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German Pages 310 [308] Year 2006
Romy Morana Management von Closed-loop Supply Chains
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Romy Morana
Management von Closed-loop Supply Chains Analyserahmen und Fallstudien aus dem Textilbereich
Mit einem Geleitwort van PD Dr. Stefan Seu ring
Deutscher
Universităts-Verlag
Bibliografische lnformation Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet liber abrufbar.
Dissertation Universitiit Oldenburg, 2005
1. Auflage Juni 2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitiits-Verlag 1 GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel 1Stefanie Loyal Der Deutsche www.duv.de
Universităts-Verlag
ist ain Unternehmen von Springer Science+Business Media.
Das Werk einschlieBiich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verla_9s unzulăssig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfiiltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wiiren und daher von jedermann benutzt werden durften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipi.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf siiurefreiem und chlorfrei gebleichtem Pa pier
ISBN 978-3-8350-0231-9 DOI 10.1007/978-3-8350-9061-3
ISBN 978-3-8350-9061-3 (eBook)
Meiner Familie
Geleitwort
VII
Geleitwort Produktkreisliiufe finden sich in vielfaltigen Kontexten. Einerseits geben Kunden ungewiinschte Produkte ztniick, andererseits konnen oder mtissen Altprodukte am Ende der Nutzungsphase zuriickgegeben oder- genommen werden. FUr diese Entwicklungen sind sowohl okonomische als auch okologische Grilnde verantwortlich. Vor diesem Hintergrund haben sich verschiedene Ansiitze herausgebildet. Dazu gehoren z. B. das Stoffstrommanagement, die Kreislaufwirtschaft oder das Closed-loop Supply Chain Management. Romy Morana greift in diesem Kontext zwei bisher kaum beachtete Aspekte auf. Einerseits entwickelt sie einen umfassenden konzeptionellen Rahmen, der die Analyse von Produktkreisliiufen von der gesellschaftlichen zur betrieblichen Ebenen und bis zum einzelnen Akteur hin ermoglicht. Dazu arbeitet sie umfassend den Forschungsstand zu den vorgenannten Themenfeldern auf. Eine in jeder Hinsicht adiiquate Ergiinzung findet diese Theoriearbeit in der empirischen Forschung. Anhand zweier Beispiele aus der Textilindustrie untersucht Romy Morana konkret, welche Probleme bei der Rticknahme von Altprodukten und damit der SchlieBung von Produktkreisliiufen entstehen konnen. Relevant und interessant sind diese Untersuchungen auch gerade deshalb, da (1) Produkte mit geringem Restwert und (2) ohne gesetzliche Rticknahmeverpflichtung untersucht werden. Dazu wird in der ECOLOG-Fallstudie auch ein sehr innovativer Zugang zum Feld gewiihlt. So werden private Endkunden befragt, die in bisherigen Forschungen kaum eine Rolle spielen. Gerade daraus ergibt sich auch ein Teil der Kritik an der teilweise zu beobachtenden Kreislaufeuphorie, aus der sich auch erhebliche Konsequenzen fl.ir die Praxis ergeben. Der vorliegenden Arbeit bleibt daher eine weite Verbreitung in Forschung und Praxis zu wtinschen, urn die laufenden Diskussionen zu bereichern.
VIII
Geleitwort
Fur mich war die Betreuung der Doktorarbeit von Romy Morana eine besondere Freude, da es "auch meine" erste Arbeit ist. Ich wilnsche der Arbeit eine gute Aufnahme in Theorie und Praxis und bin sicher, dass sie die laufende Diskussion um die Themen Stoffstrommanagement und Closed-Ioop Supply Chain Management bereichem wird. Stefan Seuring
Vorwort
IX
Vorwort Die vorliegende Arbeit wiirde in dieser Form ohne den Beistand vieler Personen nicht existieren. An dieser Stelle mochte ich mich fUr die Unterstiitzung, die ich durch zahlreiche Menschen und Freunde erhalten haben ganz herzlich bedanken. Einige sind mir Zuge dieser Arbeit zu wahren Freunden geworden. An erster Stelle mochte ich mich bei meinem Doktorvater PD. Dr. Stefan Seuring flir die sehr gute fachliche Betreuung sehr herzlich bedanken. Ich hatte das groBe Gliick, einen Betreuer zu finden, der mich in vorbildhafter Weise unterstiitzt hat, in dem er meine Arbeit durch positive und negative Kritik kommentierte, mir neue Wege aufgezeigte, mir Mut machte und mich zu Veroffentlichungen und der Teilnahme an vielfâltigen Tagungen motiviert hat. Er war jederzeit ansprechbar und hat (es muss einmal gesagt werden) mir ohne zeitliche Verzogerungen Feedbacks gegeben, wann immer ich ihrer bedurfte. Eine solche Betreuung wiinsche ich jedenlr Promotionsstudentenlin. Fiir die Ubernahme des Zweitgutachtens bedanke ich mich herzlich bei Herrn Professor Dr. Uwe Schneidewind. Mein besonderer Dank gilt Dr. habil Judy Libra. Sie hat mir als externe Doktorandin ein Arbeitsumfeld am Institut fUr Umweltverfahrenstechnik der Technischen UniversiUit Berlin ermoglicht. Dariiber hinaus hat sie diese Arbeit maBgeblich mit beeinflusst und liber den gesamten Zeitraum hinweg regelm!illig begleitet. Ich verdanke ihr viele sehr gute und konstruktive Anmerkungen. Durch ihre unterschiedliche
disziplinăre
Sichtweise zum Forschungsgegenstand hat sie mich in hervorragender Weise unterstiitzt und viele DenkanstoBe gegeben. Zahlreiche gute Hinweise verdanke ich Martina
Schătzle,
Dr. Maria Goldbach und
Dr. Angelika Tisch, die meine Manuskripte gegengelesen haben. Der empirische Teil dieser Arbeit
wăre
ohne die Bereitschaft der Firmen Vaude und
GETEX mir ihre Zeit fUr die zahlreichen Interviews und Nachfragen zur Verfiigung zu
X
Vorwort
stellen, nicht moglich gewesen. Ich mochte mich daher insbesondere bei Ute auf der Bri.icken und Stefan Eggers (V AUDE) und Herrn SUsel (GETEX) sowie allen anderen Interviewpartner bedanken. Das Gelingen einer solchen Arbeit hiingt im GroBen MaBe vom kollegialen Umfeld ab. Am Institut ft.ir Verfahrenstechnik der Technischen
Universităt
Berlin habe ich in
einem offenen und freundlichen Umfeld arbeiten dtirfen. In Dr. Anne Schuchardt, Dr. InSu Cho und Dr. Angelika Tisch habe ich wundervolle Kollegen gefunden, die mir die Zeit an der Uni unvergesslich machen. Danke. FUr die Rechtschreibkontrolle bedanke ich mich bei Helga und Rolf Reinhard sowie Christa Heine. FUr die Durchsicht bedanke ich mich bei Frank-Peter Schindler. Meine Promotion
wăre
ohne die Heinrich-Boll-Stiftung, die mich mit einem Stipen-
dium und einem absolut hervorragenden Begleitprogramm auf vielfliltigste Weise unterstUtz haben, nicht moglich gewesen. Hier mochte ich mich insbesondere bei Ulla Siebert, Gabriele Tellenbach und Jutta Helm bedanken, die jederzeit ansprechbar waren und ein offenes Ohr ft.ir vi ele sehr unterschiedliche Probleme hatten. Aus tiefsten Herzen danke ich meinen Kindern Sophia und Marlon flir ihre UnterstUtzung durch ihr Dasein und ihre Geduld mit mir. RomyMorana
XI
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis Geleitwort .................................................................................................................. VII Vorwort ........................................................................................................................ IX Inhaltsverzeichnis ....................................................................................................... XI Tabellenverzeichnis ................................................................................................ XVII Abkiirzungsverzeichnis ........................................................................................... XIX 1
Einleitung ............................................................................................................... 1
1.1 Problemstellung ................................................................................................... 1 1.2 Forschungsfragen und Zi ele der Arbeit ............................................................... 4 1.3 Aufbau der Arbeit ................................................................................................ 5 2
Zurn Management von Stoff- und Produktstrornen: Konzeptionelle Grundlagen .......................................................................................................... 10
2.1 Stoffstrommanagement ...................................................................................... 10 2.1.1 Begriffsbestimmung ................................................................................... 1O 2.1.2 Ziele des Stoffstrommanagements ............................................................. 18 2.1.3 Schritte im Stoffstrommanagements .......................................................... 25 2.1.3.1
Uberblick ............................................................................................. 25
2.1.3.2
Funktionale und institutionelle Analyse von Stoffstri:imen ................ 29
2.1.3.3
Transaktion und Transformation ......................................................... 32
2.1.3 .4 Akteursanalyse .................................................................................... 34 2.1.3.5
Stoffstromspezifische Austauschbeziehungen .................................... 41
2.1.4 Untersuchungskriterien f\ir das Analyseraster ........................................... 45 2.2 Kreislaufmanagement ........................................................................................ 48 2.2.1 Begriffsbestimmung ................................................................................... 48 2.2.2 Zie1e des Kreislaufmanagements ............................................................... 51 2.2.3 Phasen eines Stoffkreislaufes ..................................................................... 52 2.2.4 Kreislaufspezifische Akteure ..................................................................... 62 2.2.5 Kriterien f\ir die Analyse von Stoff- und Produktstri:imen ......................... 66 2.3 Closed Loop Supply Chain Management.. ........................................................ 67 2.3.1 Vom Supply Chain Management zum Closed-Loop Supply Chain Management ............................................................................................... 67 2.3.2 Begriffsbestimmung des Closed-Loop Supply Chain Managements ........ 70 2.3.3 Ziele des Closed-Loop Supply Chain Managements ................................. 71
XII
Inhaltsverzeichnis
2.3.4 Aufgaben des Closed-Loop Supply Chain Managements ......................... 72 2.3.5 Kriterien fiir die Analyse von Produktkreislăufen ..................................... 77 2.4 Verhalten kreislaufspezifischer Akteure ............................................................ 79 2.4.1 Transaktionskostentheorie .......................................................................... 79 2.4.2 Einflussfaktoren der Transaktionskosten ................................................... 82 2.4.3 Anwendung der Transaktionskostentheorie auf die Wahl des Redistributionssystems ............................................................................... 89 2.4.4 Kriterien fiir die Analyse des Akteursverhaltens in Produktkreislăufen .... 94 2.5 Analyseraster ..................................................................................................... 95
3
Anwendung im Bediirfnisfeld Textilien ............................................................ 98 3.1 Grundbegriffe ..................................................................................................... 98 3.1.1 Textilfasern und Textilarten ....................................................................... 98 3.1.2 Die WertschOpfungsstufen der textilen Kette .......................................... 1O1 3.1.2 .1
Produktion ......................................................................................... 102
3.1.2.2 Distribution ....................................................................................... 104 3.1.2.3
Konsum ............................................................................................. 105
3.1.2.4 Kollektion .......................................................................................... 109 3.1.2.5
Reduktion .......................................................................................... 112
3.1.2.6
Induktion ........................................................................................... 113
3.2 Rechtliche Grundlagen .................................................................................... 115 3.2 .1 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz .................................................... 115 3.2.2 EG- Abfallverbringungsverordnung ........................................................ 124 3.3 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen .............................................................. 128 3.3.1 Welttextilhandel ....................................................................................... 128 3.3.2 Deutsche Branchenskizze ......................................................................... 129 3.3.3 Entwicklung im deutschen Textilhandel.. ................................................ 133 3.3.4 Konsumentwicklung ................................................................................. 136 3.3.5 Altkleidermarkt ........................................................................................ 138 3.4 Okologische Auswirkungen der Textilkette .................................................... 143 3.4.1 Faserproduktion ........................................................................................ 143 3.4.2
Flăchenproduktion ....................................................................................
148
3.4.3 Bekleidungsherstellung/Konfektion ......................................................... 151 3.4.4 Handel und Transport ............................................................................... 152 3.4.5 Gebrauch .................................................................................................. 153
Inhaltsverzeichnis
XIII
3.4.6 Entsorgung ................................................................................................ 154 3.5 Sozia1e Auswirkungen der Texti1kette ............................................................. 158 4
Fallstudien .......................................................................................................... 163
4.1 Forschungsmethodik ........................................................................................ 163 4.1.1 Forschungsdesign ECOLOG .................................................................... 171 4.1.2 F orschungsdesign GETEX ....................................................................... 173 4.1.3 Verg1eich des Forschungsdesigns ECOLOG und GETEX ...................... 174 4.2 ECOLOG ......................................................................................................... 175 4.2.1 Stoffstrome und Phasen des ECOLOG-Kreis1aufes ................................ 175 4.2.2 Die Akteursgruppen ................................................................................. 179 4.2.2.1
Kettenmanager/Koordinationsstelle .................................................. 180
4.2.2.2
Produzenten ....................................................................................... 182
4.2.2.3
Handler .............................................................................................. 192
4.2.2.4
Konsumenten .................................................................................... 198
4.2.3 Zusammenfassung .................................................................................... 207 4.3 GETEX ............................................................................................................ 218 4.3.1 Einflihrung GETEX .................................................................................. 218 4.3.2 Die Akteursgruppen ................................................................................. 220 4.3.2.1
Konsumenten .................................................................................... 220
4.3.2.2
Ankaufstellen .................................................................................... 223
4.3.2.3
Franchisenehmer ............................................................................... 227
4.3.2.4
Akzeptanzstelle: ................................................................................ 231
4.3.2.5
Redukteur, Indukteur und Kettenmanager ........................................ 233
4.3.3 Zusammenfassung .................................................................................... 238 4.4 Verg1eich der Fallstudien ................................................................................. 245 5
Sch1ussbetrachtung und Ausblick .................................................................... 255
5.1 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse ................................................. 256 5 .1.1 Analyserahmen ......................................................................................... 256 5.1.2 Praxisergebnisse ....................................................................................... 258 5.1.3 F orschungsmethodik ................................................................................ 260 5.2 Ausb1ick ........................................................................................................... 261 6
Literatur ............................................................................................................. 263
7
Interviewliste ...................................................................................................... 279
8
Anhang ................................................................................................................ 283
XIV
Inhaltsverzeichnis
8.1 Auszug aus der EG-AbfVerbrVO Anhang II Griine Liste .............................. 283 8.2 Ausgewahlte Ergebnisse der ECOLOG Handlerbefragung ............................ 284 8.3 Ausgewahlte Ergebnisse der ECOLOG Outdoor Privatkunden-Befragung ... 286 8.4 Auswertung GETEX Ankaufstellen ................................................................ 287 8.5 Auswertung GETEX Akzeptanzstellen ........................................................... 289
Abbildungsverzeichnis
XV
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Bausteine des Theorierahmens ................................................................. 7 Abbildung 2: Anwendung des theoretisch hergeleiteten Analyserasters ....................... 9 Abbildung 3: Schritte eines Stoffstrommanagements .................................................. 27 Abbildung 4: Stoffstromanalyse ................................................................................... 30 Abbildung 5: Transformation und Transaktion ............................................................ 32 Abbildung 6: Beitrag des Stoffstrommanagements zum Analyseraster ....................... 47 Abbildung 7: Perspektiven und Strukturelemente eines Kreislaufes ........................... 53 Abbildung 8: Phasen des Produktkreislaufs ................................................................. 54 Abbildung 9: Beitrag des Kreislaufmanagements zum Analyseraster ......................... 66 Abbildung 10: Quellen-Senken Beziehung bei Lieferung und Ri.icknahme ................ 75 Abbildung 11: Beitrag des CLSCM zum Analyseraster............................................... 77 Abbildung 12: Vertikale Kooperation zwischen Markt und Hierarchie ....................... 81 Abbildung 13: Grundmodell der Transaktionskostentheorie ....................................... 88 Abbildung 14: Beitrag der Transaktionskostentheorie zum Analyseraster .................. 94 Abbildung 15: Analyseraster ........................................................................................ 95 Abbildung 16: Naturfasem ........................................................................................... 98 Abbildung 17: Chemiefasem ...................................................................................... 100 Abbildung 18: Die textile Wertschopfungskette ........................................................ 101 Abbildung 19: Anwendung der EG-AbfVerbrV flir den A1ttextilexport ................... 126 Abbildung 20: Prozentuale Welterzeugung von Textilrohstoffen .............................. 128 Abbildung 21: Textilexporte nach Warengruppen im Jahr 1999 ............................... 131 Abbildung 22: Textilimporte nach Warengruppen im Jahr 1999 ............................... 132 Abbildung 23: Stoff-, lnformations- und Finanzstrome im ECOLOG Netzwerk ...... 177 Abbildung 24: Stoff-, Waren- und Informationsfli.isse im System GETEX............... 218 Abbildung 25: Stoff-, lnformations- und Finanzstrome der Franchisenehmer .......... 227 Abbildung 26: Stoff-, Informations- und Finanzstrome der GETEX-GmbH ............ 235 Abbildung 27: Stoff-, Waren- und lnformationsfli.isse bei GETEX ........................... 238
Tabellenverzeichnis
XVII
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Definitionen zum okologischen Stoffstrommanagement ............................ 13 Tabelle 2: Definitionen zum nachhaltigen Stoffstrommanagement ............................. 14 Tabelle 3: Richtungen des Stoffstrommanagements .................................................... 15 Tabelle 4: Ziele und Ebenen des Stoffstrommanagement ............................................ 24 Tabelle 5: Prozesse und organisatorische Aspekte ....................................................... 33 Tabelle 6: Vereinfachte Charakterisierung der Wertschopfungsphasen ...................... 34 Tabelle 7: Fragen zum Produktkreislauf....................................................................... 46 Tabelle 8: Akteure und deren Einfluss auf Stoffkreisliiufe .......................................... 65 Tabelle 9: Vergleich von ICM, KLM SCM und CLSC ................................................ 71 Tabelle 10: Eigenschaften altemativer institutioneller Arrangements ......................... 87 Tabelle 11: Vergleich verschiedener ProduktrUcknahmekonzeptionen ....................... 90 Tabelle 12: Vergleich verschiedener ProduktrUcknahmeorte ....................................... 93 Tabelle 13: Analyseraster fUr den gesamten Produktkreislauf.. ................................... 96 Tabelle 14: Analyseraster fUr die einzelnen Kreislaufphasen ...................................... 97 Tabelle 15: Analyseraster fiir die Aufgaben eines Akteurs .......................................... 97 Tabelle 16: !(iiufertypen ............................................................................................. 108 Tabelle 17: Eigenschaften der Organisationsmodelle ................................................ 111 Tabelle 18: Beispiele zum Recycling von Bekleidungstextilien ................................ 113 Tabelle 19: Transaktionen und Transformationen in der textilen Kette ..................... 114 Tabelle 20: Gtiltigkeit des KrW-/AbfG und der EG-AbNerbrVO ............................ 127 Tabelle 21: Eckdaten der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie ..................... 130 Tabelle 22: TextilauBenhandel nach Warengruppen gestaffelt .................................. 132 Tabelle 23: Haushaltsausgaben fUr Bekleidung und Schuhe ..................................... 137 Tabelle 24: Inlandsverftigbarkeit und Sammelaufkommen von Textilien ................. 140 Tabelle 25: Okologische Belastungen der Textilkette ................................................ 157 Tabelle 26: Vergleich der Eigenschaften der untersuchten Fallstudien ..................... 168 Tabelle 27: Ubersicht iiber die im Jahr 2003 befragten ECOLOG Akteure ............... 171 Tabelle 28: Ubersicht iiber die befragten GETEX-Akteure ....................................... 173 Tabelle 29: Vergleich der beiden Fallstudien ............................................................. 174
XVIII
Tabellenverzeichnis
Tabelle 30: Vergleich der untersuchten Kreislaufphasen beider Fallstudien ............. 174 Tabelle 31: Recyclingphasen bei ECOLOG ............................................................... 178 Tabelle 32: Zuordnung der untersuchten Akteure zu den Produktkreislaufphasen .... 179 Tabelle 33: Umsatzentwicklung ECOLOG von 1994-2002 ....................................... 181 Tabelle 34: Sortiment und die Anzahl verkaufter ECOLOG-Produkte ...................... 186 Tabelle 35: TK- Eigenschaften von ECOLOG-Produkten ......................................... 191 Tabelle 36: TK-Eigenschaften der handelsbasierten ECOLOG Riicknahme ............. 197 Tabelle 37: Charakterisierung der ECOLOG-Kliufertypen ........................................ 200 Tabelle 38: Einfluss okologischer Eigenschaften auf das Kaufverhalten .................. 204 Tabelle 39: Eigenschaften der Abgabe von ECOLOG-Alttextilien ........................... 204 Tabelle 40: TK-Eigenschaften der privaten ECOLOG -Entsorgung .......................... 206 Tabelle 41: Transaktionskosten unterschiedlicher Entsorgungswege ........................ 206 Tabelle 42: Zusammenfassung der ECOLOG Untersuchungsergebnisse .................. 209 Tabelle 43: Vergleich transaktionskostenwirksamer Eigenschaften .......................... 21 O Tabelle 44: Nutzenvergleich unterschiedlicher Alttextilentsorgung ftir Kunden ....... 211 Tabelle 45: VerbesserungsmaJ3nahmen filr den ECOLOG-Kreislauf.. ...................... 216 Tabelle 46: Eckdaten der GETEX-System GmbH ..................................................... 219 Tabelle 47: Produktkreislaufphasen ............................................................................ 220 Tabelle 48: Transaktionskostenwirksame Eigenschaften der Alttextilabgabe ........... 222 Tabelle 49: Ankaufliste GETEX ................................................................................. 223 Tabelle 50: TK-Eigenschaften der Alttextilsammlung durch Ankaufstellen ............. 226 Tabelle 51: Transaktionseigenschaften der GETEX-Kollektion von Alttextilien ...... 230 Tabelle 52: TK-Eigenschaften der Annahme von Wertgutscheinen .......................... 233 Tabelle 53: TK Eigenschaften der Alttextilannahme GETEX-Zentrale ..................... 237 Tabelle 54: Zusammenfassung GETEX ..................................................................... 241 Tabelle 55: Vergleich transaktionskostenwirksamer Eigenschaften GETEX ............ 242 Tabelle 56: TK fUr verschiedener GETEX-Akteure ................................................... 243 Tabelle 57: Vergleich der Rahmenbedingungen ........................................................ 246 Tabelle 58: Gegeniiberstellung ECOLOG und GETEX ............................................. 250 Tabelle 59: Vergleich verschiedener A1ttextilriicknahmekonzeptionen ..................... 253 Tabelle 60: Transaktionskosten der Alttextilentsorgungswege filr Kunden .............. 254
AbkUrzungsverzeichnis
XIX
Abkiirzungsverzeichnis AKP-Staaten
Staaten des afrikanischen, karibischen und pazifischen Raumes
EG-AbfN erbrVO
EG-Abfallverbringungsverordnung
CLSCM
Close-loop Supply Chain Management
c.p.
ceteris paribus
DIW
Deutsches Institut rtir Wirtschaftsforschung
DOB
Damenoberbekleidung
EfbV
Entsorgungsfachbetriebverordnung
EMAS
Eco-Management and Audit Scheme
Ha
Hektar
HAKA
Herren und Knabenoberbeteiligung
IA O/ILO
Internationale Arbeitsorganisation
ISO
Internationale Organisation for Standardisation
Kd
Kunden
Krw-/AbfG
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz
KLM
Kreislaufmanagement
NGO
Non Government Organisation
OECD
Organisation for Economic Co-operation and Developement
OTS
Oko-Tex Standard
SCM
Supply Chaian Management
SSM
Stoffstrommanagement
TKG
Textilkennzeichnungsgesetz
Tm
Teilnahmemotivation
Ta
Transaktion
Tf
Transformation
Tk
Transaktionskosten
VDI
Verband Deutscher Ingenieure
WCED
World Commission on Environment and Developement
WHO
W eltgesundheitsorganisation
Problemstellung
1 Einleitung 1.1
Problemstellung
Das Thema Produktkreislaufe niihrt sich aus zwei Richtungen: einerseits dem gesellschaftspolitischen Umweltdiskurs und andererseits der Beobachtung der betrieblichen Praxis. So wurde in den letzten zwei Jahrzehnten vielfach die Notwendigkeit betont, von der bisher praktizierten Durchflusswirtschaft zu einer Kreislaufwirtschaft zu wechseln. 1 Dieser Diskurs fuJ3t auf dem Erfordernis einer globalen "Nachhaltigen Entwicklung" und der damit verbundenen Notwendigkeit, Ressourcen und Abfalle einzusparen. So flihrten insbesondere abfallpolitische Uberlegungen im Jahre 1994 in Deutschland zu der Verabschiedung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes. In den letzten Jahren wurden in den USA und Europa viele Produktkreislaufe eingeflihrt. Untemehmen nehmen eigene oder firmenfremde Altprodukte zuriick und recyceln diese. Beispiele sind das Recyceln von Druckerkartuschen, Kopierern, Telefonen, Altbatterien und Altreifen. 2 Die Griinde hierflir sind unterschiedlich: Einerseits zwingen gesetzliche Bestimmungen Hersteller dazu, die Verantwortung flir ihre Altprodukte wahrzunehmen (z. B. Batterieverordnung). Andererseits sind es okonomische Griinde, wie die Verbesserung des Images oder Gewinnerzielung, die Untemehmen veranlassen, Altprodukte zu sammeln und zu recyceln. 3 Zeitgleich zu diesem gesamtgesellschaftlichen Diskurs gab es in den Wirtschaftswissenschaften eine breite Debatte liber Notwendigkeit, Umsetzung und Gestaltung des Supply Chain Managements. 4 In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die Forschung auf die Entwicklung recyclingfahiger Produkte und Recyclingverfahren konzentriert. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass nicht nur die technische Gestaltung von Produktkreislaufen Probleme bereitet, sondem auch die organisatorische Kreislaufgestaltung. Mit der Einflihrung von
Z.B. schon Hocherts et al. 1994; Kirchgeorg 1999. Vgl. Schultmann/Engels/Rentz 2003, S. 57- 71 und GuideNan Wassenhowe 2001, S. 17. Vgl. GuideNan Wassenhowe 2001; Thomas 2003. Vgl. Kirchgeorg 1999; Souren 2002.
2
Einleitung
Produktkreislaufen ist die Frage verbunden, wie Stoffstr5me geschlossen bzw. Recyclingbetriebe mit Altprodukten versorgt werden k5nnen. In der Praxis zeigt sich, dass ein wesentlicher Sch!Usselfaktor fiir den Erfolg von Produktkreislaufen die Produktriickfiihrung ist. 5 Dabei ist oft weniger die organisatorisch-technische Gestaltung der Rlickflihrung ein Problem. Vielmehr bereiten weiche soziale Faktoren, wie z. B. zu hohe Transaktionskosten flir die beteiligten Akteure, die mangelnde Kundenakzeptanz und infolgedessen ein geringer Rlickfluss, Schwierigkeiten. 6 Die Versorgung mit "Altprodukten" ist aus Unternehmensperspektive eine entscheidende Aufgabe, die eine sorgfaltige Entwicklung, Planung und Kontrolle erfordert. Diese Managementaufgaben sind im Kern die gleichen Aufgaben, die auch im Supply Chain Management erflillt werden mlissen, ergiinzt um kreislaufspezifische Aktivitaten. Mit der Ausgestaltung des Redistributionssystems wird eine Reihe von Bedingungen langfristig festgelegt, z. B. liber den Abgabeort oder liber die Gewiihrung eines monetiiren Anreizes flir die Letztbesitzer. Diese Gestaltungsmerkmale sind fl.ir eine kontinuierliche Versorgung von Altprodukten fiir den Entsorger bestimmend. 7 Die Rlicknahme von Altprodukten liber den Handel (z. B. Druckerkartuschen) ist eine haufig wahrgenommene M5glichkeit, Entsorgungsunternehmen mit Altprodukten zu versorgen. 8 Bei dieser Redistributionsform treten erhebliche Probleme auf, z. B. die zeitliche und quantitative Unvorherbestimmbarkeit der zuriick flieBenden Altprodukte. Das Bediirfnisfeld Textilien ist in hervorragender Weise als Untersuchungsgebiet fiir Kreislaufmanagementprojekte geeignet. Daftlr sprechen folgende Griinden: Zum einen ist die textile Wertsch5pfungskette eine weltumspannende Wertsch5pfungskette und ist daher ein sehr gutes Beispiel flir eine immer weiter zunehmende internationale Arbeitsteilung.9 Diese Entwicklung ist in vielen Branchen beobachtbar und wird im Zuge der Globalisierung auch in anderen Branchen stattfinden. Zum anderen sind mit der
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Thierry etal. 1995; Guide et al. 2003. Morana/Seuring 2003b. Dyckhoff,/Souren/Keilen 2004 und Kirchgeorg 1999. Guide et al. 2003. Myers/Stolton 1999.
Problemstellung
3
textilen Wertschopfungskette nicht nur okologische, 10 sondem auch erhebliche soziale 11 und okonomische 12 Probleme verbunden. Eine Losungsstrategie zur Bewaltigung dieser Probleme ist die Sammlung und das Recycling von Textilien. Die traditionelle Altkleidersammlung weist jedoch einige Probleme auf: z. B. ist das Sammelaufkommen tiicklaufig. Nach Meinung des Umweltbundesamtes konnte sich durch die Einftihrung getrennter Sammlungen und Rticknahmen durch den Handel das Aufkommen an Altkleidem und gebrauchter Haushalts- und Heimtextilien verdoppeln. 13 Zwei Beispiele solcher handelsbasierter Rucknahmesysteme sind ECOLOG und GETEX: • ECOLOG ist die Bezeichnung fiir ein Textilrecycling-Netzwerk, das bei Einsatz sortenreiner Polyestertextilien die Rucknahme der Alttextilien und deren Recycling garantiert. Das Netzwerk wurde 1994 von zwei deutschen Konfektioniiren fiir Sport- und Outdoor-Bekleidung gegtiindet: VAUDE und Sympatex Technologie GmbH. Die Altbekleidung wird im Outdoor- Fachhandel zurtickgenommen. Die zurtickgenommenen Bekleidungstextilien werden im Schmelzverfahren wiederverwertet. • GETEX ist ein System zur Sammlung von Alttextilien. Ziei des Systems ist der kostengtinstige Aufkauf von sauberen und vorsortierten Alttextilien flir den Wiederverkauf nach Afrika und Osteuropa. Die Alttextilien werden bundesweit in 800 sogenannten Ankaufstellen aufgekauft. Die Alttextilverkaufer erhalten jedoch kein Bargeld, sondem Wertgutscheine. Die Hohe der Wertgutscheine bemisst sich nach der Art der gekauften Kleidung und ihrem Zustand.
10 Il
12 13
Ebenda. Vgl. Graatland 2002; Preuss 2001. Vgl. Seuring/Goldbach 2005. Vgl. Umweltbundesamt 1997, S. 208.
4
Einleitung
1.2 Forschungsfragen und Ziele der Arbeit Aus dieser skizzierten Problemlage ergeben sich folgende Forschungsfragen: 1. Wie sieht ein geeignetes Analyseraster aus, um verschiedene Produktkreislaufe ganzheitlich zu beschreiben und miteinander vergleichbar zu machen?
2. Wie funktionieren Produktkreislaufe fiir Konsumgilter, speziell fiir Bekleidungstextilien, die Alttextilien iiber den Handel zuriicknehmen? •
Wie sind die Material- und lnformationsstr5me und Akteursbeziehungen gestaltet?
•
Warum beteiligen sich die Akteure und welche Aufgaben ergeben sich flir sie durch ihre Beteiligung an einem Produktkreislauf?
•
Welche Schlilsselrolle spielt der Annahmeort z. B. der Handel?
•
Welche Vor- und Nachteile entstehen diesen Akteuren durch ihre Beteiligung?
•
Welche Probleme k5nnen mit dieser Art von Produktkreislăufen auftreten?
•
Welche L5sungsm5glichkeiten sehen die beteiligten Akteure flir die von ihnen identifizierten Probleme?
•
Gewahrleistet ein finanzieller Anreiz z. B. fiir den
Hăndler
und den Kunden
einen gr5Beren Riickfluss an Altprodukten? Fiir die genaue Untersuchung und Analyse der Ursachen flir den Erfolg und die Probleme von Produktkreislaufen bedarf es eines Analyserasters, das iiber die Darstellung der Stoff- und Informationsstr5me hinausgeht. Da in der Literatur ein solches Analyseraster bisher nicht vorhanden ist, ist es das Ziei der Arbeit, dieses Analyseraster zu entwickeln und zu testen. Dieses Analyseraster muss in der Lage sein, einerseits die Stoff- und Informationsfliisse des gesamten Produktkreislaufes und andererseits Motivation, Nutzen und Kosten der einzelnen Akteure sowie deren Probleme bei der Gestaltung des Produktkreislaufes zu erfassen. Ziele der Arbeit sind daher •
die Entwicklung eines Analyserasters, um den Vergleich unterschiedlicher Kreislaufsysteme zu erm5glichen
•
die Erprobung und detaillierte Dokumentation dieses Analyserasters an zwei unterschiedlichen Pilotprojekten aus dem Textilbereich.
•
die Identifikation strategischer Problembereiche /Schliisselfaktoren bei der Gestaltung beider Kreislaufsysteme und die Skizzierung von L5sungsm5glichkeiten. Es
Aufbau der Arbeit
5
werden die Griinde, die ursiichlich fiir den Erfolg bzw. Misserfolg der vorgestellten Produktkreisliiufe sind, analysiert und somit hemmende und fordernde Faktoren fl.ir eine Kreislaufftihrung von Altprodukten im Textilbereich destilliert. Diese Griinde dienen gleichermaBen dazu, Ansatzpunkte fiir VerbesserungsmaBnahmen aufzuzeigen. •
Aus der Gegenuberstellung der Ergebnisse beider Fallstudien und der Literaturanalyse eine Ubertragbarkeit der vorgefundenen Ergebnisse auf eine Theorie des Kreislaufmanagements zu iiberpriifen. Ziei ist die Identifikation verallgemeinbarer Ergebnisse, die Ruckschliisse ftir die betriebswirtschaftliche Gestaltung von Produktkreisliiufen fl.ir langlebige Produkte zulassen.
1.3
Aufbau der Arbeit
Die Gestaltung von Produktkreislaufen ist eine Form des Stoffstromrnanagements. Das Stoffstrommanagement umfasst drei Handlungsebenen: die gesellschaftspolitische Ebene, die uberbetriebliche oder kettenweite Ebene und die Ebene der beteiligten Akteure. 14 Auf der staatlich -gesellschaftlichen Ebene werden Rahmenbedingungen gesetzt, die ftir viele sehr unterschiedliche Wertschopfungsketten hinaus gelten. Diese Rahmenbedingungen umfassen sowohl gesetzliche Regelungen als auch Anforderungen von Anspruchsgruppen, die ftir die gesamte Wertschopfungskette relevant sind. 15 Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf die Ketten- und Akteursebene und auf der Kettenebene auf die Interaktionen der Akteure. Auf der Akteursebene werden insbesondere die Produzenten, Hiindler und Konsumenten analysiert. Der konzeptionelle Rahmen der Arbeit basiert daher auf dem Stoffstrom- und Kreislaufmanagement, dem Closed-Loop Supply Chain Management und der Transaktionskostentheorie. Da die Gestaltung von Produktkreislaufen und die Erreichung damit verbundener okonomischer und okologischer Ziele als eine besondere Form des Stoffstrommanagements aufgefasst werden kann, widmet sich das Kapitel 2.1 der Beschreibung des Stoffstrommanagements, seinen Zielen und einer idealtypischen Vorgehensweise.
14 15
Vgl. Enquete-Kommission 1994, S. 594. Vgl. Seuring!MUller 2004, S. 7
6
Einleitung
Hier wird insbesondere auf die Stoffstrom- und Akteursanalyse năher eingegangen. Im Anschluss an Kapitel2.2 folgen eine Beschreibung des Kreislaufmanagements und die Darstellung idealtypischer Produktkreislauf. In diesem Abschnitt werden die einzelnen Phasen und Akteure eines Produktkreislaufs ausfiihrlich beschrieben. Produkte unterliegen in ihrem Lebenslauf wiederholt Transformationen und Transaktionen, welche in diesem Kapitel ebenfalls
năher
beschrieben werden. Produktketten werden in der
Rege! von einem fokalen (dominanten) Akteur bestimmt. Die Riickftihrung von Altprodukten bedarf bestimmter Tlitigkeiten. Die Beschreibung dieser kettenspezifischen Aufgaben erfolgt im Kapitel 2.3 und basiert auf Managementkonzepten wie dem Supply Chain Management und dem Closed-Loop Supply Chain Management. Ziei dieser Managementkonzepte ist eine moglichst effiziente Gestaltung der entsprechenden Wertschopfungsprozesse. Fur den Erfolg eines Produktkreislaufes ist das Verbalten der verschiedenen Akteure und Akteursgruppen bestimmend. Die Motivation und das Verhalten von Akteuren in Stoffstromen lassen sich teilweise mit Hilfe der Transaktionskostentheorie analysieren und verstehen. 16 Die Transaktionskostentheorie wird in Kapitel 2.4 vorgestellt. Diese theoretischen Bausteine bilden die Grundlage fiir das Analyseraster. Die zusammenfassende Darstellung dieses Analyserasters erfolgt in Kapitel 2.5 und bildet den Abschluss des Theorieteils (einen Uberblick liber den Gesamtaufbau der Arbeit verschaffen Abb. 1 und Abb. 2).
16
Vgl. Souren 2003, S. 103 und S. 108.
Aufbau der Arbeit
Gesellschaft
Kette
7
Stoffstrommanagement
StoffKreislaufmanagement Closed-Loop Supply Chain Management
Akteur
Transaktionskosten theorie
...
... ...
•Rahmenbedingungen
• Produkt • Phasen • Verbindungen • Akteure • Aufgaben der Kollektion
• Eigenschaften der zugrunde liegenden Transaktion • Transaktionskosten
Abbildung 1: Bausteine des Theorierahmens
Im Anschluss an den theoretischen Teil erfolgt die Darstellung zweier Fallstudien im Bedurfnisfeld Textilien anhand des zuvor entwickelten Analyserasters. Da die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ftir beide Fallstudien gemeinsam sind, werden diese in Kapitel 3 als eigenstiindiges Kapitel den Fallstudien vorangestellt. In diesem Kapitel wird die globale textile Wertschopfungskette beschrieben und die mit ihr verbundenen okologischen und sozialen Probleme. Ergiinzt werden diese durch Informationen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen, in denen sich die deutschen Akteure befinden, sowie zur globalen wirtschaftspolitischen Situation im Textilbereich. Im Anschluss an diese allgemeine Einflihrung in das Bedurfnisfeld Textilien werden die beiden Fallstudien in Kapitel 4: ECOLOG und GETEX vorgestellt. Bevor naher auf die Fallstudien selbst eingegangen wird, erfolgt in Kapitel 4.1. eine Beschreibung der verwendeten Forschungsmethodik. Da es Ziei des vorliegenden Forschungsvorhabens war, eine moglichst tiefgriindige Analyse von Produktkreislliufen durchzufUhren, wurde zur Beantwortung der Forschungsfragen ein qualitatives Forschungsdesign gewahlt: die Multicase study. Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um ein
8
Einleitung
"Multiple Case Design", da zwei Fallstudien mit mehreren Untersuchungseinheiten untersucht werden. 17 Diese Methode ermoglicht tiefere Einblicke in die Struktur von Produktkreislaufen. 18 lm Unterschied zu bisherigen Forschungsarbeiten im Forschungsfeld Produktkreislaufe beschrankt sich die vorliegende Untersuchung nicht nur auf eine Akteursgruppe, sondem untersucht Produktkreislaufe aus der Perspektive mehrerer Akteursgruppen. Bisherige Forschungsarbeiten konzentrieren sich auf die Analyse von Produktkreislaufen aus der Perspektive der initiierenden Untemehmen (z. B. Produzenten) und vemachlassigen die Annahmestellen (Handel) und Konsumenten. Diese sind aber ebenso Schli.isselakteure wie Hersteller oder Handler. Die vorliegende Arbeit basiert auf einer Literaturanalyse, Vor-Ort-Beobachtungen und teilstandardisierten Interviews mit ca. 100 Personen im Untersuchungszeitraum 20012003. In beiden untersuchten Fallstudien ECOLOG (Kapitel 4.2) und GETEX (Kapitel 4.3) werden Alttextilien i.iber den Einzelhandel zuri.ickgenommen. Der wichtigste Unterschied beider Redistributionsformen ist die Gewahrung eines monetaren Anreizes flir den Altproduktbesitzer. Die Fallstudien werden zunachst hinsichtlich ihrer Stoffstrome, ihrer Kreislaufphasen und der beteiligten Akteure und Akteurskooperationen analysiert. Dieser Beschreibung folgt die Analyse der Motivation und der Tatigkeiten der beteiligten Akteure sowie der aufgetretenen Probleme. Die Analyse der Transaktionseigenschaften erfolgt ebenfalls als Unterkapitel bei der Akteursbeschreibung. Die Ergebnisse werden qualitativ untersucht, ausgewertet und miteinander verglichen. Die Gegeni.iberstellung der in beiden vorliegenden Fallstudien gewonnenen Erkenntnisse (Kapitel4.4) ermoglicht die Formulierung von Verbesserungsmoglichkeiten. Am Ende der Arbeit (Kapitel 5) steht ein Ausblick auf den weiteren Forschungsbedarf.
17
18
Vgl. Yin 2003, S. 39-41. Vgl. Flick 2002, S. 111-112.
Aufbau der Arbeit
Stoffstrommanagement
9
f---+
~
1
Kreislaufmanagement
__,.
Closed -Loop Supply Chain Management
__,.
Transaktionskosten
__,.
Rahmenbedingungen
1-
• Produkt •Phasen • Verbindungen • Akteure
Tltigkeiten 1
Eigenschallen der Tnnsaktionen
1
~
Rahmenbedingungen Textilien
ECOLOG
GETEX
Beschreibung Produkt Phasen ..
Beschreibung Produkt Phasen ..
Akteure
Akteure
. . ~ . r1' 4tlgkellen
jntigkeiten
Trans. Eigenschaften
Trans. Eigenschaften
Abbildung 2: Anwendung des theoretisch hergeleiteten Analyserasters
Management von Stoff- und Produktstr6men
1O
2 Zum Management von Stoff- und Produktstromen: Konzeptionelle Grundlagen 2.1
StotTstrommanagement
2.1.1 Begriffsbestimmung Das Forschungsgebiet des Stoffstrommanagement (SSM), im Englischen am hliufigsten mit Integrated Chain Management (ICM) 19 ubersetzt, ist ein noch relativ junger Forschungsbereich. Der Begriff des SSM wurde Anfang der 1990er Jahre zum ersten Mal erwlihnr 0 und bat durch die Arbeiten der Enquete-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt" vor allem im niederllindischen und deutschen Raum an Popularitlit gewonnen. 21 Unter dem Management von Stoffstromen der beteiligten Ak:teure versteht die Enquete-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt" des Deutschen Bundestages "das zielorientierte, verantwortliche, ganzheitliche und effiziente Beeinflussen von Stoffsystemen, wobei die Zielvorgaben aus dem okologischen und okonomischen Bereich kommen, unter Berucksichtigung von sozialen Aspekten." 22 Dabei werden die Ziele auf betrieblicher Ebene, in der Kette der an einem Stoffstrom beteiligten Akteure oder auf der staatlichen Ebene entwickelt. Obwohl diese Definition bereits 1994 veroffentlicht wurde, gibt es in der Stoffstromdebatte unterschiedliche Auffassungen dariiber, was konkret unter einem Stoffstrommanagement zu verstehen ist. 23
19
20 21 22
23
Vgl. Cramer 1995, Wolters et al. 1997, Boons 1998, Seuring 2004alb, Stoffstrommanagement wird seltener mit Substance Chain Management ilbersetzt. Vgl. Enquete-Kommission 1994, S. 577, Schneidewind 1999, S. 18 und Dykhoff!Souren!Keilen 2004, S. 17. Vgl. De Man 1999, S. 61. Vgl. Seuring/Milller, 2004. Vgl. Enquete-Kommission 1994, S. 549. Als Stoffe k6nnen sowohl chemische Verbindungen oder Elemente als auch gut oder weniger gut definierte Mischungen von Stoffen verstanden werden. Aus Stoffen werden durch den Herstellungsprozess Produkte hergestellt.
Stoffstrommanagement
Il
In der Literatur finden sich Unterscheidungen hinsichtlich: 1. okologischem oder nachhaltigem/4
2. dirigistischem oder kooperativem/ 5 3. betrieblichem, iiberbetrieblichem oder staatlich-gesellschaftlichem, 4. direktem oder indirektem Stoffstrommanagement. Unterschieden werden kann eine enge (okologisches Stoffstrommanagement) und eine weite (nachhaltiges Stoffstrommanagement) Definition des Stoffstrommanagements. Diesen beiden Auffassungen gemein, ist die Analyse und Beeinflussung von Energieund Materialfliissen. Differenzen herrschen iiber die zu verfolgenden Zielkorridore und die Intensitat einer stoffstrombezogenen Akteursanalyse. Zwei Richtungen lassen sich ausmachen: die erste ftihrt von der systematischen Erfassung der Umweltauswirkungen von Produkten, Prozessen und Unternehmen in Form von Checklisten, Okobilanzen hin zur Weiterentwicklung von Produktlinienanalysen. Schwerpunkt dieses Entwicklungspfades war die Bestandsaufnahme und Bewertung der okologischen Auswirkungen menschlicher Aktivitaten. Stoffstrommanagement ist hier die logische Fortentwicklung dieser Instrumente. Betrachtet werden nicht mehr nur die Umweltauswirkungen eines Produktes oder einer Wertschopfungsstufe, sondern die des gesamten Stoffstromes.Z6 Dieses enge Verstandnis eines Stoffstrommanagement bezeichnen De Man und Flatz als okologisches Stoffstrommanagement. Okologisches Stoffstrommanagement ist die okologisch nachhaltige Beherrschung (des Risikos) anthropogen verursachter Stoffstrome.Z 7 Weitere Vertreter sind Henseling und Grieshammer. Sie verstehen unter Stoffstrommanagement die Leitung von Stoffstromen hinsichtlich ihrer Umweltauswirkungen (vgl. Tabelle 1). Die Konzentration auf die okologische Zieldimension mag zum einen pragmatischer Erwagungen geschuldet sein, sich einmal nur auf ein Ziei zu beschranken. Zum anderen ist die Konzentration auf die okologische Zieldimension darauf zuriickzufiihren, dass deren Vertreter aus
24 25
26 27
Quellen siehe Tabelle 1. Quellen siehe Tabelle 2. Vgl. De Man/Flatz 1994, S. 170 und Flatz 1996, S. 52. Vgl. Flatz, 1996, S. 48.
12
Management von Stoff- und Produktstriimen
umwelt- und technisch orientierten Fachrichtungen komrnen. 28 Neben dieser umweltschutzzentristischen Auffassung des Stoffstrommanagements gibt es eine zweite Richtung. Diese zweite Auffassung versteht unter Stoffstromrnanagement ein Management, das liber okologische Ziele hinaus gleichrangig auch okonomische und soziale Ziele verfolgt?9 Diesem Verstăndnis liegt die Auffassung zugrunde, dass globale okologische Probleme nicht
unabhăngig
von den sozialen und okonomischen Proble-
men ge!Ost werden konnen. 30 Hinzu tritt, dass in zunehmendem MaBe, auch die Offentlichkeit auf die sozialen Ungleichheiten in der Produktion von Produkten aufmerksam wird. 31
28
29 30 31
Paralle1 zu dieser Debatte gab es auch einen Diskurs, dariiber, was Nachhaltige Entwicklung bedeutet. Nachha1tiges Wirtschaften hieB ftlr viele Autoren iikologisches Wirtschaften, erst in der letzten Zeit hat sich die Meinung durchgesetzt, dass unter Nachhaltige Entwicklung eine Lebensweise zu verstehen ist, die soziale und iikonomische Ziele mit einschlieBt. Vgl. Harborth 1989. Zur Geschichte der Umweltbewegung vgl. Haseniihrl2003. Vgl. Flatz 1996. Vgl. o. V. 2003 Der Spiegel27/2003, S. 76-90 und Miiller/Seuring, 2004.
Stoffstrommanagement Definition "unter Stoffstrommanagement wird in der Regel die Optimierung ganzer Produktlinien durch die eigenverantwortliche kooperative Anstrengung der relevanten Akteure verstanden." "Stoffstrommanagement ist die zielgerichtete Lenkung und Gestaltung anthropogen induzierter Stoffstri:lme. Eine solche Lenkung vollzieht sich in und durch soziale Systeme (Untemehmen, Haushalte, etc.). Stoffstrommanagement bezieht sich daher auf das stoffstromorientierte Management dieser Systeme. Es ist daher keine naturwissenschaftlich- technische, sondem eine organisatorisch-sozialwissenschaftliche Aufgabe." "Stoffstrommanagement wird hier eine umweltorientierte Optimierung ganzer Produktlinien durch die eigenverantwortliche, kooperative Anstrengung der relevanten wirtschaftlichen Akteure verstanden". "Ressourcen schonender verantwortungsvoller Umgang mit Stoff- und Materialstri:lmen als zentraler Beitrag zu einer Nachhaltigen Entwicklung" Das eigentlich Neue des SSM ist die VerknUpfung einer re in technischi:lkonomischen Perspektive (Stoffstri:lme) mit einer bestimmten Wertvorstellung (Nachhaltige Entwicklung). "Stoffstrommanagement ist (... ) das aktive und effektive, an anspruchsvollen Umweltzielen orientierte produktlinien- und medienUbergreifende Beeinflussen von Stoffstri:lmen". "lntegrated Chain Management is "the improvement of the ecological performance of an exist ing product" "Stoffstrommanagement steht fUr die Optimierung dieses Umgangs entlang der Produktlinie, fUr die Verbesserung der Ressourceneffizienz, angefangen von der Rohstoffgewinnung bis zum Recycling. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Produktgestaltung und Produktnutzung (inkl. Wartung, Service, Reparatur und Modemisierung).
13 Autor de Man 1996, S.10
Flatz 1996, S. 48
Henseling 1998,
s. 17.
Brickwedde 1999,
s. 13-32
Grieshammer 1999,
s. 70.
Boons 1998, S. 22 haw Hamburg 2002 33
Tabelle 1: Definitionen zum iikologischen Stoffstrommanagement
Quelle: eigene
32
33
Er schreibt weiter: "Grundlage des Stoffstrommanagements ist die Einbeziehung der gesamten Produktionslinie von der Rohstoffgewinnung Uber die Produktions- und Gebrauchsphase bis zu Entsorgung. Durch diese ganzheitliche Ubergreifende Betrachtung "von der Wiege bis zur Sahre" sollen die Verflechtungen der Stoffstrome transparent gemacht werden und darauf aufbauend Strategien zur Verminderung der Ressourcen Inanspruchnahme entwickelt und umgesetzt werden. Stoffstrommanagement ist damit m.a.W. die Uberbetriebliche Perspektive des Umweltmanagements und des produkt- und produktionsintegrierten Umweltschutzes. Im Mittelpunkt stehen dabei unterschiedliche Methoden der Stoffstromanalyse und -bewertung." Brickwedde 1999, S. 13. http://www.hawHamburg.de/m!Lehrinhalte/Studiengang_Maschinenbau/Stoffstrommanagement/ stoffstrommanagement.html
14
Management von Stoff- und ProduktsWmen
Die wesentlicben Vertreter eines nachhaltigen Stoffstrommanagements sind die Enquete-Kommission, das Umweltbundesamt sowie Schneidewind und Friege. (s. bierzu Tabelle 3). Definitionen "Unter dem Management von Stoffstr6men der beteiligten Akteure wird das zieiorientierte, verantwortliche, ganzheitliche und effiziente Beeinflussen von Stoffsystemen verstanden, wobei die Zielvorgaben aus dem Okologischen und Okonomischen Bereich kommen, unter Berllcksichtigung von sozialen Aspekten." Die Ziele werden aufbetrieblicher Ebene, in der Kette der an einem Stoffstrom beteiligten Akteure oder auf der staatlichen Ebene entwickelt. "The objective of lntegrated Chain Management is to ensure that substance cycles in produci chains are manage in an environmentally socially and economically re~nsible manner." lntegrated Chain Management is "the incorporation of sustainability considerations into supply chains and related networks." ,,Zur Realisierung der Aufgaben einer Stoffpolitik ist das zielorientierte, verantwortliche, ganzheitliche und effiziente Beeinflussen von StoffstrOmen oder Stoffsystemen erforderlich. Eine solche Vorgehensweise wird als Stoffstrommanagement bezeichnet. Hierbei mUssen neben Okologischen auch Okonomische und soziale Aspekte berUcksichtigt werden." "Beim Management von StoffstrOmen gilt es, ausgehend von der Stoffstromanalyse Uber ei ne mOglichst umfassende, dabei aber nachvollziehbare Bewertung des Stoffstromes von seiner "Entstehung" bis zur "Vemichtung", Ziele auf den genannten drei Ebenen zu entwickeln" (Gemeint sind die Okologisch begrllndeten Regeln und Ziele auf betrieblicher, regionaler und globaler Ebene). "Stoffstrommanagement ist der Versuch, die StoffstrOme entlang der gesamten WertschOpfungskette unter Okologischen und Okonomischen (sowie sozialen) Kriterien zu optimieren".
Autor EnqueteKommission 1994, s. 549.
Cramer 1995,
s. 38.
Wolters et al. 1997, s. 121. Umweltbundesamt 1998, S. 176.
Friege 1999, s. 28.
Schneidewind 1999, s. 18-19.
Tabelle 2: Definitionen zum nacbba1tigen Stoffstrommanagement Quelle: eigene
Neben den verscbiedenen Auffassungen darUber, welcben Zieldimensionen ein Stoffstrommanagement zu folgen bat, zeigen sicb in den verscbiedenen Definitionen aucb Unterschiede hinsichtlich der
Intensităt
der Analyse und dem Management von
Akteursgruppen und Kooperationen. Bereits 1994 bat die Enquete-Kommission darauf hingewiesen, dass ein wesentliches Merkmal des Stoffstrommanagements, die "Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure, die an der Herstellung, dem Vertrieb und der Entsorgung von Produkten beteiligt sind, darstellt. Desbalb muss idealerweise jede stoffstrombezogene Analyse
Stoffstrommanagement
15
durch eine ak:teursbezogenen Analyse ergii.nzt werden, die die Akteure, die die Stoffe umsetzen und ihre Beziehungen zueinander analysiert? 4 Dieser Trend von einer eher stoffstrombezogenen hin zu einer starken akteursbezogenen Betrachtung hat sich verstarkt. Flatz definiert Stoffstrommanagement wie folgt: "Okologisches Stoffstrommanagement wird daher als ak:teursbezogener Ansatz zur Lenkung der Stoffstrome in eine umweltvertriigliche Richtung verstanden." 35
Verstiindnis
naturwissenschaftlichtechnische Vertreter Organisatorisch-sozialwissenSchaftliche Vertreter
Zie1dimensionen Oko1ogie !\ko1ogisches Stoffstrommanagement Ferus,/ Jakubczick Grieshammer, Brickwedde De Man et al37 Henseling 38 Flatz
Okologie, Okonomie, Sozial nachhaltiges Stoffstrommanagement Friege36
Enquete-Kommission Schneidewind
Tabelle 3: Ricbtungen des StotTstrommanagements Quelle: eigene
Das Wissen um die an einer Wertschopfungskette beteiligten Akteure, ihrer Ziele, Interessen und Motivation wird als wesentlich vorausgesetzt, um die Wertschopfungskette zu beeinflussen. 39 Das Stoffstrommanagement stellt hier eine neue Form der Untemehmenskooperation dar. 40 Die Rolle der verschiedenen Akteure, die Kommunikations- und Kooperationsformen sowie die Organisationsmethoden und -modelle bediirfen bei diesem Verstiindnis des Stoffstrommanagement einer tieferen Betrachtung als bei einer rein naturwissenschaftlichen-technischen Auffassung. 41
34
35
36 37
38 39 40 41
Vgl. Enquete-Kommission 1994, S. 557, 561 und 569. Vgl. Flatz 1996, S. 48. Vgl. Friege 1999, S. 27-48. Vgl. De Man!Haralabopoulou!Henseling 1998, S. 20-33 und De Man/Claus 1998, S. 72 ff. Vgl. Henseling 1996, S. 13-15 und Henseling 1999, S. 49-60. Vgl. Flatz 1996. Siehe Beitrăge in Schneidewind et al. 2003. Vgl. Schneidewind 2003, und Schneidewind/Goldbach 2002.
16
Management von Stoff- und Produktstrllmen
Gemeinsam sind diesen verschiedenen Auspragungen die Analyse und das Management von Stoffen von der Wiege bis zur Bahre. Daftir ist die Kenntnis der Stoff- und Materialfliisse und der beteiligten Akteure notwendig. 42 Weiter wird der Begriff des Stoffstrommanagements dahingehend differenziert, auf welcher Ebene die Stoffe gemanagt werden. Drei Handlungsebenen des Stoffstrommanagement sind zu unterscheiden:
43
1. Das staatlich-gesellschaftliche Stoffstrommanagement setzt auf der staatlichgesellschaftlichen Handlungsebene Rahmenbedingungen. Dies umfasst sowohl gesetzliche Regelungen als auch Anspriiche von Anspruchsgruppen, die fiir die gesamte Wertschopfungskette relevant sind. 44 Da bei grenziiberschreitenden Stoffstromen nationale Vorgaben zum Stoffstrommanagement nur bedingt greifen und daher internationale Vereinbarungen getroffen werden miissen, umfasst die staatlich-gesellschaftliche Ebene auch die Vereinbarungen intemationaler globaler Abkommen. 45 2. Das iiberbetriebliche Stoffstrommanagement versteht dahingegen das Management von Stoffstromen durch verschiedene wirtschaftliche Akteure in einer Produktkette.46 In vielen Wertschopfungsketten gibt es wenige machtige Akteure, sogenannte fokale Untemehmen, denen eine besondere Verantwortung fiir die Steuerung der Stoffstrome in der gesamten Wertschopfungskette zukommt. Fokale Untemehmen werden dabei hiiufig von zwei Merkmalen bestimmt, zum einen von ihrem Zugang zum Endverbraucher und zum anderen davon, ob sie die Kette organisieren und beherrschen. 47 Als Beispiel sei auf den Einfluss groBer Handelsunternehmen hingewiesen, die ihrer Verantwortung fiir die nachhaltige zukunftsvertriigliche Entwicklung dadurch nachkommen konnen, dass sie ihre Einkaufs-
42 43
44 4S 46 47
Vgl. Seuring 2004b. Ebenda S. 550. Vgl. Seuring/MUller 2004, S. 5; Seuring 2004a. Zur Rolle des Staates vgl. Henseling 1996, S. 13-14. Vgl. Friege 1999, S. 36. Vgl. Handfield/Nichols 1999, S. 18; Schary, P./Skjott-Larson, T. 2001; Busch/Dangelmeier 2004, S. Il.
Stoffstrommanagement
17
politik und Sortimentsgestaltung auch an sozialen und okologischen Kriterien orientieren. 48 3. Das betriebliche Stoffstrommanagement sowie die Handlungsebene des einzelnen Akteurs beschreibt die in Unternehmen durchgefilhrte Strategie zur Gestaltung von innerbetrieblichen Stoffstromen, die mit Hilfe von normierten Managementsystemen wie der ISO 14001 oder EMAS, durchgefilhrt werden kann. In diesem Rahmen wird auch eine Stoff- und Energiebilanzierung vorgenommen. Weiter kann Stoffstrommanagement dahingehend unterschieden werden, ob die Akteure direkt oder indirekt die Stoffkette beeinflussen. Direktes Stoffstrommanagement liegt vor, wenn beispielsweise auf der staatlichen Handlungsebene Stoffe mit hohem gesundheitlichem oder okologischem Geflihrdungspotential verboten werden. Auch Kaufboykotte bestimmter Produkte greifen direkt auf die Wertschopfungskette. Indirektes Stoffstrommanagement liegt vor, wenn die Stofffliisse durch geeignete Rahmenbedingungen beeinflusst werden, wie z. B. durch die Setzung von Umweltqualitatszielen oder Dokumentationspflichten fl.lr den Verbleib von Stoffen, Haftungsregeln, offentlich rechtlich wirksamer Vereinbarungen mit Unternehmen oder Unternehmensverbanden. 49 Stoffstrommanagementprojekte konnen aus unterschiedlichsten Gri.inden initiiert werden. Anstol3 ftir die Durchftihrung von Stoffstrommanagementprojekten kann auf der staatlich-gesellschaftlichen Ebene ein vorhandenes oder ein vermutetes Umweltproblem
sein. 50
Die
Motivation,
sich
mit
Stoffstrommanagementprojekten
auseinanderzusetzen, kann auf lmpulse auf der staatlich-gesellschaftlichen Ebene beruhen. So konnen gesetzgeberische Mal3nahmen, wie z. B. das Kreislaufwirtschaftsgesetz, die Altauto-Verordnung oder Mal3nahmen internationaler gesellschaftlicher Organisationen und Umweltgruppen Stoffstrommanagementprojekte auslosen. Ein Teil des Druckes kommt nicht aus der traditionellen nationalen Umweltpolitik, sondern stammt vielmehr aus der Sphare von Nichtregierungsorganisationen (NGO).
48 49 50
Vgl. Friege 1999, S. 36. Vgl. Enquete-Kommission 1994, S. 549. Vgl. Umweltbundsamt 1998, S. 178 ff.
18
Management von Stoff- und Produktstromen
Eine bewusste Strategie solcher Organisationen ist konkrete Unternehrnen (z. B. Shell, Hochst, Nike) in den offentlichen Fokus zu stellen und Verbindungen zwischen den Unternehmen entlang der Wertschopfungskette der Offentlichkeit bewusst zu machen. 51 Umweltverbănde stellen einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Kahlschlag russischer Wălder und einem deutschen Verlagshaus dar. 52 Manchrnal sind Ausloser fiir Stoffstrommanagementprojekte
măchtige
Akteure in der WertschOp-
fungskette, die ihre Zulieferer iiberzeugen, sich an solchen Projekten zu beteiligen. 53 Auch eine
verănderte
Kundennachfrage kann zu Stoffstrommanagementprojekten
ftihren, etwa dann, wenn z. B. Kunden Bekleidungstextilien wiinschen, die nicht von Kinderhănden
produziert werden. Und schlieB!ich kann der Ausloser betriebsintern
sein. Diese betriebsinternen Griinde konnen im personlichen Engagement von Unternehmern, in der Unternehmenskultur, in der Erwartung von Kostenvorteilen oder aus Griinden der Qualitătssicherung liegen. 54 2. 1.2 Ziele des Sto.lfstrommanagements
Die Ziele eines nachhaltigen Stoffstrommanagements, sei es aufbetrieblicher, Ketten-, oder staatlicher Ebene, orientieren sich am Leitbild des Sustainable Development, welches auf der UN-Konferenz fiir Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro 1992 von 178 Staaten ratifiziert wurde. 55 Das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung zielt vor dem Hintergrund bedrohlicher globaler Umweltprobleme und eines wachsenden
Nord-Siid-Gefălles
darauf ab, die natiirlichen Lebensgrundlagen zu
sichern und gleichzeitig die Befriedigung der Grundbediirfnisse ftir die heute und in der Zukunft lebenden Menschen zu ermoglichen. 56 Spătestens seit 1994 ist das Leitbild SI
52 53
S4
ss
56
Vgl. Mohr/Schneidewind 1995, Friends ofthe Earth/BUND/ pro natura 2002, Seuring!Goldbach 2005. Vgl. Klement 2001. Vgl. Beck 2003. Vgl. De Man!Haralabopoulou!Henseling 1998, S. 20-26. Seit 1994 ist dieses Ziei auch im Art 20 a des deutschen Grundgesetzes verankert: "Der Staat schUtzt auch in Verantwortung ftlr die kUnftigen Generationen, die natUrlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsmliBigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach MaBgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung." Art. 20 a GG vom 23.5.1949 BGBL S.l BOB III/FNA 100-1. Vgl. Wollny et al. 1999, S. 5.
Stoffstrommanagement
19
der nachhaltigen Entwicklung gesellschaftlich anerkannt. 57 Leitbilder sind grundsatzlich nicht quantifizierbar, denn sie biindeln Ziele, Traume, Visionen und Hoffnungen von Menschen. Sie reduzieren filr das Individuum und filr
Sozietăten
die Komplexillit
von Welt und strukturieren die Aktivit!iten in einzelnen Handlungsfeldem. 58 Es gibt liber 70 verschiedene Definitionen des Begriffes des Sustainable Developement in der Literatur. 59 Den verschiedenen Auffassungen liber den Begriff der nachhaltigen Entwicklung sind nachfolgende Erkenntnisse gemein: 60 • Der Schllissel filr die Gestaltung nachhaltiger Entwicklungsprozesse liegt in der Auseinandersetzung mit den menschlichen Bedilrfnissen, sowohl der gegenw!irtigen als auch der zukiinftigen Generationen (intergenerative Gerechtigkeit). •
Gleichzeitig ist hiermit die ethische Forderung nach einem Ausgleich zwischen Industrie- und Entwicklungsl!indem verbunden (intragenerative Gerechtigkeit).
• Die Einsicht verknlipft, dass okonomische, okologische und soziale Aspekte notwendig als eine Einheit zu sehen sind (integrativer Aspekt). Das Bekenntnis zu einer nachhaltigen Entwicklung bat eine okologische, eine okonomische und eine soziale Dimension. Ziei ist es, ein Gleichgewicht zwischen diesen drei Aspekten unter Berilcksichtigung der wechselseitigen Abh!ingigkeiten herzustellen. Fiir dieses Leitbild hat 1998 die Enquete-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt" ftir die jeweiligen drei Dimensionen Leitlinien (Regeln und Ziele) formuliert. Da ein nachhaltiges Stoffstrommanagement sich an diesem Leitbild orientiert, gelten auch die nachfolgend von der Enquete-Kommission formulierten Ziele und Rege in fiir ein Stoffstrommanagement. 62 Die Vertreter des Ansatzes einer nachhaltigen Entwicklung stellen aus einer normativen Sicht heraus Oberziele der intra- und intergenerativen Gerechtigkeit und die Sicherung einer dauerhaften
l7 l8 l9 60
61
62
Vgl. WCED, 1987. Vgl. Brand 1997, Hochst Nachhaltig, S. 31. Vgl. JUdes 1997, S. 26-29. Vgl. KanningiMUller 2001: Zusammenstellung aus Matten/Wagner 1998; Zabel 1999; Meffert/Kirchgeorg 1998. Siehe auch aus SeuringiMUller, 2004, S. 6. Vgl. Enquete-Kommission, 1994, S. 549. Vgl. Friege 1999 S. 27-48.
20
Management von Stoff- und Produktstrllmen
Wohlstandsentwicklung an den Ausgangpunkt ihrer Argumentation. Dieser Ansatz basiert auf einer primlir anthropozentrisch ausgerichteten Umweltethik.
63
Der offentliche Diskurs in Deutschland wird von der Frage der Anpassung der Volkswirtschaft an globale Prozesse und von der Zukunft sozialer Sicherungssysteme beherrscht. Fiir die Enquete-Kommission geht es bei den okonomischen Leitlinien darum, "Bedingungen zu schaffen und zu erhalten, die ein moglichst gutes Versorgungsniveau hervor bringen konnen. Zwischenziel ist die Sicherung der Wettbewerbs- und Marktfunktion". 64 Die folgenden Regeln betonen einerseits die Funktion von Markt und Wettbewerb, sehen aber in den okonomischen Zielen keinen Selbstzweck sondem die dahinter stehenden sozialen und okologischen Ziele, die als Gemeinwohl zu subsumieren sind. 65 Als okonomische Ziele werden genannt: 1. Das okonomische System soli individuelle und gesellschaftliche Bediirfnisse effizient befriedigen. Dafl.ir ist die Wirtschaftsordnung so zu gestalten, dass sie die personliche Initiative f6rdert (Eigenverantwortung) und das Eigeninteresse in den Dienst des Gemeinwohls stellt (Regelverantwortung), um das Wohlergehen der derzeitigen und zukiinftigen Bevolkerung zu sichem. Es soli so organisiert sein, dass auch gleichzeitig die iibergeordneten Interessen gewahrt werden. 2. Preise miissen dauerhaft die wesentliche Lenkungsfunktion auf Mlirkten wahr nehmen. Sie sollen dazu weitgehend die Knappheit der Ressourcen, Senken, Produktionsfaktoren, Giiter und Dienstleistungen wiedergeben. 3. Die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs sind so zu gestalten, dass funktionsfahige Mlirkte entstehen und aufrechterhalten bleiben, Innovationen angeregt werden, dass langfristige Orientierung sich lohnt und der gesellschaftliche Wandel, der zur Anpassung an kiinftige Erfordemisse nOtig ist, gef6rdert wird. 4. Die okonomische Leistungsfahigkeit einer Gesellschaft und ihr Produktiv-, Sozialund Humankapital miissen im Zeitablauf zumindest erhalten werden. Sie sollten
63 64
65
Vgl. Kirchgeorg 1999, S. 167. Vgl. Enquete-Kommission 1998, S. 48; Future e.V. 1999, S. 3. Vgl. Friege 1999, S. 27-48.
Stoffstrommanagement
21
nicht bloB quantitativ vermehrt, sondern vor allem auch qualitativ st1i.ndig verbessert werden. Fur den sozialen Zielkorridor werden folgende Ziele formuliert: 66 1. Der soziale Rechtsstaat soli die Menschenwtirde und die freie Entfaltung der Personlichkeit sowie Entfaltungschancen flir heutige und zuktinftige Generationen gewiihrleisten, um auf diese Weise den sozialen Frieden zu bewahren. 2. Jedes Mitglied der Gesellschaft erh1ilt Leistungen von der solidarischen Gesellschaft entsprechend geleisteter Beitrage flir die sozialen Sicherungssysteme, entsprechend der Bedtirftigkeit, wenn keine Ansprtiche an die sozialen Sicherungssysteme bestehen. 3. Jedes Mitglied der Gesellschaft muss entsprechend seiner Leistungsfahigkeit einen solidarischen Beitrag flir die Gesellschaft leisten. 4. Die sozialen Sicherungssysteme konnen nur in dem Umfang wachsen, wie sie auf ein gestiegenes wirtschaftliches Leistungspotential zurtickgehen. 5. Das in der Gesellschaft insgesamt und in den einzelnen Gliederungen vorhandene Leistungspotential soli flir ktinftige Generationen mindestens erhalten bleiben. Ftir den okologischen Zielkorridor bedeutet das, dass ein Hauptziel des Stoffstrommanagements die Senkung der Umweltbelastungen durch Minimierung bzw. Optimierung von Stoffstromen ist. Dies kann, neben anderen Moglichkeiten, durch eine Verringerung des Rohstoff- und Energieeinsatzes sowie der Vermeidung oder Substitution problematischer Stoffe, durch eine Verhinderung der Luft-, Wasser-, Bodenverschmutzung und Reduzierung des Abfallaufkommens erfolgen. 67 1. Die Abbaurate erneuerbarer Ressourcen soli deren Regenerationsrate nicht tiberschreiten. Dies entspricht der Forderung nach Aufrechterhaltung der okologischen Leistungsfahigkeit, d. h. (mindestens) nach Erhaltung des von den Funktionen her definierten Realkapitals.
66 67
Vgl. Enquete-Kommission 1998, S. 51-52. Vgl. De Man et al. 1998, S. 20; Friege 1999, S. 32 mit Bezug aufEnquete-Kommission 1994, s. 42-54.
22
Management von Stoff- und Produktstriimen
2. Stoffeintrage in die Umwelt mussen sich an der Belastbarkeit der als Senken dienenden Umweltmedien orientieren, wobei alle Funktionen zu berucksichtigen sind, nicht zuletzt auch die stille und empfindlichere Regelungsfunktion. 3. Nicht emeuerbare Ressourcen sollen nur in dem Umfang genutzt werden, in dem ein physisch und funktionell gleichwertiger Ersatz in Form emeuerbarer Ressourcen oder hoherer Produktivitat der emeuerbaren sowie der nicht emeuerbaren Ressourcen geschaffen wird. 4. Das ZeitmaJ3 anthropogener Eintrage bzw. Eingriffe in die Umwelt muss in einem ausgewogenen Verhaltnis zu der Zeit stehen, die die Umwelt zur Reaktion benotigt. 5. Gefahren und unvertretbare Risiken ftir die menschliche Gesundheit durch anthropogene Eingriffe sind zu vermeiden. Die wichtigsten okologischen Ziele sind der Schutz der Erdatmosphare (Klima und Ozonschicht), des Bodens, der SiiBwasserressourcen, der Meere und der Kustengebiete, des Wal des, empfindlicher Okosysteme, der biologischen Vielfalt und Bekampfung der Wiistenbildung. 68 Die SchlieBung von Stoftkreislaufen wird von einigen Autoren als ein Ziei, wenn nicht gar als das Hauptziel des Stoffstrommanagements angesehen. 69 Im Gegensatz dazu argumentieren einige Okonomen, dass die SchlieBung von Stoftkreislaufen speziell durch die Wiederverwendung zu einem Ansteigen der Gesamtnachfrage ftihren kann und infolgedessen zu einem steigenden Ressourcenverbrauch. So argumentiert Fox, dass die Wiederverwendung den Primarmarkt unterstUtzen und fdrdem kann. Gebrauchte Konsumprodukte konnen zu fliissigem V ermogen werden, welches die Konsumenten leicht verauBem konnen. Dadurch steigt die Gesamtwohlfahrt und infolgedessen die Gesamtnachfrage. Es ist auch darauf zu achten, dass der Nettoeffekt der Kreislaufwirtschaft positiv
ausfăllt.
Ein GroBteil der Umweltauswirkungen ist
durch die Verwendung und den Gebrauch der KonsumgUter zu beobachten und nicht durch die Herstellung und die Deponierung. Wird nun ein altes, sehr stark Ressourcen 68
Eine detaillierte Beschreibung von Umweltzielen des Stoffstrommanagements findet sich bei Henseling 1998, S. 27-33.
Stoffstrommanagement
23
verbrauchendes Produkt durch ein neues Produkt ersetzt, dann kann der Nettoeffekt zu Ungunsten der Wiederverwendung ausfallen. 70 Die soeben vorgestellten gesamtwirtschaftlichen okologischen, okonomischen und sozialen Ziele miissen auf die Ketten und auf betriebliche Handlungsebenen heruntergebrochen werden, auch wenn seit Rio zunehmend klar geworden ist, dass sich das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung nicht unmittelbar fiir die Ebenen des globalen, nationalen, regionalen, lokalen und individuellen Handelns operationalisieren liisst. Eine nachhaltige Wirtschaft und Gesellschaft Hisst sich nicht anhand exakter Kriterien steuem. "Es muss vielmehr von zukunftsbezogenen Lemen, Suchen und Gestalten ausgegangen werden, die sich notwendigerweise durch ein MaB an Offenheit und Unsicherheit auszeichnen. 71 Minsch und seine Koautoren sprechen daher von der nachhaltigen Entwicklung als regulative Idee. 12 Im Stoffstrommanagement erfahren diese okologischen, okonomischen und sozialen Leitlinien eine kettenspezifische Auspragung, indem Akzente dort gesetzt werden, wo die Moglichkeiten einzelner Untemehmen begrenzt sind. Dies betrifft ftir die okologischen Leitlinien beispielsweise die Ziele •
einer okologischen Produktoptimierung (wie z. B. recyclingfahige Textilien), die sowohl die Herstellung als auch die Entsorgungsphase enthalten,
•
der Entwicklung umweltbezogener Produkt- und Verpackungsinnovationen inkl. der Gestaltung von Verpackungen,
•
der okologischen Sortimentsgestaltung und Distributionslogistik (Handel),
•
der Optimierung der Verwertung und Entsorgung.
Eine charakteristische Form des Stoffstrommanagements ist die projektbezogene Verwertung und Entsorgung. Der Produzent organisiert eine optimale Verwertung und Entsorgung seines Produktes nicht nur durch Optimierung des Produktdesigns, sondern auch durch eine Kooperation mit Entsorger und Verwerter. 73 69 70
71
72 73
Vgl. Wolters et al. 1997, Thomas 2003, S. 66. Vgl. Thomas 2003, S. 66. Umweltbundesamt 2002 S. 1-2. Vgl. Minsch et al. 1998. Vgl. Future e.V. 1999.
24
Management von Stoff- und Produktstr6men
Fi.ir die sozialen Ziele des Stoffstrommanagements bedeutet dies, dass z. B. darauf zu achten ist, dass von den beteiligten Akteuren soziale Mindeststandards, also Regelungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen, umgesetzt werden. 74 Solche sozialen Menschenrechte fur den Arbeitsplatz wurden in verschiedenen relevanten Konventionen der Intemationalen Arbeitsorganisation (IAOIILO) ausformuliert. Diese betreffen beispielsweise. die Einhaltung von Kemarbeitsnormen, aher auch die Forderung nach Zahlung gleicher Lohne unabhiingig von Religion, Rasse und Geschlecht sowie soziale Absicherung und Abbau von Einkommensunterschieden. 75 Ziele: Ebene Gesamt
Stoffkette
Akteure
Okologie
Okonomie
Sozial
Senkung des Ressourcenverbrauchs Abfallaufkommen Senkung des Ressourcenverbrauchs und Abfallaufkommen Ressourcenverbrauch betriebliches Abfallaufkommen
Effizienz Kostensenkung
Soziale Gerechtigkeit Mindeststandards
Transportkosten senken Transaktionskosten
Mindeststandards
Markt- und Wettbewerbsziele Flexibilitllt Sicherheit Erfolg
Mindeststandards Mitarbeiterbeteiligung
Tabelle 4: Ziele und Ebenen des Stoffstrommanagement Quelle: eigene
74 75
Vgl. Graafland 2002; Preuss 2001. Die Kernarbeitsnorrnen (KAN) k6nnen als international vereinbarte Minimalrahmenbedingungen fUr Arbeitsmărkte angesehen werden, da alle Mitglieder der lnternationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organisation ILO) unabhăngig davon, ob sie die einzelnen Obereinkommen ratifiziert haben, angehalten sind, die Norrnen zu respektieren. 1998 vereinbarten die Mitgliedsllinder der ILO, verschiedene seit ihrer GrUndung 1919 entwickelte Konventionen zusammenzufassen, um fundamentale Arbeitnehmerrechte zu definieren. Die KAN umfassen die folgenden vier Bereiche, die in insgesamt 8 Obereinkommen festgelegt wurden: Vereinigungsfreiheit und Schutz des Vereinigungsrechts der Arbeitnehmer, Verbot der Zwangsarbeit, Verbot der Diskriminierung im Hinblick auf Beschllftigung und Berufsausiibung, Abschaffung von Kinderarbeit.
Stoffstrommanagement
25
2.1. 3 Schritte im Stoffstrommanagements 2.1.3.1 Uberblick Fiir die Analyse von Stoffstromprojekten eignet sich die von der Enquete-Kommission entwickelte Vorgehensweise fiir die Einfiihrung und Gestaltung von Stoffstrommanagementprojekten. Diese Vorgehensweise folgt den Schritten Zielfestlegung, Stoffstrom- und Akteursanalyse, Stoffstrombewertung, Strategieentwicklung, Umsetzung und Erfolgskontrolle (vgl. Abbildung 3). 76 Im Stoffstrommanagement bilden Zielfestlegung, Stoffstromanalyse, Stoffstrombewertung und Strategieentwicklung den Prozess der Entscheidungsvorbereitung. Fiir die Analyse von Stoffstrommanagementprojekten werden insbesondere die Stoffstrom- und Akteursanalyse verwendet, dennoch werden der Vollstandigkeit halber alle Schritte kurz skizziert, um dann ausftihrlicher auf den zweiten Schritt einzugehen. Der erste Schritt eines Stoffstrommanagementprojektes ist die Festlegung der zu verfolgenden Ziele, die durch das Stoffstrommanagement erreicht werden sollen. Diese entstarnmen den okologischen, okonomischen und sozialen Zielkorridoren, wie sie im Kapitel 2.1.2 bereits vorgestellt wurden. Gleichzeitig milssen auch die aktuellen Rahrnenbedingungen und ihre Verlinderbarkeit festgestellt werden. 77 Der niichste Schritt, die Stoffstrom- und Akteursanalyse dient im Wesentlichen der Schaffung einer fundierten Grundlage ftir die weiteren Schritte im Stoffstrommanagement. Die Stoffstrom- und Akteursanalyse unterteilt sich in drei weitere Analyseschritte: Neben der Festlegung, welche Stoffe untersucht werden, wird die Struktur der Stoffstrome und ihre Quantifizierung untersucht.
76 77
Vgl. Enquete-Kommission 1994, S. 459; Gab1er 2000, S. 555. Vgl. GrieBhammer 1996.
26
Management von Stoff- und Produktstr5men
Im Einzelnen geht es dabei um die Fragen:
78
•
Welche Stoffstrome sind relevant?
•
Wie ist die Struktur der Stoffstrome?
•
In welchen Mengen werden die Stoffe urngesetzt, aus der Umwelt entnommen und in die Umwelt eingetragen?
•
Welche Stoffe flieBen in welchen Mengen von wo nach wo (Quantifizierung und Qualifizierung)?
Wird nicht nur ein Stoff oder eine Stoffgruppe analysiert, sondem beispielsweise ein Produkt, eine funktionale Einheit 79 oder ein Bedilrfnisfeld, so ist eine Vorabklărung und Auswahl der relevanten Stoffe und Produkte erforderlich. Wesentliches Merkmal einer Stoffstromanalyse ist deren moglichst urnfassender ganzheitlicher Charakter. Ansatzpunkt der Analyse sind nicht notwendigerweise die Emissionen einzelner Schadstoffe oder einzelner Anlagen sondem die Stoffstrome als Ganzes sowie die relevanten Wechselwirkungen zwischen Stoff- und Giiterstromen. Aus der quantitativen Darstellung der Stoffstrome und den daraus resultierenden Emissionen in die Umwelt, lassen sich mit einer solchen systematischen Sichtweise auch die wesentlichen Ansatzpunkte flir MaBnahmen erkennen. Beispielsweise konnen neben der Hohe des Stoffeintrags in die Umwelt auch die wesentlichsten Emissionsquellen, 80 und auch die damit verbundenen Schăden und Kosten 81 festgestellt werden. Die Analyse und Darstellung der sozialen Auswirkungen, die mit der Herstellung von Stoffen und Produktgruppen verbunden sind, gehoren ebenfalls zur Stoffstromanalyse. Das Ergebnis solcher Analysen sind Stoffflilsse, die vielfach in Form sogenannter Wertschopfungsketten visualisiert werden. Der Begriff der Wertschopfungskette hat seinen Ursprung im Konzept der Wertkette von Parter und bezog sich urspriinglich nur auf
78
79 80 81
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Enquete-Kommission 1994, S. 556. Schneidewind 1995. Enquete-Kommission 1994, S. 557. Schaltegger/Burritt 2000, S. 236.
Stoffstrommanagement
27
die unternehmensinteme Leistungserstellung, wird aber auch flir die graphische Darstellung des Produktlebenslaufs verwendet. 82
1
Ziele: okologisch, okonomisch, sozial Zielfestlegung
1
1
Stoffstrom- und Akteursanalyse Stoffanalyse: Auswahl relevanter Stoffstrome Strukturanalyse der Stoffstrome Quantifizierung der Stoffstrome
Stoffstrom bewertung Operationalisierung v. Zielen: lndikatoren Soll-lst-Vergleich (anhand der lndikatoren) Festlegung von
Priorităten
fur MaBnahmen 1
Entwicklung von Strategien Auswah l von Operationen!MaBnahmen Wirkungsanalyse der MaBnahmen Bewertung und Entscheidung ilber MaBnahmen 1
Durchftibrung und Kontrolle Abbildung 3: Schritte eines Stoffstrommanagements Quelle: Enquete-Kommission 1994, S. 556.
In der vorliegenden Arbeit bezieht sich der Begriff der Wertschopfungskette auf die Darstellung des Produktlebenslaufes von der Rohstoffentnahme bis zur Entsorgung der Stoffe. Unterschieden wird zwischen horizontalen (Konkurrenz, Marktftihrer, Anspruchsgruppen) und vertikalen (Produktlebenszyklus von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung) Strukturen der Wertschopfungskette83
82
83
Porter geht davon aus, dass in einem Untemehmen die sogenannten Primar- und unterstiltzenden Aktivităten optimal verknilpft werden milssen, um eine Wertschopfung zu ermiiglichen, die den Markterfolg von Untemehmen sicherstellt. Vgl. Porter 1999, S. 63-96 und Goldbach 2003, S. 10. Vgl. De Man 1998, S. 72-85.
28
Management von Stoff- und ProduktstrOmen
Nach diesem Schritt erfolgt eine Stoffstrombewertung hinsichtlich der Frage, ob die mit den Stoffstr5men verbundenen Wirkungen im Hinblick auf die zuvor gesetzten Ziele akzeptiert werden kt>nnen. Die Bewertung orientiert sich an den zuvor festgelegten
Zielen.
Anhand
von
Indikatoren und Parametern,
die
diesen
Bewertungskriterien zugeordnet sind, kann dann eine Qualifizierung oder Skalierung der Auswirkungen der Stoffstrt>me einerseits und der MaBnahmen andererseits erfolgen. Durch die Bewertung einzelner Schutz- und Gestaltungsziele und Abwăgun gen zwischen den unterschiedlichen Zielbereichen, ist eine begriindete
Priorităten
setzung und Gewichtung von Optionen im Stoffstrommanagement m5glich. 84 Der vorletzte Schritt beinhaltet die Entwicklung von Strategien und MaBnabmen. Hierfiir ist zunăchst eine Auswahl grundsătzlich geeigneter MaBnahmen vorzunehmen. Je nachdem, wer das Stoffstrommanagementprojekt durchfilhrt, kann es sich dabei sowohl um konkrete technisch-organisatorische (auf der Unternehmensebene), als auch um umweltpolitische MaBnahmen bzw. Zielvorgaben (staatliche Ebene) handeln. Z. B. kann der Staat die Akteure dahingehend beeinflussen, dass er die Motivation, die Information und die Einflussm5glichkeiten
ausgewăhlter
Akteure unterstiltzt. Hierfilr
k5nnen ordnungsrechtliche Instrumente, wie auch 5konomische-informationelle Instrumente eingesetzt werden. Auch eine finanzielle Unterstiitzung ist mt>glich. Die Entscheidungen iiber die durchzufilhrenden MaBnahmen beruhen auf der Analyse der okologischen, okonomischen und sozialen Wirkungen der MaBnahmen. Es ist dabei zu beachten, dass auf Grund der vielflUtigen Zusammenhiinge und Wechselwirkungen in realen Stoffstromsystemen, die einzelnen MaBnahmen nicht unabhHngig voneinander betrachtet werden kt>nnen, denn sie beeinflussen sich gegenseitig (z. B. Kompensationseffekte). Wichtig ist deshalb die Entwicklung und Umsetzung eines aufeinander abgestimmten koordinierten MaBnahmenbiindels (konsistente Strategien), die gerade in einem vemetzten Produktionsverbund von groBer Bedeutung ist, denn auf Grund der Wechselwirkungen sind die Einfliisse von einzelnen Eingriffen oft nicht ohne weiteres erkennbar.
84
Vgl. Henseling 1998, S. 64.
Stoffstrommanagement
29
Strittig ist, inwieweit der Staat direkt oder indirekt Stoffstr6me beeinflussen sollte. So wird angef\lhrt, dass eine staatliche Steuerung der Stoffstr6me gegen das Prinzip der freien Marktwirtschaft widerspricht. Deshalb sollte sich eine staatliche Steuerung von Stoffstr ::s
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