalls kostenlose Reichweite, die zudem durch den Empfehlungscharakter der geteilten Inhalte auch eine größere Wirkung erzielen kann. Created Media ist in dieser Darstellung die neueste Medienart. Im Zuge des Content Marketing veröffentlichen Unternehmen werthaltige Informationen, die, wie weiter oben beschrieben, nicht primär abverkaufsorientiert gestaltet sind. Einzelne Unternehmen schaffen es, Medienformate so zu entwickeln, dass sie als eigenständige Medien bestehen. Diese sind fest mit dem Unternehmen verbunden und werden auch als Medienangebt wahrgenommen. Beispiele dafür ist der TV Kanal von Red Bull (Servus TV) und die TV Abendshow der About You Influencer Awards, die im linearen Fernsehen ausgestrahlt werden. Owned Media beschreibt abschließend die Medienform, die ein Unternehmen komplett eigenständig erarbeiten und erstellen kann. Vielfach werden die eigene Webseite, der eigene Blog oder das eigene PodcastFormat als Owned Media-Beispiel thematisiert. Um die Vielfalt der Medienformate angemessen darzustellen, sind die Schnittmengen zwischen den Medienformaten benannt. So kann der eigene Markenbotschafter (z. B. der CEO als Corporate Influencer) über bezahlte Werbung auf der Social Media Plattform LinkedIn promotet werden. Der extrovertierte CEO ist als eigene Medienquelle zu bezeichnen (Owned Media), die Verbreitung der Botschaften erfolgt über bezahlte Werbung (Paid Media). Die selbst entwickelte Livestream QuizShow auf Social Media (Created Media) wird auf dem Social Network von Nutzern regelmäßig empfohlen (Shared Media). Somit ergeben sich durch Kombinationen vielfältige weitergehende Ausprägungen. Eine trennscharfe Abgrenzung ist nur schwer möglich. Die Darstellung soll einen Anstoß zur Diskussion und Einordnung geben. In der allgemeinen Betrachtung lassen sich unterschiedliche Vorund Nachteile von Onlinewerbung identifizieren. Tabelle 7.38 listet die wesentlichsten auf. Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Onlinewerbung sind durch die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) geregelt. Ver-

848 

 7 Kommunikationspolitik

Tabelle 7.38: Vor- und Nachteile der Onlinewerbung. Vorteile Onlinewerbung

Herausforderungen und Nachteile Onlinewerbung

– Für vielfältige Kommunikationszielsetzungen verwendbar

– Sehr hoher Wettbewerb unter den Werbetreibenden

– Schnelle Umsetzbarkeit

– Deutlich steigende Kosten vieler Werbeformate

– Dynamische Anpassung möglich

– Kausalität Onlinewerbung zu OfflineVerhalten

– Moderne und breit akzeptierte Werbeform

– Datenschutzanforderungen und Genehmigungen

– Identifizierung und Tracking von Werbungsempfängern

– Technische Werbeverweigerung durch Adblocker und Spam-Filter

– Gute Erfolgsmessung

– Technische Expertise beim Werbetreibenden notwendig

– International steuerbar

schiedene Grundsätze beschreiben die Vorgaben zum rechtskonformen Umgang mit Kundendaten:1001 – Rechtmäßigkeit: Datenerhebungen dürfen nur auf Basis geltender Rechtsordnungen erfolgen, Betroffenen haben ein Recht auf Auskunft und Unternehmen müssen Ihren Informationspflichten nachkommen. – Zweckbindung: Es dürfen die Daten nur für klar beschriebene Nutzungen erhoben werden. – Datenminimierung: Die personenbezogenen Daten müssen sparsam erhoben werden, so wie der Geschäftsbetrieb sie benötigt. – Richtigkeit: Fehler müssen von Unternehmen unmittelbar korrigiert werden. – Speicherbegrenzung: Die Speicherung ist an die Nutzung geknüpft, werden die Daten nicht mehr verwendet, müssen sie gelöscht werden. – Recht auf Vergessen: Kunden können verlangen, dass gespeicherte Daten gelöscht werden (bspw. Alte Kontodaten bei Social Media-Anbietern).

1001 Die dargestellten Grundsätze können keine Rechtsberatung ersetzen, aktuelle Informationen zur geltenden Rechtslage sind beim Bundesministerium für Justiz unter www.bmj.de zu erhalten.

7.9 Internetwerbung 



– –

 849

Integrität und Vertraulichkeit: Daten dürfen nicht unberechtigt und ungefragt weitergegeben werden, eine Einwilligung in Datenverarbeitung ist bis auf wenige Ausnahmen explizit beim Verbraucher einzuholen, andere Anwendungen dürfen mit den Daten nicht vorgenommen werden. Rechenschaftspflicht: Unternehmen müssen gegenüber Behörden auskunftsfähig sein. Recht auf Datenmitnahme: Anbieter müssen gespeicherte Daten in verarbeitbarer Form bereitstellen, so dass ein Kunden bei einem Anbieterwechsel seine Daten mitnehmen kann.

In der Folge werden maßgebliche Onlinemedien vorgestellt. Da nicht alle Instrumente die gleiche Bedeutung und Größe besitzen, wird nicht bei jedem Instrument ein Bezug zu den Kommunikationszielsetzungen sowie individuellen Vor- und Nachteilen gegeben. Folgende Instrumente werden thematisiert: – Corporate Webseite, – Suchmaschinenoptimierung und Suchmaschinenwerbung, – Display- und Bannerwerbung, – Mobilwerbung, – E-Mail- und Newsletter-Werbung, – Social Media-Werbung, – Influencer Marketing und Werbung, – Affiliate Werbung, – In Game und Metaverse-Werbung. Ausgewählte Empfehlungen für erfolgreiche Onlinewerbung fasst Tabelle 7.39 zusammen: Tabelle 7.39: Empfehlungen für erfolgreiche Onlinewerbung. Empfehlungen für erfolgreiche Onlinewerbung – Ihre digitale Kommunikation muss direkt am Anfang überzeugen: Headline, Text der Suchmaschinenanzeige, Bild/Video und wenige Worte bei Social Media-Anzeigen. – Setzen Sie auf eine zeitgeistige Gestaltung, um von schnelllebigen Trends zu profitieren, Content ist das neue Coden. – Finden Sie Konzepte, um mit wenigen Medienbrüche eine direkte Reaktionsmöglichkeiten anzustoßen. Der Kunde ist nur einen Klick vom Wettbewerber entfernt. – Halten Sie neben der Kampagne alle weiteren digitalen Touchpoints aktuell, reagierende Kunden sind mit wenigen Klicks auf Ihrer Webseite.

850 

 7 Kommunikationspolitik

Tabelle 7.39 (fortgesetzt) Empfehlungen für erfolgreiche Onlinewerbung – Digitale Kommunikation erfordert technische Expertise, stellen Sie die technische Umsetzung sicher, entweder inhouse oder über Agenturen. – Setzen Sie auf umfangreiches Tracking und fortlaufende Erfolgsmessung, um immer zu Testen und Optimieren.

7.9.2 Corporate Webseite Die unternehmenseigene Webseite ist zentrale Anlaufstelle für die Öffentlichkeit und Kunden im Internet. Sie ist vergleichbar mit der wichtigsten und größten Filiale des Unternehmens. Sie stellt die digitale Visitenkarte dar, über den heute nahezu alle Unternehmen verfügen. Die unternehmenseigene Webadresse bietet eindeutige Orientierung im Internet. Kunden und Interessenten gelangen durch die Eingabe der Web-Adresse eigenständig motiviert auf die Unternehmensseite, die zielgruppenspezifische Informationen aufbereitet haben soll, die die Besucher interessieren. Sie ist daher imagebildend und muss Erwartungen der Besucher erfüllen. Die Unternehmens-Homepage oder Corporate Webseite muss gestalterisch ansprechend und leicht navigierbar sein, Zudem muss sie die Informationen bereithalten, die Besucher auf der Webseite erwarten. Durch die potenziell unbegrenzte Möglichkeit, Daten und Webpages im digitalen Umfeld auf einer Webseite zu integrieren, können vielfältige Informationsangebote auf der Webseite vorgehalten werden. Wesentliche Elemente einer performanten Webseite sind: – Einfache und gut nachvollziehbare Navigation: Die Struktur der Inhalte gibt dem Besucher eine gute Orientierung und kann verschiedene relevante Inhaltsbereiche bereits auf den ersten Blick anbieten. – Attraktives Design mit guter Nutzbarkeit und Usability: Attraktive Webseiten orientieren sich an aktuellen Design Trends, bleiben aber dabei auch gut nutzbar. Der Begriff Usability ist in seiner deutschen Übersetzung mit Benutzerfreundlichkeit gut nachvollziehbar und beschreibt, dass die Verwendung der Unternehmenshomepage dem User und Besucher keine Rätsel aufgeben darf. – Anpassungsfähiges Design über Responsive Technologien: Die Webseite muss auf allen Endgeräten (Mobil, Tablet, Laptop, Desktop,

7.9 Internetwerbung 











 851

etc.) angemessen angezeigt werden können. Zudem erwarten User heute die Barrierefreiheit von Webseiten. Aktuelle und vielfältige Informationsangebote: Möglichst aktuell, möglichst präzise, möglichst umfangreich: Webseitenbesucher kommen i. d. R. gezielt auf eine Unternehmenshomepage und haben ein spezifisches Informationsinteresse. Die Webseite soll in der Lage sein, das Interesse der Besucher zu erfüllen. Leistungsfähige Suchfunktion: Vielfach oben rechts auf den Seiten positioniert – die Suchfunktion ist ein für Nutzer wichtiges Element, um schnell zu den gewünschten Informationen zu kommen. Kontakt­ und Interaktionsangebote: Die Unternehmenswebseite ist der wichtigste Anlaufpunkt für Unternehmensinformationen. Daher müssen auch alle relevanten Kontaktoptionen für Besucher schnell und einfach auffindbar sein. Technische Stabilität und schnelle Reaktionszeiten: Internetnutzer erwarten schnell ladende und reagierende Webseiten, der Absprung von Webseiten hin zu anderen Anbietern ist für User schnell möglich, daher wird Webseiten eine schlechte technische Performance nur wenig verziehen. Einhaltung rechtlicher Bestimmungen: Angaben zum Datenschutz, ein vollständiges Impressum sowie die ausschließliche Verwendung von lizensierten oder rechtefreien Bildern und Texten.

Neben dem statischen Informationsangebot kann eine Webseite auch transaktionsorientiert aufgebaut sein. Integriert mit dem unternehmenseigenen Onlineshop werden Produkte und Dienstleistungen angeboten. Kunden können so neben Recherche zum Unternehmen auch Käufe tätigen, die entweder eine digitale Transaktion oder auch eine Versandaktion auslösen. Onlineshops sind rund um die Uhr verfügbar und geöffnet (24/7). Viele Unternehmen, die stationäre Stores und Outlets betreiben, haben mit dem eigenen Onlineshop die Kundenreichweite erweitert, und der erzielte Online-Umsatz ist um ein Vielfaches höher als der einzelner Stores. So wird der Onlineshop für diese Unternehmen zum größten einzelnen Absatzkanal. Gute Onlineshops bieten eine einfache und schnell zu erfassende Navigation. Die angebotenen Produkte und Leistungen müssen gut und umfassend beschrieben sein und mit hochwertigen und aussagekräftigen Fotos ergänzt werden. Ein einfacher Kaufvorgang mit wenigen Klicks und vielfältige Zahlungsmöglichkeiten schließen den Besuch des Kunden im Onlineshop ab.

Die 1881 gegründeten Warenhaus-Kette Breuninger erzielt nach erfolgreicher digitaler Transformation in 2022 erstmals mehr Onlineals Offline-Umsatz bei einem Gesamtumsatz von 1.4 Mrd. Euro (Quelle: locationinsider. de vom 08.05.2023).

852 

 7 Kommunikationspolitik

Die Webseite als zentrales Werbemedium im Internet (Owned Media) erfüllt aus Kommunikationssicht viele Aufgaben (siehe dazu Abbildung 7.64). Durch die eigenständige Gestaltung dient sie der Ausprägung der eigenen Identität gegenüber Stakeholdern und kann die eigenen Marken gezielt positionieren. Im Abverkauf kann gut eine große Anzahl Kunden adressiert werden. Werden Kunden beim Besuch der Webseite identifiziert (bspw. durch das Einloggen in ein Kundenkonto) kann sogar individualisiert angeboten werden. Und bestehende Kunden können über attraktive Inhalte und Neuigkeiten immer wieder auf die eigene Corporate Webseite geholt werden, um die Kundenbindung zu stärken. Maßgebliche Einsatzbereiche – Corporate Webseite

Recruitment / Kundenakquisition

Stakeholder Brand/Marke/Positionierung

Eignung

Brand / Marke Sales / Verkauf 1:n Sales / Verkauf 1:1 Retention / Kundenbindung Recovery / Kundenrückgewinnung

Abbildung 7.64: Maßgebliche Einsatzbereiche Corporate Webseite.

7.9.2 Suchmaschinenmarketing: SEO und SEA 68% des Internettraffics startet mit dem Besuch einer Suchmaschine.

Ein relevanter Anteil der Traffics im Internet wird über Suchmaschinen navigiert. Die 1998 gegründete Suchmaschine Google findet für die von den Usern eingegebenen Suchbegriffe passende Webseiten und schlägt diese auf der Suchergebnisseite vor. Neben den Ergebnissen der Google-Suche werden vom Betreiber der Suchmaschine (Google gehört heute zur Holding Alphabet) Anzeigen eingeblendet. Neben Google sind weitere Suchmaschinen im Internet verfügbar, bspw. Bing, DuckDuckGo, Qwant oder Ecosia.

7.9 Internetwerbung 

 853

Suchmaschinen funktionieren bis heute prinzipiell nach einem vergleichbaren Ansatz. Automatisierte Computerprogramme (Crawler) filtern und durchsuchen das World Wide Web. Die in dem Programm hinterlegten Algorithmen bestimmen, wie gefundene Ergebnisse interpretiert werden. Bei der Gründung von Google wurde bspw. die Anzahl der Links, die auf eine Webseite verweisen, als Qualitätsmerkmal einer Webseite verwendet (der sog. BackRub-Faktor). Im Laufe der Jahre wurden die Algorithmen um weitere Faktoren ergänzt. Die Qualität der Faktoren und die Interpretation der gefundenen Ergebnisse ergibt das gerankte Suchergebnis, das die Suchanfrage des Kunden beantworten soll. Die genaue Funktionsweise der Algorithmen ist zentrales Geschäftsgeheimnis. Aktuell spricht Google von rd. 200 Ranking Faktoren.1002 Suchmaschinenmarketing ist der Oberbegriff der beiden Teildisziplinen Suchmaschinenoptimierung (SEO – Search Engine Optimiz­ ation) und Suchmaschinenwerbung (SEA – Search Engine Adverti­ sing). Ziel ist es, möglichst viele Besucher über die Suchmaschinen auf die eigenen Webangebote zu navigieren. Einerseits ohne Mediakosten, andererseits durch gezielte Werbeinvestitionen. Unternehmen bauen Ihre Corporate Webseite so auf, dass bei Onlinesuchen über Suchmaschinen die Seite als relevant und passend identifiziert wird. Dieser kostenfreie Traffic und Besuch der Homepage ist zentrales Ziel der Suchmaschinenoptimierung. Siepermann definiert: „SEO bezeichnet die gezielte Anpassung von Webseiten, um in Suchmaschinen für zuvor definierte Suchbegriffe in den Suchergebnissen möglichst vordere Positionen einzunehmen“1003 Suchmaschinenoptimierung orientiert sich an den Rankingfaktoren der Suchmaschinen. Sie strukturiert und formatiert eine Webseite in der Art, dass Algorithmen der Suchmaschinen aufgefundene Inhalte als möglichst aktuell, relevant und den Formatvorgaben aktueller Webseitentechnologien entsprechend erkennen und einordnen. Wichtige Optimierungen der eigenen Webseite sind: – Themenspezifische Inhalte: Such-Algorithmen durchsuchen die Inhalte der Webseiten, je besser und relevanter ein Inhalt von der Suchmaschine eingeschätzt wird, desto weiter oben in der Ergebnisliste ist die Webseite präsent. – Keywords, Titelzeilen: Neben der Durchsuchung des kompletten Inhalts versucht der Webseitenbetreiber durch eine entsprechende

1002 vgl. Lammenett (Online Marketing), 2021, S. 223. 1003 Siepermann, online unter https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/search-engine-optimization-54486/version-277515

854 





 7 Kommunikationspolitik

Strukturierung der wichtigsten Begriffe der Webseite (Keywords) den Suchmaschinen zu signalisieren, für welche gesuchten Begriffe die Webseite gute inhaltliche Ergebnisse anbietet. Neben Keywords, die auf allen Webseiten und Unterseiten platziert sind, liefern auch die jeweiligen Namen der Unterseiten (Titelzeilen) wichtige Signale an die Suchmaschinen. HTML­Struktur: die technische Struktur der Webseite ist wichtig für das Ranking. Feste Vorgaben für die Struktur von Überschriften und weitere Elemente werden von den Crawlern der Suchmaschinen (automatische Programme, die Webseiten durchsuchen) überprüft und systematisch ausgewertet. Facts und Figures zur eigenen Webseite: schnelle Ladezeiten, Alter der Domain, Mobile Friendliness, Verweilzeiten der Besucher, etc.

Neben Maßnahmen auf eigenen Webseiten werden Verweise aus dem Internet ebenfalls als Qualitätsmaßstäbe für Suchmaschinen verwendet. Unterhalten sich Internetnutzer auf sozialen Medien positiv über Produkte und Angebote, so fließt dies in die Bewertung durch die Suchmaschine ein. Verweisen andere hochwertige Webseiten mit Links auf Inhalte, werden diese Links (sog. Backlinks) bewertet und die Seriosität und Auffindbarkeit der Webseite über Suchmaschinen nehmen zu. Die Backlinks werden nach u. a. der Anzahl der Backlinks, Qualität der Backlinks, Site Authority (Relevanz und Akzeptanz) der Backlinks und thematischer Verbindung bewertet. Die Auffindbarkeit wird über die Positionierung der eigenen Webseite im Suchergebnis bewertet. Die Position auf der Suchergebnisseite ist Indikator für die Anzahl an Besuchern, die eine Suchmaschine an eine Webseite übermittelt. Die meisten Besucher erhalten die Webseiten, die von den Suchmaschinen als relevanteste Ergebnisse identifiziert wurden. Das oberste Ergebnis erzielt über 30% aller Klicks. Die ersten 10 Suchergebnisse einer Websuche erhalten von den Internetnutzern über 99% der Klicks. Weniger als 1% der Internetnutzer zieht auch Suchergebnisse auf der zweiten Seite in Betracht.1004 Suchmaschinenoptimierung ist ein fortlaufender Prozess in der Kommunikationspolitik.1005 Die Webseite muss aktuell gehalten werden. Wettbewerber bieten ebenfalls relevante Inhalte an. Und Betreiber der Suchmaschinen verändern und optimieren den Ranking-Algorithmus. Traffic über Suchmaschinenoptimierung ist damit kein wirklich kostenfreier

1004 vgl. https://backlinko.com/google-ctr-stats 1005 vgl. Lammenett (Online Marketing), 2021, S. 232.

7.9 Internetwerbung 

 855

Traffic. Die Optimierung bedarf ständiger Betreuung. Sie muss durch Fachkräfte umgesetzt werden und die Performance wird durch Monitoring-Tools überprüft, die kostenpflichtig abonniert werden müssen. Wird eine Webseite erstmalig im Internet veröffentlicht, muss sie sich die Relevanz erst über die Zeit erarbeitet werden. In den ersten 6–9 Monaten ist i. d. R. kein attraktives Ranking in Suchmaschinen zu erwarten. Neben Traffic durch gute Auffindbarkeit in Suchergebnisseiten können Unternehmen auch kostenpflichtige Anzeigen zu Suchbegriffen schalten: die Suchmaschinenwerbung. Suchmaschinenwerbung als ein Instrument des Suchmaschinenmarketing steht für die Schaltung von bezahlter Werbung neben und/ oder über den Suchergebnissen von Suchmaschinen. Beinhaltet ebenfalls das Platzieren von Werbung auf Content-Seiten, also auf fremden Websites.1006 Bezahlte Werbung hat bei Suchmaschinen die Anmutung von Suchergebnissen. In der Frühzeit waren Anzeigen rein textbasiert. Die Limitation auf wenige Zeilen Text sollte der Suchintention des Internetnutzers entsprechen und schnell zum gewünschten Ergebnis oder Angebot führen. Heute werden Textanzeigen durch ausgewählte Shopping-Funktionalitäten der Sucherergebnisseiten ergänzt. Betreiber der Suchmaschinen haben unterschiedliche Werbeformate entwickelt, mit denen werbetreibende Unternehmen gezielt ausgewählte Produkte und Leistungen bewerben können. Anzeigenformate werden prominent auf der Suchergebnisseite platziert und sichern werbetreibenden Unternehmen Traffic und Besucher des eigenen Webangebots. Die Einblendung der Werbung erfolgt nach einem Auktionssystem, das die Zahlungsbereitschaft der Werbetreibenden für die Vermittlung von Besuchern zum Ausgangspunkt nimmt.1007 So kann ein Klick wenige Cents bis zu Eurobeträgen kosten. Dies ist abhängig vom beworbenen Produkt, dem Wettbewerb, der Qualität der Anzeige und sogar der Tageszeit. Bei großem Wettbewerb zum Produkt oder bei hohen Margen eines Produktes sind die Klickpreise tendenziell höher. Durch das Werbebuchungstool bei den Suchmaschinen können Unternehmen Werbekosten genau planen, indem Sie ihre Zahlungsbereitschaft für Klicks bei ausgewählten Suchbegriffen hinterlegen. Ein Limit beim Budget steuert Werbung so aus, bis die bereitgestellten Werbegelder aufgebraucht sind. 1006 Markgraf, online unter https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/suchmaschinenmarketing-53618/version-276691 1007 vgl.  die detaillierte Beschreibung bei Lammenett (Online Marketing), 2021, S. 167 ff.

Der zunehmende Wettbewerb im digitalen Umfeld hat die digitalen Kundengewinnungskosten im Zeitraum von 2017-2022 um 60% steigen lassen. B2CE-Commerce Unternehmen aus den USA kalkulieren mit rd. 29,- $ Kundenakquisitionskosten (Quelle: Businesswire, 19. Juli 2022).

856 

 7 Kommunikationspolitik

Die Steuerung von SEA läuft über Suchbegriffe. Unternehmen wählen Begriffe aus, nach denen potenziell Kunden suchen. Gibt ein Kunde den Suchbegriff ein, wird über hinterlegte Anzeigen und verschiedene Zahlungsbereitschaften von der Suchmaschine automatisch entschieden, welche Unternehmen ihre Werbungen ausgespielt bekommen. Je nach Einstellung des Buchungstools und der Individualisierungsoptionen der Suchmaschine erhalten zwei identische Suchanfragen unterschiedlicher Internetnutzer andere Werbeanzeigen in Echtzeit ausgespielt. Große Onlineshops mit tausenden von unterschiedlichen Produkten lassen Anzeigenbuchungen durch automatisierte Buchungstools vornehmen. Viele zehntausend Suchbegriffe und Suchbegriffskombinationen sind in diesen Tools hinterlegt. Angebunden an Ertragssicherungssysteme können diese Tools automatisch entscheiden, auf welche konkreten Suchbegriffe mit welchen Zahlungsbereitschaften für Klicks geboten wird. Diese stark von künstlicher Intelligenz unterstützte Technik gilt als Zukunft einer zahlen- und datengetrieben Marketing- und Kommunikationsausrichtung im Suchmaschinenwerbungs-Umfeld. Suchmaschinenwerbung besitzt den großen Vorteil, dass schnell Besucher und Traffic auf die Webseiten gebracht wird. Besuchergewinnung über Suchmaschinenoptimierung benötigt deutlich mehr Zeit. Zudem können auch befristete Maßnahmen bei bspw. saisonal nachgefragten Produkten mit SEA gut beworben werden. Die beiden Methoden des Suchmaschinenmarketing haben zwar die gleiche Zielsetzung (mehr Traffic auf den Webseiten), sie werden jedoch für unterschiedliche Zielsetzungen eingesetzt (siehe Abbildung  7.65). Besteht die Zielsetzung der konkreten Umsatzerzielung zu einem festen Zeitpunkt, schaltet das Unternehmen bezahlte Suchmaschinenwerbung. Sollen neue Angebote bekannt gemacht werden, wird dies auch durch bezahlte Anzeigen bei den Suchmaschinen forciert. Möchte das Unternehmen eine langfristig stabile Positionierung bei Kunden und der interessierten Öffentlichkeit erhalten, ist Suchmaschinenoptimierung Werbemittel der Wahl. Die eigene Relevanz und Auffindbarkeit im Internet werden gestärkt.

7.9.3 Display- und Bannerwerbung Bannerwerbung war lange Zeit das wichtigste digitale Kommunikationsinstrument. Die erste Internetwerbung ging 1994 als Bannerwerbung auf der Webseite des HotWired Magazins (heute Wired) online. Ein Banner ist eine eingebundene Werbefläche auf einer Webseite, und das Werbeformat entspricht fast einer Printanzeige. 40% aller Besucher

7.9 Internetwerbung 

Maßgebliche Einsatzbereiche – Suchmaschinenmarketing

Recruitment / Kundenakquisition

Stakeholder Brand/Marke/Positionierung

 857

SEO

Eignung

SEA

Eignung

Brand / Marke Sales / Verkauf 1:n Sales / Verkauf 1:1 Retention / Kundenbindung Recovery / Kundenrückgewinnung

Abbildung 7.65: Maßgebliche Einsatzbereiche Suchmaschinenmarketing.

der Webseite klickten 1994 auf ein Banner. Doch Bedeutung der Banner sinkt. Heute sind Klickraten auf deutlich unter 1% gerutscht. Diese digitalen Werbeplakate sind jedoch immer noch wichtige Werbungsinstrumente, da sie im Internet weit verbreitet und verfügbar sind. Zudem können gute Banner- und Display-Kampagnen für ausgewählte Zielsetzungen ein passend flankierendes Instrument darstellen. Alleinige Bannerkampagnen werden wegen geringer Interaktionsmöglichkeit und ausbleibenden Reaktionen der User selten konzipiert. Banner sind Grafiken, die mit multimedialen Inhalten wie bspw. Videos und Ton angereichert werden können. Ziel der Bannerwerbung ist es, dass Besucher der Webseite auf den Banner klicken und dann zu einer spezifischen Unterseite oder separaten Webseite geleitet werden. Neben diesem messbare Performance-Ziel können Banner auch als markenbildende Kampagne ausgelegt werden. Diese Kampagnen werden nicht durch Klicks bewertet, sondern Ausspielungen an Webseitenbesuchern sind Ziel der Planung. Somit sind diese Kampagnen nah an Zielsetzungen klassischer Plakat- und Printanzeigen. Im Internetmarketing ist Displaywerbung ein kostengünstiges Instrument. Displaywerbungen können mit geringem Aufwand produziert und auf Webseiten eingebucht werden. Buchbar sind Banner bei Seitenbetreibern selbst, über Media-Agenturen, die Werbeangebote bündeln, über Media-Kooperationen, über das Google Display Netzwerk und auch über Self Service DSP (Demand Side Plattformen – Zusammenschluss

In 2021 wurden Displaykampagnen iHv. 4,5 Mrd. € geschaltet, was ein rd. 10% Wachstum zum Vorjahr (2020: 4.1 Mrd. €) darstellt (Quelle: ZAW (Werbung), 2022, S. 134).

858 

Re-Targeting ist ein Verfahren, bei dem ein Interessent im digitalen Umfeld durch ein Cookie gekennzeichnet wird, damit ihm zielgerichtete Werbung auf weiteren Webseiten angezeigt werden kann.

 7 Kommunikationspolitik

von Webseitenbetreibern, die gemeinsam ihre Werbeangebote in einem Bietprozess anbieten).1008 Neben individuellen Vereinbarungen zur Einbindung von Bannern auf Webseiten werden viele Banner automatisiert auf Webseiten in Echtzeit eingeblendet. Programmatisches Advertising fasst verfügbare Werbeflächen in einem Werbe-Marktplatz zusammen. Unternehmen können auf diese Werbeflächen bieten. Targeting-Optionen ermöglichen die gezielte Selektion von Internetnutzern, die interessante Zielgruppen darstellen. Verschiedene Targeting-Optionen haben sich etabliert: (1) Content Targeting: Ansprache von Kunden, die sich auf ausgewählten Webseiten mit spezifischen Inhalten informieren. (2) Semantisches Targeting: Exakte sprachliche Analyse des Webseiteninhalts ist ausschlaggebend für die Kundenansprache. (3) Keyword Targeting: Ausspielung der Werbung auf Basis von Suchmaschinenanfragen. (4) Search Intent Targeting: Insb. für Plattform-Seiten relevante Targeting-Option: auf Basis von Suchbegriffen wird passende Werbung ausgespielt, die auf weitergehendes Interesse schließen lässt. (5) Behavioral Targeting, auch als Predicitive Behavioral Targeting eingesetzt: Analyse des bisherigen Nutzerverhaltens ist maßgebend für Ausspielung von Werbung, unter Zuhilfenahme von statistischen Modellen wird auch auf zukünftiges Verhalten geschlossen. (6) Socidemographic Targeting: soziodemografische Daten (Alter, Familienstand, etc.) werden als Auswahlkriterium verwendet. (7) Psychographic Targeting: Interessen des Nutzers werden ausgewertet, Analyse von Werten und Einstellungen. (8) Geotargeting: Standortlokalisierung bzw. Werbungsaussteuerung auf Basis des Standorts des Werbetreibenden. Der Bietvorgang auf Werbeflächen (= welche Werbung wird in Echtzeit auf Webseiten den Usern angezeigt) passiert in den ersten Millisekunden des Webseitenaufrufs. Die Technologie liefert das am höchsten zahlende Werbeformat für diesen Besucher in Echtzeit aus.  Die Zusammenhänge in diesem Ablauf und die Bedeutung von Sup­ ply Side Plattformen (SSP = Verwaltungsplattform für verfügbare und ausspielbare Werbung) und Demand Side Plattformen (DSP = Plattform und Schnittstelle für die Bereitstellung von Werbeanzeigen und Gebotspreise für die Auktionsverfahren) führt Abbildung 7.66 auf.

1008 vgl. Kreutzer (Marketing), 2017, S. 368.

7.9 Internetwerbung 

Besucher fordert Seite an

iiefert Seite

Website

Supply Side Plattform

fordert Werbung an

sendet Profil zum SSP

 859 Demand Side Plattform

AuktionsPlattform

Vermarkter

Auktion angebote Verkaufsdaten

fordert Werbung an liefert Werbung

Auktionsgewinner

Abbildung 7.66: Online-Werbeauktion.1009

Das zielgenaue Ausspielen von Digitalwerbung ist für Display- und Bannerwerbung ein wesentliches Argument. Deutliche Verschärfungen der gesetzlichen Datenschutzanforderungen, zunehmende Privacy-Optionen der großen Plattform- und Betriebssystembetreiber sowie die zunehmenden Skepsis der Internetnutzer gegenüber digitalen Werbungen werden die maßgeschneiderte Werbeausspielung zukünftig technisch aufwändiger gestalten. Webseitenbetreiber setzen Cookies zur Identifizierung von Webseitenbesuchern ein. Ein Cookie ist ein Datenpaket, das im Browser des Webseitenbesuchers abgelegt wird, um den Besucher zu identifizieren und zu erkennen (sog. First Party Cookies). Neben den Webseitenbetreibern nutzen auch Mediaagenturen Cookies, um Internetnutzer über mehrere Webseiten hinweg nachverfolgen zu können (sog. Third Party Cookies, webseitenunabhängige Cookies). Große Unternehmen der Internetbranche (Google, Apple, Microsoft) setzen nach und nach ein Verbot von Third Party Cookies durch. Nutzer haben bisher wenig Transparenz über den Einsatz von Third Party Cookies. Um Usern zukünftig personalisierte Werbung ausspielen zu können, bestehen verschiedene Möglichkeiten. Ist ein Besucher mit einem Kundenkonto eingeloggt, können individuelle Werbeanzeigen selektiert werden. Contextual Targeting analysiert die Inhalte von Webseiten und prognostiziert, welche Kundentypen auf der Webseite sind. Das sog. Fingerprinting versucht durch verschiedene öffentlich abfragbare User-Besonderheiten (welcher Browser und welcher Version, welches Betriebssystem, installierte Plugins, verwendete Schriftarten, etc.) eine eindeutige Zuordnung zu einer natürlichen Person vorzunehmen. Diese Person ist dann zwar anonym, kann aber auch auf anderen Webseiten erkannt werden. Display- und Bannerwerbung orientiert sich an den in der Branche etablierten Formaten und Begriffen, damit eine einheitliche Belegung 1009 Quelle: Klein, Zivadinovic (Privatsphäre), 2022, S. 19.

Beim Einsatz von Third Party Cookies kann der Webseitenbesucher nicht ersehen, für welche konkreten Zwecke seine Daten durch Mediaagenturen gespeichert werden.

860 

 7 Kommunikationspolitik

und Steuerung insb. durch programmatisches Advertising möglich werden. Verbreitete Formate sind: – Leaderboard: Oberste Titelzeile einer Webseite, kann über die ganze Breite der darstellbaren Fläche gehen, passt sich dynamisch an Bildschirmgrößen an. – Fullsize Banner: Breite der Hauptfläche der Webseite, alternativ im mobilen Nutzungsumfeld als Mobile Banner bezeichnet. – Scyscraper: Neben dem Haupt-Text (Body) der Webseite gestaltete Werbefläche. – Rectangle: Rechteckformat, je nach Layout der Webseite in verschiedenen Größen und Einbindungen möglich. – Kombination aus Leaderboard oder Fullsize Banner und Scyscraper, legt sich vollständig um den Text. – Expandable Formate: Verschiedene Bannertechnologien erlauben das maussensitive Reagieren des Banners, der Banner klappt aus, sobald die sich der Mauszeiger über die Fläche bewegt. – Layer­ und Banderole­Formate: Verschiedene Display-Werbungen legen sich über eine Webseite, diese erreichen eine hohe Werbesichtbarkeit, da sie jedoch den Lesefluss des Webseitenbesuchers unterbrechen, sind sie bei Kunden weniger beliebt. – Pop Up­Formate: Neben fester oder dynamischer Einbindung in den Hauptkontext einer Webseite können Bannerelemente als Pop Up gestaltet werden. Dabei öffnet sich ein weiteres Browser-Fenster mit der Werbeanzeige oberhalb der besuchten Webseite. Die Nutzung von

Maßgebliche Einsatzbereiche – Display- und Bannerwerbung

Recruitment / Kundenakquisition

Stakeholder Brand/Marke/Positionierung Brand / Marke Sales / Verkauf 1:n Sales / Verkauf 1:1 Retention / Kundenbindung Recovery / Kundenrückgewinnung Abbildung 7.67: Maßgebliche Einsatzbereiche Display- und Bannerwerbung.

Eignung

7.9 Internetwerbung 

 861

Pop Ups ist in den letzten Jahren durch Browsertechnologien deutlich reduziert worden. Display- und Bannerwerbung wird, wie oben beschrieben, maßgeblich markenbildend eingesetzt. Abbildung 7.67 stellt klar, dass es keine abverkaufende Medienart ist.

7.9.4 Mobilwerbung Nach Präsentation des ersten Apple iPhones im Jahr 2007 haben Smartphones PCs und Laptops als wichtigste Zugangsmöglichkeiten zum Internet abgelöst. In Europa erfolgt heute mehr als die Hälfte aller Internetzugriffe über Smartphones und Tablets, in Regionen wie Afrika und Asien erfolgen über 65% der Zugriffe mittels mobiler Endgeräte. Damit sind mobile Endgeräte wichtige Kommunikationsinstrumente, die die werbetreibende Industrie gezielt erreichen möchte.1010 Werbung auf Mobilgeräten ist einerseits die Ausgestaltung der Werbung für eine Anzeige auf mobilen Endgeräten. Anderseits bestehen ausgewählte Werbeoptionen im Umfeld der Onlinewerbung, die ausschließlich auf mobilen Endgeräten zum Einsatz kommen. Die bisher diskutierten Kommunikationsformate Webseite, Suchmaschinenmarketing und Displaywerbung sind auch im mobilen Kontext vorzufinden. Für Planung und Umsetzung ist es relevant, unterschiedliche Displaygrößen von Smartphone und Tablet im Vergleich zu Desktop- oder Laptop-PC zu berücksichtigen. Ein sog. responsives Design der Webseite stellt Inhalte der Webseite auf die Displaygröße angepasst zur Verfügung. Ausgewählte Werbeformate sind für mobile Endgeräte nicht verfügbar, andere, wie bspw. Slider Ads (das Werbeformat ist im Hintergrund einer mobilen Webseite fixiert und schiebt sich langsam beim Swipen voran) können nur im mobilen Umfeld verwendet werden. Eine Besonderheit der mobilen Internetnutzung ist die Installation von Mini- und vollwertigen Programmen, den sog. Apps, auf dem Smartphone. Diese individuelle Installation auf einem eindeutig identifizierten Endgerät eröffnet Werbemöglichkeiten. Leistungsfähige Apps, wie bspw. eine Wetter- oder Staumelde-App können sich durch in der App einge-

1010 vgl. Homburg (Marketing), 2020, S. 891.

862 

Die chinesische Shopping App SHEIN belohnt das tägliche Öffnen der App mit besonderen Rabatten.

 7 Kommunikationspolitik

blendete Werbebanner finanzieren. Ist der User mit einem Kundenkonto in einer App registriert und eingeloggt, können weitere Personalisierungen der Werbung vorgenommen werden. Apps können durch Push-Notifications (individuell ausgesteuerte Benachrichtigungen) User und Kunden ansprechen und auf ausgewählte Aktionen und Angebote hinweisen. Apps können dabei allgemeiner Natur (bspw. Wetter-oder Staumeldungen) oder von markenführenden Unternehmen initiiert sein. Kann ein Onlineshop eine Installation seiner App auf dem Smartphone eines Kunden erreichen, stehen dem Unternehmen deutlich mehr Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung. Shopping Apps versuchen durch Gamification-Ansätze Kunden zur regelmäßigen Nutzung der App zu animieren. Ein noch unterentwickeltes Feld der mobilen Kommunikationsanwendungen ist die Option, Kunden ortungsbezogen mit Werbung anzusprechen. So ist es technisch möglich, im Nahfeld eines Smartphones über die NFC-Technologie Werbung an Kunden auszusteuern, die gerade in einem Supermarkt an einem bestimmten Regal vorbeigehen. So können Werbungen kontextbezogen kommuniziert werden und erreichen Kunden bestenfalls im konkreten Einkaufsszenario. Das sog. Location based Marketing bietet viele theoretische Optionen, in der praktischen Anwendung sind bisher nur wenige ausgewählte erfolgreiche Einsätze bekannt.

7.9.5 E-Mail-Marketing und Newsletter-Werbung Die beliebteste Anwendung im Internet ist E-Mail-Kommunikation. Über 85% aller Internetnutzer checken morgens als erste Online Anwendung ihren Mail Posteingang. Die Möglichkeiten, E-Mail als Marketinginstrument einzusetzen sind vielfältig und etabliert. Verschiedene Argumente sprechen für die Nutzung von E-Mail als Kommunikationsinstrument:1011 – Geringe Kosten: E-Mail-Kommunikation erfordert keine Investitionen in Programmierung und kann als Owned Media-Kanal mit eigenen Kunden- und Interessentenadressen umgesetzt werden. – Eigener Adressstamm: Datenschutzkonform gesammelte E-Mail-Adressen sind im eigenen Bestand des Unternehmens. – Hohe Geschwindigkeit: Eine E-Mail-Kampagne kann eigenständig umgesetzt werden und benötigt wenig Vorlauf- oder Buchungszeiten.

1011 vgl.  die weitergehende Abgrenzung von E-Mailing und Newsletter bei Spandl (Digitales Direktmarketing), 2020, S. 11 ff.

7.9 Internetwerbung 







 863

Kampagnen nach eigenem Zeitplan: die E-Mail-Kampagne wird versendet, wenn das werbetreibende Unternehmen einen optimalen Versandzeitpunkt sieht. Interaktivität: Gute E-Mail-Kampagnen leiten den dem Mailempfänger auf eine Webseite, wo weiterführende Angebot unterbreitet oder Transaktionen durchgeführt werden können. Erfolgskontrolle: Leistungsfähige E-Mail-Marketingsysteme geben individuelle Rückmeldung zur Performance- und Erfolgskennzahlen einer E-Mail-Aktion.

E-Mail-Marketing wird oft mit dem Begriff Spam in Verbindung gebracht. „Spam-Mail. E-Mail mit werblichem Inhalt, die dem Empfänger unaufgefordert zugesandt wird. Spamming ist nach dem inoffiziellen Verhaltenscodex der Internetgemeinde verpönt.“1012 Heute darf E-Mail-Marketing nur nach expliziter Zustimmung des Empfängers zum Erhalt werblicher E-Mails erfolgen. Das sog. Double Opt In (ein Kunde oder Interessent trägt sich in eine E-Mail-Liste ein und muss die Anmeldung in einem zweiten Schritt noch einmal bestätigen) sorgt durch die Erlaubnis der Werbezusendung für eine positive Wahrnehmung der Werbung. Weit verbreitet ist im E-Mail-Marketing die Newsletter-Versendung. Newsletter sind periodisch erscheinenden Informations-E-Mails, die an eine feste Liste an Adressen versendet werden. Der Newsletter ist ein kostengünstiges Informationsmedium, das zielgerichtet eingesetzt werden kann. Newsletter-Softwaretools sprechen die Liste der Empfänger mit unterschiedlichen Newsletterinhalten an. Regelmäßige Informationen zu Angeboten, Services und Produkt- und Branchenwissen bauen die Markenbekanntheit bei Newsletter-Empfängern auf und leiten den Kunden zielgerichtet zu transaktionsorientierten Angeboten. Newsletter-Marketing ist für viele Unternehmen eines der wichtigsten Abverkaufmedien. Technisch gesehen besitzt E-Mail-Marketing als digitales Werbemedium den maßgeblichen Vorteil, dass nahezu alle Kunden eine E-Mail-Adresse besitzen. Die relevante Entscheidung ist die Option, entweder rein textbasierte E-Mails oder E-Mails in HTML (die Programmiersprache, auf der auch Webseiten basieren) zu versenden: Für Text-E-Mails spricht, dass sie auf Endgeräten und in allen Mail-Postfächern weitgehend identisch angezeigt werden. Es können jedoch wenige Gestaltungselemente ein- und umgesetzt werden. Diese sind bei HTML-basierten E-Mails

1012 Esch, online unter: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/spam-44321/ version-267634

Spam ist gewürztes Schweinfleisch, welches in Dosen verkauft wird. Die Verwendung des Namens für unerwünschte Mails geht zurück auf einen Sketch der britischen Komiker von Monty Python. In der Touristik- und in der Medienbranche haben 99% aller Unternehmen min. einen Newsletter im Einsatz (Quelle: Dialog Digital, 09/2022, S. 12).

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 7 Kommunikationspolitik

umsetzbar. Dafür werden die E-Mails aber je System und unterschiedlichen Nutzereinstellungen unterschiedlich angezeigt. Tabelle 7.40: Merkmale guten E-Mail-Marketing und Newsletterwerbung.

Newsletter-Tipp: MANAGEMENT UPDATE - der Newsletter mit aktuellen Trends und Hacks für mehr Erfolg im Business. Kostenfreies Abo unter: https:// t1p.de/managementupdate

Merkmale guten E-Mail-Marketing und Newsletterwerbung

Beschreibung

Absender und Signatur

Bekanntheit und Markenaufbau beim Empfänger entwickeln.

Attraktive Betreffzeilen

Die Betreffzeile und ggf. die ersten beiden Zeilen der E-Mail entscheiden, ob der Empfänger die ganze E-Mail liest.

Klare Handlungsaufforderungen

E-Mail-Marketing ist transaktionsorientiert, die klare Aufforderung (bspw. „jetzt klicken“ leitet den Empfänger zur gewünschten Reaktion.

Zum richtigen Zeitpunkt versenden

Die Performance von E-Mail-Marketing hängt von der richtigen Versandfrequenz und dem richtigen Zeitpunkt ab. Wie häufig sollen E-Mails versendet werden, an welchem Tag zu welcher Tageszeit soll die E-Mail den Empfänger erreichen?

Mobile Ansicht des Newsletters

Ein Großteil aller E-Mails wird auf Mobilgeräten gelesen, Gestaltung und Inhalt müssen darauf Rücksicht nehmen.

Rechtliche Klarheit

Double Opt In, Abmeldemöglichkeiten, Absenderangaben, etc.

Newsletter-Tool

Eine E-Mail-Strategie benötigt ein Newsletter-Tools für verschiedene technische Umsetzungen, das Tool muss den rechtlichen Ansprüchen (bspw. DSGVO) entsprechen.

E-Mail-Marketing und Newsletterwerbung sind seit Jahren etabliert und zählen bei vielen Unternehmen zum unverzichtbaren Medienmix. Wesentliche Gestaltungselemente sind in Tabelle  7.40 zusammengefasst. Abbildung  7.68 stellt die Abverkaufsorientierung in den Mittelpunkt. Es gibt außer den später noch zu diskutierenden Dialogmarketinginstrumenten kein Werbeinstrument, was einen so unmittelbaren und vertrauensaufbauenden Charakter zu Kunden entwickeln kann, wie E-Mail-Marketing. E-Mail-Marketing wird daher – je nach Auslegung – auch zu Dialoginstrumenten gezählt.1013 Das Instrument wird später noch einmal aufgegriffen.

1013 vgl. Spandl (Digitales Direktmarketing), 2020, S. 11.

7.9 Internetwerbung 

 865

Maßgebliche Einsatzbereiche E– Mail-Marketing und Newsletter

Recruitment / Kundenakquisition

Stakeholder Brand/Marke/Positionierung

Eignung

Brand / Marke Sales / Verkauf 1:n Sales / Verkauf 1:1 Retention / Kundenbindung Recovery / Kundenrückgewinnung

Abbildung 7.68: Maßgebliche Einsatzbereiche E-Mail-Marketing und Newsletter.

7.9.6 Social Media Marketing Web 2.0 ist untrennbar mit der Entwicklung der Social Media-Angebote verbunden. Die Kommunikationsangebote des Internet werden interaktiv und die Nutzer zu Mitgestaltern. Social Media sind Medienangebote, Plattformen und Netzwerke, die zur Kommunikation, Interaktion und Kollaboration von Internetnutzern dienen und mittels Text, Bildern, Videos und Audio Beiträge verteilen. Nutzer sind alle Akteure, die über einen Zugang zu Medienangeboten und Netzwerken besitzen. Sie können aus Unternehmens- und Markenbezug wie auch privaten Umfeldern stammen. „Als Social Media Kommunikation werden alle Kommunikationsaktivitäten zwischen Unternehmen und Nachfragern sowie zwischen Nachfragern untereinander verstanden, welche die Erreichung der Marketing- und Unternehmensziele beeinflussen und über soziale Medien abgewickelt werden“1014 Im Social Media Umfeld besitzt der sog. User Generated Content (UCG) große Relevanz. Durch Web 2.0-Technologien können die Internetnutzer selbst Inhalte erstellen. Nutzer werden damit zu Gestaltern des Informationsangebots im Internet und eine dialogisch ausgerichtete Kommunikation findet statt.

1014 Meffert et al. (Marketing), 2019, S. 718.

Pro Minute in den Social Media weltweit: 695.000 Instagram Stories, 510.000 FacebookKommentare, 350.000 Tweets (Quelle: ASW, 07-08/2022, S. 25).

866 

 7 Kommunikationspolitik

Folgende grundlegende Prinzipien kennzeichnen Social Media Angebote:1015 – User Generated Content: Neben Konsumieren auch Produzieren von Inhalten. – Many­to­Many­Kommunikation: Durch die vielfältige Vernetzung der User untereinander kann eine rasche Verbreitung von Inhalten erfolgen. – Netzwerkbildung: Plattformen bringen interessierte Mitglieder und Nutzer in spezifischen Netzwerken zusammen. – Interaktion: Jeder Nutzer kann sich durch Inhalte, durch Kommentare, durch Reaktionen beteiligen. – Öffentlichkeit: Transparenz durch Veröffentlichung von Inhalten und Nachvollziehbarkeit im digitalen Raum. – Anonymität: Repräsentanz durch Avatare und Nick-/Profilnamen möglich. Jeder Nutzer entscheidet über den eigenen Grad der Sichtbarkeit.

YouTube ist mit 95% weiterhin der von Unternehmen am meisten verwendete Social Media Kanal vor Facebook (92%), Instagram (80%), Twitter (72%) und TikTok (20%) (Stand Sept. 2022, Quelle: Dialog Digital, 07/2022, S. 12).

42% aller Webseiten weltweit nutzen die bekannteste Blogging-Software Wordpress für ihre Webpräsenz.

Im Social Media Umfeld werden unterschiedliche Medienarten unterschieden: (1) Angebote für Kommunikation: Blogging, Microblogging, Social Media Plattformen (2) Angebote für Medien-Sharing: Videonetzwerke, Audionetzwerke, Bildernetzwerke (3) Angebote zur Zusammenarbeit und Kollaboration: Online Commu­ nities, Foren, Bookmarking (4) Angebote für Bewertungen: Bewertungsplattformen Blogging, Microblogging und Social Media Plattformen sind Medienformen, die auf eine Interaktion zwischen Autoren und Nutzern ausgelegt sind. Blogs und Weblogs sind tagebuchähnliche Aufzeichnungen und Dokumentation zu interessenspezifischen Themenstellungen. Privatnutzer oder Unternehmen verfassen für die eigenen oder verbundenen Webangebote Berichte. Diese können von Lesern und Nutzern kommentiert werden. So startet eine Kommunikation zwischen beiden Seiten. Weblogs und Blogs werden i. d. R. auf einer eigenen Webpräsenz präsentiert. Ausgewählte Online-Lösungen können Blogs auch zentral verwalten, und die Autoren müssen sich nur um den Inhalt Gedanken machen. Ein bekanntes Webangebot ist die Plattform Medium (www.medium.com).

1015 vgl. Schweiger, Schrattenecker (Werbung), 2021, S. 157 f.

7.9 Internetwerbung 

 867

Microblogging ist eine Unterkategorie des Bloggings und durch die Plattform Twitter bekannt geworden. Auch beim Microblogging verfassen unabhängige Autoren Beiträge und veröffentlichen diese auf der Plattform. Zentrales Unterscheidungsmerkmal ist die Längenbeschränkung, die im Microblogging gilt. Kurze Beiträge sollen die Diskussion aktuell halten und den Lesern einen schnellen Überblick ermöglichen. Social Media Netzwerke sind von Grundstrukturen ähnlich den Microblogging-Diensten aufgebaut. Nutzer haben ein Profil auf den Seiten und lesen und veröffentlichen Beiträge. Die Abgrenzung zu Micro Blogging ist dabei fließend. Die meisten Social Media Netzwerke sind offen zugänglich. Beiträge können alle Medienformate beinhalten und auf individuelle Längen formuliert sein. Soziale Netzwerke und Social Media-Angebote richten sich an privat und beruflich orientierte Kontexte. Für viele unterschiedliche Interessensgruppen bestehen spezifische Netzwerke. Das größte Social Media-Netzwerk ist Facebook, gefolgt von Instagram und TikTok. Die Bedeutung und Größe von Microblogging und Social Media Netzwerken lässt sich unter anderem durch den sog. Netzwerkeffekt begründen: Das Netzwerk oder der Microblogging-Dienst wird mit jedem neu registrierten Nutzer für bisherige Nutzer wertvoller. Je mehr Personen und Unternehmen sich in Netzwerken engagieren, desto umfassender, interessanter und werthaltiger kann die Kommunikation und Nutzung des Netzwerks ausfallen. Durch diesen Hintergrund lässt sich die vergleichsweise geringe Anzahl an relevanten Microblogging und Social Media Diensten erklären: Das jeweils größte Netzwerke seiner Art hat den größten Nutzen für die eingeschriebenen Teilnehmer. Angebote zum Media-Sharing sind außerordentlich beliebt.1016 Video-Netzwerke bieten eine große Anzahl an Videos zu allen Themenbereichen an. User aus privatem wie beruflichem Umfeld können Videos hochladen, bearbeiten, kommentieren, teilen und empfehlen. Die Interaktion der Nutzer untereinander orientiert sich an den bereitgestellten Medien. Die Plattformen sind damit Treffpunkt zwischen Anbietern und Nachfragern von konkreten oder inspirativen Inhalten. Die beiden relevantesten Video-Netzwerke sind YouTube und Vimeo. Instagram ist ursprünglich als Medianetzwerk (hier Bilder-Sharing) gestartet, wird heute aber zu Social Networks gezählt, da der Kommunikationsaspekt eine große Bedeutung bekommen hat. Freie Audio-Netzwerke (bspw. SoundCloud) geraten durch kommerzielle Audio-Plattformen (Spotify,

1016 vgl. Lammenett (Online Marketing), 2021, S. 470.

Alternativen zu Twitter (heute X) sind Mastodon, Reddit, Discord und CounterSocial.

Ranking der 5 größten Instagram Followerzahlen (in Mio.): (1) Instagram – 545, (2) Ronaldo – 477, (3) Kylie Jenner – 368, (4) Messi – 358, (5) Selena Gomez – 344 (Quelle: Instagram, Sept. 2022).

Das am meisten Views erzielende TikTok-Video von @zachking hat bisher über 2.100.000.000 Ansichten erzielt.

868 

Monatliche aktive Nutzer von Social Media Netzwerken: (1) Facebook – 2,9 Mrd., YouTube – 2,6 Mrd., (3) Instagram – 1,5 Mrd., (4) TikTok – 1 Mrd., (5) Douyin – 600 Mio. (Quelle: Statista, 2022).

 7 Kommunikationspolitik

Deezer, Apple Music, Amazon Music) unter Druck, da Künstler auf den großen Plattformen besser monetarisieren können. In Online Communities und Foren wird gemeinsam an Themen gearbeitet oder diskutiert. Hier spielt Social Media seine Stärken aus, da Kollaboration zentrales Merkmal der Interaktivität der Web 2.0-Anwendungen ist. Das größte Online Lexikon Wikipedia steht exemplarisch für eine Online Community, die ausschließlich auf User Generated Content aufbaut und sich selbst reguliert. Social Bookmarking Plattformen tragen über die User Internet-Lesezeichen zusammen, die schrittweise die Informationsvielfalt des Internet strukturieren. Bewertungsplattformen versuchen, neben der Strukturierung von Angeboten in On- und Offline-Welten diese zusätzlich durch Nutzerfeedback bewerten zu lassen.1017 Bewertungsplattformen für Restaurants und gastronomische Angebote oder auch technische Produkte sind heute weit verbreitet. Sie haben für Social Media- und allgemeine Online Nutzer große Kaufentscheidungsrelevanz. Ehrliches Nutzerfeedback, Erfahrungsberichte und Bewertungen werden vielfach als Anhaltspunkte für Entscheidungen verwendet. Unternehmen und Anbieter beobachten und monitoren die Bewertungsplattformen und verwenden positives Feedback für eigene Promotion oder reagieren angemessen auf negatives Feedback und Kritik. Social Media-Anwendungen sind in der Kommunikationspolitik fester Bestandteil der Medienplanung. Sie können für vielfältige Zielsetzungen eingesetzt werden. Reichweiten und Interaktionsraten steigen weiter. In jüngeren Zielgruppen stellt Social Media Kommunikation die am meisten genutzte Medienform dar. Auch ältere Zielgruppen nutzen mehr und mehr Social Media Anwendungen. Unternehmen posten eigene Beiträge auf den Plattformen. Diese werden je nach Netzwerk und Technologie an User und Nutzer verteilt, die das Unternehmen kennen und ggf. vorab schon zu ihren Favoriten zugefügt haben (sog. Following, Fans, etc.). Diese Reichweite wird im Social Media Umfeld als organische Reichweite bezeichnet – die Social Media Nutzer werden kostenfrei mit den Inhalten erreicht. Eine Zielsetzung der Social Media Kommunikation liegt also im Aufbau der Followerschaft, damit zukünftige Beiträge mehr Nutzer der Netzwerke erreichen. Interaktionen sind (je Netzwerk unterschiedlich benannt/betitelt): – Like: User markieren den Beitrag mit einer „Gefällt mir“-Reaktion. – Kommentare: Schriftliche Reaktion auf einen Beitrag.

1017 vgl. Homburg (Marketing), 2020, S. 881.

7.9 Internetwerbung 

– – –

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Shares/Retweets: Weiterleitung an eigene Kontakte in- und außerhalb des Netzwerks. Abo/Following: Einem Account/User eines Netzwerks wird gefolgt. Conversions/Leads: Eine Anschlusshandlung wird erzielt, z. B ein Kauf getätigt.

Organische Reichweite stellt eine kostenfreie Reichweite dar. Netzwerke begrenzen jedoch organische Reichweiten der Beiträge, um ein User-Erlebnis zu generieren, das ihren eigenen Zielsetzungen entspricht. Große Unternehmensaccounts mit vielen tausenden von Followern erreichen bei weitem nicht alle Follower mit einem eigenen Beitrag. Neben organischer Reichweite kann daher auch eine bezahlte Reichweite verwendet werden. Social Media Netzwerke besitzen Werbebuchungstools, mit denen Social Media-Nutzer nach ausgewählten Kriterien mit eigenen Beiträgen oder speziellen Werbeanzeigen erreicht werden können. So können bspw. Unternehmensbeiträge alle Follower erreichen und zusätzlich potenziell interessierten Nutzer angesprochen werden. Die Möglichkeiten, Targeting-Kriterien festzulegen, sind bei Sozialen Netzwerken weit entwickelt. Nutzerinteraktionen mit Beiträgen und Mitgliedern erlauben vielfältige Rückschlüsse auf Interessengebiete zu. Werbebeiträge können dadurch zielgenau ausgesteuert werden. Diese besonderen Targeting-Möglichkeiten sind einer der zentralen Gründe für die starke Zunahme der Social Media-Werbung. Interessenten und Besucher von Social Profilen können durch ein Re-Targeting auch nach dem ersten gezeigten Interesse wieder mit Werbung angesprochen werden. In einem großen Feldexperiment konnte gezeigt werden, dass durch gezieltes „Verfolgen“ der Kunden mit Werbung im digitalen Umfeld gute Abverkaufsraten erzielt werden konnten.1018 Dabei durften die Werbeintentionen jedoch nicht zu offensichtlich sein, um keinen Widerstand bei den Interessenten zu riskieren. Durch zunehmende Privacy-Bemühungen im digitalen Umfeld ist jedoch absehbar, dass Targeting und Re Targeting deutlich weniger effektiv werden. Die Abwahl von Cookies bei dem Besuch von Webseiten und der Installation von Apps macht Tracking deutlich komplexer. Entwicklungen bei iOS 14 und 15 haben fast das komplette Targetingund Re-Targeting-Potenzial bei Usern im Apple-Kosmos reduziert. Neben organischen und bezahlten Verbreitungsmöglichkeiten setzen viele Social Media-Planungen auf eine virale Verbreitung.1019 Virales Social Media Marketing entsteht durch attraktive Beiträge, die von Usern

1018 Vgl. Sarstedt (Gutes Timing), 2022, S. 60. 1019 Vgl. Kreutzer (Marketing), 2017, S. 371.

YouTube hat 49 Mio. aktive Nutzer in Deutschland in 2022, die durchschnittliche Sehdauer ist 40 Minuten täglich (Quelle: Horizont 40–41/2022, S. 49).

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 7 Kommunikationspolitik

gern weiter geteilt werden. So entstehen Reichweiten, die deutlich über organische Reichweiten hinausgehen. Eine Weiterleitung führt zu einer weiteren Weiterleitung und so weiter. User leiten interessante Beitrage im eigenen Netzwerk weiter. Aber auch die Sozialen Netzwerke leiten Beiträge eigenständig weiter. TikTok hat den Algorithmus zur Verteilung von Beiträgen stark auf attraktive Beiträge ausgerichtet, die Usern vorgeschlagen werden. Gute Beiträge können dadurch deutlich größere Reichweiten als die eigene Followerschaft erzielen. Tabelle 7.41: Vor- und Nachteile von Social Media Marketing. Vorteile Social Media Marketing

Herausforderungen und Nachteile Social Media Marketing

– Dialogische Kommunikation n:n

– Wenige marktbeherrschende Plattformbetreiber

– User tragen zur Kommunikation bei (User Generated Content)

– Hoher Wettbewerb um die Werbeplätze führt zu steigenden Kosten

– Organische Reichweiten

– Geliehene Öffentlichkeit

– Virale Verbreitung möglich

– Datenhoheit beim Plattformbetreiber

– Aufbau einer Followerschaft

– Umfangreiche Content-Generierung notwendig

– Weiterhin wachsende Userzahlen

– Hohe Dynamik bei neuen Plattformen

– Authentizität der eigenen Marke

– Kausalität von Online-Werbung zu Offline-Handlung

– Vielfältige Interaktionsformen mit Usern

– Plattformspezifisches Wissen und Expertise notwendig

– Weit entwickeltes Werbebuchungssystem

– Datenschutz und Social MediaVerweigerung

– Ansprache neuer Zielgruppen und Kunden möglich

In der Betrachtung von Möglichkeiten und Herausforderungen mit Social Media Marketing (siehe dazu Tabelle  7.41) stechen verschiedene Argumente hervor. Social Media ist das Medium der 2020er Jahre. Attraktive Plattformen, viele Nutzer, gelernte Interaktion sind nur einige der zentralen Argumente, die für die Nutzung von Social Media im Rahmen der Kommunikationspolitik sprechen. Das führt aber auch zwangsläufig zu einem zunehmenden Wettbewerb um Werbeflächen, was in dem verwendeten Auktionssystem zu deutlich steigenden Werbepreisen geführt hat. In einzelnen Netzwerken ist bereits jeder dritte dem User angezeigte

7.9 Internetwerbung 

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Beitrag eine Werbeinsertion, was auch zu Werbeblindheit oder Abneigung gegen die intrusive Werbung führen kann. Eine große eigene Followerschaft belegt die Popularität der eigenen Marke und Produkte. Sie ist jedoch kein Garant für die Möglichkeit, die eigenen Fans und Follower regelmäßig mit Informationen versorgen zu können. Die organischen Reichweiten werden von den Plattformbetreibern bewusst reduziert, um Werbung anbieten zu können. Eigene Follower sind für Unternehmen außerhalb der Plattformen nicht zu erreichen, da die Daten im Plattform-Ökosystem verweilen. So entsteht für werbende und Social Media aktiv nutzende Unternehmen ein Zwiespalt: Social Media ist als Medienart interessant, modern, interaktiv und erreicht eine Vielzahl an Kunden und Interessierten. Jedoch besteht eine Abhängigkeit von Goodwill der Plattformen. Entwicklungen der großen Plattformbetreiber können die Möglichkeiten einschränken, die einmal entwickelte und aufgebaute Reichweite zu den Nutzern zu verwenden. Regeln und Vorgaben der Plattformen schränken die eigene Kreativität ein. Social Media Marketing ist ein ideales Werkzeugt, um Nutzern Markenerfahrung zu bieten. Authentische und interaktive Kommunikation über Beiträge und Videos lassen Kunden Marken und Produkte besser kennenlernen und stärken die Bindung an die Marke. Es ist kein klassischer Abverkaufskanal. Die Netzwerke etablieren Shopping-Funktionalitäten, jedoch bevorzugen die meisten Kunden weiterhin größere Onlineshops mit vielfältigerer Auswahl und umfangreichen Funktionalitäten. Startups haben jedoch auch schon im Social Media Umfeld mit einer klar auf diese Kommunikationsform ausgerichteten Vertriebsstrategie große Erfolge erzielen können. Eine Übersicht zu Einsatzbereichen des Social Media Marketing fasst Abbildung 7.68 zusammen.

7.9.7 Influencer-Marketing und Werbung „Influencer-Marketing ist die Planung, Steuerung und Kontrolle des gezielten Einsatzes von Social-Media-Meinungsführern und Multiplikatoren, um durch deren Empfehlungen die Wertigkeit von Markenbotschaften zu steigern und das Kaufverhalten der Zielgruppe positiv zu beeinflussen.“1020

1020 Deges, online unter: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/influencermarketing-100361/version-340186.

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 7 Kommunikationspolitik

Maßgebliche Einsatzbereiche – Social Media Marketing

Recruitment / Kundenakquisition

Stakeholder Brand/Marke/Positionierung

Eignung

Brand / Marke Sales / Verkauf 1:n Sales / Verkauf 1:1 Retention / Kundenbindung Recovery / Kundenrückgewinnung

Abbildung 7.69: Maßgebliche Einsatzbereiche Social Media-Marketing.

Die Nutzung von Social Media Plattformen zur Verbreitung von Inhalten rund um persönliche Interessensgebieten sorgt für eine exponierte Stellung innerhalb dieser Netzwerke. Freunde, Familie aber auch Fremde folgen geposteten Inhalten. Schrittweise baut sich die Meinungsführerschaft zu speziellen Themen auf. Die Motivation der Influencer zum eigenverantwortlichen Erstellen und Teilen von Inhalten entsteht aus unterschiedlichen Hintergründen:1021 – Expertenwissen weitergeben: Influencer unterstützen bei Fachfragen und helfen mit ihrer Expertise den Followern und Fans. – Themen erklären: Als Experte stehen sie für weiterführende Erklärungen zur Verfügung. – Menschen trainieren: Die besondere Beziehung von Influencer und Follower kann auch einen begleitenden Unterstützungsansatz bei Influencern ansprechen. – Coachen: Influencer begleiten ihre Follower und gehen in den Austausch. – Inspirieren: Initiierung von Neuem. – Missionieren: Überzeugungsarbeit für spezifische Themen. – Geld verdienen: Nutzung der eigenen Reichweite und Monetarisierung. Aus Sicht der Markenpolitik sind drei Merkmale von Influencern relevant: Influencer sind Markenliebhaber, Markenkritiker und Markenexperten

1021 Vgl. Spandl (Influencer Marketing), 2019, S. 17.

7.9 Internetwerbung 

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Unternehmen versuchen Reichweite und Bekanntheit der Influencer in ihrer Followerschaft für eigene kommunikative Zielsetzungen zu nutzen. Wenn ein Influencer eine Kooperation, eine positive Nennung oder einen Erfahrungsbericht authentisch kommuniziert und postet, hat dies beeinflussende Wirkung auf Follower. Diesen Zusammenhang versuchen die Unternehmen durch Werbevereinbarungen mit Influencern zu nutzen. Die Auswahl von passenden Influencern für eine Zusammenarbeit erfolgt durch eine Abstimmung zwischen Themen des Influencers und Themen und Kommunikationszielsetzungen des Unternehmens oder des zu bewerbenden Produktes. Ergänzend wird nach möglichen Reichweiten differenziert, die ein Influencer in die Zusammenarbeit einbringt. – Family­and­Friends­Influencer, alternativ Nano-Influencer, i. d. R. 1.000–10000 Follower, – Micro­Influencer, i. d. R. 10.000–50.000 Follower, – Mid­Tier-Influencer, i. d. R. 50.000–500.000, – Mega­Influencer, i. d. R. 500.000 + Follower, – Celebrity­Influencer, i. d. R. Influencer, die über Social Media hinaus bekannt sind. Die Klassifizierung der Followerschaft sind vergleichsweise willkürlich gezogen, dienen aber der differenzierten Analyse und Betrachtung unterschiedlicher Kommunikationsoptionen. Mit kleineren Influencern werden zielgenaue Kooperationen vereinbart, bei denen der Werbetreibende einen Einfluss auf die Ausgestaltung der Kooperation nimmt. Je größer die Reichweiten und je bekannter die Influencer werden, desto eher diktieren Influencer die Bedingungen und Optionen der Zusammenarbeit. Als Werbetreibender tauscht man folglich Kontrolle gegen Reichweite. Ist die Zielsetzung eine markenkonforme Kommunikation, benötigt man mehr kooperationswillige kleinere Influencer. Sollen große Reichweiten erzielt werden, orientieren sich Unternehmen an den Erfahrungen und Best Practices der Influencer. Große und erfolgreiche Influencer sind dadurch zu eigenen Marken geworden. Durch die Auswahl passender Werbepartner unterstützen die Influencer ihre Authentizität auf den Plattformen.1022 Follower erkennen in der gezielten Auswahl der Werbepartner den Bezug zur Persönlichkeit. Der Markenkern der Influencer wird durch passende Partnerschaften und Werbekooperationen gestärkt. Die von Influencern ausgesprochenen Produkt- und Unternehmensempfehlungen haben unterschiedliche Wirkungen. Die Empfehlung wirkt direkt

1022 vgl. Anton, J., (Reichweite), 2021, S. 23.

Virtuelle Influencer: Auch artifizielle Persönlichkeiten (Avatare) können auf sozialen Netzwerken Followerschaften aufbauen. Durch virtuelle Influencer haben Marken die volle Kontrolle über die Botschaften.

Markenwerte der wertvollsten Influencer: (1) @leoniehanne: 10,9 Mio. €, (2) @pamela_rf: 10,4 Mio. €, (3) @ carodaur: 8 Mio. €, (4) @novalanalove: 5,4 Mio. €, @juliabeautx: 5,4 Mio. € (Quelle: Anton, J. (Reichweite), 2021, S. 23).

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 7 Kommunikationspolitik

auf den Empfehlungsempfänger. Sie unterstützt das bisherige Wissen und die Präferenz für die Kooperationsmarke und kann auch für eine verstärkte Bindung sorgen. Über die Reichweite der Influencer erreicht die Empfehlung auch meist Follower die noch kein Kunde des werbetreibenden Unternehmens sind. Somit dient Influencer Marketing bei Auswahl von passenden Influencern sogar als Neukundenmarketing-Instrument. Die Bezahlung von Influencer-Kooperationen bietet verschiedene Alternativen: – Pay­per­Post (PPP): Jedes Posting wird mit einem vorab fixierten Betrag entlohnt, Basis ist die Followerschaft des Influencers. – Cost­per­Reach (CPR): Die Bezahlung orientiert sich an der effektiv erzielten Reichweite durch den Post. – Cost­per­Engagement (CPE): Jede Followerreaktion wird vermerkt und dienst als Basis für die Abrechnung, bspw. Likes oder Kommentare. – Cost­per­Sale (CPS): Influencer Kooperationen können so gestaltet werden, dass eine eindeutige Bemessung des erzielten Umsatzes möglich ist, z. B. über Gutschein-Codes. Auf diesen Umsatz können sich Abrechnungen dann beziehen. – Frei vereinbartes Honorar: Längerfristige Zusammenarbeiten lassen sich auch über einen Rahmenvertrag vereinbaren. Tabelle 7.42: Merkmale eines erfolgreichen Influencer Marketing. Merkmale eines erfolgreichen Influencer Marketing

Beschreibung

Fit zwischen Influencer und Marke

Influencer haben eine Kompetenz für ausgewählte Themen, bei denen die Follower die Expertise schätzen, diese Themen müssen ebenfalls vom Unternehmen glaubhaft vertreten werden.

Authentischer Auftritt des Influencers

Influencer genießen durch ihr persönliches und authentisches Auftreten Vertrauen bei den Followern, Unternehmenskooperationen müssen in ähnlich authentischer Art konzipiert sein.

Kreative Freiheit für den Influencer

Unternehmen können Influencern nur wenige harte Vorgaben zur Umsetzung der Kooperation machen, da die Influencer Erwartungen der eigenen Follower am besten verstehen.

Quantitative Steuerung der Zusammenarbeit

Kennzahlen und vereinbarte Performance-Erwartungen sind essenziell für erfolgreiche Influencer-Relations.

Langfristige Strategie

Influencer-Kooperationen benötigen einen langfristigen Zeithorizont, damit sich die Abläufe etablieren und die Follower die Partnerschaft kennen und schätzen lernen.

7.9 Internetwerbung 

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Wichtige Elemente einer guten Zusammenarbeit zwischen Influencer und Unternehmen sind in Tabelle 7.42 zusammengefasst. Influencer Marketing hat sich aus einer Nischen-Kommunikationsform zu einem etabliertem Instrument der Social Media Kommunikation entwickelt. Maßgebliche Einsatzbereiche – Influencer Marketing Stakeholder Brand/Marke/Positionierung

Eignung

Recruitment / Kundenakquisition

Brand / Marke Sales / Verkauf 1:n Sales / Verkauf 1:1 Retention / Kundenbindung Recovery / Kundenrückgewinnung

Abbildung 7.70: Maßgebliche Einsatzbereiche Influencer Marketing.

Abschließend verdeutlicht Abbildung  7.70, dass Influencer Marketing einen starken Imagebildenden Aspekt besitzt. Da Social Media eher inspirierend denn abverkaufend wirkt, ist ein Umsatzeffekt von Influencer Marketing zwar vorhanden, jedoch nicht dominierend.

7.9.8 Affiliate Werbung Die partnerschaftliche Zusammenarbeit von Online-Vermarktern hat den Begriff Affiliate Marketing etabliert.1023 Ein Merchant (bspw. Hersteller oder Händler) bietet Produkte und Dienstleistungen auf seiner Webseite an und sucht Publisher (bspw. Webseitenbetreiber oder Newsletterherausgeber), die seine Inhalte und Produkte gegen eine Provisionszahlung anbieten und co-vermarkten. Für den Merchant ergibt diese Partner-

1023 Erwin Lammenett beschäftigt sich umfassend mit Affiliate Marketing in seinem Fachbuch zum Online Marketing, siehe dazu Lammenett (Online Marketing), 2021, S. 47 ff.

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 7 Kommunikationspolitik

schaft weitere Reichweiten und neue Umsatzerlöse. Für den Publisher bietet es eine Möglichkeit, eigene Reichweiten ohne eigene Produkte zu monetarisieren. Diese Art der Zusammenarbeit eignet sich gut für digital vertriebene Produkte und Dienstleistungen, da eine gute Belegführung auf beiden Seiten möglich ist. Der Publisher kann dokumentieren, wie viele Kontakte und Leads über den spezifischen Link generiert wurden, die der Merchant für die Partnerschaft erstellt hat. Und der Merchant bekommt eine eindeutige Kennzeichnung und Zuordnung der Umsätze zu den mit ihm arbeitenden Publishern. In der Ausgestaltung der vertraglichen Beziehung stecken einige Herausforderungen. Wie lange wird eine Vermittlungsleistung einem Publisher gutgeschrieben. Ein Kunden klickt einen Affiliate Link und besucht den beworbenen Shop. Ein Shop-spezifisches Cookie wird bei dem Besucher gesetzt. Der Kunde kauft jetzt aber nicht, sondern besucht den Shop durch die Eingabe der Webseitenadresse nach 45 Tagen noch einmal und kauft. Wer hat den Kunden geworben, sind für den Kunden Provisionszahlungen angemessen? Auch Aspekte wie Stornierungen und Retouren, Fristen der Abrechnung und Differenzierungen zwischen prozentualen und pauschalen Vergütungen müssen zwischen Merchant und Publisher vereinbart sein. Geschäftsmodelle nach dem Affiliate Prinzip sind weit verbreitet. Produktvergleichsseiten, Nischen-Webseiten und Rabatt-Portale sind vielfach durch Affiliate-Provisionen finanziert. Der Aufbau des Inhalts wird durch Publisher betrieben. Merchants honorieren dieses Content Marketing und Management mit Provisionen.

7.9.9 Werbung in virtuellen Welten: In Game und Metaverse Die Internettechnologie wird zunehmend ubiquitär verfügbar. Der Übergang zu einem dezentralen Internet nach Ansätzen des Web 3.0 lassen neue Formen der Kommunikation entstehen. Zwei spezifische Ausprägungen sollen hier thematisiert werden: Werbung in Video- und Computerspielen (sog. In Game Werbung) sowie Werbung in Metaverse-Anwendungen. Die globale Industrie der Video- und Computerspiele hat mit einem Umsatz von aktuell rd.  165 Mrd. US$ die globale Filmindustrie abgehängt. Weltweit erfolgreiche Videospiele haben Millionen an Spielern in auf allen Kontinenten und in allen Zeitzonen. Allein das Spiel Minecraft hat über 235 Millionen Verkäufe erzielt. Rund 50 Millionen Spielkonsolen sollen 2022 verkauft werden. Und mittlerweile spielen fast gleich

7.9 Internetwerbung 

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viele Frauen (47%) wie Männer (53%) Computerspiele. Die Medienart ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Unternehmen fassen in diesem Medienformat Fuß. Computerspiele bieten unterschiedliche Optionen, Werbung zu schalten. Sog. Free-toPlay Games (Spiele, die vom Spieler kostenlos gespielt werden können) werden durch Werbung finanziert. Werbungen können beim Starten des Spiels eingeblendet werden, sie können als Zwischensequenz vor Start eines neuen Levels geschaltet werden oder Werbeinsertionen werden fest in die Spiele programmiert. Beispielsweise werden in populären Fußball-Computerspielen die Bandenwerbeflächen vergleichbar echten Bandenwerbungen vermarktet und als Werbeflächen angeboten. Zu bewerbende Produkte können auch thematisch in Computerspiele integriert werden. Eine Rennsimulation kann Sportwagen bekannter Markenhersteller szenisch integrieren, und Spieler haben eine spezifische Markenerfahrung. Diese Art der Werbung ähnelt Product Placement. Ein weiteres attraktives Werbeformat ist das sog. AdGame: Ein Spiel wird speziell für und mit einer Marke entwickelt und dann kostenfrei zum Spielen angeboten. In Game-Werbung hat durch die Zunahme des mobilen Gamings weiter an Relevanz gewonnen. Die Verfügbarkeit sog. Casual Games (einfache und kurze Spiele für den Zeitvertreib) für Freizeitgamer bietet Werbungstreibenden attraktive mobile Werbungoptionen. Werbeinsertionen werden zielgruppenspezifisch gebucht und werden den Gamern zeitpunktbezogen in den Spielen eingeblendet. Werbung wird dynamisch ausgespielt. Performance-orientierte Kampagnen können von Kunden gebucht werden. Das Metaverse geht über die über Spielewelten hinaus. „Das Metaverse (dt. „Metaversum“) ist ein virtueller Raum, in dem sich Benutzer mit Hilfe von Avataren bewegen und in dem sie virtuelle Artefakte beeinflussen und nutzen können, etwa wenn sie sich Kleidung überziehen, ein Haus bauen und dieses einrichten, eine Tür öffnen und auf die Straße hinaustreten und dort Mitspieler und Gleichgesinnte treffen. Wie in der realen Welt kann man dort leben, arbeiten, lernen, Handel treiben, Gespräche führen und Beziehungen aufbauen.“1024 Die Entwicklung der 3D Simulation „Second Life“ in den Jahren 2003–2005 lieferte einen ersten Eindruck von einer parallelen digitalen Welt gegeben. Mit Avataren haben sich Nutzer durch die Second Life Welt bewegt und miteinander interagiert. Unternehmen haben virtuelle Unter-

1024 Bendel, online unter: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/metaverse-123520/ version-385415.

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 7 Kommunikationspolitik

nehmenspräsenzen aufgebaut und neben der echten Welt eine digitale Welt für Kunden und Interessierten entwickelt. Die Diskussionen um das Metaverse sind in den frühen 2020er Jahren wieder aufgekommen. Verschiedene virtuelle Welten haben sich in der Zwischenzeit etabliert. Für immer mehr Menschen bietet eine virtuelle Umgebung eine Option, sich auszutauschen, zu kommunizieren und einen Teil des Lebens zu verbringen. Auch hier experimentieren Unternehmen zunehmend mit Optionen, Werbung einbringen zu können. Das Metaverse ist dabei kein zentraler Ort im Internet, sondern wird sich in verschiedenen Interessengebieten differenziert entwickeln. Echte und virtuelle Welt verschmelzen, und Grenzen der realen Welt werden aufgehoben. Große Hoffnungen setzt die Technikbranche auf Web 3.0-Technologien, die eine starke Beteiligungen aller Internetnutzer an der Gestaltung der virtuellen Welten ermöglicht. So will sich die Metaverse-Entwicklung von den zentralen Plattformen der Web 2.0-Welt lösen und stärker partizipativ werden. Verschiedene Werbungs- und Kommunikationsoptionen werden für die Zukunft des Metaverse diskutiert: – Anzeigen/Display­Ads: Unternehmen können in ausgewählten Anwendungen und Welten des Metaverse klassische Anzeigen schalten, die auf eigene Produkte verweisen. – Virtuelle Experiences: Unternehmen bieten ausgewählte Erlebnisse im Metaverse-Umfeld an. So können virtuelle Showrooms eingerichtet werden oder Künstler für Konzerte im Unternehmensumfeld eingebucht werden. – Digitale Ausstattungselemente: Im Videogame-Umfeld haben virtuelle Skins und Bekleidungen große Bedeutung, Unternehmen können besondere technische oder gestalterische Individualisierungsoptionen anbieten, die die Kunden attraktiv finden. – NFTs: Sog. Non Fungible Token dokumentieren Rechte an digitalen Einheiten oder Produkten. Unternehmen können damit Nutzer und User zu Anteilseignern und Besitzern der Welten und Spiele machen, User können als Fan NFTs sammeln oder von einem möglichen Wertezuwachs der digitalen Rechte profitieren.

7.10 Direktwerbung „Wir werden in der Zukunft weniger mit der großen Gießkanne die Kommunikation betreiben. Für uns sind Database-Management, Clienting die Stichworte. Wir werden versuchen, die Kundenbeziehungen direkter und mit größerer Erfolgschance aufzubauen und nicht nur über die

7.10 Direktwerbung 

 879

Fernsehwerbung zu gehen.“1025 Eine Erkenntnis, die nichts an Aktualität verloren hat – Direktwerbung ist eine wesentliche Disziplin der Kommunikationspolitik. Unpersönliche Medienwerbung „macht“ Marken. Sie hat aber Grenzen: – hohe Streuverluste und damit hohe Kosten pro Zielgruppenkontakt, – Zielgruppendifferenzierung ist nur durch Auswahl zielgruppenspezifischer Werbeträger möglich (z. B. Essen & Trinken versus Diät), – anonyme Werbung schafft keine persönlichen Beziehungen, – i. d. R. keine Nachfassmöglichkeiten für den Werbenden, da kein Dialog mit dem Kunden erfolgt (gilt nicht für Anzeige mit Responseträger, Coupon),1026 – im Regelfall kein kundenangepasstes Kontaktprogramm möglich, – Werbeadressaten werden gleich angesprochen, keine Berücksichtigung des Kundenstatus auf dem Weg vom Interessenten zum Stammkunden, – Werbebotschaften werden gleichförmiger, Verbraucher sind übersättigt. Wegen dieser strukturellen Grenzen haben Versandhandelshäuser bereits ab 1960 Anstrengungen unternommen, Instrumente für eine persönliche Ansprache von Konsumenten zu entwickeln. Heute übernehmen spezielle Direktmarketing-Dienstleister für die werbetreibende Wirtschaft die Aufgaben, – Kontaktdaten und Adressen von Interessenten zu suchen (Wer kommt als Kunde in Betracht?), – Adressen zu qualifizieren (Was kauft der Kunde?), – diese Adressen an Anbieter mit besonderen Zielgruppenwünschen zu verleihen oder zu verkaufen (Wer könnte aus einer Adresse Nutzen ziehen?) – bzw. selbst, im Auftrag eines Anbieters, diese Interessenten anzusprechen, – um Werbebotschaften zu übermitteln – und Kaufabschlüsse zu generieren.

1025 Interview mit dem früheren DaimlerChrysler Vertriebsvorstand Dr. Zetsche: Zetsche, (Mercedes), in: ASW, 5/1996, S. 14–18. Interview durch Peter Sippel. 1026 hier ist allerdings eine wichtige Anmerkung des Deutschen Direktmarketing Verbandes hinzuweisen: Danach enthalten über 30% aller Anzeigen und Beilagen Response-Elemente.

880 

Werbeausgaben für Dialogmarketing 2019 in Mrd. €: (1) Online-Medien: 9,6, (2) Werbesendungen volladressiert: 5,9, (3) Werbesendungen un-teiladressiert: 1,6, (4) Telefonmarketing: 1,0 (Quelle: Deutsche Post, Dialogmarketing-Monitor 2020).

 7 Kommunikationspolitik

Adressenanbieter prägten den Begriff Direktmarketing-Unternehmen, obgleich der ursprünglichen Intention gemäß der Name DirektwerbeUnternehmen angemessener wäre. „Direktmarketing bedeutet, in direktem Dialog mit sorgfältig ausgewählten potenziellen Kunden zu treten, um eine unmittelbare Reaktion zu erhalten und um langfristige Kundenbeziehungen herzustellen.“1027 Direktwerbung umfasst alle Maßnahmen einer personalisierten Ansprache von Interessenten und Kunden, bei denen mit Hilfe von Brief, Telefon, E-Mail, SMS, Coupon, Newsletter oder anderer Responseträger Werbewirkung erzielt werden soll (kommunikationsorientierte Definition). Wenn im Rahmen der Direktwerbung verstärkt Response-Elemente zum Einsatz kommen, dann spricht man auch von Dialogmarketing, um die Intention von Interaktionen mit Kunden zu betonen. Die Deutsche Post spricht seit dem Dialog Marketing Monitor 2009 nur noch von Dia­ logmarketing. Der Deutsche Direktmarketingverband hat sich in Deutscher Dialogmarketingverband (DDV) umbenannt. Der Begriff Database-Marketing wurde von den großen Versandhandelsunternehmen geprägt (Otto, Quelle, Neckermann, Schwab, Baur). Database-Marketing bedeutet personalisierte und individualisierte Direktansprache auf der Grundlage relationaler Kundendatenbanken. Diese Definitionen1028 bieten zwei Vorteile: – Sie stellen die Direktwerbung neben den Verkauf und verhindern dadurch, dass der persönliche Verkauf seine Bedeutung als eigenständiges Instrument des Marketing-Mix verliert.1029 – Sie verhindern in gleicher Weise die Vereinnahmung von Verkaufsförderung und Public Relations durch das Direktmarketing, Andererseits ist nicht von der Hand zu weisen, dass z. B. ein Werbebrief mit beiliegender Rückantwortkarte unmittelbar zum Kauf einlädt. Call-Center sollen zunehmend verkaufen. Die Grenze zwischen Direktwerbung und Verkaufspolitik ist also doch fließend.

1027 Kotler et al., (Marketing), 2011, S. 942. 1028 vgl. zu der Fülle möglicher Begriffsauslegungen Holland, (Direktmarketing), 2009, S. 5–6. 1029 Dallmer spricht sogar von „Direktbelieferung“ mit „Hilfe von Reisenden bzw. Handelsvertretern sowie Verkaufsbüros bzw. Katalog-Show-Rooms“. Diese Begriffsauslegung geht zu weit: vgl. dort S. 480. Die Vereinnahmung des Verkaufs bzw. die Schaffung einer alle Marketinginstrumente integrierenden, übergeordneten Direktmarketing-Welt ist verständlicherweise für die Autoren reizvoll, die sich speziell mit dieser Thematik befassen: vgl. Holland, (Direktmarketing), 2009, S. 5–9.

7.10 Direktwerbung 

 881

Deshalb besteht hier auch eine verkaufsorientierte Definition: Dialogmarketing bzw. Direktwerbung umfasst alle Maßnahmen einer personalisierten Ansprache, bei denen mit Hilfe von Brief, Telefon, E-Mail, SMS, Coupon, Newsletter oder anderer Responseträger Kaufabschlüsse erzielt werden sollen. Das Direktmarketing bietet somit Ansatzpunkte, kostspielige Außendienstbesuche zu ersetzen. Nach dieser Auslegung ist Direktmarketing also Direktverkauf ohne Außendiensteinsatz. Und das Dialogmarketing verfolgt das Ziel, über einen einmaligen unpersönlichen Werbe- oder Verkaufskontakt hinaus in einen permanenten Beziehungsprozess mit einem Interessenten oder Kunden zu treten. Als definierte Instrumente der Direktwerbung kommen zum Einsatz: (1) (Direkt) Mailing: personalisierte, zumeist großzahlige schriftliche Kundenansprache (Direktmarketing mit Print), (2) E­Mailings, Newsletter, Internet-Kontaktprogramme: Kundenansprache im Internet (Direktmarketing mit digitalen Medien), (3) Telefonmarketing (Telemarketing): telefonische Direktansprache durch ein betriebsinternes oder -externes Call-Center (Direktmarketing mit dem Telefon). Durch den Einsatz von Direktwerbung-Instrumenten werden u. a. folgende Aufgaben erledigt: – Marktforschung, Zielgruppenbestimmung, Kundenqualifizierung; z. B. Erhebung von Kundenmeinungen zu Eigenschaften oder Qualitäten von Produkten, – Kundenbedarfsanalysen mit Hinweisen an den Außendienst, wo sich Besuche lohnen und evtl. Vereinbarung von Außendienstbesuchen, – Lead­Generierung, d. h. Herausfiltern echter Interessenten aus einer Menge von Kontaktadressen zur Unterstützung des Verkaufs (z. B. Terminplanung), – Kundenansprache zur Unterstützung von Handelspartnern und Vertrieb (z. B. bieten Heizungshersteller wie Wolf und Buderus ihren Handwerkern Marketingpakete an, mittels derer diese neuen Kunden ausfindig machen können), – Hotlines und Servicedienste für Interessenten und Kunden, – Einladung von Interessenten und Kunden zu Veranstaltungen, – Auftragsannahme und Verkauf, z. B. Ticket-Service, Stromverträge. Die Vision der Direktwerbung ist Dialogmarketing, d. h. die permanente Interaktion mit dem Kunden. Neue Medien, wie das Adressable TV IP-Adresse oder Augmented Reality Medien werden zukünftig neuartige

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 7 Kommunikationspolitik

Möglichkeiten für eine Direktansprache bieten. Tabelle 7.43 fasst eine Bewertung des aktuellen Standes zusammen. Tabelle 7.43: Vor- und Nachteile Direktwerbung. Vorteile Direktwerbung

Herausforderungen und Nachteile Direktwerbung

– Persönliche Art der Kundenansprache

– Hohe direkte und indirekte Kosten (insb. bei Print) bei großen Zielgruppen

– Zielgenaue Aktionen und Promotion möglich

– Exponentiell steigende Komplexität bei zunehmender Individualisierung

– Flexibler Einsatz, eine Aktion in unterschiedlichen Ausprägungen bei unterschiedlichen Kunden

– Werbeerlaubnis der Kunden für digital und Telefon notwendig

– Kurzfristiger Einsatz möglich

– Hohe Anforderungen an die Kundendatenhaltung

– Rückkanal für Kunden, direkte Bestellungen und Käufe, Rückfragen, Beschwerden

– Datenschutz und weitere rechtliche Voraussetzungen

– Günstige Umsetzung bei kleinen Zielgruppen – Sehr günstige Umsetzung bei digitalem Dialogmarketing

Maßgebliche Einsatzbereiche – Direktwerbung

Recruitment / Kundenakquisition

Stakeholder Brand/Marke/Positionierung Brand / Marke Sales / Verkauf 1:n Sales / Verkauf 1:1 Retention / Kundenbindung Recovery / Kundenrückgewinnung Abbildung 7.71: Maßgebliche Einsatzbereiche Direktwerbung.

Eignung

7.10 Direktwerbung 

 883

Eine Übersicht zu Einsatzbereichen hat Abbildung 7.71. Ausgewählte Empfehlungen für gelingende Direktwerbung fasst Tabelle 7.44 zusammen: Tabelle 7.44: Empfehlungen für die erfolgreiche Direktwerbung. Empfehlungen für erfolgreiche Direktwerbung – Stellen Sie die direkte und persönliche Ansprache durch ausreichend qualifizierten Adressen und Kundendaten sicher. – Experimentieren Sie mit den Formaten: So viel digital wie möglich, so viel haptisch wie nötig. Print erlebt dabei aktuell eine Renaissance. Telefon ist das Conversionsstärkste Medium. – Entwerfen Sie die Botschaften mit Berücksichtigung von Lese- und Blickrichtungen, welche Elemente sehen die Empfänger zu welchem Zeitpunkt. – Bieten Sie einen klar erkennbaren und passenden Rückkanals, um sofortige Reaktion zu provozieren. – Ihr Layout muss dem Auslieferungsmedien entsprechen. Planen Sie auf unterschiedliche Bildschirm- und Displaygrößen von PCs und Smartphones für Newslettergestaltung. – Alle notwendigen und dokumentierten Genehmigungen bei digitalem und telefonischem Direktmarketing müssen vorliegen. Halten Sie Ihr Wissen zum Datenschutz aktuell.

7.10.1 Response-Elemente als Merkmale der Direktwerbung Direktwerbe-Instrumente entfalten ihre Wirkung, wenn sie Elemente enthalten, die die Adressaten zu einer Antwort und dadurch zum Eintritt in einen Dialog animieren. Diese Antworten der Kunden – die Responses – bilden die Grundlage für Verbesserungen von Personalisierung und Individualisierung und für den Closed Loop. Voraussetzung ist, dass die antwortenden Kunden erfasst (personalisiert) werden können – oft durch Registrierung – und dass Antwortelemente etwas über die Wünsche und das Kaufverhalten der Kunden verraten. Denn Response-Elemente sollen letztlich bedürfnisgenaue Angebote und Kaufentscheidungen ermöglichen. Abbildung 7.72 stellt gängige Instrumente zusammen. Diese kommen bei den in den folgenden Abschnitten beschriebenen Instrumenten zum Einsatz. Die zentrale Anforderung ist bei der Konzeption von Response Elementen die einfache und schnelle Verwendung durch die Empfänger. Kunden werden Aufwand scheuen, auf eine Werbung mit komplizierten Mechaniken und Methoden zu reagieren. Ein QR Code ist ein mittlerweile gelernter und akzeptierter Rückkanal, den nahezu alle Empfänger von Direktmarketing nutzen können.

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 7 Kommunikationspolitik

RESPONSE-ELEMENTE FÜR DAS DIREKTMARKETING Ad-hoc-Instrumente – – – – – – – – – – – – – –

Direkte Bestellmöglichkeit auf Werbeträger Call-Back-Button Abruf von Zusatzinformationen Print Abruf von Zusatzinformationen digital Rateinholung durch Experten Dialog mit einem Autor oder einer VIP Aufruf zu Leserbrief Antwortkarte Antwort-SMS Hotline-Nummer mit Zusatzinformationen QR Code Links zu interessanten Homepages Videocall Chatbot

Konzeptionelle Instrumente – – – – – – – – – – – –

Registriermöglichkeit mit Added-Value-Services Gewinnspiel Mitmach-Aktion Coupon-Abruf Kundenbefragung Online-Chat Newsgroup Community, z.b. in Facebook Podcast Direct Response Radio Blog Augmented Reality

Abbildung 7.72: Response Elemente für das Direktmarketing.

7.10.2 Direktwerbung mit Print Postalische Direktwerbung umfasst alle Formen der schriftlichen Direktansprache. Mit über 5 Mrd. Werbebriefen (pro Haushalt zwischen 1,5 und 2 Briefe pro Woche) und ca. 10 Mrd. Streuprospekten (ca. 5 – 6 pro Haushalt und Woche) sind sie noch immer ein dominierendes Direktmarketing-Instrument. Die Kehrseite: Konsumenten beschweren sich über ungewünschte Werbung per Brief, E-Mail, Mobilfunk und Festnetztelefon. In der Robinson-Liste können sich Verbraucher eintragen, um von einer Direktansprache verschont zu bleiben.1030 Der Deutsche Dialogmarketing Verband DDV e.V. möchte mit seinen über 900 Mitgliedern die Verbraucherakzeptanz für das Direktmarketing stärken. Er ruft seine Mitglieder im Sinne eines Ehrenkodex auf, die Wünsche der in der Liste geführten Konsumenten zu respektieren.1031 Auch in zunehmend digitalen Zeiten erfüllt postalisches Direktmarketing wichtige Funktionen im Kommunikationsmix und kann sich mit gewichtigen Argumenten auch gegenüber vermeintlich moderneren Kommunikationsinstrumenten behaupten:1032 – Stabile Erfolgsquoten: Der Erfolg von postalischem Direktmarketing ist in den Jahren stabil geblieben. – Wertschätzung durch Kunden: Hochwertige Gestaltung und ein haptisches Erlebnis durch die Verwendung besonderer Papierar1030 Eintrag unter www.robinsonliste.de. 1031 Eine Übersicht verschiedener Kodizes findet sich unter: https://www.ddv.de/verband/qualitaet/ehrenkodizes.html 1032 Vgl. Spandl/Plötz (Postalisches Direktmarketing), 2018, S. 3 f

7.10 Direktwerbung 







– –

– –

 885

ten erfreuen sich im Vergleich zur emotionslosen Versendung einer E-Mail auch heute noch einer entsprechenden Wertschätzung der Kunden. Vielfältige Erscheinungsformen: Der Sammelbegriff Print reicht von einem einfachen s/w Anschreiben über besondere Druckformate bis hin zur Zusammenstellung unterschiedlicher Versandelemente – Printmailings können sehr aufmerksamkeitsstark gestaltet werden. Markenaufbau mit Print: Der regelmäßige haptische Kontakt zu einer Marke über Printmailings baut die Markenwahrnehmung gezielt auf. Low Tech­Umsetzung: Eine Printmailing-Kampagne benötigt keine technische Expertise, klassische Bürosoftware genügt für einen schnellen Einstieg. Geschwindigkeit in der Umsetzung: Schnelle Reaktionsmöglichkeiten, die nach eigenem Zeitplan umgesetzt werden. Zustellung ohne Genehmigung des Empfängers möglich: Printmailings sind die einzige Direktmarketingart, die ohne explizite Genehmigung des Empfängers eingesetzt werden können. Allerdings ist eine Opt-out Willenserklärung der Adressaten zu beachten. Geringe Reaktanz: Die Abwehrhaltung gegenüber Printmailings ist geringer im Vergleich zu digitalen Instrumenten. Standardinstrument für die B2B­Ansprache: Im B2B Marketing ist die Versendung von Printmedien eines der wichtigsten Instrumente, um eine persönliche Beziehung zu initiieren und aufrecht zu erhalten.

Abbildung 7.73 enthält Prozessschritte für das Direkt-Mail-Marketing laut DDV.1033 Die Marketingfunktionen sind hier um Verkaufs- und Abwicklungsaufgaben erweitert. Der Erfolg eines Mailings hängt von drei wichtigen Parametern ab: – Personalisierung (Stammdaten): Kundenadressen sollten korrekt und aktuell sein. – Individualisierung (zumeist weiche Daten): Auf das Kaufprofil bzw. auf die Bedürfnissstruktur des Kunden wird individuell eingegangen. Ziel ist eine bedürfnisgerechte Angebotserstellung (Individualisierung der Angebote). – Attraktive Package­Gestaltung: Printwerbemittel werden durch Beilagen, Beihefter und Beikleber aufgewertet.

1033 Quelle: DDV e.V. (Hrsg.): Direkt zum Kunden, 2002, S. 11.

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 7 Kommunikationspolitik

FULFILLMENT NACH AUFTRAG – Kundenservice / Hotline – Auftragsabwicklung – Lagerhaltung – Warenwirtschaft – Versandwesen – Fakturierung, Rechnungswesen – Retourenbearbeitung – Controlling

RESPONSE BEARBEITEN – Responseoptimierung – Entgegennahme (Brief, Telefon, Fax, Mail) – Datenerfassung – Statistik / Analyse – Erfolgskontrolle

ADRESSENMANAGEMENT – Zielgruppenauswahl – Lieferung von Adressen – Adressenbearbeitung/-pflege – Adressen identifizieren – Adressen mieten/kaufen – Adressen qualifizieren – Adressen optimieren – Adressen interpretieren – Adressen integrieren

DIE ERFOLGSBAUSTEINE DES DIRECT MAIL MARKETING

DATABASE ERSTELLEN Entwicklung – Konzeption – Standard- / Individuallösung – Hardware / Software Datenbasis / Adressen – Adressenbearbeitung / -pflege – Analyse, Aktualisierung, Pflege – Adressenqualifizierung – Kundenstrukturanalyse Verwaltung / Management – Datensicherheit – Schulung – Finanzierung

UMSETZUNG MAILING – Konzeption – Inhalte, Text/Struktur – Beschaffung, Produktion – Verarbeitung – Optimierung der Zustellkosten – Beförderung (Post, Zustelldienste)

Abbildung 7.73: Erfolgsbausteine des Direktmarketing mit Print.

Bei der Personalisierung sind hinsichtlich Qualität der persönlichen Ansprache vier Abstufungen zu unterscheiden:1034 (1) Direkt adressiert/echte Personalisierung: Die Ansprache erfolgt mit korrektem Namen und Adresse sowie mit persönlicher Unterschrift des Absenders.  Im Briefinhalt wird das Bemühen um eine individuelle Kontaktaufnahme und einen Dialog deutlich. (2) Teilweise adressiert/teil­personalisiert: Nach dem System Postwurf-Spezial der Deutsche Post: das Verfahren ist eine Vorstufe der Adressierung: „Lieber Bewohner des Hauses Am Lurzenhof 1“ (Quasi-Direktansprache = teilpersonalisierte Mailings). Alternativ auch als Postwurfsendungen mit Tagespost (unechte Direktansprache, da Qualifizierung nur auf Haushaltsniveau): klassisch werden bei teil- und unadressierter Haushaltswerbung drei Leistungsgruppen unterschieden: an alle Haushalte, an alle Haushalte mit Tagespost,

1034 vgl. Spandl/Plötz (Postalisches Direktmarketing), 2018, S. 37 ff.

7.10 Direktwerbung 

 887

an alle Postfachinhaber. Die Distribution lässt sich auf Basis der Zustellgebiete steuern.1035 (3) Nicht adressiert: Haushaltswerbung und Flyer in der freien Verteilung, Anzeigen mit eindeutigen Response-Elementen. (4) Indirekt adressiert, bspw. die Zeitungsbeilage: Sie kommt mit der Tageszeitung auf den Frühstückstisch des Konsumenten (ohne Personalisierung, jedoch adressiert an Zielgruppe des Trägermediums). Neue Relevanz haben indirekt adressierte Printansprachen mittels Paketbeilagen erhalten. Der starke Zuwachs des Onlinehandels hat die Paketbeilage als relevantes Werbeformat platziert: Warum? Gute Individualisierung auf Basis des Kaufverhaltens von Kunden und Ansprache der Kunden in positiven Momenten, wenn ein Paket erhalten wird. Eine Printmailingkampagne wird in folgenden Schritten geplant:1036 (1) Zielsetzung der Kampagne, (2) Eingrenzung der Zielgruppe, (3) Anmietung oder Kauf von Adressmaterial (List Research), Selektion eigener Adressen, (4) Adressenüberprüfung und Abgleich gemieteter Adressen gegen eigene Datenbestände (Adressenbereinigung, Matching, List Compiling), (5) Adressenanreicherung (Einkauf zusätzlicher Profildaten von Adressanbietern, um die Kundenbedürfnisse noch besser qualifizieren zu können), (6) Potenzialergänzung (Miete oder Kauf zusätzlicher ZielgruppenAdressen), (7) Datenschutzrechliche Überprüfung der Adressen (Einholen notwendiger Genehmigungen gem. DSGVO), (8) Festlegung von Umfang, Text und Layout des Mailing-Packages, (9) Anfertigung und Druck eines attraktiven Mailing-Packages, (10) Versendung der Mailings, (11) Response-Erfassung, d. h. Erfassung und Auswertung der Rückläufe, (12) evtl. Folgemailing – Nachfassaktion, zumindest bei einer Teilstichprobe, (13) Follow-up bei Adressaten, die geantwortet haben, (14) abschließende Erfolgskontrolle (Responsekontrolle). (15) Zukünftig: Adresspflege und Änderungsdienst für Folgekampagnen.

1035 vgl. zu diesen Informationen über Postwurfsendungen: o. V., (Postweg), in: ASW, 10/1996, S. 110–111. 1036 vgl. zu den Phasen auch: Randlkofer; Zehetbauer, (Phasenmodell), in: ASW, 3/1997, S. 50–54.

Ausgewählte Unternehmen reduzieren ihre nicht-adressierte Printwerbung: OBI ersetzt gedruckte Werbung durch Promotion in der OBI-App (Quelle: Horizont 28–29/2022, S. 19).

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 7 Kommunikationspolitik

Für Adressenselektion und Nutzung der Adressen (Kampagnenschritte 3 bis 6) gibt es mehrere Möglichkeiten: – Matchen, d. h. Überprüfen (Dubletten-Check, Updating, Abgleich) eines bestehenden Datenbestandes, meist zugleich durchgeführt mit einer Daten-Anreicherung (Ergänzung und Vervollständigung der eigenen Adress-Datenbanken durch Fremdadressen und zusätzliche Qualifizierungsmerkmale), – zur Unterstützung der Neukundensuche: einfache Datenbank-Selektionen, – Adressen-Leasing: z. B. sind Zielgruppen zum doppelten Mietpreis im Laufe eines Jahres beliebig oft ansprechbar; inklusiv zwei Adressen-Aktualisierungen, – Dauernutzung von Adressen, Adressenkauf (z. B. 3 bis 4-facher Mietpreis), – Daten-Abonnement: Adressenkauf mit regelmäßiger externer Aktualisierung.

Ursachen für Adressänderungen: Umzüge (14 Mio. p.a., Stand 2020), Hochzeiten (370‘), Scheidungen (150‘), neu angelegte Straßen (9.100), veränderte Ortsnamen (100) und Todesfälle (990‘) (Quelle: Deutsche Post Adress-Studie 2021).

Ein typisches Mailing-Package enthält: – Anschreiben, – abgestimmte Versandhülle (Briefumschlag = das Kuvert), – Prospekt, Katalog, Flyer mit ergänzenden Informationen, – Zusatzelemente: Coupons, Preisausschreiben, Produktprobe, Gadget (aufgeklebter oder beigefügter Gegenstand), Hinweis auf ein Geschenk bei Rücksendung eines Gutscheins, Rubbelpunkte etc., – Responseträger (z. B. Coupon, Bestellschein), evtl. auch als Rückseite, – Ggf. frankierter oder mit dem Hinweis „Porto zahlt Empfänger“ versehener Rückumschlag. Oft werden kunstvolle Mailing-Kreationen geschaffen, um Rücklaufquoten zu erhöhen. Diese liegen in Deutschland erfahrungsgemäß bei 0,5 bis 3%.1037 Abbildung  7.74 beschreibt typische Werbemittel zur Steigerung der Attraktivität eines Mailings. Praktische Empfehlungen zur Ausgestaltung von Direktmarketing-Werbemitteln werden auch von Vögele gegeben.1038

1037 z. B. den reply-o-letter Fensterbrief. Der Brief dient gleich wieder als Rückumschlag. Ein weiteres Beispiel ist die InfoCard der Deutschen Post (mehr Details: https:// www.deutschepost.de/de/i/infocard.html)) 1038 vgl. Vögele, (Blickverlauf), 1991, S. 184.

7.10 Direktwerbung 

 889

ATTRAKTIVITÄTSTEIGERNDE WERBEMITTEL FÜR MAILINGS Beilagen

liegen lose bei, zum Hausnehmen und Aufheben

Teilbelegung Beilagen

z.B. Beilagen nur für Frauen

3-D-Beilagen

stellen sich auf

Individualbeilage

persönlicher Gruß an den Leser –nur bei Abo-Auflage

Beihefter

fest eingebundene Faltblätter oder Prospekte

Postkarten Beihefter

Postkarte durch Perforation mit Zeitschrift verbunden

Print Promotion

das Heft im Heft, positioniert in der Heftmitte

F lyer

auch: Titelumhefter; Karte oder Heft umschließt Zeitung

Tip -on-Card

Postkarte aufgeklebt auf Basisanzeige, klass. Responseelement

Briefumschlag

beigeklebt, auch: Beihefter genannt

Booklet

auf Basisanzeige aufgeklebter, kleiner Prospekt

Warenproben

auf Basisanzeige aufgeklebtes Produktmuster

CD-Rom

Datenträger auf Titelseite oder Basisanzeige aufgeklebt

Ausschlagbare Seiten

gehört zur Gruppe der Anzeigen-Specials, Nachschlageanzeige

Geschlossene Anzeige

„Überraschungsei“: Leser muss Perforation einreissen

Duftfarben

Duft wird wie Farbe aufgedruckt oder aufgesprüht

(Quelle: s. Beilagen, Beihefter, Beikleber / Arbeitshilfe der Deutsche Post AG)

Abbildung 7.74: Attraktivitätssteigernde Werbemittel für Mailings.

Bei einer Kampagnendurchführung sind verschiedene Erfahrungsregeln zu beachten: Privatpersonen sollten Mailings Freitag, Samstag oder vor Feiertagen erhalten. Bei Geschäftskontakten hat sich der Empfang zwischen Dienstag und Donnerstag bewährt. An die gleiche Zielgruppe sollten mindestens vier und durchschnittlich sechs Mailingkontakte gehen. Bei Nicht-Reagierern empfiehlt sich ein regelmäßiges Nachfassen über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren.1039 Abbildung 7.75 enthält bewährte Kontrollfragen für eine erfolgreich Mailingaktion. Im Direktmarketing kann der Erfolg kontinuierlich durch Fakten gemessen werden. Bei schleppender Rücklaufquote stellt sich sofort die Frage nach einem Nachmailing. Darüber ist so früh wie möglich zu entscheiden. Spannend ist deshalb die Erfolgsprognose einer Mailingaktion während der Durchführung. Täglich sind Rückläufe und Rücklaufquoten zu erfassen. Kampagnensysteme erlauben dann Response- und Auftrags-/Umsatzhochrechnungen. Der sog. Halbwertzeitpunkt (HWZ) ist erreicht, wenn die Rücklaufkurve den höchsten Punkt drei bis vier Tage überschritten hat. Erfahrungsgemäß ist dann die Hälfte der Rückläufe eingegangen. Nach der Hypothese eines sich abflachenden Kurvenverlaufs schätzen Pro1039 zu diesen Empfehlungen vgl. o. V., acquisa, 2/1999, S. 54.

Durchschnittliche Response-raten: 0,5 – 3,0%. Eine Top-Kampagne 2006: Kundenrückgewinnung für Handelshof-Großmärkte; 16.000 Mailings, Responsequote: 34% (Quelle: Mailingtage new, 12/2006, S. 5).

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 7 Kommunikationspolitik

KONTROLLFRAGEN FÜR ERFOLGREICHE PRINT-MAILINGS Sind die Adressen ausreichend qualifiziert? Sind alle Absender- und Kontaktdaten vollständig und korrekt? Hebt sich der Umschlag von der normalen Post ab? Enthält er alle wichtigen Daten? Wird der Empfänger namentlich und korrekt angeschrieben und auch in der Anrede angesprochen? Farbiger Blickfang? Genaues Datum? Zündende Betreff-Zeile? Wird das Thema konkret und lebendig vorgestellt? und durch Bildmotive und ein attraktives Layout unterstützt? Unterstreichungen, Farbe! Verlaufen die Seitenschwerpunkte von links oben nach rechts unten? Besteht der Text aus kurzen, prägnanten Sätzen? Kein Satz mehr als 15 Worte! Wird der Text durch Zwischenüberschriften, anregende Aufzählungen (Plus-/Minus; Vor-/Nachteile, etc.) aufgelockert? Ist die Sprache auf die Zielgruppe hin abgestimmt? Passen die Bildmotive zur Zielgruppe? Stehen Layout und Grafiken mit dem Werbeauftritt bzw. mit der Corporate Identity in Einklang? Ist Unterschriftenteil persönlich gehalten und gut lesbar? Namenswiederholung in Druckschrift! Gibt es ein erinnerungsstarkes Postskriptum? (PS: Wird auf jeden Fall gelesen) Ist die Response-Aktivierung stark genug? Sind Rückantwort-Coupon oder Hotline sinnvoll. Motivation durch Preisausschreiben? Rückseite als Faxantwort einrichten? (Nach eigenen Erfahrungen und gemäß Empfehlungen des DDV, zit. in: DDV (Hrsg.): Direkt zum Kunden, 2002, S. 20-23)

Abbildung 7.75: Kontrollfragen für erfolgreiches Direktmarketing mit Print.

gramme (wie z. B. VALyou) Zeitpunkte und Häufigkeiten der noch zu erwartenden, weiteren 50% der Antworten ein. Abbildung  7.76 liefert hierzu ein praktisches Beispiel. Gemäß HWZ-Analyse wird die Rücklaufquote (Response-Quote) 10,4% über Plan liegen.1040 Für das Erfolgscontrolling bieten sich verschiedene Kennziffern an: (1) Kosten pro Aussendung (CpP = Cost per Package), (2) Anzahl der Rückläufe und die wichtige Rücklaufquote (RQ = Rückläufer zu Angeschriebene), die in der Praxis im einstelligen Prozent-Bereich liegt, (3) Kosten pro Rückläufer (CpR = Cost per Response), (4) Umsatz pro Rückläufer (SpP = Sales per Package) (oder Deckungsbeitrag), (5) Kosten pro Euro Umsatz (CpO = Cost per Order), die Mailingkosten werden auf das Auftragsvolumen (Grundlage: Bestellungen auf Response-Träger) bezogen. Der Kehrwert dieses Quotienten (Umsatz 1040 Quelle: VALyou Direkt-Marketing Software der Deutsche Post AG; entnommen aus der Broschüre: Kundenbeziehungen enger knüpfen, 1998, S. 7.

7.10 Direktwerbung 

 891

Abbildung 7.76: Analyse der Rücklaufquote bei Direktmarketing mit Print.

pro Kosteneinheit Aussendung) beantwortet die Frage: Wieviel Euro Umsatz bringt 1 Euro Mailingkosten? (6) Break­Even­Rücklauf: Notwendiger Rücklauf (Anzahl Aufträge), um die Kosten der Aussendung und Auftragsbearbeitungen zu decken. (7) Return on Investment (ROI): DB der Mailingaktion in Relation zu den Kosten. ERFOLGSKONTROLLE VON MAILINGAKTIONEN Ein Versandunternehmen führt zwei Mailings durch, bei dem unterschiedlichen Zielgruppen Sonderangebote für bestimmte Sportgeräte unterbreitet werden. Als Erfolg gelten nur Aufträge gemäß Rücklauf (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) (12) (13) (14) (15) (16)

Kennzahl / Beschreibung Zahl der Aussendungen + Bearbeitungen Gesamtkosten des Mailing (Fixkosten = Investition) Kosten pro Aussendung Rücklauf -hier: Zahl der Aufträge Rücklaufquote, Response-Quote, Erfolgsquote: (4) : (1) x 100 Auftragswert, Kampagnenumsatz gemäß Rückläufer Durchschnittlicher Auftragswert: (6) : (4) x100 Umsatz pro EUR-Aussendung: (6) : (2) Kosten pro Rücklauf, pro Auftrag: (2) : (4) x 100 oder (3) : (5) x 100 Deckungsbeitrag pro Auftrag ohne Bearbeitungskosten Deckungsbeitrag insgesamt ohne Bearbeitungskosten: (4) x (9) Kosten pro abgewickeltem Auftrag Gesamtkosten der Auftragsabwicklung Ergebnis: (11) –(12) –(2) Return on Investment: (14) : (2) x 100 Break-Even-Rücklauf: ((2) : ((10) –(12) –(3))) : (1)

(Quelle: in Anlehnung an VLS-Brief Nr. 684 v. 22.1.2001, S. 2)

Abbildung 7.77: Erfolgskontrolle von Direktmarketing mit Print.

Mailing -1 100.000 Stck. 120.000 Euro 1,20 Euro 2.800 2,8 % 560.000 Euro 200 Euro 4,68 Euro 42,86 Euro 40 Euro 112.000 Euro 10 Euro 28.000 Euro –36.000 Euro –30 % 4,2 %

Mailing -2 80.000 Stck. 140.000 Euro 1,75 Euro 1.600 2% 360.000 Euro 225 Euro 2,57 Euro 87,50 Euro 100 Euro 160.000 Euro 10 Euro 16.000 Euro 4.000 Euro + 2,9 % 1,98 %

892 

 7 Kommunikationspolitik

Abbildung 7.77 vergleicht zwei Mailings anhand von Kennziffern.1041 Relevant ist nicht nur die Rücklaufquote, sondern vor allem der Deckungsbeitrag pro Bestellung. Besonders aufwändig erstellt Mailing-Packages (z. B. der staatlichen Klassenlotterien) lassen hohe Gewinnaussichten der Anbieter vermuten.

7.10.3 Direktwerbung mit digitalen Medien Digitale Direktwerbung wird vielfach mit E-Mail-Marketing gleichgesetzt. Vielfach kommen Newsletter zum Einsatz, aber auch die individuelle Ansprache als E-Mailing von Kunden ist ein veritables DirektmarketingInstrument. Es haben sich weitere Instrumente etablieren können.

MultiAnsprache 1:n

– Newsletter

– Gesponsorte Direktnachricht – Social Selling

EinzelAnsprache 1:1

– E Mailing

– Direktnachricht

Eigener Adressenpool

Fremder Adressenpool

Abbildung 7.78: Arten des digitalen Direktmarketing.

Abbildung  7.78 differenziert 4 Formen. Richtet sich eine Nachricht an Kontakte aus dem eigenen Adresspool, wird das Instrument E­Mailing genannt. Spezifische Vertriebs- und Verkaufs E-Mails werden an eigene Kunden und Interessenten gesendet. Sollen nicht-individualisierte Botschaften an einen Adresspool gehen, ist der Newsletter das geeignete Instrument (dieses Instrument wurde in 7.9.5 E-Mail-Marketing und Newsletter-Werbung vorgestellt). Werden keine eigenen Adressen verwendet (bspw. wird innerhalb eines Social Media Netzwerkes geworben), kann mittels der sog. Direkt­ nachricht auch einzelnen Usern des Netzwerks zielgerichtet eine Nach-

1041 vgl. in Anlehnung an ein Beispiel: o. V., (ROI), in: VLS-Brief v. 22.1.2000, S. 2.

7.10 Direktwerbung 

 893

richt geschickt werden. Diese Nachrichten können auch als gesponsorte Nachrichten an größere Mengen an Adressaten gehen. Social Selling als letztes Instrument ist ein Zwischenbereich zwischen direkter Kundenansprache und Content Marketing. Ziel ist, Authority oder Autorität für ein Thema zu erarbeiten.1042 Da Beiträge in die individuelle Wahrnehmung einzelner Nutzer rücken, kann dieses Instrument zu Direktmarketing gezählt werden. Digitale Kommunikation funktioniert anders als gedruckte Kommunikation. Digitale Texte folgen anderen Vorgaben. Tabelle 7.45 listet wesentliche Aspekte auf.1043 Tabelle 7.45: Merkmale guter digitaler Texte für das Direktmarketing. Merkmale guter digitale Texte für das Direktmarketing

Beschreibung

Headline und Thema

Die Überschrift muss direkt auf das Thema zielen. Die kurze Aufmerksamkeit des Lesers muss unmittelbar ergriffen werden.

Frontloading Texte

Der digitale Text muss die Highlights an den Anfang setzen, so kann das Versprechen der Überschrift direkt eingelöst werden.

Digitaler Satzbau

Digitale Sätze sind deutlich kürzer, um auf kleinen Bildschirmen besser gelesen zu werden.

Visuelle Sprache

Gute und stimmige Kombination mit Grafiken und Bildern lassen den Text lebendig werden.

Call-to-Action

Vielfach sollen digitale Texte zu einer Anschlusshandlung motivieren. Diese Aufforderung muss klar und eindeutig formuliert sein.

E-Mailings und E-Mail-Kampagnen sind von zunehmender Bedeutung. Abbildung  7.79 zeigt den Ablauf einer E-Mail-Kampagne. In diesem Zusammenhang sind die Regeln des Permission Marketing zu beachten: – Erfolgsfaktor für Permission Marketing ist Freiwilligkeit. Weiß der Kunde um die Möglichkeit, ein Abonnement einfach per Mausklick abzubestellen, wird er (vielleicht) doch noch die nächste Ausgabe abwarten.

1042 vgl. Spandl (Digitales Direktmarketing), 2020, S. 20. 1043 vgl. Spandl (Digitales Direktmarketing), 2020, S. 30 ff.

894 

 7 Kommunikationspolitik

AUFBAU VON E-MAIL-KAMPAGNEN Ziel der Kampagne

Adressen sammeln Adressen anreichern

Kundenprofile ergänzen

Datenbank einrichten

Kundenprofile erstellen personalisierte E-Mails versenden Response empfangen Response auswerten

individualisierte E-Mails versenden

Abbildung 7.79: Aufbau von E-Mail-Kampagnen.





Der wichtigste Unterschied zwischen E-Mailings und brieflichen Mailings liegt in den Hyperlinks. Gibt man dem Kunden die Möglichkeit, von der Mail aus zu alternativen Adressen zu verzweigen, kann man Marktforschung betreiben und das Kaufverhalten und Interessen analysieren. Die Erkenntnisse können im nächsten Mail bzw. in individualisierten Produktangeboten berücksichtigt werden. Aus Datenschutzgründen sind die E-Mail-Adressen getrennt von den Informationen über das Klickverhalten (Kaufverhaltensdaten) zu speichern.

Der Erfolg einer klassischen E-Mail-Kampagne sollte sich in folgenden Kennziffern niederschlagen:1044 – Opening Rate: Anteil der Empfänger, die ein E-Mail öffnen,

1044 vgl. Vergossen, (Marketing-Kommunikation), 2004, S. 318

7.10 Direktwerbung 

– – – – – – –

 895

Click through Rate: Anteil der Empfänger, die auf einen Hyperlink klicken, Conversion Rate: Anteil der Empfänger, die eine gewünschte Aktion durchführen (z. B. eine Registrierung), Churn Rate: Verhältnis von Ab- zu Anmeldungen für einen Newsletter, Cost per Click: Gesamtkosten für die E-Mail-Aktion dividiert durch die generierten Klicks, Cost per Mill: Gesamtkosten der Aktion dividiert durch die Anzahl der Empfänger mal 1000, Cost per Sale: Kosten für die E-Mail-Kampagne pro verkaufte Einheit oder im Verhältnis zum generierten Umsatz, Bounces: Anzahl (Anteil) der nicht zustellbaren E-Mails (z. B., weil die Mailbox voll ist).

Neben E-Mailing und Newsletter an eigene Kundenadressen hat die Etablierung von Sozialen Netzwerken (siehe dazu auch die Diskussionen in Kapitel 7.9.6) zur Nutzung von nicht-eigenen Adressen für Direktmarketing beigetragen. Fans, Follower und Abonnenten, die ein Unternehmen auf Sozialen Netzwerken gesammelt hat, können mit speziellen Instrumenten zielgerichtet angesprochen werden. Vier Arten von Nachrichten stehen bei den meisten sozialen Netzwerken als Alternative zur Verfügung:1045 (1) Kontaktanfrage: Der einmalige Kontaktaufbau ist Start der gemeinsamen Vernetzung auf den Netzwerken. Eine gute Kontaktanfrage lädt freundlich zur Bestätigung der Anfrage ein und öffnet damit die Möglichkeiten, zukünftig über das Netzwerk in Kontakt zu bleiben. (2) Direktnachricht: Diese Nachrichten funktionieren ähnlich wie normale E-Mails, sie werden im Posteingang des sozialen Netzwerks gespeichert und verwaltet. Da die meisten Nutzer deutlich weniger Nachrichten innerhalb der sozialen Netzwerke wie im Vergleich im Posteingang des E-Mail-Programms erhalten, erzielen diese Direktnachrichten meist hohe Aufmerksamkeit. (3) Gesponserte Direktnachricht: Besteht keine Beziehung über eine Kontaktanfrage oder sollen neue potenzielle Kontakte erreicht werden, kann über gesponsorte Direktnachrichten direkt das Postfach interessierter Netzwerknutzer adressiert werden.

1045 vgl. Spandl (2020), S. 17 ff.

896 

 7 Kommunikationspolitik

(4) Werbeanzeige im Nachrichtenumfeld: Klar werblich erkennbar sind die unterschiedlichen Anzeigenformate, die bei sozialen Netzwerken zur Ansprache von individuellen Nutzern verwendet werden. Social Selling ist im Vergleich eher als das Managen der direkten Kontakte auf den sozialen Netzwerken zu verstehen. Durch zielgerichtetes Informieren der Follower und Kontakte baut sich Autorität auf. Dabei sollen die Informationen nicht nur werblicher Natur sein. Ein Mix zwischen interessanten Informationen rund um Branche und Produkt stellt sicher, dass Follower den Inhalten Interesse entgegenbringen und auch auf werbliche Neuigkeiten und Postings positiv reagieren.

7.10.4 Direktwerbung mit dem Telefon Direktwerbung mit Telefon und Handy ist die planmäßige und i. d. R. großzahlige telefonische Kontaktaufnahme mit Interessenten und Kunden zur Erfüllung spezifischer Marketing- und/oder Vertriebsziele. Telemarketing ist eine der Hauptsäulen des Dialogmarketing. Nach Untersuchungen des DDV arbeiten über 30 Prozent der 5.000 größten deutschen Unternehmen mit Call-Centern. 51 Prozent von ihnen nehmen die Dienste externer Telemarketing-Dienstleister in Anspruch. Die Unternehmen nutzen Telemarketing für: – Werbekampagnen (Direktmarketing-Kampagnen), – Bearbeitung von Kundenrückmeldungen (Responses) nach Mailings, Anzeigenkampagnen oder TV- oder Hörfunk-Spots in Form eines Kundendialogs, – Telefonverkauf (Verkauf von Theaterkarten, Strom- oder Handytarifen, Versandhandelsverkauf etc.), – Vertriebsunterstützung für den Außendienst, insbes.  Lead-Vorqualifizierung und Terminabsprachen, – Vertriebsunterstützung für den Innendienst, insbes.  Betreuung von Kleinkunden, – Dienst- und Serviceleistungen im Rahmen von Hotlines, Kundendienst etc., – Verkaufsförderungsmaßnahmen (VKF) zur Vertriebsunterstützung, – Forderungsmanagement und Inkasso­Dienstleistungen. Vielfach sind Telemarketing-Aktivitäten in eigenbetriebene oder fremdbetriebene Callcenter ausgelagert. Die verschiedenen Callcenter spiegeln sich in der Betitelung der Leistungsfähigkeit wider, anhand derer man Callcenter und Aufgaben differenziert. Je komplexer die Leistun-

7.10 Direktwerbung 

 897

gen, desto mehr Erwartungen werden an Mitarbeiter gestellt und die technischen Kompetenzen. Abbildung 7.80 erstellt eine Hierarchie der Leistungsfähigkeiten. Virtuelle CC-Center: + weltweite Vernetzung, Standortunabhängigkeit Customer-Care-Center: + alle Arten Services&Problemlösungen, hohe Vernetzung mit allen Ressorts t ä t i Solution-Center: ex + Problemlösung, hohe Vernetzung, spez. Tätigkeiten (z.B. Beschwerden) pl m o Interaction-Center: K de + hohe Eigenständigkeit im Kundendialog, Angebot von Mehrwerten en g operatives Call-Center: ei t S + Umsatz-/ Erfolgsverantwortung (Bspw.: Buchung von Mietwagen) Communication-Center: + Verarbeiten aller Arten von Kontaktformen (Call, Fax, Mail, Brief) klassisches Call-Center: reaktive Abwicklungen definierter Vorgänge, isolierte Organisationseinheit

Längere Implementationszeit

Abbildung 7.80: Call Center-Typologie.

Die Hauptziele eines systematischen Telefoneinsatzes im Marketing sind Neukundengewinnung (verkaufsorientiertes Telemarketing) und verstärkte Kundenbindung (werbeorientiertes Telemarketing). Abbildung 7.81 listet Aufgaben eines Call-Center gemäß einer Umfrage der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Bremen (WfG) bei 200 Unternehmen auf.1046 Danach dominieren im Telemarketing serviceorientierte Aufgaben. Zwei Grundformen des Telemarketing sind zu unterscheiden (Abbildung 7.82): (1) Beim Inbound­Marketing (passives Telefonmarketing) ruft der Kunde an. Die Call-Center stehen den Anfragenden mit Hotlines, Info-Diensten, Beschwerdemanagement oder Verkaufsberatung zur Verfügung. Im strengen Sinne handelt es sich nicht um eine Direktansprache, sondern um eine „Direkt-Antwort“ im Kontext von Imagebildung, Werbung und Verkauf. (2) Outbound­Marketing (aktives Telefonmarketing) verwirklicht die Philosophie der individualisierten Ansprache. Die Initiative geht vom Unternehmen aus. Das Outbound-Marketing verbindet in der Praxis meist eine kommunikative (Werbung) mit einer akquisitorischen Komponente (Telefonverkauf).

1046 vgl. o. V., (Call Center), in: PM-Beratungsbrief v. 27.1.1997, S. 6.

898 

 7 Kommunikationspolitik

AUFGABEN EINES CALL-CENTERS Hotline/ Kundenservice

63.0

Auftragsannahme

78.0

60.0

Beschwerdemanagement

58.5

Kundenbindung

48.0

Informationssystem

38.5

Adreßqualifikation

38.0

Auftragsabwicklung 32.0

Kundenakquisition 26.0

Terminvereinbarungen

26.0

Business-to-Business-Kontakte Buchungssysteme

24.0

0.0

10.0

20.0

30.0

40.0

50.0

60.0

70.0

80.0

Angaben in Prozent

Abbildung 7.81: Aufgaben eines Call Center.

INBOUND Angerufener / Unternehmen (Call-Center)

OUTBOUND Anrufender / Kunde

Z. B. Kundenhotlines, Servicenummer, Kundencenter

Anrufender / Unternehmen (Call-Center)

Angerufener / Kunde

Z. B. Telefonakquise, Terminvereinbarungen, Telefonverkauf

Abbildung 7.82: Unterscheidung Outbound und Inbound-Telefonie.1047

Unterschiedliche Aufgaben fasst Abbildung 7.83 zusammen. Outbound-Telefonie kann auf verschiedene Arten konzipiert werden:1048 – Cold Calling/Direktanruf: Anrufe werden ohne vorherige Ankündigung getätigt. – Two­Step­Telephony/zweistufiges Telefonieren: Der Anruf wird vorab angekündigt, bspw. über ein postalische oder ein E-Mailing. 1047 Quelle: Spandl/Schmidt (Telefonisches Direktmarketing), 2022, S. 8. 1048 vgl. Spandl/Schmidt (Telefonisches Direktmarketing), 2022, S. 13 ff.

7.10 Direktwerbung 

 899

AUFGABEN VON INBOUND-UND OUTBOUND-TELEMARKETING Inbound – – – – – – – –

Telefonempfangservice, Abwesenheitsservice; auch im 24-Stunden-Betrieb Auskunftsservice, Börsenhotline mit Auskunftsservice Übernahme telefonischer Überlaufverkehr für Zentrale oder Verkaufsabteilung Betreiben von Hotlines und Servicenummern, Stördienste (z.B. 0800-IhrFirmenname.de) Übernahme von Helpdesks, PC Hotline, First-oder Second-Level-Support Aufnahme von E-Mails, Voice-over-IP-Service Abwicklung von Paging-,Textnachrichtendiensten Informationsdrehscheibe für den Außendienst

Outbound – – – – – – – – – – – – –

Nachfassen bei Angeboten, Kundenaktivierung Marktbefragungen, Umfragedienste Kundenzufriedenheits-Befragungen Adressensuche, Adressenverifizierung, Überprüfung von Datenbanken Beantwortung von E-Mails Bedarfsklärung, Lead-Qualifizierung Besuchsvereinbarungen für den Außendienst Händlerbetreuung Begleitung von Produkteinführungen Begleitung von Promotionaktionen, Kampagnen Veranstaltungsservice, Messe-, Event-Einladungen Produktverkauf, Kartenservice Aktive C-Kundenbetreuung

(Quelle: Jünger, (Dienstleister), in: salesBusiness, 9/2003, S. 41)

Abbildung 7.83: Aufgaben von Inbound- und Outbound-Telemarketing.



– – –

Call in response of a response element/Anruf als Reaktion auf ein Antwortelement: Kunden haben einen Anrufwunsch hinterlassen. Self Arranged Conversations/selbst vereinbarte Gespräche: Ein Telefontermin wurde vorab vereinbart. Talks agreed by third parties/von Dritten vereinbarte Gesprä­ che: Eine Assistenz hat den Anruftermin koordiniert. Regular Calls/regelmäßige Anrufe: Im Rahmen von bestehenden Kundenbeziehungen wird regelmäßig telefoniert.

Eine Telemarketing-Kampagne wird in folgenden Schritten geplant: – Entscheidung über Zielsetzung der Kampagne, – Ggfs. Entscheidung für Call-Center-Dienstleister, – Definition der Zielgruppe, – Anmietung (i. d. R. nicht Kauf) des Adressmaterials, – Selektion und Überprüfung der Adressen (Adressenqualifizierung), – Klärung der Hardware (Telefonanlage und Peripherie), – Erstellen eines Telefonskript (Telefonat-Drehbuch), – Telefontraining und Einsprechen der Mitarbeiter (Fachjargon: Agenten),1049 – Durchführung der Calls und dabei begleitend die

1049 Grundtipps z. B.: Rechtshänder halten Hörer links, um rechte Gehirnhälfte anzusteuern, Spiegel auf den Tisch und „Anlächeln“ vor dem Telefonat – es gibt da recht abenteuerliche Empfehlungen, die in Spezialbereichen des Telemarketing von besonderer Bedeutung sind.

900 

– – –

 7 Kommunikationspolitik

Call-Protokollierung (Telefonprotokolle), nach Durchführung der Kampagne Erfolgsauswertung und Follow-up-Aktionen für die gewonnenen Leads (Neukunden-Kontakte).

Die technischen Voraussetzungen zum Betreiben eines Call-Centers sind hoch. Erforderlich ist eine ACD-Anlage (Automatic Call Distribution) mit computergestützter Durchstellsteuerung, Routing (zwecks Optimierung Telefonkosten) und elektronischer Protokollierung. Besonders leistungsfähig sind CTI-Anlagen mit Integration von Computer und Telefonanlage (Computer Telephony Integration). Mittels Rufnummernerkennung haben die Telefonagenten die gesamte Kontakthistorie ihrer Telefonpartner auf dem Bildschirm. Bei IVR-Systemen (Interactive Voice Response) unterhält sich der Computer mit dem Anrufer. Speziell im Outbound-Bereich (s. u.) arbeiten Power-Dialer-Systeme. Diese arbeiten umfangreiche Telefonlisten automatisch ab und stellen nur dann zum Agenten durch, wenn sich der Angerufene meldet. Erfolglose Kontaktversuche werden in automatische Wiedervorlageroutinen gespeichert. Bei der Erfolgsmessung von Call-Centern und Telemarketing-Kampagnen stehen drei Erfolgstreiber im Vordergrund: Erreichbarkeit der Agenten, die Prozessqualität (Schnelligkeit, Flexibilität) und Kompetenz der Agenten, die Kundenprobleme zu lösen. Gängige Kennziffern für die Erfolgsmessung sind: – x/y/z-Service-Level: Ein Service-Level von 80/20/3 bedeutet, dass 80% der Anrufer innerhalb von 20 Sekunden mit einem Agenten verbunden sind; bei einer maximal zulässigen Abbrecherquote (Abandon-Rate) von 3%, – Kosten pro Anrufminute, – Anzahl Kontakte pro Stunde, – Kosten pro Call, – Erfolgsquote (Erfolge sind z. B.: qualifizierte Adresse, vereinbarter Besuchstermin, erreichter Kaufabschluss, protokollierte Kundenmeinung), – Aufträge/Umsatz/Deckungsbeitrag pro Stunde, – Aufträge/Umsatz/Deckungsbeitrag pro Kontakt, – Kosten pro Kontakt und – Kosten pro Auftrag. Gemini Consulting stellte in einer Marktbefragung bei 160 deutschen Call-Center-Betreibern durchschnittliche Gesprächszeiten von 168 Sekunden pro Call und eine Nachbearbeitungszeit von 60 Sekunden fest. Bei

7.10 Direktwerbung 

 901

Durchschnittskosten von 0,90 Euro pro Anrufminute kostet dann ein Telefonat ca. 3,40 Euro.1050 400 – 500 Anrufe täglich gelten als Untergrenze für den sinnvollen Betrieb eines externen Call-Centers.  Es müssen nicht immer externe Call-Center zum Einsatz kommen. Möglichkeiten zur internen Unterstützung des Vertriebs durch das Telefon sind noch längst nicht genutzt. Unternehmen trainieren Mitarbeiter aus dem Backoffice im erfolgversprechenden Umgang mit dem Telefon.

7.10.5 Verkaufsförderung und Couponing „Wenn ein Kunde ihren Prospekt durchblättert, dann ist das, als ob er ihren Laden betritt. Es kommt darauf an, den Prospekt zu einem Ort zu machen, an den der Kunde gerne zurückkehrt. Gute Prospekte strahlen eine besondere Persönlichkeit – Ihre Persönlichkeit – aus.“1051 Verkaufsförderung (VKF, Sales Promotion) umfasst Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle zeitlich begrenzter und neben der konventionellen Werbung stehender Aktionen, bei denen in direktem Kontakt mit Kunden und Vertriebspartnern Kommunikations- und/oder Verkaufsziele unterstützt werden. Hinzu kommen Verkaufsunterlagen sowie sonstige Hilfsmittel zur Stärkung der Verkaufsarbeit. Verkaufsförderung unterstützt den Verkauf. Es geht aber nicht nur um unmittelbare Umsatzgenerierung. Verkaufsförderung soll informieren und in der Pre-Sales-Phase Verkaufsanreize schaffen. In der AfterSales-Phase (Nachkaufphase) soll VKF Kundenbindung erhöhen. Verschiedene zentrale Merkmale kennzeichnen Verkaufsförderung: (1) Zusätzlicher Anreiz: Das Angebot wird durch Verkaufsförderung attraktiver gestaltet und mit einer erweiterten Angebotsleistung versehen. (2) Zeitliche Befristung: Stellt kurzfristige Reaktion der Kunden sicher, Verkaufsförderung kann aktionistisch eingesetzt werden. (3) Aktionscharakter: Die Aktivität muss sich von der normalen Vermarktung abheben. (4) Lohnend für Adressaten: Verkaufsförderung besitzt einen spezifischen Nutzen für die adressierten Zielgruppen. (5) Instant Rewards/unmittelbarer Effekt: Verkaufsförderung erzielt den größten Effekt, wenn Sie einen unmittelbaren Vorteil (bspw. einen Rabatt) für den angesprochenen Kunden ermöglicht. 1050 vgl. zu diesen Werten Thieme, Ceyp, (Call-Center), in: ASW, 5/1998, S. 94. 1051 Geller, (Response), 1997.

902 

 7 Kommunikationspolitik

Zur Mindestausstattung von Außen-, Innendienst und Service zählen Flyer, Kataloge, Datenblätter und Preislisten. Diese Medien sollen Interessenten und Kunden ansprechen, interessieren, informieren und zum Kauf motivieren. Sie transportieren Botschaften, die Interessenten und Kunden lebensnah berühren und schaffen neue Anreize. Marketingorientierte Unternehmen erkennen dies, stimmen ihre verkaufsfördernden Unterlagen mit Corporate Identity-Vorgaben ab und betrachten Verkaufsförderungsunterlagen als vollwertige Instrumente der Kommunikationspolitik. Neben Aktionspreisen und Sachmitteln zur Verkaufsförderung werden auf Produkte oder Produktgruppen hin abgestimmte VKF-Aktionen konzipiert, bei denen zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten Marktteilnehmer über Vorzüge von Produkten informiert und zum Kauf bewegt werden. Verkaufsförderungsaktionen kamen in den 50er Jahren sporadisch zum Einsatz. Heute sind sie im Sinne der marktorientierten Unternehmensführung als Teil der Unternehmensstrategie zu verstehen. Verkaufsförderung verfolgt nachfolgende Ziele: – Steigerung des Bekanntheitsgrades und Imageprofilierung für ein Produkt (Produkt-/ Markenpromotion), für ein Leistungsprogramm (Programmpromotion) oder (seltener) für eine Unternehmung als Ganzes (Image-/ Corporate Identity-Promotion), jeweils in Verbindung mit Abverkaufs-Zielsetzungen, – Information, Schulung von Mitarbeitern, Vertriebspartnern oder Kunden, – Motivation von Kunden und verkaufenden Vertriebspartnern zur unmittelbaren Umsatzgenerierung (Abverkaufswerbung und POS-Promotion), – Kundenbindung (im Zusammenhang mit weiterführenden Bindungsinstrumenten). Drei Zielgruppen werden durch Verkaufsförderung adressiert: 1. eigene Mitarbeiter mit Kundenkontakt 2. Vertriebspartner (Handel, Handwerk, technische Dienstleister) 3. Kunden bzw. Interessenten. Aus der Kombination von Zielen und Zielgruppen kann eine Typologie mit drei Promotionfeldern gemäß Abbildung 7.84 abgeleitet werden. Als wichtige Einzelinstrumente sind über Abbildung  7.84 hinaus anzuführen: Verkaufsunterlagen, Firmenbroschüren, Promotion-Material für den POS und der wichtige Bereich der Produktdemonstratio-

7.10 Direktwerbung 

 903

AUSGEWÄHLTE MASSNAHMEN FÜR VERKAUFSFÖRDERUNGSAKTIONEN Steigerung von Bekanntheitsgrad und Image

Information und Schulung

Verkaufsanreiz, Umsatzgenerierung

innengerichtete Promotion:

Verkaufshandbuch

Verkäuferwettbewerb

für eigene Verkaufsmannschaft

Schulungstage

Incentives

Zielgruppen / Hauptziele

handelsgerichtete Promotion:

Info-Tage f.d. Handel

Händlerkataloge

Regalpflege

für Vertriebspartner

Händler-Events

Händlerschulungen

Händlerwettbewerbe

abnehmergerichtete Promotion:

Kunden-Clubs

Hotline / Beratung

Aktionspreise

für Interessenten und Kunden

Tag der offenen Tür

Service-Informationen

Verkostungen

Abbildung 7.84: Ausgewählte Maßnahmen für Verkaufsförderungsaktionen.

Wirkungen von Verkaufsförderung beim Kunden Unmittelbarer Effekt

Prolongierter Effekt

Neukundengewinnung Nichtverwender

Kundenbindung

Neukundengewinnung Wettbewerbsverwender

Verstärkte Wahrnehmung der Verkaufsförderung

Absatz-/Umsatzhebel Bestandskunden

Zielkäufe und Lagerhaltung

Vorverlegung von Kaufabsichten

Ausprägung höherer positiver Preiselastizitäten

Abbildung 7.85: Wirkungen von Verkaufsförderung beim Kunden.

nen. Verkaufsunterlagen werden heute zunehmend digitalisiert. Ein aktuelles Medium ist der Magalog, eine Kombination von Magazin und Katalog. Die Wirkungsweisen von Verkaufsförderung (siehe dazu Abbildung 7.85) sind vielfältig. Sie wirkt unmittelbar als Umsatzhebel. Auch langfristig besitzt Verkaufsförderung Effekte, wobei diese nicht in allen Belangen aus Unternehmenssicht positiv sind. Führt die starke Verwendung von Verkaufsförderung zu Zielkäufen und Lagerhaltung, wird außerhalb der Zeiträume der Verkaufsförderung spürbar weniger abgesetzt und der Anteil rabattierter Verkäufe nimmt im Verhältnis zu. Wesentliche Maßnahmen endkundengerichteter Verkaufsförde­ rung sind:

Die bekannte Baumarktwerbung “20% auf alles – außer Tiernahrung” hat bei der früheren Baumarktkette Praktiker zu deutlichen Kaufzurückhaltungen außerhalb der Aktionszeiträume geführt. Kunden haben erkannt, dass diese Aktionen immer wieder gestartet werden. Damit konnten die Kunden ihre Käufe planen, um von den Rabatten zu profitieren.

904 



„Wo die Augen keinen Halt finden, gehen auch die Füße vorbei.“ (Claudia Rivinus, ASW 6/2001, S. 80)









 7 Kommunikationspolitik

Aktionspreise: Angebotspreise, Preisreduzierungen, Multipacks – die Bandbreite an aktionistisch wirkenden Preisanpassungen ist groß und wird umfassend eingesetzt, Werbeflyer der Lebensmittelhändler sind so gestaltet. POS­Promotion, Verkostungen, Produktvorführungen: Verkostungen (Degustationen) im Food-Bereich sowie Probefahrten oder Versuchsüberlassungen bei technischen Gütern dienen unmittelbarer Umsatzgenerierung. Aktionen dieser Art sind, gemäß der engen Begriffsauslegung der Verkaufsförderung, zeitlich begrenzt und werden meist von unternehmensfremden Promotion-Firmen durchgeführt. Veranstaltungen erhalten zunehmend Event-Charakter. Allgemeine Stärkung von Kaufanreizen und Präferenzenbildung: Preisausschreiben, Incentive-Reisen, Rubbelpunkte, Rabattmarken oder Gimmicks (kleine Beigaben, Geschenke) am POS dienen der werbeunterstützenden, allgemeinen Kundenmotivation. Mit diesen Instrumenten will das Marketing der Reizabstumpfung durch starre Anzeigen und Zeitungsbeilagen beikommen. Promotion­Material, Verkaufsunterlagen, Kataloge und Preislisten: Verkaufsunterlagen und Informationsbroschüren für Kunden. Promotion-Material stärken die Bekanntheit von Produkten und bieten Mehrwerte durch Informationen. Kundenschulungen: Kundenschulungen gehören zu Informationsund Schulungsaufgaben der Verkaufsförderung.

In vielen Punkten decken sich auf Interessenten und Kunden ausgerichteten VKF-Maßnahmen mit Vertriebspartner­gerichteter Verkaufsförderung. Einige Maßnahmen besitzen einen speziellen B2B-Charakter: – Steuerung der Rabattpolitik: Auch gegenüber Absatzpartnern ist der Preis ein wichtiges Instrument. Sonderpreise, Steigerungsrabatte, Preisstaffelungen über Abnahmemengen, Platzierungsaktionen – die Bandbreite ist groß, die Hersteller gegenüber Handelspartnern nutzen, um das Hineinverkaufen der Produkte in den Handel zu unterstützen. – Förderung des Handels: Incentive-Aktionen, Händler-Verkaufswettbewerbe, Platzierungs- oder Schauraum-/Schaufensterwettbewerbe. Auch Ausschreibungen, wie z. B. „Vertriebspartner des Monats“,1052 sind unter diesem Punkt anzuführen.

1052 VKF-Aktionen dieser Art sind z. B. typisch für Franchise-Systeme

7.10 Direktwerbung 







 905

Information und Ausbildung: Durch Informations- und Schulungsunterlagen und -maßnahmen versuchen Lieferanten indirekt verkaufssteigernde Kräfte bei den Vertriebspartnern freizusetzen. Spezielle Ausbildungsprogramme für den Handel, Händlertreffen, -tagungen und -zeitschriften sind hier ebenfalls anzuführen. Betriebswirtschaftliche Beratung: Die Bandbreite reicht von Existenzgründungshilfen bis hin zu ausgefeilten Unternehmensberatungen für unterstützungsbedürftige Partner.1053 Die etablierten Fenster- und Heizungshersteller beispielsweise bieten ihren Handwerkspartnern umfassende Dienstleistungspakete an; mit Organisations- und Finanzierungshilfen, Kalkulationsempfehlungen, Beratungen bei Lager und Logistik sowie werksseitig gesteuerten Adressensuch- und Mailingprogrammen. Outlet­ bzw. POS­Unterstützung: Wichtiger Bereich ist Regalpflege (Merchandising).1054 Der Lieferant nimmt seinem Handelspartner die Überwachung, Auffüllung und Optimierung der Regaleinheiten ab (Spacements). Die Waren sollen am POS wirksam und günstig platziert werden. Oft werden diese Dienste von selbständigen Spezialunternehmen (Rack Jobber) im Auftrag der Hersteller wahrgenommen. Ebenfalls am POS spielt sich die Beratung bei der Ausgestaltung der Verkaufsräume ab. Die Palette der VKF-Maßnahmen am POS umfasst z. B. Gestaltung von Schauraum (Verkaufsraum), Schaufenster und Verkaufsfläche, Beratung für attraktivere Platzierung von Warengruppen und Artikeln, Verbesserung der Auszeichnung der Ware, Aufstellen von Displays und anderen Verkaufshilfen (z. B. von Musterstücken).

Durch persönliche Kundenansprache bei VKF-Aktionen können Streuverluste der Mediawerbung vermieden und zu kaufrelevanten Fragen sofort Kundenmeinungen erhoben werden. Diesem Vorteil gegenüber der konventionellen Werbung stehen relativ hohen Kosten pro Kontakt und die unregelmäßige Durchführung von Promotion-Aktionen gegenüber. Eine spezielle Art der Verkaufsförderung ist die Nutzung von Gut­ scheinen. Als Marketing-Instrument werden Gutscheine und Coupons für Neukundengewinnung, Kundenbindung und zur Verkaufsförderung eingesetzt. Intelligent aufgemachte Gutscheine bieten einen besonderen 1053 Die Idee ist, den Partnern die Gelegenheit zu geben, sich am besten Kollegen auszurichten oder im Rahmen eines Benchmarkings am stärksten Konkurrenten. 1054 Der Begriff Merchandising wird daneben auch für den Fanartikel-Verkauf von Popgruppen und Sportvereinen verwendet.

906 

 7 Kommunikationspolitik

Tabelle 7.46: Nutzenarten bei Gutscheinen.1055 Nutzenart

Beschreibung

Beispiel

Grundnutzen

Effektiv wahrgenommener Nutzen in funktionaler oder physischer Art

Doppeltes Datenvolumen bei Nutzung des Gutscheins für einen neuen Mobilfunkvertrag

Konditionaler Nutzen

Besondere Bedeutung für eine spezifische Situation oder Anwendungsmöglichkeit

Gutschein für vergünstige Stadtrundfahrt im Urlaub

Sozialer Nutzen

Nutzen entsteht durch die Relevanz der Nutzung des Gutscheins im sozialen Umfeld

Upgrade-Gutschein bei Kreuzfahrten

Emotionaler Nutzen

Mit dem Gutschein werden positive Assoziationen verbunden

Gutschein für einen MusicalBesuch in Hamburg

Epistemischer Nutzen

Nutzen des Gutscheins entsteht aus der Befriedigung des menschlichen Wunsches nach Neuem

Gutschein für Sprachkurs

Erlebnisnutzen

Befriedigung des Interesses nach Interaktion und Erreichung besonderer Ziele

Jochen-SchweitzerErlebnisgutschein

Anreiz für bestimmte Handlungen, wie einen Erstkauf oder anhaltende Kundenbindung. 1056 Tabelle 7.46 zeigt auf, wie Gutscheine wahrgenommen werden und welche Gutscheinarten sich daraus ergeben. Die Umsatzwirkung von Verkaufsförderung kann gut berechnet werden. Die Relation von ausgegebenen und eingelösten Gutscheinen ist nachvollziehbar. Auch umsatzbezogene Aspekte (bspw. Mehrverkauf durch preisreduzierte Zusatzangebote oder Cross Selling-Käufe lassen gut quantifizierbare Werte erheben. Couponing bezeichnet den gezielten Einsatz von Rabattmarken und Gutscheinen im Rahmen von Promotion-Aktivitäten. Der etwas in die Jahre gekommene Begriff der Rabattmarken wird heute durch den modern wahrgenommenen Begriff des Coupons heutzutage fast vollständig ersetzt. Coupons als Vergünstigungen werden von Unternehmen über unterschiedliche Kanäle verteilt: – Über Massenmedien, bspw. als Printcoupon in Werbebeilagen,

1055 Vgl. Wagner et al. (Gutscheine), 2016, S. 54 1056 Vgl. Wagner et al. (Gutscheine), 2016, S. 53

7.10 Direktwerbung 

– – – – – –

 907

Durch Direktmarketing-Maßnahmen, bspw. Werbebrief oder E-Mailing, In Kundenzeitschriften für Bestandskunden, Am POS, sog. Instore Coupons, Online über Rabattportale, Mobile Couponing, bspw. Apps der Unternehmen, Influencer Kooperationen.

Im Rahmen spezieller Verteilungsmedien werden Coupons haptisch (Print) oder digital bereitgestellt werden. Der Kunde zeigt den physischen Coupon an der Kasse vor, aktiviert die Couponing-Funktion in der App oder gibt den Gutschein-Code beim Bestellprozess ein. Das Zusammenspiel für Bereitstellung und Abwicklung von Coupons geht aus Abbildung 7.86 hervor.

Bereitsteller der Coupons, bspw. Konsumgüter-hersteller Individuelle Ausstellung

Distributor der unpersonalisierten Coupons, bspw, Handel über Flyer

Coupon-Einlöser

Bereitstellung und Versand personalisierter Coupons Analyse der Daten, Abrechnung der Coupons

Abbildung 7.86: Ablauf des Couponings.

Couponkampagnen bieten interessante Ansätze für Verkaufsförderung: – Absatzförderung ausgewählter Produkte oder Produktbereiche, – Tracking von Nutzerverhalten durch personalisierte Coupons und Rabattcodes, – Werbeerfolgsmessung durch zurechenbare Couponing-Aktivitäten, – Markenbindung, treue Kunden wissen den Wert von Coupons vielfach gut zu schätzen, – Preisaktion ohne Reduzierung des Normalpreises, Rabatt wird nachgelagert beim Check Out gewährt, – Einbindung von Absatzpartnern, exklusive Coupons wirken bei Kunden ausgewählter Geschäfte oder nur für Follower bestimmter Influencer.

Akzeptor (bspw. Handel) Abrechnung der Coupons

Ausgabe

Clearing-Stelle

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Gutscheine mit %-Werten sind deutlich wirksamer als €-Werte. Sie erzielen eine 23% höhere Conversion-Rate: Einlösequote 4,2% im Vgl. zu 3,4% bei einem Print-Mailing mit Gutschein (Quelle: CMC Print Mailing Studie 2022, S. 13).

 7 Kommunikationspolitik

Coupons gibt es in unterschiedlichen Ausprägungen: – Cash­Coupons: Preisreduzierung beim Kauf, bspw. bei Einzelkauf, dem Kauf mehrerer Produkte oder auch zeitraum- und aktionsbezogen. Viele dieser Coupons wirken unmittelbar beim Kauf (Instant Benefit). Wird der Rabatt oder die Reduzierung erst im Nachhinein gewährt, spricht man von einem Deferrred Benefit. – Bundling Coupon: Zugaben bei einem Kauf, – Pre Sales Coupon: vor Launch oder Verkaufsstart wird für die Einführungskampagne eine besondere Aktion angeboten, – After Sales Coupon: vielfach bieten Unternehmen bei Einsendung eines Kaufbelegs einen nachgelagerten Vorteil an (bspw, nachträgliche Bonizahlung), – Treue Coupons: Sammeln von Treuepunkten o. Ä. und nachträgliche Einlösung, dies kann bei weiteren Käufen verrechnet werden oder die Prämie an Kunden ausgezahlt oder versendet. Best Practices helfen, Gutscheine und Coupons passend zu konzipieren:1057 Die Höhe des Rabattes hat entscheidenden Einfluss auf die Conversion. 20% gelten vielfach als Idealwert. Bei weiter steigenden Rabatten sinken die Einlösquoten tendenziell. Gutscheine sollten nicht über Gutscheinportale vergeben werden, da vielfach nur Schnäppchenjäger erreicht werden. Wenn Gutscheine in relevanten Umfeldern platziert werden (Gutschein für die vergünstigte Buchung der Stadtführung bei Übergabe der Reiseunterlagen hinzufügen) und sie einfach einzulösen sind, ist die Akzeptanz von Kunden am größten. Ergänzende Trends der Verkaufsförderung sind:1058 – Promotions flankieren zunehmend die großen Produkteinführungskampagnen. – Mit dem Handel werden zunehmend tailormade Promotions im Rahmen der Jahresgespräche vereinbart. – Nach der Idee des Co-Marketing vereinbaren mehrere Hersteller gemeinsame, aufeinander abgestimmte VKF-Maßnahmen. – Promotion-Displays und Produktauftritt (Design, Verpackung) müssen als Einheit wahrgenommen werden (Homogenität des Erscheinungsbildes). – VKF-Aktionen erobern neue Kanäle (z. B. Tankstellen, Flughäfen). – Promotions am POS werden als Marken-Erlebniswelt inszeniert – als Erlebnisse für alle Sinne (Licht, Farben, Musik, Düfte, bewegte Objekte). 1057 o. V., (Gutscheine), 2014, S. 10. 1058 vgl. Rivinius, (Verkaufsförderung), in: ASW, 6/2001, S. 80–81.

7.10 Direktwerbung 

 909

Tabelle 7.47: Vor- und Nachteile von Verkaufsförderung. Vorteile Verkaufsförderung

Herausforderungen und Nachteile Verkaufsförderung

Kurzfristige (Umsatz-) Hebelwirkung

Abnutzungseffekte der Verkaufsförderung

Umsatz- und Absatzwirkung

Notwendigkeit der Steigerung der Anreize zur Beibehaltung der Hebelwirkung

Verschiedene Adressaten möglich: Endkunden, Absatzpartner, eigene Mitarbeiter in Vertrieb und Verkauf

Vielfach ausschließliche Adressierung des Preisimage

Geringe Mediakosten

Ertragsreduzierung bei Preisaktionen

Geringe Gestaltungskosten

Erzeugt wenig echte emotionale Kundenbindung

Direkte Ansprache der gewünschten Zielgruppe

In der Übersicht Tabelle 7.47 zeigt sich die Wirkweise der Verkaufsförderung noch einmal deutlich. Sie ist ein wichtiges Instrument, um Umsatz und Absatz zu stützen und fördern. Dabei ist es ein teures Instrument, weil es vielfach Ertrag kosten und sich abnutzt. Die erste Rabatt-Aktion verläuft vielfach für Unternehmen sehr erfolgreich. Bei jeder weiteren Aktion lernen Kunden Rabatte kennen, und Umsatzzuwächse werden bei jeder neuen Aktion geringer ausfallen, da der Neuigkeitswert wegfällt. Maßgebliche Einsatzbereiche – Verkaufsförderung

Recruitment / Kundenakquisition

Stakeholder Brand/Marke/Positionierung Brand / Marke Sales / Verkauf 1:n Sales / Verkauf 1:1 Retention / Kundenbindung Recovery / Kundenrückgewinnung Abbildung 7.87: Maßgebliche Einsatzbereiche Verkaufsförderung.

Eignung

910 

 7 Kommunikationspolitik

Abbildung  7.87 belegt die starke Abverkaufsorientierung der Verkaufsförderung.

7.10.6 Give Aways und Werbegeschenke Der Gesamtverband der Werbeartikelwirtschaft e.V. (GWW) positioniert den Werbeartikel ausdrücklich als Kommunikationsinstrument. Durch die direkte Übergabe an Kunden können Werbeartikel durchaus zu Dialogmarketing und Direktwerbung gezählt werden. 3,65 Mrd. Euro wurden in Deutschland 2019 für Werbegeschenke (Give-aways) ausgegeben. Die nachgewiesene Werbewirkung von Werbegeschenken reizt Unternehmen. Die im Auftrag des GWW regelmäßig durchgeführte Studie Werbewirkung von Werbeartikeln wies eine ungestützte Erinnerung von 70 Prozent für Werbeartikel aus. 91% aller Befragten benutzen Werbeartikel im Alltag. Die Spannweite möglicher Werbeartikel ist groß. Auf der einen Seite stehen Werbeartikel mit hohem Kontakt- aber nur geringem Erinnerungswert (Kugelschreiber, Feuerzeug, Kalender). Auf der anderen Seite stehen besondere Produkte für ausgewählte Zielgruppen“, die Kultcharakter annehmen (z. B. die Microsoft Kaffeetasse).1059 Gesucht wird der „nutzbare Artikel mit Charisma.“1060 Doch immer mehr Unternehmen stellen den Sinn der Werbegeschenke in Frage. Firmen verzichten auf persönliche Weihnachtsgeschenke und stiften stattdessen Beiträge für gemeinnützige Zwecke. Immer mehr Einkäufer, die früher jährlich in den Genuss von Weinflaschen und persönlichen Präsenten kamen, dürfen aufgrund von Compliance Regeln keine Geschenke mehr annehmen. Gegen Werbegeschenke werden einige Vorbehalte ins Feld geführt:1061 – Kunden fühlen sich verpflichtet oder in ihrer Privatsphäre bedrängt. – Kunden werten ein Geschenk als Bestechungsversuch (deshalb Compliance Regeln). – Gefährlich sind Geschenke, die interkulturelle Spielregeln verletzen (Bsp.: alkoholische Getränke in zunehmend Sober-orientierten Umfeldern).

1059 vgl. die Geschenkauswahl bei Penning-Lother, (Ideen), 1998, S. 24–27. 1060 eine Aussage des Bundesverbandes der Werbemittel-Berater: o. V., (Werbeartikelbranche), in: Landshuter Zeitung v. 11.1.2001, o.S. 1061 vgl. Belz u. a., (Geschäftsbeziehungen), 1998, S. 101–104.

7.10 Direktwerbung 

– – – – – –

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Gewöhnungseffekte bei den Kunden können einen Anspruchswettlauf bewirken (Jedes Jahr erwartet der Kunde ein wenig mehr). Oft führen Ungleichbehandlungen zu Ressentiments. Schenkt man dem Abteilungsleiter mehr, fühlen sich Mitarbeiter zurückgesetzt. Überflüssige Werbegeschenke sind lästig (Kalender-Müllberg). Werbegeschenke widersprechen in vielen Fällen dem Gedanken der Nachhaltigkeit. Werbegeschenke widersprechen der Corporate Social Responsibility (ihre Konkurrenten spenden – warum Sie nicht?). Werbegeschenke sind ein Kostenfaktor.

Eine Werbewirksamkeitsstudie des GWV bestätigt jedoch überwiegende Vorteile:1062 – Hohe Durchdringung: 98% der Deutschen haben mindestens einen Werbeartikel in ihrem Besitz. – Hohe Erinnerungsquote: 70% der erreichten Kunden können sich an Unternehmen oder Markenname erinnern. – 62% der Werbeartikel bleiben länger als ein Jahr im Besitz der Empfänger – Intensive Nutzung: 90% der Beworbenen nutzen Werbeartikel auch. – Hohe Werbeartikelreichweite – 89% der Bevölkerung werden erreicht – Hohe Multiplikatorwirkung. Hinzu treten spezifische Vorteile aus Sicht des Vertriebs: – Werbeartikel drücken eine besondere Wertschätzung für Kunden aus, – stimmen Gate-Keeper (z. B. die Assistenzen) positiv, – bieten Außendienst einen Anlass für Kontakt, – sind Vorinvestitionen für zukünftige Geschäfte. – Sie motivieren Kunden zur Danksagung und stärken dadurch die Kundenbindung. Werbeartikel sind die Visitenkarte einer Firma und daher als Marketinginstrument systematisch zu planen. Über Werbegeschenke sollte nicht aktionistisch von Jahr zu Jahr entschieden werden. Sinnvoll sind Geschenke, die im Rahmen eines Programmes mehrere Jahre abdecken.

1062 Vgl. GWV, online unter: https://gww.de/ueber-werbeartikel/zahlen-fakten/

912 

 7 Kommunikationspolitik

7.11 Weitere Instrumente der Kommunikation Neben den drei großen Kategorien der Kommunikationspolitik (1) Klassikwerbung, (2) Internetwerbung sowie (3) Direktwerbung haben sich weitere Marketinginstrumente etabliert. Da diese teilweise neue Teilnehmer im Kommunikationsumfeld darstellen, macht es Sinn, diese separat zu betrachten.

7.11.1 Guerrilla Marketing

Getränkehersteller Fritz-Kola hat in mehreren deutschen Städten Groß-Installationen aus Plastikflaschen aufgestellt, um auf die eigene „Trink-aus-GlasHaltung aufmerksam zu machen. Das Münchner Reisebüro Giller hat mit Werbebotschaften, die es auf zugeschneite Frontscheiben geparkter Autos geschrieben hat, einen in Social Media viral verbreiteten Aufmerksamkeitserfolg erzielen können.

Guerilla Marketing sucht nach alternativen Formen der Werbekommunikation. Marketing aktionen sollen unerwartet, unkonventionell, einzigartig und spektakulär ausfallen. Die Ausgangsfrage: wie kann Werbemüdigkeit der Konsumenten begegnet werden. Unternehmen sehen in Guerilla Marketing eine Option, im Kommunikationswettbewerb neue Akzente zu setzen, die hohe Aufmerksamkeit und Wiedererkennung ermöglichen. Dieser Ansatz zielt auf eine größtmögliche Reichweite mit begrenztem Budget. Besonders auffällige Werbung, einfallsreiche Kampagnen oder überraschende Storys sind Ausdruck dieser auf Sensationen ausgerichteten Strategie. Konzeptionell auf hohe und höchste Reichweiten in der eigenen und den angrenzenden Zielgruppen ausgelegt. In der Wirkung kann Guerilla Marketing nur schwer geplant werden. Der einzigartige Charakter der Guerilla Marketing-Aktion wird auf Basis von Annahmen entwickelt. Die Ergebnisse der Umsetzung lassen sich erst im Nachhinein analysieren. Guerilla Aktionen sind vielfach individuell geplante Aktionen, es besteht nur ein begrenzter Lerneffekt aus der Erfahrung. Neben der Kommunikationspolitik kann der Guerilla-Ansatz auch bei den anderen Marketing-Mix-Instrumenten angesetzt werden. Besondere und einzigartige Produktverpackungen, eine innovative Preisstrategie oder auch neue Vertriebswege sind Möglichkeiten, dem Guerilla-Ansatz nach Kunden zu überraschen und in der Wahrnehmung eine quasi provozierende Wirkung zu erzielen. Heute werden Guerilla Marketing Aktionen mit crossmedialer Verzahnung geplant. Eine virale Verbreitung auffälliger Marketing-Aktionen in Social Media kann die Reichweite der Aktion deutlich steigern. So können einzelne Aktionen, die an nur einem Ort stattfinden, landesweite oder globale digitale Reichweiten erzielen. Da Guerilla Maßnahmen auf eine besonders prominente Wahrnehmung abzielen, besteht das Risiko einer negativen Wirkung. Sollte

7.11 Weitere Instrumente der Kommunikation 

 913

Aktion zu provokant ausfallen, dreht sich die Wahrnehmung der Kunden in das Gegenteil und einen Shitstorm entsteht.

7.11.2 Product-Placement Product-Placement verfolgt eine werbewirksame Platzierung von Produkten und/oder Dienstleistungen in Medien, vorzugsweise in Kino- und Fernseh- sowie Streamingfilmen. Private Fernsehsender, Filmproduktionen oder Streaminganbieter suchen nach neuen, kreativen Quellen für Werbegelde und Zusatzeinnahmen. Eine Form – die rechtlich der Schleichwerbung recht nahekommt – ist Product-Placement. Der Auftritt des BMW Z3 im James Bond Film „Golden Eye“ ist in guter Erinnerung und gilt bis heute als Fallstudie für Product-Placement. Auch im B2B-Umfeld ist Product Placement eine Option: 2002 in „Die In Another Day“ waren es KUKA Industrieroboter. Das deutsche Volumen des Product-Placements-Geschäftes liegt nach Schätzungen in einer erheblichen Bandbreite zwischen 50 und 250 Mio. Euro.1063 Gegen eine Waren-/Materialbereitstellung und Kostenbeteiligung erhält der Werbende das Recht, – sein Produkt handlungsneutral im Film zu präsentieren (On-Set-Placement), – das Produkt in die Handlung einzubeziehen (Creative-Placement), – das Produkt gänzlich zum Filmthema zu machen (Image-Placement). Product-Placement besitzt verschiedene Vorteile: – Das Produkt gewinnt unterschwellig an Aufmerksamkeit, ohne dass eine kaufbeeinflussende Absicht sichtbar wird. Im Vordergrund bleibt die Filmhandlung. – Dadurch entstehen bei den Konsumenten evtl. weniger Kaufwiderstände. – Die Schauspieler, der Film oder das Filmumfeld können durch einen positiven Image-Transfer die Werbewirkung verstärken. – Mehrfaches Einblenden des Produktes über einen längeren Zeitraum (im Vergleich zum TV-Spot) ist möglich (Vorteile: Lern- und Konditionierungseffekte).

1063 vgl.  Statista, online unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/202298/ umfrage/umsatz-mit-product-placement-im-tv-in-europa/

Bei der Netflix-Production „House of Cards“ sollen bis zu 135 Produkte als ProductPlacement integriert gewesen sein.

914 

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 7 Kommunikationspolitik

Die Werbewirkung steigt durch emotionale Berührtheit des Zuschauers mit dem Filmgeschehen. Gegenüber konventioneller Werbung erhält das Produkt höhere Glaubwürdigkeit; vor allem, wenn das Produkt mit sichtbaren Produktvorteilen oder besonderen Nutzenbeiträgen in die Filmhandlung integriert ist. Das Produkt bleibt im Film. Beim normalen TV-Spot dagegen besteht die Gefahr der Nichtbeachtung durch Kanalwechsel in Werbepausen.

„Unterstützt durch Produktplatzierungen“ ist heute vielfach zu Beginn einer TV-Show oder einer Filmproduktion eingeblendet. Durch diesen Hinweis wird es für Zuseher ersichtlich, dass es sich bei der Verwendung spezifischer Produkte um den Teil einer Werbekampagne handelt. Product-Placement ist grundsätzlich erlaubt, wenn eine ausreichende Kennzeichnung stattfinden. Ausnahmen sind Kindersendungen, Nachrichten, Dokumentationen und Gottesdienste. Zudem darf im öffentlich-rechtlichen TV kein Product-Placement betrieben werden. Influencer Marketing wird aus einer ähnlichen Sichtweise betrachtet. Auch hier platziert ein Unternehmen durch eine Werbepartnerschaft die eigenen Produkte und Angebote in der Medienreichweite des Influencers.  Um hier Schleichwerbung zu vermeiden, müssen auch Influencer eine eindeutige Kennzeichnung mit bspw. „Werbung“, „bezahlte Kooperation“ etc. sicherstellen. Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 7.9.7.

7.11.3 Ingredient Branding Co-Branding wird i. d. R. im Rahmen zeitlich begrenzter Aktionen betrieben. Ingredient Branding geht darüber hinaus und zielt auf dauerhafte Markenkombination. Sozusagen eine „Marke in einer Marke.“ Ingredient Branding ist ein Konzept für die dauerhafte Zusammenführung von Marken. Dabei brauchen sich Produkte (Marken) nicht gleichberechtigt ergänzen. Vielmehr kann eine Marke mit ihren Botschaften wie eine Beigabe unter das Dach einer übergeordneten Marke (Host Brand) eingeordnet werden. Bekanntes und etabliertes Beispiel sind Mikroprozessoren von Intel, die sich mit dem Ingredient Branding-Ansatz von „Intel Inside“ auf dem Markt etablieren konnten. Dadurch erhält die Host Brand (bspw. der PC Hersteller Hewlett Packard) einen Mehrwert. In der Regel sind es Herstellermarken, die eine Markenkraft von bspw. Consumer-Marken stärken sollen. Auf eine Praxisbefragung von Freter, Baumgarth und Schmidt (Trevira, Kevlar,

7.11 Weitere Instrumente der Kommunikation 

 915

Sachs, Tetra Pack) wird hier verwiesen.1064 Als besondere Vorteile haben sich eine leichtere Einführung neuer Produkte und die Möglichkeit zur Festigung der Lieferbeziehungen der Partner untereinander erwiesen. Alternative Beispiele sind Wollsiegel – reine Schurwolle oder Carl Zeiss Optiken, die in vielen Smartphones von chinesischen Herstellern prominent integriert sind. Auch die Marke Kevlar ist als Ingredient Brand verbreitet. Sie steht für Festigkeit und kann Produkte aufwerten und Leistungs- und Widerstandsfähigkeit belegen. Mit Kevlar aufgewertete Smartphones von Motorola gelten als besonders stabil. Schutzausrüstungen für Einsatzkräftewerden durch die Verwendung von Kevlar leistungsfähiger und dokumentieren dies durch die Verwendung des Kevlar-Logos. Ansätze des Ingredient Brandings verfolgen verschiedene Zielsetzungen, die aus Sicht der Ingredient Brand/des Zulieferers (Intel) wie auch der Host Brand/der Hauptmarke (Hewlett Packard) betrachtet werden müssen. Zielsetzungen der Host Brand/integrierende Marke und Produkt (1) Stärkung der Unterscheidungskraft der durch bekannte Bestandteile/Ingredients, (2) Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch leistungsfähige Bestandteile im Produkt, (3) Stärkung des Markenwerts der Host Brand durch Imagetransfer von der Ingredient Brand auf die Host Brand. Zielsetzungen der einbezogenen Marke und Produkt/der Ingredient Brand: – Profitieren von der Bekanntheit der Host Brand, Imagetransfer durch die Host Brand, – Bekanntheit als Zulieferer gegenüber Endkunden erlangen, – Wettbewerbsstärkung gegen Mitbewerber durch Status als präferierter Bestandteil/Ingredient, – Absicherung gegen Austauschbarkeit, – Durchsetzung eines Preispremium. Die größten Herausforderungen für die Host Brand des Ingredient Brandings liegen in folgenden Aspekten: – Sicherstellung der Qualität über weitere Bereiche der Wertschöpfungskette, 1064 Quelle: vgl. o. V., (Ingredient Branding), in: ASW, 12/1997, S. 92 unter Hinweis auf das Arbeitspapier von Baumgarth, Freter und Schmidt.

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 7 Kommunikationspolitik

Erfolgsbeteiligungen an die Ingredient Brand weiterreichen, Entstehung eines Konfliktpotenzial, wenn weitere Host Brands die Ingredient Brand integrieren wollen.

Aber auch die Ingredient Brand muss Herausforderungen meistern: – Widerstand der Host Brand gegen prominente Profilierung neben der eigenen Marke, – Eigene Marke wird ggf. nicht als eigenständig wahrgenommen, – Zusätzliche Investition in Markenaufbau, um als Marke wahrgenommen zu werden, – Abhängigkeit von Image und Performance der Host Brand.

7.11.4 Retail Media Amazon hat weltweit mit Retail Media in 2021 einen Umsatz von 31 Mrd. US$ erzielt.

Die Suche nach Produkten hat sich in letzten Jahren stark von Google zu den Onlineshops der großen E-Commerce-Stores verlagert. Wenn Onlineshops wie Amazon oder Otto eine zehntausende Produkte umfassende Auswahl präsentieren, ist es für Kunden bequem, Produktsuche und Auswahl direkt auf den Plattformen vorzunehmen. Um als Marke die Sichtbarkeit der eigenen Produkte in Onlineshops oder auf Marktplätzen zu erhöhen, ist die Buchung und Schaltung von Werbeanzeigen eine zielführende Strategie. Retail Media ist die Nutzung von Handelsmedienformaten, um Produkt- und Markenwerbung auszuspielen. Die im Rahmen der Jahresvereinbarung vereinbarte Produktplatzierung auf der Titelseite des Werbeprospekts ist der Ausgangspunkt von Retail Media. Handelsunternehmen lassen sich Werbeplatzierung auf ihren Hauptmedien finanzieren. Durch die Digitalisierung sind Werbeformate auf Online Shops übertragen und mit mehr Funktionen versehen worden. Verschiedene Arten des Retail Media werden angeboten: (1) Produktplatzierungen auf dem Werbeflyer, bspw. die subventionierte Werbung von Coca Cola auf dem Titelblatt des Werbeprospekt kurz vor dem Jahreswechsel. (2) Sponsored Products in Online Shops: Zu Suchergebnissen der Kunden werden weitere Produkte vorgeschlagen, die auf den Suchbegriff Werbung geschaltet haben, bspw. der Kunden sucht nach adidas Schuhen und von der Marke Puma werden als Sponsored Product ähnliche Produkte vorgeschlagen. (3) Display Kampagnen, statisch und mit Video in Online Shops: Bestimmte Bereiche des Shops werden mit besonderen Werbeele-

7.11 Weitere Instrumente der Kommunikation 

(4)

(5)

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menten ausgestattet, so dass die Marke eine exponierte Präferenz erhält, z. B. wird bei der Listenansicht von Digitalkameras immer die Displaywerbung der aktuellen Kampagne von Canon angezeigt. Shop­in­Shop­Darstellung in Online Shops: Spezifische Untershops für Marken, die ggf. sogar über eine eigene Sub-Domain angesteuert werden können, bspw. der Gigaset-Store als Unterseite auf amazon.de. Native Advertising in Online Shops: Informative und allgemeine Texte und Inhalte des Onlineshops werden durch die Marken und Produkte unterstützt, z. B. Bericht zu unterschiedlichen Kaffee-Vollautomaten wird von der Marke Jura gesponsort, deren Produkte auch im Text als Beispielprodukte verlinkt sind. Digitale Displays in Einkaufszentren: Der flanierende Kunde wird von Storewerbung von in der Mall vertretenen Anbietern auf weitere Geschäfte hingewiesen. InStore Radio: Spezialisierte Radioprogramme sind auf die Begleitung beim Einkauf ausgerichtet. Diese Sender bieten eine live eingesprochene Moderation, die tageszeitbezogen Kunden über Nachrichten und auch aktuelle Einkäufe informiert. Marken können dort im Zuge von Werbevereinbarungen redaktionell eingebunden werden oder es werden bekannte Werbespots aus dem klassischen Radio auch im Instore Radio eingesetzt.

Die Nutzung von Retail Media hat für Werbetreibende Vorteile: – Werbung am Ort der Produktsuche und ggf. sogar Kaufentscheidung, – gute Platzierungen in Produktlistings möglich, – gute Zielgruppenselektion, da nah am Kaufakt geworben wird, – vielfältige Werbeformate: von Abverkauf bis Branding. Diese umsatzträchtigen Werbeformate besitzen aber auch Nachteile: – Steigerung der Kosten des Verkaufs über Absatzpartner, da diese neben der Handelsspanne jetzt noch Werbekostenzuschüsse (WKZ) erhalten, – Steigerung der Abhängigkeit: durch die Werbekostenzuschüsse werden die Absatzpartner mächtiger gemacht, – Wenig oder kein Einblick in Kundendaten: Die Umsätze werden weiterhin über den Handels- und Absatzpartner erzielt. Kundendaten verbleiben beim Absatzpartner, – Eingeschränkte Kreativität: Die Werbung muss sich den Vorgaben des Handelspartners anpassen, der keine zu große interne Konkurrenz zulassen will.

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 7 Kommunikationspolitik

Die Bedeutung von Retail Media wird bei großen Plattformen noch zunehmen. Der Wettbewerb um die besten Plätze in den Suchergebnislisten wird immer intensiver.

7.11.5 Screenless Marketing Die Verbreitung von intelligenten Lautsprechern macht ein Marketing notwendig, das ohne Schrift oder Bilder auskommen muss. Die Nutzung von Skills und Routinen auf den Smartspeakern lässt neue Kommunikationsformen entstehen, die nach eigenen Regeln funktionieren.1065 Zudem nimmt die Nutzung von mobilen Assistenten allgemein zu. Siri und die Google Voice-Suche waren erste kommerziell relevante Assistenzsysteme, mit den Kunden über Sprache kommunizieren konnten. Nach und nach werden immer mehr technische Systeme mit Möglichkeiten der Sprachsteuerung ausgestattet. Neue Kraftfahrzeuge lassen viele Funktionen im Auto über Sprache steuern. Diese Systeme sind von den Automobilherstellern individuell entwickelt oder greifen auf Appleund Google Legacy-Systeme zurück. Folgende Besonderheiten zeichnen Screenless Marketing aus: – Menschliche Konversation: Gesprochene Sprache zeichnet sich durch mehr Uneindeutigkeit wie geschriebene Sprache aus. Wie kann die Suchintention verstanden werden? Wie kann die Antwort genau der Suchintention entsprechend entwickelt werden? Bei der Planung der Konversationen muss dies berücksichtig werden. Sowohl in der Analyse und Interpretation der sprachlichen Eingaben wie bei der Entwicklung passender Antwortstrategien. – Auditives Storytelling: Das gesprochene Wort gewinnt durch die Anreicherung mit bildhafter Sprache. Alles, was durch den Sehsinn erfasst werden könnte, muss die sprachliche Ausformulierung leisten. Aufgabe für die Texterstellung ist die möglichst bildhafte und vielschichtige und dennoch prägnant und kurz formulierte Antwort auf die Suchanfragen der Nutzer. – Platz 1­Marketing: Nutzer von Sprachsystemen greifen vorzugsweise auf erste Suchergebnisse zu. Die Konversation mit Sprachassistenten dauert länger als die Nutzung von bildschirmgebundenen Interaktionssystemen. Deshalb sind Nutzer weniger bereit, sich meh-

1065 vgl.  die umfangreichen Ausführungen von Hörner (Sprachassistenten), 2021, S. 535 ff.

7.11 Weitere Instrumente der Kommunikation 





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rere Suchergebnisse nacheinander vorlesen zu lassen. Daher ist die Zielsetzung, das eigene Produkt oder die eigene Information auf dem ersten Sucherergebnisplatz zu positionieren notwendig, um relevanten Suchtraffic zu erhalten. Unmittelbare Nützlichkeit der Antwort: In welchem Nutzungskontext wird der Smart Speaker verwendet? Im häuslichen Alltag, unterwegs bei der Suche nach einem Restaurant? Sprachsuche ist oft lokal bezogen, bspw. Öffnungszeiten und Anbietersuchen. Relevanz der Smartspeaker Ökosysteme („Trusted Ai Assistant“): Eine Analyse der Harvard Business Review zeigt auf, dass Nutzer zunehmend der Vorauswahl der Smartspeaker-Algorithmen vertrauen. Unternehmen haben die Aufgabe, ihre Kommunikationsangebote so zu platzieren, dass Smartspeaker-Systeme diese als relevantes erstes Ergebnis besprechen.1066 Dawar zieht den Vergleich zur Rolle der Supermärkte in den Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg: sie treffen die Vorauswahl, auf die Kunden vertrauen.

Marketing für Screenless-Produkte muss sich auf konkrete Antworten auf Nutzerfragen konzentrieren, damit Suchalgorithmen möglichst direkt auf die vorbereiteten Ergebnisse zugreifen. Als Alternative kann für ausgewählte Systeme auch eine eigene Anwendung (sog. Skill) entwickelt werden. Diese Miniprogramme ähneln Smartphone-Apps.  Sie müssen einmalig durch den Nutzer für sein Screenless-Produkt (bspw. den Smartspeaker) aktiviert werden. Dann stehen besondere Funktionen zur Verfügung, die der Nutzer über die Sprachbefehle ansteuern kann. Trotz großer Absatzzahlen ausgewählter Systeme wie Alexa von Amazon haben sich Screenless-Interaktionsgeräte bisher nur begrenzt in der Kommunikation etablieren können. Hemmfaktor aus Sicht von Konsumenten sind Datenschutzbedenken hinsichtlich Sammlung, Speicherung und Nutzung der Daten durch Dritte.1067 Eine allgemeine Grundskepsis gegenüber digitalen Innovationen trägt ebenfalls zur verhaltenen Nutzung der Geräte bei. Dritter großer Hemmfaktor ist die Usability und wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit bei der Spracheingabe. Komplexe Interaktionen mit Screenless Interaktionsgeräten werden daher heute von Kunden kaum realisiert.

1066 vgl. Dawar (Alexa), 2018, S. 81. 1067 vgl. Schultz, Brüggemann (Sprachassistenten), 2022, S. 29, eine alternative aktuelle Studie von Flaswinkel et al. kommt zu gleichen Ergebnissen, vgl. Flaswinkel et al., (Voice Assistants), 2022, S. 38.

920 

 7 Kommunikationspolitik

7.11.6 Occasion-based Shopping Ausgewählte Anlässe motivieren Kunden zum Shopping. Laut Daten der GfK sind deutlich über 1/3 aller Einkaufstrips durch einen direkten Anlassbezug motiviert. Unternehmen versuchen, zu diesen Anlässen in die Shopping-Auswahl einbezogen zu werden. Zudem versuchen Unternehmen und Initiativen, gezielte neue Shopping-Anlässe zu kreieren, um Kunden zu mehr Shopping zu animieren. Die Kaufentscheidung im Zusammenhang mit den ausgewählten Anlässen ist durch den Verwendungszweck der Produkte bestimmt: Eigenverbrauch, Kochen, Bewirtung, Geschenk, etc. Tabelle 7.48: Shopping-Anlässe. Nr.

Art des Anlasses

Beispiel

1

Gängige Feiertage

Weihnachten, Ostern, Zuckerfest, Diwali, Halloween, etc.

2

Großereignisse

Fußball-WM, Olympia, Super Bowl-Finale, Oktoberfest, etc.

3

Saisonale Aktivitäten

Ferienstart, Beginn der Sommersaison, Erntebeginn, etc.

4

Künstliche Anlässe

SSV + WSV, Black Friday, Singles Day (11.11.), Cyber Monday, Last Shipping Day, etc.

5

Individuelle Anlässe

Abi-Ball, Einladung bei Freunden, bestandene Prüfung, etc.

Damit Anlässe sich motivierend auf das Einkaufsverhalten auswirken, müssen sie Relevanz für Kunden aufweisen. Dann besitzen Kunden eine hohe Ausgabebereitschaft und greifen vermehrt zu Markenprodukten.1068 Gerade bei breit akzeptierten Shopping-Anlässen, wie Weihnachten oder dem Black Friday, können Unternehmen deutliche Mehrumsätze durch die zielgerichtete Adressierung des Shopping-Anlasses erzielen. Die Anlässe werden von Unternehmen mit unterschiedlichen Strategien angesprochen. Bei gängigen Feiertagen findet eine systematische Hinführung der Konsumenten zu den Anlässen statt, und das allgemeine Shopping-Interesse wird angesprochen („Haben Sie schon alle Geschenke für…?“). Großereignisse werden themenspezifisch inszeniert, und Kunden sollen zu Zusatzumsätzen animiert werden („Jetzt die Fußball-WM auf Ihrem neuen 4K-Fernseher genießen.“). Bei den saisonalen Aktivitäten werden allgemeine Zeiträume beworben, in denen Kunden einen Großteil der sortimentsbezogenen Umsätze realisieren („Ihre Gartenmöbel für einen schönen Sommer.“). Die künstlichen Anlässe sind gezielt für

1068 vgl. Horstmann (Occasion-based Shopping), 2020, S. 48.

7.11 Weitere Instrumente der Kommunikation 

 921

mehr Shopping entwickelt, so dass die Unternehmen hier abverkaufsfördernd agieren („Unsere größten Black Friday-Rabatte ever!“). Die individuellen Anlässe haben vielfach einen Selbstbelohnungscharakter für den Konsumenten („Das haben Sie sich verdient!“). Eng verbunden mit dem Occasion-based Shopping ist der Begriff des „Gifting“ (oder alternativ „Gift giving”). Empfänger erhalten Geschenke ohne Gegenleistung. Die Übergabe hochwertiger und adäquater Geschenke ist großer Motivator für Shopping. Neben der beschriebenen uneigennützigen Freiwilligkeit kann die Übergabe von Geschenken als Verpflichtung gesehen werden. Wenn alle zu Weihnachten anwesenden Familienmitglieder sich gegenseitig Geschenke übergeben, ist auch jedes Familienmitglied moralisch verpflichtet, Geschenke vorab zu erwerben. Allen Shopping-Anlässen gemein ist, dass Hersteller und Handel aus Food- und Nonfood die Anlässe in Szene setzen, um die Shopping-Motivation der Kunden zu stärken: – Anlassbezogene Produktstrategien: Gestaltung und Entwurf spezifischer und/oder limitierter Produkte/Produktvariationen zum Anlass (TV-Sondermodell zur Fußball-Weltmeisterschaft, etc.), – Verkaufstechnische Inszenierung des Anlasses am POS (Weihnachtsdekorationen im Ladengeschäft, etc.), – Kommunikationspolitische Integration des Anlasses (Kreation von Werbeaussagen rund um den Anlass, etc.), – Spezifische Aktivierung rund um den Anlass (Rabatte nur an Black Friday, etc.). Auch aus anderen Kulturkreisen kommende Anlässe (bspw. Singles Day aus China zum Anlass der 4x1 im Datum (11.11), tw. umgedeutet hin zu Alleinstehende/Singles gönnen sich etwas) werden als Umsatzhebel wahrgenommen und setzen sich zunehmend durch. Daneben verlieren Zeiten des Jahres an Kaufkraft, die nicht spezifischen Aktionszeiträumen zugeordnet sind.

7.11.7 Corporate Publishing „Kundenmedien werden in Zeiten des One-to-One-Marketing zu einem zentralen Management-Werkzeug für Kundenbindung, Markenbildung und Neukundengeschäft. Über 3500 Magazine und ein boomender Cor-

922 

 7 Kommunikationspolitik

porate Publishing Markt demonstrieren die wachsende Bedeutung dieser Mediengattung.“1069 Corporate Publishing „bezeichnet die einheitliche interne und externe, journalistisch aufbereitete Informationsübermittlung eines Unternehmens über alle diverse Kommunikationskanäle (offline, online, mobil), durch welche ein Unternehmen mit verschiedenen Zielgruppen kommuniziert.“ (Definition des Branchenverbandes Corporate Publishing, heute als Content Marketing Forum firmierend). Kundenmedien werden durch Mitarbeiter- und Partnermedien ergänzt. Ein Kundenmagazin sollte im Mittelpunkt integrierter Kommunikationskonzepte stehen und mit Newslettern, Podcasts und E-Mail-Marketing zusammenwirken. Der Trend zum Kundendialog beflügelt Corporate Publishing. Abbildung  7.88 zeigt das Spektrum der Unternehmenspublikationen, deren Inhalte von einer Content-Plattform gespeist werden. Kundenmedien haben folgende Aufgaben und Funktionen: – Positive Berichterstattung über die eigene Unternehmung, – zielgruppengerechte Information über neue Produkte und Angebote, – „Vermenschlichung“ des Anbieters (Smiling-Faces-Effekt) und dadurch Intensivierung guter Kundenbeziehungen, – Response-Generierung durch Response-Elemente, – dadurch Aufbau von Wissen über Bedürfnisse und Wünsche der Kunden, – Motivation für die eigenen Mitarbeiter (Kundenzeitschriften sind bedeutende Instrumente für das interne Marketing) oder Vertriebspartner (Händler), – Unterhaltung und Lernen – oft bewusst außerhalb der Unternehmensthemen, – Erhöhung der Kaufanreize, – Stärkung der Kundenzufriedenheit – und Stärkung der Kundenbindung (Loyalität). In Bezug auf das Ziel der Kundenbindung könnte man skeptisch sein. Welche Bindungskraft hat die vierte Zeitschrift, die ein Konsument in dieser Woche im Briefkasten vorfindet? Eine Pilotuntersuchung des Instituts für Demoskopie Allensbach lässt aufhorchen:1070

1069 Manfred Hasenbeck – ehemaliger Präsident des Forums Corporate Publishing (FCP). 1070 Quelle: ARMADA Pilotstudie 1999/2000, Institut für Demoskopie Allensbach; zit. in: o. V., (Kundenzeitschriften), in: PM-Beratungsbrief v. 13.1.2001, S. 1.

7.11 Weitere Instrumente der Kommunikation 

Mitarbeitermagazin

Corporate TV, Video Plattform

Kunden-, Händlermagazin

 923

E- Magazin, E-Journal

Corporate Publishing Optionen

Podcast, Vodcast Corporate Blog

E-Mail Newsletter PrintNewsletter

Geschäftsbericht

Abbildung 7.88: Corporate Publishing Optionen.



– –

80 Prozent der Bevölkerung über 14 Jahre kennen eine oder mehrere Kundenzeitschriften und lesen sie auch; allerdings unregelmäßig, etwa jeder Dritte kennt Titel, deren Lektüre er sehr unterhaltsam findet, fast jeder Dritte kann sich daran erinnern, durch ein Kundenmagazin schon einmal zu einem Kauf angeregt worden zu sein.

Tabelle 7.49 enthält Vorschläge zur Gestaltung eines erfolgreichen Kundenmagazins. Selbstverständlich entscheiden Aufmachung und journalistische Qualität darüber, wie eine Zeitschrift oder ein Podcast im Markt angenommen wird. Doch bedarf es mehr als Reiseberichte und bunte Bilder, damit sich ein Angebot in den Köpfen der Kunden durchsetzt. Es gilt, Beziehungsbotschaften an Zielgruppen zu transportieren und diese ein Kundenleben lang zu begleiten. Integrierte Kommunikation verlangt, Inhalte und Botschaften aller Medien und aller Marketing- und Vertriebsinstrumente aufeinander abzustimmen.

924 

 7 Kommunikationspolitik

Tabelle 7.49: Merkmale eines erfolgreichen Corporate Publishings. Merkmale guten Corporate Publishings

Beschreibung

Orientierung an Wünschen der Zielgruppe

Die Veröffentlichung muss sich an der Unternehmenszielgruppe orientieren.

Professionelle Redaktion

Gute recherchierte Inhalte, die objektiver Natur sind.

Hochwertige Gestaltung und Herstellung

Um gegenüber redaktionellen Angeboten wahrgenommen zu werden, muss die Veröffentlichung qualitativ mindestens ebenbürtig sein.

Emotionalisierung des Unternehmens und der Produkte

Das Unternehmen kann sich in der Veröffentlichung emotional inszenieren.

Nicht nur werblicher Inhalt

Kunden werden ein Corporate Publishing Produkt dann wertschätzen, wenn Sie werthaltige Informationen erhalten.

8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung Viele Marketinglehrbücher enden hier. Die Theorie geht von zwei wichtigen, problembeseitigenden Annahmen aus: Alle Unternehmensbereiche folgen gerne dem Primat des Marketing. Und der im Buch behandelte „optimale“ Marketing-Mix bringt den Markterfolg. In erfolgreichen Unternehmen, wie sie Peters und Waterman in ihrer wegweisenden Studie über unternehmerische Spitzenleistungen beschreiben, mag das auch so sein. Tabelle 8.1 listet Grundtugenden von Top-Unternehmen nach Peters und Waterman auf.1071 Tabelle 8.1: Grundtugenden erfolgreicher Unternehmen nach Peters und Waterman. Acht Erfolgsfaktoren von Spitzenunternehmen 1 2 3 4 5 6 7 8

Primat des Handelns: do it, try it, fix it Nähe zum Kunden mit hoher Servicequalität Freiraum für Unternehmertum Produktivität durch Menschen sichtbar gelebtes Wertesystem Bindung an das angestammte Geschäft (Kernkompetenzen) einfacher, flexibler Aufbau straff-lockere Führung

Jedoch beweisen nicht alle Wirtschaftsunternehmen eine nachhaltige Erfüllung dieser acht Erfolgsfaktoren. In der zitierten Untersuchung dürfen nur 14 von 75 Unternehmen den Begriff most excellent Company beanspruchen. Bei weniger erfolgreichen Unternehmen hat die Studie gezeigt: Die zentralen Marketingpostulate Kundennähe und Kundenzufriedenheit erweisen sich als zwar notwendige, aber allein noch nicht hinreichende Voraussetzungen für unternehmerische Spitzenleistungen. Zu einer unternehmerischen Spitzenleistung gehört es, Kundenzufriedenheit mit betriebswirtschaftlichem Erfolg in Einklang zu bringen. Die betriebswirtschaftlichen Erfolgsgrößen Betriebsergebnis, investionensichernde Liquidität (Cash-Flow) und Unternehmenswert (Shareholder Value) dürfen vom Marketing nicht vernachlässigt werden. Diejenigen Unternehmen sind die wahren Champions, die in Abbildung 8.1 im Feld rechts oben positioniert sind. 1071 Vgl. die Zusammenfassung bei Peters; Waterman, (Spitzenleistungen), 2006, S. 57–60. https://doi.org/10.1515/9783110787771-008

hoch

 8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung

Der Kunde ist Sieger

TopUnternehmen

niedrig

Kundenzufriedenheit

926 

Beide sind Verlierer

Vorsicht: Kundenverlust

niedrig

hoch

Unternehmensgewinn Abbildung 8.1: Marktpartner-Zufriedenheitsprofil.

Vertretbar ist die Hypothese, dass Markt- und Kundenorientierung gute Voraussetzungen für einen nachhaltigen betriebswirtschaftlichen Erfolg schaffen. Marktorientierung kann dabei in unterschiedlichen Intensitäten ausgeprägt sein: – Das Minimalniveau einer Marktorientierung liegt darin, zukünftige Kundenbedürfnisse vorauszusagen und Produktentwicklung und Produktionsanlagen auf diese Kundenwünsche hin auszurichten (reaktive Marktorientierung). – Auf einem gehobeneren Niveau der Marktorientierung arbeiten Unternehmen gezielt darauf hin, Trends bei den Kundenbedürfnissen und beim Käuferverhalten schneller aufzunehmen als Konkurrenten und systematisch in Wettbewerbsvorteile umzusetzen (differenzierende Marktorientierung). – Die höchste Stufe der Marktorientierung erreichen Unternehmen, die gestalterische Akzente setzen, indem sie selbst Produkt- und Bedürfnistrends beeinflussen (aktive Marktorientierung). Diese Unternehmen verändern Marktspielregeln und formen Märkte. Sie „erziehen“ ihre Kunden. Wie sagte es Stephan Kletschke von Freudenberg Process Seals auf dem Kundenwertkongress bereits in 2003: „90 Prozent aller Win-Win-Beziehungen sind lieferantengetrieben.“ Top-Unternehmen schaffen dies bei einer betriebswirtschaftlichen Steuerung und Optimierung von Kosten, Erträgen, Ergebnis, Rendite und CashFlow. Dazu haben sie sich Konflikten zwischen kundenbezogenen und betriebsbezogenen Zielen zu stellen. Beispiel: Die Produktion strebt nach fertigungsoptimalen Losgrößen, der Vertrieb wünscht kundenindividuelle Fertigung und Lieferung. Top-Unternehmen verwirklichen einen Konsens für eine Marktorientierung, die sich rechnet. Das geht nur, wenn

8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung 

 927

auch die KollegInnen der Ressorts außerhalb von Marketing und Vertrieb marktorientiertes Denken verinnerlichen. Es wird zudem immer wieder behauptet, dass Schwächen im marktorientierten Denken den Erfolg von Innovationen verhindern.1072 Deshalb sei es notwendig, nicht nur Betriebswirte, sondern auch Ingenieure und Naturwissenschaftler auf fünf Denkkategorien der Marktorientierung einzuschwören: (1) Geschäftsdenken: Marktdenken ist unternehmerisches Denken und erfordert eine nüchterne kaufmännische Überprüfung aller noch so überzeugend wirkenden technischen Ideen. Ingenieure sind oft einseitig auf technische Problemlösungen fixiert. Ihnen fehlt betriebswirtschaftliches Kosten- und Finanzdenken. (2) Internationales Denken: Marktorientierung lenkt den Blick auf die Weltmärkte. Ingenieure und Naturwissenschaftler sollten ein Interesse an weltweiter Präsenz haben und ein Verständnis für interkulturelle Unterschiede entwickeln, wie es eher den Kaufleuten zugesprochen wird. (3) Kundennutzen­Denken: Technikern fällt es zuweilen schwer, von technischen Lösungen Abstand zu nehmen, die vom Kunden nicht bemerkt, nicht verstanden oder nicht honoriert werden. Marktorientierung erfordert aber die strenge Disziplin, dem Kunden gerade die Produktlösungen oder Services anzubieten, die er für eine Bedürfniserfüllung wünscht und preislich abzugelten bereit ist. (4) Funktionsübergreifendes Denken: Marktorientierung verlangt danach, interdisziplinäre Arbeitsteams zu bilden und die traditionellen Gräben zwischen Technikern, Kaufleuten und Verkäufern zu überwinden. (5) Differenzierungs­Denken: Marktorientierung fordert, nüchtern die Schwächen eigener Produkte und Prozesse im Vergleich zu Wettbewerbern zu erkennen. Eine ehrliche Bestandsaufnahme setzt Kräfte und Ideen frei, um im Konkurrenzkampf vorne mitzuspielen. Diese Forderungen regen zu einem Überdenken der ingenieurwissenschaftlichen Ausbildung in Deutschland an.

1072 Vgl. Baur, (Kundenorientierung), in: Handelsblatt v. 9./10.4.99. Baur spricht unter Punkt 5 nicht vom Differenzierungsdenken, sondern vom Grenzdenken. Er empfiehlt, diese Denkhaltungen obligatorisch im ingenieur- und naturwissenschaftlichen Studium zu vermitteln. Es handelt sich also auch um einen Ansatz zur Modernisierung der technischen Hochschulausbildung in Deutschland.

„Deutsche Produkte befriedigen oft Vorlieben der Ingenieure und nicht die Wünsche der Kunden.“ (Quelle: Jones, (Zuhören), in: MM 11/1996, S. 238)

928 

 8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung

8.1 Marktorientierung im Hyper-Wettbewerb Die Zeiten sind vorbei, in denen Wettbewerb allein durch Produktleistungen, Qualitäten und Lebensdauern ausgefochten wird. Gerade der internationale Preiskampf belegt diese Problematik. Ist eine Unternehmung unentrinnbar auf einen Preiskampf fixiert, wird sie nur als kostenführender Massenanbieter überleben können. Ist man dann zu Fusionen und Aufkäufen gezwungen (Zwang zur Größe), dann gehen Firmenname, Kultur und Tradition unter (AEG, BBC, NSU, DUAL, MAN).

8.1.1 Neue Wettbewerbsdimensionen Neue Qualitäten und Aspekte der Wettbewerbsauseinandersetzung treten hinzu, zwingen Unternehmen zum Umdenken und zum Heranbilden neuer Kulturen der Unternehmensführung. Die Grenzen zwischen Technikern und Kaufleuten, zwischen Marketing und Vertrieb, verschwimmen. Das Marketing beseelt Vertrieb und Technik. Die Technik reicht ihre Visionen über Möglichkeiten und Grenzen der Produktentwicklung zum Kunden weiter. Tabelle 8.2 zeigt Ebenen, auf denen sich heute Wettbewerbsauseinandersetzungen abspielen. Wer Wettbewerbsdimensionen im Griff hat, kann Märkte beherrschen. Tabelle 8.2: Neue Ebenen der Wettbewerbsdimensionen. MethodenWettbewerb

Gewinner ist die Unternehmung, die mit besserer Übersicht und höherer Anwendungskompetenz mit der Methoden- und Systemvielfalt fertig wird.

– – – – –

Gute Ideen sollen durch Systeme abgestützt werden Technik, Marketing und Vertrieb sollen sich auf bereichsübergreifende Methoden einigen Vertriebsführung mit System (CRM/CAS) ERP-Systeme zur Steuerung des Gesamtunternehmens

ZeitWettbewerb

Nicht der Bessere – sondern der Schnellere gewinnt.

– –

Alle Unternehmensbereiche sind zu vernetzen Data Warehouse-Philosophie (Informationen werden zur Hol-Schuld) Workflow-Transparenz Benchmarking

– – QualitätsWettbewerb

Es geht darum, sichtbar und von Kunden honoriert besser zu sein

– – – –

Marketing, Vertrieb und Technik führen regelmäßig geneinsame Wettbewerbsanalysen durch Produktmanagement fungiert als Schnittstelle zwischen Kunde und den Unternehmensbereichen Einführung von TQM und QS-Systemen Job Rotation zwischen Fertigung, F&E und Marketing/ Vertrieb zur gemeinsamen Visions-Formulierung

 929

8.1 Marktorientierung im Hyper-Wettbewerb 

Tabelle 8.2 (fortgesetzt) EffizienzWettbewerb

Schneller werden, Kosten senken, permanent nach Bestleistungen streben.



MotivationsWettbewerb

Energie, Identifikation und Einsatzfreude der Mitarbeitenden setzen Kräfte frei und entwickeln Durchhaltevermögen.

– – –

– –



Einführung einer unternehmensweiten Prozesssteuerung Einführung von bereichsübergreifendem Benchmarking Honorierung von betrieblichen Spitzenleistungen Priorität der Mitarbeiterentwicklung Regelmäßige Leistungs- und Prämiengespräche Einführung prozessorientierter Vergütungssysteme in Technik und kundenzufriedenheitsorientierter Systeme in Marketing und Vertrieb Individualismus und neue Ideen

Returns

Ein Ausdruck des Hyperwettbewerbs ist die Tatsache, dass Alleinstellungsmerkmale und Wettbewerbsvorteile vielfach nur von kurzer Dauer sind. Rita McGrawth hat dieser Entwicklung mit dem Begriff des „flüchtigen Wettbewerbsvorteil“ (eng. Transient Advantage) einen Namen gegeben.1073 Sie fordert von Unternehmen die permanente Weiter- und Neuentwicklung der Wettbewerbsvorteile. Nur durch eine Vielzahl an aktuellen und nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen sind Unternehmen in der Lage, mit verschiedenen Argumenten gegenüber der Konkurrenz im Vorteil zu sein.

Entwicklung des Wettbewerbs-Vorteils

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Abbildung 8.2: Entwicklung des flüchtigen Wettbewerbsvorteiles.1074

1073 Vgl. McGrawth, (Transient Advantage), 2013, S. 62 ff. 1074 Quelle: McGrawth, (Transient Advantage), 2013, S. 66.

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930 

 8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung

Abbildung 8.2 zeigt die Entwicklung des Wettbewerbsvorteils im Zeitablauf auf. Nach einer Launch-Phase muss das Unternehmen in der Lage sein, schnell die Umsätze und Erträge des Wettbewerbsvorteils zu erlösen (Phase Ramp Up). Nach Nutzung der Vorteile (Exploit) muss das Unternehmen lernen, sich auch schnell wieder neu zu konfigurieren (Reconfigure). Nur durch die Umstrukturierung und ggf. sogar schnelle Aufgabe einzelner Geschäftstätigkeiten, wenn die Bereiche nicht mehr wettbewerbsfähig sind, können Ressourcen freigesetzt werden. Erst wenn wieder Mitarbeitende, freie Zeit- und Maschinenkapazitäten und auch Gelder verfügbar sind, können neue Wettbewerbsvorteile nach dem gleichen Muster wieder entwickelt und ertragreich etabliert werden. Eine Kernkompetenz von Unternehmen muss sein, die geforderte schnelle Neustrukturierung des Unternehmens vorzunehmen. Der Begriff „Healthy Disengagement“ beschreibt die Anforderungen: wie kann ein Unternehmen eine gesunde Umstrukturierung vornehmen? Wie können Geschäftsbereiche aufgegeben werden, ohne dass es als Gesichtsverlust der handelnden Mitarbeitenden gesehen wird? Wie können Produktlinien aufgegeben werden, die vielleicht noch keine Verluste schreiben, aber auch keine klaren Wettbewerbsvorteile mehr besitzen? Ohne diese schmerzhaften Entscheidungen haben Unternehmen vielfach nicht die finanziellen und personellen Ressourcen, um neue Geschäftsfelder zu eröffnen.

8.1.2 4I-Leitprinzipien zur Weiterentwicklung der Marktorientierung Marketing und Marktorientierung auf aktuelle Zeiten anzupassen, bedeutet nicht nur, den etablierten Marketing Mix mit digitalen Instrumenten zu erweitern. Die Marketing-Philosophie benötigt eine erweiterte Sichtweise, die sich auf neue Möglichkeiten einstellt und Verantwortung übernimmt. Meffert hat vier neue Orientierungslinien dargestellt, die in der Marketing-Gemeinschaft breit aufgenommen wurden.1075 – Innovation: die Digitalisierung ist nicht nur Umgestaltung von klassischen Methoden und Instrumenten in eine digitale Version. Durch Digitalisierung entstehen für Marketing und Marktorientierung neue Geschäftsmodelle und neue Produkte und Leistungen. Organisationen müssen Mut entwickeln, Digitalisierungschancen auch über Low Hanging Fruits hinaus zu ergreifen.

1075 Vgl. Benkenstein, (Leitlinien), 2020, S. 82.

8.1 Marktorientierung im Hyper-Wettbewerb 







 931

Individualität: alle Aktivitäten können auf individuelle Personen ausgerichtet werden. Das Individuum kann durch die Digitalisierung deutlich spezifischer adressiert werden. Individuelle Produkte können an individuelle Kunden ausgerichtet werden, eine individuelle Kundenansprache kann auf dem bevorzugten direkten Kanal erfolgen. Integration: die Ausdifferenzierung der (Kommunikations-) Instrumente durch die Digitalisierung wird durch gezielte Integration aller Inhalte begegnet. Miteinander abgestimmte Botschaften und Instrumente sorgen für eine orchestrierte Botschaft, die auf den passenden Wegen bei den Adressaten Ergebnisse und Reaktionen erzielt. Neben Kommunikation kann auch die gesamte Wertschöpfung über das Marketing als Ko-Kreationsprozess gedacht werden. Das gemeinsame Kreieren von Produkten und Leistungen wird durch viele Technologien und Geisteshaltungen der Digitalisierung erleichtert.1076 In der Maximalbetrachtung hat die Marktorientierung Auswirkung auf alle Bereiche des Unternehmens. Die Forderung der Integration geht als Forderung auf die gesamte Unternehmung über. Integrität: Ethik wird in Zeiten der Digitalisierung zu einem zentralen Erfolgsfaktor der Marktorientierung. Ein ehrliches, transparentes, verantwortungsvolles und ethisches Verhalten wird von Konsumenten geschätzt und erkannt. Unethisches Verhalten wird abgestraft und im digitalen Raum nicht mehr vergessen.

Marktorientierung entwickelt sich schrittweise stärker hin zu einer Netzwerk-Philosophie mit Ansätzen von Ökosystemen, in denen alle Akteure gemeinsam an Produkten und Leistungen arbeiten. Mitarbeitende müssen in diesen herausfordernden Zeiten zwischen Digitalisierung und Verantwortung die Balance im Unternehmen herstellen.1077 Kooperative Ko-Kreation im Zeitalter der Kundenzentrierung wandelt eine unternehmenszentrierte Sicht hin zur kundenzentrierten Fokussierung. Unternehmen bieten keine Produkte an, Unternehmen bieten Problemlösungen für Kunden und Umfeld. Die bei dem letzten „I“ angesprochene Erwartung an ethische Unternehmensführung muss sich auf alle Anspruchsgruppen beziehen. Dabei steht ökonomische Stabilität im Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns, sie wird aber ergänzt durch die Frage, ob die Handlungsweisen vertretbar sind.

1076 Vgl. Felser, (Marktorientierung). 1077 Vgl. Meffert, (Das vierte I), 2017, S. 59.

Das bekannte Narrativ: „Das Internet vergisst nicht!“

932 

 8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung

Alle Weiterentwicklungen der marktorientierten Unternehmensführung sorgen für die Anpassung der Erwartungen an neue Zeiten, neue Technologien und neue Herausforderungen. Dadurch bleibt die Marktorientierung aktuell und relevant und bleibt ein zentraler Garant für den Unternehmenserfolg.1078

8.1.3 Marktorientierung in Zeiten zunehmender Volatilität Neben den aus Wettbewerbsumfeldern abzuleitenden veränderten Marktbedingungen müssen Unternehmen heute zusätzlich externe Schocks verkraften. Die letzten Jahre waren von großen Herausforderungen geprägt, die Unternehmen in der strategischen und operativen Arbeit berücksichtigen mussten. Nach der Finanzkrise sind die Corona Pandemie und dem Ukraine-Krieg die bekanntesten Krisen, die sich auf die Wirtschaft ausgewirkt haben. Daneben sind aber auch viele kleinere Krisen in Wirtschaftskreisen zu spüren gewesen. So haben bspw. der Vulkanausbruch 2010 auf Island den weltweiten Flugverkehr betroffen, und die Lieferverzögerungen durch die Blockade des Suez Kanal durch die Ever Given in 2021 haben Produktionsabläufe in vielen Branchen zerbrechen lassen. Unternehmen müssen sich heute auf viele weitere dieser Herausforderungen einstellen. Um dieses Phänomen der nicht-vorhersehbaren Herausforderungen zu beschreiben, hat sich die Abkürzung VUCA etabliert.1079 – Volatility/Unstetigkeit: Die Welt verändert sich mit hoher Geschwindigkeit. Durch zunehmende digitale Vernetzung sind Auswirkungen von Krisen rund um den Globus spürbar. Werden Lieferketten unterbrochen, hat dies unmittelbar Auswirkungen auf produzierende Betriebe. Aktienkurse geraten unter Druck und beteiligte oder investierte Unternehmen müssen reagieren. So hatte bspw. die Blockade des Suez Kanal eine unmittelbare Auswirkung auf die Investmentstrategien von Rentenfonds, die ihre Investment-Portfolios wegen Aktienkursturbulenzen umstrukturieren mussten. – Uncertainty/Unsicherheit: Zusammenhänge werden weniger klar ersichtlich. Prognosen für die Zukunft werden unsicherer. Viele Szenarien sind parallel vorstellbar und müssen von Unternehmen bedacht werden. Vor dem Vulkanausbruch in Island war es nicht 1078 Vgl. Benkenstein, (Leitkonzept), 2020, S. 87. 1079 Klesse weist darauf hin, dass auch mögliche Antworten auf die neuen Herausforderungen durch das Akronym VUCA beschrieben werden: Vision (Weitblick), Understanding (Verstehen), Clarity (Klarheit) und Agility (Agilität), vgl. Fußnote auf S. 3 in Klesse, (Systematischer Vertriebserfolg), 2020.

8.1 Marktorientierung im Hyper-Wettbewerb 





 933

denkbar, dass ein Naturphänomen eine Auswirkung auf die globale Wirtschaft haben kann. Der Vulkanausbruch hat direkten Einfluss auf einen deutschen Mittelständler, der zu einem wichtigen Kundengespräch auf eine Fachmesse nach Südamerika fliegen will. Complexity/Komplexität: die immer stärker werdende Vernetzung der Welt über digitale Aspekte führt zu einer Verkomplizierung der Zusammenhänge. Ursache und Wirkung können nur noch mittelbar analysiert werden. Die Entwicklung eines neuen Kraftfahrzeugs zusammen mit unzähligen Zulieferbetrieben führt verschiedene IT-Systeme in einem Fahrzeug zusammen, was in der Komplexität nur noch schwer zu beherrschen ist. Ambiguity/Mehrdeutigkeit: Erklärungen werden schwieriger, da eindeutige Zuordnung von Ursache und Wirkung nicht mehr möglich ist. Kausale Zusammenhänge bestehen vielfach nicht mehr oder können nicht mehr identifiziert werden. Die Entwicklungen der künstlichen Intelligenz führen zu algorithmischen Lösungen, die von menschlicher Intelligenz nicht mehr zu erfassen sind.

Neben VUCA hat noch eine weitere Abkürzung an Popularität gewonnen, die weitere Aspekte der Unternehmensumwelt treffend zusammenzufassen vermag: BANI. Inhaltlich ist die maßgebliche Weiterentwicklung in dem Versuch zu sehen, die generelle Unvorhersehbarkeit in der Entwicklung zu beschreiben. Die Popularität dieser erweiterten Betrachtung ist stark durch die Erfahrungen der Corona-Pandemie geprägt. – Brittle/Brüchig: viele komplexe Zusammenhänge können bereits durch den Ausfall vermeintlich kleiner Teilbereiche auseinanderfallen. Diese Brüchigkeit bringt zum Ausdruck, dass bisher als stabil angesehe Zusammenhänge schnell zerbrechen können. In der Planung muss diese Unvorhersehbarkeit Berücksichtigung finden, damit im Fall des Eintretens schnell und entschlossen reagiert werden kann. Die weltweiten Lieferketten sind stark miteinander vernetzt. Viele der Lieferungen werden über den Suez Kanal verschifft. Die oben bereits angesprochene Havarie des Frachtschiffes Ever Given hat bisher reibungslos miteinander vernetzte Lieferketten quasi über Nacht zerbrochen. Auch die Corona-Pandemie hat durch die verschiedenen Lockdowns in Süd-Ostasien vielfach Lieferketten zerbrochen und ausgewählte elektronische Bauteile über viele Wochen und Monate auf „nicht lieferbar“ gesetzt. – Anxious/Ängstlich: zunehmende Komplexität erschwert das Gesamtverständnis der Systeme. Diese Überforderung der handelnden Personen kann im Zweifel zu Nicht-Entscheidungen führen, da Entscheidungen potenziell vielfältige Auswirkungen haben kann. Die moderne

934 





 8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung

Informations- und Kommunikationstechnologie transportiert zudem vielfältige Nachrichten in Sekundenbruchteilen um die Welt und sorgt für eine Grundstimmung, die weitere Ängste hervorruft. Non­linear/Nicht­linear: Ursachen und Wirkungen lassen sich nur noch schwer in direkten Zusammenhang setzen und erkennen. Entscheidungen lassen keinen direkten Schluss auf Ergebnisse zu. Vielfältige Verbindungen und Strukturen ziehen Konsequenzen nach sich, die meist nicht zu antizipieren sind. Incomprehensible/Unbegreiflich: Ereignisse erscheinen vielfach auch unlogisch und nicht nachvollziehbar. Dabei liegen die Gründe vielleicht weit zurück in der Vergangenheit oder die komplexen Hintergründe überfordern die menschliche Kombinatorik. Die Entwicklungen der künstlichen Intelligenz sind ein gut passendes Beispiel für diese Unbegreiflichkeit: erst wenn wir Menschen den Algorithmen die Chance geben, sich selbst zu entwickeln, können wir die großen Potenziale der maschinellen Optimierung erreichen. Die von den Algorithmen dann jedoch entwickelten Zusammenhänge sind für uns Menschen allerdings vielfach logisch nicht mehr nachvollziehbar.

Die beiden Abkürzungen VUCA und BANI zeigen in den einzelnen Elementen gut auf, in welch komplexer und teilweise auch chaotischer Umwelt sich Unternehmen heute bewähren müssen. Die vielfach diskutierte Digitalisierung wirkt in diesem Umfeld wie ein Beschleuniger und potenziert die Herausforderungen für die Unternehmenssteuerung – nicht nur in den Themenfeldern Marketing und Vertrieb. Um in diesen neuen Gegebenheiten weiterhin erfolgreich tätig zu sein, erlernen Unternehmen und die handelnden Personen aktuell ein neues Skillset, mit dem man auch in diesen Umfeldern erfolgreich sein kann.

8.1.4 Agilität zur Reaktion auf Veränderungen in Marketing und Vertrieb Agilität ist eine Entwicklung, die aus dem Umfeld der Softwareentwicklung immer mehr in Management-Bereiche übertragen wird. „Wir erschließen bessere Wege, Software zu entwickeln, indem wir es selbst tun und anderen dabei helfen. Durch diese Tätigkeit haben wir diese Werte zu schätzen gelernt“.1080 Grundidee der Agilität ist, dass bei Entwicklungen auf aktu-

1080 https://agilemanifesto.org/.

8.1 Marktorientierung im Hyper-Wettbewerb 

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elle Veränderungen reagiert wird und nicht ein einmal eingeschlagener Weg ohne Veränderung verfolgt wird. Aus den formulierten 12 Prinzipien der agilen Softwareentwicklung (online zu finden unter https://agilemanifesto.org/) lassen sich ausgewählte Ansätze direkt auf Marketing und Vertrieb übertragen: – Prinzip 2: Heisse Anforderungsänderungen selbst spät in der Entwicklung willkommen. Agile Prozesse nutzen Veränderungen zum Wettbewerbsvorteil des Kunden Die Reaktion und Anpassung auf Kundenwünsche ist ein Vorteil im Wettbewerb. – Prinzip 6: Die effizienteste und effektivste Methode, Informatio­ nen an und innerhalb eines Entwicklungsteams zu übermitteln, ist im Gespräch von Angesicht zu Angesicht. die Persönlichkeitspräferenz im Vertrieb sorgt für hohe Glaubwürdigkeit und vertrauensvolle und direkte Zusammenarbeit. – Prinzip 11: Die besten Architekturen, Anforderungen und Ent­ würfe entstehen durch selbstorganisierte Teams. die Verantwortung für die beste Kundenlösung muss im verantwortlichen Team liegen, die individuell auf Kundenwünsche und -besonderheiten eingehen können. Im Kundenkontakt zeigt sich die Anforderungsänderung direkt. Jedes Kundengespräch ist individuell, jede Kundenerwartung unterscheidet sich. Vertriebsteams reagieren auf diese sich wandelnden Erwartungen durch die agile Anpassung der Maßnahmen im Kundendialog.1081 Setzen sich regelmäßige Absprachen als eines der operativen Kernelemente des agilen Managements auch bei der Team-internen Performance-Diskussion im Account-Geschäft durch, können situationsgerechte Maßnahmenanpassungen vorgenommen werden. So kann trotz übergeordneter Vertriebszielsetzung in der operativen Umsetzung auf Marktgegebenheiten reagiert werden. Aus dem agilen Softwareentwicklungsumfeld kann ergänzend der große Fokus auf Lernen übertragen werden. Retrospektiven sind als Rückblicke auf bereits geschehene Ereignisse so ausgelegt, dass Lerneffekte aus Erfahrungen gezogen werden. Im Vertrieb, der bspw. in klassischen Außendienststrukturen stark Einzelkämpfer-Ansätze fördert, liefert der Lernansatz für alle Mitarbeitenden Erfahrungswissen aus dem gesamten Team. Junge Mitarbeiter profitieren von Erfahrungen länger im Unternehmen arbeitender Kollegen. Erfahrene Mitarbeiter bekom-

1081 Vgl. Moser / Hoog, (Vertriebsperformance), 2022, S. 36.

936 

 8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung

men durch die Erlebnisse der Kollegen einen breiten Erfahrungshorizont geboten und können sich ebenfalls kontinuierlich weiterentwickeln.1082

8.1.5 Resilienz in Marketing und Vertrieb Wie gehen Unternehmen mit unerwarteten Entwicklungen um? Die sog. organisatorische oder systemische Resilienz beschreibt eine Reaktionsund Anpassungsfähigkeit von Organisationen und Unternehmen. Aber es geht nicht nur um unerwartete Veränderungen. Auch absehbare und sich ankündigende Veränderungen erfordern eine Anpassung der Unternehmensstrategie und müssen bei Unternehmen entsprechende Maßnahmen auslösen. 3 Phasen beschreiben den Umgang mit Veränderungen und die daraus entstehende Resilienz des Unternehmens (siehe dazu Abbildung 8.3): – Erkennen und Antizipieren / Absorbing and Survival – Bewältigung / Coping and Managing – Lernen und Anpassen / Recovery and Modification Performance

Resilienz bei Menschen ist „das Endprodukt von Pufferungsprozessen, welche Risiken und belastende Ereignisse zwar nicht ausschließen, es aber dem Einzelnen ermöglichen, mit ihnen erfolgreich umzugehen.“ (Werner, (Resilienz), 2011, S. 33)

Erkennen& AntizipierenPhase

BewältigenPhase

Lernen& Anpassen

Zeit

Stabile Phase

Abbildung 8.3: Phasen der Resilienz.

In der Phase des Erkennens und Antizipieren der Veränderung (Absorbing and Survival) nimmt die Organisation die tiefgreifende Veränderung erstmalig in vollem Ausmaß wahr. Unternehmen müssen in allen Belangen die Augen offenhalten, welche Veränderungen im Umfeld potenzielle Auswirkungen auf die eigene Geschäftstätigkeit besitzen. Die zunehmende Vernetzung in der globalisierten Welt führt zu Zusammen-

1082 Vgl. Konrad, (Agiler Vertrieb), 2021, S. 12.

8.1 Marktorientierung im Hyper-Wettbewerb 

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hängen, die schwer zu erfassen sind. Vorkommnisse in weit entfernten Regionen der Welt können direkte Auswirkungen auf Geschäftstätigkeiten von Unternehmen haben. Der Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull 2010 hat weite Teile des europäischen Flugverkehrs unterbrochen. In der Folge konnten Geschäftsreisen nicht stattfinden und Luftfrachtlieferungen verzögerten sich. Somit hatte ein Ereignis in Island Auswirkungen auf die weltweite Konjunktur. Die Havarie der Ever Given im Suez Kanal im März 2021 hat globale Lieferketten zerbrochen. Vielfach wird beim Erkennen von Krisen nach schnell wirkenden Anpassungsmaßnahmen innerhalb des Unternehmens gesucht. Verschiedene Maßnahmen werden dabei oft beschlossen: – Kostensenkungsprogramme, Einstellungsstopps, – Prüfung von In- oder Outsourcing zur Veränderung der Wertschöpfungsaktivitäten, – Längere Nutzung von Maschinen und Ausstattungen, Verschiebung von Investitionen, – Verstärkte Technologisierung und Digitalisierung, – Abhängigkeit von externen Faktoren reduzieren, sofern diese betroffen sind, – Nachverhandlungen bestehender Verträge, – Preiserhöhungen gegenüber Kunden durchsetzen, – Umsatzerhöhung durch Anbieten von Zusatzleistungen. Unternehmen müssen sich auf unvorhergesehene Ereignisse vorbereiten. In der Phase des Erkennens und Antizipieren hilft strukturiertes Risikomanagement, potenzielle Gefahren zu analysieren und erkennen. Eine vergleichswiese einfache Einschätzung von Auswirkungen potenzieller Krisen lässt sich über eine Risikomatrix entwickeln (siehe dazu Abbildung  8.4). Die verschiedenen identifizierten Risiken (bspw. Konjunkturveränderungen, Wegfall eines wichtigen Dienstleisters, Verteuerung von Werbemaßnahmen, etc.) werden nach Eintrittswahrscheinlichkeit und potenziellem Schadensausmaß bewertet. Risiken, die im oberen rechten Eck der Matrix eingeordnet werden, bedürfen unmittelbarer Betrachtung durch die Unternehmensleitung. Aber auch alle anderen Risiken sind Ausgangspunkt für Vorbereitungen im Rahmen des Business Continuity Managements. Das Business Continuity Management bereitet Unternehmen vor, auf maßgebliche Veränderungen zu reagieren. Das Bundesamt für Sicher-

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 8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung

hoch

Risiko 4

gering

mittel

Risiko 1

Risiko 5 Risiko 3

sehr gering

Schadensausmaß

sehr hoch

Risiko 2

unmöglich

unwahrscheinlich

möglich

wahrscheinlich

sehr wahr scheinlich

Eintrittswahrscheinlichkeit Abbildung 8.4: Risikomatrix.

heit in der Informationstechnik (BSI) hält einen auch allgemein zu verwendenden Standard-Ablaufplan in der Version 200–4 bereit.1083 Nach dem Eintreten der Veränderung und der erfolgten Wahrnehmung im Unternehmen müssen Unternehmen Prozesse beherrschen, die einen Notbetrieb sicherstellen (analog der obigen Phase Erkennen und Antizipieren). Dieser wird so lange fortgeführt, bis die Wiederherstellung des Normalbetriebs erfolgt ist (die sog. Bewältigen-Phase). Parallel dazu werden Maßnahmen der präventiven Schadensabwehr vorbereitet, um auf zukünftige maßgebliche Veränderungen besser reagieren zu können (letzte Phase Lernen & Anpassen). In den Fachbereichen Marketing und Vertrieb haben insb. die Corona-Pandemie und der Angriffskrieg gegen die Ukraine gezeigt, dass strukturierte Vorsorge und Vorbereitung auf unvorhergesehene Ereignisse notwendig ist und nicht vernachlässigt werden darf. Lieferketten sind zerbrochen, Umsätze haben sich maßgeblich verschoben und / oder reduziert, Beziehungen zu Dienstleistern haben sich verändert.

1083 Online zu finden unter https://www.bsi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/BSI/ Grundschutz/BSI_Standards/standard_200_4_CD_2_0.pdf?__blob=publicationFile&v=5, alternativ: allg. Google Such nach BSI Standard 200–4.

8.1 Marktorientierung im Hyper-Wettbewerb 

 939

McKinsey identifiziert 6 Bereiche, in denen Unternehmen Resilienz aufbauen müssen:1084 (1) Finanzielle Resilienz: stabile Finanzen sind Grundvoraussetzung für erfolgreiche und widerstandsfähige Unternehmen. Gutes und vorsorgendes Liquiditätsmanagement schützt vor unvorhersehbaren Umsatzeinbrüchen und erschwertem Zugang zu Kapitalmärkten ab. Aus Sicht von Marketing und Vertrieb bedeutet es vor allem das Vorhalten eines Puffers, um nicht in Krisensituationen als vielfach vermeintlich einfache Reaktion die Marketingbudgets zu kürzen und damit die Krisensituation durch weniger Kommunikation sogar noch zu verschärfen. Ergänzend können unvorhergesehene Ereignisse auch Chancen besitzen (bspw. die Insolvenz des größten Wettbewerbers): bestehen Puffer für Marketing-Investitionen, kann das Unternehmen auf die Chance adäquat reagieren und Umsatzzuwächse realisieren. (2) Operative Resilienz: wie können Produktion, Vermarktung und Auslieferung auch bei unvorhergesehenen Ereignissen aufrechterhalten werden? Unternehmen setzen heute auf redundante Strukturen – sprich Vorhalten von alternativen Partnerschaften und Strukturen, die beim Ausfall eines zentralen Dienstleisters schnell übernehmen können. (3) Technologische Resilienz: stabile und leistungsfähige Technologie ist eine maßgebliche Absicherung gegenüber unvorhergesehenen Veränderungen. Die starke Digitalisierung während der Pandemie ist vor allem von Unternehmen zum Vorteil genutzt worden, die schon vorher innovative technologische Ansätze verfolgt haben. Unternehmen die bereits vor 2020 im Vertrieb auf einen E-Commerce-Ansatz als bspw. Ergänzung zum klassischen B2B-Außendienstvertrieb gesetzt haben, konnten schneller gegenüber Kunden reagieren. (4) Organisationale Resilienz: ein hohes Ausbildungsniveau und permanente Weiterbildung sichern Flexibilität gegenüber notwendigen Anpassungen. Eine gute und innovative Unternehmenskultur sorgt auch in schwierigen Zeiten für Zusammenhalt und Motivation, die Herausforderungen zu meistern. Sind die Mitarbeiter in Marketing und Vertrieb mit allen Vermarktungsoptionen vertraut, können sie flexibel auf Veränderungsbedarf reagieren. (5) Reputations­Resilienz: integre Unternehmensführung ist ein Grundbaustein, dass Krisensituationen das Image eines Unternehmens nicht zu stark beschädigen. Müssen bspw. Produkte zurückgerufen werden, wird die allgemeine Öffentlichkeit dies den Unternehmen

1084 Vgl. Nauck et al., (Resilience Imperative), 2021, S. 3 ff.

940 

 8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung

eher verzeihen, die bisher eine verlässliche und ethisch einwandfreie Unternehmensführung gezeigt haben. Die zunehmende Relevanz der ESG Faktoren (Environment, Social, Governance) rückt Resilienz in diesen Bereichen stärker in den Fokus. Marketing und Vertrieb sind abhängig vom Ansehen des Unternehmens in der Öffentlichkeit. (6) Geschäftsmodell­Resilienz: Eine Anpassungsfähigkeit auf Veränderungen zeigt sich auch in der Anpassungsfähigkeit des Geschäftsmodells. Die schnelle Anpassung auf veränderte Kundenwünsche, auf neue Wettbewerbssituationen oder neue Technologien kann von den Unternehmen realisiert werden, die mit neuen Geschäftsmodellen neben dem Hauptgeschäft experimentieren und die damit Erfahrung im Aufbau neuer Geschäfte sammeln. Auch dies ist eine Vorbereitung auf das Unvorhergesehene. Resiliente Unternehmen zeichnen sich ergänzend durch Anpassungen in den Strukturen aus. Unvorhergesehene Ereignisse erfordern unkonventionelle Lösungen. Um schnell und entscheidend handeln zu können, müssen auch Entscheidungsstrukturen entsprechend angepasst werden. Wie können die normalen Berichtslinien abgekürzt werden, um schnell auf Chancen und Risiken zu reagieren? Die Strukturen müssen schnelles Entscheiden ermöglichen und diese Entscheidungen auch auf dezentrale Ebenen verlagern. Wenn neue Situationen auftreten, können Mitarbeitende im direkten Kundenkontakt vielleicht am besten entscheiden, was jetzt an Maßnahmen getroffen werden muss. Muss das Unternehmen eine Krise bewältigen, sollten Mitarbeitenden im Marketing schnell und eigenständig notwendige Maßnahmen treffen. Sind vorab Rahmenbedingungen und gemeinsame Werte und Ziele besprochen, können Unternehmen schnell reagieren. In der letzten Phase der Krisenbewältigung (Lernen und Anpassen, Recovery and Modification) hilft das Denken in Szenarien, um sich für zukünftige Veränderungen vorzubereiten. Szenario-Planung ist vielfach Bestandteil der allgemeinen Planungssysteme und hält auch in Planungen von Marketing und Vertrieb Einzug. Werden bspw. drei unterschiedliche Umsatzverläufe für das nächste Geschäftsjahr geplant, können Marketinginstrumente auf die verschiedenen Budgethöhen angepasst werden. Durch die Szenario-Planung erarbeiten sich Fachbereiche eine Flexibilisierung der anstehenden Aktivitäten, da verschiedene Einsatzszenarien gegeneinander abgewogen werden. Zudem kann als Vorbereitung auf die Zukunft eine Absicherung geschäftskritischer Prozesse geplant werden. Analog der in Kapitel 7 vorgestellten MoSCoW-Technik können aus Marketing- und Vertriebssicht die wichtigsten Aktivitäten identifiziert werden, die auch bei Krisen auf-

8.2 Nachhaltigkeit als marktorientierte Ausrichtung 

 941

rechterhalten werden müssen. Diese Aktivitäten (bspw. Betreiben der Webseite, SEA und vertriebliche Aktivitäten des Außendienstes) können dann so budgetiert werden, dass sie unter allen Umständen fortgeführt werden und damit weiterhin zum Erfolg des Unternehmens beitragen. So wird der Fortbestand gesichert und allen Entscheidern sind geschäftskritische Prozesse auch aus Marketing- und Vertriebssicht bekannt.

8.2 Nachhaltigkeit als marktorientierte Ausrichtung Erwartungen an Unternehmen gehen heute deutlich über die Produktion marktfähiger Produkte und Dienstleistungen hinaus. Als Teil der Gesellschaft müssen sich Unternehmen den Herausforderungen stellen, die die Gesellschaft als Ganzes zu meistern hat. Und durch die Ertragskraft von Unternehmen werden die Gelder auch für Staaten und NGOs erwirtschaftet, die nötig sind, um die Probleme der Welt zu adressieren.

8.2.1 SDG-Prinzipien der Vereinten Nationen (UNO) Eine wichtige Orientierung bieten die 17 Ziele der Vereinten Nationen (SDG – Social Development Goals, siehe Tabelle 8.3), die im Jahr 2015 von nahezu allen Staaten der Welt verabschiedet wurden. Hinter diesen Zielen liegt ein Anspruch: „Niemand soll zurückgelassen werden.“1085 Sie dienen der Förderung von Frieden und Wohlstand und dem Schutz des Planeten. Im Zeitraum bis 2030 soll sich die Welt in diesen Bereichen maßgeblich weiterentwickeln. Eine Besonderheit der Ziele ist, dass 17 Einzelziele durch 169 Indikatoren detailliert beschrieben und nachverfolgt werden können. Folgende Ziele werden angesprochen: Tabelle 8.3: 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung. 17 Social Development Goals - SDGs 1 2 3 4 5 6

Keine Armut Kein Hunger Gesundheit und Wohlergehen Hochwertige Bildung Geschlechter-Gleichheit Sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen

1085 Weiterführende Informationen finden auf der deutschen Webseite der Vereinten Nationen: https://unric.org/de/17ziele/.

942 

 8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung

Tabelle 8.3 (fortgesetzt) 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Bezahlbare und saubere Energie Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum Industrie, Innovation und Infrastruktur Weniger Ungleichheiten Nachhaltige Städte und Gemeinden Nachhaltiger Konsum und Produktion Maßnahmen zum Klimaschutz Leben unter Wasser Leben an Land Frieden Gerechtigkeit und starke Institutionen Partnerschaften zur Erreichung der Ziele

Unternehmen werden für die Erreichung der Ziele als wichtige Teilhaber angesehen. Sie sind für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung verantwortlich und verbrauchen die Ressourcen des Planeten. Daher haben Unternehmen auch die Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung zu übernehmen. Und aus den Abgaben der Unternehmen (Steuern etc.) lassen sich die Maßnahmen zur nachhaltigen Entwicklung finanzieren. Sie sind die wichtigsten Einnahmequellen für Staaten. Freiwillige Abgaben (Spenden etc.) unterstützen Nichtregierungsorganisationen (engl.: NGOs).

8.2.2 ESG-Kriterien als Leitplanken der Marktorientierung

Die deutsche Wirtschaft hat nur eine 12%-ige CMU-Rate (Circular Material Use). Das ist das Verhältnis der ins Recycling gehenden Rohstoffe im Verhältnis zur gesamten verwendeten Rohstoffmenge (Quelle: ASW 08-2022, S. 19).

Aus den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung ist es mitunter schwierig, exakte Anforderungen für Unternehmen abzuleiten. In der Praxis (und auch Wissenschaft) hat sich ein etwas angepasster Rahmenkatalog entwickelt, der gute Unternehmensführung greifbar macht: die ESG-Kriterien: – E – Environment / ökologische Verantwortung, bspw. klimaschonende Produktion, Schützen der Artenvielfalt, verantwortungsvoller Umgang mit Wasser als Produktionsmittel – S – Social / soziale Verantwortung, bspw. Umgang mit den Mitarbeitenden, Arbeitssicherheit, Umgang mit Diversität – G – Governance / verantwortungsvolle Unternehmensführung, bspw. Risiko- und Reputationsmanagement, verlässliche Aufsichtsstrukturen, Absicherung gegen Korruption Diese drei Kriterien geben einen guten Eindruck, in welchen Bereichen Unternehmen besondere Anstrengungen unternehmen müssen, um verantwortungsvoll aufzutreten. Die Gesellschaft erwartet immer stärker eine Verantwortungsübernahme durch Unternehmen.

8.2 Nachhaltigkeit als marktorientierte Ausrichtung 

 943

Neben der allgemeinen Öffentlichkeit sind auch andere Stakeholder an einer verantwortungsvollen Unternehmensführung interessiert. Ein großer Druck wird auch von finanzierenden Unternehmen ausgeübt. Dadurch, dass bspw. Banken und Hedgefonds sich auch den ESG-Kriterien stellen müssen, übertragen sich die Erwartungen anderer Wirtschaftsteilnehmer ganz praktisch auch auf das eigene Geschäft. Will sich eine Bank nachhaltiger entwickeln und bspw. einen starken Fokus auf klimafreundliches Wirtschaften legen, wird sie diese Erwartungen auch an die Unternehmen weitergeben, die durch die Bank finanziert werden. Der weltweit größte Hedgefond BlackRock hat in seinem „Letter to the Shareholder“ im Jahr 2020 den Fokus auf die Einhaltung der ESG-Kriterien gelegt und angekündigt, Investments, die gegen die ESG-Erwartungen verstoßen, zu beenden. „We believe that all investors, along with regulators, insurers, and the public, need a clearer picture of how companies are managing sustainability-related questions.“1086 Langfristige Existenzsicherung von Unternehmen geht nicht ohne Beachtung von ESG-Erwartungen. Dieser Fokus auf verantwortungsvolle Unternehmensführung zieht sich durch alle Fachbereiche des Unternehmens und somit auch Marketing und Vertrieb als Speerspitzen der marktorientierten Unternehmensführung. Der Einsatz verantwortungsvoller Marketing-Techniken und der ethisch korrekte Angang des Vertriebsmanagements sind Ausprägungen, mit denen die Erwartungen an eine ESG-konforme Unternehmensführung konfrontiert wird. In der Umsetzung müssen sich Unternehmen konkrete Zielsetzungen geben, anhand derer sie Nachhaltigkeit im Geschäft etablieren wollen. Je konkreter Ziele für einzelne Fachbereiche ausgestaltet sind, desto agiler und spezifischer können Projekte und Aktivitäten aufgesetzt werden.1087 Grobe und allgemeine Ziele besitzen nicht die Mobilisierungskraft. ESG-Aktivitäten sind für Unternehmen idR. aufwändig und kostenintensiv. Produkte verteuern sich in der Herstellung, nachhaltige Materialien und der Verzicht auf fossile Ressourcen führen auf allen Ebenen des Unternehmens zu steigenden Kosten. Diesen Herausforderungen stehen aber neue Wachstumschancen in saturierten Märkten gegenüber. Regulatorik wird vorweggegriffen und die Mitarbeitermotivation kann steigen, wenn die Unternehmensleitung eine nachhaltige Unternehmensstrategie forciert.

1086 Aus dem Letter to the Shareholders 2020, online unter: https://www.blackrock. com/uk/larry-fink-ceo-letter. 1087 Vgl. De Smet et al., (Organizing for Sustainability), 2021, S. 4.

944 

 8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung

Das Maß an Engagement für Nachhaltigkeit und verantwortungsvolle Unternehmensführung variiert dabei gewaltig (siehe Abbildung 8.5). Minimaler Einsatz

Durchschnittlicher Einsatz

– Risikokontrolle – Beachten der Regulatorik – Branchen-Standards einhalten

– Substantielles Engagement – Kerngeschäft und angrenzende Bereich

Next LevelEinsatz

– ESG als Richtschnur für Strategie und Umsetzung – Engagement außerhalb des Kerngeschäfts

Abbildung 8.5: Level der Ambition für ESG-Kriterien.

Ohne einen minimalen Einsatz können Unternehmen auf heutigen Märkten nicht mehr bestehen. Stakeholder erwarten in vielen Fällen einen engagierten Einsatz, der sich auch außerhalb des absoluten Kerngeschäfts zeigt. Die vollständige strategische und operative Integration der ESG-Kriterien in das Geschäftsmodell ist heute ein Best Practice Beispiel, bei dem Unternehmen Differenzierungsmöglichkeiten vom Wettbewerb besitzen.

8.2.3 Nachhaltigkeit im Marketingmix Nachhaltigkeit entwickelt sich von einem Buzzword des Marketing zu einem wettbewerbsdifferenzierendem Geschäftsansatz. Die Instrumente des Marketing-Mix bieten jeweils spezifische Optionen, Nachhaltigkeit zu propagieren und in der Umsetzung zu entwickeln. Tabelle 8.4 überführt die grundlegende Strategie in operative Ansätze aller Marketing Mix-Disziplinen: Oft steht eine nachhaltige Leistungsprogrammpolitik im Blickpunkt, da von Produkten vielfach ein negativer Effekt auf die Umwelt ausgeht, bspw. durch Emissionen bei Herstellung und Distribution.1088 Heute wird die komplette Wertschöpfungskette von Produkten aus Sicht der Nachhaltigkeit betrachtet. In Forschung und Entwicklung werden Grundlagen für ein nachhaltiges Produkt gelegt. Ziel einer nachhaltigen Produktinnovation ist die Entwicklung nachhaltigerer neuer Leistungsangebote. Die bessere ökologische und soziale Bilanz eines neuen Produktes ist eine Minimalanforderung an die nachhaltige Ausrichtung der Produktpolitik. Wie nachhaltig Produkte entwickelt werden können oder entwickelt werden sollen, ist inhaltliche

1088 Vgl. Biermann / Erne, (Nachhaltiges Produktmanagement), 2020, S. 272.

8.2 Nachhaltigkeit als marktorientierte Ausrichtung 

 945

Tabelle 8.4: Nachhaltigkeitsaktivitäten im Rahmen des Marketing-Mix.1089 Instrument

Beispielhafte Maßnahmen

Leistungsprogrammpolitik

Innovation für und in Richtung Nachhaltigkeit, neue Produkte müssen nachhaltiger sein als bestehende Produkte, langlebige Materialien, ressourcenschonende Produktion, Ressourcenschonende Verpackung, minimal notwendige Verpackung, keine geplante Obsoleszenz, Reparaturfreundlichkeit, Update-Fähigkeit, Einsatz von Drittmarken für Betrieb, Reparatur und Wartung, Recyclingfähigkeit, Anlegung gleicher Erwartungen an Lieferkettenpartner.

Preispolitik

Keine Ausnutzung hoher Zahlungsbereitschaften für Öko-Produkte, Preisdifferenzierung zur Berücksichtigung sozialer Belange, keine niedrigen Preise auf Kosten Sozial- und Umweltstandards, Vermeidung unklarer Preisstrategien, Vermeidung kaschierter Preiserhöhungen, Vermeidung unattraktiver Produktbündel, klare Kommunikation von Folgekosten, keine Verkäufe an Kunden mit nicht ausreichender Liquidität.

Kommunikationspolitik

Ressourceneinsparung (bspw. Digital statt Print), umweltfreundliche oder recycelte Materialen, wahrheitsgemäße und nicht irreführende Kommunikation, Informationsdefizite der Konsumenten abbauen, transparente Preiskommunikation mit allen Folgekosten, Förderung nachhaltiger Lebensstil, Aufklärung von Konsumenten, Gewohnheiten der Konsumenten zur Verbesserung des Lebensstils durchbrechen, Vermeidung Greenwashing.

Vertriebspolitik

Gezielte Provisionierung zur Vermeidung unethischer Verkäufe, stabile Beziehungen zu Absatzpartnern, ressourcenschonende Vertriebskontakte (bspw. Videocall anstatt Kundenbesuch), übervorteilende Beratung vermeiden, Vermeidung unvorteilhafter Abnahme- und Zahlungsbedingungen, Vertriebs und Distributionslogistik: ressourcenschonende Logistik, Kreislaufwirtschaft, minimal notwendiges Verpackungsmaterial.

Festlegung, die Unternehmen individuell unter Berücksichtigung der eigenen ökonomischen Erwartungen an Produkte treffen. Abbildung 8.6 fasst die Produktaspekte der Nachhaltigkeit zusammen. In der Produktion beginnt die Betrachtung bei den verwendeten Rohstoffen und Vorprodukten, die es zur Herstellung des Produktes benötigt. Auch die Verteilung an Handelsstrukturen und die notwendigen Aufwendungen für Vermarktung und Vertrieb des Produktes müssen betrachtet werden. Die Nutzung des Produktes muss nachhaltig möglich sein und soll möglichst geringe negative Auswirkungen auf die ökologische und soziale Umwelt haben. Die Nutzungsphase endet mit den End-of-Life-Betrachtungen. Wird das Produkt fachgerecht entsorgt, ist Recycling möglich und wird vor-

1089 Die Zusammenstellung orientiert sich an Ramme, (Marketing und Nachhaltigkeit), 2020, S. 201 ff, Biermann / Erne, (Nachhaltiges Produktmanagement), 2020, S. 277 ff.

946 

 8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung

Forschung und Entwicklung

Rohstoffgewinnung, Rohstoffanbau

Produktion

Handel und Verkauf

Nutzung

End-of-Life

Abbildung 8.6: Nachhaltigkeit von Produkten.

genommen? Werden verwendete Rohstoffe weitgehend erhalten und neuen Nutzungen zugeführt? Die Motivation zu nachhaltigem Produktmanagement kommt für Unternehmen aus unterschiedlichen Richtungen: (1) Impulse aus Regulierung und Gesetzgebung, bspw. verschärfte Umweltauflagen erfordern die Entwicklung neuer Produktgenerationen. (2) Impulse von Kunden und Gesellschaft, bspw. der Wertewandel bei Konsumenten erfordert die Entwicklung nachhaltiger Alternativen zum bisher konventionell hergestellten Produktangebot. (3) Impulse von Kapitalgebern, bspw. grün ausgerichtete Kapitalfonds investieren nur in Unternehmen die nachhaltig ausgerichtete Produktpolitiken betreiben. (4) Impulse aus Geschäftsbeziehungen, bspw. Industrie-Zulieferer müssen sich an den nachhaltigen Strategien ihrer Abnehmer orientieren, wenn Sie die Geschäftsbeziehung erhalten wollen. (5) Impulse aus Risikobetrachtungen, bspw. Reputationsschädigungen können durch die nachhaltige Ausrichtung und Überarbeitung des Produktportfolios vermieden werden. (6) Impulse aus ökonomischen Überlegungen, bspw. Strafzahlungen bei hohen Emissionen können durch nachhaltiges Produktmanagement vermieden werden. (7) Impulse aus individueller unternehmerischer Entscheidung, bspw. verantwortungsbewusste Eigentümer von Unternehmen treffen im Zweifel die nachhaltigere Entscheidung, auch wenn sie ökonomisch nicht die optimale Entscheidung darstellt.

8.3 Wachstum als Zielfaktor 

 947

8.3 Wachstum als Zielfaktor der marktorientierten Unternehmensführung Wachstum ist eine Kernzielsetzung vieler Unternehmen. Die strategische Ausrichtung auf Unternehmenswachstum übersetzt sich in konkrete Zielvorgaben für die Fachbereiche Marketing und Vertrieb. Wachstum ist klassisch gesehen nur eine von drei Zielsetzungen der erfolgreichen Unternehmensführung. Bereits bei den Altvätern der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre Gutenberg, Schierenbeck und Wöhle ist ein Dreiklang für erfolgreiche Unternehmen zu finden: (1) Liquidi­ tät, (2) Rentabilität und (3) Wachstum. Liquidität als Fähigkeit, anstehenden Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können, stellt die Mindestvoraussetzung für erfolgreiches Unternehmertum dar. Kann ein Unternehmen die Liquidität absehbar nicht sicherstellen, muss es idR. Insolvenz anmelden. Somit ist die Liquiditätssicherung aus unternehmerischer und rechtlicher Sicht oberstes Ziel der Unternehmensführung. Neben der Absicherung der Zahlungsfähigkeit ist die Erzielung von Renditen und Erträgen eine weitere Zieldimension. Die Kapitalkosten der im Unternehmen eingesetzten Finanzmittel müssen durch die Erträge gedeckt werden. IdR. werden Erträge erwartet, die einer vergleichbaren risikofreien Anlage des Kapitals mindestens gleichwertig sind. Neben diesen beiden Zielsetzungen tritt immer stärker die Erwartung nach Wachstum in den Vordergrund. Volkswirtschaften wachsen aus sich heraus und ziehen dabei Märkte und Branchen mit. Wächst ein Unternehmen nicht mindestens gleichschrittig mit der Branche und / oder Wettbewerbsunternehmen, fällt das Unternehmen im Vergleich zurück. Das Zurückfallen im Wettbewerb wird die Möglichkeiten der Ertragserzielung und schlussendlich der Liquiditätssicherung beschneiden.

8.3.1 Die Regeln des Wachstums Wachstum ist damit ein notwendiges Ziel des Unternehmens. Verschiedene Stoßrichtungen können Unternehmen einschlagen. Müller-Stewens und Brauer haben eine übersichtliche Zusammenstellung entwickelt – siehe Abbildung 8.7. Mit der Festlegung der Stoßrichtung entscheidet das Unternehmen sich für Wachstum auf der gleichen Wertschöpfungsstufe (horizontale oder internationale Strategie) oder durch Integration weiterer Wertschöpfungsstufen (vertikale Strategie). Die nächste Ebene der Schichten

948 

 8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung

Richtungen

Wachstumsdimensionen

Schichten

Vertikale Diversifikation (rückw., vorwärts)

Horizontale Diversifikation Wachstum aus dem Kern

Wachstum nahe dem Kern

W. d. fähigkeitsverbund. Diversifikation

Internationale Diversifikation W. d. unverbundene Diversifikation

W. d. Erschaffung Neugeschäft

Ebenen

Wachstum im Geschäft

Wachstum zwischen den Geschäften

Neue Geschäftsmodelle

Mechanismen

Organisches Wachstum

Wachstum mittels Kooperationen

Wachstum durch M&A

Abbildung 8.7: Dimensionen von Wachstumsstrategien.1090

zeigt auf, wie weit sich das Unternehmen aus dem bisherigen Kerngeschäft entfernen will. Je weiter vom Kern entfernt, desto risikoreicher, jedoch auch desto weiter können Wachstumsstrategien gedacht werden.1091 Ab „Wachstum durch fähigkeitsverbundene Diversifikation“ werden Geschäftsfelder tendenziell losgelöst vom bisherigen Kerngeschäft entwickelt. Die Betrachtung der Ebenen beschreibt, ob mit bisherigen unternehmerischen Einheiten gearbeitet wird, neue Zusammenarbeiten entwickelt oder auch vollkommen neue Geschäfte entwickelt werden sollen. Und die Frage nach dem Mechanismus betrachtet die konkrete Umsetzung: von selbst aufsetzen bis Zukauf. McKinsey hat in einer großen empirischen Analyse Regeln für Wachstum abgeleitet:1092 (1) Put competitive advantage first: Ein starke Wettbewerbsvorteil ist der Ausgangspunkt für starkes Wachstum, da er Kunden anzieht, was wiederum die Wachstumschancen erhöht. (2) Make the trend your friend: Die Konzentration auf wachstumsstarke Märkte ist Kern für eine langfristige strategische Wachstumsstrategie. (3) Don’t be a laggard: Innovative Geschäftsmodelle und neue Angebote sind Ausdruck von Wachstumsstärke, so können Marktanteile auch in wettbewerbsintensiven Märkten gewonnen werden. (4) Turbocharge your core: Das Wachstum des Gesamtunternehmen braucht eine gesunde Umsatzbasis. Die Entwicklung des unternehmerischen Kerns muss also vor der Eröffnung neuer Märkte stehen. (5) Look beyond the core: 80% des Wachstums kommen vielfach aus dem Unternehmenskern, die restlichen 20% aus weiteren Berei-

1090 Quelle: Muller-Stevens / Brauer, (Corporate Strategy), 2021, S. 205. 1091 Vgl. Müller-Stewens / Brauer, (Corporate Strategy), 2021, S. 209 f. 1092 Vgl. Bradley et al., (Rules of Growth), 2022, S. 3 und die Erläuterungen auf den folgenden Seiten.

8.3 Wachstum als Zielfaktor 

(6)

(7)

(8)

(9)

 949

chen.1093 Daher besitzen neue Geschäftsfelder einen substantiellen Einfluss auf Wachstumschancen von Unternehmen. Grow where you know: In engem Bezug zum Kerngeschäft kann viel Wachstum erzeugt werden. Unternehmen besitzen passendes Know how und Ressourcen, die auch im neuen Geschäftsfeld notwendig sind. Be global if you can’t beat local: Internationalisierung ist eine wesentliche Option für Wachstum. Wettbewerbsintensive Heimmärkte trainieren Unternehmen in den Fähigkeiten, die auch in neuen Märkten differenzierend sein können. Acquire programmatically: Geplanter und strukturierter Zukauf von Fähigkeiten ist ein Schlüssel zu neuem Wachstum. So kann Nachholbedarf ausgeglichen werden und neue Fähigkeiten gezielt entwickelt. It’s ok to shrink to grow: Under-performende Bereiche des Unternehmens können gezielt abgegeben werden, um das Wachstum in anderen Bereichen zu finanzieren.

Neben dieser strategischen Planung von Wachstum kann auch operativ auf Wachstum gezielt werden. Aus Vertriebssicht bieten sich verschiedene Ansätze an, die in Tabelle 8.5 aufgelistet sind. Tabelle 8.5: Wachstumsansätze aus Vertriebssicht.1094 Wachstumsansätze aus Vertriebssicht Mehr Angebotsanfragen generieren

Mehr Weiterempfehlungen generieren

Mehr Auftragsvergaben erzielen

Mehr Käufe innovativerer Angebote forcieren

Höhere Auftragsquoten sichern

Mehr Käufe komplexerer Angebote forcieren

Höheres Einkaufsvolumen stimulieren

Geringere Kundenabwanderung sicherstellen

Mehr Cross Buying motivieren

Mehr gebündelte Bestellungen

Höherer Share-of-Wallet beim Kunden erzielen (Anteil am Einkaufsbudget beim Kunden)

Höherer automatisierter Nachkauf

Höhere Wiederkaufsrate

Geringere Stornorate

1093 Vgl. Bradley et al., (Rules of Growth), 2022, S. 7. 1094 Vgl. Wieseke, (Sales Profit Chain), 2022, S. 186.

950 

 8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung

8.3.2 Datengesteuertes Marketing und Marketing Automation Die starke Zunahme von Daten auf allen Stufen der Customer Journey und die Dominanz des digitalen Marketing ermöglicht eine deutlich stärker datengesteuerte Umsetzung aller Disziplinen des Marketing und der Kommunikation. Gezielte Datensammlung, -auswertung, -interpretation und -Nutzung versorgt Marketing- und Vertriebsentscheider mit mehr Insights und einer soliden Grundlage, um Entscheidungen besser informiert und im Zweifel auch erfolgreicher treffen zu können. Dabei ist die intensive Nutzung von Daten zur Entscheidungsvorbereitung und -findung bisher nur bei rd. 27% aller Unternehmen breit etabliert.1095 Hat sich die Nutzung von Daten bewährt, steigen Erwartungen an Datenmengen und -qualität. Dabei müssen Marketing und Vertrieb realisieren, dass nie alle Daten vorliegen, die man sich als Entscheidungsgrundlage wünschen würde. Daten sind unvollständig (bspw. digitale Kundeninteraktionen und Kundenaktivitäten in Offline-Stores können nicht in einem Datenpool gesammelt werden) oder sie liegen in unterschiedlicher Aufarbeitung vor (strukturierte Daten aus bspw. CRM-Systemen treffen auf manuell in Excel-Listen zusammengetragenen Daten aus ergänzenden Interaktionen). Mit den verfügbaren Daten müssen nachvollziehbare Analysen umgesetzt werden, die in passenden Szenarien zum Einsatz gebracht werden. Die stärkste Nutzung von Daten in Marketing und Vertrieb zeigt sich beim Pricing (78% der Unternehmen, die Daten für die Entscheidungsfindung nutzen, nutzen die Daten für Preisentscheidungen), gefolgt von der Umsetzung von Produkteinführungen (77%), der Markenstrategie (77%) und der Content Creation (75%). Erst danach folgt die Nutzung für Media-Strategie und -planung, was angesichts der Vielzahl verfügbarer Daten aus der digitalen Kommunikation erstaunt.1096 Klassische Marketer werden von datenbasierten Marketing- und Verkaufsansätzen in Bedrängnis gebracht werden. Steuerung wird datenbasiert kurzfristig an Umsatz- und Ertragszielen orientiert. Die wertbasierte Entwicklung langfristiger Markenpositionierungen ist schwieriger unternehmensintern zu platzieren. Bauchgefühl und Erfahrung, die vielfach zentraler Treiber für Marketing- und Vertriebsentscheidungen gewesen sind, müssen sich stärker mit quantifizierbaren Entscheidungsunterstützungen arrangieren.

1095 Vgl. Campillo-Lundbeck, (Datenbasiertes Marketing), 2022, S. 30. 1096 Vgl. Campillo-Lundbeck, (Datenbasiertes Marketing), 2022, S. 30.

8.3 Wachstum als Zielfaktor 

 951

8.3.3 Guided and automated Selling Kundenkommunikation ist vermehrt zweiseitig aufgesetzt und versucht, systematisch Interessenslagen der Kunden zu adressieren. Digitale Technologien werden zur Grundlage von Kommunikationssystemen, die auf Kunden und die Interaktion reagieren und automatisiert den Dialog führen. Verschiedene Evolutionsstufen von digitalen Verkaufsführungssysteme werden diskutiert: – Guided Selling Systeme: Kunden werden strukturiert durch den Verkaufsprozess geleitet, vielfach basiert die Logik des Durchleitens auf einer vordefinierten Anzahl an Fragen und Auswahlentscheidungen, die der Kunden treffen muss. Der Ablauf ist meist linear – Conversational Commerce­Systeme: Systeme, die auf den Austausch zwischen Anbieter und Nachfrager fokussieren und dadurch getriggert den Verkaufsprozess steuern. Dieser Austausch basiert nicht auf einem festen Ablauf, da durch Interaktion zwischen beiden Parteien unterschiedliche Verläufe und Abläufe entstehen können. Eine Ausprägung ist der Einsatz von Chatbots, die je nach Frage der Kunden unterschiedliche Antworten und Vorschläge verbreiten können – Automated Selling Systeme: Vollkommen automatisierte Systeme lassen Kaufprozesse ohne individuelle Einflussnahme ablaufen. Regeln geben vor, wann Käufe getätigt werden. Im B2B-Kontext lösen bspw. ERP-Systeme automatische Nachbestellungen aus, wenn Vorräte beim Kunden unter vorgegebene Untergrenzen fallen. Diese extreme Ausprägung basiert auf einem starren Regelwerk, welches vorab festgelegt wird. In der Vertriebssteuerung finden EDV-gestützte Systeme ebenfalls Einzug. Sie liefern Daten und Ansatzpunkte für den zielgerichteten Einsatz der Vertriebsorgane von digitaler Ansprache bis zum Außendiensteinsatz. Über Textmining können bspw. Webseiten von potenziellen Kunden analysiert werden.1097 Für identifizierte Zielkontakte werden automatisiert über soziale Netzwerke (bspw. LinkedIn oder Xing) Ansprechpartner identifiziert, denen vor-formulierte Erstansprachemails zugesendet werden. Zum persönlichen Nachfassen werden die Daten im CRM-System mit Termin abgelegt. Aber auch der eigene Kundenstamm kann analysiert werden, um erfolgversprechende Next Best Offer-Angebote zu generieren. Viele dieser Systeme basieren auf Algorithmen der künst-

1097 Vgl. Dastani, (Predictive Analytics), 2016, S. 68.

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 8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung

lichen Intelligenz. Um diese Algorithmen zu trainieren, ist ein großer Datenstamm notwendig. Die beiden ersten Systeme werden auch als digitale Produktberater bezeichnet. Jedem digitalen Besucher kann eine eigene Beratung geboten werden, was eine optimale Servicequalität für Kunden darstellt.1098 Chatbots sind eine zunehmend verbreitete Technologie. Der regelbasierte Chatbot kann Kommunikation und Unterhaltung auf Basis von vorab gespeicherten Antworten zu führen.1099 Die Technologie sucht in der Kundeneingabe nach Schlüsselwörtern und interpretiert diese für die gespeicherten Antwortoptionen. Diese Art Chatbot ist so intelligent, wie umfangreich die Datenbank möglicher Antworten aufgesetzt ist. Weiterentwicklungen der Intelligenz dieser Systeme basieren auf der Analyse der Chatbot-Programmierer von Antworten, Kundenreaktionen und inhaltlichen Sackgassen, wo die Kommunikation von Kundenseite abgebrochen wurde. Selbstlernende Chatbots verarbeiten auf Basis von Natural Language Processing eingegebene Texte und versuchen, diese korrekt zu interpretieren. Auf dieser Basis werden individuelle Antworten generiert, und jede Interaktion mit dem Chatbot dient dem Gesamtsystem zum fortgesetzten Lernen. Diese Systeme bedienen sich Algorithmen der Künstlichen Intelligenz und entwickeln sich eigenständig weiter. Dabei können auch ungewollte Kommunikationsmuster entstehen, wie die Übernahme von Hate Speech des Twitter Chatbots Tay von Microsoft gezeigt hat.1100 Chatbots können Kundenkommunikation vereinfachen und von Mitarbeitenden besetzte Call- und Servicecenter entlasten. Ein weiteres Einsatzfeld ist die automatisierte Ansprache von Webseitenbesuchern. Auch in Messenger-Systemen werden Chatbots eingesetzt. Der Facebook Messenger mit mehreren Milliarden Nutzern ist ein beliebtes Einsatzfeld für Chatbots. Durch Chatbots können rund um die Uhr Kunden angesprochen und Kundenanfragen beantwortet werden. Auf jeder Stufe der Customer Journey können Chatbots unterstützen – von der Erstinformation über Detailfragen bis zum Kaufabschluss. Kunden stehen der Technologie nicht vorbehaltslos gegenüber. Nur rd. 25% der Befragten einer Studie konnten sich unmittelbar mit der Idee anfreunden, einen Chatbot zur Kommunikation zu nutzen.1101 Nach dem Livegang des Chatbots hingegen hat sich schnell eine hohe Nutzungsrate 1098 Vgl. Mühling, (Bots), 2022, S. 131. 1099 Vgl. Spandl / Löneke, (Intelligente Kommunikation), 2022, S. 42. 1100 Vgl. Sickert, (Chatbot). 1101 Vgl. Spandl / Löneke, (Intelligente Kommunikation), 2022, S. 44.

8.3 Wachstum als Zielfaktor 

 953

des Chatbots gezeigt. Das Einsatzfeld des Chatbots war dabei aber auf die Übermittlung ausgewählter Antworten fixiert, so dass die Nutzer klare Anweisungen geben konnten bzw. die regelbasierte Chatbot-Technologie die Anfragen der Nutzer gut interpretieren konnte. Die Zurückhaltung bei der allgemeinen Einschätzung lässt sich daher ggf. auf negative Erfahrungen mit selbstlernenden Chatbots bei komplexeren Fragestellungen zurückführen, wo die Interaktion keine oder wenige sinnvolle Antworten hervorbringen konnte.

8.3.4 Customer Experience Management Wie erleben Kunden ein Produkt? Wie erleben Kunden eine Marke? Kundenerlebnisse werden in Zeiten des zunehmenden Wettbewerbs und austauschbarer Produkte mehr zu einem Differenzierungsfaktor für Unternehmen. Die gezielte Analyse und darauffolgende Gestaltung aller Erlebnisse, die Kunden mit Produkten und Marken haben, etabliert sich unter dem Begriff des Customer Experience Managements (CEM). Tiffert unterscheidet nach emotionalen Kundenreaktionen 5 Erlebnisse:1102 (1) Produkt­Erlebnis: welche Emotionen löst das konkrete Produkt beim Kunden aus? (2) Service­Erlebnis: zum Kauf gehörender Service oder auch den Kauf begleitender Service (bspw. bei Reklamationen) (3) Marken­Erlebnis: umfassende Reaktion auf die Markenpräsentation und das transportierte Markenimage (4) Shopping­Erlebnis: wie ist der Kaufvorgang abgelaufen? (5) Consumption­Erlebnis: die Nutzung des Produktes bis hin zur End-of-Life-Betrachtung Allen Erlebnissen gemein ist, dass der Kunde im Fokus der Betrachtung steht. Verschiedene Schritte helfen, zielgerichtet alle Erlebnisse der Kunden zu erfassen, bewerten und optimieren: – Erstellung der Customer Journey Map: die im 1. Kapitel vorgestellte Analyse ist Ausgangspunkt für die strukturierte Erfassung aller Kontaktpunkte zwischen Unternehmen und Kunden. – Sammlung von quantitativem und qualitativem Feedback: Unternehmen erheben bereits strukturierte Rückmeldungen von Kunden (siehe dazu auch den Net Promotor Score (NPS), der im 6.

1102 Vgl. Tiffert, (Kundenerlebnisse), 2019, S. 32.

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 8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung

Kapitel diskutiert wird). Neben diesen quantitativen Daten erhalten Unternehmen auch über Social Media Netzwerke Nachrichten und Kommentare, die ebenfalls einer strukturierten Analyse zugeführt werden müssen. Sog. Sentiment Analysis / Stimmungserkennungen identifizieren der Stimmungslagen der Kommentare (positiv/neutral/negativ). Die Datenbasis zur Analyse der Ausgangssituation vergrößert sich durch die Kombination beider Datenqualitäten. Analyse des Feedbacks: die verschiedenen Rückmeldungen können in der Tiefe analysiert und die jeweiligen Gründe herausgearbeitet werden. So entstehen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge, die durch ihre Kausalität strukturiert zu bearbeiten sind. Wenn Erlebnis A der Grund für Zufriedenheit B gewesen ist, wie kann dies gezielt auch anderen Kunden zugänglich gemacht werden? Resultiert Problem C in Unzufriedenheit D, ist die Aufgaben für das CEM, sich um die Problemlösung prophylaktisch zu kümmern. Best Practices dienen als Richtlinie für die Umsetzung von Kundenerfahrungen in der Customer Journey.1103 Zielgerichtete Entwicklung neuer Markenkontaktpunkte: neben den analysierten und vom Unternehmen unmittelbar, mittelbar oder nicht zu beeinflussenden Touchpoints setzen Unternehmen auf die zielgerichtete Entwicklung von Erlebnispunkten, die Kunden in der Marken- und Produktwahl unterstützen.1104 Der Abschluss ist entscheidend: das Ende eines Kauferlebnisses bleibt Kunden am stärksten in Erinnerung. Psychologisch spricht man vom Recency-Effekt (Rezenzeffekt). Der letzte Eindruck überlagert vorher wahrgenommene Eindrücke. Somit besitzen bei der Gestaltung von Kundenerlebnissen die jeweiligen letzten Momente eine herausgehobene Bedeutung. Beim Besuch in einem stationären Geschäft entscheidet vielfach der Kontakt zum Kassenpersonal, wie positiv der Gesamtbesuch in Erinnerung bleibt. Sensibilisierung der Mitarbeitenden für Kundenerlebnisse: jeder Kontakt zwischen Unternehmen und Kunden hinterlässt ein Erlebnis. Die Mitarbeitenden benötigen das Verständnis, dass jeder einzelne Kontakt entscheidend sein kann. So gelingt die Gestaltung vollständiger Kundenerlebnisse über alle Touchpoints.

1103 Vgl. Schallmo, (Kundenerfahrungen), 2017, S. 69. 1104 Vgl. Esch et al., (Auf Kunden zugehen), 2014, S. 50. Esch beschreibt das Beispiel der Einrichtung von Car Showrooms in Innenstädten für den angenehmen und inspirierenden Markenkontakt als gezielte Gestaltung des Kontaktpunktes „Beratung und Kauf“.

8.3 Wachstum als Zielfaktor 

 955

8.3.5 Flywheel Marketing Ein gutes Beispiel für eine Wachstumsstrategie ist das Flywheel (dt. Schwungrad) von Amazon. Es entsteht eine endogene Wachstumsdynamik, wenn eine größere Auswahl an Angeboten zu niedrigeren Preisen zu mehr Handelsaufkommen führt. Dies zieht wiederum mehr Kunden und Transaktionen nach sich, was wiederum eine weitere Expansion von Leistungen begünstigt. „Wenn es gelingt, die eigene Organisation rund um Lernmodelle zu strukturieren, die auf Datenschleifen beruhen, führt das zu einem Kreislauf, der sich selbst verstärkt.“1105

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Abbildung 8.8: Flywheel.

Abbildung 8.8 zeigt ein idealtypisches Flywheel. Grundansatz ist die sich selbst beschleunigende Dynamik durch die Begeisterung von Kunden, was wiederum neben Folgekäufen dieser Kunden auch weitere Kunden anzieht. Das Flywheel kann als Erweiterung oder Ergänzung der Sales Cycle-Ansätze aus dem 6. Kapitel angesehen werden. Wie aus der Grafik ersichtlich, haben die Fachbereiche Marketing und Vertrieb (+ggf. Service) maßgeblichen Anteil am Funktionieren des Schwungrads. Marketing initiiert die Kundenbeziehung (im Sales Cycle im Bereich der Kundenansprache verortet). Der Vertrieb verkauft und ent-

1105 Walsch, (Algorithmus), 2019, S. 60.

956 

 8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung

wickelt die Kunden (Sales Cycle: Geschäftsanbahnung, Verhandlung und Verkauf) und die Servicebereiche wickeln ab und sorgen für Nachbetreuung und Weiterempfehlung (Sales Cycle: Abwicklung, Kundenbindung). Drei zentrale Bereiche charakterisieren das Flywheel: (1) Anziehen (eng. Attract): Neue Kunden sollen auf das Unternehmen aufmerksam werden. Ziel der Lead-Generierung ist die Initiierung des ersten Kontakts, um bisher Unbekannte zu Potenzialkunden zu entwickeln. (2) Entwickeln (eng. Engage): Beim ersten Verkauf wird der Grundstein für eine langfristige Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden gelegt. Über guten Inhalte und relevante Contents entsteht Interaktion und Kunden fühlen sich gut betreut. (3) Begeistern (eng. Delight): Die jetzt gestartete Beziehung zum Kunden wird von allen Unternehmensbereichen gefördert. Exzellenter Kundenservice und -support kann die Basis für lange Kundentreue bilden. Die Dynamiken des Schwungrads resultieren aus: – Geschwindigkeit des Schwungrads: mit welcher Dynamik kann die Kundengewinnung neue Kunden akquirieren? – Reibung der Prozesse: zufriedene Kunden erleben eine reibungslose Abwicklung. Optimal auf Kundenprozesse abgestimmte Abläufe erhöhen die Zufriedenheit – Größe des Schwungrads: je mehr Kunden in das Flywheel eingespeist und zufrieden gestellt werden, desto mehr Dynamik kann das Rad bekommen. Die Größe des Rads ergibt sich daher aus der Größe der Kunden- und Weiterempfehlungspotenziale. Alternative Darstellungen des Flywheels arbeiten mit unterschiedlichen Begrifflichkeiten und anderen Schrittweisen (attract strangers, engage prospects, attain customers und delight fans). Die Besonderheit des Flywheels liegt in der Betonung des nachhaltigen Wachstums. Erst durch begeisterte Kunden entstehen langfristige Kundenbeziehungen, die ihrerseits weitere Kunden anziehen. In Abgrenzung zum Sales Funnel und auch dem Sales Cycle liegt der Fokus auf zufriedenen Kunden, die bei den anderen Betrachtungsweisen weniger im Mittelpunkt stehen.1106

1106 Vgl.  dazu auch die umfangreichen Ausführungen von Hubspot, https://www. hubspot.de/flywheel.

8.3 Wachstum als Zielfaktor 

 957

8.3.6 Neuromarketing Neuromarketing ist die Zusammenführung von Betriebswirtschaft und Hirnforschung. Die Disziplin untersucht physiologische und neurologische Prozesse, um Einsichten in Kunden-Motivationen, -Vorlieben und -Entscheidungen zu bekommen und um Werbung und Kommunikation, Produktdesign und weitere Marketing-Disziplinen zu optimieren.1107 „Neuromarketing bezeichnet für gewöhnlich den Einsatz neurowissenschaftlich fundierter Methoden und Erkenntnisse zum Zweck des Marketing und der Marktforschung.“1108 Um die Kundenreaktionen zu messen, bedient sich das Neuromarketing verschiedener Messverfahren: – MRT – Magnetresonanztomographie: Gehirnaktivitäten werden gemessen und lassen einen Rückschluss auf aktivierte Hirnregionen beim Betrachten von bspw. Werbung zu. Das Verfahren bildet durch einen Scanner die verschiedenen Schichten des Gehirns ab, so können aktivierte Regionen identifiziert werden, Dieser Standard des Neuromarketing ist aufwändig und teuer. – EEG – Elektroenzephalographie: durch das Anbringen von Elektroden am Kopf können Aktivitäten des Gehirns gemessen werden, insbesondere die Reihenfolge der Aktivierung verschiedener Hirnregionen wird durch das EEG-Verfahren abgebildet, kostengünstigere Methode im Vergleich zum MRT, jedoch auch weniger Auswertungsoptionen, da nur Regionen nah an der Kopfoberfläche gut erfasst werden. – Augen-Tracking, Blickanalyse, Mimik-Erfassung: durch das Erfassen der Augenbewegungen, Größenänderungen der Pupillen und die Mimik im Gesicht werden Rückschlüsse auf die Verarbeitung von visuellen Reizen getroffen. Diese vergleichsweise günstige Methode des Neuromarketing ist jedoch ungenau und lässt viel Interpretationsspielraum.

Neuromarketing-Expertin Gesa Lischka: „Jeder bewussten Entscheidung gehen unbewusste Prozesse voraus!“

Die Relevanz des Neuromarketings kommt aus dem lange gehegten Wunsch, Prozesse im Kopf der Kunden zu verstehen, um Beeinflussungen durch das Unterbewusstsein zu erfassen. Die Suche nach dem „Kaufknopf“ im Kopf des Kunden fasziniert Vermarkter und Marketers. Man hofft auf ein besseres Prognostizieren von Erfolgen neuer Produkte und Kommunikationsstrategien als es klassische Marktforschung im Feld

Menschen erfassen Eindrücke multisensorisch: sehen, hören, riechen, tasten, schmecken. Viele dieser Eindrücke werden unterbewusst verarbeitet.

1107 Vgl. Harrel, (Neuromarketing), 2019. 1108 Briesemeister / Selmer, (Neuromarketing), 2020, S. V.

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 8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung

kann. Die menschliche Auskunftsfähigkeit zu Befragungen ist begrenzt. Neurowissenschaften messen frühe, vielfach unbewusst ablaufende Verarbeitungsprozesse im Gehirn und können weitere Erkenntnisse zu Entscheidungsprozessen im Gehirn liefern.1109 Natürlich ist die Gefahr der Manipulation zu diskutieren, jedoch werden heute bereits durch die Vielzahl etablierter psychologischer Effekte Kunden gezielt zu Handlungen motiviert, ohne dass dies ihnen bewusst ist.1110 Die zentrale Bedeutung in der Erklärung des menschlichen Entscheidungs- und Kaufverhalten wird im Limbischen System gesehen.1111 In diesem Bereich des Gehirns werden Emotionen verarbeitet. Vier Bereiche werden dabei besonders beachtet: die Amygdala (emotionale Bewertung von Objekten), der Hypocampus (emotionales Lernzentrum), der Hypothalamus (Ausführung von Reaktionen) und der Nucleus Accumbens (Belohnungssystem mit Motivation und Glücksgefühlen). Der Nucleus Accumbens ist als sehr kleine Region in Abbildung 8.9 nicht explizit beleuchtet.

(Anteriorer) cingulärer Kortex

Orbitofrontaler und Ventromedialer Kortex

Hippocampus Hypothalamus

Amygdala

Abbildung 8.9: Limbisches System.1112

1109 Vgl. Galandi et al., (Neurowissenschaft), 2020, S. 99. 1110 Vgl. Harrell, (Neuromarketing), 2019. 1111 Vgl. Nufer, (Neuromarketing), 2020, S. 57. 1112 Quelle: Häusel, (Limbic), 2011, S. 27.

8.3 Wachstum als Zielfaktor 

 959

Auf Basis langjähriger Forschungen hat Hans Georg Häusel die Limbic Map (vgl. Abbildung 8.10) entworfen, die verschiedene Basisemotionen im Gehirn verortet hat.1113 Die drei großen Emotionen Dominanz (Durchsetzung), Stimulanz (Abenteuer) und Balance (Sicherheit und Risikovermeidung) stehen so miteinander in Verbindung, dass Werte und Einstellungen der Menschen abgebildet werden können. Diese Zuordnungen werden von Unternehmen als Richtschnur für Entwicklung von bspw. Kommunikationskampagnen verwendet, um möglichst zielgerichtete emotionale Reaktionen der Kunden zu erreichen. Eine interessante Anwendung erfährt die Limbic Map, wenn Autos und Motorräder miteinander verglichen werden. Dass es zu unterschiedlichen Einordnungen von vernunftgetriebenen Autos und emotionsgeladenen Motorrädern kommt, verwundert nicht. Spannend wird es im Detail, wenn von einer Marke (bspw. BMW Autos und BMW Motorräder) jeweils die Einordnungen verglichen werden. Abbildung 8.11 illustriert die unterschiedlichen Einordnungen. Die großen Abstände bei den beiden japanischen Herstellern Honda und Suzuki fallen dabei ins Auge. Honda Autos stehen für Verlässlichkeit und Disziplin, Suzuki kann mehr in Richtung Spaß und Flexibilität punkten Die beiden Motorradmarken hingegen vertreten das Abenteuer und den Spaß, den das Freizeitgefährt mit sich bringt. Auf Basis dieser allgemeinen Regeln für das limbische System identifiziert Häusel sieben Limbic-Types, der verschiedenen Zielgruppen beschreiben:1114 (1) Harmonisierer: übernehmen Verantwortung für die Familien und das Umfeld, Vorliebe für Geborgenheit. (2) Offene: Offenheit für Innovationen und Neues, toleranter Lebensstil. (3) Hedonisten: besonders ausgeprägte Individualität, Suche nach neuen Optionen. (4) Abenteurer: Risikofreude und -offenheit. (5) Performer: Leistungsorientierung, engagiert und ehrgeizig. (6) Disziplinierte: ausgeprägtes Pflichtbewusstsein, blickt auf Details. (7) Traditionalisten: Ordnung und Sicherheit stehen im Mittelpunkt, Zukunft eher bedrohlich wahrnehmend. Diese Persönlichkeitstypen geben Unternehmen Anhaltspunkte für die eigene Vermarktung und Angebotsgestaltung. Spezifische Marktfor1113 Detailliert auf https://www.haeusel.com/limbic/ sowie in den verschiedenen Veröffentlichungen von Dr. Häusel, bspw. „Think Limbic! Die Macht des Unbewussten nutzen für Management und Verkauf“ (2019). 1114 Vgl. Nufer, (Neuromarketing), 2020, S. 59.

1115 Quelle: Häusel, (Limbic), 2011, S. 33.

Abbildung 8.10: Limbic Map nach Häusel.1115

960   8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung

1116 Quelle: Merx, (Entfernte Verwandte), 2012, S. 67 nach einer Studie der Gruppe Nymphenburg.

Abbildung 8.11: Limbic Map mit Einordnung von Auto- und Motorrad-Marken.1116

8.3 Wachstum als Zielfaktor   961

962 

 8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung

schungsmethoden lassen die Persönlichkeitstypen gut erheben und auf marketingspezifische Fragestellungen übertragen. So interessieren sich bspw. Performer stärker für Produktneueinführungen als Harmonisierer. Musikvorlieben für die Nutzung in Marketingkommunikation lassen sich ebenfalls durch die Limbic Typen beschreiben.1117 Durch die Limbic Types entstehen nachvollziehbare Persönlichkeitsbilder, die Marketing und Vertrieb gute Ansatzpunkte liefern. Letztlich sind sie jedoch eine stark vereinfachte Darstellung komplexer Persönlichkeitsmuster der Konsumenten, wodurch Neuromarketing nicht unumstritten ist. Viele im Neuromarketing erhobenen Aspekte sind auf Basis von Erfahrungswissen abgeprüft, was die wissenschaftliche Qualität mildert. Neuromarketing-Studien sind enorm kostspielig und beziehen sich vielfach auf nur sehr kleine Datensätze. Dadurch muss die Praxis mit vereinfachten Analysen auskommen, da Primärforschung in den meisten Fällen nicht zu realisieren ist. So wird Neuromarketing vielfach auf eine Liste allgemein anwendbarer Best Practices reduziert. Ergänzend berührt Neuromarketing auch Aspekte der Unternehmensethik. Hat ein Unternehmen den „Kaufknopf“ identifiziert, stellt sich die Frage der ethisch korrekten kommerziellen Nutzung. Die auf Neuromarketing spezialisierte Agentur Kochstraße aus Hannover hält verschiedene Best Practices bereit und überführt diese in praktische Empfehlungen. In Tabelle 8.6 sind viele aus der allgemeinen Verkaufs- und Verhandlungspsychologie bekannte Effekte durch Neuromarketing abgesichert in konkrete Empfehlungen überführt:1118 Neuromarketing und der Limbic-Ansatz müssen sich trotz Bewährung in der Praxis vielen methodischen Kritiken stellen:1119 – Die zur Belegung angeführten Studien und Erkenntnisse können in den wenigsten Fällen repliziert werden. Viele Aussagen basieren auf einmalig erzielten Ergebnissen mit tw. unklaren Belegführungen. – Die Verankerung des Limbic-Ansatzes in der Neurowissenschaft ist umstritten. Die von Häusel angeführten Argumente und Erläuterungen werden von führenden Wissenschaftlern der Neurosciences anders ausgelegt und es besteht wenig bis kein Konsens zur bspw. Art der Emotionsverarbeitung und unbewussten Entscheidungen. – Der Test auf die Limbic-Types gilt als zu oberflächlich und die Existenz der 7 Types ist aus wissenschaftlicher Sicht noch nicht ausreichend nachgewiesen

1117 Vgl. Nufer, (Neuromarketing), 2020, S. 61 ff. 1118 Alle Tipps sind unter https://kochstrasse.agency/neuro/ zu finden. 1119 Vgl. Degen, (Limbic-Ansatz), 2022, S. 7 ff.

8.3 Wachstum als Zielfaktor 

 963

Tabelle 8.6: Praktische Anwendungen des Neuromarketing. Effekt

Beschreibung

1

Dollar Eyes Effekt

Wenn Menschen Geld sehen, wird ein motivationaler Vorgang in Gang gesetzt, Rabatte in Geld anstatt %-Werten ausweisen sorgt für stärkere Wirkungen auf die Kunden

2

Ankereffekt

Kunden suchen nach Orientierungspunkten für die Preiseinschätzung, praktische Anwendung: durchgestrichene alte Preise (UVPs) oder das Anbieten unterschiedlicher Preislagen (hoch-, mittel, niedrigpreisig)

3

Cheerleader Effekt

Menschen orientieren sich an erfolgreichen Gruppen: durch die Präsentation von neuen Produkten im Zusammenhang mit bereits erfolgreichen Produkten

4

Halo Effekt

Der erste Eindruck zählt. Praktische Anwendung: die Reihenfolge der Argumente, das stärkste Argument wird als erstes genannt

5

Buyer’s Remorse Effekt

Kunden bedauern Kaufentscheidungen (aka Kaufreue), auch wenn sie objektiv richtig sind. Praktische Anwendung: Kunden zum Kauf beglückwünschen und die Vorteile des Kaufs noch einmal aufzählen

8.3.7 Avatare und virtuelle Influencer Miquela (Insta: lilmiquela): 3 Mio. Follower, Lu do Magalu (Insta: magazineluiza): 6,1 Mio. Follower, Noonoouri (Insta: noonoouri): 403k Follower, Kenna (Insta: thisis.kenna): 18,1k Follower, Minnie Mouse (Insta minniemouse): 739k Follower. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen - dies sind alles keine Social Media-Persönlichkeiten und Influencer aus Fleisch und Blut, sondern aus Bits und Bytes. Aber mit Haltung, Botschaften und einer sich entwickelnden Persönlichkeit. Bisher sind virtuell geschaffene Influencer vielfach Projekte von Agenturen und oder Kreativen, die mit dem Erschaffen einer virtuellen Person ein neues Betätigungsfeld entwickelt haben. Aber auch. etablierte Zeichentrickcharaktere wie Popeye (Insta: popeye) oder Maskottchen wie Dino Hermann vom HSV (Insta: dinoherman) können eigene Persönlichkeiten aufbauen, die auf Social Media Netzwerken zum Leben erweckt werden. Nach und nach zeigt sich jetzt, dass virtuelle Influencer eine Alternative zu echten Influencern werden können. Unternehmen gewinnen Markenbotschafter, die eigene Inhalte zielgenau transportieren, keine Skandale produzieren oder unvorhergesehene Aussagen tätigen.

964 

 8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung

Verschiedene Arten virtueller Influencer entwickeln sich heute: – Markenunabhängige Influencer: benötigen ein komplettes Leben, um präsentierte Produkte im entsprechenden Umfeld einzupassen. – Markenbotschafter: von Marken entwickelte Influencer, können sogar Kunstpersonen sein. – Unternehmenspersönlichkeiten: geben Einblicke in den Unternehmensalltag. – Künstliche Models: eigene Persönlichkeiten, die z. B. Mode präsentieren. Welche Vorteile haben virtuelle Influencer? Sie können in Botschaften exakt gesteuert werden. Auftraggeber haben volle Kontrolle. Durch die technische Umsetzung können sie in viele Szenen und Situationen integriert werden, die mit „normalen“ Influencer nur schwierig zu realisieren gewesen wären. Shootings mit virtuellen Influencern erzeugen keinen CO2-Fußabdruck, da keine Fotografen, Models und Begleiter*inn durch die Welt geflogen werden müssen. Jedoch muss bei der Konzeption mit Nachteilen gerechnet werden: die Erstellung und das Betreiben von virtuellen Influencern ist aufwändig und teuer, die verwendete CGI-Technik benötigt Fachwissen und Erfahrung, damit virtuelle Influencer möglichst echt und authentisch wirken. Social Media-Accounts müssen entwickelt und gepflegt werden. Und wahrscheinlich reagiert auch nicht jeder Nutzer von sozialen Netzwerken positiv auf virtuelle Influencer. Einen Schritt weiter geht die zielgerichtete Entwicklung von Avataren, die als Abbildung eines menschlichen Charakters in einer digitalen Umgebung dienen. Dabei wird eine reale Person in einer digitalen Umgebung umgesetzt. Je menschlicher (Fachbegriff anthropomorphic) der Avatar gestaltet ist, desto überzeugender wirkt er.1120 Vielfältige Interaktionsmöglichkeiten mit Möglichkeiten der synchronen Kommunikation und das Wissen über die Interaktion mit einer echten Person stärken Wirkungen von Avataren in digitalen Umgebungen deutlich. Die Entwicklungen hin zur digitalen Parallelwelt des Metaverse werden Entwicklungen und Nutzungen von Avataren beschleunigen.

1120 Vgl. Miao, (Avatar Marketing), 2021.

8.4 Metaverse als neue Marktoption 

 965

8.4 Metaverse als neue Marktoption Das Metaverse ist die mehrdimensionale Gestaltung von digitalen Interaktionswelten. Die Definition von Lee et al „A virtual environment blending physical and digital, facilitated by the convergence between the Internet and Web technologies, and Extended Reality”1121 gibt wesentliche Bestandteile gut wieder. Die erste technische Entwicklung in Richtung einer Social Virtual World war Second Life.1122 In Hochzeiten um die Jahre 2002 / 2003 haben mehr als eine Million Nutzer zusammen in einer digitalen Welt interagiert. Unternehmen haben virtuelle Grundstücke erworben und virtuelle Präsenzen errichtet. Es wurde kommuniziert, gehandelt und sich die Zeit vertrieben. Sogar eine mobile Version von Second Life wurde als Stand Alone-Gerät entwickelt, bevor Smartphones populär geworden sind. Bis heute wird Second Life von Nutzern verwendet, Blütezeiten sind jedoch vorbei. Den Prognosen nach wird es in Zukunft mehrere MetaverseAnwendungen parallel geben.1123 Verschiedene proprietäre Plattformen werden entwickelt. Aber auch ursprünglich nicht als Metaverse-Anwendung geplante digitale Welten werden von Usern wie ein Metaverse genutzt. Minecraft ist ein Computerspiel, das von Nutzern auch als Interaktionsplattform genutzt wird. Fortnite ist ein Battle Royal-Spiel, welches von Marken und Unternehmen zur Markenkommunikation genutzt wird. Musikkonzerte finden in der Fortnite-Welt statt, die von zehntausenden Besuchern angesehen werden. Somit kann das Metaverse verschiedene Formen und Ausprägungen annehmen, und es ist nicht zu erwarten, dass es mittelfristig ein zentrales interoperables Metaverse geben wird. Unklar ist zudem, ob es eine zentrale Instanz im Metaverse geben wird, die Standards definiert. Die sog. Distributed-Ledger-Technologie als Grundansatz hinter bspw. Blockchain-Anwendungen ist die Umsetzung einer dezentralen Verwaltung. Das „verteilte Hauptbuch“ (Beschreibung der Technik, wird auch zur Dokumentation von Transaktionen genutzt) liegt auf vielen Servern. Änderungen werden über einen Konsensmechanismus von allen beteiligten Instanzen bestätigt und gespeichert.1124 Große Unternehmen der Digitalwelt forcieren die zentrale Standarddefinition. Neue Player des Web3.0 präferieren die dezentralen Strukturen

1121 Lee et al., (Metaverse), 2022, S. 1. 1122 Vgl. Riedel, (Metaverse), 2022, S. 35. 1123 Vgl. Schlögel et al., (Metaverse), 2022, S. 68. 1124 Vgl. O. V., (Reiz des Dezentralen), 2022, S. 14.

Bis 2026 verbringen rd. 25% der Menschen mindestens eine Stunde pro Tag in einer Metaverse-Anwendung, so eine Schätzung vom Marktforschungsinstitut Gartner (Quelle: ASW 08_2022, S. 37).

Bekannte Metaverse-Plattformen sind Roblox, Fortnite, The Sandbox, Decentraland, Anxie Infinity und Zepeto.

966 

 8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung

ohne zentrale Kontrollinstanz. Sie wollen einer neuen Dominanz ausgewählter Plattformbetreiber wie Meta und Google entgegenwirken. Es prägen sich dabei verschiedene beschreibende Eigenschaften heraus, die bereits heute Metaverse-ähnliche digitale Welten entstehen lassen. Diese Plattformen sind permanent zugänglich und können von Menschen, die sich mittels frei gestalteter Persönlichkeiten und Avataren einbringen, in Echtzeit besucht werden. Interaktionen finden in funktionierenden ökonomischen Systemen statt. Der immersive Ansatz kombiniert echte und digitale Welt und bietet unbegrenzte Inhalte und Erfahrungen.1125 Mögliche Anwendungsszenarien für Unternehmen und Organisationen sind bisher noch nicht in Gänze absehbar. Verschiedene erste Ansätze prägen sich heraus. Eine Vielzahl möglicher Geschäftsmodelle wird erst bei der Etablierung neuer Plattformen oder der Schaffung einer Interoperationalität zu realisieren sein. Bisherige Diskussionen und Ansätze bleiben eng an bekannten Nutzungsszenarien digitaler Technologien. Die Ideen zur wirtschaftlichen Nutzung des Metaverse sind vielfach Erweiterungen bestehender digitaler Geschäftsmodelle um die dritte Dimension mit Nutzung der Immersion für bessere Erlebnisse.1126 Tabelle 8.7 fasst verschiedene Geschäftsmodelle zusammen. Aus Sicht von Marketing und Vertrieb sind alle Arten der Kommunikation und des Verkaufs relevant. Marktorientierte Unternehmen müssen die Entwicklungen der Technologien des Metaverse und die Übernahme der Technologie durch diese aktiv beobachten, um frühzeitig die Chancen zu ergreifen. Da es sich um neue Technologien handelt, schlagen Schlögel et al einen schrittweisen Adaptionsprozess vor:1127 – Inspiration und Kennenlernen des Marktes: aktive Beobachtung der Entwicklungen und erste eigene Erfahrungen machen. – Zugänglichkeit erarbeiten und Partnerauswahl treffen: zum relevanten Zeitpunkt den Einstieg realisieren und schnell Kompetenzen über Partnerschaften aufbauen. – Mehrwerte schaffen: Kundenangebote mit klarem Nutzenversprechen entwickeln, so wird Adaption durch die eigenen Kunden forciert und neue Kunden werden angezogen. – Einbettung ins Unternehmen und das Kanalsystem: schrittweise die Experimentierphase in den Regelbetrieb überführen und Schnittstellen ins Unternehmen bauen.

1125 Vgl. Schlögel et al., (Metaverse), 2022, S. 68 f. 1126 Vgl. Duwe et al., (Metaverse), 2022, S. 16 ff. 1127 Vgl. Schlögel et al., (Metaverse), 2022, S. 71.

8.4 Metaverse als neue Marktoption 

 967

Tabelle 8.7: Mögliche Geschäftsmodelle im Metaverse. Mögliche Metaverse Geschäftsmodelle Geschäftsmodell

Beschreibung

1

E-Commerce von physischen und digitalen Produkten

Im Metaverse kann klassisch verkauft werden. Die virtuelle Welt stellt eine Erweiterung des 2-dimensionalen E-Commerce dar, neue Darstellungsarten verbessern die Produkterfahrungen vor und nach dem Kauf.

2

Hybrider Commerce

Der Avatar probiert Bekleidung im virtuellen Raum, um diese dann physisch zu erwerben.

3

Virtuelles Testing

Digitale Zwillinge von physischen Produkten können reale Erfahrungen für Kunden vor dem Kauf ermöglichen. Produktvorführungen können moderiert angeboten werden.

4

Gaming

E-Games sind in der 2-dimensionalen Welt ein großer Geschäftszweig. Erste Anwendungen mit AR- und VR-Games zeigen die Übertragbarkeit dieses Marktes auf geschlossene und offene Welten des Metaverse. Der Sprung des Nutzungserlebnisse kann je nach Anwendungsfeld bedeutend sein.

5

Verkauf digitaler Ausstattung zur Nutzung der virtuellen Welt

Um eigene Avatare besser auszustatten, können bspw. virtuelle Kleidung und / oder Ausrüstungsgegenstände verkauft werden.

6

Kostenpflichtige Metaverse Erlebnisse

Besondere digitale Experiences werden gegen einen Eintrittspreis erlebbar.

7

Events

Physische Events können ins Digitale verlagert werden. Es können hybride Events geschaffen werden. Auch rein virtuelle Events sind bereits heute Realität, durch AR und VR wird das Erlebnis erweitert.

8

Kultur

Das Metaverse bietet gänzlich neue Kulturwelten, die mit digitaler Kultur immersive Erlebnisse für Kunst- und Kulturinteressierte ermöglichen.

9

Dating

Erweiterung der Interaktionsmöglichkeiten durch Nutzung von AR und VR Anwendungen, Sicherheit und Anonymität ist gewährleistet.

10

E Learning und Schulung

Die Immersion der virtuellen Welten kann Lernerfahrungen auf neue Art transportieren. Grenzüberschreitende Weiterbildungsinitiativen können mit mehr Emotion erzeugt werden.

11

Kollaboration

Das gemeinsame Arbeiten an 3D Modellen wird Entwicklungsprozesse beschleunigen. Das gemeinsame Arbeiten in VR Welten wird räumliche Entfernungen weniger relevant werden lassen.

12

Werbung

Unternehmen können innerhalb der Welten Werbung schalten und ausliefern.

13

Telemedizin

Sensoren und weitere Interaktionstechnologien können medizinische Anwendungen ermöglichen.

14

Klassisches Agenturgeschäft

Um im Metaverse als Unternehmen aktiv zu werden, werden spezialisierte Agenturen Beratungs- und Umsetzungsleistungen anbieten.

968 

 8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung

Das Metaverse wird allen Prognosen nach Relevanz für Unternehmen in Marketing und Vertrieb erhalten. Wann und wie ist jedoch noch nicht abzusehen. Das bewusste Beobachten der Entwicklungen und regelmäßiges Testen und Experimentieren ist ein Grundstein für den Aufbau von Expertise. Diese wird für die Entscheidung zur Umsetzung größerer Projekte und Investitionen notwendig sein und Unternehmen die Chance eröffnen, von den Entwicklungen des Metaverse zu profitieren.

8.5 Arbeitskräftemangel in Marketing und Vertrieb begegnen Marketingmitarbeiter werden durch Roboter und Automatisierung ersetzt. Vertriebsmitarbeiter werden durch E-Commerce verdrängt. Vielfach mag man erahnen, dass in Zukunft deutlich weniger Mitarbeiter in den beiden Fachbereichen benötigt werden. Dennoch sind die beiden Fachbereiche weiterhin mit die wichtigsten Arbeitsbereiche für BWL-Studierende und sie nehmen jedes Jahr tausende neue Mitarbeiter auf. Diese weiterhin hohe Nachfrage nach Mitarbeiter für die Fachbereiche trifft zunehmend auf ein kleiner werdendes Angebot an Arbeitssuchenden und Uni- und Hochschul-Absolventen. Allgemein wird der Personalbedarf in Unternehmen ausgelöst durch (1) Ersatzbedarf (Kündigungen, Elternzeit), (2) Neubedarf (Leistungsausweitungen oder Kapazitätsausbau), (3) Mehrbedarf (besondere Fertigkeiten, Experten), (4) Zusatzbedarf (Springer, Vertretungen) und (5) Nachholbedarf (aktuell unbesetzte Stellen, Insourcing). Gerade aus Marketing-Sicht hat die zunehmende Spezialisierung in den digitalen Kommunikationsmitteln eine große Nachfrage nach Experten ausgelöst. Auch die stärker werden de algorithmische und automatisierte Steuerung von Marketing-Aktivitäten löst wieder einen Nachfrage nach Data Analytics- und Statistik-Spezialisten aus. Schwächere Geburtenjahrgänge (Generationen Y und Alpha) können dabei das Ausscheiden der Mitarbeitenden aus starken Geburtenjahrgängen (die vielfach als Generation Boomer bezeichnet werden) nicht mehr ausgleichen. Der seit vielen Jahre prognostizierte demografische Wandel hat die deutsche Wirtschaft und damit auch den Arbeitsmarkt erfasst. Die Wucht der Veränderungen wird zunehmen. Die Höchststände der Beschäftigung (45,125 Mio. erwerbstätige Menschen in 20151128) werden nicht mehr erreicht und eine sinkende Anzahl Beschäftigter wird es schwerer haben, den Wohlstand zu sichern.

1128 Diese und weitere Werte zum allgemeinen Arbeitsmarkt: www.destatis.de.

8.5 Arbeitskräftemangel in Marketing und Vertrieb begegnen 

 969

8.5.1 Zum Umgang mit Arbeitskräftemangel Verschiedene Strategien helfen Unternehmen, dem Fachkräftemangel zu begegnen, da eine kurz- oder mittelfristige Verbesserung des Angebots an Arbeitskräften nicht zu erwarten ist. Tabelle 8.8 listet eine Vielzahl an Optionen auf, mit dem Arbeitskräftemangel umzugehen. Tabelle 8.8: Umgang mit dem Arbeitskräftemangel. Maßnahme

Beschreibung

Work with less people

Die Arbeit muss so organisiert werden, dass mittelfristig mit weniger Mitarbeitenden auszukommen ist. Welche Tätigkeiten sind essenziell, auf welche Tätigkeiten kann verzichtet werden?.

Outsourcing von Tätigkeiten

Können ausgewählte Arbeitsschritte über Dienstleister erbracht werden? Diese müssen nicht einmal zwingend in Deutschland ansässig sein, andere Regionen der Welt (Asien) haben ein Überangebot an qualifizierten Arbeitskräften.

Flexibilisierung der Mitarbeiter

Wenn Mitarbeitende ein größeres Fähigkeitenspektrum besitzen, können sie vielfältiger eingesetzt werden, wo gerade Arbeit anfällt.

Upskilling

Um mehr Flexibilisierung aber auch Leistungsfähigkeit bei den Mitarbeitenden zu haben, muss eine zielgerichtete Aus- und Weiterbildung stattfinden.

Reduzierung des Arbeitsaufwands

Tätigkeiten können im Umfang reduziert werden. Viele Reporting-Tätigkeiten sind bspw. deutlich komplexer geworden, da mehr granulare Daten verarbeitet werden – kann dieser Aufwand schrittweise reduziert werden?.

Healthy Disengagement

Wie können Ressourcen befreit werden, indem bestehende Aktivitäten reduziert oder gar eingestellt werden? In nicht leistungsfähigen Geschäftsfeldern sind viele Mitarbeitende tätig, die gewinnbringender in neuen Geschäftsfeldern eingesetzt werden können.

Mitarbeiterbindung

Wenn es schwerer wird, neue Mitarbeiter zu finden, kann die zielgerichtete längere Bindung und Betriebszugehörigkeit ein Baustein sein. Werden jungen Mitarbeitenden ausreichend Entwicklungsmöglichkeiten geboten, werden Sie dem Unternehmen länger die Treue halten.

Automatisierung im Office-Umfeld

RPA / Robot Process Automation ist eine Möglichkeit, auch Bürotätigkeiten teilweise zu automatisieren. Bots erledigen vorab festgelegte Arbeitsschritte eigenständig, und rd. 80% von Routinetätigkeiten können damit aus der menschlichen Bearbeitung eliminiert werden.

Unternehmen werden mit vielen dieser Optionen Erfahrungen machen müssen. Die einzelne Maßnahme wird nicht ausreichen, der absehbaren Knappheit an Mitarbeitenden zu begegnen.

970 

 8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung

8.5.2 Upskilling und Capacity Building

Der Wandel zu einer CO2-freien Wirtschaft braucht Experten im nachhaltigen Wirtschaften - die Job-Opportunity der 2020-er Jahre!

Aktuelle Kenntnisse und vielfältige Fähigkeiten sind der Schlüssel für engagiertes Arbeiten und die Möglichkeiten, ein Unternehmen marktorientiert und krisensicher zu führen. Der Aufbau der Fähigkeiten besitzt dabei besondere Bedeutung, da die Entwicklung der Mitarbeiterschaft quasi ein berufs-lebenslanges Lernen aus Sicht der Unternehmen bedeutet. Der englische Begriff des „Capacity Building“ bringt dabei die Fähigkeiten-Ausbildung passend zum Ausdruck. Mitarbeiter auf allen Ebenen – von Top Level-Führungskräften bis hin zu Mitarbeitern in operativen Bereichen – benötigen die heute und morgen gefragten Fähigkeiten, um den Unternehmenserfolg abzusichern und für die Zukunft zu entwickeln. Insbesondere in kundennahen Bereichen sind Fähigkeiten der Mitarbeiter ein Schlüssel für Markterfolg. Mitarbeiter im Verkauf stehen als direkter Kontakt zum Kunden in vorderster Verantwortung und benötigen eine zielgerichtete Unterstützung durch Aus- und Weiterbildung.1129 Mitarbeiter mit Kundenkontakt sind wichtige Impulsgeber für neue Lerninhalte, da sie die Bedürfnisse und Interessen der Kunden genau kennen. Die Individualisierung von Lerninhalten ist ein bereits seit vielen Jahren zu erkennender Trend. Spezifisches Wissen in kleinen Einheiten sorgt für eine permanente Weiterbildung. Der Begriff des hybriden Lernens hat sich aus dem Blended Learning entwickelt und bringt zum Ausdruck, dass unterschiedliche Lernformate angeboten werden. Mitarbeiter im Außendienst können sich in ihren Reisezeiten über Podcasts neue Kenntnisse aneignen. Digitalmanager nehmen an offenen Webinaren und spezifischen E Learning-Angeboten teil. Führungskräfte bauen ihre Fähigkeiten im Rahmen von 2 -tägigen vor Ort-Workshops aus. Die Vielfalt der unterschiedlichen Ausgangssituationen hat zu einer deutlich gestiegenen Anzahl an Lernangeboten geführt. Neben den formalen Lernangeboten wird auch verstärkt auf informales Lernen Wert gelegt. Der 70/20/10-Ansatz fußt auf 70% Lernen-on the Job, 20% bewusstes gemeinsames Lernen (bspw. durch Mentoring / Reverse Mentoring, gemeinsame Projektgruppen, interne Vorträge  &Schulungen) und auf 10% klassischem Lernen (Seminare, Aus- und Weiterbildungen). So wird Lernen fest im Tagesablauf der

1129 Vgl. Deimund et al., (Sales Growth Winner), 2018, S. 5.

8.5 Arbeitskräftemangel in Marketing und Vertrieb begegnen 

 971

Mitarbeitenden verankert und sorgt für eine Sicherstellung der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit.

8.5.3 Diversity Management Diversity Management lässt sich als Wertschätzung und Einbeziehung der Vielfalt beschreiben. Unternehmen berücksichtigen eine diverse Mitarbeiterschaft, die sich in vielen Kriterien unterscheiden kann:1130 – Biologische Vielfalt, – Soziale Vielfalt, – Kulturelle Vielfalt, – Vielfalt der Charaktere, – Vielfalt der Talente, – Vielfalt der Lebensentwürfe, – Vielfalt des Denkens und Handelns. Die Charta der Vielfalt fasst Chancen und Herausforderungen passend zusammen: „Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Vielfalt. Eine zunehmend vernetzte Welt lässt uns zusammenrücken. Zwar unterscheiden wir uns nach Herkunft und Kultur, nach Alter, Geschlecht und geschlechtlicher Identität, Sexueller Orientierung und Identität, nach Glaubensrichtungen und Weltanschauungen sowie nach unseren physischen und psychischen Fähigkeiten. Doch so unterschiedlich wir sind, so groß sind auch die Gemeinsamkeiten.“1131 Die Charta der Vielfalt unter der Schirmherrschaft des Bundeskanzlers setzt sich für die bewusste Anerkennung der Unterschiede in der Gesellschaft ein und versucht, Chance, die aus Vielfalt entstehen, zu generieren. Auf dieser Basis entwickelt sich ein Managementansatz, der Diversität in den Mittelpunkt stellt. Auch dies ist eine Möglichkeit, auf den Arbeitskräftemangel zu reagieren. Offene Arbeitsstellen können nachbesetzt werden. Inklusivität sorgt für vorurteilsfreies Miteinander in vertrauensvoller Zusammenarbeit. Mit Diversity Management werden unterschiedliche Chancen in Verbindung gebracht. Tabelle 8.9 listet wesentliche Vorteile und Chancen auf:

1130 Vgl. Becker, M., (Diversity), 2016, S. 175. 1131 Online unter https://www.charta-der-vielfalt.de/diversity-verstehen-leben/diversity-management/.

972 

 8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung

Tabelle 8.9: Chancen durch Diversity Management. Chance

Beschreibung

1

Attraktivität als Arbeitgeber steigt

Inklusive und divers-sensible Arbeitgeber sprechen eine größere Anzahl an Bewerbern an.

2

Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit

Das Zusammenspiel unterschiedlicher Fähigkeiten, Erfahrungen und Herangehensweisen sorgt für Wettbewerbsfähigkeit.

3

Geringere Fluktuationsraten

Eine gute und vorurteilsfreie Unternehmenskultur sorgt für sinkende Abwanderungstendenzen bei den Mitarbeitern.

4

Synergieeffekte in der Belegschaft

Das gemeinsame Arbeiten sichert mehr gegenseitige Unterstützung der Mitarbeiter.

5

Erschließung neuer Kundengruppen

Durch die diverse Belegschaft kann das Verständnis für unterschiedliche Kundengruppen durch die jeweiligen Vertreter diverser Gruppen gestärkt werden.

Den vielfältigen Chancen stehen große Herausforderungen gegenüber (Tabelle 8.10): Tabelle 8.10: Herausforderungen von Diversity Management. Herausforderung

Beschreibung

1

Konflikte innerhalb der Gruppen

Konflikte innerhalb und zwischen Gruppen stärker unter dem Aspekt der Unterschiede betrachten.

2

Diskriminierung

Die bewusste Förderung bisher benachteiligter Gruppen kann ihrerseits wieder zur Diskriminierung der bisher bevorzugten Gruppen oder auch weiterer Gruppen führen.

3

Kommunikationsprobleme

Die Integration anderssprachlicher Mitarbeiter im Unternehmen kann zu Missverständnissen und Sprachproblemen bei der Zusammenarbeit führen.

4

Ablehnung

Die Förderung von Vielfalt kann bei ausgewählten Mitarbeitern zu Skepsis und Ablehnung führen.

5

Unterschätzung des ManagementAufwands

Team-Building und die Einführung und Förderung von Diversity Management ist eine wichtige Aufgabe für verantwortliche Führungskräfte.

Zur Einführung eines bewussten Diversity Managements ist die Sensibilisierung der Führungskräfte und der gesamten Belegschaft einer der ersten Schritte. Das sog. DEI Training (Diversity, Egality, Inclusion) kombiniert verschiedene Elemente, die für eine zukünftig inklusive Gestaltung des Unternehmens unverzichtbar sind. Verschiedene Zielsetzungen eines DEI-Trainings lassen sich identifizieren und sind in Abbildung 8.12 zusammengefasst:

8.5 Arbeitskräftemangel in Marketing und Vertrieb begegnen 

 973

Trainingsfokus: Grad der Spezifität spezifisch generell

Trainingsziel: Grad der Verarbeitungstiefe gering Informierengenerell

mittel Sensibilisieren generell

hoch Verändern generell

Bspw: Umsetzung des AGG im Alltag

Bspw: Unconscious Bias Training

Informierenspezifisch

Sensibilisieren spezifisch

Bspw: Faire Personalauswahl trainieren Verändern spezifisch

Bspw: Zielkulturschulung für Expatriats

Bspw: Interkulturelles Sensitivitätstraining

Bspw: Altersgerechtes Führungsverhalten

Abbildung 8.12: Ziele des Diversitätstrainings.1132

Aus der Analyse und Untersuchung unterschiedlicher Diversitätstrainings leiten Creon und Schermuly Empfehlungen ab, wie generelle und spezifische Trainingsformate zu den gewünschten Effekten für Unternehmen führen:1133 – Diversitätstrainings müssen in bestehende Diversitätsprogramme eingebettet sein, um einen entsprechenden organisationalen Rahmen zu besitzen. – Ein Diversitätstraining darf nicht zur Illusion führen, dass damit Gerechtigkeit im Unternehmen hergestellt wird. Bestehende Diskriminierung muss bewusst auch weiterhin adressiert werden – Alle Ebenen des Unternehmens müssen Diversitätsbemühungen unterstützen, nur dann können Diversitätstrainings die gewünschten Effekte entfalten. – Stereotypenbildung vermeiden: Diversitätstrainings legen Unterschiedlichkeiten offen, die jedoch nicht zur weiteren Verfestigung von Stereotypen führen dürfen. Sie sollten die Hinterfragung als Ziel haben. – Wecken intrinsischer Motive: Zwang führt zur Verweigerung. Der Appel an eigene Motive führt zu größerer Bereitschaft, sich mit Diversität zu beschäftigen. Je mehr Verarbeitungstiefe angestrebt wird und je spezifischer die Zielsetzungen sind, desto intensiver sollten die Trainingsbemühungen ausfallen. Für eine reine Information reichen kurze Formate, an denen 1132 Quelle: Creon / Schermuly, (Diversitätstraining), 2019, S. 363. 1133 Vgl. Creon / Schermuly, (Diversitätstraining), 2019, S. 373 f.

974 

 8 Zukunft der marktorientierten Unternehmensführung

Mitarbeiter auch nur passiv teilnehmen können (bspw. E Learning). Je komplexer die Zielsetzungen werden, desto intensiver fallen die Trainings aus. Mehrere Tage und aktive Interaktionsformate sind passende Trainingsansätze.

So hat die marktorientierte Unternehmensführung längst die Grenzen des konventionellen Marketing gesprengt. Marketing und Vertrieb sind auf neue Denkhaltungen und Innovationen angewiesen. Sie müssen sich als Erfolgstreiber in einem sich beschleunigt ändernden sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und ressourcensensiblen Umfeld bewähren. Dieses Buch möchte Richtungen und Strategien hierzu aufzeigen.

Kompetenzfragen Anhand der folgenden Fragen können Sie ihr Marketing- und Vertriebswissen überprüfen. Die Fragen bilden eine Mischung aus theoretischen Grundlagen und den modernen Strömungen unseres Faches. Die Neuerungen kommen (und gehen) oftmals so rasch, dass man im Stress der Praxis kaum selbst in der Lage ist, alle Entwicklungen anhand von Fachbüchern, Zeitschriften und Kongressen etc. zu verfolgen. Aktuelle Strömungen sind für Sie gesichtet und in der Form von 100 Fragen aufbereitet. Lösungshinweise mit den Seitenverweisen finden Sie auf der Webseite von Torsten Spandl: www.torstenspandl.com. Und nun geht´s los! Viel Spaß mit den Fragen Die Kompetenzfragen: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20.

Bitte grenzen Sie Sachgüter, Dienstleistungen und Services voneinander ab! Bitte ergänzen Sie ein wichtiges Wort der Werbeerfolgsforschung: gestützte .... Welche Bedeutung hat diese Kennzahl? Aus welchen drei großen Bereichen besteht CRM? Was bedeutet PIMS, und was ist die strategische Bedeutung dieses Ansatzes? Beschreiben Sie min. 5 mögliche Geschäftsmodelle, die im Metaverse vorstellbar sind! Was versteht man unter Lead Progression Management? Bitte geben Sie min. 3 Beispiele, wie Lead Progression Management umgesetzt wird! Was ist der Unterschied zwischen strategischen und dem operativen Marketing? Erläutern Sie bitte den Aufbau der Kundensegmentierung nach den Sinus-Milieus. Was ist Permission Marketing? Worin besteht der Unterschied zwischen den SR- und den SOR-Kaufverhaltenstheorien? Welche Chancen bietet Diversity Management für Unternehmen? Welche Arten von Kundentreue (Kundenloyalität) werden unterschieden? Stellen Sie grafisch den theoretischen Verlauf einer Werbewirkungsfunktion dar. Welche 4 Kategorien an Kennzahlen werden im Marketing-Controlling unterschieden? Bitte beschreiben Sie die neuen Ebenen der Wettbewerbsdimensionen im HyperWettbewerb! Was ist das Flywheel und wie kann man es in Beziehung zum Single / Double Vertriebszyklus setzen? Bitte beschreiben Sie die Phasen einer Kommunikationskonzeption nach Schmidbauer / Knödler-Bunte! Was versteht man unter Customer Equity? Wie ist der Zusammenhang mit dem Kundenstamm? Was besagen die idealen Kundenpositionen bei der Produktpositionierung? Beschreiben Sie den Markeneisberg von icon zur Messung der Kraft einer Marke.

https://doi.org/10.1515/9783110787771-009

976 

21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52.

 Kompetenzfragen

Was bedeutet ein Service-Level von 90/20/10? Was heißt Churn und was sind die Aufgaben des Churn-Management? In welche Bereiche unterteilt man die Vertriebspolitik? Welche Budgetierungsmethoden für den Werbeetat bestehen? Zeigen Sie den Weg der Vertriebssteuerung von der Zettelwirtschaft bis zu CRM auf. Effizienz bedeutet ..... und Effektivität ..... Was ist das entscheidende Merkmal von Datamining? Welche betriebswirtschaftliche Bedeutung haben ERP-Systeme? Bitte beschreiben Sie den PESTEL-Ansatz und die Umsetzung mittels der ImpactMatrix! Welche Erfolgsfaktoren bestimmen die Qualität von Kundenbesuchen? Was besagt die AIDA-Formel? Wie hoch ist die Preiselastizität d. Nachfrage beim Prohibitivpreis und bei der Sättigungsmenge? Was ist eine Prozessorganisation und wie grenzt sie sich von anderen Organisationsformen ab? Bitte beschreiben Sie für jedes der vier Elemente des Marketing Mix jew. min. 3 beispielhafte Maßnahmen zur nachhaltigen Gestaltung! Welche drei Arten von Produktanforderungen unterscheidet Kano? Was ist das Awareness Set? Was ist im Vergleich dazu ein Evoked-Set? Welche Bedeutung besitzen Trigger für das Kampagnenmanagement? Was bedeutet Line Extension? Wie lässt sich diese Strategie in das Produktmanagement integrieren? Was ist der Unterschied zwischen horizontaler und vertikaler Preisdifferenzierung? Welche drei Formen der Kundenbindung werden unterschieden? Welche drei Ebenen werden bei der Integrierten Kommunikation betrachtet? Beschreiben Sie die Intensitäten einer Zusammenarbeit beim Key Account Management. Beschreiben Sie die Grundidee des Value Marketing. Bitte beschreiben Sie min. fünf konstituierende Merkmale von Dienstleistungen! Welche vier Leitprinzipien hat Meffert als Weiterentwicklung der Marktorientierung entwickelt? Was besagen die folgenden Effekte: Veblen-Effekt, Snob-Effekt, Mitläufer-Effekt? Welche vier Felder des Geschäftsfeldportfolios unterscheidet die BCG-Matrix? Beschreiben Sie die Eskalationsstufen eines Help Desk Systems. Welche Anforderungen müssen Marktsegmente erfüllen, damit Sie sinnvoll verwendet werden können? Was versteht man unter Brand-Licensing? Welche Dimensionen zur Ziel-Konkretisierung werden unterschieden (Merkmale eines Zieles)? Was ist eine ABC/XYZ-Analyse und wie setzt man sie um?

Kompetenzfragen 

53. 54. 55. 56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63.

64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. 71. 72. 73. 74. 75. 76. 77. 78. 79. 80. 81. 82. 83.

 977

Bitte beschreiben Sie min. fünf Zielsetzungen, die Unternehmen mit Multi ChannelAnsätzen verfolgen! Was bedeutet das Residenzprinzip? Was das Domizilprinzip? Wie lauten die fünf Schalen des Zwiebelschalenmodells eines Produktes? Welche Aufgaben hat BPM in Marketing und Vertrieb? Nennen Sie mindestens drei Ansätze zur Messung eines Markenwertes. Welche Markentypen werden im Preis-/Qualitätsspektrum unterschieden? Bitte beschreiben Sie die vier Felder des Lead-Portfolios! Welche Phasen hat ein Verkaufsgespräch? Wie unterscheiden sich Public Relations und Öffentlichkeitsarbeit von klassischem Marketing? Welche Bedeutung hat OLAP für das analytische CRM? Welche Rolle spielt die Marketing-Abteilung bei den unternehmerischen Grundorientierungen gegenüber Kunden und Wettbewerbern bzw. in den sechs historischen Phasen des Marketing? Wie lauten die vier Marktstrategien im Ansatz von Ansoff? Bitte beschreiben Sie den Markennutzen für Käufer und Anbieter! Welche Arten von Retail Media haben sich etabliert? Warum ist Retail Media eine interessante Werbeoption? Was zeichnet eine kundengetriebene Unternehmung aus. Beantworten Sie die Frage bitte im Sinne des Triadenkonzeptes des Marketing? Welche Faktoren bestimmen über die transaktionale Kundenzufriedenheit? Nennen Sie die acht W-Fragen zur Marktanalyse! Nennen Sie fünf Informationen, die in einer Kundenhistorie festgehalten werden sollten. Was ist ein Affinitätsindex? Welche vier Marktstrategien ergeben sich aus der Porter-Matrix? Aus welchen vier Perspektiven (Dimensionen) ist eine Balanced Scorecard aufgebaut? Welche Kundengruppen werden in der Adoptions-/Diffusionstheorie (-kurve) unterschieden? Nennen Sie 5 Hauptaufgaben eines Produktmanagers. Wieso kann in einer Angebotsbewertung mit Hilfe einer Nutzwertanalyse auch ein teureres Angebot den Zuschlag erhalten? Preispolitik im elastischen Bereich einer PAF: Preise erhöhen oder senken? Was ist die Idee des Closed Loop? Was ist der Unterschied zwischen aktiver und reaktiver Positionierung? Was ist der Unterschied zwischen einem Panel und einem Tracking? Was ist ein 1000er-Kontaktpreis? Was ist der NPS und wie wird er gemessen und berechnet?! Welche Ebenen der Nutzenpyramide von Maslow gewinnen an Bedeutung, welche verlieren?

978 

84. 85.

 Kompetenzfragen

Welche Anpassungen kann Ethno-Marketing-Vornehmen? Wie unterscheiden sich strategische und operative Planung? Bitte benennen Sie min. drei Argumente oder Elemente je Planungsansatz! 86. Aus welchen Bausteinen bestehen erfolgreiche CRM-Konzeptionen (House of CRM)? 87. Was sind die fünf Elemente der Marktorientierung? 88. Welche grundlegenden Prinzipien kennzeichnen Social Media-Angebote aus? 89. Welche vier Arten von Alleinstellungen (einzigartige Angebotspositionen) werden unterschieden? 90. Bitte beschreiben Sie den Strategiebaukasten nach Becker. 91. Skizzieren Sie das Grundmodells (Marktspielregeln) der Konsumgütermärkte mit den Push- und Pull-Strategien! 92. Warum wird Werbeverweigerung ein immer größere Herausforderung und wie müssen Unternehmen darauf reagieren? 93. Was ist der Unterschied zwischen einer Pilot-Phase und einem Pretest? 94. Was bedeuten die Abkürzungen VUCA und BANI und welche Relevanz haben Sie für die Unternehmensführung? 95. Was versteht man unter dem GRP? Welche Bedeutung besitzt er und wie kann er berechnet werden? 96. Welche Arten von Kundenclubs lassen sich unterscheiden? 97. Wie ist die Markenbekanntheitspyramide nach Aaker aufgebaut? 98. Welches sind die maßgeblichen Vor- und Nachteile von Printwerbung? 99. Beschreiben Sie die wesentlichen Vorteile und Nachteile eines Key Account Managements (KAM)? 100. Was besagt der Expansionspfad des Marketing?

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Register 1st Level Support 344 1to1-Marketing 49, 51 4I-Leitprinzipien 930 5 Forces 143 7P 86 ABC/XYZ-Analyse 534, 539 ABC-Analyse 209, 296, 533–534, 536–538, 541, 546, 616 Ablauforganisation 180, 182, 185–186, 492–493, 520 Absatzform 467 Absatzhelfer 467, 623, 626, 628 Absatzmittler 52, 430, 467, 511, 631 absatzpolitisches Instrumentarium 83, 467, 469 Absatzpotentialverfahren 487 Absatzsegmentrechnung 218 Absatzwegepolitik 65, 89, 468, 613–614 Abschlusstechnik 571–572 Added Value 9, 281, 310, 340, 376, 697 Adressenanbieter 880 Advertorial 809, 838 Affektion 671 Affiliate Werbung 849, 875 Affiliate-Marketing 557 Affinität 46, 588, 786–787 Affinitäts-Index 785–786 After Sales 342, 519, 630, 908 Agenturvertrieb 628 AIDA-Verkaufsformel 566 Akquisition 89, 514, 521 Akquisitionsphase 37, 441 akquisitorisches Potenzial 389 Akronyme 735 Alliterationen 736 Ambient Media 814, 816 Ambiguity 933 Angebotsmonopol 383 Angebotspreis 374, 382, 386, 389, 393, 395–396, 398, 402 Ankereffekt 963 Anlagenbau 98, 312, 341, 381, 492, 554 Anlagengeschäft 8, 825 Anwender 20, 481, 507, 509, 578, 585 Anxious 933 App 417, 619, 861–862, 907 Arbeitskräftemangel 968–969, 971 https://doi.org/10.1515/9783110787771-011

Arbeitslastverfahren 486, 488–489 arithmetisches Mittel 267 Attribution 783 Attributs-Segmentierung 41, 43, 47 Audiowerbung 803, 805–807 Aufmerksamkeitsdilemma 666 Auftragsabwicklungssystem 493 Augmented Reality Medien 881 Auktion 4, 392, 609, 820 Außendienst 17, 65, 67–68, 116, 125, 176, 180, 182, 185, 197, 205, 211, 218, 296, 342, 353, 419, 452, 463, 467–468, 473, 478–487, 489, 494, 503–504, 538, 544, 555, 559, 571, 574–575, 577, 590, 594–596, 600–601, 611, 615, 620, 623, 627–628, 665, 881, 896, 902, 911, 970 Außendienstbesuch 558 Außendienst-Management 211, 218, 296, 489, 494, 538, 570–571, 594, 596 Außendienststeuerung 464, 494, 511, 757 Außenwerbung 666, 724, 793, 814–818 Ausstellungen 521, 724, 819–820, 823, 826–827, 830, 839 Autofinanzierung 459 Automated Selling 951 Automaten 474 Automatisierung 324, 340, 484, 608, 968–969 Avatar 964, 967 B2B2C 14, 95, 470, 616, 624 Backloading 770 Backoffice 483, 501, 560, 612, 615, 901 Balanced Scorecard 219–222 Bandwagon-Effekt 379 BANI 933–934 Banner 598, 761, 856–858, 860 Bannerwerbung 796, 849, 856–857, 859–861 BANT 524 Barrieretypen 406 Battle Royal 965 BCG-Matrix 161, 543 Beanstandungen 172, 353, 493, 561, 574, 590–591, 593, 605 Bedarf 1–2, 4, 14, 16, 66, 269, 453, 526, 545, 554, 556, 567, 813 Bedürfnis 1–2, 4, 10, 23, 46, 277, 287, 290, 526

1000 

 Register

Bedürfnisse 2–3, 5, 16, 23, 33, 49, 69, 83, 86, 111, 144, 277, 290, 293, 326, 586, 611, 618, 630, 688, 764, 793, 922, 970 Beeinflusser 20 Befragung 45, 232–235, 237, 239, 244–246, 247–249, 256, 259, 318, 439, 446, 450, 453, 455, 476, 674 Befragungsexperiment 237 Bekanntheitsgrad 92, 105, 694, 699 Belastungskoeffizient 211 Benchmarking 206, 215–218, 928–929 Benchmark-Zielvorgaben 453 Beobachtung 231, 237, 239, 438, 519, 549–550, 966 Beobachtungsexperiment 237 Berichtssysteme 574 Beschwerdemanagement 350, 493, 504, 568, 576, 590–593, 897 Besucherbefragungen 825 Besuchsberichte 485, 506, 573–576 Besuchshäufigkeiten 489, 557 Besuchsplanung 463, 558, 560 Besuchstermine 473, 558, 560, 900 Besuchstouren 557–558 Betriebstypendynamik 634, 640 Bewegtbildwerbung 797–798, 801–803, 842 Beziehungszufriedenheit 443 Bezugsgruppen 30 Bietvorgang 858 Big Data 51, 223, 466 Bindungsursachen 458 Blog 847 Blogs 437–438, 601, 715, 840, 866 BOFU 527, 529 Bonus 200, 366, 418, 421, 460 Bookmarking 866, 868 Boston Consulting Group 54, 154, 156 Botschaften 89, 325–326, 329, 431, 569, 663–667, 672–674, 677, 699, 710, 712, 719–720, 728, 744–745, 749, 760, 767–768, 771, 787, 797–798, 802–804, 812, 843, 847, 883, 902, 914, 923, 931, 963–964 Bounces 895 Brainstorming 307, 309 Branchenführer 216, 359 Brand Equity 692, 699 Brand Extension 708 Brand Licensing 712 Brand Value 692

Branding 61, 68, 94, 327, 676–677, 679–681, 685–686, 702, 709, 780, 803, 813, 914–915, 917 Brand-Licensing 714 Break Even Analyse 396 Break Even Punkt 387 Briefing 759–760 Brittle 933 BSC 219–220, 222 BtoBtoC 14, 616, 624 Budget 90, 93, 104, 115, 127, 170, 256, 275, 524, 710, 712, 746, 772, 777–778, 780–782, 795–796, 845, 855 Business Intelligence (BI) 205, 217, 273, 496, 503, 545 Business Mission 109, 111–112, 120 Business Model Canvas 107–109 Business Process Management (BPM)  75, 495 Business-to-Business 13 Business-to-Consumer 13, 95 Buying Center 19–20 Buying-Center 19, 42, 98, 562 Call-Center 66, 217, 273, 463, 468, 473, 494, 504, 521, 586, 603, 615, 880–881, 896–897, 899–901 Capacity Building 970 Carry over Effekt 789 Carry-over-Effekt 93, 789 CAS 135, 180, 218, 452, 483, 494, 496, 499, 545, 928 Category Killer 635 Category Management 647–648 C-D-Paradigma 444 Champions 925 Chancenpotential-Portfolio 546 Change-Management 304, 498 Charisma 197, 910 Chat Bot 343 Cheerleader Effekt 963 Chief Marketing Officer 59, 62 Chief Sales Officer 67 Choice Set 24 Churn-Management 594 CI 114, 327, 465, 655, 657–658, 823, 902 Claim 49, 329, 702, 711, 719, 734, 736, 738, 747 Click-through-Rate 215 Closed Loop 273–274, 501, 503–504, 768, 829, 883

Register 

Closing 562, 567, 571, 744 Clusteranalyse 258, 269 CMO 62 Co-Branding 914 Cold Calling 898 Collaboration 440, 610 Commitment 697 Communities 59, 437, 440, 501, 601, 604, 611, 689, 715, 866, 868 Complexity 933 Computer Aided Selling (CAS) 135, 180, 218, 494, 496, 499, 545, 928 Confrontation Matrix 136 Consideration Set 24 Consumer Benefit 747 Content Marketing 667, 675, 750–754, 840, 847, 876, 893, 922 Controlling 61–63, 66, 115, 154, 174, 188–189, 202–208, 211, 215, 218, 222, 230, 296, 310, 316–317, 321, 355, 425, 495, 497, 509, 522 Convenience-Goods 7, 474 Conversational Commerce 951 Conversion 215, 522, 783, 845, 895, 908 Cookies 604, 842, 859, 869 Copy Strategie 671, 746, 748–749 Copy-Strategie 746, 773, 776 Corporate Culture 90, 730 Corporate Design 90, 327, 657, 730, 744 Corporate Identity 58, 90, 114, 331, 659, 726, 728–731, 796, 821, 823, 832, 902 Corporate Publishing 724, 757–758, 808–809, 921–924 Corporate Publishing (CP) 724, 757–758, 808–809, 921–924 Cost-per-Mill 214 Coupon 879–881, 888, 908 Couponing 906–907 Coverage Matrix 616, 618 CPC 215, 845 CPM 214, 845 CPO 845 Created Media 667, 847 CRM 58, 61–62, 67–68, 72, 75, 109, 135, 180, 200–201, 205, 208, 217–218, 272–273, 275, 317, 342, 429, 431, 436–437, 439, 452, 462–463, 465, 469, 480–481, 483, 492, 494–510, 513,

 1001

528, 545, 552, 570, 573–575, 593, 598, 611, 616–618, 757–758, 824, 928, 950–951 CRM-Integrationsmatrix 507 Cross-Selling 335, 342, 422, 462, 499, 528, 552, 555–557, 561, 584 Cross-Selling-Potenzial 552 CSO 67 CSR 72, 112, 115, 119 Customer Care 988, 992 Customer Equity (CE) 533–534, 550 Customer Experience Management 953 Customer Journey 24–25, 51, 465–466, 620, 783, 810, 950, 952–954 Customer Lifetime Value (CLV) 534, 539 Customer Relationship Communication (CRC) 745, 757–758 Customer Relationship Management 433, 495–496 Customer Relationship Management (CRM)  58, 61–62, 67–68, 72, 75, 109, 135, 180, 200–201, 205, 208, 217–218, 272–273, 275, 317, 342, 429, 431, 433, 436–437, 439, 452, 462–463, 465, 469, 480–481, 483, 492, 494–510, 513, 528, 545, 552, 570, 573–575, 593, 598, 611, 616–618, 757–758, 824, 928, 950–951 Customer Touchpoints 507 Customer Value (CV) 107, 462, 534, 550 Customer-Focus-Programm 452 Customer-Relationship Marketing 495 Cyber Shops 643 D2C 13, 95–96, 420, 497, 601, 616, 653–654 Dachmarkenstrategie 705–706 Data Mart 270–271 Data Warehouse 135, 270–272, 500, 503, 573, 928 Database 134, 223, 269–271, 275, 494, 499, 504, 540, 596, 878, 880 Database-Marketing 270, 494, 499, 540, 880 Datamining 272–273, 500, 505 Datenbank 154, 242, 269–270, 496, 504, 521, 758, 888, 952 Deckungsbeitrag 115, 170, 209, 218, 359, 387, 393, 396, 398–399, 402, 421, 533, 645, 647, 826, 890, 892, 900 Delphi-Technik 175 Demand Side 857–858 Depotsystem 628

1002 

 Register

Design 10, 90, 263, 289–290, 293, 303, 306, 312, 322–327, 410, 514, 657, 711, 730, 755, 777, 839, 850, 861, 908 Design-Management 306, 323, 325 Detraktoren 455 Devices 78, 473, 509 Dialogmarketing 50, 757, 792, 880–882, 884, 896, 910 DIBABA-Formel 567 Dienstleistungen 5–10, 14–15, 49, 65, 70, 74, 79, 85, 87–88, 98–99, 111, 116, 120, 218, 229, 241, 277–279, 285, 292–293, 303, 323, 333–335, 337–343, 345–349, 360, 382, 392, 409, 429, 468, 499, 518, 590, 607, 641, 676, 686, 694, 728, 789, 799, 819, 822, 851, 875–876, 896, 913, 941 Diffusion 300, 306, 313–314, 324 Diffusionstheorie 31 Digital Signage 815 Digitale Messe 612–613 Digitalisierung 39, 47–48, 55, 59–60, 75–77, 79–80, 114, 128, 223, 316, 425, 433, 440, 463–466, 473, 479, 485, 494, 615–616, 619, 666, 716, 803, 810, 814–815, 817–818, 826, 916, 930–931, 934, 937, 939 Direktansprache 674, 880–882, 884, 886–887, 897 Direktgeschäft 95, 126, 356 Direktmarketing 460, 473, 494, 518, 544, 552, 578, 862, 864, 879–881, 883–884, 886, 888, 890–893, 895–896, 898, 907 Direktnachricht 892, 895 Direktvertrieb 13–14, 16, 273, 433, 464, 469–470, 601 Direktwerbung 90, 98, 725, 793, 878, 880–883, 910, 912 Diskontinuitäten 123, 174, 180, 286, 295 Diskriminanzanalyse 258, 269 Displaywerbung 845, 857, 861, 917 Distanzprinzip 467, 622 Distinktkonsum 326 Distributionsfilter 625 Distributionspolitik 87–89, 426–427, 429, 432, 511 Distributionsrate 209, 213, 429 Diversifikation 148, 301, 948 Diversity 47, 971–972 Dollar Eyes Effekt 963 Domizilprinzip 467, 472, 622 Double Loop 513, 516, 518–520

Dreiklang erfolgreicher Produkte 298–299 Dumping 400 dynamischen Preistheorie 411 E Commerce 4, 65, 70, 80, 95, 274, 360, 464, 466, 474, 553, 600, 602–603, 606, 608, 613, 615, 653, 916, 967–968 Earned Media 846 E-Business 68 E-Commerce 410, 463–464, 474, 484, 556, 586–587, 598–602, 605, 607, 609, 622 ECR 72, 462, 647–650 eCRM 496, 598 EDI 460, 603, 620, 650 EDIFACT 650 Effizienz 115, 125, 163, 182, 201, 205, 216, 242, 312, 317, 465, 499, 532, 549, 600, 612, 640–641, 651, 666, 777, 786, 825, 929 Eigenmarken 686 Einkäufer 16, 20, 80, 97, 264, 340, 388, 401–402, 408, 434, 439, 444, 476, 561–563, 568–569, 619, 820–821, 910 Einkaufsverbände 16, 631 Einstellungen 33–34, 43–44, 114, 137, 241, 250, 259–260, 263, 663, 671, 721, 727, 729, 731, 734, 787–788, 858 Einstiegspreise 411 Eintrittsbarrieren 162, 412 Einzelhandel 13–14, 49, 88, 335, 348, 351, 420, 623–624, 630, 634, 636, 638–639, 652–653, 656 Einzelmarkenstrategie 704–705 elastische Nachfrage 372 E-Mail 245, 273, 503, 518, 619, 651, 754, 784, 849, 862–863, 880–881, 885, 892–895, 922 E-Mailing 881, 893–894 Emotionen 16, 33, 89, 97, 513, 671, 682, 687, 691, 703, 710, 721, 741–742, 756, 798–799, 953 Empfehlungen 62, 242, 247, 332, 348, 422, 442, 456–458, 510, 521, 543, 568–569, 571, 579, 587, 592–593, 704, 714, 731, 797–798, 837, 840, 849, 871, 883, 888–889, 899, 962, 973 Engel-Effekt 378 Enterprise Resource Planning (ERP) 493, 495, 504, 508, 510, 928, 951 Enterprise Resources Planning 493, 495, 504, 508, 601, 607

Register 

Enterprise Resources Planning (ERP) 495 Entscheider 20, 223, 340 Entscheidungsfreudigkeit 102, 197, 377 Entscheidungsmethodik 102 Environment 119, 940, 942 Erfahrungskurve 155, 295, 297, 361 Erfahrungskurveneffekt 155, 295 Erfahrungskurveneffekte 388 Erfahrungsregel 312, 316, 537, 581 Erfolgsfaktoren 73, 107, 138, 149, 154, 156, 161–163, 202, 206, 215, 219, 304, 317, 324, 327, 415, 436, 461, 465–466, 481–482, 541, 595, 611, 682–683, 692, 727–728, 925 Erfolgsverantwortung 123, 185–186, 484 Erlebniswelten 640, 656 ERP-Programme 495 ESG 119, 940, 942–944 Eskalationsprinzip 344, 592 Ethik 82, 931 Ethno-Zielgruppen 48 Euro-Umstellung 380 Eventmarketing 827, 829 Evoked Set 24, 813 Experiment 236–238 Expertenbefragungen 157, 174, 176, 421 explorative Studie 248 Extranet 608 Facebook 80, 437, 439, 521, 599, 605–606, 685, 842, 867, 952 Fachgeschäft 4, 335, 504, 634–636, 806 Fachkräftemangel 969 Fachpromotor 167 Fachzeitschrift 559, 783, 810 Factory Outlet Center 655–656 Faktorenanalyse 258, 269, 272, 288, 291 Fakturierungssystem 493 Familienmarke 706 Familienmarkenstrategie 705–706 Farmer 52, 427, 481 Feldexperiment 237, 869 Fernabsatzgesetz 602 Fernsehforschung 791 Fernsehwerbung 799, 806, 879 Fernsehzuschauerforschung 791 Filialunternehmen 631 Firmenkunden 506, 513, 616 First Mover 314–315

 1003

First Party Data 754 Fit 207, 295, 309, 709, 834, 874 Flatrate 409 Flighting 769 Flywheel 955–956 Folgekäufe 89, 434, 448–449, 459 Follower 215, 437, 605, 846, 869, 871–874, 895–896, 907, 963 Following 868–869 Follow-up Maßnahmen 574 Forecast 128, 170, 208 Forecasts 174 Forum 423, 828, 922 Fragebogen 232–233, 235, 245, 247, 446 Fragetechnik 234, 256, 570–571 Franchising 658 Free 293, 417, 610, 621, 877 Freemium 293, 417–418, 610 Free Riding 621 Fremdbild 114, 453, 687, 728–729 Frontloading 770, 893 Frontoffice 480, 500–501 Frühwarnsystem 204, 215 Führungserfolg 196–197 Führungsgrundsatz 112 Führungskraft 62, 102, 172, 196, 199, 201, 304 Führungskräfte 16, 59, 101–102, 106, 110, 123–124, 133–134, 177, 182, 186, 198, 205, 224, 271, 275, 304, 310, 410, 425, 485, 509, 537, 731, 970, 972 Führungsphilosophie 189, 198 Führungsstil 198, 201 Führungsverhalten 199 funktionale Organisation 184, 187, 189, 647 Gap-Analyse 139–140 Garantieleistungen 9, 350 Gateways 607 Gattungsmarken 646, 686 Gebietsoptimierung 486, 488, 493 Gebietsorganisation 489–490 Gebietsschutz 627–628 Gebrauchsgüter 7, 10, 13–14, 22, 322, 350, 813 Geld-zurück-Garantie 350 Gendersensible Sprache 749 generisches Produkt 281 Gesamtmarktanteil 131, 209 Geschäftsanbahnung 518, 956

1004 

 Register

Geschäftsfeldentwicklung 148 Geschäftsfelder 92, 116, 125–126, 138, 147–148, 156–157, 287, 294, 296, 930, 948–949 Geschäftsfeldorganisation 188 Geschäftsidee 106, 109, 111–112 Geschäftsmodell 106–107, 478, 607, 940, 944, 967 geschichtetes Stichprobenverfahren 255 Gesprächsklima 562 Gesprächsvorbereitung 561 Gewährleistung 350, 573 Gewinnaufschlag 359, 393–395 Gewinnmaximierung 382, 407, 414 Gewinnschwelle 286, 387 Giffen-Effekt 378 Gig Economy 69 Give Aways 824, 910 gleitende Durchschnitte 178–179 Globalisierung 47, 58, 69, 153, 737 Glovalisierung 58, 153 google 518, 578, 854 Governance 119, 607, 940, 942 Grenznutzen 368, 406 Grid-Ansatz 563 Größenklassen 18 Großhandel 88, 615, 624, 630, 639 Großkunde 531, 538 Großkunden 58, 94, 97, 135, 150, 163, 168, 213, 296–297, 312, 316, 357, 361, 461, 482–483, 485, 488, 491, 531–532, 537, 558, 583, 586, 589, 593 Grundgesamtheit 232, 234, 244, 247–255, 791 Guerilla 770, 912 Güter 5–10, 16, 49, 85, 87, 99, 315, 333, 361, 383, 468–469, 567, 694, 756 Halbwertszeitpunkt 889 Halo Effekt 963 Handel 7–8, 14, 55, 79–80, 87, 95–96, 98–99, 242, 312, 324, 332–333, 335, 337, 356, 364, 395–396, 413, 415, 418–423, 426–427, 429–430, 433, 464, 468, 470, 472, 480, 497, 534, 555, 587, 599–601, 616, 622–626, 630–631, 634–635, 638–641, 643–649, 651, 653, 655–657, 678, 686, 710, 712–713, 819, 877, 902, 904–905, 908, 921 Handelsfunktionen 639, 652–653 Handelskonzerne 95–96, 388, 464, 601, 624, 638–640, 686–687

Handelsmakler 628 Handelsmarken 96, 99, 391, 419, 626, 646, 677–678, 686 Handelspanel 242 Handelsvertreter 17, 116, 463, 467, 614, 616, 626–628, 821 Healthy Disengagement 930, 969 Help Desk 343–344 Herstellermarken 626, 646, 653, 656–657, 677–678, 686, 914 Hochschulen 63, 177, 425, 430, 506 Hörfunk 792, 796, 803–804, 896 horizontale Preisdifferenzierung 359, 405–406 Hotline 322, 343, 593 HTML 842, 854, 863 Hunter 481 Hybrid Sales 475 Hybrid Selling 440, 472, 475, 554, 577–579, 600 hybrider Käufer 673 Hybrider Vertrieb 472 Hyperwettbewerb 85 Hypothesenbearbeitung 226, 228 Identitätsprisma 689 ifo-Geschäfsklimaindex 243 ifo-Geschäftsklimaindex 174 Image 18, 57–58, 109, 112, 115, 214, 229, 293, 324, 328, 361, 363, 443, 592, 621, 641, 645–646, 665, 707, 709–710, 713, 726–731, 734–735, 751, 760, 762, 789, 821, 824–825, 831, 833, 835, 841, 902, 913, 916, 939 Imagepolitik 90, 114, 465, 725, 727–731, 744 Imagepositionierung 699, 732, 734 Imageprofilierung 642, 657, 902 Imagery 741, 744 Imagerystrategien 744 Imagerytechniken 741 Imagetransfer 620, 713, 833–834, 915 immaterielle Güter 5, 8 Impulskäufe 21, 641 Inbound 590, 897–899 Inbound Selling 590 Inbound-Marketing 897 Incentive-Reisen 904 Incomprehensible 934 Incoterms 367 Individualisierung 150, 501, 504, 602, 609, 882–883, 885, 887, 970

Register 

Individualmarketing 50–51 Industriegüter 312, 616, 820 Industriegütermarketing 15, 97, 291, 432, 483 Influencer 20, 30, 80, 438, 457, 605–607, 672–673, 796, 841, 847, 849, 871–875, 907, 914, 963–964 Infomercials 800 Informationsoptimum 223–224 Informationsüberlastung 34, 116 Ingredient Branding 914–915 Innendienst 17, 182, 184–185, 317, 440, 463, 478–479, 483–484, 494, 503, 524, 533, 549, 555, 561–562, 574, 585–586, 665, 896, 902 innere Bilder 723, 745, 804 Innovationen 31, 127, 277, 299–304, 306, 310, 313–314, 317, 324, 457, 599, 818, 919, 927, 959 Innovationscontrolling 315 Innovationspolitik 87, 281, 309, 314, 324 Innovationsrate 316 Inside Sales 66, 68, 466, 473, 484, 555, 577, 586, 588–590 Instagram 184, 437, 521, 779, 799, 844, 846, 867 Intellectual Challenge Selling 582 Internet 4, 48, 55, 57–58, 68, 76–77, 80, 82, 89, 96, 232, 240, 274, 328, 368, 391–392, 406, 420, 437–439, 462–464, 472, 474, 496–498, 500– 501, 509, 521, 598–602, 607, 611–612, 615–616, 618, 638–639, 643, 650, 660, 668–669, 674, 736, 740, 791–793, 796, 798, 821, 841, 843–845, 850, 852, 854–856, 862, 868, 876, 878, 881, 905, 965 Internetmarketing 842, 845 Internet-Plattform 607 Intervallskalen 258–259 Interviewleitfaden 244 Investitionsgütermärkte 15 Involvement 7, 35, 197, 457, 480, 784, 810 ISO 9000 und andere 985, 995 ISO 9004 995 ISO-Zertifizierung 839 Johari-Fenster 569 Joint Venture 305 Just-in-Time 460, 464, 650, 661 Kaizen 989 Kampagnen 270, 273, 440, 494, 504–505, 532, 544, 605, 702, 704, 718, 721, 743, 754, 756–757, 759–760, 766, 768, 770–772, 774, 777–778, 783,

 1005

786, 805, 807, 857, 863, 877, 893–894, 896, 900, 912, 916 Kampagnenmanagement 500, 755, 772 Kampfpreise 172, 356 Kampfpreisentscheidung 359 Kampfpreissituationen 402 KANBAN-Prinzip 649 Kannibalisierung 621, 706 KANO-Modell 449–450 Karpmann-Dreieck 569 Katalog 206, 392, 567, 624, 639, 880, 888, 903 Kaufabschluß 89, 567, 900 Kaufabsichten 789 Kaufakteure 19 Kaufdruck 21, 567 Kaufentscheidungen 16, 20–23, 26, 28–29, 31, 33, 38, 240, 280, 415, 526, 565, 692, 698, 722, 734, 744, 756, 771, 883, 963 Käufermärkten 51, 54, 58, 94, 145, 351, 357 Käuferschichten 31, 126, 237, 239, 241, 361, 368, 405, 407, 699, 705 Käuferverhalten 19–20, 23, 26–31, 33–34, 53, 72, 234, 448, 602, 744, 756, 926 Kaufhaus 634–635 Kaufkriterium 322 Kaufprozess 20–22, 37, 475, 605 Kaufsituation 21, 27, 29, 377 Kaufverhandlungen 36, 364, 566 Kaufwiderständen 309 Kaufzeitpunkte 31 Kaufzufriedenheit 443 Kennzahlensystem 205, 208, 222 Kennzahlensysteme 206–208 Kerneigenschaften 280 Kernkompetenz 294–295, 309 Kernkompetenzen 60, 120–121, 127, 156, 294–295, 531, 657, 711, 925 Key Account Management 58, 66, 68, 94–95, 99, 182, 463–464, 479, 482–483, 491–492, 497, 579–581, 584–586, 615 Keywords 853 Klassikmedien 90, 669, 798 Klassikwerbung 669, 797–798, 912 Kleinkunde 533–534, 538, 549 Kleinkundengeschäft 537 Klumpenverfahren 255 Klumpungseffekt 255 Kommissionär 628 Kommunikationsbudget 767

1006 

 Register

Kommunikationsmodell 668–669 Kommunikationspolitik 58, 85, 87, 99, 293, 329, 331, 389, 426, 430–431, 663–665, 677, 701, 715–716, 718–721, 724, 727, 729, 741, 745, 757, 761, 765–766, 768, 779, 781, 827, 829, 854, 902, 945 Kompetenzen 16, 48, 62, 70, 112, 181, 186, 200, 404, 435–436, 478, 561, 563, 582, 897, 966 Komponenten 7–8, 98, 280, 469, 601, 710–711 Konation 671 Konditionenpolitik 87–88, 355, 358, 363–364, 420, 665 Konditionensystem 419, 421–423 Konditionensysteme 413, 418, 421 Konditionierung 34, 742 Konfidenzintervall 251, 253 Konfliktsituationen 117 Konjunkturbarometer 243 Konsument 26, 58, 95, 231, 279, 673, 742–743, 756, 804, 922 Konsumentenrente 405 Konsumgüter 6–7, 13, 19, 95, 326–327, 336, 377, 430, 675, 677, 684, 769, 784, 820 Konsumgütermärkte 10, 14, 16, 94 Konsumnachfrage 15, 96 Konsumpolarisierung 687 Kontaktfrequenz 558, 784–785 Kontakthäufigkeit 696, 768, 783 Kontaktprinzipien 477 Kontaktstrategie 504, 521, 558, 784 Kontinuität 124, 182, 293, 436, 448, 676, 708, 728, 738, 840 Kontrahierungspolitik 356 Konvergenz 666 Konzentrationsprozeß im Handel 631 Konzentrationsverfahren 249, 255 Konzeption 9, 50, 54, 68, 88, 103–104, 109, 123, 149, 151, 153, 155, 160, 162, 165, 187, 191, 270, 342, 355, 435, 509, 590, 649, 659, 687, 761, 823, 883, 964 Koppelgeschäfte 366 Korrelation 156, 258, 782 Kostendegressionseffekte 155, 388, 411, 552 Kostenführerschaft 149–150, 359, 725 Kostenorientierung 333–334, 437, 496 Kostensenkungspotential 158, 411 Kostenstruktur 155 Kostenträger 10, 116, 125 Kostenverläufe 387

Kreativagenturen 773 kreatives Klima 304 Kreativitätstechniken 173–176, 307, 309 Kreuzpreiselastizität 383 Kulanzleistungen 350–351 Kulanzregelung 594 Kulanzzusagen 88, 366 Kultur-Sponsoring 831 Kundenansprache 15, 51, 81, 88, 494, 496, 499, 501, 504, 513, 518, 520, 767, 824, 858, 881–882, 893, 905, 931, 955 Kundenattraktivitäten 138, 172, 541 Kundenbarometer 347, 443 Kundenbetreuung 19, 66, 69, 184, 217, 464, 480, 483–484, 496, 504, 507, 532, 543, 552–553, 555, 579, 586, 590 Kundenbeziehung 214, 433, 446, 514, 519, 550, 579, 591, 604, 668, 955 Kundenbindung 2, 74–75, 88–89, 97–98, 163, 211, 256, 281, 338, 342–343, 389, 409, 433, 448, 458, 461–462, 473, 519, 546, 550, 557–558, 583, 585, 591, 596, 655, 663, 668–669, 682–683, 704, 717–718, 722, 766, 780, 811, 827–828, 830, 852, 897, 901–902, 905, 909, 911, 921–922, 956 Kundenclub 277, 280, 459 Kundendienst 9, 66, 87, 116, 273, 337, 341–342, 349–350, 440, 463, 484, 494, 497, 593, 896 Kundenerfolgsrechnung 116, 205, 218–219, 531 Kundenerwartungen 39, 281, 445, 561–562, 821 Kundengewinnung 83, 89, 431, 481, 495, 514, 522, 547, 601, 663, 956 Kundengitter 564–565 Kundengruppenorganisation 184, 490–491 Kundenhistorie 269, 493, 504, 512, 573–574, 603 Kundenidentifizierung 518 Kundenkarte 437, 459 Kundenkontaktanlässe 555 Kundenloyalität 2, 74–75, 443, 448, 458, 531, 757 Kunden-Loyalitätsleiter 534, 546 Kundenmanagement 202, 318, 427, 443, 465, 497, 510, 514, 568, 758 Kundenmedien 921–923 Kundenmonitor 76, 347, 442 Kundenmonitoring 575–576 Kundennähe 1, 74, 97, 183, 440–441, 445, 448, 565, 591, 625, 820, 827, 925

Register 

Kundennutzen 70, 72, 111, 287, 318, 321, 360, 376, 436, 481, 520, 550, 579, 927 Kundenorientierung 58, 60, 71, 73, 181, 189, 333, 354, 422, 434, 437, 440, 495, 497, 531, 540, 612, 630, 926–927 Kundenpflege 89, 468, 507, 589 Kundenportfolios 534, 538, 543–544, 546 Kundenprioritäten 500, 532, 534, 537–538, 543–544, 547, 549, 554, 557 Kundenpsychologie 57 Kundenqualifizierung 421, 500, 503, 505, 513, 516, 520, 530–532, 534, 547, 549–551, 580, 881 Kundenrendite-Portfolio 546 Kundenrückgewinnung 556, 595–596, 717–718, 757, 780 Kundenrückgewinnungs 594, 596 Kundenschulungen 440, 904 Kundensicherung 65, 89, 468, 481, 495, 514, 596 Kundenstatus 421, 534, 538, 546–548, 587, 757, 879 Kundenwechsel 594 Kundenwert (Customer Value) 214, 456, 462, 499, 514, 533–534, 540, 543, 550, 552, 557, 766 Kundenwünsche 289, 293–294, 309, 340, 352, 499, 531–532, 601–602, 649, 661, 926, 935, 940 Kundenzeitschrift 461, 751 Kundenzeitschriften 460, 758, 907, 922–923 Kundenzufriedenheit 1, 18, 65, 74–75, 88, 115, 117, 125, 133, 172, 200, 206, 208, 210, 214, 220, 235, 256, 262, 318, 429, 433, 441–446, 448–453, 455–456, 458–459, 461, 492, 530, 548, 557, 575, 591, 593, 647, 649, 660–661, 692, 922, 925 Laborexperiment 237 Lagerwirtschaft 660–661 Lambda-Hypothese 32 Landlord-Konzept 191 Layer 860 Lead 77, 215, 312, 462, 466, 494, 514, 520–522, 524, 526–527, 544–546, 549, 585, 776, 778, 810, 826, 845, 881, 896, 956 Lead Management 545 Lead Progression Management 526–527 Lead User 312, 585 Leads 207–208, 213, 312, 494, 514, 520–522, 524, 526–528, 530, 545, 549, 787, 823, 826, 869, 876, 896, 900 Lean-Selling 182, 484

 1007

Lebensabschnitte 41 Lebensstil 29, 37, 39, 43–44, 46–47, 323, 328, 640, 749, 945, 959 Lebensstile 39, 44, 47 Lebenszyklus 70, 279, 283–286, 360, 411, 491, 539, 634, 699, 757, 782 Lebenszyklusanalyse 284 Leistungsprogrammpolitik 87, 277–279, 281, 284, 286, 289, 291, 329, 407, 665, 708, 944–945 Leitlinien 112, 114, 182, 193, 205, 340, 360, 415, 558, 930 Lernprozesse 221 Lexikalische Begriffe 735 Lieferantentreue 21, 458, 548, 556, 626 Lieferservice 89, 115, 463, 481, 660 Lieferverzögerungen 258, 556, 561, 568–569, 932 Lieferzeiten 115, 134, 198, 230, 445, 493, 574, 602, 660 Lifestyle 35, 39, 43–44, 46, 55, 406, 461, 641, 711, 742, 749 Like 868 Limbic Map 961 Line Extension 242, 302, 707–710 Listenpreis 88, 356, 365–366, 389, 394, 418 Live Communication 820 Lizenzkauf 305 Logistik 65, 188–189, 432, 495, 554, 601, 605, 647, 905, 945 Logo 10, 58, 325, 327, 330–331, 702, 730, 738, 788, 832 Loyalitätskonflikt 565 Machtkonstellationen 415 Macht-Portfolio 546–547 Magisches Dreieck 107 Mailing-Package 887–888, 892 Marke 10, 18, 27, 34, 41, 43, 57, 74, 95, 113, 214, 241, 272, 279–280, 290, 293, 315, 322, 324, 327, 331, 361, 440, 458, 605, 654–655, 657–658, 664, 674–679, 681–699, 701–704, 706–712, 717, 725, 727, 730, 734–738, 743, 746, 762, 770, 801–802, 809, 817, 828–829, 832, 870–871, 874, 877, 885, 902, 914–917, 953 Markenartikel 10, 14, 97, 377, 406, 419, 647, 652, 675, 677–679, 699, 714 Markenartikelindustrie 415 Markenbekanntheitspyramide 699

1008 

 Register

Markenbild 691, 694–695 Marken-Code 702 Markeneisberg 690, 695–698 Markenerosion 699 Markenfaszination 675, 681 Markenführung 49, 58, 63, 94, 330, 675–677, 680–681, 684, 687–690, 692, 698–699, 703, 706–708, 710 Markenguthaben 694, 697 Markenimage 16, 95, 683, 687–688, 691, 953 Markenkern 681, 702, 738, 873 Markenkompetenz 691, 711 Markenkraft 364, 647, 683, 692, 710, 714, 914 Markennamen 11, 622, 706, 711, 714, 734–737, 788 Markennutzen 682 Markenpersönlichkeit 327, 681, 683, 689, 691, 702, 711, 732 Markenpflege 460, 708 Markenpolitik 58, 94, 319, 327, 389, 400, 676–677, 680, 683, 704 Markenprofilierung 286, 331 Markenrelaunch 707, 710 Markensteuerrad 689–690, 694 Markenträgerstrategie 685 Markentransfer 707–709, 731 Markentreue 21, 74, 241, 459, 540, 626, 645 Markentypen 685, 700 Markenverband 677–678 Markenwert 325, 461, 684–685, 691–694, 699–700, 709, 737 Market-Benchmark 780 Marketing Automation 509, 776–778, 950 Marketing-Forschung 224 Marketing Mix 84, 86–87, 701, 930, 944 Marketing-Mix 54, 61–62, 77, 85–86, 93–94, 174, 427–428, 431, 642, 665, 677, 701, 764, 780, 880, 912, 925, 944–945 Marketingphilosophie 51, 56, 433 Marketingservice 186, 194, 352, 484, 494 Marketing-Service 65, 68, 70, 184–185, 194, 494 Market Value Konzept 982 Markt 1, 4–5, 16, 31, 37, 44, 53–54, 60, 63–64, 71–72, 76, 83, 85, 88, 90, 95, 98, 111, 130–131, 144–145, 147, 150, 152–153, 155–156, 163, 168–169, 173, 176, 189, 208–209, 214, 216, 225, 230, 274–275, 277, 285, 287, 290, 292, 294, 297, 301, 303, 305, 310, 313–315, 317, 340, 342, 351, 357, 361, 369–370, 372,

382–383, 386–388, 392, 394, 400, 403, 407–408, 412, 425, 429, 467, 483, 493, 497, 511, 520, 532, 541, 546, 574–576, 591, 599, 601, 609, 616, 628, 631, 634–635, 637–638, 649, 656–657, 665, 672, 681, 687, 691, 697, 702, 704, 708, 710–711, 719, 721–722, 727–728, 744, 756, 765, 781, 789–790, 800, 810, 825, 914, 922–923, 926 Marktanalyse 16–17, 156 Marktanteil 58, 65, 125, 130–131, 133, 146–147, 155–156, 160–161, 170, 172, 209, 213, 242, 282, 286, 543, 646–647, 678, 782, 834 Marktanteilsverluste 411 Marktattraktivität 161–162, 544 Marktauftritt 626, 678, 729, 744 Marktbeobachtung 54, 68, 231, 575 Marktberichte 172 Marktdurchdringung 148, 209, 211, 213, 314, 411, 582, 621, 714 Markteinführung 31, 285, 297, 300, 304, 310, 312–313, 316, 324, 351, 360, 395, 411–412, 649, 756 Markteintrittsbarrieren 144, 306, 541, 620 Marktentwicklung 148, 285 Markterkundung 231 Marktexploration 231 Marktfeldstrategie 153 Marktformen 15, 382–383 Marktforschung 26, 29, 54, 57–58, 61, 63, 65, 68, 94, 175, 178–179, 222, 225–228, 231–234, 236–239, 243–244, 248, 252, 257, 259–260, 262, 265, 269, 272, 274, 314, 353, 369, 404, 440, 500, 509, 557, 571, 584, 732, 881, 894, 957 Marktforschungsinstitute 225, 230, 239, 241, 250, 275, 694, 790 Marktführer 42, 131, 147, 156, 168–169, 209, 303, 409, 474 marktorientierte Unternehmensführung 1, 37, 54, 64, 72–73, 93–94, 98–99, 105, 115, 123, 125, 131–132, 154, 159, 170, 177, 180–181, 188, 198, 202, 274, 286, 333, 357, 407, 413, 415, 496, 573, 664–665, 712, 727, 902 Marktorientierung 55, 59, 61, 69, 71–72, 187–189, 193, 196, 202, 413, 494, 926–928, 930–932, 942 Marktplatz 1, 55, 464, 609–610, 858 Marktposition 145, 147, 294 Marktpotential 360 Marktpotenzial 130, 162, 209, 213, 405, 550

Register 

Marktsegmentierung 26, 37–41, 43, 51, 149, 153, 405, 532, 546 Marktspielregeln 94–96, 98–99, 464, 491, 553, 926 Marktstrategie 64, 93, 132, 295, 461, 533, 576 Marktwachstum 156–157, 160–161, 315, 543, 640 Massenmarketing 38, 49 Matrix-Organisation 618 McKinsey 54, 154, 160, 164–165, 438, 544, 619, 682, 732, 939, 948 M-Commerce 611–612 Mediaagenturen 773, 859 Mediaselektion 761–762, 772–773 Mediaselektionskriterien 762, 784, 809 Mediastreuplan 762 Mediawerbung 98, 766, 792, 794, 905 Mediensponsoring 831 Mehrdeutigkeit 933 Mehrkanal-Management 615 mehrstufige Auswahl 255 Mehrwerte 9, 281, 310, 340, 376, 410, 462, 551, 771, 904, 966 Meinungsführer 21, 30, 460, 511–512, 672–673, 703, 839 Meinungsführermodell 672 Merchandise 85 Merchandising 68, 492, 554, 905 Messeagentur 821 Messeauswertung 823 Messebesucher 613, 824–825 Messebeteiligung 822–823, 825 Messekontakte 823–824, 826 Messekosten 178, 826 Messen 57, 116, 157, 309, 472, 612–613, 724, 819–820, 822–823, 825–827, 830, 839 Messestand 138, 595, 612–613, 822 Messewesen 65, 194, 731 Meta-Plan Methode 309 Metaprozess 102 Metaprozesse 101 Metaverse 437, 598–599, 849, 876–878, 964–968 Milieu 45–47 Mitarbeiterförderung 200 Mitarbeiterführung 196 Mitläufer-Effekt 379 Mobile Commerce 611–612 Mobile Marketing 611 Monopole 157, 386, 694 Motivation 2, 198–200, 247, 316, 595, 828, 872, 902, 921–922, 939, 946

 1009

Motive 33, 973 Multi Channel 58, 464, 475, 509, 600–601, 613, 615, 617, 620, 630, 638 Multikanalvertrieb 58, 500 multivariate Analysen 265 Mystery-Shopping 348 Nachfrage 1–2, 4, 15, 17, 83, 96, 98, 145, 301, 338–339, 356–357, 369–370, 372, 380–381, 383, 386, 388–389, 391–392, 395, 641, 648–649, 656, 968 Nachhaltigkeit 3, 46–47, 113–114, 119–120, 293, 328, 465, 479, 911, 941, 943–946 Nachkaufbeurteilung 23–24 Namensgebung 327–329 Net Promotor Score 208, 210, 455–456, 953 Nettopreise 421 Netzwerke 8, 20–21, 30, 51, 68, 429, 432, 435, 437–438, 554, 605, 630, 673, 790, 799, 843, 865, 867–869, 872, 895, 951, 954 Neueinschätzung 128, 170, 172 Neue Medien 464, 881 Neukundengewinnung 118, 210, 462, 514, 516, 531, 555, 558, 596, 716, 757, 822, 897, 905 Neuproduktentwicklung 285, 287, 306 Neuromarketing 957–959, 962 New Economy 70, 597 Newsletter 90, 460, 604, 721, 767, 784, 849, 862–864, 880–881, 892, 895 NFC 862 Niedrigpreise 415, 636 Nischenanbieter 146, 295 Nischenmarketing 49 NoLine Handel 616 Nominalskalen 257 Normstrategien 136, 156–158, 161, 163, 165 NPS 214, 455, 953 Nurturing 528 Nutzwertanalyse 311 Oberziele 114–117, 127, 131, 133 Objektprinzip 184, 189 Occasion-based Shopping 920–921 OEM-Kunden 297 öffentliche Märkte 14 Öffentlichkeitsarbeit 99, 722, 724, 731, 835–837, 839–841 Öko-Marketing 55 ökonomisches Prinzip 105 Öko-Sponsoring 831, 833

1010 

 Register

Omni Channel 58, 616 Onlineshop 476, 553, 601–602, 617, 620–623, 851, 862 Onsite 618 OoH 814, 816–818 Opening Rate 894 Operationalisierung 106, 165, 256, 449, 696 operative Planung 114, 127–128, 167, 170, 172–173, 179 Ordinalskalen 258 Original Equipment Manufacturer 8 Outbound 897–900 Outbound-Marketing 897 Outlets 66, 68, 95, 99, 213, 554, 634, 638, 641–642, 657, 851 Out-of-Home 791, 814 Outsourcing 69, 349, 463, 556, 937, 969 Owned Media 752, 847, 852, 862 Paid Media 846–847 Panel 174, 232, 239, 242–244, 791, 799 Panelbefragungen 250 Panik-Effekt 378 Paradigmatische Innovation 302–303 Pareto-Regel 536 Patentamt 328 Patentanmeldungen 309, 329 Pauschalpreise 409–410 PayWhatYouWant 418 Peak Performances 451 Penetrations-Preisstrategie 411 Permission Marketing 893 Personalentwicklung 200 Personalisierung 504, 602, 611, 722, 883, 885–887 Persönlichkeitsfaktoren 37 PESTEL 140, 142–143 Physical Facilities 86 Pilotphase 245 PIMS-Forschung 146 PIMS-Studie 154, 156 Pitch 758–759, 774–776 Planung 42, 67, 103–104, 123–125, 127–133, 145, 147, 152, 154, 156, 161, 167–168, 170–172, 174, 178–179, 202, 204–205, 218, 222, 269, 275, 304, 315, 322, 336, 435, 466, 480, 489, 495, 553, 555, 558–559, 575, 596, 616, 630, 635, 644–645, 702, 715–716, 718–719, 721, 723, 746, 749, 760, 767, 771, 773, 780, 784, 786, 797, 805,

820, 823, 827, 829, 857, 861, 871, 901, 918, 933, 940, 949 Planungsebenen 116, 151, 170 Planungseinheiten 92, 102, 114–116, 125–127, 146, 154, 156–157, 160–161, 170, 201, 204, 217 Planungsgrundsätze 124 Planungshorizont 127–128 Planungszeitraum 94, 128, 162, 167, 170, 180, 295 Plattform 303, 438, 466, 588, 599, 606–608, 610, 615, 617–618, 639, 679, 682, 847, 858–859, 867, 871, 922 Plugins 859 Podcast 796, 805–807, 845, 847, 923 Point of Sale 21, 57, 68, 95–96, 183, 239, 356, 430, 467, 472, 553, 647, 657, 902, 905 Point-of-Sale 356, 648 Points-of-Differences 292–293 Polaritätenprofil 137, 139, 263 Polypol 386–387 Pop Up 622, 860 Portfolio 114, 154, 156, 160–161, 163, 287, 333, 347, 363, 538, 544–546, 553, 707, 732, 766 Portfolioplanung 55, 163 Portfolio-Strategie 287, 411 Portfoliotechnik 138, 154, 163, 294–295 Portfolio-Technik 163 POS 21, 49, 68, 95–96, 183, 232, 239, 242, 356, 430, 459, 467, 472, 553, 647–648, 657, 740, 816, 902, 904–905, 907–908, 921 Positionierung 58, 153, 156, 161, 286–287, 289–293, 302, 310, 324–325, 347, 361, 416, 454, 474, 520, 699, 702, 719, 725, 731, 736, 738, 746–747, 752, 760, 777–778, 787, 840–841, 854, 856 Potenzialausschöpfung 209, 211, 462, 541, 546, 555, 645 Potenzialverfahren 486–487 Power Shopping 391, 609 Power-Shopping 609 PR 52, 59, 61, 63, 65, 663, 724, 730, 835–841 Präferenzraum 288 Präferenzwerte 724 Prämienpreisstrategie 412 Praxisschock 63 Preisbewusstsein 43 Preisbündelung 381, 408 Preisdifferenzierung 356, 359–360, 405–407, 945 Preis-Dumping 400 Preisdumping-Strategie 359

Register 

Preis-Eisberg 413–415 Preiselastizität 369–370, 372, 375–376, 378, 388–391, 395, 405 Preisführerschaft 149, 359, 400 Preiskalkulation 393 Preiskrieg 403–404 Preislage 88, 361, 363, 378, 388, 634, 665 Preislagen 335, 356, 361, 393, 400, 413, 636, 963 Preispolitik 87–88, 96, 278, 283, 355–356, 367, 373, 382–383, 390, 393–394, 396, 400–401, 403, 407–413, 415, 421, 423, 512, 945 Preisschwellen 377, 380, 389–390 Preisvergleich 377 Preisvertrauen 351, 415 Pretest 245, 264 Price-Signaling 404 Primat des Absatzes 54 Printmedien 767, 792, 803, 809, 813 Printwerbung 766, 808–809, 811–813 Private Labels 678, 686 Privatisierung 14, 349 Privatkunden 14, 364, 603 Problemerkenntnis 23 Problemlösungskäufe 22 Processed Set 24 Product Placement 877, 913–914 Product-Placement 800, 913 Produktbegriff 8, 85, 147, 279 Produktdifferenzierung 285–287, 404, 406, 416 Produkte 5–6, 10, 15, 23–24, 29, 31, 34–35, 37–38, 42, 49, 51, 58–59, 71, 79, 83, 87, 96, 98, 111, 125, 127, 133–134, 138, 142, 145, 147, 150–151, 153, 158–159, 218, 239–240, 265, 277, 279, 283–285, 287–288, 290, 293–301, 303, 310, 313, 316–317, 319, 323–326, 333, 335–338, 342, 351–353, 356–357, 360–361, 366, 378–379, 382, 389, 391–392, 394–395, 406–407, 411–412, 416–417, 422, 438, 449, 456–458, 461–462, 471, 480, 483, 489–491, 493, 499, 514, 541, 552, 555–556, 576, 581–582, 586, 601, 606, 608–610, 613, 620, 622, 626, 631, 636, 641, 643–646, 648–649, 651, 655, 658, 660–661, 663, 666, 671, 675, 677, 680, 682, 705–711, 714–715, 718, 721, 724, 728, 734, 736–737, 744, 746, 753, 755–756, 781, 784, 788, 799, 806, 816, 821–824, 836, 851, 855, 868, 871, 875–878, 902, 904, 907–908, 910, 914–917, 919–922, 924, 927, 930–931, 939, 941, 943–945, 953, 964

 1011

Produktechnologien 158 Produktentwicklung 148, 287, 304, 306, 309, 313, 317, 352, 419, 481, 483, 585, 926, 928 Produktgestaltung 10, 88, 94, 288, 310, 318–319, 325–326, 677 Produktgruppenorganisation 491 Produktideen 277, 295, 305, 307, 310, 312 Produktionsorientierung 5, 56–57 Produktkern 281, 710–711 Produktlebenszyklus 158, 283–286, 352, 360, 491, 634, 756 Produktmanagement 57–58, 61, 63, 65, 68, 70, 87, 94, 186, 195, 282–284, 298–299, 309, 313, 319, 323, 325, 351–354, 364, 425, 481, 491, 494, 574, 677, 680, 928, 944–946 Produktmanager 57, 187, 352, 492, 549, 681 Produktmarke 337, 705 Produktnutzen 374, 736 Produktpolitik 86–87, 158, 277–278, 286–287, 289–290, 294, 296–298, 309, 312, 320, 322, 324, 328, 332, 338, 944 Produktpositionierung 287, 291, 294, 310, 676, 755, 758 Produktqualität 292, 318, 322, 406, 459, 565 Produktspezifikationen 323 Produktvariation 285–287 Profilanalyse 138 Profilanalysen 138 Profit Center 188–189, 305, 490, 647 Profit-Center 189, 201, 490 Prognose 43, 174, 176, 178, 180, 226 Prognoseverfahren 173–174, 177–178, 180 Programmbreite 335–336 Programmtiefe 302, 335 Prohibitivpreis 368–369 Promotion-Material 902, 904 Promotoren 133, 167, 455 Prospects 520 Provisionssysteme 199 Prozessorganisation 184 Prozessprinzip 184–185 Public Relations 68, 90, 703, 717, 722, 729, 751, 835–836, 880 Pull 87, 96, 301, 356, 427, 674 Pull-Effekt 96 Pull-Strategie 356 Push 87, 95–96, 301, 356, 430, 862 Push-Strategie 95, 356, 430

1012 

 Register

QM-Systemaudit 995 Qualitätsdimension 320 Qualitätsführerschaft 117, 149, 412 Qualitätskonstanz 9 Qualitätsmanagement 253, 340 Qualitätsparameter 323 Qualitätsplanung 318, 320–321 Qualitätssicherung 67, 312, 317, 321, 352, 462, 504, 553 Quotenverfahren 249, 254, 790 Rabatte 356, 366, 422, 617, 909, 921, 963 Rack Jobber 905 Radiowerbung 803–804, 806 Ratingskalen 258–261, 264, 348 Rationalprinzip 105 Rationalskalen 258 Realtime-Marketing 768, 771 Recovery 717, 936, 940 Reengineering 185 Referenzmarketing 442, 454, 587 Regalplazierung 237 Regionalvertriebsleiter 185 Regression 258 Regressionsfunktion 179 Reichweite 25, 215, 238, 617, 630, 651, 707, 762, 777–778, 785, 787, 798, 813, 829–830, 843, 847, 868–869, 871–874, 912 Reklamationen 83, 172, 353, 504, 559, 561, 574, 576, 590–591, 593, 953 Relationship-Marketing 65, 97, 432–433, 436–437, 472, 495 Relationware 501 relativer Marktanteil 131, 156 Relaunch-Strategien 160, 287 relevanter Marktanteil 131, 156 Reliabilität 233–235, 245, 247 Reminder-Technik 743, 799 Remote Selling 476, 619 Repräsentanz 228, 233–234, 243, 248, 866 Repräsentationsschluß 250 Residenzprinzip 467, 472 Resilienz 936, 939–940 Response 27–28, 504, 648, 650, 669, 784, 879–880, 883–884, 887, 889–890, 900–901, 922 Responseelemente 879 Responseträger 879–881, 888 Retail Media 916–918

Reverse Economy 649 Reverse-Auctions 392 Revitalisierung 514 revolvierende Planung 128 Rezepturen 16, 87, 279, 312, 319, 323 RFID 322, 641, 648, 650–651 RFID-Chips 322, 641, 648, 650–651 Risikofreude 36, 197, 959 Risikomatrix 937–938 Risikomischung 297 Risikopräferenz 36, 43 Robinsonliste 675 Routenplanung 466, 506, 561 Routinekäufe 21, 80 Rückgewinnungsprogramme 595 Rückläufer 890 Rücklaufquote 233–234, 247, 888–892 Sachgüter 5–8, 327, 338, 340, 429, 677 SAL 528 Sales Accepted Leads 528 Sales Cycle 547 SalesCycle 507, 513–514, 516, 547 Sales Enablement 465–466 Sales Funnel 522, 956 Sales Pyramide 643 Sales Qualified Leads 529 SAP 495, 531, 685, 834 Sättigungsmenge 368–369 SB-Warenhäuser 636, 640 Schaufenster 819, 905 Schlüsselbilder 727, 743–745 Schlüsselkunden 97, 126, 163, 353, 415, 463, 482–483, 554, 579, 581–582, 585–586 Schlüsselreize 33, 741, 747 Scoring Modelle 312 Screenless Marketing 918 SDG 941 SEA 68, 778, 852–853, 856, 941 Search Engine Optimization 853 Second Party Data 754 Selling Cycle 513, 515 Selling-Center 17, 98 Semacode 612 Semantisches Differential 137 SEO 68, 215, 841, 852–853 Serienreife 312 ServiceCycle 507

Register 

Serviceleistungen 5–6, 8, 68, 87, 216, 278, 293, 337–340, 342, 345, 348–349, 409, 461, 581, 634, 784, 896 Servicequalität 345, 348, 925, 952 Servicestrategie 340 SERVQUAL 345–346 Share 209, 214, 699, 787, 949 Shared Media 847 Share-of-Advertising 214 Share of Voice 787 Share-of-Voice 214 Share of Wallet 211, 213, 541 Shop-in-Shop 657, 917 Shop in the Shop Konzept 657 Silent Marketing 607 Simulation 238, 877 Single Loop 516, 518–520, 524, 526 SINUS 44–45, 47 situativer Führungsstil 201 Six Sigma 989 Skalen 257, 259–260, 262–263, 290, 541, 564 Skalentypen 257 Skalierungsverfahren 257–258 Skimming-Preisstrategie 411 Smart-Shopper 363, 378, 640, 677 Snob-Effekt 378 SOA 214 Social 19, 24, 30, 48, 55, 57, 65, 68, 72, 90, 112, 119, 134, 142, 215, 273, 317, 328, 334, 345, 429, 437–440, 449, 463–464, 475, 495, 503, 507, 509, 576, 578, 599, 601, 604–607, 611, 669, 673–675, 715–716, 721, 723, 731, 736, 743, 751–752, 755, 778–779, 786, 790, 796, 799, 801–803, 845–849, 865–873, 875, 892–893, 896, 911–912, 940–942, 954, 963–965 Social Development Goals 941 Social Media 19, 24, 30, 48, 57, 65, 68, 90, 134, 215, 273, 317, 328, 334, 345, 429, 437–440, 449, 463–464, 475, 495, 503, 509, 576, 599, 601, 604–607, 611, 669, 673, 675, 715–716, 721, 723, 731, 736, 743, 751–752, 755, 778–779, 786, 790, 796, 799, 801–802, 845–849, 865–873, 875, 892, 912, 954, 963–964 Social Selling 68, 578, 893, 896 Sortimentsbreite 335, 634 Sortimentsgestaltung 87, 649 Sortimentspolitik 87

 1013

Sortimentstiefe 335 SOV 214 Sozialforschung 231, 234, 250, 256, 259–260, 263 Sozialkompetenz 197, 353, 480 Sozio-Marketing 55 Sozio-Sponsoring 831 Spielregeln 96–97, 351, 574, 823, 910 Spitzenleistungen 216, 448, 777, 925, 929 Sponsoring 90, 703, 724, 731, 766–767, 800, 804–805, 829, 831–835, 839 Sport-Sponsoring 831 SPSS 180 SQL 529 Stabsfunktionen 186 Stammkundenpflege 531, 558, 597, 821 Standardabweichung 251–252, 268 Standbesetzung 823, 826 Standortpolitik 99, 642 Standorttypen 642 Stellenbeschreibungen 181–182, 479 Steuerungskennzahlen für Marketing 214 Stichprobe 232, 244, 248–252, 254–255 Stichprobenumfang 233, 251, 253 Store in the Store Konzept 657 Streuverlust 761, 798 Strukturorganisation 180–181, 485, 492 Strukturvertrieb 470, 472 Strukturwandel 639 Substitutionsgefahr 411 Suchmaschinenmarketing 518, 852–853, 855, 857, 861 Suchmaschinenoptimierung 849, 853–854, 856 Supermarkt 4, 6, 76, 231, 458, 636, 641, 651, 862 Supply Chain Management (SCM) 72, 97, 462, 598 Supply Side 858 SWOT 104, 135–137, 760 SWOT-Analyse 104, 135–137, 760 Synergieeffekt 93 Systemlieferanten 97, 388 Szenario-Technik 176 Szene-Marketing 673 Taktik 84, 90, 377, 382, 564, 571 Target Costing 205, 395 Target Positioning 984 Target Pricing 98 Targetting 604 Taylorismus 52

1014 

 Register

Team Selling 182 Team-Selling 182, 484 technischer Handel 13, 98 technischer Kundendienst 349, 466, 484 Teilerhebung 232, 244, 248 Teilnutzen 269 Telefonmarketing 90, 484, 881, 897 Telefonverkauf 473, 577, 896–897 Teleshopping 474, 606 Testimonial 749 Testverfahren 257, 265, 268 Themen-Warenhaus 640 Third Party Data 754 TikTok 184, 437, 599, 716, 779, 801–802, 842, 867, 870 Time to Market 465 Tipping Point 314, 753 TOFU 527, 545 Tonalität 691, 760, 802 Top-Kunde 534, 537, 549 Top-Kunden 534, 537, 543, 549 Top-Management 58–59, 62, 69, 101, 105, 109, 133, 217, 757 Top of Mind 699 Top-Unternehmen 925–926 Top-Verkäufer 565 Total Quality Management (TQM) 318, 928 Total Sales Quality 522–524 Total Set 23 Touchpoints 24–25, 501, 507, 688, 753, 830, 849, 954 TOWS 136–137 TQM 989 Tracking 239–240, 243–244, 848, 850, 869, 907 Tradition 112, 114, 302, 682, 710, 835, 928 Traffic 853–856 Transaktionsansatz 433 Transaktionsmethode 569 Transient Advantage 929 Treffprinzip 467 Trend 14, 51, 58, 156, 170, 178, 180, 183, 195, 201, 271, 306–307, 326, 333, 349, 379, 409, 464–465, 483–484, 496, 586, 600, 615, 631, 635, 640, 651, 706, 714, 770, 780, 793, 831, 922, 970 Trendextrapolation 178–179 Trend-Management 306, 315 Triadenkonzept 64 Trichter der Kommunikation 667 Tripping Point 313–314

Türöffner 19 TV Werbung 783, 786, 800 Twitter 25, 437–439, 605–606, 842, 844, 867, 952 UCG 843, 865 UCP 288, 291–293 Umfeldanalyse 133, 140, 176 Umsatzrangfolge 296, 538 Umtauschservice 350 Umweltorientierung 5, 57, 72 Uncertainty 932 unelastische Nachfrage 372 Unique Communication Position 292 Unique Customer Perception 288 Unique Selling Proposition 291–292 Universitätssponsoring 831 Unternehmensauftrag 109, 112 Unternehmensführung 1, 5, 19, 37, 52, 54–55, 59, 64, 69–70, 73, 75, 77, 83–84, 86, 88–89, 93–94, 98–99, 101, 103, 105, 107, 109, 115, 117, 119, 123, 125, 131, 145, 154, 160, 162–163, 170, 177, 188, 193, 198, 202–204, 223, 270, 274, 286, 301, 306, 309, 323, 333, 357, 395, 413, 415, 429, 461, 496–497, 547, 573, 763, 779, 835, 841, 902, 925, 928, 931–932, 939, 942–944, 947 Unternehmensgröße 70, 94, 188 Unternehmensgrundsätze 112 Unternehmenskultur 112, 730–731, 738, 745, 939, 972 Unternehmensphilosophie 112 Unternehmensplanung 132, 135, 173, 433, 780 Unternehmenspolitik 84, 114 Up-Selling 342, 552, 556, 757 Upskilling 969–970 User Generated Content 843, 865–866, 868, 870 Validität 233–234, 247 Value based Pricing 410 Value-based-Pricing 405, 407, 410 Value Marketing 550–551 Value-Marketing 550–551 Value Proposition 108, 292 Varianz 268 Varianzanalyse 258, 269 Variationskoeffizient 268 VDI 54 Veblen-Effekt 378 Verbrauchermarkt 636, 640

Register 

Verbraucherverhalten 57, 94, 174, 237, 243, 470, 634, 651, 683, 687 Verbrauchsgüter 7, 10–11, 16, 44, 240, 350, 469 Vergleichsangebote 402 Verhandlungsposition 150, 415, 628 Verhandlungsziel 398–399 Verkauf 17–18, 57, 62, 65–66, 70, 88–89, 118, 138, 187, 189, 194–196, 199, 213, 272, 317, 321, 350, 352, 354, 387, 425–434, 437–439, 461–465, 467, 471–476, 479, 485–487, 489, 493, 495, 511, 519, 551–556, 565, 568, 570, 580–581, 586, 599–601, 612, 614–616, 619–620, 624, 630, 647, 654, 665, 677, 692, 725, 790, 819, 880–881, 896, 901, 905, 909, 956, 967, 970 Verkäufermärkte 56, 58, 429, 433 Verkaufsabschluß 431, 562, 564, 566 Verkaufsförderung 57, 60, 63, 65, 68, 70, 96, 138, 426, 644, 679, 713, 724, 731, 819, 832, 880, 901–905, 908–910 Verkaufsform 65, 89, 463, 467–468, 471, 473–476, 478, 553 Verkaufsführungskräfte 16 Verkaufsgebiete 153, 211, 213, 488–490, 493 Verkaufsgebietscontrolling 211–212 Verkaufsgitter 564–565 Verkaufshilfen 905 Verkaufsorgane 467 Verkaufsorientierung 57 Verkaufspolitik 65, 88–89, 356, 389, 426, 429, 431–432, 454, 468, 489, 492, 511, 513, 547, 663, 880 Verkaufsprozess 516, 588, 951 Verkaufsräume 472, 905 Verkaufstrichter 513, 516, 520, 522–524, 526, 529, 597 Verkaufsunterlagen 725, 901–902, 904 Verkaufsverhandlungen 383, 473, 550, 562, 570 Verkehrsmittelwerbung 814, 816 Verpackung 28, 87, 207, 235, 280, 302, 312, 322, 326, 331–332, 367, 573, 676, 729, 740, 908, 945 Verrichtungsprinzip 184–185, 187 Versandhandel 89, 474, 534, 540, 600, 605, 622, 624, 638–639 vertikale Preisdifferenzierung 359, 407–408 vertikales Marketing 58, 95, 99, 463, 625, 644–645, 651–652, 657–658 Vertragshändler 350, 467, 470, 657–658

 1015

Vertrieb 5, 13–14, 51, 55, 57–58, 61–70, 76, 80, 83–84, 87, 89, 91, 95–96, 102, 115, 117, 120, 123, 132, 135, 161, 181–182, 184–185, 187–188, 193–196, 198, 201–202, 204–208, 214–215, 218–219, 224–225, 237, 270, 273–275, 285, 287, 305, 343, 349, 352–353, 355, 363, 394, 415, 420, 425, 427–433, 437–438, 452, 462, 464–470, 473, 476, 478, 480, 484–486, 490, 492–494, 496–497, 499, 504, 507, 513, 526, 528–530, 532, 545, 547, 549, 551, 555, 557, 574, 577, 590–591, 594, 601, 606, 610, 612, 615–616, 618, 620, 623, 631, 643–644, 651, 710, 712, 745, 757, 778, 881, 909, 926, 928–929, 934–936, 938–940, 943, 945, 947, 950, 955, 962, 966, 968 Vertriebsautomation 217 Vertriebscontrolling 65, 67, 89, 170, 202–205, 207, 218, 431, 469, 480, 506, 519–520 Vertriebsinformationssystem 494 Vertriebsingenieur 66 Vertriebsingenieure 54, 480, 630 Vertriebskosten 163, 177, 204, 514, 586, 645 Vertriebsleiter 65–66, 68, 194, 196, 200–201, 217, 250, 371, 373, 484, 575 Vertriebslogistik 65, 89, 431–432, 468, 660 Vertriebsorganisation 54, 65, 89, 180, 461, 463, 468, 474, 478, 491 Vertriebspartnerpolitik 65, 89, 468, 613–614, 650 Vertriebsstatistik 204 Vertriebssteuerung 65, 67, 89, 180, 201, 463, 468, 480, 483, 494, 496, 500, 516, 519, 524, 540, 615, 757, 951 Vertriebssystem 89, 463, 467–468, 616 Vertriebszyklus 513, 516, 518–520, 524 Verzichtskunde 549 Videokonferenz 619 Videokonferenzen 473, 619 Virtual Marketing 57 Virtualität 183 virtuelle Influencer 963–964 Virtuelles Marketing 55 Vision 55, 74, 77, 80, 103, 105, 109–114, 120, 130, 612, 689, 737, 881, 932 Visionen 105, 109–110, 112, 114, 127, 461, 833, 928 Volatilität 47, 932 Vollerhebung 232, 247, 251 vollkommene Konkurrenz 359, 386–387 Vollkostenkalkulation 395

1016 

 Register

VRIO 121–122 VUCA 932–934 Wachstum 46, 71, 73, 113, 138, 156, 158, 161, 314, 338, 579, 600, 607, 619, 631, 639, 695, 826, 844, 947–949 Wahrnehmung 34, 70, 86, 113, 243, 280, 288, 306, 414, 444, 648, 669, 672, 689, 692, 703, 721–723, 734, 736, 750, 753, 784, 789, 807–808, 818, 832, 837–838, 863, 893, 912, 938 Wal-Mart 609 Warenhaus 635–636 Warenkorb-Analyse 241 Warenwirtschaftssystem 493 Wear Out 770 Web 2.0 58, 437, 598, 843, 865, 868, 878 Webinar 528 Werbeagenturen 94, 134, 186, 353, 682 Werbeausgaben 782, 792 Werbebotschaft 331, 459, 578, 743, 761, 794, 796, 817, 846 Werbebudget 265, 779, 781–782 Werbedruck 665–666, 703, 779, 782, 786–787, 799, 803 Werbeerfolgsforschung 768 Werbegeschenke 825, 910–911 Werbekampagne 92, 241, 673, 710, 712, 726, 745–746, 772–773, 783, 786, 896, 914 Werbemittel 134, 666, 761, 772, 789, 794, 796–797, 832, 856, 888–889, 910 Werbemitteleinsatz 768 Werbemittelerfolg 787–788 Werbestrategie 286, 438, 746, 768, 773, 778 Werbeträger 718, 743, 761–762, 784, 792–794, 815, 845, 879 Werbeverweigerung 673, 848 Werbewirtschaft 741, 773, 791–793 Werbeziele 746, 787 Werbung 2, 9, 18, 24, 34–35, 49, 52, 59, 61, 63, 65, 68, 70, 89–90, 94, 98, 116, 138, 169, 194, 288, 292, 314, 325, 357, 417–419, 426, 431, 438, 443, 519, 521, 533, 598–599, 604, 610–611, 623, 639, 647, 654, 663–664, 666–669, 671, 673–675, 677, 683, 688, 691, 702, 716, 718, 724–725, 728, 730–731, 741–742, 744–746, 748–749, 751, 756–757, 761–762, 769–770, 778, 780–784, 786, 788–789, 793, 796–802, 804–806, 808–817, 822, 831, 833, 835–837, 842–845, 847, 849, 855–856, 858–863, 866, 869–871, 876–879,

883–884, 892, 897, 901, 905, 912, 914, 916–917, 957, 967 Werksverkauf 406, 655–656 Wertewandel 3, 37, 946 Werthaltungen 36, 44 Wertschöpfung 6, 61, 106, 185, 686, 798, 931 Wertschöpfungskette 96, 495, 648–650, 652, 659–660, 915, 944 Wertschöpfungsstufen 6, 96–97, 608, 947 Wettbewerbsanalyse 133, 143, 150, 310, 576 Wettbewerbsdifferenzierung 9, 122, 278, 293, 682, 699, 702, 711, 727 Wettbewerbsfähigkeit 157, 387, 915, 971–972 Wettbewerbsinformationen 134–135, 466, 575 Wettbewerbsorientierung 71 Wettbewerbsprodukte 241, 329 Wettbewerbsstärke 138, 161–162, 286, 544 Wettbewerbsvergleich 154, 208, 217, 281, 293 Wettbewerbsvorteile 9, 17, 71, 91, 120–121, 281, 293, 337, 376, 409, 411, 435, 453, 510, 532, 691, 926, 929–930 Wettbewerbsvorteilsmatrix 121–122 WhatsApp 598 Wiedererkennung 11, 711, 718, 723, 743, 768, 787–788, 912 Wiederkauf 22, 453 Wikipedia 868 willkürliche Auswahl 249 Win-Win-Situation 435, 572 Wirtschaftlichkeitsanalysen 205 Wissensmanagement 177, 462 Workflow 185, 593, 928 YouTube 77, 134, 752–753, 799, 842, 845, 867 Zahlungsbedingungen 367, 556, 573, 945 Zeitgeist 37, 290, 293, 328, 699, 711, 738 Ziel 2, 37, 45, 71, 87–89, 92–93, 96, 105–106, 108, 114, 116–117, 119, 128, 144, 149, 172, 175, 180, 199, 215, 219, 231, 255, 269, 273, 287, 297, 327, 333, 391, 395, 402, 405, 408, 415, 431, 435, 456, 462, 489, 493, 496, 501, 504, 522, 541, 546–547, 570, 607, 645, 669, 687, 691, 704, 715, 721, 725, 729, 742, 778, 780, 820, 822, 840, 853, 857, 881, 885, 893, 922, 944, 947, 956 Zielgruppen 5, 16, 20, 37–39, 41–42, 49–50, 72, 115–116, 120, 123, 126–127, 133, 147–149, 153, 244, 285, 323–324, 327, 335, 359, 413, 500, 520, 532, 553, 605, 608, 611, 620, 663, 666,

Register 

672–673, 687, 689, 697, 703, 706, 713–715, 718, 720, 722–723, 741, 745–746, 756, 760, 772, 785–786, 791, 798, 806–808, 813, 821–822, 828–829, 831–832, 836, 841, 843, 858, 868, 870, 882, 887–888, 899, 901–902, 910, 912, 922–923 Zielgruppenstrategie 151, 153 Zielgruppenstrategien 153, 407

Ziellücken 104, 128, 133, 140, 201 Zielmerkmale 105 Zielpyramide 105, 109–110, 115, 123 ZMOT 527 Zufallsprinzip 248, 250, 255 Zulieferrisiken 541 Zuschlagskalkulation 393–396 Zwiebelkonzept 320

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