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German Pages 266 Year 2003
SONJA FRANKE
Lärmgrenzwerte für die Planung von Verkehrsflughäfen
Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Michael K1oepfer, Berlin
Band 128
Lärmgrenzwerte für die Planung von Verkehrsflughäfen
Von
Sonja Franke
Duncker & Humblot . Berlin
Die Juristische Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten
© 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 3-428-11052-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@
Vorwort Die vorliegende Arbeit habe ich im Februar 2002 abgeschlossen. Sie wurde von der Juristischen Fakultät der Universität Würzburg im anschließenden Sommersemester als Dissertation angenommen. Bis Anfang November 2002 veröffentlichte Rechtsprechung und Literatur habe ich für die Drucklegung eingearbeitet. Mein herzlicher Dank gilt Professor Dr. Helmuth Schulze-Fielitz. Er hat mir die Anregung zu dieser Arbeit gegeben und mich während ihrer Entstehung mit wertvollen Hinweisen unterstützt und gefördert. Professor Dr. Eckhard Pache danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Danken möchte ich auch meinen Eltern, die mich immer ermuntert und unterstützt haben. Die Universität Würzburg erleichterte mir die Arbeit durch ein Stipendium sehr. Die Veröffentlichung wurde durch einen großzügigen Druckkostenzuschuß der Flughafen Frankfurt Main Stiftung gefördert. Beiden Institutionen sei ebenso sehr gedankt wie dem Verlag Duncker & Humblot und dem Herausgeber Professor Dr. Michael Kloepfer für die Aufnahme in die Schriften zum Umweltrecht. Düsseldorf, im November 2002
Sonja Franke
Inhaltsverzeichnis Erster Teil
Einführung
19
A. Ziel und Gang der Untersuchung ............................ . .... . ... . ..........
20
B. Das Phänomen "Lärm" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
I. Problem der Komplexität ............................. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
I. Physikalische Grundbegriffe ........ . ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
a) Schall und Lärm ........................................................
23
aa) Schall ............. .. . . ...... . .............. . . .. ................. . ..
23
bb) Lärm ...............................................................
24
b) Äquivalenter Dauerschallpegel, Beurteilungspegel und Maximalpegel ...
25
2. Medizinische Lärmwirkungen ....................... . ......................
26
a) Gesundheitsgefahren . . ............................. . ... . ...... . ... . .. . ..
27
aa) Gehörschädigungen .................................... . ...........
27
bb) Sonstige gesundheitliche Beeinträchtigungen . .... .... .. .......... ..
28
cc) Lärmbedingte Schlafstörungen ............... .. ............... . ....
29
b) Beeinträchtigungen des Wohlbefindens.. ... ... . .... ... .... .. ....... ... ..
30
H. Besondere Probleme bei Fluglärm .......................... . ..................
32
I. Entwicklung des Fluglärms ........... . ............... . ....... . .............
33
2. Besonderheiten des Fluglärms ................................. .. ...... ... ..
34
III. Wirtschaftliche und politische Lärmdimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
IV. Zwischenergebnis ........................ . ...... . ............... ... ...........
37
Zweiter Teil
Schutz vor Fluglärm bei der Planung von Verkehrsflughäfen
38
A. Überblick ........................ . ......................... ... .............. ... ...
38
B. Raumordnungsrecht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
I. Schutz vor Lärm in der Raumordnung .. . .......... . .. . ........................
40
8
Inhaltsverzeichnis I. Problem des Bewertungsmaßstabs .. . .. .. .. .... . .. .. . . . .. .. ... .. .. .. . . .. . .. .
40
2. Fluglärmspezifische Probleme . ... ... .. . ... .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
11. Raumordnerische Instrumente zum Lärmschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
III. Bindungswirkung der Erfordernisse der Raumordnung für das nachfolgende Zulassungsverfahren . .. ..... .. ... .. . ..... .. . .... .. .. ... .. .. .... . .. .. .. ... . . ...
43
1. Raumordnungsklausel des § 6 LuftVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
2. Beachtung und Berücksichtigung ................... . .......................
44
IV. Rechtsschutz gegen die raumordnerischen Festlegungen ............ ... .. . .....
45
I. Rechtsschutz gegen Ziele der Raumordnung . .......... . . .... . ..... . .. . .. . ..
45
2. Rechtsschutz gegen das Raumordnungsverfahren ... ... .. .. .. .. .... . ... .. . ..
46
V. Exkurs: Die raumordnerische Umweltverträglichkeitsprüfung ... . . . . . . . . ......
46
I. UVP im mehrstufigen luftverkehrsrechtlichen Verfahren....................
47
2. Schutz vor Lärm in der raumordnerischen UVP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
a) Beschränkung auf raumordnerische Auswirkungen .. .. . ... .. . . .. . ... .. ..
48
b) Problem des Bewertungsmaßstabs .. ............. . .... .. ... .. . . ....... .. .
48
3. Bindungswirkung der raumordnerischen UVP . . . ...... . . ...... . ... . ... .. ...
50
4. Rechtsschutz gegen die raumordnerische UVP .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
VI. Zwischenergebnis .. ... .... . . .. . ... . ... . ... . ... .. .... .. ... . .... ... .. ..... .... ..
51
C. Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm in der Umgebung von Flughäfen ......... ..
52
I. Regelungen des FluglSchG ..... . . . .............. ... .. .. ............. . . .. ......
52
11. Defizite des Lärmschutzes nach dem FluglSchG ..... . . . .. . ....... . . . . . . . . . . . . .
53
I. Planerische Defizite . . .. . . .. . .. . .... ... . ........ .. ... . . . . ... .. . . .. .... ... . ..
53
2. Defizite im Hinblick auf Höhe und Berechnungsverfahren der Grenzwerte ..
54
III. Novellierungsbestrebungen .......................................... . .........
56
IV. Zwischenergebnis .. . ........ ........ ... . ........ .. .... . . .. .. .... .. . ...... ... . .
56
D. Luftverkehrsrechtliche Genehmigung gern. § 6 LuftVG ... . . . . .. . .. ... . .... . .. ..
57
I. Gegenstand der Genehmigung .. ... . . ................ .. . ........... .... .. . . ....
57
I. Anlage und Betrieb eines Flugplatzes .......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
2. Wesentliche Erweiterung oder Änderung eines Flugplatzes ... . ... . . . ...... .
59
3. Ausnahmen von der Genehmigungspflichtigkeit .. ... ... . ... .. . .......... . ..
61
11. Lärmschutz in der Genehmigung .. .. .. . .... . ... ......... ... . ... . .... . . . .......
61
I. Doppelnatur der Genehmigung .. ............. .... . . ................ . .......
62
a) Fluglärm als Versagungsgrund ... . . . . .......... . ... . ....... . . . .... ......
63
b) Fluglärm als Abwägungsbelang . . ... .. . .. ..... .. .. .. . .. .. .... . . ... ... .. .
64
2. Schutz vor Fluglärm durch die UVP .. .... .. . . .... .. . . ...... .. .. .... . . . .....
65
Inhaltsverzeichnis
9
III. Nebeneinander von Planfeststellung und Genehmigung . .. .. .. .. .. .. ... . ... . . . .
67
1. Verhältnis von Planfeststellung und Genehmigung . . .. . . ..... .. .. . ... . ..... .
67
a) Rechtslage vor der Änderung des LuftVG 1993 . ... .............. . .. . ...
68
aa) Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . .
68
bb) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
b) Neue Rechtslage 1993 ... . . .... .. .. .. .. .. .. .. .. . ..... .... . .. . .. . . . . .. .. .
73
c) Alternativvorschlag ......... ... . .. . . ....... . .... ... ....... .. . .. .. . .. .. ..
75
2. Praktische Relevanz des Streits .... . .......... . ..... .......... . .. ....... ....
77
3. Rechtsschutz gegen die Genehmigung ....... .. ... .. . .. . .................. . .
77
IV. Zwischenergebnis . . ... ... . ... . .... ..... . . . .. ... .. ... . . ... .. . ... .. .. . . . . .... .. .
78
E. Plangenehmigung gern. § 8 Abs. 2 LuftVG ............. . . ... . . . ............... . ..
78
F. Planfeststellung gern. § 8 Abs. 1 LuftVG ...... . .......... ..... ............... . ...
79
I. Gegenstand der Planfeststellung ... ..... .. .. ..... . ... . . ... . . . ... .. .. .. .. . . .. .. .
80
Ir. Planerische Gestaltungsfreiheit ..... . . . .. . ... .. .. . ..... .... ...... .. .. .. . . ... . ..
81
III. Lärmschutz in der Planfeststellung ... . . ............... . ............. . .. . .. . ...
82
1. Planrechtfertigung .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
2. Zwingende Normen des materiellen Rechts .. .... . .. .. .. .. . ... . ... . . .... .. . .
84
a) § 9 Abs. 2 LuftVG ..... . . .... . . . . . . ... . .. .... . .. ... . ... . .. .. ... ..... ....
85
b) § 6 Abs. 2 S. 1,3 LuftVG ........ . ............... . .................... . .
86
c) Verfassungsrechtliche Anforderungen .......... . ............... . .. . .....
87
3. Abwägung ... . . . ........ . . . ... . ..... . ....... . ..... . ... . .. . ........... . .....
88
a) Einstellung von LärmschutzbeIangen in die Abwägung . ... . ... . ... . .. .. .
90
b) Gewichtung und Ausgleich.. ..... . . .......... . .. . .. ... ..... .... . .... . . . .
91
c) Fluglärmschutz als Optimierungsgebot .... . ..... .......... . .. ....... ....
92
aa) § 6 Abs. 2 S. 1 LuftVG . . . .. . ........ . . . . ... .. . ....... . . ..... . .. ....
93
bb) § 29 b Abs. 1 S. 2 LuftVG ... .. ... . . . ... . . . . .. .. . . .... . .. ... .. .... . .
94
cc) § 12 UVPG . . ... . ... .. ... .... .. . ... . ... . .. ..... ...... . ...... . ... . ...
94
dd) § 50 BImSchG .......... . . . ... . ...... . ...... . . ............ . .... . . . .
95
ee) Art. 20a GG ............. . . . .......... . ...... . .................... . .
97
d) Abwägungsgrenzen ...... . ...... . .......... . .. . .... . ........ . ...... .. . . .
98
aa) Fachplanungsrechtliche Abwägungsgrenze (§ 9 Abs. 2 LuftVG) . . . .
98
bb) Enteignungsrechtliche Abwägungsgrenze (Art. 14 Abs. 1 GG) .. . ...
99
IV. Rechtsschutz gegen die Planfeststellung ......... ... . .. ...... . ........ . . ... .... 100 1. Rechtsschutz bei fehlenden Schutzvorkehrungen . .... .. . ... . .... . ... . .. . ... 100
2. Rechtsschutz bei Abwägungsfehlem . ... .. . . . . . . .. . .. .. .. .. . .. .... . .. ..... . . 101 V. Zwischenergebnis.. . .... . ... .. . ..... .... . ... . . . . . . ..... .. . .. . .. . . . .. ... .. ..... 104
10
Inhaltsverzeichnis
Dritter Teil
Erforderlichkeit von Grenzwerten für die Planung von Verkehrsflughäfen
106
A. GrenzwertbegrifT ................................................................. 107 B. Fehlen von Grenzwerten für Fluglärm ........................................... 108 1. Keine Heranziehung von Grenzwerten aus dem Bereich des Luftverkehrsrechts
108
1. FlugISchG.................................................................. 108
2. Landeplatzlärmschutzverordnung........................................... 109 H. Keine Heranziehung der Grenzwerte anderer Lärmbereiche ............. . ...... 110 1. DIN 45643 und DIN 18005 ................................................. 110 2. Verkehrslärmschutzverordnung ............................................. 111 III. Zwischenergebnis ............................................................. 111 C. Konkretisierung der Zumutbarkeitsgrenze des § 9 Abs. 2 LuftVG durch Verwaltungsbehörden I Gerichte ..................................................... 112
1. Schutz vor "unzumutbaren nachteiligen Auswirkungen" ....................... 112 11. Konkretisierung der Zumutbarkeitsschwelle ................. . ................. 113 1. Wertungsentscheidung ......................................................
113
2. Behördlicher Gestaltungsspielraum ......................................... 114 3. Kriterien des Bundesverwaltungsgerichts ................................... 116 a) Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit des betroffenen Grundstücks als Ausgangspunkt ......................................................... 117 b) Kriterien zur Bestimmung der Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit . . . . . . 118 aa) Gebietsart .......................................................... 118 bb) Lärmvorbelastung .................................................. 118 (l) Tatsächliche Lärmvorbelastung ........ . .......................
119
(2) Plangegebene Lärmvorbelastung ............................... 120 (3) "Lärmsanierung" .............................................. 122 c) Zusammenfassung betroffener Gebiete .................................. 122 d) Zusätzliche Abwägung .................................................. 123 4. Schutzziele für Wohngebiete ............................................... 124 a) Innenwohnbereich ...................................................... 125 aa) Vermeidung von Kommunikationsstörungen ................ . ....... 125 bb) Vermeidung von Aufwachreaktionen ............................... 127 b) Außenwohnbereich ..................................................... 128 III. Zwischenergebnis............................................................. 129
Inhaltsverzeichnis
11
D. Einführung von Grenzwerten für Fluglärm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 I. Probleme einer einzelfallbezogenen Konkretisierung der Zumutbarkeitsschwelle... .. . . ... . .................... . ........... . ....... . ....... . ...... . ... . 130
11. Überwiegende Vorteile von Grenzwerten ....... . . ..... . ....... . ............... 132 1. Generalisierung .... .. . .. .. . . .. . . . .. . . . . ... .. ....... . . . . . . .. ... . ..... . .. . ... 133
2. Operationalisierung ...... . .......................... . .......... . .... . ...... 134 3. Ordnungsrechtlicher Ansatz des Grenzwertsystems .. .. . . .. . ... . . ... . ..... .. 135 III. Zwischenergebnis ........................................ . .... .. ..... . ........ 136
Vierter Teil
Gestaltungsprobleme einer "Fluglärmschutzverordnung"
137
A. Rechtsform der Verankerung der Grenzwerte. . . . . . . .. . . . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . 137 I. Mögliche Rechtsformen der Verankerung von Grenzwerten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 1. Problematik der Verwaltungsvorschrift ................. . .... .. . . .... . . . .... 138
a) Verfassungsrechtliche Vereinbarkeit ....... . . . ...... . .... . ........ . . . .... 140 b) Europarechtliche Vereinbarkeit . .. ........ .. ...... ... .................... 141 2. Vorzug der Rechtsverordnung .. . ... ... ... . ... ... .... .. . . .............. . . . . . 142 11. Festlegung der Fluglärmgrenzwerte in einer Rechtsverordnung .... . .. . ...... . . 143 1. Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage . . ... . ...... . ... . .. .. .. . .. . . .. . .. 144 a) § 32 Abs. 1 Nr. 15 LuftVG als Ermächtigungsgrundlage .... .. .... . . . .... 144 b) Verfassungsrechtliche Unvereinbarkeit . ... . . . ... . ... . .. .. ... . .. . . . ...... 145 c) Erforderlichkeit einer Ermächtigungsgrundlage .. ... .................... 146 2. Konkretisierung durch den Verordnungsgeber . . . ... . .. .. ..... .. . .. .. . . .. . . . 147 a) Bestehen eines Gestaltungsspielraums ..... . .... .... ............ . . .. ..... 148 b) Reichweite des Gestaltungsspielraums . .. ....... .. . . ..... ... ..... . . ... .. 149 III. Zwischenergebnis.. .. ....... ... ... . ......... .. .......... . ..... . . .. ... . ........ 150
B. Inhalte einer "Fluglärmschutzverordnung" .. .. . .. . .. ... ... . . . . .. ... .. . ...... . ... 150 I. Anwendungsbereich ............................. . ...... .. ..... . . .. ....... . . . .. 150
11. Festlegung von Grenzwerten.... . ................ . .. .. ......... ...... .... .. .. . 151 1. Bestimmung der rechtlich geschützten Güter ............... . ... . ....... . ... 152 a) VerfassungsrechtJiche Anforderungen............ . ..... .. ..... .. .... .. .. 152 aa) Grundrechte der Lärmbetroffenen . .... . ... .. . .. ... .. ........ . ...... 153 (1) Schutz der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) . . . . . 153
(2) Eigentumsgewährleistung (Art. 14 Abs. 1 GG) . . .. .. . .. . .. . . ... 155 (3) Verhältnis von Art. 2 Abs. 2 GG zu Art. 14 Abs. I GG ......... 156 (4) Interessen unterhalb der grundrechtJichen GefahrenschwelJe .. . 157
12
Inhaltsverzeichnis bb) Staatszielbestimmung Umweltschutz
157
cc) Entgegenstehende Grundrechte der Betreiber. .. . .. .. .... .. . ... . .. .. 158 dd) Andere öffentliche Interessen von Verfassungsrang ... . . . ........... 160 b) Konkretisierung auf einfach gesetzlicher Ebene .. . ... . ..... . . . . . .... . .. . . 161 aa) Schutzpflicht und Abwehrrecht . .. ....... .. .. . ... ..... . . . . . .. ... . . . . 162 bb) Gestaltungsspie1raum des Gesetzgebers..... . . ... ... . .......... . .... 163 c) Einfachgesetzliche Anforderungen des § 9 Abs. 2 LuftVG . . ........... .. 164 aa) Schutznormcharakter .............. . ........... .. ..... . ........ . .... 165 bb) Immissionsschutzrechtlicher Charakter . . .. .. .. . .... ....... .. ... . .. . 166 cc) Erweiterung des Schutzes auf erhebliche Belästigungen . ...... .. . . .. 166 (1) Begrifflichkeiten ... .. .. . . ... . ..... . ... . .. .. ... . . .. . . ... . . . . . ... 167 (2) Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ..... .. . . ....... .. ....... . ....... . ............. . .... . .. . 168 (3) Anpassung des Schutzbereichs des § 9 Abs. 2 LuftVG an das übrige Immissionsschutzrecht ............. . .............. . ..... 169 (4) Neue Nachtschutzzie1e . .. ... . ... . . . ..... . ..... . .. . . . .. .. .. .. .. . 171 dd) Kriterium der Zumutbarkeit ........ . ................. . ........ . .... 172 2. Festlegung der Schädlichkeitsschwelle . .. ... . . .... . .. . .. . .. . .. .. .. . ... ..... 174 a) Naturwissenschaftliche Wertungsentscheidung ..... .. ... . . .... ... . ... ... 174 b) Normativ-politische Wertungsentscheidung . . .. ... . . . ... .. .. . . ... .. .. . .. 176 aa) Maßstab für die Entscheidung . ................ . .. . . . ........ . ...... 177 bb) Güterabwägung .. . .. .. ............. .. ........... . ... . . . ........... . 179 c) Typisierungen und Generalisierungen .. .. . . . . ... . ... . . . . ...... .... .... .. 181 3. Rechtliche Fixierung der Grenzwerte. . ................ .. ... . ... . . .......... 182 a) Maßstab des verständigen Durchschnittsmenschen .. . . . . . .... . .. . ... ... . 182 b) Grundstücksorientierter Schutz als Ausgangspunkt
183
aa) Vereinbarkeit mit § 9 Abs. 2 LuftVG .. .. .. .. .. ........ .. .. .. ..... . . 184 bb) Vereinbarkeit mit dem Grundrecht auf Gesundheitsschutz ...... .... . 185 c) Wertende Differenzierungskriterien ......... .. .. . .. .. .... . . . . . ... . ... . .. 185 aa) Differenzierung nach der bauplanungsrechtlichen Qualifikation des Gebiets . . . . .. .. ..... . . ... ... . .. ... ... ......... ... ... ...... ... . .. .. .. 186 (1) Vereinbarkeit mit § 9 Abs. 2 LuftVG ... ... ... . ...... . . . ... .... . 186
(2) Festlegung der Gebietsarten ... . . .. ...... .. ................ . . . . . 188 bb) Differenzierungen für besonders schutzbedürftige Einrichtungen . . . . 191 cc) Differenzierungen zwischen Tag- und Nachtwerten ... .... ..... . . . .. 191 dd) Differenzierung zwischen Außenwohnbereich und Innenwohnbereich ........................................ . ...................... 192 ee) Differenzierung zwischen Dauerschallpegel und Maximalpegel . . ... 193
Inhaltsverzeichnis
13
d) Berücksichtigung von Lärrnvorbelastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 aa) Tatsächliche Vorbelastungen . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 (1) Möglichkeiten der Berücksichtigung.. . ........................ 195 (2) Rechtliche Bewertung ............ . . . ...................... . ... 197 bb) Plangegebene Vorbelastung. . .. .. .. .. .. .. . ...... . . ... . . ....... . .. ... 201 e) Berücksichtigung der Summation mehrerer Lärrnquellen .. .. . ... ... .. ... 203 aa) Segmentierung der Lärrnquellen im Lärrnschutzrecht ... . ... . ....... 203 bb) Grundsatz der Berücksichtigung von Lärrnsummationen .. . .. . ...... 205 cc) Probleme der Lärmsummation im Rahmen der "Fluglärrnschutzverordnung" . . ... . .... ..... . .. . . .. . ... . ... ... ... . ... . ... . . ..... . .. . ... . 206 111. Festlegung des Berechnungsverfahrens . ...... .. .. . . . ... . ... . .. . ... . . . . ... ... . . 209 IV. Zwischenergebnis................................ . .................. . .. . ...... 211 C. Verhältnis von luftverkehrsrechtIicher Planung zum FluglSchG ... . . . .. ... .. . .. 212
Fünfter Teil
Rechtsfolgen bei Überschreiten der Zumutbarkeitsschwelle
214
A. Stufen des Lärmschutzes ... . .... . ... . . .. . .. ........... . ... . .. . ... . ... ... . ...... . . 214 I. Aktiver und passiver Lärrnschutz . .... . . . ... . ... . ... . .. . .. .. . .. . .. .. . .. . . ... .. . 215
1. Relativer Vorrang des aktiven Lärrnschutzes vor dem passiven Lärmschutz 216
2. Maßnahmen des aktiven und passiven Lärrnschutzes .. ........... . . .. . . . . ... 218 3. Sonderfall der Betriebsbeschränkungen .. .. .. . .... ...... . . . .. ........ . .... .. 219 a) Rechtsgrundlage von Betriebsbeschränkungen . .. . . ...... ... . ... ...... . . 220 b) Inhaltsbestimmung oder Schutzauflage .... ....... .......... .... . ... . . . . . 222 aa) Kriterium der rechtlichen Durchsetzbarkeit ......................... 223 bb) Verhältnis von Inhaltsbestimmung und Schutzauflage . . .. . . . ........ 224 c) Zwischenergebnis....... . . .. ..... . ... . ... . .. . ... . .... . ... .. .... . .. . .. . .. 226 11. Entschädigungsregelungen . ... . ...... . ........ . ... . ..... . .. . .. . . .. ... ..... . . .. 226 1. Darstellung der Entschädigungsregelungen nach dem LuftVG ...... .. ...... 226
2. Verhältnis zu den Entschädigungsregelungen nach dem FluglSchG . ..... ... 228 111. Versagung der Planung . ... . ... ... . ..... ... . ... ....... .. . ... . . . . . . ..... ... .. .. . 229 IV. Zwischenergebnis .. .. .. .. . ... .. .. .. . . ... . ... . ... . .. .. . .. . . . . . . .. . . . . .... . .. ... 229 B. Nachträgliches Überschreiten der Zumutbarkeitsschwelle ... . .................. 230 I. Nachträgliche Schutzanordnungen . . ..... .. .. . .. .. ..... . .. . ..... . . .. ... .. ... . .. 230
1. Wesentliche Änderung .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. . .. . . .. .. . . .. .. . .. .. .. .. .. . 230
2. Nachbesserungsklausel .. .. ... . . . ........ . . . . . . .. .. . .. .. . .. .. .... . .. . ... ... . 231
14
Inhaltsverzeichnis 3. Teilwiderruf ................................................................ 232 a) Rechtsgrundlage ........................................................ 233 b) Sonderfall der nachträglichen Betriebsbeschränkungen .................. 233 4. Anspruch aus Grundrechten ................................................ 234 5. Erfordernis weiterer Sanierungsregelungen ......... . ............... . ....... 235 11. "Mittelbare Lärmsanierung" ................................................... 235 111. Ergebnis ...................................................................... 236
Sechster Teil
Zusammenfassung
237
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 248 Stichworlverzeichnis ................................................................. 263
Abkürzungsverzeichnis a.A. Abb.
anderer Ansicht
AblEG
Abbildung Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Abs.
Absatz
a.E. AEG
am Ende Allgemeines Eisenbahngesetz
a.F.
alte Fassung
AöR Art.
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Bayerische Verwaltungsblätter
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BT-Drs. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BVF bzgl. bzw.
Bundesministerium für Umwelt und Reaktorsicherheit Bundesrats-Drucksachen Bundestags-Drucksachen Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BundesverwaItungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bundesvereinigung gegen Fluglärm bezüglich
ca.
beziehungsweise circa
dB dB (A)
Dezibel Dezibel (A-Fiiter)
DAL
Deutscher Arbeitsring für Lärmbekämpfung das heißt
d. h. DIN DÖV
Deutsches Institut für Normung Die Öffentliche Verwaltung
DVBl.
Deutsches VerwaItungsblatt
16 EG
Abkürzungsverzeichnis Europäische Gemeinschaft
EGV
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Erg.Lfg.
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EuGH
Europäischer Gerichtshof
EuZW
Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
evtl.
eventuell
f. ff.
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FluglSchG
Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm
Fn.
Fußnote
FS
Festschrift
gern.
gemäß
GG
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GK-BImSchG
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HdStR
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Hz
Hertz
ICAO
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Kfz
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Luftverkehrsrecht
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Ministerkonferenz für Raumordnung
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
n.F. NJW Nr. NuR NVwZ NVwZ-RR NWVBl. OVG Pkw Rn.
neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nummer Natur und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht- Rechtsprechungsreport Nordrhein-Westfälische VerwaltungsbläUer Oberverwaltungsgericht Personenkraftwagen Randnummer
Abkürzungsverzeichnis ROG
Raumordnungsrecht
Rspr. S. s. o.
Rechtsprechung Seite siehe oben
st. TA Abfall
Technische Anleitung Abfall
Tab. TA Lärm TA Luft
Tabelle Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft
Tz.
Teilzeichen unter anderem
u. a. UBA UPR Urt. UVP UVPG UVPG-VwV
v. VDI VerwArchiv
ständige
Umweltbundesamt Umwelt-und Planungsrecht Urteil Umweltverträglichkeitsprüfung Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung-Verwaltungsvorschrift von Verein Deutscher Ingenieure
VG VGH
Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof
vgl. VO
vergleiche Verordnung
Vor. VVDStRL VwGO
Vorbemerkung Veröffentlichung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung
VwV VwVfG
Verwaltungsvorschrift Verwaltungsverfahrensgesetz
z.B . ZfL ZLW ZUR
zum Beispiel Zeitschrift für Lärmbekämpfung Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht Zeitschrift für Umweltrecht
2 Franke
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Erster Teil
Einführung Die steigende Bedeutung des Flugverkehrs und sein damit verbundenes enormes Wachstum in den letzten Jahrzehnten sowie die zunehmende Lännempfindlichkeit der Bevölkerung haben dazu geführt, daß sich im Jahr 2000 Bevölkerungsumfragen zufolge 46% der Bevölkerung durch Fluglänn belästigt fühlen. I Durch seine hohen Spitzenbelastungen, seine besondere Störqualität sowie durch fehlende Abschirmmöglichkeiten ist der Fluglänn zum zweitgrößten Lännstressor neben dem Straßenverkehrslänn geworden? Angesichts der Wachstumsprognosen für den internationalen Luftverkehr, die ein jährliches Wachstum von ca. 4% voraussagen, wird die Lännbelastung der Bevölkerung in den nächsten Jahren sogar noch ansteigen. 3 Die Aktualität und Bedeutsamkeit des Themas "Schutz vor Fluglänn" ist aus diesen Gründen offenkundig. Dies spiegelt sich nicht nur in den Reaktionen der Öffentlichkeit auf geplante Ausbauvorhaben an deutschen Verkehrsflughäfen wie Berlin-Schönefeld und Frankfurt wider, sondern ebenfalls in den Bestrebungen der Bundesregierung, eine Novellierung des 30-jährigen "Gesetzes zum Schutz gegen Fluglänn" zu schaffen. Auch auf europäischer Ebene ist die Dringlichkeit der Fluglännproblematik mittlerweile zutage getreten, die unter anderem in einem aktuellen Richtlinienvorschlag bezüglich Regeln und Verfahren für lännbedingte Betriebsbeschränkungen auf den Flughäfen der Gemeinschaft vom 29. 10. 2001 ihren Ausdruck findet. 4 Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist jedoch noch keine Neuregelung zum Immissionsschutz vor Fluglänn tatsächlich verabschiedet worden. Mit einer Verabschiedung ist in nächster Zeit wohl auch nicht zu rechnen.
I
BMU, Umwelt 2000, S. 203.
Sondergutachten 1999, Tab. 3.5-3. Die Flugbewegungszahl soll danach um 4,5% jährlich ansteigen, vgl. Sondergutachten 1999, Tz. 483. Diese Entwicklung wird sich trotz des kurzzeitigen Rückgangs des Luftverkehrs nach dem Anschlag vom 11. September 2001 in New York weiter fortsetzen, vgl. Umweltgutachten 2002, Tz. 581. 4 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Regeln und Verfahren für lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen der Gemeinschaft, COM (2001) 695; von Bedeutung ist weiterhin der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm, ABlEG C E/2ooo/337/251 (COM (2000) 468), der Vorschläge für Lärmminderungspläne enthält. 2
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1. Teil: Einleitung
Die sich verschärfende Belastungssituation und die überfalligen Novellierungsvorhaben geben daher Anlaß zu einer kritischen Überprüfung des bestehenden rechtlichen Schutzes vor Fluglärm.
A. Ziel und Gang der Untersuchung Die bisher existierenden Vorschriften zum Schutz gegen Fluglärm sind in den verschiedenen luftverkehrsrechtlichen Regelungen verstreut. Je nach ihrer Zielrichtung lassen sie sich einteilen in Vorschriften zur Bekämpfung des Fluglärms am Fluggerät, beim Flugbetrieb und im Rahmen der Infrastruktur, das heißt an erdgebundenen Luftfahreinrichtungen. Alle gemeinsam sollen zu einem effektiven Lärmschutz für die betroffene Bevölkerung führen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll ausschließlich auf den Schutz vor fluglärm bei der Planung der Anlage und des Betriebs von Verkehrsflughäfen eingegangen werden. Dabei erklärt sich die Beschränkung auf Verkehrsflughäfen daraus, daß sich hier die Fluglärmproblematik in besonderem Maße stellt. 5 Dies ist sowohl begründet durch die Art der nutzungsberechtigten Luftfahrzeuge6 und durch die Größe und Kapazität der Flughafenanlage7 als auch durch ihren Widmungszweck 8 und die hinter ihm stehenden öffentlichen und wirtschaftlichen 5 Ein Flugplatz ist "ein festgelegtes Gebiet auf dem Lande oder Wasser (einschließlich Gebäude, Anlagen und Ausrüstung), das ganz oder teilweise für Ankunft, Abflug und Bewegungen von Luftfahrzeugen bestimmt ist." (Anhang 14 zum leAO-Abkommen (Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt vom 07. 12. 1944, BGBl. 1956 11, S. 411, das seitdem verschiedentlich abgeändert worden ist)). § 6 LuftVG und die dazugehörigen Ausführungsbestimmungen (§§ 38 ff. LuftVZO) unterscheiden drei Typen von Flugplätzen, nämlich Flughäfen, Landeplätze und Sege1fluggelände. Gemäß § 38 Abs. 1 LuftVZO sind Flughäfen Flugplätze, die nach Art und Umfang des vorgesehenen Flugbetriebs einer Sicherung durch einen Bauschutzbereich nach § 12 LuftVG bedürfen. Sinn und Zweck der Definition des § 38 LuftVZO ist es, daß Flugzeuge ab einer bestimmten Größe grundsätzlich nur auf Flughäfen verkehren sollen. Für derartige Flugzeuge ab etwa 20 t Höchstabfluggewicht sind in der Regel Start- und Landebahnen von mindestens 1500 m Länge und mindestens 30 m Breite erforderlich, ferner entsprechende Rollwege, Abstellflächen und sonstige Infrastruktureinrichtungen (Hoft1umn/Grabherr, LuftVG, § 6, Rn. 11). 6 Von Segelfluglätzen, § 54 LuftVZO, unterscheiden sich Flughäfen durch die Art der nutzungsberechtigten Luftfahrzeuge. Sinn und Zweck der Regelung des § 38 LuftVZO ist es nämlich, daß Flugzeuge ab einer bestimmten Größe grundSätzlich nur auf Flughäfen verkehren sollen. 7 Im Gegensatz zu Landeplätzen, § 49 LuftVZO, besitzen Flughäfen Anlagen und Einrichtungen. 8 § 38 Abs. 2 LuftVZO differenziert weiterhin zwischen Verkehrsflughäfen und Sonderflughäfen. Diese lassen sich unterscheiden nach ihren Benutzern. Während Verkehrsflughäfen grundsätzlich jedermann zum Starten, Landen und Rollen zur Verfügung stehen und dem Widmungszweck nach dem allgemeinen Verkehr dienen sollen, ist der Benutzerkreis der Sonderflughäfen nach der jeweiligen Zweckbestimmung eingeschränkt.
A. Ziel und Gang der Untersuchung
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Interessen. An den Verkehrsflughäfen tritt demnach im Hinblick auf den Lärmschutz das größte Konfliktpotential auf. Die ideale Lösung, einen Verkehrsflughafen so zu planen und anzulegen, daß er wegen seiner Lage fernab von besiedelten Gebieten keine Lärmbelästigungen mit sich bringt, läßt sich angesichts der Siedlungsstruktur in Deutschland nicht verwirklichen. Das Fluglärmproblem wird daher selbst bei einer an Lärmkriterien gemessenen günstigen Standortwahl stets eine Rolle spielen und im übrigen wegen baulicher oder betrieblicher Änderungen bei bestehenden Flugplätzen aktuell bleiben. Der Schutz vor Fluglärm im Rahmen der Zulassung eines Flughafenvorhabens wird dabei im wesentlichen durch die Vorschriften des luftverkehrsrechtlichen Planungsrechts gern. §§ 6, 8 ff. LuftVG gewährleistet, in dem Lärmschutzbelange insbesondere durch die Vorschrift des § 9 Abs. 2 LuftVG - eine große Rolle spielen. Im Rahmen des luftverkehrsrechtlichen Planungsrechts können erhebliche Verbesserungen des Fluglärmschutzes bewirkt werden, indem Fluglärm durch anlagen- oder betriebsbezogene Regelungen bis zu einem gewissen Grad bereits in der Entstehung verhindert werden kann und auch nachträgliche Regelungen zugunsten des Lärmschutzes getroffen werden können. Allerdings existiert bisher keine Grenzwertregelung, die die zulässigen Fluglärmbelastungen bei der Planung von Verkehrsflughäfen bindend festlegt, so daß die zuständigen Planfeststellungsbehörden bzw. im Streitfall die Gerichte diese von Einzelfall zu Einzelfall unter Anwendung verschiedener Kriterien festlegen. Anliegen der vorliegenden Arbeit ist es, die bestehenden Regelungen zum Lärmschutz in der Flughafenplanung kritisch zu überprüfen und ihre Defizite herauszuarbeiten. Auf diese Weise soll die Erforderlichkeit einer Grenzwertregelung im Sinne einer "Fluglärmschutzverordnung" verdeutlicht werden. Die weitere Zielsetzung der Arbeit liegt darin, Möglichkeiten der rechtlichen Ausgestaltung dieser "Fluglärmschutzverordnung" aufzuzeigen, durch die der Schutz vor Fluglärm effektiviert werden könnte. Die Arbeit gibt zunächst im Ersten Teil eine Einführung in den komplexen Charakter der Fluglärmproblematik, im Rahmen derer die physikalischen Grundbegriffe des Fluglärmphänomens sowie die Auswirkungen des Lärms auf die Gesundheit in medizinischer Sicht dargestellt werden. Weiterhin wird kurz auf die politische und wirtschaftliche Dimension des Schutzes vor Fluglärm hingewiesen, die in diesem Bereich oftmals eine ausschlaggebende Rolle spielt. In dem Zweiten Teil der Arbeit wird die bisherige Behandlung des Lärmschutzes in der luftverkehrsrechtlichen Planung dargestellt. Mangels eindeutiger gesetzlicher Grenzwertregelungen werden die zulässigen Lärmbelastungsgrenzen bisher von Verwaltung und Rechtsprechung festgelegt. Im Laufe der Zeit sind hierzu bestimmte Kritierien entwickelt worden, nach denen die Zumutbarkeit von Lärmbeeinträchtigungen durch Fluglärm beurteilt wird. Dennoch bestehen in diesem Bereich erhebliche Unsicherheiten und Defizite. Anliegen der Arbeit im Dritten Teil ist es daher, die Erforderlichkeit einer Grenzwertregelung für die luftverkehrsrechtliche Planung aufzuzeigen. Im Anschluß daran sollen im Vierten Teil die Gestaltungsprobleme
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1. Teil: Einleitung
einer derartigen Grenzwertregelung behandelt werden. Hierbei stellt sich erst einmal die Frage, auf welche Weise die notwendigen Immissionsgrenzwerte rechtlich verankert werden sollen. Die sich anschließende materielle Lärmgrenzwertfindung und -festlegung selbst birgt weiterhin eine Vielzahl rechtlicher (und fachlicher) Probleme, die dargestellt und kritisch beurteilt werden. Auf einen konkreten Entwurf einer "Fluglärmschutzverordnung" soll verzichtet werden, da die Festlegung der Lärmgrenzwerte als eine im wesentlichen politische Entscheidung dem Ermessen des Gesetzgebers obliegt. Es sollen jedoch konkrete Vorschläge zur rechtlichen Ausgestaltung einer "Fluglärmschutzverordung" gemacht werden. Abschließend erfolgt im Fünften Teil der Arbeit eine kurze Übersicht der rechtlichen Reaktionsmöglichkeiten bei Überschreiten der lärmschutzrechtlichen Zumutbarkeitsgrenze. Besonderes Interesse soll dabei den bestehenden Möglichkeiten der Lärmsanierung gewidmet werden. Der Sechste Teil widmet sich einer abschließenden Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit.
B. Das Phänomen "Lärm" Das Phänomen Fluglärm stellt den Gesetzgeber vor erhebliche Probleme. Dies liegt zum einen an der Komplexität des Lärmphänomens, die einen Rückgriff auf naturwissenschaftliche und technische-physikalische Erkenntnisse und Bewertungen unumgänglich macht. Zum anderen erweisen sich die große politische und wirtschaftliche Bedeutung des Luftverkehrs und der Verkehrsflughäfen sowie die hohen Kosten von Lärmschutzmaßnahmen als äußerst konfliktträchtig. Diese Faktoren erschweren den Erlaß von Lärmschutzregelungen in der Praxis erheblich.
I. Problem der Komplexität Der Vorgang der Belastung des Menschen durch Lärm ist außerordentlich komplex. Diese Komplexität läßt sich an der Vielzahl der Faktoren erkennen, die bewirken, daß ein Geräusch zu Lärm wird. Die Lärmbelastung ist abhängig von objektiven Geräuschfaktoren wie Stärke, Dauer, Häufigkeit und Tageszeit des Auftretens, Frequenzzusammensetzung, Auffälligkeit, Ortsüblichkeit und soziale Adäquanz, Art und Betriebsweise der Geräuschquelle. Hinzu treten subjektiven Beurteilungsfaktoren der Lärmwirkungen, denn der Grad der Lärmbelästigung hängt maßgeblich auch von Situationsmerkmalen des jeweilig Betroffenen ab. So kann der Gesundheitszustand, die Tätigkeit während der Geräuscheinwirkung, die Gewöhnung an das Geräusch und die Einstellung zum Geräuscherzeuger von Bedeutung sein. 9 Aus der Menge der unterschiedlichen Faktoren wird deutlich, wie 9 BVerwG, Urt. vom 20. 10. 1989-BVerwGE84,S. 31 (41);/sing/Kruppa, in: Bartels/Ising, Fluglännproblematik, S. 44 (55, Abb. 3); Sondergutachten 1999, Tz. 402 ff.; Hansmann, NuR 1997, S. 53 (53); Hansmann, in: FS fürSendler, S. 285 (291); Hermann, Fluglänn, S. 31 ff.
B. Das Phänomen "Länn"
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schwierig eine vollständige Erfassung des Lännphänomens ist. Erschwert wird die rechtliche Bewältigung des Länns weiterhin dadurch, daß er maßgeblich durch technisch-physikalische und medizinisch-soziologische Faktoren, also außerrechtliche Faktoren, bestimmt wird. Um das Phänomen Länn rechtlich handhabbar zu machen, muß die Rechtswissenschaft dementsprechend auf den einschlägigen technischen und medizinisch-soziologischen Sachverstand zurückgreifen. Daher soll im folgenden ein kurzer Überblick über die lännrelevanten technischen und medizinischen Faktoren gegeben werden.
1. Physikalische Grundbegriffe
Zunächst sollen die physikalischen Grundbegriffe des Lännphänomens dargestellt werden. a) Schall und Lärm
Die Akkustik differenziert - im Gegensatz zum umgangssprachlichen Bereich zwischen den Begriffen Schall und Länn. 10 aa) Schall Schall entsteht durch die Schwingungen einer Schallquelle. Zur Ausbreitung bedarf der Schall eines Mediums, das durch die Schwingungen der Schallquelle in Druckschwankungen versetzt wird. 11 Diese durch eine Schallquelle verursachten Druckschwankungen nennt man Schalldruck. Der Mensch vermag ihn mit seinem Ohr wahrzunehmen. 12 Da das menschliche Hören zwischen Hör- und Schmerzschwelle einen Schalldruckbereich von mehr als 12 Zehnerpotenzen durchläuft 13 , wird zur vereinfachten Messung von Geräuschen der Schalldruckpegel L (Schallpegel) verwendet. 14 Dieser gibt ein logarithmisches Verhältnis des Schallpegels zu einem konstanten Bezugsschalldruck an. Die Angabe des Schalldrucks erfolgt in Dezibel, kurz dB. Das Dezibel ist ein logarithmisches Verhältnismaß. Seine Skala umfaßt die Werte von 0 dB (Hörschwelle) bis ca. 130 dB (Schmerzgrenze).15
Fiederer, in: Birkl, Nachbarschutz, G-Rn. 1. Als Medium kommen insbesondere Luft (Luftschall) oder feste Körper (KörperschalI) in Betracht, vgl. Fiederer, in: Birkl, Nachbarschutz, G-Rn. 1. 12 Fiederer, in : Birkl, Nachbarschutz, G-Rn. 1 ff. \3 Ketteler, Sportanlagenlännschutzverordnung, S. 13. 14 Fiederer, in: Birkl, Nachbarschutz, G-Rn. 6; Ketteler, Sportanlagenlännschutzverordnung, S. 13; Si/agi, UPR 1997, S. 272 (272). 15 Ketteler, Sportanlagenlännschutzverordnung, S. 14. 10
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1. Teil: Einleitung
Der logarithmische Aufbau der Dezibel-Skala hat besondere Rechenregeln zur Folge: So bewirkt bei gleichartigen Geräuschen eine Schallpegeländerung von 10 dB im Durchschnitt etwa die Verdoppelung bzw. Halbierung der subjektiv empfundenen Lautstärke l6 ; auch führt die Verdoppelung der Schallintensität (ein zweites Flugzeug) nicht etwa zu einer Verdoppelung des Ausgangswertes, sondern zu einer Zunahme des Pegels um 3 dB. Die Verdoppelung der Schallintensität und die damit verbundene Pegelerhöhung um 3 dB werden nicht als Verdoppelung der Lautstärke empfunden, sondern nur als merkliche Erhöhung der Lautstärke. Erst wenn die Schaliintensität verzehnfacht wird, tritt eine Erhöhung um 10 dB ein, die subjektiv als Verdoppelung der Lautstärke empfunden wird. 17 Die Hörempfindlichkeit des Menschen wird allerdings nicht nur durch den Schalldruck bestimmt, sondern hängt auch von der Frequenz (Tonhöhe) des Schalls ab. Die Frequenz stellt die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde dar und wird in Hertz (Hz) gemessen. Der Mensch kann eine Frequenz von 16 (tiefe Töne) und ca. 16.000 (hohe Töne) Schwingungen pro Sekunde wahrnehmen. 18 Dabei empfindet er bei gleichem Schalldruck hohe Töne anders als tiefe.19 Um eine dem menschlichen Gehör annähernd entsprechende meßtechnische Erfassung von Schall zu ermöglichen, werden die auftretenden Frequenzen im Schallpegelmesser mit Hilfe von Filtern frequenzmäßig bewertet. Für den Immissionsschutz werden heute nur noch A-Filter benutzt. 2o Bei ihnen werden bei gleichem Druckpegel Schalle mit tiefen Frequenzen stärker gedämpft als solche mit mittleren oder hohen Frequenzen. 21 Die Kennzeichnung der mit A-Filtern bewerteten Schallpegelmessungen erfolgt dementsprechend in dB (A)?2 bb) Lärm Allerdings ist nicht jeder Schall gleich Lärm. Mit dem Begriff des Lärms wird in der Akkustik nur der Schall bezeichnet, der stört oder unerwünscht ist. 23 Aus dieser Definition wird deutlich, daß der mit einer negativen Bewertung verbundene 16 17
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Fiederer; in: Bide!, Nachbarschutz, G-Rn. 15; Ullrich, DVBI. 1985, S. 1159 (1160). Fiederer; in: Birkl, Nachbarschutz, G- Rn. 14; Krell, in: Koch, Schutz vorLänn, S. 61 (65). Kürer; in: Koch, Schutz vor Lärm, S. 21 (21).
19 Fiederer; in: Birkl, Nachbarschutz, G-Rn. 10 ff.; Renziehausen, Lännschutz, S. 21; Ullrich, DVBI. 1985, S. 1159 (1160). 20 Fiederer; in: Birkl, Nachbarschutz, G-Rn. 12. 21 Allerdings werden durch den A-Filter tieffrequente Geräusche bei hohen Pegeln "unterbewertet", vgl. Kutscheidt, NVwZ 1989, S. 193 (198); "ysk, ZLW 1998, S. 456 (477). Gerade im Bereich des Fluglänns mit seinen oft sehr hohen Pegeln und sehr unterschiedlichen Frequenzen kann dies zu Beurteilungsproblemen führen, vgl. Hermann, Fluglänn, S. 32, Fn. lO. 22 Fiederer; in: Birkl, Nachbarschutz, G-Rn. 13. 23 Umweltgutachten 1987, Tz. 1375 ff.; Kutscheidt, NVwZ 1989, S. 193 (194); Schmidt, Rechtsfragen, S. 169.
B. Das Phänomen "Lärm"
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Begriff des Länns über das objektiv meßbare Schallereignis hinausgeht und den psychischen Bereich des Menschen berührt. Nur teilweise lassen sich die Lännkomponenten daher allgemein erfassen. Unter die weitgehend noch rechtlich erfaßbaren Lännkomponenten fallen die Häufigkeit, die Dauer, die Tageszeit des Auftretens, die Art der Geräuschquelle und die Ortsüblichkeit der Geräusche. Zusätzliche Kriterien sind die besonderen Auffalligkeiten des Lärms wie Impuls-, Tonoder Informationshaltigkeit sowie die soziale Adäquanz und die allgemeine Akzeptanz des Geräuschs. 24 Durch die Messung des Länns in dB (A) kann nur der Schalldruck und die Frequenz eines Lännereignisses wiedergegeben werden. Zur Erfassung der weiteren Faktoren können zusätzliche Kriterien, z. B. die Unterscheidung zwischen Tages- und Nachtzeit, herangezogen werden. Weitgehend nicht allgemein feststellbar, aber maßgeblich für die Lärmbewertung sind subjektive Faktoren, die in der persönlichen Situation des Lännbetroffenen begründet sind. Hierzu zählen sein Gesundheitszustand, seine (Un)Tätigkeit während der Geräuschwahrnehmung, sein Ruhebedürfnis, die individuelle Gewöhnung und die persönliche Einstellung zu den Ursachen des Länns, die Kontrollierbarkeit und die Vorhersehbarkeit von Lännereignissen, aber auch die subjektive Vorstellung des Betroffenen von der Notwendigkeit bzw. der Vermeidbarkeit des Geräuschs?S Ob ein Schallereignis als Länn empfunden wird, hängt also von vielen Faktoren ab, die oft nur unvollkommen in einen einheitlichen Meßwert aggregierend zusammengefaßt werden können?6 Im Ergebnis läßt sich daher festhalten, daß Länn in seiner Gesamtheit nicht meßbar ist, sondern vielmehr auf einer Bewertung des vorhandenen Schalls beruht. 27 b) Äquivalenter Dauerschallpegel, Beurteilungspegel und Maximalpegel
Bei vielen Schallvorgängen ist der Schalldruckpegel nicht konstant, sondern verändert laufend seine Stärke durch verschiedene Schallereignisse. Zur Bewertung solch komplexer Schallereignisse werden die unterschiedlichen Pegelwerte durch einen Einzahlwert ersetzt: Aus den über einen bestimmten Zeitraum gemessenen oder berechneten Pegeln wird unter Verwendung eines Halbierungsparameters q der Mittelungspegel errechnet und so für eine bestimmte Zeit der "BeurteilungspeBVerwG, Urteil vom 20.10. 1989 - BVerwGE 84, S. 31 (41). Umwe1tgutachten 1996, Tz. 407; BVerwG, Urt. vom 20.10. 1989 - BVerwGE 84, S. 31 (41); Feldhaus, in: Koch, Schutz vor Lärm, 153 (168 ff.); Hansmann, NuR 1997, S. 53 (53); Hermann, Fluglärm, S. 34 f., 46 ff. ausführlich; lsing / Kruppa, in: Bane1s IIsing, Fluglärmproblematik, S. 45 (55, Abb. 3); Schick, Schallwirkung, S. 192 f. 26 BVerwG, Urt. vom 20. 10. 1989 - BVerwGE 84, S. 31 (40 f.); aVG Münster; Urt. vom 14.03. 1996-NWVB!. 1997, S. 65 (66). 27 BVerwG, Besch!. vom 03. 05. 1996 - NVwZ 1996, S. 1001 (1001); BVerwG, Urt. vom 20. 10. 1989 - BVerwGE 84, S. 31 (40); Kürer; in: Koch, Schutz vor Lärm, S. 21 (21). 24 25
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1. Teil: Einleitung
gel" bestimmt. 28 Der äquivalente Dauerschallpegel (Leq) gibt dann bei zeitlich schwankenden Schalldruckpegeln der Einzelereignisse den Pegel an, der einem gleichbleibenden Geräusch entspricht, welches in einem genau festgelegten Beurteilungszeitraum die gleiche Schallenergie liefert wie die tatsächlich auftretenden Geräusche. 29 Dieser Mittelungspegel entspricht aber nicht unbedingt dem menschlichen Lärmempfinden, da der tatsächliche Lärmpegel zu bestimmten Zeiten höher und zu anderen niedriger liegt. 3o So wird der Mittelungspegel dem subjektiven Geräuschempfinden dann nicht gerecht, wenn Geräusche ein erhöhtes Störpotential haben oder während besonders schutzwürdiger Zeiten auftreten. In solchen Fällen können Zuschläge zum Mittelungspegel erfolgen. 3 ! Der Mittelungspegel trägt weiterhin insbesondere kurzzeitigen Geräuschspitzen von besonderer Lärmintensität nicht ausreichend Rechnung?2 Um dies auszugleichen, können Maximalpegel zur Bewertung herangezogen werden. 33
2. Medizinische Lärmwirkungen
Angesichts der Komplexität des Lärmphänomens wird deutlich, daß seine Auswirkungen auf den Menschen nur schwer zu erfassen sind. Dementsprechend gibt es zu der Frage, welchen Einfluß der Fluglärm auf die menschliche Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden hat, zahlreiche Untersuchungen, die jedoch nicht zu übereinstimmenden Ergebnissen geführt haben. 34 Als gesichert kann 28 Im Immissionsschutzrecht wird üblicherweise der Halbierungsparameter q=3 verwendet. Dies hat zur Folge, daß bei einem Geräusch mit konstantem Pegel eine Halbierung der Geräuschdauer bei festgesetzter Meßdauer zu einer Abnahme des Mittelungspegels um 3 dB führt, vgl. Neumann/Schreiber; ZfL 39 (1992), S. 145 (145). Im FluglSchG wird jedoch der Halbierungsparameter q=4 verwendet. Der hierdurch ermittelte Zahlenwert liegt in der Regel um 6 - 7 dB (A) niedriger, vgl. Hermann, Fluglärm, S. 33 m. w. N. 29 Neumann/Schreiber; ZfL 39 (1992), S. 145 (145); Schreiber; ZfL 42 (1995), S. 141 (141); Renziehausen, Lärmschutz, S. 23. Zur internationalen Akzeptanz des äquivalenten Dauerschallpegels, vgl. BVerwG, Urt. vom 05. 03. 1997 - BVerwGE 104, S. 123 (132) NVwZ 1998, S. 513 (516). 30 Neumannl Schreiber; ZfL 39 (1992), S. 145 (146). 31 Vgl. Z. B. Nr. 1.3.1. des Anhangs zur Sportanlagenlärmschutzverordnung. 32 Kritisch hierzu Schreiber; ZfL 42 (1995), S. 141 (141), der darlegt, daß beispielsweise ein Überflug vom 120 dB (A) von einer Dauer von 2 Sekunden über die Beurteilungszeit von 16 Stunden gemittelt einen Dauerschallpegel von 75 dB (A) ergibt und daher tatsächlich nicht unterbewertet, sondern eher überbewertet wird. 33 Jansen/Linnemeier/Nitzsche, ZfL 42 (1995), S. 91 (91). Tagsüber sind derartige MaximaIpegel jedoch in der Regel nicht erforderlich. Sinnvoll können sie hingegen zum Schutz der Nachtruhe sein. Dennoch eher ablehnend: Schreiber; ZfL 32 (1995), S. 141 (142). 34 Umweltgutachten 2002, Tz. 585 ff.; problematisch ist insbesondere, daß Laborstudien keine unverfälschten Ergebnisse wiedergeben und Langzeituntersuchungen nicht ersetzen können, vgl. Babisch, in: Bartels I Ising, Nachtfluglärmproblematik, S. 115 (118, 121); beson-
B. Das Phänomen "Lärm"
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jedoch angesehen werden, daß Lännexpositionen nicht nur Schädigungen des Gehörs verursachen können (aurale Lännwirkungen), sondern auch diverse andere Organsysteme beeinträchtigen sowie zu Störungen des körperlichen und psychischen Wohlbefindens (extraaurale Lännwirkungen) führen können. 35 Da die genauen naturwissenschaftlich-medizinisch definierten Übergänge von Risiko zu Gefährdung in diesem Bereich aber nicht geklärt und auch unter Wissenschaftlern umstritten sind 36 , orientiert sich die vorliegende Arbeit im wesentlichen an der Studie "Fluglännwirkungen", die im Jahr 2000 vom Umweltbundesamt durchgeführt wurde und den neuesten Erkenntnisstand der Lännwirkungsforschung berücksichtigt. 37 a) Gesundheitsgefahren
Fluglänn kann die menschliche Gesundheit gefährden, indem er zu Gehörschädigungen, Herz-Kreislauferkrankungen (und andere vegetative Erkrankungen), psychiatrisch relevanten Störungen bei Kindern und Beeinträchtigungen des Nachtschlafs führen kann. 38 aa) Gehörschädigungen Mit einer akuten Schädigung des Gehörs ist trotz eines Maximalpegels von 115 dB (A) am Ohr dann nicht zu rechnen, wenn das Lännereignis nur einzeln und selten auftritt und die Anstiegssteilheit unter 60 dB (A) / sec. liegt. 39 Anderes gilt jedoch für lärmintensive Überftüge mit hoher Anstiegssteilheit in dichter oder häufiger Abfolge. In solchen Fällen ist das Risiko einer Gehörschädigung dann anzunehmen, wenn die Lännexposition Maximalpegel über 105 dB (A) am Ohr aufweist. 40 Eine Gehörschädigung ist weiterhin zu befürchten, wenn bei einer anhaltenden Lännbelastung der Mittelungspegel von 70 dB (A) im Innenders wenig Erkenntnisse liegen weiterhin darüber vor, auf welche Weise die Lärmbelästigung bei wesentlichen Änderungen zu beurteilen ist, vgl. Guski, in: Barteis / Ising, Fluglärmproblematik, s. 103 (105). 35 Sondergutachten 1999, S. 159 ff. 36 Dies wird beispielsweise deutlich in: lansen/Schwarze/Notbohm, ZfL 1996, S. 31 (31 ff.); Onscheid/Wende, in: BartelslIsing, Nachtfluglärmproblematik, S. 4 (8 ff.); Scheuch/ lansen, ZfL 2002, S. 7 (7 ff.); vgl. auch Umweltgutachten 2002, Tz. 589. 37 UBA, Fluglärmwirkungen; ausführlich zu Lärmwirkungen mit weiteren Nachweisen, vgl. weiterhin Sondergutachten 1999, S. 159 ff.; Beckers, in: Fluglärm 2000, S. 65 (71 ff.). 38 Onscheid/Wende, in: Bartels/Ising, Nachtfluglärmproblematik, S. 4 (8). 39 UBA, Fluglärmwirkungen. 40 UBA, Fluglärmwirkungen; für Maximalpegel von mehr als 135 dB (A) als gesundheitsschädliche Grenze, vgl. Umweltgutachten 1987, Rn. 1425 ff.; lansen/Schwarze/Nottebohm, ZfL 1996, S. 31 ff.; für 19 x 99 dB (A) Maximalpegel, vgl. Quaas, NVwZ 1991, S. 16 (18).
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1. Teil: Einleitung
raum überschritten wird. 41 Derartige Fluglärmbelastungen treten jedoch nur im engen, nicht besiedelten Flughafenbereich auf und sind daher praktisch nicht von großer Bedeutung.42 bb) Sonstige gesundheitliche Beeinträchtigungen Allerdings reagiert der menschliche Organismus bereits im Vorfeld von Gehörschädigungen auf Lärmexpositionen unterhalb der genannten Werte. Diese Reaktionen werden als unspezifische Streßreaktionen definiert. 43 Normalerweise sind derartige Streßreaktionen gesundheitlich unbedenklich. Anderes gilt jedoch, wenn die Belastungen über längere Zeit bestehen. In einem solchen Fall kann Lärm als Stressor im Zusammenspiel mit anderen endogenen oder exogenen Faktoren zu Krankheiten führen. 44 Sie äußern sich in Form von Herz-Kreislauferkrankungen oder auch psychischen Störungen. 45 Zwar sind derzeit keine repräsentativen Untersuchungen bekannt, die direkte extraaurale Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Fluglärm nachweisen, doch können Untersuchungen zum Straßenverkehrslärm vergleichend herangezogen werden. 46 Aus diesen ergibt sich, daß eine gesundheitliche Beeinträchtigung tagsüber in dem Lärmexpositionsbereich von 65 - 70 dB (A) Außenpegel zu befürchten ist. Dementsprechend könnte ein Mittelungspegel von 65 dB (A) außen während des Tages anzusetzen sein. 47 Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, daß Fluglärm aufgrund seiner höheren Belästigungswirkung auch eine stärkere Streßwirkung entfaltet. Ein weiteres Absenken des Schwellenwerts aufgrund dieses "Fluglärmmalusses" wäre daher zu erwägen. 48 Im Hinblick auf Maximalpegel setzen erste körperliche Reaktionen bei Maximalpegeln von mehr als 60 dB (A) ein, doch sind sie erst oberhalb von 75 dB (A) geeignet, vegetative Reaktionen auszulösen. Ab dieser Schwelle stellen sie demnach einen gesundheitlichen Risikofaktor dar. 49 41 Umweltgutachten 2002, Tz. 590; UBA, Fluglärmwirkungen; Wildanger; in: Fluglärm 2000, S. 206 (215) m. w. N.; auf einen Mittelungspegel von 85 dB (A) im Innenraum stellt hingegen ab: Schmidt, Rechtsfragen, S. 170. 42 Schmidt, Rechtsfragen, S. 170. 43 OrtscheidlWende, in: Bartels/Ising, Nachtfluglärmproblematik, S. 4 (9). 44 UBA, Fluglärmwirkungen; Wildanger; in: Fluglärm 2000, S. 206 (230). 4S UBA, Fluglärmwirkungen; Umweltgutachten 1996, Tz. 495; Renziehausen, Lärmschutz, S.26. 46 OrtscheidlWende, in: BartelslIsing, Nachfluglärmproblematik, S. 4 (10). 47 Umweltgutachten 2002, Tz. 590; UBA, Fluglärmwirkungen; UBA, Jahresbericht 2000, S. 129; BMU, Umwelt 2000, S. 203; Umweltgutachten 1996, Tz. 495; Beckers, in: Fluglärm 2000, S. S. 65 (75); a.A. Wildanger; in: Fluglärm 2000, S. 206 (237), die von einem Mittelungspegel von ca. 60 dB (A) ausgeht. 48 UBA, Fluglärmwirkungen. 49 BMU, Umwelt 1990, S. 244 (247 f.); lansenlSchwarzelNotbohm, ZfL 1996, S. 31 (32), aber 19 x 99 dB (A) in 16 Tagesstunden; lansen, in: Koch, Schutz vor Lärm, S. 9 (14, Bild 4).
B. Das Phänomen "Länn"
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Psychiatrisch relevante Störungen durch Fluglärm können insbesondere bei Kindern auftreten. Die bestehenden Untersuchungen wurden allerdings zu militärischem Tieffluglärm durchgeführt, der mit dem Flugbetriebslärm eines Verkehrsflughafens nicht vergleichbar ist. 5o cc) Lärmbedingte Schlafstörungen Eine besondere Bedeutung kommt den durch Fluglärm bedingten Schlafstörungen zu, denn ein ungestörter Schlaf ist für die menschliche Gesundheit von großer Wichtigkeit. 51 Geräuscheinwirkungen können sich dabei direkt auswirken in Form von Änderungen der Schlaftiefe, Erschwerungen des Einschlafens, Verkürzung der Gesamtschlafzeit, vegetative Reaktionen (z. B. Herzfrequenz, Blutdruck), biochemische Reaktionen und Körperbewegungen. Indirekte Auswirkungen bestehen in der Minderung der subjektiven Schlafqualität und Beeinträchtigungen der Arbeitseffektivität am nächsten Tag. 52 Bei dem Auftreten lärmbedingter Aufwachreaktionen drohen Gesundheitsgefährdungen. 53 Diese Aufweckschwelle ist bei einem Maximalpegel von 50 dB (A) am Ohr des Schläfers anzusetzen. 54 Bloße Schlafstörungen können bei Maximalpegeln ab 40 dB (A)55 bzw. bei einem Dauerschallpegel von mehr als 50 dB (A) außen eintreten. 56 Ob allerdings solche lärmbedingten Einschlafstörungen und insbesondere häufige Unterbrechungen der Schlafstruktur als Gesundheitsgefährdung 50 OrtscheidlWende, in: BartelslIsing, Nachtfluglännproblematik, S. 4 (19); UBA, Fluglännwirkungen. 51 OrtscheidlWende, in: BartelslIsing, Nachtfluglännproblematik, S. 4 (11); vgl. zu der großangelegten Nachtlännstudie des DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin, die nach Art und Umfang als weltweit größtes Forschungsvorhaben auf diesem Gebiet anzusehen ist: BasnerlLinke-HommeslLuks, ZfL 2000, S. 201 (201 ff.). 52 UBA, Fluglännwirkungen; Griefahn, ZfL 37 (1990), S. 7 (8); OrtscheidlWende, in: BartelslIsing, Nachtfluglännproblematik, S. 4 (11). 53 Griefahn, ZfL 37 (1990), S. 7 (8); lansenlLinnemeierlNitzsche, ZfL 42 (1995), S. 91 (103); de long, Bundesgesundheitsblatt 35 (1992), S. 126 (128); MaschkelHecht, in: Barte1s/Ising, Nachtfluglännproblematik, S. 91 (94 ff.); OrtscheidlWende, in: BarteIs I Ising, Nachtfluglännproblematik, S. 4 (11 ff.); Spreng, in: Barte1s/Ising, Nachtfluglännproblematik, S. 75 (82 f.) 54 Umweltgutachten 2002, Tz. 592; UBA, Fluglännwirkungen; die Aufweckschwelle ist allerdings äußerst umstritten, vgl. lansenl Linnemeierl Nitzsche, ZfL 42 (1995), S. 91 (91 ff.), nach denen die Aufweckschwelle bei Maximalpegeln von 6 x 60 dB (A) am Ohr des Schläfers liegt; Beckers, Fluglänn 2000, S. 65 (83) geht von Maximalpegeln von 42 dB (A) für die Aufweckschwelle aus; lansenlSchwarzelNotbohm, ZfL 1996, S. 31 (32) bejahen ein Aufwachen, wenn Reize von Maximalpegeln über 55 dB (A) 6 mal während der Nacht auftreten; de long, Bundesgesundheitsblatt 35 (1992), S. 126 (128) geht von 40 dB (A) Spitzenpegel im Innenraum für die Aufwachschwelle aus; MaschkelHecht, in: BartelslIsing, Nachtfluglännproblematik, S. 91 (93) bejahen eine Aufwachreaktion bei Maximalpegeln von 45 dB (A). 55 Umweltgutachten 1987,Tz. 1444; Koch, in: GK-BImSchG, § 3 Rn. 264,268. 56 UBA, Fluglännwirkungen.
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1. Teil: Einleitung
anzusehen sind, ist umstritten. 57 Grundsätzlich kann aber die gesundheitsgefährdende Wirkung von Reaktionen unterhalb der Aufweckgrenze, insbesondere vegetative Streßreaktionen und Schlafstadienwechsel, nicht von der Hand gewiesen werden. Das gesundheitliche Risiko der Nachtlärmexponierten ist zumindest als erhöht zu betrachten. 58 Daher sollten aus Gründen der Vorsorge auch Schlafstörungen vermieden werden. 59 Dies kann erreicht werden, solange der Mittelungspegel von 30 dB (A) am Ohr des Schläfers nicht überschritten wird. 60 Aus den Ausführungen wird deutlich, daß zur Beurteilung der nächtlichen Schlafstörungen der Mittelungspegel nicht ausreicht, sondern im wesentlichen Maximalpegel herangezogen werden müssen. 61 Von Bedeutung ist weiterhin die Häufigkeit der Lärmereignisse. 62 b) Beeinträchtigungen des Wohlbefindens
Die häufigste und verbreiteteste Wirkung von Fluglärm sind jedoch Beeinträchtigungen des Wohlbefindens im Sinne von Belästigungen. 63 Diese liegen zwar unterhalb der Schwelle der Gesundheitsgefährdung, können aber nachhaltig das psychische und soziale Wohlbefinden der Betroffenen beeinträchtigen. 64 Als Beeinträchtigungen des Wohlbefindens sind insbesondere Kommunikationsstörun57 Befürwortend, vgl. UBA, Fluglärmwirkung; de Jong, Bundesgesundheitsblatt 35 (1992), S. 126 (128); Maschke/lsing/Amdt, Bundesgesundheitsblatt 38 (1995) 4, S. 130 (137); Maschke/Hecht, in: Bartels/Ising, Nachtfluglärmproblematik, S. 91 (95 f.); ablehnend wohl Jansen/Linnemeier/Nitzsche, ZfL 42 (1995), S. 91 (104). 58 Belegt ist durch neuere Untersuchungen bisher allerdings nur, daß bereits 16 nächtliche Überflüge mit einem Überflugpegel von 55 dB (A) innen bei den "älteren" Flughafenanwohnem eine abnorme Cortisolausschüttung zur Folge haben und bei längerfristiger Fluglärmbelastung ein erhöhtes gesundheitliches Risiko zu befürchten ist, vgl. Maschke /Ising / Amdt, Bundesgesundheitsblatt 38 (1995), S. 130 (137); vgl. BVerwG, Urt. vom 27. 10. 1998 BVerwGE 107, S. 313 (331) m. w. N. 59 Ortscheid/Wende, in: Bartels/Ising, Nachtfluglärmproblematik, S. 4 (16); UBA, Fluglärmwirkungen. 60 UBA, Fluglärmwirkungen; BVerwG, Beschl. vom 17. 05. 1995 - NJW 1995, S. 2572 (2573); Koch, in: GK-BlmSchG, § 3 Rn. 264. 61 Umweltgutachten 2002, Tz. 592; UBA, Fluglärmwirkungen; de Jong, Bundesgesundheitsblatt 35 (1992), S. 126 (128); Griefahn, ZtL 37 (1990), S. 7 (9); Schmidt, Rechtsfragen, S. 170 f.; eher ablehnend, vgl. Schreiber; ZfL 42 (1995), S. 141 (143). 62 Umweltgutachten 2002, Tz. 592; UBA, Fluglärmwirkungen; de Jong, Bundesgesundheitsblatt 35 (1992), S. 126 (128); Griefahn, ZtL 37 (1990), S. 7 (9); Maschke/lsing/Amdt, Bundesgesundheitsblatt 38 (1995), S. 130 (136). 63 De Jong, Bundesgesundheitsblatt 35 (1992), S. 126 (127). Das Umweltgutachten 2002, Tz. 595 ff., entwickelt hierfür das Konzept der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, das zwischen gesundheitlichen und anderen nichtgesundheitlichen Beeinträchtigungen, wie beispielsweise Konzentrationsstörungen, trennt. 64 Ausführlich zu der Minderung der Wohnqualität durch Lärm, vgl. Guski, ZtL 38 (1991), S. 61 (61 ff.); Waiden, ZfL 42 (1995), S. 159 (159 ff.).
B. Das Phänomen ,,Lärm"
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gen anzusehen. Auch kann Lärm die Ruhe, die Entspannung und die Konzentration beeinträchtigen. 65 Als unerwünschtes Geräusch kann es Unmuts gefühle verursachen und Auslöser für Änderungen im Lebensverhalten sein (z. B. durch Verzicht auf die Nutzung von Außenwohnbereichen wie Gärten).66 Die Festlegung einer Lärmschwelle, ab der eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens bejaht werden muß, ist sehr schwierig und unsicher, da gerade für das Wohlbefinden subjektive Faktoren ausschlaggebend sind. 67 Probleme bereitet insbesondere die Abgrenzung von erheblichen Belästigungen (= Belästigung) und einfachen Belästigungen (= Störung). Dies liegt vor allem darin begründet, daß diese Unterscheidung gradueller Natur ist: Unter entsprechenden Voraussetzungen können also Störungen in Belästigungen umschlagen. 68 Insbesondere Lärmfaktoren wie die besonders lästigen physikalischen Eigenschaften einer Lärmart, lange Dauer und Häufigkeit der Lärmereignisse sowie weitere Moderatoren, die die Wirkung steigern, können eine Störung zu einer Belästigung werden lassen. 69 Trotz der genannten Schwierigkeiten können - zumindest für den Bereich der Kommunikationsstörungen - auch hier Kurzzeitmittelungs- und Maximalpegel brauchbare Abschätzungen der Störwirkungen liefern. 7o Grundsätzlich gilt, daß die Sprachverständlichkeit dann nicht beeinträchtigt wird, wenn der Kommunikationspegel um 10 dB (A) über dem Umgebungspegel liegt. 71 Der Kommunikationspegel liegt dabei bei normaler Sprechweise in 1m Entfernung bei 54-60 dB (A).72 Hieraus ergibt sich, daß ein Innenpegel von 40-45 dB (A) im Regelfall eine ruhige Gesprächsführung mit 100% iger Satzverständlichkeit ermöglicht. 73 Liegen die Geräuschpegel darüber, so ist mit Einschränkungen der Satzverständlichkeit zu rechnen. Im Hinblick auf die Wichtigkeit einer ungestörten Kommunikation für gesundes Wohnen, muß eine 100% ige Satzverständlichkeit im Innenbereich angestrebt werden. 74 Im Außenbereich ist hingegen lediglich eine Satzverständlichkeit von 95% für aktzeptable Kommunikationsverhältnisse 65 Sondergutachtenl999, Tz. 445 ff.; Wildanger, in: Fluglärm 2000, S. 206 (218 ff.). Hieraus folgert das Umweltgutachten 2002, Tz. 595 f., daß auch der Parameter der gesundheitsbezogenen Lebensqualität bei der Ausgestaltung des Fluglärmschutz berücksichtigt werden sollte. 66 BMU, Umwelt 1990, S. 244 (246, 248). 67 OrtscheidlWende, in: Bartels/lsing, Nachtfluglärmproblematik, S. 4 (22 ff.). 68 Wildanger, in: Fluglärm 2000, S. 206 (221). 69 Wildanger, in: Fluglärm 2000, S. 206 (222). 70 ""sk, ZLW 1998, S. 456 (485). 71 Wildanger, in: Fluglärm 2000, S. 206 (217); "ysk, ZLW 1998, S. 456 (485). 72 Wildanger, in: Fluglärm 2000, S. 206 (217). 73 Umweltgutachten 1987, Tz. 1433; OrtscheidlWende, in: BartelslIsing, Nachtfluglärmproblematik, S. 4 (28); ""sk, ZLW 1998, S. 456 (485). 74 BVerwG, Besch!. vom 17. 05. 1995 - NJW 1995, S. 2572 (2573); Umweltgutachten 1987, Tz. 1433; Jansen, in: Koch, Schutz vor Lärm, S. 9 (14 ff.).
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1. Teil: Einleitung
zu fordern?5 Aktzeptable Kommunikationsverhältnisse liegen dementsprechend bei Störpegeln von 55 dB (A) in einem Abstand von 3,5 m vor. Sie sind weiterhin bei normaler Umgangssprache bei Pegeln um 60 dB (A) in einem Abstand von 2 m und bei 66 dB (A) in 1 m Entfernung gewährleistet. 76 Grundsätzlich ist zu beachten, daß es im Einzelfall zumutbar sein kann, die Kommunikationsbedingungen durch Anheben der Stimme, Schließen der Fenster oder Verlagerung des Gesprächs in die Lärmpausen anzupassen. 77 Über die Auswirkungen von Lärm auf die Leistungsfähigkeit des Betroffenen bestehen bis jetzt noch keine gesicherten allgemeingültigen Erkenntnisse. 78 Für Störungen der Erholung lassen sich auch noch keine eindeutigen Werte bestimmen. Besonders bedeutsam ist in diesem Zusammenhang jedoch das Vorliegen ungestörter Erholungszeiten und Ruhepausen. 79
11. Besondere Probleme bei Fluglärm Der Begriff des Fluglärms enthält - wie der des Lärms grundsätzlich - eine wertende Komponente, die ihn nach allgemeiner Auffassung als etwas Negatives ausweist. Als Fluglärm im Sinne des hier relevanten luftverkehrsrechtlichen Planungsrechts sind solche Lärmeinwirkungen anzusehen, die von dem Flugplatz auf seine Umgebung ausgehen und ihre Ursache im Flugbetrieb haben. 8o Unter Fluglärm ist dementsprechend der Lärm zu fassen, der bei der Verwendung von Luftfahrtgerät, also insbesondere beim Rollen, beim Starten und beim Landen, beim An- und Abflug sowie beim Überflug auftritt. Nicht zum Fluglärm gehört aber der auf dem Flughafengelände verursachte Bodenlärm. 81
75 Umweltgutachten 1987, Tz. 1433 f.; die geringere Schutzwürdigkeit des Außenbereichs ergibt sich daraus, daß hier geringere Erwartungen an eine ungestörte Kommunikation herrschen. 76 Umweltgutachten 1987, Tz. 1433. 77 Umweltgutachten 1987, Tz. 1434. 78 Umweltgutachten 1987,Tz. 1448 ff.; Felscher-SuhrIGuski, ZfL 1996, S. 61 (61 ff.); hierzu auch Wildanger, in: Fluglärm 2000, S. 206 (218). 79 Wildanger, in: Fluglärm 2000, S. 206 (219 ff.) m. w. N. 80 BVerwG, Besch!. vorn 07. 12. 1998 - UPR 1999, S. 153 (154). 81 GiemullalSchmid, LuftVG, § 6, Rn. 15b; HojmannlGrabherr, LuftVG, § 6, Rn. 49. Welche Geräusche allerdings unter den Begriff des Bodenlärms fallen, erscheint nicht abschließend geklärt, vg!. GiemullalSchmid, LuftVG, § 6, Rn. 27; HojmannlGrabherr, LuftVG, § 6, Rn. 59; Renziehausen, Lärmsehutz, S. 17; "ysk, ZLW 1998, S. 456 (481); BVerwG, Beseh!. vorn 07. 12. 1998 - UPR 1999, S. 153 (154).
B. Das Phänomen "Länn"
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1. Entwicklung des Fluglärms Seit dem zweiten Weltkrieg hat der Luftverkehr rasant zugenommen. Als Gründe für die steigende Bedeutung des Flugverkehrs sind im wesentlichen die Globalisierung der Wirtschaftmärkte, die Liberalisierung der Landerechte und die starke Zunahme des Tourismus zu nennen. 82 So stieg die Zahl der Flugbewegungen im Zeitraum von 1950 bis 1960 jährlich um fast 20%. Auch in den folgenden zehn Jahren war ein hohes Wachstum von ca. 7% im Jahr festzustellen. 83 Von 1970 bis 1997 hat der Luftverkehr jährlich einen Zuwachs von ca. 5 - 6 % erfahren. 84 Diese enorme Zunahme des Luftverkehrs wird sich nach den Wirtschafts prognosen fortsetzen, so daß auch in den nächsten Jahren mit einem Anstieg der Flugbewegungen in Europa um 4,5% jährlich gerechnet werden kann. 85 Mit der Zunahme der Flugbewegungen ist ein Anwachsen der Geräuschbelastung für die Bevölkerung verbunden, das entsprechend der Entwicklung des Luftverkehrs in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen hat und weiter zunimmt. 86 Durch die Entwicklung lärmarmer Flugzeuge hat man versucht, der anwachsenden Lärmbelastung entgegenzuwirken. Hierdurch konnten die Geräuschpegel moderner Flugzeuge gegenüber Flugzeugen älterer Generation im Durchschnitt um 15 dB (A) abgesenkt werden. 87 Allerdings hat die Belästigung der Bevölkerung durch Fluglärm trotz dieser erheblichen Verbesserungen an den Triebwerken weiter zugenommen. 88 Dies liegt zunächst darin begründet, daß die Erfolge der Lärmminderung an den Triebwerken durch die steigende Zahl der Flugbewegungen relativiert worden sind. Zwar sind die einzelnen überlauten Ereignisse seltener geworden, doch ist die Anzahl der weniger lauten Ereignisse gestiegen. Für die Lärmbelästigung spielt aber neben der Lautstärke des Geräusches insbesondere auch die Häufigkeit des Auftretens eine maßgebliche Rolle. 89 Von Bedeutung ist weiterhin der Mangel an Ruhepausen aufgrund der Häufigkeit der LärmereigSondergutachten 1999, Tz. 483. Vgl. Delbanco, Änderung, S. 26. 84 Sondergutachten 1999, Tz. 483: dabei entfällt auf das Passagieraufkommen ein Zuwachs von 5, 2% und auf das Frachtaufkommen ein Zuwachs von 5, 7%. 85 Sondergutachten 1999, Tz. 483. Diese Entwicklung wird sich trotz des kurzzeitigen Rückgangs des Luftverkehrs nach dem Terror-Anschlag in den USA weiter fortsetzen, vgl. Umweltgutachten 2002, Tz. 581. 86 Vgl. Umweltgutachten 1987, Tab. 2.6.6; Sondergutachten 1999, Tab. 3.5 - 3. 87 Sondergutachten 1999, Tz. 483. Zu berücksichtigen ist allerdings dennoch, daß durch die neuen stärkeren Triebwerke beispielsweise erreicht wird, daß die Flugzeuge beim Starten schneller an Höhe gewinnen und so auch die Lännbelastung verkürzt wird. Dennoch wird die Lännbelastung aufgrund der Leistungssteigerung der Triebwerke gleichzeitig nicht unbedingt verringert. Hinzu kommt, daß die neuen Flugzeuge beim Landen oft lauter sind als die alten Modelle, vgl. Guski, in: Fluglänn 2000, S. 1 (3). 88 Umweltgutachten 2002, Tz. 581; LAI, Leitlinie zur Beurteilung von Fluglänn; vgl. Umweltgutachten 1987, Tab. 2.6.6; Sondergutachten 1999, Tab. 3.5-3. 89 Guski, in: Fluglänn 2000, S. 1 (3 ff.); Umweltgutachten 2002, Tz. 584. 82 83
3 Franke
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1. Teil: Einleitung
nisse. 9o Überdies wird durch das oftmalige Fehlen eines Siedlungsabstandes zum Flughafen die Entfernung der Betroffenen von der Lännquelle verkürzt, wodurch eine Verstärkung der Lännbelastung eintritt.91 Hinzu treten eine höhere Sensibilisierung der Bevölkerung gegenüber Fluglänn und ein allgemein gewachsenes Umweltbewußtsein. 92 Verstärkend wirkt weiterhin die Zunahme der Lännbelästigungen aus anderen Lännquellen wie insbesondere des Straßenverkehrs, die zu den Fluglännbelastungen kumulativ hinzutritt. 93 Zusammenfassend ist demnach festzuhalten, daß trotz Maßnahmen der Lännminderung die Lännbelastung durch Fluglänn in den letzten Jahrzehnten aufgrund der genannten Faktoren stark zugenommenhat.
2. Besonderheiten des Fluglärms Repräsentative Bevölkerungsumfragen des Bundesumweltamts aus dem Jahr 2000 weisen Fluglänn hinter dem Straßenverkehrslänn als belastendste Lännquelle aus. Ca. 33% der Bevölkerung in der Bundesrepublik fühlen sich durch Fluglänn belästigt, davon ca. 6% stark.94 Insbesondere die Doppelbelästigung durch Straßen- und Flugverkehr wird von 26% der Bürger als belästigend angegeben. 95 Fluglänn weist im Vergleich zu den übrigen Lännarten - insbesondere im Hinblick auf den Straßen- und Schienenverkehrslänn - Eigenschaften auf, die ihn zu einer besonders belastenden Umwelteinwirkung machen. Zunächst kommt Fluglänn in seinen Wirkungen eine höhere Belästigungswirkung als Straßen- und Schienenverkehrslänn ZU. 96 Insbesondere die beim Fluglänn kurzzeitig auftretenden verhältnismäßig hohen Schalldrücke und bestimmte Frequenzzusammensetzungen unterscheiden ihn von Straßenverkehrsgeräuschen, die oft den Charakter von Dauergeräuschen haben. 97 Als besonders belästigender Faktor kommt hinzu, daß Fluglänn in unregelmäßigen Abständen in hoher Anzahl auftaucht und einen Brendel/Wendland. ZfL 1998, S. 181 (182). Das Heranrücken der Wohnbebauung an die Flughäfen macht die Defizite des FluglSchG deutlich, das zwar Siedlungsbeschränkungen in der Umgebung von Flughäfen festlegt, aber hiervon großzügige Ausnahmen zuläßt, vgl. § 5 Abs. 3, 4 FluglSchG. 92 Brendel/Wendland. ZfL 1998, S. 181 (182). 93 Schulze-Fielitz. DÖV 2001, S. 181 (182). 94 UBA. Jahresbericht 2000, S. 130. 95 Umweltgutachten 1996, Tab. 2.23. 96 UBA. Jahresbericht 2000, S. 129; Umweltgutachten 1996, Tz. 408; Wildanger, in: Fluglärm 2000, S. 206 (212) m. w. N.; vgl. ausführlich hierzu, allerdings mit anderem Ergebnis: Oliva/ Hüttenrrwser, ZfL 2000, S. 47 (47 ff.); äußerst kritisch zu dem Ergebnis von Oliva/ Hüttenmoser, vgl. Meyer, ZfL 2002, S. 23 (23 ff.). 97 Quaas. NVwZ 1991, S. 16 (17); Guski. in: Flugärm 2000, S. 1 (2); zweifelnd ob dies eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigt, vgl. Schwenk, LuftVR, S. 134. 90
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schnellen Anstieg des Gesamtgeräuschpegels bewirkt. Durch den Doppeleffekt eines hohen Tons bei Annäherung des Flugzeuges tritt gleichzeitig eine lärmpsychologische Bedrohungswirkung ein. 98 Diese Faktoren haben zur Folge, daß - im Gegensatz zu Dauergeräuschen - keine Gewöhnung eintritt und jedes einzelne Lärmereignis Aufmerksamkeit erregt und stört. 99 Neben die hohe Belästigungswirkung des Fluglärms tritt die Tatsache, daß sich Fluglärm von einem bewegten fliegenden Objekt ausbreitet, gegen das ein Schutz kaum möglich ist. lOO Da der Lärm fliegender Flugzeuge von oben abgestrahlt wird, kann er von allen Seiten in die Häuser eindringen, ohne daß Abschirrneffekte durch andere Häuser oder Lärmbarrieren eintreten. Fluglärrnimmissionen können lediglich durch Vergrößerung des Abstandes zwischen Quelle 101 und Empfänger oder durch verstärkte Isolation an Fenstern und Dächern vermindert werden. Die Außenbereiche können zumeist gar nicht geschützt werden. Im Gegensatz dazu kann Straßenverkehrslärm beispielsweise durch bereits bestehende Bebauung, Schallschutzwände oder andere Barrieren zwischen Quelle und Empfänger verringert werden. Selbst wenn dabei die der Lärmquelle zugewandte Seite des Hauses stark mit Lärm belastet ist, so stellt sich der Lärm auf der anderen Hausseite als erheblich geringer dar. Die Menschen können sich dementsprechend durch ihr Wohnverhalten Linderung verschaffen. 102 Ein Schutz der Außenbereiche ist hier grundsätzlich möglich. Von Bedeutung für das Ausmaß der Fluglärmbelästigung sind weiterhin sozialpsychologische Faktoren. Danach wird unabhängig von den akustischen Eigenschaften des Lärms die Bahn im Gegensatz zum Flugzeug und zum Kfz als weniger riskantes und umweltfreundlicheres Transportmittel angesehen. Daher wird ihr Lärm auch als weniger belästigend empfunden. Auch das fehlende Vertrauen der Betroffenen in die für den Fluglärmschutz Verantwortlichen und die negativen Lärmerwartungen der Anwohner haben Auswirkungen auf die Belästigungswirkung. I03
98 BVF, Zum Vergleich Kfz-Lärm zu Fluglärm; Umweltgutachten 2002, Tz. 588, nach dem Überflüge während der Nacht als Gefahrensignale wahrgenommen werden können. 99 Wildanger, in: Fluglärm 2000, S. 206 (223). 100 Wildanger, in: Fluglärm 2000, S. 206 (212). Gleichzeitig hat die flächendeckende Ausbreitung des Fluglärms zur Folge, daß größere Bevölkerungsteile von ihm betroffen werden, vgl. BayVGH, Beschl. vorn 16. 04. 1981 - BayVBI. 1981, S. 401 (407). 101 Allerdings ist hierzu anzumerken, daß zwar Kfz-Geräusche mit zunehmender Entfernung sehr stark abnehmen (ein PKW unterschreitet das Kommunikationsstörungskriterium bereits nach 15 m), aber Flugzeuge noch in Entfernungen von 2800/5740 m (je nach Flugzeugtyp) Kommunikationsstörungen verursachen können, vgl. BVF, Zum Vergleich KfzLärm zu Fluglärm. 102 BVF, Zum Vergleich Kfz-Lärm zu Fluglärm. 103 Umweltgutachten 2002, Tz. 594.
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1. Teil: Einleitung
III. Wirtschaftliche und politische Lärmdimension Im Hinblick auf den Schutz vor Fluglänn ist allerdings nicht lediglich die vollständige rechtliche Erfassung des Lännphänomens problematisch, sondern weiterhin die wirtschaftlichen und politischen Aspekte, die mit dem Lännschutz an Flughäfen eng verknüpft sind.104 Eine funktionsfähige und effiziente Verkehrsinfrastruktur ist von hoher Bedeutung für einen prosperierenden Wirtschafts standort. Insbesondere der Flugverkehr steigt aufgrund seiner Schnelligkeit und Zuverlässigkeit bei der Beförderung von Personen und Waren beständig in seiner Bedeutung für den Geschäftsverkehr, den Tourismus und den Transport von Waren. Flughäfen als Investoren und Dienstleister stellen daher wichtige Beschäftigungs- und Einkommensfaktoren für ihre Regionen dar, indem sie vielfaltige Wachstums- und Beschäftigungswirkungen auch mittelbarer Art induzieren. Der Luftverkehr hat dementsprechend einen hohen volkswirtschaftlichen Nutzen, an dem von staatlicher und wirtschaftlicher Seite ein hohes Interesse besteht, da er zur Sicherung und Förderung des Wirtschaftsstandorts Deutschland dient. Die enorme Zunahme des Luftverkehrs in den letzten Jahrzehnten hat zu Kapazitätsengpässen auf den meisten deutschen Verkehrsflughäfen geführt. Um die Dynamik des Luftverkehrs wirtschaftlich nutzen und erhalten zu können und auf diese Weise die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Verkehrsflughäfen zu sichern, müssen Maßnahmen zur Bewältigung des Luftverkehrsaufkommens getroffen werden. Hier besteht die Möglichkeit, die Nutzung der bestehenden Kapazitäten zu optimieren, indem Kurzstreckenflüge teilweise auf die Schiene verlagert werden und das Flugverkehrsaufkommen durch eine verbesserte Koordination der Flüge auf die verschiedenen Verkehrsflughäfen umverteilt wird. Allerdings lassen sich diese Alternativen nur in Grenzen verwirklichen und sind nicht in der Lage, der zusätzlichen Nachfrage nach Luftverkehrsleistungen alleine gerecht zu werden. Die Zunahme des Luftverkehrs läßt sich im wesentlichen nur durch Neu- oder Ausbauplanungen der bestehenden Flughäfen bewältigen. Werden jedoch bestehende Verkehrsflughäfen ausgebaut und in ihren Kapazitäten erweitert, so ist dies gleichzeitig mit einem Ansteigen der Fluglännbelastungen für die Anwohner verbunden. Die Nutzung des Wirtschaftsfaktors Luftverkehr steht demnach dem Schutz vor Fluglärm entgegen. Insbesondere kann dieser Interessenkonflikt nicht durch Länn104 Vgl. zu dem Folgenden ausführlich: flughafenkonzept der Bundesregierung vom 30. 08. 2000, http: //www.fluglaerm.delbvf/dairportconcept/dflughafenkonzept.htm [Stand: 09. 02. 2002]; Stellungnahme der Bundesvereinigung gegen fluglärm zum flughafenkonzept der Bundesregierung, http://www.fluglaerm.de/bvf/fluglaerm.de/dairportconcept 1stflughafenkonzept.htm [Stand: 09. 02. 2001]; Stellungnahme des BUND zum flughafenkonzept der Bundesregierung vom 30. 08. 2000, S. 1 ff.; vgl. weiterhin: Neue Grenzen, Wirtschaftswoche Nr. 13 vom 22. 03. 2001, S. 20f.
B. Das Phänomen "Länn"
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schutzmaßnahmen behoben werden, denn aktive Lärmschutzmaßnahmen in Form von Betriebsregelungen greifen gerade in die knappen Kapazitäten der Verkehrsflughäfen ein und stehen auf diese Weise den wirtschaftlichen Interessen diametral gegenüber. Passive Lärmschutzmaßnahmen wiederum verursachen - je nach Höhe des Lärmschutzniveaus - hohe Kosten, die von den Flughafenbetreibern getragen werden müssen und daher ebenfalls die Flughäfen nachteilig belasten. Der Interessengegensatz zwischen Wirtschaftlichkeit und Lärmschutz kann demnach nicht einseitig aufgelöst werden, sondern es muß ein politischer Komprorniß gefunden werden. Dies gestaltet sich in der Praxis allerdings als äußerst schwierig, da sich hier neben den persönlich Lärmbetroffenen und den jeweiligen Flughafenbetreibern sehr einflußreiche Vertreter von Wirtschafts- und Umweltschutzverbänden gegenüberstehen. Im praktischen Ergebnis wird angesichts der hohen Arbeitslosenzahlen oftmals Ökonomie gegen Ökologie ausgespielt, so daß die Faktoren Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze sowie das Argument der begrenzten finanziellen Belastbarkeit von Verkehrsflughäfen den Gesundheitsschutz zurückdrängen.
IV. Zwischenergebnis Rechtliche Regelungen zum Schutz vor Fluglärm stellen den Gesetzgeber regelmäßig vor große Schwierigkeiten. Diese liegen zum einen in der Komplexität des Lärmphänomens begründet, das von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist. Da diese Faktoren im wesentlichen außerrechtlicher Art sind, wird ein Rückgriff auf den physikalischen und medizinischen Sachverstand unumgänglich. Probleme bereiten dabei vor allem die vollständige rechtliche Erfassung des Lärmphänomens und die Erkenntnisdefizite im Bereich der Lärmwirkungsforschung. Neben diese Schwierigkeiten treten zum anderen die besonderen Probleme des Fluglärms. Diese liegen zum einen in der enormen Zunahme des Luftverkehrs in den letzten Jahren, die sich laut Wachstumsprognosen auch in den nächsten Jahren fortsetzen soll. Zum anderen weist Fluglärm im Gegensatz zu anderen Lärmarten gewisse Eigenschaften auf, die ihn als besonders belästigende Lärmart ausweisen. Diesen Besonderheiten muß im Rahmen rechtlicher Regelungen Rechnung getragen werden. Von ausschlaggebender Bedeutung im Zusammenhang mit Regelungen gegen Fluglärm ist weiterhin die wirtschaftliche und politische Dimension des Lärmschutzes. Hierbei stehen sich Lärmschutzinteressen und wirtschaftliche Interessen diametral gegenüber, so daß sich die Fluglärmproblematik als ein politisch äußerst aufgeladenes Feld darstellt.
Zweiter Teil
Schutz vor Fluglärm bei der Planung von Verkehrsflughäfen Im folgenden soll dargestellt werden, auf welche Weise der Schutz vor Auglärm bei der Planung von Verkehrsflughäfen auf Grundlage der bestehenden rechtlichen Regelungen Bedeutung erlangt. 1 Hier kommen nicht nur das luftverkehrsrechtliche Zulassungsrecht nach dem Luftverkehrsgesetz in Betracht, sondern ebenfalls die Möglichkeiten der Raumordnung, die dem luftverkehrsrechtlichen Fachplanungsrecht vorgeschaltet sind. Für den flugplatzbezogenen Auglärmschutz weiterhin von Bedeutung sind die Regelungen des "Gesetzes zum Schutz vor Fluglärm in der Umgebung von Flugplätzen". Der Schwerpunkt des Auglärmschutzes liegt aber im luftverkehrsrechtlichen Zulassungsrecht.
A. Überblick Vorab soll ein kurzer Überblick über die Entstehung der luftverkehrsrechtlichen Lärmschutzregelungen gegeben werden. Bis Anfang der sechziger Jahre nahm die Berücksichtigung von Fluglärm bei der Flughafenplanung keine ausschlaggebende Rolle ein. Dies änderte sich jedoch mit dem Erscheinen der ersten Generation von Strahlflugzeugen, die eine höhere Lärmbelastung verursachten als die bisherigen Flugzeuge. Ab diesem Zeitpunkt war ein Anwachsen der zivilen Luftfahrt festzustellen, das selbst Experten nicht erwartet hatten. Gleichzeitig breitete sich ein neues Umweltbewußtsein in der Bevölkerung aus, und die Lärmempfindlichkeit der Menschen nahm zu. 2 Als Folge dieser Entwicklung wurde das "Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm in der Umgebung von Flugplätzen" (FluglSchG) vom 30.03. 1971 3 erlassen. Das FluglSchG selbst bestimmt die Festlegung von Lärmschutzbereichen und enthält im wesentlichen Siedlungsbeschränkungen sowie Entschädigungsregelungen. Durch § 15 FluglärmG wurden aber zusätzlich Regelun1 Im folgenden soll stets vereinfachend von der Planung eines Verkehrsflughafens gesprochen werden, die tatsächlich Anlage und I oder Betrieb sowie deren wesentliche Änderungen umfaßt, §§ 6, 8 LuftVG. 2 GiemulialSchmid, LuftVG, Vor. §§ 6-l9b, Rn. 1; HofmannlGrabherr; LuftVG, § 6, Rn. 49. 3 BGBI. I 1971,282.
B. Raumordnungsrecht
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gen zum aktiven Lärmschutz in das LuftVG eingefügt. So wurde die Prüfungspflicht der Genehmigungsbehörde nach § 6 Abs. 2 LuftVG auch darauf ausgeweitet, ob die geplante Anlage "den Schutz vor Fluglärm angemessen berücksichtigt".4 Weiterhin wurde das LuftVG um § 29b ergänzt, der Flugplatzhalter, Luftfahrzeughalter und Luftfahrzeugführer dazu verpflichtet, vermeidbaren Fluglärm zu verhindern. Der ebenfalls neu einfügte § 19a LuftVG sieht eine Verpflichtung zur fortlaufenden Messung des durch die an- und abfliegenden Flugzeuge verursachten Lärms vor. Durch Einführung des § 32b LuftVG wurde die Bildung einer Lärmschutzkommission vorgeschrieben, deren Aufgabe es ist, die Genehmigungsbehörde im Hinblick auf Maßnahmen zum Schutz gegen Fluglärm zu beraten.1981 führte das 9. Änderungsgesetz zu einer Neufassung des LuftVG und zu einer Neubekanntmachung. 5 1994 wurde die Landeplatzlärmschutzverordnung auf Grundlage des § 32 Abs. 1 Nr. 15 LuftVG erlassen, die allerdings nur auf den Schutz vor Fluglärm an bestimmten Verkehrslandeplätzen abstellt und für Verkehrsflughäfen dementsprechend nicht relevant ist. Von Bedeutung sind weiterhin die Novellierungsbestrebungen der Bundesregierung im Hinblick auf das FluglSchG. Ob dieses Vorhaben im Hinblick auf die bestehenden Konflikte zwischen Lärmschutz, Kostengesichtspunkten und politisch-wirtschaftlichen Faktoren tatsächlich realisiert werden wird, bleibt abzuwarten.
B. Raumordnungsrecht Die luftverkehrsrechtliche Zulassung eines Flughafens nach dem LuftVG muß nicht das einzige Planungsverfahren sein, das im Zuge der Zulassung eines Verkehrsflughafens durchgeführt wird. Es ist vielmehr so, daß die Zulassung eines Verkehrsflughafens derart weitreichende raumbeeinflussende und raumgestaltende Auswirkungen nach sich zieht, daß eine frühzeitige Koordinierung der an und in dem fraglichen Raum vorhandenen Interessen erforderlich wird. Dieser Notwendigkeit wird durch das überörtliche und überfachliche Raumordnungsrecht6 Rechnung getragen. Das Raumordnungsrecht soll es ermöglichen, den in Deutschland nur begrenzt zur Verfügung stehenden Raum optimal zu nutzen und gleichzeitig die verschiedenen Interessen so weit wie möglich auszugleichen. 7 In Bezug auf den Schutz vor Fluglärm muß es vorrangiges Ziel des Raumordnungsrechts sein, einen ausreichenden Abstand zwischen den Quellen des fluglärms und der umliegenden Wohnbebauung bzw. sonstigen lärmempfindlichen 4 Vorher wurde die Belastung durch Fluglärm unter der "Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" berücksichtigt; Giemullal Schmid, LuftVG, § 6, Rn. 14. 5 BGBl. I 1981,62. 6 Raumordnung soll hier als Überbegriff für Bundesraumordnung, Landesplanung und Regionalplanriung verwendet werden. 7 Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, VI., Rn. 3.
2. Teil: Schutz vor Fluglänn
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Nutzungen zu schaffen. 8 Dabei stellt sich zunächst die Frage, ob der Belang des Lännschutzes im Rahmen der Raumordnung überhaupt eine Rolle spielt. Weiterhin muß geklärt werden, mit welchen Instrumenten des Raumordnungsrechts die Lännschutzbelange am effektivsten durchgesetzt werden können.
I. Schutz vor Lärm in der Raumordnung Der Belang des Lännschutzes taucht im Raumordnungsrecht in § 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG auf, nach dem der Schutz der Allgemeinheit vor Länn sicherzustellen ist. 9 Wie die anderen in § 2 ROG genannten Belange stellt auch der Lännschutz einen Grundsatz der Raumordnung dar. Zusätzlich findet im Rahmen des Raumordnungsrechts der Trennungsgrundsatz des § 50 BImSchG Anwendung, nach dem schädliche Umwelteinwirkungen durch Geräusche im Wege der Trennung von konfligierenden Nutzungen soweit wie möglich vennieden werden sollen. lO
1. Problem des Bewertungsmaßstabs
Problematisch erscheint grundsätzlich die Frage nach dem Bewertungsmaßstab für die Lännbelastung. Wie viele andere Planungsgesetze" sieht auch das ROG lediglich einen groben Prüfungsmaßstab (nämlich die Berücksichtigung des Schutzes vor Länn) vor, der in hohem Maße konkretisierungsbedürftig ist. Zur Konkretisierung können die für die verschiedenen Bereiche existierenden Rechtsvorschriften und technischen Nonnen herangezogen werden. Existieren solche - wie im Bereich des Luftverkehrsrechts - nicht, so sind für die Bewertung die Umstände des Einzelfalles maßgeblich. 12 Bei der Bewertung ist jedoch zu berücksichtigen, daß das Raumordnungsrecht mit seinem weiten überregionalen Prüfungsansatz nicht das Fachplanungsrecht ersetzen soll und kann. 13 Zu detaillierte oder konkrete Erörterungen sind daher zu unterlassen. Die Abwägung hat nur nichtindividualisierte überörtliche Interessen zu berücksichtigen. 14 MKRO, Schutz der Bevölkerung vor Fluglänn. Zu beachten ist hierbei, daß die unterschiedlichen Fonnulierungen in den Grundsätzen keine Rückschlüsse auf die Rechtsqualität der einzelnen Grundsätze zulassen; vielmehr stehen die Grundsätze der Raumordnung gleichwertig nebeneinander, vgl. Von der Heide, in: Cholewa/Dyong/von der Heide I Arenz, ROG, § 2 Rn. 30. 10 Schulze-Fielitz, in: GK-BlmSchG, § 50, Rn. 83. 11 Siehe dazu Gassner, UPR 1993, S. 241 (242). 12 Gassner, UPR 1993, S. 241 (242). 13 Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Erbguth, ROG, § 3, Rn. 73,120. 14 Für die Ziele der Raumordnung, vgl. Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Erbguth, ROG, § 3, Rn. 73; für das Raumordnungsverfahren, vgl. Cholewa, in: Cholewa/Dyong/von der Heide I Arenz, ROG, § 15, Rn. 61; Wahl, in: FS für Sendler, S. 199 (205). 8
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B. Raumordnungsrecht
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2. Fluglärmspezifische Probleme
Wie oben bereits dargestellt, muß es im Hinblick auf den Schutz vor Fluglärm vorrangiges Ziel des Raumordnungsrechts sein, einen ausreichenden Abstand zwischen den Quellen des Fluglärms und der umliegenden Wohnbebauung bzw. sonstigen lärmempfindlichen Nutzungen zu schaffen. 1s Bei dieser raumübergreifenden Planung ergeben sich jedoch im Hinblick auf den Lärmschutz Probleme. Grundsätzlich gilt, daß sich aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte in der Bundesrepublik Lärmbelastungen der Bevölkerung durch großangelegte Verkehrsvorhaben niemals vollständig, sondern nur bis zu einem gewissen Grad für bestimmte Betroffene verhindern lassen. Hinzu kommt, daß andererseits gerade die Nähe städtischer Ballungszentren für die Attraktivität des Flughafens von großer Bedeutung ist. Im übrigen handelt es sich in der Praxis bei Flughafenvorhaben im wesentlichen um Ausbauplanungen, so daß die Planung bereits ortsgebunden ist und zumeist auf herangewachsene Nutzungen trifft. 16 Im Hinblick auf den Fluglärm tritt die Besonderheit hinzu, daß sich Fluglärm im Gegensatz zu Straßenverkehrs- und Schienenlärm flächendeckend ausbreitet und noch in großen Entfernungen belästigend wirken kann. Diese Tatsachen erschweren die Lärmminimierung auf der Ebene der Raumordnung wesentlich. Möglich erscheint aber die Festlegung weiträumigerer raumordnerischer Siedlungsbeschränkungen zusätzlich zu den Lärmschutzzonen nach dem FluglSchG. 17 Im Ergebnis ist dennoch festzuhalten, daß die Maßnahmen der Raumordnung nur sehr begrenzt dazu in der Lage erscheinen, das Problem des Fluglärms umfassend zu lösen.
11. Raumordnerische Instrumente zum Lärmschutz Problematisch erscheint die Tatsache, daß der Berücksichtigung der Grundsätze der Raumordnung als räumlich und fachlich abstrakt formulierter Leitprinzipien inhaltlich leicht ausgewichen werden kann. 18 Um die Grundsätze der Raumordnung zu konkreter rechtlicher Realität werden zu lassen, muß demnach auf weitere Instrumente des Raumordnungsrechts zurückgegriffen werden, durch die die zuständigen Landesbehörden Einfluß auf die Raumordnung und somit gleichzeitig auf die Flughafenplanung nehmen können. Von besonderer Relevanz sind hier die
MKRO, Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm. Schulze-Fielitz, DÖV 2001, S. 181 (184). 17 BrendellWendland, ZtL 1998, S. 181 (182). § 16 FluglSchG stellt den Bundesländern frei, weitergehende Siedlungsbeschränkungen durch raumordnerische Maßnahmen zu erlassen, so daß die Siedlungsbeschränkungen des FluglSchG dem Raumordnungsrecht nicht entgegenstehen. 18 Steiner; Besonderes Verwaltungsrecht, VI., Rn. 43. 15
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2. Teil: Schutz vor Fluglänn
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Festsetzung raumordnerischer Ziele in Landesplänen und die Durchführung von Raumordnungsverfahren. Die Ziele der Raumordnung sind - im Gegensatz zu den Grundsätzen der Raumordnung - als konkrete Raumnutzungsentscheidungen anzusehen, die im Hinblick auf Inhalt und Konkretisierungsgrad allerdings sehr unterschiedlich sein können. 19 Grundsätzlich besteht aber die Möglichkeit, durch die Festsetzung eines entsprechenden raumordnerischen Ziels den Standort eines Flugplatzes hinreichend konkret festzulegen. 2o Da die raumordnerischen Ziele im Wege der Abwägung durch die Konkretisierung der Grundsätze der Raumordnung entstehen, muß bei der Zielfestlegung auch der Schutz vor Lärm als Abwägungsbelang berücksichtigt werden. Über die Festsetzung von raumordnerischen Zielen können die Grundsätze der Raumordnung und insbesondere auch der Belang des Lärmschutzes konkrete rechtliche Realität werden. Weiterhin können Fluglärmschutzbelange im Rahmen des Raumordnungsverfahrens konkrete Bedeutung gewinnen. Für die Anlage und wesentliche Änderung von Flugplätzen, die einer Planfeststellung bedürfen, ist die Durchführung eines derartigen Raummordnungsverfahrens gern. § 1 Nr. 12 RoV zwingend vorgeschrieben. Liegen allerdings ausreichend konkretisierte landesplanerische Ziele vor, so ist ein Raumordnungsverfahren nach § 15 Abs. 2 ROG entbehrlich. 21 Das Raumordnungsverfahren als weiteres Instrument der Raumordnung steht zwischen Raumordnung und Fachplanung. 22 Es dient dazu, die Übereinstimmung bestimmter raumbedeutsamer Planungen mit den Erfordernissen der Raumordnung zu beurteilen und sie mit anderen raumwirksamen Vorhaben abzustimmen, § 15 Abs. 1 ROG. 23 Das Raumordnungsverfahren prüft dementsprechend die Raumverträglichkeit eines konkreten Projekts an einem konkreten Standort. 24 Diese Raumverträglichkeit wird dadurch ermittelt, daß im Raumordnungsverfahren die raumbedeutsamen Auswirkungen der Planung oder Maßnahme auf die in den Grundsätzen des § 2 Abs. 2 ROG genannten Belange unter überörtlichen Gesichtspunkten geprüft werden, § 15 Abs. 1 S. 3 ROG. Hierzu gehört insbesondere auch die Immissionsbelastung der Bevölkerung durch die Lärmauswirkungen eines FlugSteiner, Besonderes Verwaltungsrecht, VI., Rn. 45. Giemulla/Schmid, LuftVG, Vor. §§ 6-19b, Rn. 2 ff.; Hermann, Fluglänn. S. 215. 21 Die Befreiungsmöglichkeit des § 15 Abs. 2 ROG wurde für Länder mit einem dichten Ziel system geschaffen, beispielsweise für den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld zu einem internationalen Flughafen, vgl. Steiner, in: FS für Blümel, S. 549 (563); weitere Beispiele, vgl. Giemulla/Schmid, LuftVG, Vor. §§ 6-l9b, Rn. 44. 22 Wahl, in: FS für Sendler, S. 199 (205). 23 Von einem Raumordnungsverfahren kann allerdings dann abgesehen werden, wenn ein Ziel der Raumordnung die Raumverträglichkeit schon ausreichend konkretisiert, vgl. § 15 Abs.2ROG. 24 Giemulla/Schmid. LuftVG, Vor. §§ 6-l9b, Rn. 45; Hermann, Fluglänn, S. 218; Wagner, DVBI. 1993, S. 583 (587). 19
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B. Raumordnungsrecht
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platzes, § 2 Abs. 2 Nr. 8 a.E. ROG, so daß dieser Belang im Rahmen des Raumordnungsverfahrens Berücksichtigung findet.
III. Bindungswirkung der Erfordernisse der Raumordnung für das nachfolgende Zulassungsverfahren Die Ziele der Raumordnung und das Raumordnungsverfahren erlangen ihre rechtliche Bedeutung erst dadurch, daß sie in das nachfolgende luftverkehrsrechtliche Zulassungsverfahren miteinzubeziehen sind und dort unterschiedliche rechtliche Bindungswirkung entfalten.
1. Raumordnungsklausel des § 6 LuftVG Das Verhältnis von Fachplanung und überfachlicher Raumplanung wird in manchen Fachplanungsgesetzen des Bundes und der Länder durch zusätzliche Bestimmungen ergänzt. Eine derartige sogenannte "Raumordnungsklausel" enthält auch das Luftverkehrsrecht für die Genehmigung von Flugplätzen. Gern. § 6 Abs. 1 S. 1 LuftVG ist vor Erteilung der Genehmigung besonders zu prüfen, ob die geplante Maßnahme den Erfordernissen der Raumordnung entspricht. 25 Unter ,,Erfordernissen" der Raumordnung sind gern. § 3 Nr. 1 ROG die Ziele und Grundsätze der Raumordnung sowie die sonstigen Erfordernisse der Raumordnung zu verstehen. "Sonstige" Erfordernisse der Raumordnung sind wiederum gern. § 3 Nr. 4 ROG definiert als in Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung, Ergebnisse förmlicher landesplanerischer Verfahren wie des Raumordnungsverfahrens und landesplanerische Stellungnahmen. Auch im Rahmen der Planfeststellung sind die Belange der Raumordnung in die Prüfung miteinzubeziehen. Gern. § 8 Abs. 1 S. 2 LuftVG sind alle von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Unter Anwendung dieses umfassenden materiellen Maßstabes für die planfeststellungsrechtliche Zulassung eines Flughafens ist - unter "Übernahme" des Regelungsgehalts des § 6 Abs. 2 S. I LuftVG - insbesondere auch zu püfen, ob die geplante Maßnahme den Erfordernissen der Raumordnung entspricht.
25 Der Begriff der "Erfordernisse der Raumordnung" entspricht dabei grundsätzlich der allgemeinen Definition des ROG. Die Streichung der Erfordernisse der Landesplanung durch das 11. ÄnderungsG 1998 bedeutet keine inhaltliche Änderung, sondern ist vielmehr durch die Neufassung des ROG bedingt, nach dessen § 3 in den Erfordernissen der Raumordnung auch die der Landesplanung enthalten sind, vgl. Giemulla/Schmid. LuftVG, § 6 Rn. 13; Venus. Berücksichtigungsgebot. S. 60.
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2. Teil: Schutz vor Fluglänn
2. Beachtung und Berücksichtigung Es stellt sich nun die Frage, inwieweit die Erfordernissse der Raumordnung in der Zulassungsentscheidung eine Bindungswirkung für die Planfeststellungs- bzw. Genehmigungsbehörde entfalten. 26 Die Bindungswirkung der Erfordernisse der Raumordnung ist zusammengefaßt in § 4 ROG geregelt. Gern. § 4 Abs. 1, 4 ROG sind die Ziele der Raumordnung von den Fachplanungsträgern bei den einschlägigen Planungen und Maßnahmen zu beachten. Die Beachtungspflicht löst eine unmittelbare und strikte, der Abwägung nicht zugängliche Bindungswirkung aus. 27 . Die Luftverkehrsbehörde kann sich jedoch ausnahmsweise gern. § 5 Abs. 1 Nr. 3 ROG von der Bindungswirkung der landesplanerischen Ziele befreien. 28 Im Gegensatz zu den Zielen der Raumordnung sind die (bundes- oder landesrechtlich aufgestellten) Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung von den öffentlichen Stellen bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen im Rahmen der Abwägung oder der Ermessensausübung lediglich angemessen zu berücksichtigen, § 4 Abs. 2 ROG. Dies hat zur Folge, daß sie im Rahmen der Abwägung oder des planerischen Ermessens zugunsten anderer Abwägungsbelange zurückgedrängt werden können.29 Unter die sonstigen Erfordernisse der Raumordnung fallen insbesondere auch die Ergebnisse von Raumordnungsverfahren, § 3 Nr. 4 ROG. Daher können auch diese im Rahmen der Abwägung verdrängt 26 Traditionell hat die Fachplanung in der Bundesrepublik eine starke Stellung gegenüber anderen Planungen und insbesondere gegenüber der überfachlich konzipierten Landesplanung inne, vgl. beispielsweise den Fachplanungsvorbehalt des § 38 BauGB. 27 Dyong, in: Cholewa/Dyong/von der Heide/ Arenz, ROG, § 4, Rn. 11; Venus, Berücksichtigungsgebot, S. 54. 28 Diese Befreiungsmöglichkeit ergibt sich daraus, daß die Zulassung eines Verkehrsflughafens durch Genehmigung und Planfeststellung gern. §§ 6, 8 LuftVG aufgrund des Art. 87d GG von den zuständigen Landesluftverkehrsbehörden im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung erteilt wird, § 31 Abs. 2 Nr. 4 LuftVG. Hierunter fällt trotz fehlender ausdrücklicher Aufzählung auch die Planfeststellung, vgl. Giemulla/Schmid, LuftVG, § 31, Rn. 6. Durch die Befreiungsmöglickeit des § 5 ROG soll der Einfluß der Länder auf die Raumordnung bei Bundesrnaßnahmen zugunsten des Bundes eingeschränkt werden, vgl. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, VI., Rn. 54. Scheidet eine solche Befreiung nach § 5 Abs. 1 ROG allerdings aus und liegen ausreichend konkretisierte landesplanerische Ziele vor, so daß ein Raumordnungsverfahren nach § 15 ROG entbehrlich ist, so ist die Flugverkehrsbehörde bei der Zulassungsentscheidung an diese gebunden. 29 Krebs, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Absch., Rn. 40; Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, VI., Rn. 13; Steiner, in: FS für Blümel, S. 549 (556 ff.). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Raumordnungsklausel des § 6 LuftVG, nach der die geplante Maßnahme den Erfordernissen der Raumordnung entsprechen muß. Aus der Formulierung könnte zwar eine strikte Verbindlichkeit zu entnehmen sein, doch läßt sich dies nicht aus den Gesetzesmaterialien entnehmen, vgl. BT-Drs. 7/3879, S. 31; BT-Drs. 7/5251; Giemulla/Schmid, LuftVG, § 6, Rn. 13; Hartmann, Planfeststellung und Genehmigung, S. 100; Venus, Berücksichtigungsgebot, S. 66. Im übrigen sollen nach § 6 Abs. 1 S. 2 LuftVG die §§ 4, 5 ROG unberührt bleiben.
B. Raumordnungsrecht
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werden, so daß die Luftfahrtbehörde einen durch das Raumordnungsverfahren abgelehnten Flughafenstandort dennoch für die Anlegung oder die Erweiterung eines Flugplatzes bestimmen kann. Allerdings wird dies in der Praxis wohl eher die Ausnahme sein. 3o Das Gewicht eines sorgfaltig durchgeführten Raumordnungsverfahrens liegt gerade in der starken faktischen Bindung für die weiteren Verfahrensschritte. 31 Zusammenfassend ist demnach festzuhalten, daß nur die Ziele der Raumordnung für das nachfolgende Zulassungsverfahren eine strikte Bindung entfalten. Wird hingegen ein Raumordnungsverfahren durchgeführt, so muß dessen Ergebnis in der nachfolgenden Zulassung lediglich als Abwägungsbelang berücksichtigt werden und kann daher zugunsten eines anderen Belanges verdrängt werden.
IV. Rechtsschutz gegen die raumordnerischen Festlegungen Es stellt sich weiterhin die Frage, inwieweit private Lärmbetroffene gegen die raumordnerischen Festsetzungen vorgehen können. 1. Rechtsschutz gegen Ziele der Raumordnung Die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Flugplatzplanungsziele hängen zunächst davon ab, ob diese als Pläne oder Programme in formellen Gesetzen enthalten sind oder ob sie als Verwaltungsakte erlassen wurden?2 Gegen formelle Gesetze kommt nur eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht als Rechtsschutzmöglichkeit in Betracht, Art. 93 Abs. I Nr. 4a GG. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde ist allerdings, daß der Beschwerdeführer "selbst, gegenwärtig und unmittelbar" durch das Gesetz betroffen ist. 33 Problematisch erscheint hier die Selbstbetroffenheit. Der Beschwerdeführer ist durch ein Flugplatzplanungsziel nur dann selbst betroffen, wenn Regelungsgegenstand eines solchen Ziels auch individuelle Interessen sind. Im Rahmen der Raumordnung gilt jedoch der Grundsatz der Überfachlichkeit, der eine zu detaillierte Prüfung der fachplanerischen Belange verbietet. Es sollen durch die Raumordnung weder eigene Rechtspositionen geschaffen noch entzogen werden. 34 30 Steiner, in: FS für Blümel, S. 549 (559), Wahl, in: FS für Sendler, S. 199 (215); a.A. Hermann, Fluglärm, S. 220, der vertritt, daß durch das Raumordnungsverfahren eine Konkretisierung des Standorts eintritt und Standortalternativen abgeschnitten werden. 31 Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, VI., Rn. 81. 32 Dies ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, vgl. Giemullal Schmid, LuftVG, Vor. §§ 6-19b, Rn. 25 ff. 33 JarasslPieroth, GG-Kommentar, Art. 93, Rn. 43 ff. 34 BVerwG, Beschl.vom 07. 11. 1996 - DVBI. 1997, S. 343 (435).
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2. Teil: Schutz vor Auglänn
Dementsprechend ist eine Selbstbetroffenheit einzelner privater Lärmbetroffener zu verneinen. 35 Ist das Flughafenplanungsziel als Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG zu qualifizieren, so kommt als Rechtsschutzmöglichkeit eine Anfechtungsklage gern. § 42 Abs. I VwGO in Betracht. Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Anfechtungsklage ist aber das Vorliegen einer Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Klagebefugt ist nur deljenige, der durch den Verwaltungsakt möglicherweise in seinen Rechten verletzt ist. Privatpersonen sind aber weder Adressaten eines Flughafenplanungsziels, noch werden sie auf andere Weise von ihm betroffen und in ihren individuellen Rechten verletzt, denn es werden bei der Festlegung des Flugplatzplanungsziels nur Makrointeressen berücksichtigt. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, daß Privatpersonen keine Möglichkeit des unmittelbaren Rechtsschutzes gegen Flughafenplanungsziele haben. 36
2. Rechtsschutz gegen das Raumordnungsverfahren Für die Frage des Rechtsschutzes gegen das Ergebnis eines Raumordnungsverfahrens ist zunächst die Rechtsnatur der Raumverträglichkeitsprüfung festzustellen. Nach allgemeiner Auffassung hat das Raumordnungsverfahren lediglich inneradministrativen Charakter und keinerlei Rechtswirkung gegenüber außerhalb der Verwaltung stehenden Dritten. 37 Mangels Verwaltungsrechtscharakters scheidet eine Anfechtungsklage gern. § 42 Abs. I VwGO daher aus. In Betracht käme aber eine Feststellungsklage gern. § 43 Abs. 2 VwGO. Allerdings ist auch das hierfür erforderliche Rechtsverhältnis zwischen Raumordnungsbehörde und Privatperson mangels rechtlich unmittelbar außenwirksamer Beziehung zu verneinen. 38 Gegen das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens ist demnach ebenfalls ein unmittelbarer Rechtsschutz ausgeschlossen.
V. Exkurs: Die raumordnerische Umweltverträglichkeitsprüfung Bereits im Raumordnungsverfahren kann eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sein. Grundsätzlich gilt für die Umweltverträglichkeitsprüfung, daß sie nicht etwa bewirkt, daß die geprüften Anlagen eine höhere Umweltverträglichkeit aufweisen als nach dem geltenden Zulassungsrecht. Die UmweltverträglichGiemullalSchmid, LuftVG, Vor. §§ 6-19b, Rn. 28. Allerdings kommt eine inzidente Überprüfung im Rahmen der luftverkehrsrechtlichen Zulassungsentscheidung in Betracht 37 GiemullalSchmid, LuftVG, Vor §§ 6-19b, Rn. 52. 38 GiemullalSchmid, LuftVG, Vor §§ 6-19b Rn. 53. 35
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B. Raumordnungsrecht
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keitsprüfung zielt vielmehr darauf ab, der Verwaltung eine bessere umweltbezogene Informationsbasis frühzeitig an die Hand zu geben?9 Die Umweltverträglichkeitsprüfung dient folgerichtig nicht der vollständigen Ermittlung der gesamten Umwelt in der Umgebung des jeweiligen Vorhabens. Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung sind vielmehr nur solche Umweltauswirkungen, die für die Zulassungsentscheidung von Bedeutung sein können. 40
1. UVP im mehrstufigen luftverkehrsrechtIichen Verfahren Gern. § 3 UVPG i. Y.m. der Anlage Nr. 13 ist für die Anlage und Änderung von Flugplätzen, die einer Planfeststellung nach § 8 Abs. 1 LuftVG bedürfen, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Wird hierbei ein vorverlagertes Genehmigungsverfahren nach § 6 LuftVG vorgenommen, so wird auch in diesem Verfahren dem jeweiligen Planungsstand entsprechend eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt, § 15 Abs. 1 S. 1 LuftVG. Dies gilt nur dann nicht, wenn bereits im Raumordnungsverfahren die Umweltverträglichkeit geprüft wurde und dabei die Öffentlichkeit beteiligt wurde, § 15 Abs. 1 S. 2 UVPG. Im Rahmen der Zulassung eines nach § 8 Abs. 1 LuftVG planfeststellungsbedürftigen Flugplatzes ist grundsätzlich die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens erforderlich, § 1 Nr. 12 RoV. Die Entscheidung, ob in diesem Verfahren auch die UVP durchgeführt wird, obliegt den Ländern, § 16 Abs. 1 UVPG. 41 Es besteht also ein Wahlrecht, ob die UVP erster Stufe entweder im Raumordnungsverfahren oder im luftverkehrsrechtlichen Genehmigungsverfahren zu erfolgen hat. 42 Soll gern. § 16 Abs. 1 UVPG bereits im Raumordnungsverfahren eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden, so entfällt eine solche im Rahmen des Genehmigungsverfahrens gern. § 15 Abs. 1 S. 2 UVPG. 43 Allerdings ist im nachfolgenden Planfeststellungsverfahren gern. § 8 Abs. 1 LuftVG nochmals eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Diese unterliegt dann jedoch gern. § 16 Abs. 3 UVPG gewissen Erleichterungen, indem sie auf andere oder zusätzliche Umweltauswirkungen des Vorhabens beschränkt ist. Kloepfer, Umweltrecht, § 5, Rn. 84. Kühling / Herrmann, Fachplanungsrecht, Rn. 400. 41 Die ursprünglich in § 6a Abs. I S. 2 ROG a.F. angeordnete zwingende Integration der Umweltverträglichkeitsprüfung in das Raumordnungsverfahren wurde wieder aufgehoben, vgl. Neubekanntrnachung des ROG vom 28. 04. 1993 (BGBI. I, S. 630) durch Art. 4 Nr. 4 InvWoBauG, BGBI. I, S. 466. 42 Es besteht zwar ein Wahlrecht, aber die Beschränkung der Durchführung der UVP auf das abschließende Planfeststellungsverfahren scheidet im Hinblick auf die Wichtigkeit einer frühzeitigen UVP bei Flughafenplanungen generell aus, vgl. Wagner, DVBI. 1993, S. 583 (589). 43 Venus, Berücksichtigungsgebot, S. 160; zu beachten ist jedoch, daß im nachfolgenden Genehmigungsverfahren zwar ausdrücklich in § 6 Abs. 1 S. 2 LuftVG die Prüfung der Umweltverträglichkeit vorgeschrieben ist, gleichzeitig jedoch der § 15 Abs. 1 S. 2 UVPG unberührt bleibt, so daß auf eine derartige Prüfung verzichtet werden kann. 39
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2. Teil: Schutz vor Fluglärm
2. Schutz vor Lärm in der raumordnerischen UVP Im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung werden alle für die Zulassungsentscheidung relevanten Auswirkungen eines Vorhabens auf die in § 2 Abs. I UVPG genannten Güter ermittelt, beschrieben und bewertet, § 1 UVPG. Nach § 11 UVPG muß zunächst eine zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen eines Vorhabens auf die in § 2 Abs. I S. 2 UVPG aufgezählten Schutzgüter erarbeitet werden. Auf Grundlage der zusammenfassenden Darstellung hat die zuständige Behörde anschließend gern. § 12 UVPG die Umweltauswirkungen des Vorhabens zu bewerten. Da Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung nur solche Umweltauswirkungen sein können, die auch in der Zulassungsentscheidung von Bedeutung sind, richtet sich auch der Belang des Lärmschutzes in der raumordnerischen UVP nach den umweltbezogenen Erfordernissen der Raumordnung und der Landesplanung. Der Schutz vor Lärm gewinnt in der Raumordnung gern. § 2 Abs. 1 Nr. 8 ROG Bedeutung, so daß er auch in die raumordnerische UVP einzubeziehen ist. a) Beschränkung aufraumordnerische Auswirkungen
Es ist aber zu beachten, daß im Rahmen einer raumordnerischen Umweltverträglichkeitsprüfung gern. § 16 Abs. 1 UVPG ausschließlich die raumordnerischen Auswirkungen auf die genannten Umweltgüter zu prüfen sind. Die Prüfung hat demnach unter überörtlich-raumbedeutsamen Gesichtspunkten und aus überfachlichem Blickwinkel zu erfolgen. 44 Es hat nur eine übergreifende Grobprüfung, nicht jedoch eine Detailprüfung stattzufinden.45 Dies betrifft sowohl die Ennittlung als auch die Bewertung der relevanten Belange. Im Hinblick auf den Lärmschutz hat der überörtliche Charakter der raumordnerischen Umweltverträglichkeitsprüfung zur Folge, daß ausschließlich großräumige Lärmschutzinteressen in diesem Planungsstadium zu ennitteln und zu bewerten sind. Nicht zu prüfen sind hingegen die detailgenauen-kleinräumigen Auswirkungen des Lärms auf den Einzelnen. Diese Prüfung ist allein dem luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfahrens vorbehalten. 46 b) Problem des Bewertungsmaßstabs
Gern. § 12 UVPG hat die Bewertung der Umweltauswirkungen "im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge im Sinne der §§ 1, 2 Abs. 1 S. 2 und 4 nach 44 Erbgut/Schink, UVPG, § 16 Rn. 5; dennoch bleibt die raumordnerische Umwe1tprüfung aufgrund ihres weiten Prüfungsansatzes hinter der der UVP an Intensität zurück, vgl. Wagner, in: Hoppe, UVPG, § 16, Rn. 16. 45 Globig, §§ 11, 12 UVPG, S. 101. 46 Globig, §§ 11, 12 UVPG, S. 131; Peters, UVPG, § 16 Rn. 16.
B. Raumordnungsrecht
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Maßgabe der geltenden Gesetze" zu erfolgen. Das Umweltverträglichkeitsgesetz enthält somit keine eigenen materiellen Bewertungsmaßstäbe. Die Frage nach dem Bewertungsmaßstab und den zugrundeliegenden Bewertungskriterien bereitet Schwierigkeiten.47 In der Literatur wurde teilweise vertreten, daß für die Bewertung der Umweltauswirkungen rein ökologische Kriterien heranzuziehen seien. 48 Nach wohl überwiegender Ansicht sind der Bewertung jedoch die einschlägigen gesetzlichen Umweltanforderungen zugrundezulegen. 49 Dies läßt sich nicht nur aus dem Wortlaut des § 12 UVPG entnehmen, der eine Bewertung "nach Maßgabe der geltenden Gesetze" fordert, sondern ist auch durch den Erlaß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-VwV) belegt. 5o Die Bewertung richtet sich also danach, ob das Vorhaben die umweltbezogenen Tatbestandsmerkmale der einschlägigen Fachgesetze erfüllt. Bei der Konkretisierung unbestimmter Gesetzesbegriffe sind die Behörden dementsprechend an die vorhandenen Ausführungsvorschriften gebunden. Problematisch wird es dann, wenn solche fachrechtlichen Ausführungsvorschriften nicht existieren. Die UVP-VwVenthält für solche Fälle als subsidiäre Bewertungskriterien sogenannte "Orientierungshilfen", Nr. 1.6.1.2 UVP-Vwv. Kritisch anzumerken ist jedoch, daß diese Orientierungshilfen nicht für alle Umwelteinwirkungen existieren und zudem nicht rechtsverbindlich sind, so daß Abweichungen im Einzelfall erlaubt sind. 51 Bieten für die Bewertung bestimmter Umweltauswirkungen weder das Fachplanungsrecht noch der Anhang 1 Grenzwerte oder Orientierungshilfen, so hat die Behörde die Umweltauswirkungen nach Maßgabe der gesetzlichen Umweltanforderungen aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu bewerten, Nr. 0.6.1.2 UVP-Vwv. Für die raumordnerische Umwe1tverträglichkeitsprüfung ergeben sich Bewertungsmaßstäbe vornehmlich aus entsprechenden überörtlich ausgerichteten Umweltschutzplanungen. 52 Für die Bewertung der Fluglärmauswirkungen existieren keine überörtlich ausgerichteten Umweltschutzplanungen53 und ebenfalls keine einschlägigen fachplanerischen Regelwerke, die Lärmgrenzwerte enthalten. Auch in den Orientierungshilfen des Anhangs 1 der UVP-VwV lassen sich keine Werte für die Bewertung der Lärmeinwirkungen entnehmen. Daher müssen die überörtlichen Auswirkungen des Fluglärms anband einer Einzelfallprüfung durch die zuständige Behörde bewertet werden. Vgl. ausführlich hierzu Globig, §§ 11, 12 UVPG, S. 55 ff. Dohle, NVwZ 1989, S. 697 (704); Erbguth, UPR 1992, S. 287 (291); Gassner, UPR 1993, S. 241 (243 f.); Lange, OÖV 1992, S. 780 (782 f.). 49 Kühling/Hernnann, Fachplanungsrecht, Rn. 403; Mayen, NVwZ 1996, S. 319 (323); Peters, UVPG, § 12, Rn. 22; Steinberg, OÖV 2000, S. 85 (88) m. w. N. 50 Gern. 0.6.1.1 UVP-VwV sind die Umweltauswirkungen nach Maßgabe der gesetzlichen Umweltanforderungen aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu bewerten. 51 Mayen, NVwZ 1996, S. 319 (323); kritisch auch Steinberg, OÖV 2000, S. 85 (88). 52 Erbguth, UPR 1992, S. 287 (291). 53 Hierunter fallen beispielsweise Luftreinhaltepläne. 47
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2. Teil: Schutz vor Fluglänn
3. Bindungswirkung der raumordnerischen UVP
Für das nachfolgende luftverkehrsrechtliche Planfeststellungsverfahren sind die Ergebnisse der raumordnerischen Umwe1tverträglichkeitsprüfung selbständig als Abwägungsbelang zu berücksichtigen, § 16 Abs. 2 UVPG. 54 Trotz der Berücksichtigung der raumordnerischen Umweltverträglichkeitsprüfung muß die Umweltverträglichkeitsprüfung dennoch erneut im Zulassungsverfahren durchgeführt werden, da die erststufige Umweltverträglichkeitsprüfung entsprechend ihres Auftrags nur überörtlich-raumbedeutsamen Gehalt hat. 55 Gern. § 16 Abs. 3 UVPG soll aber die Bewertung der der Umweltauswirkungen nach § 12 UVPG auf zusätzliche oder andere erhebliche Umwe1tauswirkungen beschränkt werden, sofern die Öffentlichkeit ordnungsgemäß miteinbezogen wurde. Diese Formulierung ist jedoch etwas mißverständlich. Die UVP im Raumordnungsverfahren erfolgt im Gegensatz zu der im Zulassungsverfahren unter überörtlich-raumbedeutsamen Gesichtspunkten. Daher werden im nachfolgenden Zulassungsverfahren keine "zusätzlichen", sondern vielmehr "andere" im Rahmen der UVP geprüft. 56 Am Ende des Raumordnungsverfahrens steht eine raumordnerische Gesamtabwägung. In diese fließt auch des Ergebnis der raumordnerischen UVP als Abwägungsbelang ein. 57 Da auch das Gesamtergebnis des Raumordnungsverfahrens im Planfeststellungsverfahren als Abwägungsbelang zu berücksichtigen ist, § 4 Abs. 2 ROG, beeinflußt die Umweltverträglichkeitsprüfung das nachfolgende Planfeststellungsverfahren demnach auf zweifache Weise. 58
4. Rechtsschutz gegen die raumordnerische UVP
Findet die Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen des Raumordnungsverfahrens statt, so stellt sich die Frage, ob Lärmbetroffene unmittelbar gegen das Ergebnis einer Umweltverträglichkeitsprüfung gerichtlich vorgehen können. Da die Umweltverträglichkeitsprüfung nur ein unselbständiger Teil des Verwaltungsverfahrens ist, kann ihre fehlerhafte Durchführung nur mittelbar im Wege des Rechtsschutzes gegen die Zulassungsentscheidung gerügt werden. 59 Rechtsschutz gegen das Ergebnis eines Raumordnungsverfahrens, in das das Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung zweifach als Abwägungsbelang einfließt, ist - wie 54 Auch hier ist das Berücksichtigungsgebot so zu verstehen, daß das Ergebnis der UVP als Abwägungsbelang miteinzubeziehen ist, vgl. Venus, Berücksichtigungsgebot, S. 135. 55 Globig, §§ ll, 12 UVPG, S. 105. 56 ErguthlSchink, UVPG, § 16 Rn. 9 f.; Globig, §§ ll, 12 UVPG, S. 105. 57 Wagner, in: Hoppe, UVPG, § 16 Rn. 47. 58 Steinberg, DÖV 1992, S. 321 (328); Venus, Berücksichtigungsgebot, S. 160; Wagner, DVBl. 1991, S. 1230 (1232); Wagner, in: Hoppe, UVPG, § 16 Rn. 77. 59 Hoppe I Beckmannl Kaueh, Umweltrecht, § 8, Rn. 102; für die UVP im Planfeststellungsverfahren, vgl. BVerwG, Beschl. vom 23. 02. 1994 - DVBl. 1994, S. 763 (763).
B. Raumordnungsrecht
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oben bereits dargestellt - aufgrund der fehlenden Rechtswirkung jedoch nicht möglich. 60 Für das Planfeststellungsverfahren hat das Bundesverwaltungsgericht überdies entschieden, daß allein die Nichteinhaltung von Bestimmungen des UVPG als Verfahrensbestimmungen nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führen darf. Eine Ausnahme ist nur dann zu machen, wenn sich der formelle Mangel auf die Entscheidung ausgewirkt hat. 61 Grundsätzlich sind Klagen Einzelner wegen fehlender oder fehlerhafter Durchführung der Umweltverträglichkeit allerdings bereits deshalb als problematisch anzusehen, als die Vorschriften des UVPG keinen Drittschutz vermitteln dürften. 62
VI. Zwischenergebnis Im Ergebnis ist festzuhalten, daß bereits im Rahmen der Raumordnung Belange des Lärmschutzes berücksichtigt werden müssen. Es obliegt den Trägern der Landes- und Regionalplanung, ihre raumordnerischen Möglichkeiten zugunsten eines effektiven Schutzes vor Fluglärm zu nutzen. Allerdings stößt das Raumordnungsrecht auf das praktische Problem der hohen Siedlungsdichte in der Bundesrepublik verbunden mit der flächendeckenden Ausbreitung des Fluglärms, das die Einhaltung eines ausreichenden Lärmschutzabstandes in hohem Maße erschwert. Daher kann das Raumordnungsrecht nur einen geringen Beitrag zur Bewältigung der Fluglärmproblematik leisten. Die Aufgabe der Gewährleistung eines effektiven Schutzes vor Fluglärm obliegt dementsprechend im wesentlichen dem luftverkehrsrechtlichen Zulassungsrecht. Kritisch anzumerken bleibt grundsätzlich, daß die Raumordnung ausschließlich den Ländern obliegt. Eine Flughafenplanung hat jedoch nicht nur regionale siedlungsstrukturelle Auswirkungen, sondern wirft auch wirtschaftliche und politische Fragestellungen überregionaler Art auf. Es bedürfte daher einer bundesübergreifenden Verkehrsplanung, an der sich die Länder bei der Standortplanung von Verkehrsflughäfen orientieren könnten.
60 Da im Rahmen der raumordnerischen UmweltverträglichkeitspTÜfung ausschließlich auf überörtlich-raumbedeutsame Umweltauswirkungen abzustellen ist, scheidet eine individuelle rechtliche Betroffenheit ohnehin aus, vgl. Erguth/Schink, UVPG, § 16 Rn. 11. 61 BVerwG, Beschl. vom 23. 02. 1994 - DVBl. 1994, S. 763 (763); kritisch Kloepfer; Umweltrecht, § 5, Rn. 104. 62 Kloepfer; Umweltrecht, § 5, Rn. 104; Steinberg, DÖV 1996, S. 221 (228).
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2. Teil: Schutz vor Fluglänn
C. Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm in der Umgebung von Flughäfen Neben den Maßnahmen des Raumordnungsrechts kommen weiterhin bauliche Siedlungsbeschränkungen nach dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm in der Umgebung von Flugplätzen (FlugISchG) in Betracht, um zugunsten eines effektiven Lärmschutzes den Abstand zwischen Wohnbebauung und Flugplätzen zu gewährleisten. Ein planerischer Schutz vor Fluglärm könnte daher durch die Regelungen des FluglSchG gewährleistet werden.
I. Regelungen des FluglSchG Das FluglSchG sieht die Festlegung von Lärmschutzbereichen in der unmittelbaren Umgebung der Flugplätze vor. Das Gesetz unterscheidet hierbei zwischen Schutzzone I, in welcher der äquivalente Dauerschallpegel durch Flugverkehrsgeräusche 75 dB (A) übersteigt, und Schutzzone 2, wo 67 bis 75 dB (A) herrschen. Die Festsetzung der Lärmschutzbereiche erfolgt für geplante Flugplätze gern. § I S. 3 FluglSchG nach Erteilung der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung gern. § 6 LuftVG. In der Praxis wird entgegen der gesetzlichen Vorgaben allerdings der Ausgang des gesamten Zulassungsverfahrens und anschließender Prozesse abgewartet. 63 Für die Schutzzone I sieht das FluglSchG gern. § 5 gewisse bauliche Nutzungsbeschränkungen vor. Soweit Bauverbote eine bisher zulässige bauliche Nutzung aufheben und dadurch eine nicht nur unwesentliche Wertminderung eintritt, kann der Eigentümer nach § 8 FluglSchG insoweit eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Eigentümern eines in der Schutzzone I gelegenen Grundstücks, auf dem bei Festsetzung des Lärmschutzbereichs Einrichtungen nach § 5 Abs. I S. I oder Wohnungen errichtet sind oder auf dem die Errichtung von baulichen Anlagen nach § 5 Abs. 4 (ausnahmsweise) zulässig ist, werden gern. § 9 FluglSchG Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen und bis zu einer bestimmten Höhe erstattet. 63 Harbeck, ZLW 1983, S. 209 (217), mit der Begründung, daß Belange des Lännschutzes während der Planungsphase ebenso durch Planungsbeschränkungen berücksichtigt werden können. Gegen eine solche Auslegung des § 1 S. 3 FluglännG als Ermessensvorschrift sprechen die Gesetzesmaterialien, die darauf hinweisen, daß durch die zeitliche Vorverlagerung eine frühzeitige Einflußnahme gewährleistet werden sollte, um die Entstehung von Baugebieten u.ä. bereits im Planungsstadium eines Flugplatzes zu verhindern und Entschädigungszahlungen von vornherein zu vermeiden. Im übrigen reichen Planungsbeschränkungen der Raumordnung wohl gerade hierfür nicht aus, denn ansonsten hätte das FluglännG nicht geschaffen werden müssen, vgl. Renziehausen, Lärmschutz, S. 58 f. Im Ergebnis kann dieses Problem hier dahinstehen, da in beiden Fällen die Festsetzung der Lännschutzbereiche sachlich (nicht zeitlich) unabhängig von der Zulassungentscheidung erfolgt.
C. Gesetz zum Schutz gegen Fluglänn in der Umgebung von Flughäfen
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11. Defizite des Lärmschutzes nach dem FluglSchG Fraglich aber ist, inwieweit tatsächlich den Lännschutzbelangen der Betroffenen durch die Reglungen des FluglSchG Rechnung getragen wird. Der erste Entwurf eines FluglSchG im Jahr 1966 verfolgte einerseits das Ziel, die Planung und Errichtung von Wohnungen und anderen schutzwürdigen Einrichtungen in der Umgebung von Verkehrsflughäfen zu verhindern, wenn bestimmte Zumutbarkeitsgrenze überschritten wurden. Andererseits sollten großzügige Entschädigungs-, Erstattungs- und Beihilferegelungen zur freiwilligen Aussiedlung aus besonders stark belasteten Lännzonen anregen. Dabei orientierte man sich für die Zumutbarkeit des Länns an "gesundheitspolitisch unabweisbaren" Lärmgrenzen, die auf Grundlage des Göttinger Fluglänngutachtens von 1965 bestimmt wurden. 64 Allerdings stieß dieser Entwurf auf massiven politischen und wirtschaftlichen Widerstand. Besonders die Kosten eines derartigen Gesetzes waren Gegenstand der Diskussion. Um die kritische Kostenfrage zu entschärfen, wurden die ursprünglich vorgesehenen Regelungen weitgehenden Änderungen unterworfen. Insbesondere wurden die in den Lärmschutzzonen zulässigen Grenzwerte erhöht und die Anzahl der Lännschutzzonen von drei auf zwei verringert. Weiterhin erfolgte eine weitgehende Kürzung der Entschädigungs- und Aufwendungsersatzansprüche. 65 Aufgrund dieser Änderungen muß das FluglSchG überwiegend als ein Planungsgesetz, nicht jedoch als ein Gesetz zum Schutz gegen Fluglänn angesehen werden. 66 Mit seinem Erlaß sollte nunmehr lediglich noch erreicht werden, die Fluglännbelastungen der betroffenen Menschen durch Lärmschutzbereiche transparent zu machen. Weiterhin sollte es der Planung Anhaltspunkte für die sachgerechte bauliche Nutzung der weiteren Umgebung bieten und gleichzeitig den Bürgern in Schutzzone 1 die Möglichkeit einräumen, sich durch Schallschutz auf Kosten des Flugplatzbetreibers gegen Fluglänn zu schützen. 67
1. Planerische Defizite
Das FluglSchG soll durch bauliche Siedlungsbeschränkungen auf der Grundlage vom § 5 FluglSchG einen angemessenen Abstand zwischen den Quellen des Fluglänns und der Wohnbebauung bzw. den sonstigen schutzwürdigen Nutzungen schaffen, um auf diese Weise die Lännbelästigung der Bevölkerung bereits an der 64
65 66
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Vgl. hierzu Soell, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. 2, § 2 FluglSchG, Rn. 19 ff. Vgl. hierzu ausführlich Renziehausen, Lännschutz, S. 5 ff. Soell, in: Landmann/Rohme~ Umweltrecht Bd. 2, § 2 FluglSchG, Rn. 24. BT-Drs. 8/2254, S. 21.
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2. Teil: Schutz vor Fluglänn
Entstehung zu hindern. Dieser Ansatz, Fluglännbelästigungen von vornherein durch eine entprechende Siedlungstätigkeit zu vermeiden, entspricht dem Grundgedanken der Raumordnung und des immissionsschutzrechtlichen Trennungsgebots des § 50 BImSchG und ist begrüßenswert. Allerdings läßt das FluglSchG Wohnungsbau außerhalb der 67 dB(A)-Zone uneingeschränkt zu und schränkt Wohnungsbau außerhalb der 75 dB(A)-Zone nur begrenzt ein. In der Praxis haben die weitreichenden Ausnahrneregelungen des § 5 Abs. 3, 4 FluglSchG überdies zu einem Heranrücken der Wohnbebauung an die Flughäfen geführt. 68 Ohnehin erscheint der Planungsauftrag, Flughäfen so anzulegen, daß in der näheren Umgebung niemand unzumutbar durch Fluglänn belästigt wird oder aber das Heranrücken der Wohnbebauung gänzlich verhindert wird, in der dicht besiedelten Bundesrepublik aufgrund der großflächigen Ausbreitung des Fluglänns nur schwerlich realisierbar. 69 Dies gilt umso mehr, als daß gerade die Nähe eines Flughafens zu städtischen Verdichtungsgebieten seine Verkehrswirksarnkeit bzw. Attraktivität gewährleistet. 7o Das FluglSchG hat sich daher in der Praxis im wesentlichen in ein Aufwendungsersatz- und Entschädigungsgesetz gewandelt. Zur Bewältigung der Fluglännproblematik im Rahmen der Flughafenplanung trägt es nur sehr eingeschränkt bei. 71
2. Defizite im Hinblick auf Höhe und Berechnungsverfahren der Grenzwerte
Neben dem Scheitern des planungsrechtlichen Auftrages des FluglSchG wird weiterhin kritisiert, daß die nach dem FluglSchG berechneten Schutzzonen nicht ausreichen, um einen umfassenden Lännschutz durch einen entsprechenden Abstand zwischen Flugplatz und Wohnbebauung sicherzustellen. 72 Dies wird im wesentlichen an der Höhe der im FluglSchG festgelegten Grenzwerte und dem zugehörigen Berechnungsverfahren festgemacht. 73 Das Gesetz zum Schutz gegen Fluglänn enthält für die Festsetzung und Berechnung der Lännschutzzonen um Flugplätze ein eigenes Berechnungsverfahren, das Umweltgutachten 2002, Tz. 605. Schmidt, Rechtsfragen, S. 159 (160). Dies gilt insbesondere für die praktisch relevanten Ausbauvorhaben, die regelmäßig auf flughafennahe Wohnbebauung stoßen. 70 Steiner, in: FS für Blümel, S. 549 (551). 71 BrendellWendland, ZfL 1998, S. 181 (182), die darauf hinweisen, daß § 16 FluglSchG den Bundesländern freistellt, weitergehende Planungsbeschränkungen durch die Festlegung von Zielen der Raumordnung und Landesplanung zu erlassen; Schmidt, Rechtsfragen, S. 159 (161). 72 LAI, Leitlinie zur Beurteilung von Fluglänn. 73 Ausführlich, vgl. Beckers, in: Fluglänn 2000, S. 65 (65 ff.), der weiterhin bemängelt, daß das FluglSchG bereits seinem Anwendungsbereich nach gewisse Flugplätze ausschließt, so daß maßgebliche Lännbelastungen nicht vom FluglSchG urnfaßt werden, vgl. S. 105. 68
69
c. Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm in der Umgebung von Flughäfen
55
in der AzB festgelegt ist. Der "Fluglännpegel" wird hier wie im übrigen Immissionsschutzrecht durch einen äquivalenten Dauerschallpegel ausgedrückt. Nicht berücksichtigt bzw. verrechnend nivelliert werden demnach die im Bereich des Fluglänns häufig auftretenden SpitzenpegeC4 Im Gegensatz zu anderen Bereichen des Immissionsschutzrechts wird im Rahmen des FluglSchG der Äquivalenzparameter q=4 verwendet, anstatt q=3 zu setzen. Dies bedeutet, daß erst die Erhöhung des Schallpegels eines Schallereignisses um 4 dB in der Wirkung einer Verdoppelung seiner Dauer gleichgesetzt wird. 75 Nachteilig an diesem Beurteilungsparameter ist vor allem, daß er eine Vergleichbarkeit des Fluglänns mit anderem Länn verhindert und eine Zusammenrechnung des Fluglänns mit anderen Immissionen unmöglich macht. 76 Weiterhin unterscheidet sich das FluglSchG von dem restlichen Immissionschutzrecht dadurch, daß die Flugschallbelastungen von Tag und Nacht zusammen durch nur einen Wert beschrieben werden, anstatt der erhöhten Schutzbedürftigkeit während der Nacht durch einen eigenen Wert Rechnung zu tragen. In der praktischen Auswirkung hat dies zur Folge, daß der Nachtflugverkehr gegenüber dem Tagflugverkehr deutlich schwächer bewertet wird als in den für andere Schallimmissionen üblichen Verfahren. 77 Neben dem Berechnungsverfahren wird die Höhe der Grenzwerte kritisiert. Hauptzweck des FluglSchG soll es gern. § I S. I FluglSchG sein, die Allgemeinheit vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen durch Fluglänn in der Umgebung von Flugplätzen zu schützen. Allerdings wurden bei der Entstehung des Gesetzes die ursprünglich vorgesehenen Länngrenzwerte aus Kostengesichtspunkten massiv erhöht. 78 Ihre Festlegung orientierte sich dementsprechend nicht an gesundheitspolitischen, sondern an fiskalischen Erwägungen. Entgegen der Aussage des § I S. I FluglSchG dienen die Grenzwerte daher im wesentlichen der Festlegung eines regionalen Lännschutzbereichs, nicht jedoch der Beurteilung individueller Lännbelastungen. 79 Zutreffend hat auch das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, daß sich aus der Höhe der Grenzwerte allenfalls entnehmen läßt, daß eine Fluglännbelastung über 75 dB (A) bzw. über 67 dB (A) so groß ist, daß für die Zukunft die Wohnbebauung eines Grundstücks grundsätzlich bzw. ohne Schallschutzeinrichtungen ausgeschlossen sein soll.80 74 Steinebach, Grenzwerte, S. 73; kritisch hierzu auch OVG Hamburg, Urt. vom 03.09.2001- 3 E 37/98, S. 73; Umweltgutachten 2002, Tz. 604. 75 BeckenbauerlSchreiber; in: Fluglärm 2000, S. 255 (256). 76 Umweltgutachten 2002, Tz. 604; LAI, Leitlinie zur Beurteilung von Fluglärm; Steinebach, Grenzwerte, S. 73. 77 Ausführlich hierzu, vgl. BeckenbauerlSchreiber; in: Fluglärm 2000, S. 255 (261). 78 Vgl. Soell, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. 2, § 2 FluglSchG, Rn. 23. 79 Soell, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. 2, § 3 FluglSchG, Rn. 15; Umweltgutachten 2002, Tz. 603; Steinebach, Grenzwerte, S. 73, nach dem die Grenzwerte eher das den Verursachem zumutbare Maß an Lärmschutzaufwendungen bestimmen, anstatt individuelle Lärmbeeinträchtigungen zu begrenzen. 80 BVenvG, Urt. vom 07. 07. 1978 - NJW 1979, S. 64 (69) - in BVerwGE 56, llO (132) insoweit nicht abgedruckt.
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2. Teil: Schutz vor Fluglärm
Im Ergebnis sind daher sowohl die Höhe der Grenzwerte als auch das zugehörige Berechnungsverfahrens nicht dazu geeignet, einen angemessenen Schutz vor Fluglärm in der Umgebung von Flugplätzen zu gewährleisten.
IH. Novellierungsbestrebungen Aufgrund der Defizite des FluglSchG gibt es mittlerweile - dreißig Jahre nach der Verabschiedung des FluglSchG - Novellierungsbestrebungen. Diese umfassen im wesentlichen die Ausweitung des Anwendungsbereichs auf weitere Flugplatzarten, die Angleichung des Berechnungsverfahrens im Hinblick auf den Äquivalenzparameter q, die Berücksichtigung von Maximalpegeln und die Absenkung der Grenzwerte. 8l Diese Neuerungen sind im Hinblick auf einen effektiveren Fluglärmschutz zu begrüßen. Die abgesenkten Grenzwerte versprechen im übrigen größere Schutzzonen und somit weitergehende Entschädigungs- und Aufwendungsersatzleistungen. In den Novellierungsvorschlägen bleibt die - grundsätzlich begrüßenswerte Zielrichtung des FluglSchG als Bauverbots- und Entschädigungsgesetz erhalten, denn eine Einflußnahme im luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfahren ist weiterhin nicht vorgesehen. 82 Für die baulichen Siedlungsbeschränken bleiben daher die oben dargestellten praktischen Probleme erhalten. 83 Zur umfassenden Bewältigung der Fluglärmproblematik kann deshalb auch der Novellierungsvorschlag nur sehr eingeschränkt beitragen.
IV. Zwischenergebnis Das FluglSchG sieht bauliche Siedlungsbeschränkungen zur Gewährleistung eines hinreichenden Abstandes zwischen Lärmquelle und Wohnbebauung vor, um auf diese Weise bereits die Entstehung von Fluglärmbelastungen zu vermeiden. Diese Siedlungsbeschränkungen stoßen jedoch auf ähnliche Schwierigkeiten wie die Maßnahmen der Raumordnung, da sie aufgrund der dichten Besiedlung verbunden mit der großflächigen Ausbreitung des Fluglärms in der Praxis kaum realisierbar 81 Vgl. zu den Referentenentwürfen zur Novellierung des FluglSchG: http: 1/ www.fluglaenn.de/bvflflugl-g-entw.pdf [Stand: 09. 02. 2002]. 82 Zwar sieht der Vorschlag der Bundesvereinigung gegen Fluglärm wie auch der Vorschlag des LAI Dauerpflichten für die Betreiber vor ("Flugplätze sind so zu errichten und zu betreiben, daß schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden"), doch werden keine zulassungsrechtlichen Grenzwerte hierzu festgelegt. Außerdem handelt es sich um eine unvollkommene Eingliederung des luftverkehrsrechtlichen Planungsrechts in das FluglSchG, denn es wird das Verhältnis des novellierten FluglSchG zu den zulassungsrechtlichen Regeln des LuftVG nicht geregelt. Kritisch gegenüber dem Gesetzesentwurf auch Berkemann, ZUR 2002, S. 202 (206); Umweltgutachten 2002, Tz. 616. 83 Gerade die nachträgliche Erweiterung der Lärmschutzzonen wird vielerorts auf bestehende Wohnbebauung stoßen.
D. Luftverkehrsrechtliche Genehmigung gern. § 6 LuftVG
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sind. Das FluglSchG hat sich daher im wesentlichen zu einem Entschädigungs- und Aufwendungsersatzgesetz entwickelt, das nur einen sehr geringen Beitrag zur Bewältigung der Fluglärmproblematik leistet. Zudem weist es (noch) erhebliche Defizite im Hinblick auf Grenzwerte und Berechnungsverfahren auf, die jedoch eventuell in Kürze durch die Novellierung des FluglSchG behoben werden.
D. Luftverkehrsrechtliche Genehmigung gern. § 6 LuftVG Gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 LuftVG dürfen Flugplätze nur mit Genehmigung angelegt oder betrieben werden. 84 Neben die Genehmigung tritt nach § 8 Abs. 1 LuftVG bei Flughäfen und Landeplätzen mit beschränktem Bauschutzbereich das Planfeststellungsverfahren, vor dessen Abschluß Neuanlagen und Änderungen nicht vorgenommen werden dürfen. 85 Im luftverkehrsrechtlichen Zulassungsrecht besteht also die Besonderheit, daß sowohl eine Genehmigung als auch ein Planfeststellungsbeschluß nebeneinander bestehen können. Im folgenden soll geprüft werden, inwieweit im Rahmen des luftverkehrsrechtlichen Zulassungsrechts Lärmschutzbelangen Rechnung getragen wird. Zunächst ist allerdings von Interesse, welche Flughafenplanungsvorhaben überhaupt genehmigungsbedürftig sind. In diesem Zusammenhang stellt sich weiterhin die Frage nach dem Verhältnis von Planfeststellung und Genehmigung.
I. Gegenstand der Genehmigung Gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 LuftVG sind die Anlage und der Betrieb von Flugplätzen genehmigungspflichtig. Eine Genehmigung ist weiterhin dann erforderlich, wenn die Anlage oder der Betrieb des Flugplatzes wesentlich erweitert oder geändert werden sollen, § 6 Abs. 4 S. 2 LuftVG.
1. Anlage und Betrieb eines Flugplatzes
Unter Flugplatzanlage sind alle Anlagen zu fassen, die dem "eigentlichen Flugbetrieb, dem Starten, Landen, Rollen oder Abstellen von Luftfahrzeugen die84 Diese Genehmigungspflichtigkeit ist auf den Grundsatz des Flugplatzzwangs zurückzuführen, der in § 25 Abs. I S. I LuftVG geregelt ist, vgl. Schwenk, LuftVR, S. 367. Er besagt, daß Start- und Landevorgänge - im wesentlichen aus Sicherheitsgründen - nur auf den dafür vorgesehenen und geeigneten Geländen, den Flugplätzen, erfolgen dürfen, vgl. Schwenk, LuftVR, S. 354. 85 Durch das Planungsvereinfachungsgesetz vom 17. 12. 1993 (BGBl. I, S. 2123) ist zusätzlich das Rechtsinstitut der Plangenehmigung in § 8 Abs. 2 LuftVG eingeführt worden.
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nen,,86. Hierzu zählen Start- und Landebahnen und ihre zugehörigen Schutzstreifen ebenso wie das Rollbahnsystem, die Vorfeldflächen, Befeuerungsanlagen und funkelektronische oder optische Landehilfen für den Allwetterbetrieb. Umstritten ist, ob auch sonstige Anlagen wie zum Beispiel Hochbauten und ähnliche Einrichtungen der Genehmigungspfllicht unterliegen oder vielmehr ausschließlich nach den allgemeinen baurechtlichen Vorschriften zu genehmigen sind. 87 Genehmigungspflichtig ist weiterhin der Betrieb des Flugplatzes. Der Betrieb eines Flugplatzes umfaßt nicht nur das "Vorhalten und Unterhalten der Flugplatzanlage,,88, sondern ebenfalls den Betrieb der Luftfahrzeuge selbst. Der Genehmigungspflicht unterliegen insoweit die Arten der Luftfahrzeuge (§ 42 Abs. 2 Nr. 7 LuftVZO), die Zulassung von Sichtflug und Instrumentenflug, Nachtflug (§ 33 S. 2 LuftVO), Flüge zur Ausbildung, die Benutzung von Start- und Landebahnen und sonstige Beschränkungen des Flughafenbetriebs. 89 Zum Betrieb eines Flugplatzes gehören weiterhin dessen Betriebszeiten. So können Nachtflugverbote, Start- und Landeverbote an Sonn- und Feiertagen oder zu anderen bestimmten Zeiten in der Genehmigung als Regelungen des Flughafenbetriebs festgelegt werden. 9o Allerdings darf die luftverkehrsrechtliche Genehmigung nicht jegliche Art von Betriebsregelungen enthalten. Daß § 6 LuftVG die Genehmigung für Flugplätze regelt und in dem Unterabschnitt des LuftVG über Flugplätze steht, weist bereits darauf hin, daß die zu treffenden Betriebsregelungen einen engen Bezug zum Betrieb auf dem Flugplatz haben müssen.91 Es ist also zwischen "Regelungen des Flughafenbetriebs" und "Regelungen des Flugbetriebs" zu unterscheiden. 92 Nur Flughafenbetriebsregelungen können in der Genehmigung festgelegt werden. Diese Differenzierung gewinnt insbesondere bei Kapazitätsbeschränkungen eines Flughafens an Bedeutung, bei denen die Verwaltung Betriebsbeschränkungen festlegt, die unterhalb der tatsächlich vorhandenen Kapazität des Flughafens liegen. 93 Giemulla/Schmid, LuftVG, § 6, Rn. 7. Gegen eine luftverkehrsrechtliche Genehmigungspflichtigkeit, vgl. Giemulla/Schmid, LuftVG, § 6, Rn. 7; Schwenk, LuftVR, S. 377; dafür, vgl. Hojmann/Grabherr; LuftVG, § 6, Rn. 22; Kühling / Herrmann, Fachplanungsrecht, Rn. 354. 88 Giemulla/Schmid, LuftVG, § 6, Rn. 8. 89 Hojmann/Grabherr; LuftVG, § 6, Rn. 24. Im Hinblick auf die Beurteilung von Triebwerksprobeläufen ist zu differenzieren zwischen Triebwerksprüfläufen und Triebwerksstandläufen. Triebwerksprüfläufe finden bei ausgebautem Triebwerk statt, das als Motorprüfstand gern. § 2 Nr. 14 BImSchVanzusehen ist. Die Genehmigungsbedürftigkeit ergibt sich daher aus den §§ 4 ff. BlrnSchG. Triebwerksstandläufe sind zum Flugplatzbetrieb zu zählen, soweit sie auf dem Fluggelände durchgeführt werden, vgl. Hojmann/Grabherr; § 6, Rn. 24. 90 Ausführlich hierzu: Hojmann/Grabherr; LuftVG, § 6, Rn . 25 . 91 Bidinger; Planung und Nutzung, S. 85. 92 Steinberg I Bidinger; UPR 1993, S. 281 (282); vgl. zur Differenzierung: Fünfter Teil, A., I.,3a). 93 Bidinger; Planung und Nutzung, S. 15. 86
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Nicht genehmigungsfahig sind weiterhin solche betrieblichen Regelungen, die anderen Stellen obliegen. Hierunter fällt beispielsweise die Benutzung bestimmter An- und Abflugwege. Diese werden gegebenenfalls nach § 27a LuftVG durch die Flugsicherung per Verordnung festgesetzt. 94 Durch die Genehmigungsbehörde kann ebensowenig in die Zulassung von möglichst lärmarmen Luftfahrtgeräten eingegriffen werden. Diese ist in § 2 Abs. I S. 2 Nr. 4 LuftVG LY.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2b LuftVZO ausdrücklich geregelt.
2. Wesentliche Erweiterung oder Änderung eines Flugplatzes
Nach § 6 Abs. 4 S. 2 LuftVG ist eine Genehmigung ebenfalls erforderlich für die wesentliche Erweiterung oder Änderung der Anlage oder des Betriebes eines Flugplatzes. 95 Eine Erweiterung des Flugplatzes ist zu bejahen, wenn seine Anlage oder sein Betrieb gegenüber dem bestehenden Zustand vergrößert wird. Eine Änderung liegt vor, wenn sich die Art der Anlage und/ oder des Betriebs des Flugplatze ändert. 96 Zu beachten ist, daß gern. § 8 Abs. 4 S. 1 LuftVG nun auch betriebliche Regelungen Gegenstand der Planfeststellung sein können. Dennoch bedürfen auch solche Betriebsänderungen, die ursprünglich planfestgestellt worden sind, lediglich einer Änderungsgenehmigung, § 8 Abs. 4 S. 2 LuftVG. Für wesentliche Betriebsänderungen ist demnach grundsätzlich ausschließlich eine Genehmigung erforderlich. Als Erweiterung der Anlage eines Flugplatzes ist es anzusehen, wenn eine zusätzliche Start- und Landebahn gebaut oder eine bestehende Bahn verlängert wird. Ein Änderungsgenehmigungsverfahren ist in einem solchen Falle jedoch nur erforderlich, wenn für die Anlageänderung ein Änderungs- bzw. Erweiterungsplanfeststellungsverfahren gern. § 8 Abs. I, 2 LuftVG nicht durchgeführt werden muß. 97 Nur dann besteht auch ein Bedürfnis, die Änderung wenigstens einem Genehmigungsvorbehalt zu unterwerfen. 98 Bei der Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens wegen wesentlicher Änderungen oder Erweiterungen ist kein 94 Problematisch ist insbesondere der Rechtsschutz gegen derartige Verordnungen, vgl. Czybulka, DÖV 1991, S. 410 (410 ff.). 95 In der Literatur wird teilweise vertreten, daß es sich hier nur um eine Änderung der Genehmigung handelt, vgl. zu den Nachweisen: Giemulla/Schmid, LuftVG, § 6 Rn. 9. Nach Ansicht der Rechtssprechung und der wohl herrschenden Meinung ist hier aber eine selbständige Genehmigung erforderlich, vgl: BVerwG, Urt. vom 22. 06. 1979 - ZLW 1980, S. 69 (75 f.); Giemulla/Schmid, LuftVG, § 6, Rn. 9; Hartmann, Planfeststellung und Genehmigung, S. 94; Hofmann/Grabherr; LuftVG, § 6, Rn. 33. % Hofmann/Grabherr; LuftVG, § 6, Rn. 28. 97 Nicht planfeststellungsbedürftig sind daher Landeplätze ohne beschränkten Bauschutzbereich und Segelfluggelände sowie wesentliche Änderungen des Betriebs, da diese nicht planfeststellungspflichtig sind, vgl. § 8 Abs. 1 LuftVG. 98 BVerwG, Urt. vom 05. 12. 1986 - BVerwGE 75, S. 214' (222) - ZLW 1987, S. 292 (294).
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solches Bedürfnis gegeben, denn der Planfeststellungsbeschluß bezieht sich auch auf diejenigen materiellen Fragen, die im Genehmigungsverfahren zu entscheiden wären. 99 Nach ständiger Rechtsprechung seit 1986 muß eine bereits erteilte Genehmigung daher vor dem Erlaß eines Änderungsplanfeststellungsbeschlusses nicht mehr geändert werden. 1oo Gern. § 6 Abs. 4 S. 1 LuftVG muß sie jedoch im nachhinein an die Planfeststellung angepaßt werden. Eine Änderung des Betriebs eines Flugplatzes liegt beispielsweise vor, wenn die höchstzulässige Flugmasse der für den Flugplatz zugelassenen Flugzeuge heraufgesetzt wird. Eine Änderung des Betriebs ist es auch, wenn zusätzliche Arten von Luftfahrzeugen genehmigt werden (§ 1 Abs. 2 LuftVG). Gleiches gilt für die Ausdehnung der Betriebszeiten eines Flugplatzes. 101 Nicht als Betriebsänderung anzusehen ist allerdings die bloße gesteigerte Ausnutzung der vorhandenen Kapazität eines Flugplatzes durch zunehmenden Flugverkehr, wenn eine unbeschränkte Genehmigung erteilt wurde. 102 Allerdings ist nicht jede Änderung oder Erweiterung genehmigungsbedürftig, sondern nur wesentliche Änderungen und Erweiterungen. Ob eine Änderung oder Erweiterung eines Flugplatzes wesentlich ist, kann nicht grundsätzlich festgelegt werden, sondern ist vielmehr unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. 103 Voraussetzung für eine wesentliche Änderung oder Erweiterung ist, daß der Flugplatz durch sie "sein Gesicht ändert", das heißt also sein Charakter teilweise anders ausgestaltet wird. 104 Zu vergleichen ist hierbei der bisherige Zustand mit dem geplanten im Hinblick auf quantitative und qualitative Veränderungen des Flugplatzunternehmens selbst, aber auch insbesondere im Hinblick auf seine künftigen Auswirkungen auf die Umgebung und insbesondere auf die in seiner Nachbarschaft geschützten Interessen. Berührt die Änderung oder Erweiterung des Flugplatzes die nach § 6 Abs. 2 und Abs. 3 LuftVG geschützten Belange insbesondere die Belange des Städtebaus und den Schutz vor Fluglärm - in rechtserheblicher Weise, so ist sie als wesentlich anzusehen. 105 Eine wesentliche Ände99 BVerwG, Urt. vom 05. 12. 1986 - BVerwGE 75, S. 214 (222) - ZLW 1987, S. 292 (294). 100 BVerwG, Urt. vom 05. 12. 1986 - BVerwGE 75, S. 214 (221) - ZLW 1987, S. 292 (294). 101 OVG Bremen, Beschl. vom 05. 11. 1993 - DVBl. 1994, S. 767. 102 BVerwG, Urt. vom 21. 05. 1997 - NVwZ-RR 1998, S. 22 (23); BVerwG, Urt. vom 15.09. 1999 - NVwZ 2000, S. 681. Grund hierfür ist, daß stets auf den genehmigten Betrieb abzustellen ist, nicht hingegen auf den faktischen Betrieb. Soweit die Genehmigung reicht, bedarf es daher keiner neuen Genehmigung. 103 HofirumnlGrabherr, LuftVG, § 6, Rn. 29. 104 BVerwG, Urt. vom 22.06.79 - ZLW 1980, S. 69 (69); BVerwG, Urt. vom 16. 12. 1988 - BVerwGE 81, S. 95 (104); Delbanco, Änderung, S. 184 ff.; HofinannlGrabherr, LuftVG, § 6, Rn. 29. 105 BVerwG, Urt. vom 22.06. 1979 - ZLW 1980, S. 69 (73); GiemullalSchmid, LuftVG, § 6, Rn. 9; HofinannlGrabherr; LuftVG, § 6 Rn. 29.
D. Luftverkehrsrechtliche Genehmigung gern. § 6 LuftVG
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rung wäre dementsprechend beispielsweise dann anzunehmen, wenn die Anlage einer zusätzlichen Start- oder Landebahn die Zunahme des Flugverkehrs zur Folge hätte und somit Auswirkungen auf den luftverkehrsrechtlichen Belang des Schutzes vor Fluglärm hätte. 106
3. Ausnahmen von der Genehmigungspflichtigkeit § 30 LuftVG enthält für bestimmte Flugplätze Ausnahmen von der Genehmigungspflichtigkeit. Danach entfällt die Genehmigungspflicht bei militärischen Flugplätzen gern. § 30 Abs. 1 S. I LuftVG, wenn dies zur Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben unter Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich ist. Gleiches gilt für Flugplätze des Bundesgrenzschutzes und der Polizei. In der Praxis gab es aufgrund dieses besonderen Ausnahmetatbestandes ein Genehmigungsverfahren für militärische Flugplätze nur selten lO7 , obwohl das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich die Genehmigungspflichtigkeit für militärische Flugplätze klargestellt hat. 108
11. Lärmschutz in der Genehmigung Nach § 6 Abs. 2 S. I LuftVG darf die luftverkehrsrechtliche Genehmigung nur erteilt werden, wenn die geplanten Maßnahmen den Erfordernissen der Raumordnung entsprechen und die Erfordernisse des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie des Städtebaus und insbesondere der Schutz vor Fluglärm angemessen berücksichtigt sind. § 6 Abs. 2 S. 3 LuftVG ordnet weiterhin an, daß die Genehmigung zu versagen ist, wenn das in Aussicht genommene Gelände ungeeignet ist oder Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet wird. 109 Der Schutz vor Fluglärm wird demnach in dem Genehmigungstatbestand des § 6 LuftVG ausdrücklich genannt und spielt praktisch eine wichtige Rolle. JlO
Hanl7Ulnn, Planfeststellung und Genehmigung, S. 95. Vgl. HofmannlGrabherr, LuftVG, § 6 Rn. 8. lOB BVerwG, Urteil vom 03. 05. 1988 - NVwZ 1988, S. 1122 (1122); BVerwG, Urt. vom 16. 12. 1988 - BVerwGE 81, S. 95 (96 f.); BVerwG, Urt. vom 14. 04. 1989 - DVBI. 1989, S. 1051 (1053). 109 Weitere Genehmigungsvoraussetzungen nur für Verkehrsflughäfen ergeben sich aus § 6 Abs. 3 LuftVG, wonach die Genehmigung dann zu versagen ist, wenn durch Anlegung und Betrieb des Flughafens die öffentlichen Interessen in unangemessener Weise beeinträchtigt werden. 110 Schwenk, LuftVR, S. 275. 106
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2. Teil: Schutz vor Fluglärm
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1. Doppelnatur der Genehmigung
Von dem ursprünglichen Ansatz, daß ein Unternehmer eine gewerberechtliche Erlaubnis begehrt, sind die Bezeichnung als Genehmigung und die gefahrenabwehrenden Elemente der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung gern. § 6 Abs. 2 S. 3 LuftVG erhalten geblieben. Danach muß die Genehmigung versagt werden, wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet wird oder das Gelände ungeeignet ist. Liegt demnach eine derartige Gefahr im ordnungsrechtlichen Sinne vor und kann die Rechtmäßigkeit der Genehmigung auch nicht durch das Hinzufügen von Nebenbestimmungen erreicht werden, so ist die Genehmigung zwingend zu versagen. 111 Eine Abwägung ist hier grundsätzlich nicht zulässig, die genannten Belange verlangen vielmehr strikte Beachtung zugunsten einer effektiven Gefahrenabwehr. 112 Die Genehmigung hat also auf der einen Seite den Charakter einer Unternehmergenehmigung und beseitigt so für den Unternehmer das gesetzliche Verbot, ohne die erforderliche öffentlich-rechtliche Erlaubnis einen flughafen zu betreiben. 113 Gleichzeitig wohnt der Genehmigung jedoch ein planungsrechtliches Element inne. Gern. § 6 Abs. 2 S. I LuftVG sind die dort genannten Voraussetzungen "angemessen zu berücksichtigen". Diese abweichende Formulierung läßt darauf schließen, daß die Elemente in § 6 Abs. 2 S. 1 LuftVG keine strikte Beachtung erfordern und somit der planerischen Abwägung zugänglich sind. 114 Hinzu kommt, daß die dort genannten Erfordernisse - bis auf den Schutz vor fluglärm - keine typischen überwachungsrechtlichen Genehmigungstatbestände darstellen, sondern vielmehr planerischen Charakter aufweisen. 115 Die Genehmigung hat demnach auf der anderen Seite den Charakter einer Planungsentscheidung. Im Ergebnis erscheint daher die Charakterisierung der Genehmigung durch die Rechtsprechung als "ganz überwiegende Unternehmergenehmigung,,116 nicht ganz treffend. Es ist vielmehr auf die Literatur zurückzugreifen. Hier wird die Doppelnatur der Genehmigung teilweise mit dem Begriff der Unternehmergenehmigung mit planungsrechtlichem Einschlag ll7 , teilweise mit dem der planenden Erlaubnis zum Ausdruck gebrachtYs Die Genehmigung ist allerdings nur dann Giemullal Schmid, LuftVG, § 6, Rn. 34. Hartmann, Planfeststellung und Genehmigung, S. Ill. 113 Die Genehmigung stellt grundSätzlich ein Mittel zur Ennöglichung der Grundrechtsbetätigung dar. 114 Hartmann, Planfeststellung und Genehmigung, S. 113 ff.; Venus, Berücksichtigungsgebot, S. 206. Dies wird insbesondere deutlich bei der isolierten Genehmigung, gilt aber auch dann, wenn eine Planfeststellung nachfolgt, vgl. HojmannlGrabherr; LuftVG, § 6 Rn. 102; Sommer; Fluglärm 2000, S. 132 (144). 115 Hartmann, Planfeststellung und Genehmigung, S. 113, 126. 116 BVeIWG, Urt. vom 11. 12. 1978 - ZLW 1979, S. 245 (254). 117 Vgl. Hartmann, Planfeststellung und Genehmigung, S. 127 f. 1Il
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die einzige und endgültige Rechtsgrundlage für die Anlage und Betrieb eines Flugplatzes, wenn ein nachfolgendes Planfeststellungsverfahren nicht erforderlich ist. Nur dann ist sie einerseits Untemehmergenehmigung, andererseits endgültige Planungsentscheidung. Muß hingegen für die Zulassung ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden, so ist es unbestritten, daß in diesem Fall die Genehmigung allein dem Betreiber noch nicht die Befugnis gibt, den Flughafen anzulegen und zu betreiben. 119 Der Schwerpunkt liegt dann auf dem Planfeststellungsverfahren. a) Fluglärm als Versagungsgrund
Die Genehmigung kann gern. § 6 Abs. 2 S. 3 LuftVG versagt werden, wenn eine Gefahrdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu befürchten ist. Durch diese Regelung sollen vor allem Interessen geschützt werden, die außerhalb des Flugbetriebs liegenYo "Der Schutz der öffentlichen Sicherheit umfaßt den Schutz der Allgemeinheit und des Einzelnen gegen Schäden, die den Bestand des Staates, seiner Einrichtungen oder das ungehinderte Funktionieren seines Organismus, die Leben oder Ehre des Einzelnen oder die das Vermögen im Sinne aller durch die geltende Rechtsordnung gewährleisteten dinglichen und persönlichen Rechte physischer und juristischer Personen bedrohen."l21 Insbesondere zählt hierzu der Schutz der körperlichen Unversehrtheit des einzelnen im Sinne des § 2 Abs. 2 GG und die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Wird also die körperliche Unversehrtheit oder das Eigentum aufgrund der Belastungen durch Fluglärm gefahrdet, so ist die Genehmigung nach § 6 Abs. 2 S. 3 LuftVG bei Nichterfüllung bzw. fehlender Möglichkeit, eine Rechtmäßigkeit der Genehmigung durch Hinzufügen von Nebenbestimmungen zu erreichen, ohne jegliches Verwaltungsermessen zu versa118 Vgl. Badura, BayVBI. 1976, s. 515 (515 ff.), der die luftverkehrsrechltiche Genehmigung als Unternehmergenehmigung mit planungsrechtlichem Einschlag charakterisiert; Ronellenfitsch, DVBI. 1984, S. 501 (503), bejaht ebenfalls die Unternehmergenehmigung mit planungsrechtlichem Einschlag (allerdings sieht er den planungsrechtlichen Einschlag darin, daß sich der Genehmigung teilweise ein Planfeststellungsverfahren anschließt, nicht jedoch innerhalb der Genehmigung selbst); Kühling / Herrmann, Fachplanungsrecht, Rn. 548 f., sieht die Genehmigung als planerische Genehmigung an, denn im Gegensatz zu einer Kontrollerlaubnis mit fester Gesetzesbindung der Behörden sei die Erteilung der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung nicht nur an einzelne Versagungsgründe geknüpft, sondern darüber hinaus an eine umfassende Würdigung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen Belange. 119 BVerwG, Urt. vom 21. 08. 1981 - NVwZ 1982, S. 113 (113); Giemulla, ZLW 1985, S. 44 (46), Harbeck, ZLW 1983, S. 209 (211); Hermann, Fluglärm, S. 224 f. 120 Das Kriterium der Ungeeignetheit des Geländes stellt hingegen maßgeblich auf den Schutz des Flugbetriebs ab. Hierbei können auch die in § 6 Abs. S. 1 LuftVG aufgezählten Belange Bedeutung erlangen. Die Frage nach dem Verhältnis der Versagungsgründe untereinander kann dahinstehen, da sie ohne praktische Bedeutung ist, vgl. Hartmann, Planfeststellung und Genehmigung, S. 110; Schwenk, LuftVR, S. 372. 121 Giemulla/Schmid, LuftVG, § 6, Rn. 26.
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2. Teil: Schutz vor Fluglärm
gen. 122 Rechtliche Reaktionsschwelle des § 6 Abs. 2 S. 3 LuftVG ist demnach die grundrechtliche Gefahrenschwelle. b) Fluglärm als Abwägungsbelang
Gern. § 6 Abs. 2 S. I LuftVG soll der Schutz vor Fluglärm bei der Genehmigungserteilung "angemessen berücksichtigt" werden. Diese - von der strikten Beachtungspflicht des § 6 Abs. 2 S. 2 LuftVG abweichende - Formulierung läßt darauf schließen, daß die Elemente in § 6 Abs. 2 S. I LuftVG keine strikte Beachtung erfordern und somit der planerischen Abwägung zugänglich sind. 123 Für den Belang des Fluglärms gilt die Besonderheit, daß er in seinen Auswirkungen von sehr unterschiedlicher Intensität sein kann. Von dem Grad der Intensität muß auch die rechtliche Bewältigung der Lärmauswirkungen abhängen. Erreichen die Fluglärmauswirkungen die grundrechtliche Gefahrenschwelle, so sind sie einer Abwägung nicht mehr zugänglich. Dies ergibt sich bereits aus der Versagungsnorm des § 6 Abs. 2 S. 3 LuftVG. In einem solchen Fall ist es sogar grundrechtlich geboten, die Genehmigung zu versagen. Es stellt sich aber die Frage, wie Lärmauswirkungen behandelt werden, die unterhalb dieser grundrechtlichen Gefahrenschwelle liegen. Der Schutz vor derartigen Beeinträchtigungen könnte durch die planerische Abwägung des § 6 Abs. 2 S. I LuftVG gewährt werden. Nach der Rechtssprechung zum Lärmschutz in der Planfeststellung sind grundsätzlich alle Fluglärmeinwirkungen in die Abwägung miteinzubeziehen, sofern sie nicht völlig unerheblich sind. 124 Keiner Abwägung mehr zugänglich sollen nach der Rechtsprechung allerdings unzumutbare Fluglärmeinwirkungen im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG sein. Diese Zumutbarkeitsschwelle setzt der Abwägung eine strikte Grenze. Können demnach derartige Lärmauswirkungen nicht gern. § 9 Abs. 2 LuftVG durch aktiven oder passiven Schallschutz vermindert werden, so ist die Planung zu versagen, soweit ein Ausgleich durch Entschädigung nicht möglich ist. Im Hinblick auf den engen sachlichen Zusammenhang zwischen Genehmigung und Planfeststellung, muß auch im Rahmen der Genehmigung diese Zumutbarkeitsschwelle des § 9 Abs. 2 LuftVG Bedeutung erlangen. 125 Diese Übertragung 122 Schwenk, LuftVR, S. 372; vgl. auch: GiemulialSchmid, LuftVG, § 6, Rn. 27, der die Lärmbe1ästigung im Rahmen der Gefährung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erwähnt. 123 Hartmann, Planfeststellung und Genehmigung, S. 113 ff.; HofmannlGrabherr; LuftVG, § 6, Rn. 102; Venus, Berücksichtigungsgebot, S. 206; Sommer; in: Fluglärm 2000, S. 132 (144); die planerische Gestaltungsfreiheit ist allerdings nicht grenzenlos, sondern hat innerhalb der Grenzen der allgemein anerkannten Grundsätze rechtstaatlichen Abwägens zu erfolgen, vgl. Hartmann, Planfeststellung und Genehmigung, S. 128. 124 BVerwG, Urt. vom 29. 01. 1991-BVerwGE 87, S. 332 (34lf.)-ZLW 1991, S. 428 (433). 125 Delbanco, Änderung, S. 88; Hartmann, Planfeststellung und Genehmigung, S. 135; KühlinglHernnann, Fachplanungsrecht, Rn. 415 ff.
D. Luftverkehrsrechtliche Genehmigung gern. § 6 LuftVG
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der Lännschutzgrenzen der Planfeststellung auf die Genehmigung entspricht gleichzeitig auch dem Sinn und Zweck der Regelung des § 6 Abs. 2 S. 1 LuftVG, denn durch die Einbeziehung des Fluglännschutzes soll ein verbesserter Schutz gegen Fluglänn gewährleistet werden. Dieses Ziel wird erreicht, wenn auch Fluglännbeeinträchtigungen unterhalb der Gefahrenschwelle in der Genehmigungsentscheidung Beachtung finden und die Versagungsschwelle in das Vorfeld der grundrechtlichen Gefahrengrenze gerückt wird. 126 Dementsprechend muß die Zumutbarkeitsschwelle des § 9 Abs. 2 LuftVG auch der planerischen Abwägung im Rahmen der Genehmigung eine strikte Grenze setzen. Ist diese Schwelle erreicht, so muß die Genehmigung versagt werden, wenn nicht durch Nebenbestimmungen, insbesondere die Auferlegung von Lännschutzmaßnahmen aktiver und passiver Art, die Einhaltung der Zumutbarkeitsgrenze gewährleistet werden kann. 127 Unterhalb dieser Zumutbarkeitsgrenze liegende Lännbelastungen müssen hingegen lediglich im Rahmen der Abwägung angemessen berücksichtigt werden. Stehen ihnen stärkere Belange gegenüber, so können sie zurücktreten. Im Ergebnis ist also festzuhalten, daß im Rahmen des § 6 Abs. 2 S. 1 LuftVG je nach Intensität der Fluglännbeeinträchtigungen zwei rechtliche Reaktionsmöglichkeiten in Betracht kommen: Bleiben die Fluglännbelastungen unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle, so sind sie lediglich in der Abwägung zu berücksichtigen; erreichen sie jedoch die Zumutbarkeitsgrenze, so ist die Genehmigung zu versagen, wenn die Beeinträchtigungen nicht durch aktiven oder passiven Lännschutz ausgeglichen werden können. Im Verhältnis zu der Versagungsnonn des § 6 Abs. 2 S. 3 LuftVG gilt, daß diese grundsätzlich neben der Nonn des § 6 Abs. 2 S. 1 LuftVG besteht. Da § 6 Abs. 2 S. 1 LuftVG jedoch bereits eine Versagung im Vorfeld der grundrechtlichen Gefahrenschwelle anordnet, dürfte der § 6 Abs. 2 S. 3 LuftVG im Hinblick auf den Schutz vor Fluglänn nur sehr geringe praktische Bedeutung haben. 128
2. Schutz vor Fluglärm durch die UVP § 6 Abs. 1 S. 3 LuftVG ordnet an, daß für Flugplätze, die einer Planfeststellung bedürfen, auch die Umweltverträglichkeit zu prüfen ist. 129 Gern. § 6 Abs. 1 S. 3 LuftVG bleibt § 15 Abs. 1 S. 2 UVPG aber unberührt, so daß die Verpflichtung zur Delbanco, Änderung, S. 88. Kühling / Herrmann, Fachplanungsrecht, Rn. 549. Wann allerdings die Zumutbarkeitsgrenze für F1uglänneinwirkungen erreicht ist, ist bisher rechtlich nicht festgelegt worden und muß im Wege der Einzelfallbetrachtung durch die Gerichte entschieden werden, vgl. Dritter Teil, C. 128 Ähnlich Hartmann, S. 129; a.A. Schwenk, LuftVR, S. 371, der eine Versagung der Genehmigung auf Grundlage des § 6 Abs. 2 S. 1 LuftVG grundSätzlich ablehnt. 129 Diese Regelung entspricht § 15 Abs. 1 UVPG, der die Durchführung einer ersten Stufe der UVP im vorverlagerten luftverkehrsrechltichen Genehmigungsverfahren verlangt. 126
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2. Teil: Schutz vor Fluglärm
Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Genehmigungsverfahren dann entfällt, wenn eine solche bereits im Raumordnungsverfahren durchgeführt wurde. 130 Ist die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens jedoch nicht erforderlich, so hat die Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen des Genehmigungsverfahrens stattzufinden. In die Umweltverträglichkeitsprüfung müssen grundsätzlich die voraussichtlichen Lärmbelastungen einbezogen werden.13I Dies ergibt sich aus dem Genehmigungstatbestand des § 6 Abs. 1 S. 2 LuftVG, der bei der Genehmigungserteilung die Berücksichtigung des Schutzes vor Lärm vorsieht. Wie detailliert die Untersuchungen zum konkreten Lärmpegel sein müssen, hängt vom Planungsstand des Vorhabens ab, § 15 Abs. 1 UVPG. 132 Für die Bewertung der F1uglärmauswirkung existieren bis jetzt keine einschlägigen Regelungen. Daher müssen die Mindestanforderungen an die Umweltbeschaffenheit im Einzelfall von der zuständigen Behörde bei der Anwendung umweltbezogener gesetzlicher Zulässigkeitsvoraussetzungen nach den Umständen des Einzelfalls festgelegt werden, 0.6.1.2.3 UVP-VwV. Für die Frage, inwieweit die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung für das luftverkehrsrechtliche Genehmigungsverfahren bindend sind, enthält § 15 UVPG allerdings keine Aussage. Da § 6 Abs. 1 S. 2 LuftVG jedoch ausdrücklich die Prüfung der Umweltverträglichkeit vorschreibt, ist § 12 UVPG in vollem Umfang anwendbar. 133 Das Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung ist im Rahmen der Genehmigung als Abwägungsbelang zu berücksichtigen. Dies ist im Rahmen der Genehmigung unproblematisch möglich, denn diese enthält planerische, der Abwägung zugängliche Elemente, bei denen das Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung miteinbezogen werden kann. Für die nachfolgende Planfeststellung gilt, daß gern. § 15 Abs. 4 UVPG die Prüfung der Umweltverträglichkeit auf zusätzliche oder andere erhebliche Auswirkungen beschränkt werden kann. Eine derartige Beschränkung steht also im Ermessen der Planfeststellungsbehörde und hängt praktisch maßgeblich davon ab, wie detailliert die Umweltverträglichkeitsprüfung im luftverkehrsrechtlichen Genehrnigungsverfahren ausgefallen ist. 134 Entscheidet sich die Planfeststellungsbehörde dafür, so werden beide Stufen der UVP in einer Gesamtbewertung zusammengefaßt, und diese ist wiederum bei der Abwägung im Rahmen der Planfeststellung als Abwägungsbelang zu berücksichtigen. 135 Bei Mängeln der Umweltverträglichkeitsprüfung kann Rechtsschutz nur gegen die luftverkehrsrechtliche Genehmigung eingelegt werden, nicht jedoch unmittel130 Es besteht ein Wahlrecht, ob die UVP bereits im Raumordnungsverfahren oder erst im luftverkehrsrechtlichen Genehmigungsverfahren durchgeführt wird, vgl. Zweiter Teil, B, V, I. 131 Erbguth/Schink. UVPG, § 15 Rn. 17 f. 132 Erbguth/Schink. UVPG, § 15, Rn. 17. 133 Erbguth/Schink. UVPG, § 15, Rn. 19. 134 Erbguth/Schink. UVPG, § 15, Rn. 21. 135 Wagner, in: Hoppe, UVPG, § 15, Rn. 36.
D. Luftverkehrsrechtliche Genehmigung gern. § 6 LuftVG
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bar gegen das Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung.136 Für das Planfeststellungsverfahren hat das Bundesverwaltungsgericht zudem entschieden, daß allein die Nichteinhaltung der Vorschriften des UVPG als Verfahrensbestimmungen nicht die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses rechtfertigt, wenn sich der formelle Mangel nicht auf die Entscheidung ausgewirkt haben könnte. 137 Bereits grundsätzlich sind Klagen einzelner wegen fehlender oder fehlerhafter Durchführung der Umweltverträglichkeit als problematisch anzusehen, da die Vorschriften des UVPG keinen Drittschutz vermitteln dürften. 138
III. Nebeneinander von Planfeststellung und Genehmigung Die Besonderheit des luftverkehrsrechtlichen Zulassungsrechts besteht darin, daß für die Planung von Flughäfen und Landeplätzen mit beschränktem Bauschutzbereich eine Genehmigung gern. § 6 LuftVG und eine Planfeststellung gern. § 8 Abs. 1 LuftVG nebeneinander erforderlich sind. 1. Verhältnis von Planfeststellung und Genehmigung
Problematisch erscheint die Frage nach dem Verhältnis der Planfeststellung zur Genehmigung. Die Koppelung der verschiedenen Strukturelemente innerhalb der Genehmigung und die zusätzliche Verzahnung von Genehmigung und Planfeststellung gehören nach allgemeiner Auffassung "zu den bei weitem unübersichtlichsten Verfahrensregelungen"139 und machen die luftverkehrsrechtliche Zulassung zu einer gesetzgeberischen Fehlleistung. 14o Bereits die Tatsache, daß die luftverkehrsrechtliche Genehmigung einmal als einzige Entscheidung über einen Flugplatz im Falle militärischer Vorhaben sogar eines Flughafens - ausreicht, während sie ein anderes Mal als Stufe innerhalb eines mehrstufigen Planungsverfahrens anzusehen ist, läßt darauf schließen, daß das Verhältnis von Genehmigung und nachfolgender Planfeststellung schwierig zu bestimmen ist. 141 Dieser Eindruck wird bestätigt, wenn man die Überschneidungen der Prüfungsgegenstände von Genehmigung und Planfeststellung betrachtet. 142 Dabei stellt sich die Frage des VerhältHoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 8, Rn. 102. BVerwG, Beschl. vom 23. 02. 1994 - DVBl. 1994, S. 763 (763); kritisch Kloepfer, Umweltrecht, § 5, Rn. 104. 138 Kloepfer, Umweltrecht, § 5, Rn. 104; Steinberg, DÖV 1996, S. 221 (228). 139 Bäumler, DÖV 1981, S. 43 (49); Schmidt-Aßmann, DVBl. 1981, S. 334 (336). 140 Wahl, DVBl. 1982, S. 51 (58); a.A. Harbeck, ZLW 1983, S. 209 (222). 141 SaUs, Gestufte Verfahren, S. 43. 142 Da im Rahmen der Planfeststellung gern. § 9 Abs. 1 S. 2 LuftVG alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen geregelt werden müssen, sind insbesondere auch die Erfordernisse des § 6 LuftVG im Rahmen der Planfeststellung zu beachten, vgl. Delbanco, Änderung, S. 161 f. 136
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nisses von Flugplatzgenehmigung und zusätzlicher Planfeststellung nicht nur als Problem der Erfassung und Strukturierung des luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfahrens im Hinblick auf den Schutz vor Fluglärm dar. Insbesondere von praktischer Relevanz ist das Problem, inwieweit der Inhalt der Genehmigung auch die Behörde bei der Planfeststellung bindet und somit Rechtsschutz gegen die Genehmigung möglich ist.
a) Rechtslage vor der Änderung des LuftVG 1993 Obwohl sich also im Hinblick auf den Prüfungs umfang erhebliche Unklarkeiten ergeben, existierte bis zur Änderung des LuftVG 1993 keine Bestimmung zur Klärung des Verhältnisses von Genehmigung und Planfeststellung. Einzig § 6 Abs. 4 S. 1 LuftVG schuf eine Verbindung zwischen Genehmigung und Planfeststellung, denn er legt fest, daß die Genehmigung nach Abschluß des Planfeststellungsverfahrens zu ergänzen oder zu ändern ist. aa) Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Das Bundesverwaltungsgericht hat daher in mehreren Entscheidungen den Regelungsgehalt der luftrechtlichen Genehmigung zu dem der nachfolgenden Planfeststellung abgegrenzt. 143 Danach erfolge die luftverkehrsrechtliche Zulassung planfeststellungsbedürftiger Flugplätze innerhalb eines insoweit mehrstufigen Verwaltungsverfahrens durch zwei sachlich und verfahrensmäßig miteinander verzahnte, für ihren jeweiligen Regelungsbereich aber selbständige Verwaltungsentscheidungen. 144 Der Regelungsbereich der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung sei dadurch gekennzeichnet, daß sie ganz überwiegend eine Unternehmergenehmigung sei. 145 In planungsrechtlicher Sicht komme ihr nur eine mittelbare, nämlich die Planungsentscheidung des Planfeststellungsbeschlusses vorbereitende Bedeutung ZU. 146 Diese beruhe darauf, daß die Genehmigung die Feststellung enthalte, daß das in Aussicht genommene Gelände den Voraussetzungen des § 6 LuftVG entspreche. Sie bestimme insoweit den Gegenstand des Unternehmens. Die Genehmigung stelle daher die Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Einleitung des Planfeststellungsverfahrens dar, auf deren Grundlage der Vorhabenträger erst die Notwendigkeit einer Planfeststellung beantragen könne. 147 Hieraus folge 143 BVerwG, Ort. vom 22. 03. 1974 - ZLW 1974, S. 277 (280); BVerwG, Ort. vom 11. 12. 1978 - ZLW 1979, S. 245 (254 f.). 144 BVerwG, Ort. vom 11. 12. 1978 - ZLW 1979, S. 245 (254). 145 BVerwG, Ort. vom 22. 03. 1974 - ZLW 1974, S. 277 (281); BVerwG, Ort. vom 21. 08.1981 - NVwZ 1982, S. 113 (113); BVerwG, Ort. vom 20.11. 1987 - NVwZ 1988, S. 731 (732); kritisch Wahl, DVBI. 1982, S. 51 (58). 146 BVerwG, Ort. vom 11. 12. 1978 - ZLW 1979, S. 245 (254).
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aber nicht, daß der Genehmigung gegenüber der Planfeststellung ein selbständiger bindender Regelungsgehalt zukomme. Da sich der Gesetzgeber bei der Anlegung von Flughäfen für die Notwendigkeit einer Planfeststellung entschlossen habe, ohne der ebenfalls erforderlichen Genehmigung über deren Funktion als Unternehmergenehmigung hinaus einen konkreten Regelungsbereich positiver Planungsentscheidung zuzuweisen, sei davon auszugehen, daß die raurnrelevante Planungsentscheidung ausschließlich der Planfeststellung vorbehalten sei. 148 Die luftverkehrsrechtliche Genehmigung sei demnach zwar als Verwaltungsakt anzusehen, enthalte aber im Verhältnis zur Planfeststellung keine verbindlichen Entscheidungen. 149 Die Genehmigung sei vielmehr als "leere Hülse" zu betrachten, die durch die Planfeststellung mit Inhalt angefüllt werde. 150 Da die Genehmigung nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts mangels eigenständigen Regelungsgehalts nicht in Rechte Dritter eingriff, konnte sie folgerichtig gerichtlich auch nicht angegriffen werden. 151 Erst wenn sie im nachfolgenden Planfeststellungsbeschluß inhaltlich ihren Niederschlag fand, war sie als Element dieses Beschlusses mit ihm angreifbar. 152 Angriffsobjekt war demnach grundsätzlich allein der abschließende PIanfeststellungsbeschluß. Nur dieser konnte auch in Rechte Dritter eingreifen. 153 bb) Literatur
In der Literatur wurden unterschiedliche Auffassungen zum Regelungsgehalt und der hiermit zusammenhängenden Bindungswirkung der Genehmigung gegenüber der nachfolgenden Planfeststellung vertreten. Teilweise wurde der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gefolgt. 154 Zur Begründung einer Unverbindlichkeit der Genehmigung gegenüber der Plan147 BVeIWG, Urt. vom 22. 03. 1974 - ZLW 1974, S. 277 (283); BVeIWG, Urt. vom 07.07. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (136); BVeIWG, Urt. vom 20. 11. 1987 - NVwZ 1988, S. 731 (731); BVeIWG, Beschl. vom 20. 08.1990 - ZLW 1991, S. 50 (54). 148 BVeIWG, Urt. vom 11 . 12. 1978 - ZLW 1979, S. 245 (255). 149 BVeIWG, Urt. vom 20. 08.1990 - ZLW 1991, S. 50 (52). ISO BVeIWG, Urt. vom 22. 03. 1974 - ZLW 1974, S. 277 (282). 151 Eine Ausnahme wird hingegen für das Klagerecht der Gemeinden gegen die Genehmigung aufgrund der Verletzung ihrer verfassungsrechtlich gewährleisteten Planungshoheit zugestanden. Auch dieses beschränkt sich allerdings auf die Verletzung formaler Beteiligungsrechte; eine materielle Überprüfung erfolgt nicht, vgl. BVeIWG, Urt. v. 16. 12. 1988 BVerwGE 81, S. 95 (106 ff.). 152 BVeIWG, Urt. vom 11. 10. 1968 - NJW 1969, S. 340 (341); BVeIWG, Urt. vom 22. 03. 1974 - ZLW 1974, S. 277 (282); BVeIWG, Urt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (349) - ZLW 1991, S. 428 (437). 153 BVeIWG, Urt. vom 22. 03. 1974 - ZLW 1974, S. 277 (282). 154 Badura, BayVBI. 1976, S. 515 (518); Geiger, NuR 1982, S. 127 (127); Ronellenfisch, VerwArchiv 80 (1989), S. 92 (115); Schwenk, LuftVR, S. 408.
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feststellung wurde § 9 Abs. 1 S. 2 LuftVG angeführt, nach dem alle öffentlichrechtlichen Beziehungen zwischen dem Flughafenbetreiber und den Planbetroffenen ausschließlich durch die Planfeststellung geregelt werden. 155 Auch sei die Regelung des § 6 Abs. 4 LuftVG zu beachten, nach der die Genehmigung ihrem Inhalt nach dem Planfeststellungsbeschluß angepaßt werden muß. 156 Aus diesen Regelungen sei zu schließen, daß ausschließlich die Planfeststellung Rechtswirkungen gegenüber Dritten entfalte, während die Genehmigung lediglich als Unternehmerkonzession und planungsvorbereitende Entscheidung anzusehen sei. Hinsichtlich der Planfeststellung entfalte sie jedoch keinerlei rechtliche Verbindlichkeit. 157 Der Großteil der Literatur lehnte hingegen die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab und sprach sich für eine Verbindlichkeit der Genehmigung gegenüber der nachfolgenden Planfeststellung aus. 158 Teilweise wurde die Verbindlichkeit der Genehmigung im Hinblick auf die Standortentscheidung angenommen. 159 Andere wiederum vertraten die Meinung, daß die Genehmigung zumindest im Bezug auf den Betrieb für die Planfeststellung verbindlich sei. l60 Weiterhin wurde die Auffassung verfolgt, die Genehmigung habe nur hinsichtlich der gefahrenabwehrenden Elemente vorläufig bindenden Charakter. 161 Es wurde sogar die Ansicht vertreten, daß die Genehmigung umfassend über die Zulässigkeit des Vorhabens entscheide und der Planfeststellung lediglich die Ausgestaltung des Vorhabens in dem durch die Genehmigung vorgegebenen Rahmen verbleibe. 162 Diese Verbindlichkeit wurde mit unterschiedlichen Argumenten belegt. So spreche für eine Verbindlichkeit im Hinblick auf den Betrieb vor allem der Wortlaut des § 8 Abs. 1 LuftVG, nach dem die Planfeststellung nur über die Anlage, nicht aber über den Betrieb entscheiden solle. 163 Dagegen läßt sich jedoch § 6 Abs. 4 LuftVG anführen, der darauf schließen läßt, daß auch Betriebsregelungen durch Geiger, NuR 1982, S. 127 (127); Harbeck, ZLW 1983, S. 209 (219). Harbeck, ZLW 1983, S. 209 (218 f.). 157 Harbeck, ZLW 1983, S. 209 (218). 158 Bäumler, DÖV 1981, S. 43 (45); Blümei, DVBI. 1975, S. 695 (705 ff.); Wahl, DÖV 1975, S. 373 (374 ff.). 159 Blümel, DVBI. 1975, S. 695 (704); Giemulla/Schmid, LuftVG, § 6, Rn. 78; SchmidtAßmann, DVBI. 1981, S. 334 (337 f.); Wahl, DÖV 1975, S. 373 (374 ff.). 160 Bäumler, DÖV 1981, S. 43 (46 f.); Giemulla/Schmid, LuftVG, § 6 Rn. 78; Hanmann, Planfeststellung und Genehmigung, S. 183; Wahl, DÖV 1975, S. 373 (380); differenzierend, vgl. Giemulla/Schmid, LuftVG, § 6 Rn. 78, wonach die Betriebsregelungenjedoch durch die Planfeststellung noch modifiziert werden können; Salis, Gestufte Verwaltungsverfahren, S. 212, der vertritt, daß die Genehmigung nur die nackte Gestattung des Betriebs enthalte, nicht jedoch seine Rechtmäßigkeit. 161 Delbanco, Änderung, S. 146 ff. 162 Hanmann, Genehmigung und Planfeststellung, S. 180 ff. (199). 163 Bäumler, DÖV 1981, S. 43 (46). Durch die Neufassung des § 8 Abs. 4 LuftVG ist nunmehr allerdings eindeutig festgelegt, daß betriebliche Regelungen auch Gegenstand der Planfeststellung sein können. 155
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die Planfeststellung erfolgen können, die Genehmigung dann jedoch angepaßt werden muß. I64 Im übrigen lassen sich Anlage und Betrieb eines F1ughafens kaum trennen, da die F1ughafenanlage einerseits wesentlich durch den Umfang des beabsichtigen Betriebs bestimmt wird, der F1ughafenbetrieb sich andererseits nach der Lage, Dimensionierung und Konfiguration der Anlage richtet. Bereits unter diesem - eher praktischen - Aspekt war eine Beschränkung der Planfeststellung auf die Anlage schwerlich vertretbar. 165 Für die Verbindlichkeit der Genehmigung sprächen - heißt es an anderer Stelle - außerdem die Gesetzesmaterialien zu § 6 LuftVG. 166 Danach sollen die in § 6 Abs. 2 LuftVG genannten Fragen im Genehmigungsverfahren geprüft werden, um erhebliche Planungs- und Verwaltungsarbeit zu vermeiden, die umsonst aufgewendet werde, wenn die Prüfung erst im Planfeststellungsverfahren erfolge und dort negativ ausfalle. Allerdings kann auch eine unverbindliche Prüfung Planungs- und Verwaltungsarbeit vermeiden, so daß das Risiko einer negativen Verbescheidung auch durch eine unverbindliche Vorprüfung gemindert ist. 167 Als weiteres Indiz für die Verbindlichkeit der Genehmigung wurde der hohe Detaillierungsgrad und die damit einhergehende Prüfungsintensität der Genehmigung angeführt, der sich bereits aus ihrem Inhalt ersehen lasse. 168 Grundsätzlich kann jedoch der Detaillierungsgrad mangels Abgrenzbarkeit kein rechtliches Kriterium sein. 169 Gegen eine Unverbindlichkeit der Genehmigung wurde ferner der Verwaltungsaktcharakter der Genehmigung vorgebracht. Dementsprechend müsse der Regelungsgehalt der Genehmigung Verbindlichkeit auch für das nachfolgende Verfahren besitzen. 17o Gerade die Bestimmung des Inhalts und der Grenzen des Regelungsgehalts eines Verwaltungsakts kann im Einzelfall jedoch schwierig sein. Dies gilt insbesondere für den Regelungsgehalt der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung nach § 6 LuftVG, der sehr unterschiedlich bestimmt wird. Allein die Qualifizierung als Verwaltungsakt konnte demnach nicht auf die Verbindlichkeit der Genehmigung für die nachfolgende Planfeststellung schließen lassen. 171 Harbeck, ZLW 1983, S. 209 (220 f.). Harbeck, ZLW 1983, S. 209 (220 f.); Hartmann, Genehmigung und Planfeststellung, S. 183; Hermann, Fluglärm, S. 230. 166 Giemulla/Schmid, LuftVG, § 6 Rn. 80 m. w. N. 167 Salis, Gestufte Verwaltungsverfahren, S. 106. 168 Bäumler; OÖV 1981, S. 43 (45); Schmidt-Aßmann, OVBI. 1981, S. 334 (337). 169 Salis, Gestufte Verwaltungsverfahren, S. 110 f. 170 Giemulla/Schmid, LuftVG, § 6 Rn. 80; Schmidt-Aßmann, OVBI. 1981, S. 334 (337); zu der Verbindlichkeit von Verwaltungsakten, vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11, Rn. 2. 171 Selbst wenn der Regelungsgehalt der Genehmigung nichts enthielte, was für den Inhalt des nachfolgenden Planfeststellungsverfahrens relevant wäre, so enthielte sie zumindest die planungsrechtliche Entscheidung des Inhalts, daß die in § 6 LuftVG aufgezählten Prüfungskriterien es nicht geböten, die Planung bereits in diesem Verfahrensstand einzustellen. Sie 164
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Ein verbindlicher Regelungsgehalt der Genehmigung wurde weiterhin aufgrund des Charakters des luftverkehrsrechtlichen Planungsverfahrens als mehrstufiges Verwaltungsverfahren angenommen. In Allerdings ist das mehrstufige Verwaltungsverfahren kein gesetzlich besonders geregelter Verfahrenstyp, sondern hat sich ursprünglich aus den Rechtsinstituten des Vorbescheids und der Teilgenehmigung ergeben. 173 Daneben existieren noch weitere Verfahren, die ebenfalls als "mehrstufig" bezeichnet werden. Es ist eine Frage der Terminologie, ob nicht jedes Verfahren, das nicht ganz einfach strukturiert ist und daher in unterscheidbaren Abschnitten verläuft, als mehrstufig bezeichnet werden kann. Hieraus ergibt sich, daß der Begriff des "mehrstufigen Verfahrens" keine spezifischen Eigenarten hat, sondern vielmehr je nach seinen Eigenarten beurteilt werden muß. 174 Eine ausgereifte Dogmatik für gestufte Verwaltungsverfahren fehlt bisher noch. 175 Es bleibt daher festzuhalten, daß sich ein Verfahren nicht einfach als mehrstufiges Verfahren einordnen läßt und hieraus eine gewisse Bindungswirkung zu schließen ist. 176 Vielmehr folgt umgekehrt aus der Bindungswirkung einer Tei1entscheidung für die nachfolgenden Entscheidungen die Charakterisierung als mehrstufiges Verfahren. l77 Genau diese Bindungswirkung stand für die luftverkehrsrechtlichen Genehmigung gerade in Frage. Hieraus ergab sich zwangsläufig, daß auch die Frage der Mehrstufigkeit umstritten sein mußte. 178 weise daher den für einen Verwaltungsakt notwendigen Regelungsgehalt auf trotz fehlender Verbindlichkeit für die Planfeststellung, vgl: Salis, Gestufte Verwaltungs verfahren, S. 210 f. 172 Giemulla/Schmid, LuftVG, § 6, Rn. 75 ff. l73 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19, Rn. 7a. 174 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19, Rn. 7a. 175 Harbeck, ZLW 1983, S. 209 (223); Ossenbühl, DVBI. 1981, S. 857 (864); a.A. Giemulla/ Schmid, LuftVG, § 6, Rn. 77, wo von allgemein für mehrstufige Planungsverfahren anerkannten Grundsätzen der stufenweisen Konkretisierung und der hieraus folgenden Bindung für nachfolgende Entscheidungen die Rede ist; von einer derartigen Bindungswirkung gehen ebenfalls aus: Ronellenfitsch, DVBI. 1984, S. 501 (508); Wahl, DÖV 1975, S. 373 (376 ff.); nach anderer Ansicht kann auch im gestuften Verwaltungsverfahren eine Mehrfachprüfung durchaus möglich und geboten sein, so daß die Teilentscheidungen nur eine sehr eingeschränkte Verbindlichkeit aufweisen, vgl. Hartmann, Genehmigung und Planfeststellung, S. 184 f.; SaUs, Gestufte Verwaltungsverfahren, S. 194. 176 Giemulla/Schmid, LuftVG, § 6, Rn. 77. m Ronellenfitsch, DVBI. 1984, S. 501 (508); anders wäre dies, wenn die Genehmigung als Vorbescheid oder Teilgenehmigung zu qualifizieren wäre, was nicht der Fall ist, vgl. Hartmann, Genehmigung und Planfeststellung, S. 186. 178 Ronellenfitsch, VerwArchiv 80 (1989), S. 92 (115), vertritt aufgrund der Unverbindlichkeit der Genehmigung gegenüber der Planfeststellung folgerichtig, daß das luftrechtliche Verfahren kein mehrstufiges Verfahren darstellt; Hartmann, Genehmigung und PIanfeststellung, S. 188, ist der Ansicht, daß das luftverkehrsrechtliche Verfahren als mehrstufiges Verfahren eigener Art anzusehen ist; Badura, BayVBI. 1976, S. 515 (518) bezeichnet es als unechtes mehrstufiges Verfahren; das BVerwG, z. B. Urt. 22. 03. 1974 - ZLW 1974, S. 277 (280,283), sieht die Genehmigung zwar als unverbindlich an, spricht aber dennoch von einer verfahrensmäßigen "Verzahnung von Genehmigung und Planfeststellung innerhalb eines insoweit mehrstufigen Verwaltungsverfahrens".
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Im Ergebnis war eine rechtliche Bindungswirkung der Genehmigung gegenüber der nachfolgenden Planfeststellung wohl zumindest zweifelhaft. Aufgrund der intensiven Vorprüfung und der Höhe der Investitionen hatte die Genehmigung allerdings faktische Vorwirkungen für die nachfolgende Planfeststellung. 179 Selbst das Bundesverwaltungsgericht hat mehrfach auf das Gewicht hingewiesen, das der Genehmigung als planerischer Vorentscheidung jedenfalls faktisch zukomme. 18o Gerade auch im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG war daher eine eindeutige gesetzliche Festlegung des Verhältnisses von Genehmigung und Planfeststellung notwendig. 181 Die Änderungen des Luftverkehrsgesetzes 1993 haben eine solche Klärung herbeigeführt. b) Neue Rechtslage 1993
Durch das Gesetz zur Vereinfachung der Planungsverfahren für Verkehrswege vom 17. 12. 1993 182 wurden auch Bestimmungen im Luftverkehrsgesetz geändert. Nach dem Gesetzeswortlaut des § 8 Abs. 6 LuftVG n.F. ist ein Planfeststellungsbeschluß nunmehr unabhängig davon wirksam, ob eine Genehmigung überhaupt vorliegt, ob diese wirksam ist oder ob sie das Vorhaben inhaltlich abdeckt. 183 Durch diese Gesetzesänderung wird verdeutlicht, daß die Planfeststellung im Mittelpunkt des luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfahrens steht. Dennoch ist auch durch § 8 Abs. 4 LuftVG kein reines ein stufiges Verfahren eröffnet worden. 184 Der Flugplatzbetreiber darf auch weiterhin ohne Genehmigung von der Planfeststellung keinen Gebrauch machen. 185 Dies läßt sich bereits daraus schließen, daß der § 6 LuftVG unverändert geblieben ist. 186 Der Behörde steht aber die Wahl zu, die Genehmigung erst nach dem Ergebnis des Planfeststellungsverfahrens zu erteilen. 187 Ebenso kann jedoch am bisherigen Verfahrensablauf festgehalten werden. 188 Dies ergibt sich insbesondere daraus, daß auch § 6 Abs. 4 S. I LuftVG 179 Schmidt-Aßmann, DVBI. 1981, S. 334 (338); Ronellenfitsch, DVBI. 1984, S. 501 (508), der allerdings darauf hinweist, daß die faktischen Vorwirkungen der Genehmigung nicht zu einer Verdoppelung des Rechtsschutzes zu Lasten des betroffenen Unternehmers führen dürfen; eine ausführliche Darstellung der faktischen Auswirkungen findet sich bei BäumleT; DÖV 1981, S. 43 (45 f.); a.A. Harbeck, ZLW 1983, S. 209 (211 f.). 180 BVerwG, Urt. vom 11. 12. 1978 - ZLW 1979, S. 245 (255); BVerwG, Urt. vom 08.03. 1983 - ZLW 1983, S. 276 (277). 181 Hennann, Fluglärm, S. 231. 182 BGBI. 1993 I, S. 2123. 183 Vgl. Gesetzesmaterielien in BR-Drs. 756/92, S. 58. 184 ßYsk, ZLW 1998, S. 456 (458). 185 Hennann, Fluglärm, S. 236; ßYsk, ZLW 1998, S. 456 (458). 186 Bidinger; Planung und Nutzung, S. 32. 187 Hennann, Fluglärm, S. 236. 188 HofmannlGrabherr; LuftVG, § 6, Rn. 13; ßYsk, ZLW 1998, S. 456 (458 f.), der zutreffend darauf hinweist, daß sich durch eine nachgeschaItete Genehmigung praktische Verfah-
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2. Teil: Schutz vor Fluglänn
unverändert geblieben ist. Diese Vorschrift geht gerade von der Konstellation aus, daß die Genehmigung vor der Planfeststellung erteilt wurde. 189 Diese zeitliche Reihenfolge bietet sich insbesondere für den Flughafenbetreiber an. Indem er nämlich vorab eine Genehmigung beantragt, kann kann er durch eine weniger aufwendige Vorprüfung erfahren, ob sein Vorhaben Chancen auf Zulassung hat. Im Ergebnis wurde durch die Neuregelung die bisher als zwingend angesehene Reihenfolge von Genehmigung und Planfeststellung aufgehoben. 19o Die gesetzgeberische KlarsteIlung, daß die luftrechtliche Genehmigung nicht Voraussetzung für die Planfeststellung ist, kann zur Lösung des bisher umstrittenen Problems der Bindungswirkung der luftrechtlichen Genehmigung im Verhältnis zur nachfolgenden Planfeststellung beitragen. Eine klare Konzeption zur Festlegung und Abgrenzung der Regelungsgehalte von luftrechtlicher Genehmigung und Planfeststellung / Plangenehmigung wurde zwar wieder nicht geschaffen. l9l Dennoch wird mit der ausdrücklichen Feststellung des Gesetzgebers, daß die Genehmigung nicht Voraussetzung für die Planfeststellung ist, klargestellt, daß die in der Genehmigung getroffenen Entscheidungen für die Planfeststellung nicht mehr als bindend angesehen werden können. Denn wenn das Planfeststellungsverfahren vor der Genehmigung eingeleitet wird, entfällt zwangläufig die Möglichkeit für die Genehmigungsbehörde, verbindliche Vorgaben zu machen. 192 Nichts anderes kann gelten, wenn dennoch der alte Verfahrensablauf eingehalten wird und die Genehmigung vor der Planfeststellung beantragt wird. Dies ist dadurch begründet, daß es nicht vom Willen des antragstellenden Flughafenbetreibers abhängen kann, wie weit die Befugnisse der Genehmigungsbehörde reichen. Stellt er den Genehmigungsantrag vor der Planfeststellung, so könnte die Genehmigungsbehörde der Planfeststellungsbehörde eine rechtlich bindende Vorentscheidung aufzwingen. Wäre dies nicht der Fall, so hätte die Genehmigungsbehörde diese Möglichkeit nicht mehr und der Entscheidungsspielraum der Planfeststellungsbehörde wäre erheblich erweitert. Eine derartige Willkür kann nicht zulässig sein. 193 rensprobleme ergeben: Wird die Genehmigung erst nach dem Planfeststellungsbeschluß erlassen, so kann sich die Behörde nicht die vorbereitende Funktion des Genehmigungsverfahrens zunutze machen, sondern muß das vorhabenbezogene Prüfprogramm des Genehmigungsverfahrens vollständig in das Planfeststellungsverfahren integrieren und dort planerisch bewältigen. 189 Bidinger, Planung und Nutzung, S. 34. 190 HojmannlGrabherr, LuftVG, § 6, Rn. 13; Ronellenfitsch, DVBl. 1994, S. 441 (447); a.A. Giemullal Schmid, LuftVG, § 8 Rn. 5, wonach es bei der ursprünglichen Reihenfolge bleiben solle. Dies ergebe sich aus § 6 Abs. 4 S. 1 LuftVG, wonach die Genehmigung entsprechend des Ergebnisses des Planfeststellungsverfahrens zu ergänzen oder zu ändern ist. Unabhängig davon ergebe sich die Reihenfolge aus dem Charakter des in Stufen fortschreitender Konkretisierung ablaufenden luftrechtlichen Zulassungsverfahrens, bei dem die Planfeststellung auf der vorbereitenden Gnehmigung aufbaut. 191 Bidinger, Planung und Nutzung, S. 33. 192 Bidinger, Planung und Nutzung, S. 35. 193 Bidinger, Planung und Nutzung, S. 35.
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Die Genehmigung entfaltet daher grundsätzlich keinerlei Bindungswirkung gegenüber der Planfeststellung. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Genehmigung dem Planfeststellungsverfahren vorangeht oder nachfolgt. 194 Die Änderungen im LuftVG können daher als weitgehende Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung gewertet werden. 195 Durch die Neuregelung des § 8 Abs. 6 LuftVG wird klargestellt, daß die Grundsätze der stufenweisen Konkretisierung und der daraus folgenden Bindung an das vorausgehende Konkretisierungsergebnis nicht gelten können. Danach ist das Verhältnis von luftrechtlicher Genehmigung und Planfeststellung gerade nicht als mehrstufiges Verfahren im Sinne einer abgestuften Problembewältigung zu verstehen. 196 Der Regelungsgehalt der Genehmigung beschränkt sich bei nachfolgendem Planfeststellungsverfahren vielmehr darauf, den Gegenstand des Unternehmens zu bestimmen und gleichzeitig planungsrechtlich zu entscheiden, daß die in § 6 LuftVG aufgezählten Gesichtspunkte es nicht gebieten, die Planung bereits bei diesem Verfahrensstand einzustellen. 197 Eine weitergehende rechtliche Bindungswirkung entfaltet die Genehmigung nicht im Hinblick auf die nachfolgende Planfeststellung. 198 Insbesondere der teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung, daß nur die Genehmigung den Betrieb regeln dürfe, wurde durch die Neuregelung die Grundlage entzogen. § 8 Abs. 4 LuftVG stellt nunmehr ausdrücklich klar, daß Regelungen hinsichtlich des Betriebes auch in der Planfeststellung getroffen werden können. c) Alternativvorschlag
Wie oben bereits dargestellt, läßt die Neuregelung des § 8 Abs. 6 LuftVG zwar darauf schließen, daß die Genehmigung gegenüber der Planfeststellung als sachlich untergeordnet anzusehen ist. Dennoch ist eine klare eindeutige Regelung nicht erfolgt. Hinsichtlich einer Neuregelung werden in der Literatur verschiedene Vorschläge gemacht.
194 Bidinger, Planung und Nutzung, S. 35; Hermann, Fluglärm, S. 237, stellt zwar auch fest, daß die Vertreter einer Verbindlichkeit der Genehmigung für die Planfeststellung an Boden verloren haben, doch geht er davon aus, daß das Problem der Verbindlichkeit sich dann noch stellt, wenn die Genehmigung dem Planfeststellungsverfahren vorgeht; ähnlich Delbanco, Änderung, S. 167 ff. 195 Bidinger, Planung und Nutzung, S. 34 f. 196 Steinberg / Berg /Wickel, Fachplanung, § 7, Rn. 11. 197 ß»sk, ZLW 2001, S. 173 (176), vertritt dazu, daß die Genehmigung die alleinverbindliche Entscheidung über das Vorliegen der subjektiven, das heißt die in der Person des Flughafenbetreibers liegenden Voraussetzungen der Zulassung trifft. 198 Vgl. Koch, NVwZ 2000, S. 490 (498), der von einer sachlich untergeordneten Genehmigung spricht; ß»sk, ZLW 2001, S. 173 (176 f.), der allerdings auf das faktische Gewicht der Genehmigungsentscheidung für die spätere Planfeststellungsentscheidung hinweist.
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Einer Ansicht nach sollte das Genehmigungsverfahren als förmliches Verwaltungsverfahren mit Bürgerbeteiligung ausgestaltet werden. 199 Nach anderer Auffassung sollte man die luftverkehrsrechtliche Planung als "echtes" gestuftes Verfahren ausgestalten. Hierfür wäre es ausreichend, die Reihenfolge zwischen Genehmigung und Planfeststellung umzudrehen und die Planfeststellung als Standortplanfeststellungsverfahren auszugestalten. 200 Weiterhin wird vorgeschlagen, klar zwischen planerischer Entscheidung und Untemehmergenehmigung zu trennen. Im Falle der isolierten Genehmigung hätte dies zur Folge, daß für den planerischen Teil der Genehmigung ähnlich wie im Eisenbahnrecht auf die Plangenehmigung verwiesen würde. Für eine Genehmigung mit nachfolgender Planfeststellung hieße dies, daß hinsichtlich der planerischen Elemente auf die Planfeststellung verwiesen würde. 201 Nach anderer Ansicht wiederum sollte die Genehmigung einfach gänzlich abgeschafft werden und für die Flughafenzulassung lediglich ein Planfeststellungsbeschluß notwendig sein. 202 Es erscheint in der Tat fragwürdig, warum gerade für die Zulassung von Flugplätzen zwei Erlaubnistatbestände nebeneinander erforderlich sind. 203 Gegen die gänzliche Abschaffung der Genehmigung könnte allerdings sprechen, daß dem Vorhabenträger der gebundene Anspruch auf Erteilung der Genehmigung entzogen werden würde, der ihm gleichzeitig Investitionssicherheit gewährleistet. 204 Weiterhin könnte gegen die Abschaffung der Genehmigung angeführt werden, daß sie einen geringeren Prüfungsumfang hat und daher das Erteilungsverfahren im Gegensatz zu der langwierigen Planfeststellung relativ kurz iSt. 205 Zudem ist ihre Rechtsmittelanfälligkeit und Fehlersensibilität verglichen mit der des Planfeststellungsverfahrens geringer.2°6 Im übrigen kann der Genehmigung nicht die mangelnde dogmatische Durchdringung vorgeworfen werden, die beim Planfeststellungsverfahren bemängelt wird. 207 Allerdings ist zu berücksichtigen, daß neben der Genehmigung stets zusätzlich ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden muß, das die eben beschriebeSo wohl Scheuing, VVDStRL 40 (1982), S. 153 (176). Ronellenfitsch, DVBI. 1984, S. 501 (509). 201 Kühling/Herrmann, Fachplanungsrecht, Rn. 548; "'Ysk, ZLW 2001, S. 173 (184, 186), der vorschlägt, die Genehmigung als reine Untemehmergenehmigung zu verstehen, die insbesondere über die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen bindend entscheidet. 202 Hermann, Fluglänn, S. 235. 203 Zu den grundsätzlichen Unterschieden zwischen Genehmigung und Planfeststellung, vgl. Wahl, DVBI. 1982, S. 51 (52 ff.). In der Rechtswirklichkeit bewegen sich die beiden Zulassungsfonnen allerdings aufeinander zu, vgl. Steinberg/Berg/Wickel, Fachplanung, § I, Rn. 4. 204 Steinberg/Berg/Wickel, Fachplanung, § 1, Rn. 16. 205 Steinberg/Berg/Wickel, Fachplanung, § 1, Rn. 14; "'Ysk, ZLW 2001, S. 173 (180). 206 Breuer, in: FS für Sendler, S. 375 (357 ff.). 207 Broch, Zulassung von Abfallbeseitigungsanlagen, S. 174 ff.; Vallendar, UPR 1998, S. 81 (81). 199
200
D. Luftverkehrsrechtliche Genehmigung gern. § 6 LuftVG
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nen Nachteile aufweist. Insbesondere muß der Vorhabenträger trotz eventuell bereits vorliegender Genehmigung den Ausgang des Planfeststellungsverfahrens abwarten, bis er die Genehmigung auch nutzen kann. 208 Die Vorteile der Genehmigung werden daher ohnehin durch die Nachteile der nachfolgenden Planfeststellung wieder "kompensiert". Im Ergebnis könnte daher erwogen werden, die luftverkehrsrechtliche Genehmigung neben der Planfeststellung abzuschaffen und lediglich die isolierte Genehmigung vorzusehen.
2. Praktische Relevanz des Streits In der Praxis kommt dem Streit um das Verhältnis von Genehmigung und Planfeststellung keine große Bedeutung (mehr) zu. Dies ergibt sich daraus, daß die Anlegung eines neuen Verkehrsflughafens in der Bundesrepublik mittlerweile einen seltenen Ausnahmefall darstellen dürfte. 209 Nur in dem Fall der Neuanlegung eines Verkehrsflughafens stellt sich jedoch das Problem des Nebeneinanders von Genehmigung und Planfeststellung, für das die Regelung des § 8 Abs. 6 LuftVG einschlägig ist. 210 Für die praktisch viel bedeutsameren Änderungen bereits bestehender Verkehrsflughäfen muß hingegen stets nur ein einstufiges Verfahren durchgeführt werden, so daß sich die Frage nach dem Verhältnis von Genehmigung und Planfeststellung erst gar nicht stellt. 211 Die Einstufigkeit des Verfahrens läßt sich dadurch erklären, daß bei planfeststellungsbedürftigen Änderungen der Anlage bestehender Verkehrsflughäfen ausschließlich eine Änderungsplanfeststellung erforderlich ist, während bei wesentlichen Änderungen des Betriebs ausschließlich eine Änderungsgenehmigung notwendig ist, § 8 Abs. 4 S. 2 LuftVG. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, daß das Verhältnis von Genehmigung und Planfeststellung nicht mehr sonderlich relevant ist, da die Durchführung eines "mehrstufigen" Verfahrens für einen Verkehrsflughafen in der Praxis nur noch äußerst selten vorkommen wird. Daher erscheint eine gesetzliche Novellierung zugunsten eines einstufigen Verfahrens wegen mangelnder praktischer Relevanz nicht zwingend notwendig. 212
3. Rechtsschutz gegen die Genehmigung Für den Rechtsschutz gegen die luftverkehrsrechtliche Genehmigung sind zwei Fälle zu unterscheiden. Ist nur eine isolierte Genehmigung erforderlich, so ist 208 Hierdurch ist auch die Investitionssicherheit in Frage gestellt, da das Bestehen der Genehmigung mit der Planfeststellung "steht oder fällt". 209 Delbanco, Änderung, S. 29; "-»sk, ZLW 2001, S. 173 (184). 210 HofmannlGrabherr, LuftVG, § 8 Rn. 13; Ronellenfitsch, DVBI. 1994, S. 441 (447). 2ll Delbanco, Änderung, S. 29; "-»sk, ZLW 1998, S. 428 (459). 212 "-»sk, ZLW 2001, S. 173 (183).
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2. Teil: Schutz vor Fluglänn
gegen diese allein Rechtsschutz einzulegen?13 Ist hingegen ausnahmsweise die Erteilung sowohl einer Genehmigung als auch einer Planfeststellung notwendig, so hat die Neuregelung des § 8 Abs. 6 LuftVG klargestellt, daß Rechtsschutz ausschließlich gegen die Planfeststellung einzulegen ist. Nur diese entfaltet rechtliche Bindungswirkung für die Betroffenen. Durch die Neuregelung wird also eine Konzentration des Rechtsschutzes normiert und das Genehmigungsverfahren zeitaufwendigen Streitverfahren entzogen. 214
IV. Zwischenergebnis Die luftverkehrsrechtlichen Genehmigung weist eine Doppelnatur auf, indem sie sowohl gefahrenabwehrrechtliche Elemente als auch planerische Elemente enthält. Lärmschutzbelange finden unter beiden Aspekten Berücksichtigung, wobei allerdings der gefahrenabwehrrechtlichen Regelung des § 6 Abs. 2 S. 3 LuftVG praktisch keine Relevanz zukommen dürfte, da § 6 Abs. 2 S. 1 LuftVG bereits parallel zu § 9 Abs. 2 LuftVG - vor unzumutbaren Lärmbelästigungen unterhalb der Gefahrenschwelle schützt und auf diese Weise einen weitergehenden Schutz gewährt. Lärmbelastungen unterhalb dieser Zumutbarkeitsschwelle finden in der Abwägung Berücksichtigung. Im Rahmen der Genehmigung wird demnach dasselbe Lärmschutzniveau gewährleistet wie in der Planfeststellung. In der Praxis ist die luftverkehrsrechtliche Genehmigung - sofern sie nicht als isolierte Genehmigung auftritt - vor allem für den Fall der wesentlichen Betriebsänderung von Bedeutung. Da in diesem Fall eine zusätzliche Planfeststellung gern. § 8 Abs. 4 S. 2 LuftVG nicht erforderlich ist, stellt sich das Problem des umstrittenen Verhältnisses der Genehmigung zur Planfeststellung nicht.
E. Plangenehmigung gern. § 8 Abs. 2 LuftVG Das Institut der Plangenehmigung wurde durch das Planungsvereinfachungsgesetz 215 in das LuftVG durch § 8 Abs. 2 eingefügt. Die Plangenehmigung sollte oftmals langwierige Planfeststellungsverfahren in bestimmten Fällen durch ein weniger aufwendiges Verfahren ersetzen. Die Plangenehmigung steht somit rechtssystematisch zwischen der förmlichen Planfeststellung gern. §§ 8 ff. LuftVG und der Entscheidung, von einem öffentlich-rechtlichen Zulassungsverfahren nach § 8 Abs. 3 LuftVG abzusehen, einem sogenannten Negativzeugnis?16 Vgl. ausführlich Giemulla/Schmid, LuftVG, § 6, Rn. 93 ff. wysk, ZLW 1998, S. 456 (459). 215 BGBl. 11993, S. 2123. 216 Hojrrw.nn/Grabherr, LuftVG, § 8, Rn. 40. 213
214
F. Planfeststellung gern. § 8 Abs. 1 LuftVG
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Gern. § 8 Abs. 2 LuftVG kann an Stelle eines Planfeststellungsbeschlußes eine Plangenehmigung erteilt werden, wenn Rechte anderer nicht beeinträchtigt werden oder die Betroffenen sich mit der Beinträchtigung einverstanden erklärt haben?17 Unter die Beeinträchtigung Rechte Dritter fallen insbesondere das Eigentum, aber auch das Recht, von Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit durch Immissionen verschont zu bleiben. Zu beachten ist aber, daß die Beeinflussung oder Berührung Rechte anderer einer Plangenehmigung grundsätzlich nicht entgegenstehen. Die Beeinträchtigung ist im Vergleich hierzu als ein "mehr" anzusehen. Eine Beeinträchtigung liegt somit nur dann vor, wenn Eigentum oder eigentumsgleiche Rechte entzogen werden bzw. aufgrund von Emissionen des Vorhabens Schutzauflagen im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG anzuordnen sind. Fluglärm, der unterhalb dieser Schwelle liegt und somit lediglich abwägungserheblich ist, stellt keine Beeinträchtigung dar. 218 Die Feststellung, ob Rechte Dritter beeinträchtigt werden, trifft grundsätzlich die Planfeststellungsbehörde. Ansonsten werden auf die Plangenehmigung die allgemeinen Grundsätze des Fachplanungsrechts angewendet. Im Rahmen der Plangenehrnigung findet daher auch eine Abwägung statt. Insbesondere hat die Plangenehmigung die Rechtswirkung einer Planfestfeststellung nach § 9 Abs. 1 LuftVG. Was das Verfahren anbelangt, finden die Vorschriften über das Planfeststellungsverfahren jedoch gern. § 8 Abs. 2 S. 2 LuftVG keine Anwendung. Dieses richtet sich vielmehr nach dem allgemeinen Vorschriften der (Landes)verwaltungsverfahrensgesetze.
F. Planfeststellung gern. § 8 Abs. 1 LuftVG Der Schwerpunkt des luftverkehrsrechtlichen Zulassungsrechts für Verkehrsflughäfen liegt im Planfeststellungsverfahren. Ein Planfeststellungsverfahren ist gern. § 8 Abs. I LuftVG durchzuführen für Flughäfen und Landeplätze mit beschränktem Bauschutzbereich. Eine Ausnahme hierzu bildet die Anlegung und Änderung militärischer Flugplätze. Hier entfällt das Planfeststellungsverfahren gern. § 30 Abs. 1 S. 2 LuftVG vollständig. Für Flugplätze des Bundesgrenzschutzes und der Polizei ist allerdings grundsätzlich die Durchführung eines Genehmigungs- und eventuell eines Planfeststellungsverfahrens erforderlich. 219 Eine Ausnahme ist aber dann zu machen, wenn dies zur Erfüllung der besonderen Aufgaben des Bundesgrenzschutzes und der Polizei unter Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich ist. 217 Zudem muß mit den Trägem öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich berührt wird, das Benehmen hergestellt worden sein. 218 HofmannlGrabherr; LuftVG, § 8, Rn. 44. 219 HofmannlGrabherr; LuftVG, § 6, Rn. 8; a.A. KühlinglHerrmann, Fachplanungsrecht, Rn. 374.
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2. Teil: Schutz vor Fluglärm
I. Gegenstand der Planfeststellung Gegenstand der Planfeststellung ist die Anlage und die Änderung der Anlage von Flughäfen, § 8 Abs. I LuftVG. Der Begriff der Anlage ist weder im Luftverkehrsgesetz noch in der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung definiert, so daß er durch Auslegung zu ermitteln ist. Danach gehören zur Anlage eines Flughafens im wesentlichen alle Flächen, die für die Benutzung der Luftfahrzeuge vorgesehen sind, sowie alle mit diesen Flächen in räumlichem Zusammenhang stehenden Einrichtungen. 22o Für die Änderung der Anlage von Flughäfen gilt, daß sie nur dann planfeststellungspflichtig ist, wenn sie von wesentlicher Bedeutung ist, § 8 Abs. 3 LuftVG. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn die in der Planfeststellung zu beachtenden Belange in rechtserheblicher Weise berührt werden. 221 Die Änderung muß so gravierend sein, daß sie ein den Charakter des Unternehmens kennzeichnenden Bereich zumindest teilweise erheblich umgestaltet, so daß der Flughafen durch die neu zu schaffenden Anlagen "sein Gesicht ändert".222 Umstritten war lange, ob zum Gegenstand der Planfeststellung ebenfalls Nutzungs- oder Betriebsregelungen gehörten oder ob sich die Planfeststellung dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 S. 1 LuftVG gemäß ("Flughäfen dürfen nur angelegt. .. ") auf die Anlage und Erweiterung eines Flughafens beschränken sollte. Da Betriebsregelungen unstreitig bereits zum Gegenstand der vorherigen Genehmigung gehörten, bejahte ein Teil der Literatur eine Sperrwirkung der Genehmigung für Betriebsregelungen in der Planfeststellung. 223 Nach anderer Ansicht waren auch in der Planfeststellung Betriebsregelungen zulässig. Die Genehmigung mußte dann dem Planfeststellungsbeschluß angepaßt werden. 224 Dem folgte auch die Rechtsprechung. 225 Mittlerweile ist diesem Streit durch die Neufassung des § 8 Abs. 4 LuftVG die Grundlage entzogen worden. Gern. § 8 Abs. 4 LuftVG können nun auch betriebliche Regelungen Gegenstand der Planfeststellung sein?26 Für wesent-
220 HojmannlGrabherr, LuftVG, § 8, Rn. 23. Planfeststellungsfähig sind weiterhin solche Einrichtungen, die üblicherweise auf einem Flughafen vorhanden sind, wie beispielsweise ein Flughafenhotel oder eine Airportcenter, vgl. für Hochbauten § 8 Abs. 4 S. 1 LuftVG. 221 BVerwG, Urt. vom 20. 06. 1979 - ZLW 1980, S. 69 (73); GiemulialSchmid, LuftVG, § 8, Rn. 25. 222 HofmannlGrabherr, LuftVG, § 8, Rn. 32. 223 Bäumler, DÖV 1981, S. 43 (46). 224 Badura, in: FS für Lukes, S. 3 (21); Geiger, NuR 1982, S. 127 (133); Harbeck, ZLW 1983, S. 209 (220); Renziehausen, Lärmschutz, S. 194. 225 BVerwG, Urt. vom 27.10.1998 - BVerwGE 107, S. 313 (323), wonach sich die Zulässigkeit von Betriebsregelungen in der Planfeststellung bereits vor der Neuregelung des § 8 Abs. 4 LuftVG aus dem umfassenden Problembewältigungsgebot in der planerischen Abwägung ergeben hat; BVerwG, Urt. vom 29.01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (348) - ZLW 1991, S. 428 ( 437). 226 Für die betrieblichen Regelungen ist im wesentlichen auf die Ausführungen zur Genehmigung zu verweisen, vgl. Zweiter Teil, D., I., 1.
F. Planfeststellung gern. § 8 Abs. 1 LuftVG
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liehe Änderungen des Betriebs ist allerdings keine Planfeststellung, sondern ausschließlich eine Genehmigung erforderlich, § 8 Abs. 4 S. 2 LuftVG.
11. Planerische Gestaltungsfreiheit In materiell-rechtlicher Hinsicht sind Planfeststellungsbeschlüsse in den letzten Jahrzehnten immer differenzierteren Beurteilungen unterworfen worden. Zentraler Punkt der rechtlichen Beurteilung ist der Begriff der rechtlich gebundenen planerischen Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde. 227 Den Begriff der rechtlich insbesondere durch das Abwägungsgebot gebundenen planerischen Gestaltungsfreiheit hat das Bundesverwaltungsgericht im Anschluß an seine Rechtsprechung zur Bauleitplanung für das Planfeststellungsrecht entwickelt und nahezu auf alle Fachplanungsgebiete übertragen. 228 Die Planfeststellungsbehörde besitzt danach eine eigenverantwortliche und umfassende planerische Freiheit für die Einfügung der planfestzustellenden Anlagen in die Umwelt und ihre technische Ausgestaltung, die eine Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses unter allen technischen und planerischen Aspekten und Alternativen nicht zuläßt. 229 Die planerische Gestaltungsfreiheit ergibt sich grundsätzlich auch ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung aus der Planungsbefugnis der zuständigen Behörde?30 Sie erstreckt sich ihrem Gegenstand nach in umfassender Weise auf alle planerischen Gesichtspunkte, die zur möglichst optimalen Verwirklichung der gesetzlich vorgegebenen Planungsaufgabe, aber auch zur Bewältigung der von dem Planvorhaben in seiner räumlichen Umgebung erst aufgeworfenen Probleme von Bedeutung sind. Dennoch bedeutet planerische Gestaltungsfreiheit nicht die Übertragung einer schrankenlosen Planungsbefugnis. Dem Wesen rechtsstaatlicher Planung entspricht es vielmehr, daß auch die Planfeststellungsbehörde ihren planerischen Gestaltungsspielraum nicht schrankenlos ausschöpfen kann, sondern vielmehr gewissen rechtlichen Bindungen unterworfen ist. Diese Bindungen ergeben sich teilweise aus den Fachgesetzen (hier also dem LuftVG), teilweise aus allgemeinen rechts staatlichen Grundsätzen. 231 So unterliegt die luftverkehrsrechtliche Planung rechtlichen Schranken sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht. Formelle Schranken folgen aus der Bindung an die Verfahrensvorschriften. Materielle Schranken ergeben sich aus den übergreifenden Grundsätzen, die für das Fachplanungsrecht allgemein aufgestellt wurden. Die Planfeststellungsbehörde ist danach gebunden durch die Planrechtfertigung, die gesetzlichen Planungsleitsätze und das Abwägungsgebot. 232 Bei diesen Bindungen handelt es sich um voneinander abgrenzbare 227 228
229 230 231 232
Vgl. dazu eingehend Hoppe/ Just, DVBl. 1997, S. 789 (789 ff.). BVerwG, Grundsatzurteil vom 14.02. 1975 - BVerwG 48, S. 56 (63 f.) . Dürr; in: Knack, VwVfG, § 74, Rn. 74. BVerwG, Urt. vom 07.07. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (116). BVerwG, Urt. vom 07. 07.1778 -BVerwGE 56, S. 110 (116 f.). BVerwG, Urt.vom 07.07.1978 - BVerwGE 56, S. 110 (117).
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2. Teil: Schutz vor Fluglänn
Kriterien, von denen die ersten zwei strikte faktische und rechtliche, gerichtlich voll überprüfbare Bindungen der planerischen Tätigkeit darstellen, während das Abwägungsgebot den eigentlichen planerischen Gestaltungsspielraum eröffnet.
111. Lärmschutz in der Planfeststellung Der Schutz vor Fluglärm ist für die Planungsentscheidung in der Praxis von großer Bedeutung. Rechtlich gesehen findet er unter verschiedenen Aspekten Berücksichtigung. 1. Planrechtfertigung
Die erste relativ grobe Stufe der Rechtsbindung im Rahmen einer planerischen Entscheidung ist die Planrechtfertigung. 233 Das Erfordernis der Planrechtfertigung ergibt sich aus der Erwägung, "daß eine hoheitliche Planung ihre Rechtfertigung nicht etwa schon in sich selbst trägt, sondern im Hinblick auf die von ihr ausgehenden Einwirkungen auf Rechte Dritter für die jeweils konkrete Planungsmaßnahme rechtfertigungsbedürftig ist. ,,234 Eine Planung ist nur dann gerechtfertigt, wenn für das beabsichtigte Vorhaben nach Maßgabe der vom jeweiligen Fachplanungsrecht verfolgten Ziele ein Bedürfnis besteht, die Planung unter diesem Blickwinkel also objektiv erforderlich ist. 235 "Erforderlich ist sie dabei nicht erst bei Unausweichlichkeit, sondern wenn sie vernünftigerweise geboten ist.,,236 Dieses Erfordernis gilt allerdings nur für Planungen, die im öffentlichen Interesse stehen. Etwas anderes muß für die Planrechtfertigung sogenannter "privatnütziger Vorhaben" gelten. "Privatnützige" Vorhaben dienen alleine den (wirtschaftlichen) Interessen eines Privaten und weisen keinen Bezug zum Gemeinwohl auf. 237 Es ergibt sich bereits aus der Natur derartiger Vorhaben, daß ein "Bedarf" im Hinblick auf das Wohl der Allgemeinheit nicht vorliegt. 238 Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts Vgl. BVerwG, Urt.vom 14. 02. 1975 - BVerwGE 48, S. 56 (60). BVerwG, Urt. vom 07.07.1978 - BVerwGE 56, S. 110 (118). 235 Dürr, in: Knack, VwVfG, § 74, Rn. 82; Jarass, DVBI. 1998, S. 1202 (1204). 236 BVerwG, Urt. vom 07.07. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (119). 237 Für die Privatnützigkeit kommt es also nicht darauf an, ob der Träger des Vorhabens eine Person des Privatrechts ist, sondern entscheidend ist der Zweck des Vorhabens: BVerwG, Urt. vom 07.07.1978 - BVerwGE 56, S. 110 (119); BVerwG, Urt. vom 07.11. 1996 - DVBI. 1997, S. 343. Allerdings gibt es nicht selten eine Gemengelage von privaten und öffentlichen Interessen, die eine eindeutige Zuordnung als privatnützig nicht zulassen, vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 74, Rn. 34. 238 Die Frage nach dem Bedarf kann in einem solchen Falle nicht sinnvoll gestellt werden, da das Vorhaben ja gerade privatnützig ist, vgl. Kühling / Hernnann, Fachplanungsrecht, Rn. 288. 233
234
F. Planfeststellung gern. § 8 Abs. 1 LuftVG
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können sie grundsätzlich Eingriffe in Rechte Dritter oder öffentliche Belange nicht rechtfertigen und sind daher zu versagen?39 Für die Planrechtfertigung ist es demnach von Bedeutung, ob ein gemeinnütziges oder ein privatnütziges Vorhaben vorliegt. Ob Flugplatzplanungen privatnützige Vorhaben sind, kann nicht einheitlich beantwortet werden, denn sie können ihrer Art nach sowohl dem Wohl der Allgemeinheit dienen als auch rein privatnützigen Charakter haben; sie stellen demnach "gemischt-nützige,,240 Vorhaben dar. Verkehrsflughäfen werden allerdings stets im öffentlichen Interesse betrieben, selbst wenn die Betreibergesellschaft eine Gesellschaft des Privatrechts ist, denn sie sollen gem. § 6 Abs. 3 LuftVG "dem allgemeinen Verkehr dienen" und erfüllen mit dieser Zweckbestimmung öffentliche Zwecke. 241 Allerdings ist mit der Qualifizierung eines Flughafens als Verkehrsflughafen noch nicht die Rechtfertigung einer luftverkehrsrechtlichen Planung im Sinne einer Erforderlichkeit verbunden. Diese muß gesondert festgestellt werden. 242 Hierfür ist eine genaue Betrachtung des vom Luftverkehrsgesetz verfolgten Ziels und des hierdurch ausgelösten Bedarfs notwendig. 243 Gesetzliches Ziel des Luftverkehrsgesetzes ist grundsätzlich die Förderung der Belange des Luftverkehrs, vor allem die Bewältigung eines prognostizierten Verkehrsbedarfs und die Gewährleistung der Sicherheit des Luftverkehrs. 244 Daneben kommen auch andere "gesetzliche" Ziele in Betracht, die im Rahmen des LuftVG zulässigerweise verfolgt werden können. Dies ergibt sich beispielsweise aus einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Flughafen München, in der die Planung des neuen Flughafens als Ersatz für einen vorhandenen durch Gründe des Immissionsschutzes gerechtfertigt wurde. 245 Auch Gründe der verbesserten Dienstleistung und der betrieblichen Optimierung reichen für die Planrechtfertigung aus. 246 Neben der Übereinstimmung mit diesen Planungszielen muß weiterhin ein Bedarf für das Vorhaben bestehen.247 Für die Bedarfsprüfung gibt es im LuftverBVerwG. Urt. vom 07. 07. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (119). Kühling / Hermumn. Fachplanungsrecht, Rn. 290 f.; Planfeststellungen enthalten im übrigen in fast allen Bereichen außer denen des Gewässerausbaus nach § 31 WHG auch 239 240
gemeinnützige Elemente, meist in "Gemengelage" mit privatnützigen Zielrichtungen, vgl. Dürr; in: Knack, VwVfG. § 74, Rn. 131; Kühling. in: FS für Sendler, S. 391 (395). 241 BVerwG. Urt. vom 07.07. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (119). 242 BVerwG. Urt. vom 07.07. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (119 f.). 243 BVerwG. Urt. vom 14. 02. 1975 - BVerwGE 48, S. 56 (60); Kühling/Hernnann. Fachplanungsrecht. Rn. 290. 244 BVerwG. Urt. vom 07. 07. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (119 f.); BVerwG. Vrt. vom 08.07.1998 - BVerwGE 107, S. 142 (145). 245 BVerwG. Urt. vom 05. 12. 1986 - BVerwGE 75, S. 214 (233) - ZLW 1987, S. 292 (294). Die Ersetzungsbedürftigkeit des Flughafens wird u. a. damit begründet, daß der Flugbetrieb des bestehenden Flughafens auf Dauer zu untragbaren Immissionsbelastungen führe. 246 OVG Hamburg. Vrt. vom 03. 09. 2001- 3 E 37/98, S. 53. 247 BVerwG. Vrt. vom 07. O. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (120); Dürr; in: Knack, VwVfG, § 74, Rn. 82 f. 6"
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2. Teil: Schutz vor Fluglärm
kehrsrecht (im Gegensatz zu der für Straßen- und Schienenwege) keine gesetzliche Festlegung, so daß diese im Rahmen der Planfeststellung vorgenommen werden muß und der gerichtlichen Kontrolle unterliegt?48 Soweit die Erforderlichkeit der Planung gerade auch vom künftigen Bedarf abhängig ist, muß dieser durch sorgfältige Prognosen und Analysen hinsichtlich des Verkehrsaufkommens und der seiner Bewältigung und Lenkung zugrunde liegenden Zielvorstellungen festgestellt werden. 249 Im Ergebnis kann festgehalten werden, daß die Planrechtfertigung lediglich ein erstes grobes Kriterium dafür darstellen kann, ob sich das Vorhaben überhaupt gegenüber den Grundrechten Betroffener durchzusetzen vermag oder ob es als von vornherein "unsinnig" anzusehen ist. 250 Die Frage, welche Belange hinter welchen Interessen zurücktreten müssen bzw. die Frage der Rechtmäßigkeit einer Enteignung kann abschließend erst im Rahmen der Abwägung geklärt werden. 251 Aufgrund dieser doch sehr eingeschränkten Funktion wird das Kriterium der Planrechtfertigung teilweise für vollständig entbehrlich gehalten?52
2. Zwingende Normen des materiellen Rechts
Jede Planfeststellung muß den speziellen Anforderungen des maßgeblichen Fachplanungsgesetzes und den materiell-rechtlichen Anforderungen der durch § 75 Abs. I VwVfG ersetzten Genehmigungen genügen?53 "Es gilt der schlichte Grundsatz, daß das gültige materielle Recht beachtlich ist".254 Für die hiernach beachtlichen zwingenden Rechtssätze hat sich in der Rechtsprechung die Bezeichnung des "Planungsleitsatzes" eingebürgert. 255 Unter Planungsleitsätzen sind demnach solche Vorschriften zu verstehen, die für die Planung strikte Beachtung verBVerwG, Urt. vom 14.04. 1997 - NVwZ 1997, S. 992. BVerwG, Urt. vom 07. 07. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (121); BVerwG, Urt. vom 06. 12. 1985 - BVerwGE 72, S. 282 (286); BVerwG, Urt. vom 05. 12. 1986 - BVerwGE 75, S. 214 (234) - ZLW 1987, S. 292 (294 f.); BVerwG, Urt. vom 08.07. 1998 - BVerwGE 107, S. 142 (146). 250 Kühling / Hernnann, Fachplanungsrecht, Rn. 273 . 251 Hieraus ergibt sich gleichzeitig, daß sich auch der Rechtsschutz gegen die Planrechtfertigung im wesentlichen auf das Abwägungsgebot bezieht, vgl. Kühling / Hernnann, Fachplanungsrecht, Rn. 630 ff. 252 Jarass, DVBI. 1998, S. 1202 (1205); Schmidt-Preuß, in: FS für Hoppe, S. 1071 (1083); Steinberg/Berg/Wickel, Fachplanung, § 3 Rn. 47; Wahl/Dreier, NVwZ 1999, S. 606 (613 f.), die allerdings richtig darauf hinweisen, daß der Gesetzgeber für den Fernstraßen- und Schienenwegebau mittlerweile Bedarfsgesetze erlassen hat und auf diese Weise die Planrechtfertigung bindend konkretisiert hat. 253 BVerwG, Urt. vom 22. 03. 1985-BVerwGE71,S. 163(165). 254 Kopp/ Ramsauer, VwVfG, § 74, Rn. 44. Dies ergibt sich bereits grundSätzlich aus Art. 20 Abs. 3 GG. 255 BVerwG, Urt. vom 22.03. 1985 - BVerwGE 71, S. 163 (164). 248
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langen und somit durch planerische Abwägung nicht überwunden werden können?56 Dieser Begriff des "Planungsleitsatzes" scheint von der heutigen Rechtsprechung jedoch wieder aufgegeben worden zu sein und ist durch den Begriff des "zwingenden Rechts" o.ä. ersetzt worden?57 Welche Normen als verbindlich anzusehen sind, bestimmt ihr spezifischer Regelungsgehalt. Dieser ist durch Auslegung zu ermitteln. 258 Für den Bereich der luftverkehrsrechtlichen Planung besteht eine Rechtsbindung hinsichtlich der zwingenden Vorschriften des Luftverkehrsgesetzes und der LuftVZO se1bst. 259 Neben den Vorschriften des Luftverkehrsrechts sind auch die des "sekundären" materiellen Rechts zu beachten. 26o Dies ergibt sich aus der sogenannten formellen Konzentrationswirkung eines Planfeststellungsbeschlußes gern. §§ 9 Abs. I S. 1 LuftVG,75 Abs. 1 S. 1 VwVfG. Durch die Planfeststellung soll eine umfassende Regelung aller von ihr berührten öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen getroffen werden, so daß neben ihr grundsätzlich keine anderen behördlichen Entscheidungen mehr erforderlich sind, § 75 Abs. I S. 1 HS.2 VwVfG. Diese Genehmigungskonzentration bedeutet aber lediglich einen verfahrensökonomischen Verzicht auf die Durchführung aller einschlägigen Genehmigungsverfahren. Nicht verzichtet wird auf die Prüfung sämtlicher materieller Genehmigungsvoraussetzungen der "verdrängten Zulassungen".261 Für den Schutz vor Fluglärm ergeben sich die wesentlichen materiellen Vorschriften aus dem LuftVG selbst. § 8 Abs. 1 LuftVG schreibt vor, daß die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit zu berücksichtigen sind. Geschriebene zwingende Planungsleitsätze enthält er jedoch ebensowenig wie § 10 LuftVG. Zwingendes materielles Recht könnten aber die Regelungen des § 9 Abs. 2 LuftVG, des § 6 LuftVG sowie die verfassungsrechtlichen Anforderungen stellen.
a) § 9 Abs. 2 LuftVG Einen zwingenden Planungsleitsatz könnte § 9 Abs. 2 LuftVG enthalten. Nach § 9 Abs. 2 LuftVG sind dem Unternehmer im Planfeststellungsbeschluß die Errich256
BVeIWG, Urt. vom 22. 03. 1985 - BVerwGE 71, S. 163 (164); Wahl, NVwZ 1990,
S. 426 (436).
257 BVeIWG, Besehl. vom 22. 05.1996 - NVwZ-RR 1997, S. 217 (218); BVeIWG, Besehl. vom 30. 12. 1996 - NVwZ-RR 1998, S. 284 (287); Jarass, DVBI. 1998, S. 1202 (1205); Sieg, Schutzauflage, S. 10; Steinberg/Berg/Wickel, Fachplanung, § 3, Rn. 12. 258 Dreier, Abwägung, S. 95. 259 Giemulla/Schmid, LuftVG, § 9, Rn. 33. 260 Begriff des "sekundären" materiellen Rechts, vgl. Steinberg / Berg /Wickel, Fachplanung, § 3, Rn. 15; Wahl, NVwZ 1990, S. 426 (436). 261 Steinberg/Berg/Wickel, Fachplanung, § 3, Rn. 17; Wahl/Dreier, NVwZ 1999, S. 606 (609).
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tung und Unterhaltung der Anlagen aufzuerlegen, die für das öffentliche Wohl oder zur Sicherung der Benutzung der benachbarten Grundstücke gegen Gefahren und Nachteile notwendig sind. Die Schutzauflagenvorschrift des § 9 Abs. 2 LuftVG wird allgemein als spezifische Ausprägung des planfeststellungsrechtlichen Abwägungsgebotes angesehen und daher erst im Rahmen der Abwägung verortet. 262 Diese Befugnis stellt das wichtigste Mittel der Behörde zum Ausgleich widerstreitender Interessen bei Planfeststellungen dar und ist insoweit eine Folgerung aus dem Abwägungsgebot. 263 Gleichzeitig setzt die Schutzauflagenvorschrift des § 9 Abs. 2 LuftVG aber der planerischen Abwägung eine zwingende Grenze. Wird diese Grenze überschritten, so sind Schutzauflagen bzw. Entschädigungen anzuordnen oder die gesamte Planung ist zu versagen.264 Der sich hieraus auf den ersten Blick ergebende Widerspruch zwischen "Ausprägung des Abwägungsgebots" und "strikter Grenze" läßt sich mit den zwei Funktionen der Schutzauflagenvorschrift erklären: Einerseits soll sie die Einhaltung der lärmrechtlichen Mindestgrenze sicherstellen; andererseits soll sie eine umfassende Integration der Belange im Interessengeflecht gewährleisten. Nur in der zweiten Funktion kann sie als Ausprägung des Abwägungsgebots angesehen werden, da sie hier einen Beitrag zur Ausbalancierung der Interessen ermöglicht. In ersterer Funktion führt sie jedoch dazu, daß die durch sie geschützten Belange nicht überwindbar sind, wenn die lärmrechtliche Zumutbarkeitsgrenze überschritten wird. In diesem Bereich dürfen die betroffenen Belange nicht im Wege der Abwägung zurückgesetzt werden. Insoweit zieht § 9 Abs. 2 LuftVG der Abwägung eine absolute Grenze und kann daher als Planungsleitsatz im Sinne von zwingendem Recht verstanden werden. 265 b) § 6 Abs. 2 S. 1, 3 LuftVG
Auch die in § 6 Abs. 2 und 3 LuftVG aufgestellten Genehmigungsvoraussetzungen gelten aufgrund des inneren Zusammenhangs von Genehmigung und Planfeststellung für die Planfeststellung und sind materiell als Leitsätze von Bedeutung.266 Im Rahmen des § 6 Abs. 2 LuftVG ist zwischen Satz 1 und Satz 3 zu unterscheiden. Während Satz 3 eine zwingende Norm darstellt, hat Satz 1 planungsrechtli262 BVerwG, Urt. vom 07. 07. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (123); BVerwG, Urt. vom 29.01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (341 f.) - ZLW 1991, S. 428 (433); Bartunek, Drittschutz, S. 126; Dürr; in: Knack, VwVfG, § 75, Rn. 41 m. w. N. 263 Kopp/Ramsauer; VwVfG, § 74, Rn. 105. 264 Steinberg/Berg/Wickel, Fachplanung, § 4, Rn. 1. 265 Dreier; Abwägung, S. 136 f.; Sieg, Schutzauflage, S. 155 f.; Sieg, ZUR 1993, S. 61 (62); im Ergebnis auch Steinberg / Berg /Wickel, Fachplanung, § 4, Rn. 2. 266 BVerwG, Urt. vom 07.07. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (122); Badura, Rechtsfragen, S. 27 (29); Giemulla/Schmid, LuftVG, § 9 Rn. 33; Hojmann/Grabherr; LuftVG, § 10, Rn. 31.
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chen Charakter. Dennoch setzt auch im Rahmen der planerischen Abwägung gern. § 6 Abs. 2 S. 1 LuftVG die Zumutbarkeit der Lärmimmissionen der Abwägung eine strikte Grenze. 267 Die Planung ist demnach dann zu versagen (wenn dies nicht durch Nebenbestimmungen verhindert werden kann), wenn durch Fluglärm unzumutbare Beeinträchtigungen hervorgerufen werden. Die Anforderungen des § 6 Abs. 2 LuftVG entsprechen im Hinblick auf den Lärmschutz also denen des § 9 Abs. 2 LuftVG, so daß ihnen praktisch keine große Bedeutung in der Abwägungsentscheidung zukommen wird. c) Verfassungsrechtliche Anforderungen
Zwingende Planungsvorgaben können sich aus den grundrechtlichen Gewährleistungen des Grundgesetzes ergeben. Planungsrechtlich relevant im Hinblick auf den Schutz vor Fluglärm können insbesondere das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG und die Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG werden, die der Planung eine strikte Grenze setzen könnten. Die Ausgestaltung der grundrechtlichen Pflichten obliegt allerdings grundsätzlich dem einfachen Gesetzgeber. Bevor ein Rückgriff direkt auf die Grundrechte möglich ist, muß auf die einfachgesetzlichen Regelungen zurückgegriffen werden, die Ausprägung der grundrechtlich geschützten Rechtspositionen sind (sein sollen).268 Diese gesetzlichen Regelungen müssen sich nicht darauf beschränken, dem grundrechtlich durch Art. 2 Abs. 2 GG und Art. 14 GG gebotenen Schutzund Regelungsauftrag zu genügen. Zwar sind unterhalb der grundrechtlichen Gefahrenschwelle liegende Beeinträchtigungen anders als absolute Grundrechtsverletzungen verfassungsrechtlich grundsätzlich hinzunehmen, doch kann der Gesetzgeber auch unterhalb dieser Schwelle bestimmen, ab wann derartige Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen unzumutbar und somit nicht mehr hinzunehmen sind. 269 Den Betroffenen wird regelmäßig ein Schutz eingeräumt, der über den Schutz hinausgeht, den die Grundrechte gebieten. Da auf diese Weise die Schwelle des kraft einfachen Gesetzes Zumutbaren nicht hinter dem Schutz zurückbleibt, den die Grundrechte garantieren, bestimmt sich der Schutzanspruch der Betroffenen allein nach dem einschlägigen Fachgesetz.z7o Der direkte Rückgriff auf Grundrechte ist nur dann möglich, wenn gesetzliche oder verordnungsrechtliche Vorgaben fehlen oder dem gebotenen Grundrechtsschutz wegen der Umstände des Einzelfalls nicht oder nur mangelhaft Rechnung tragen Vg!. Zweiter Teil, D., 11., 1., b). Steinberg, in: FS für Schlichter, S. 399 (602). "Die Entgegensetzung von grundrechtlichern und einfachgesetzlichem Schutz ( .. .ist) im Recht der Planfeststellung verfehlt", vg!. Steinberg/Berg/Wickel, Fachplanung, § 1, Rn. 68. 269 BVerJG, Besch!. vom 14.01. 1981 - BVerfGE 56, S. 54 (80); Steinberg/Berg/Wickel, Fachplanung, § I, Rn. 66. 270 Badura, in: FS für Lukes, S. 3 (11, 13). 267
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und die damit verfassungsrechtlich geforderte Gewährleistung von Freiheit und Recht verfehlen. Außerdem kann dann auf die Grundrechte direkt zurückgegriffen werden, wenn Gesetze durch die Behörde oder das Gericht fehlerhaft angewendet wurden. Es verbleibt demnach nur ein schmaler Anwendungsbereich 271 , in dem dann dem Abwägungsgebot eine Art Auffangfunktion zukommt. 272 Dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG wird grundsätzlich über die Schutzauflagenvorschrift des Art. 9 Abs. 2 LuftVG Rechnung getragen, die einen Schutz der Nachbarschaft vor Gefahren und Nachteilen vorsieht. Ist dies in Ausnahmefallen jedoch nicht der Fall, so setzt das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG der planerischen Abwägung eine strikte Grenze. 273 Zwar steht die grundrechtliche Gewährleistung der körperlichen Unversehrtheit unter einem Gesetzesvorhalt, doch kann eine beweisbare Gesundheitsgefährdung niemals dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen. 274 Der Schutz des Eigentums aus Art. 14 GG wird gleichfalls durch die auflagenrechtliche Zumutbarkeitsschwelle des § 9 Abs. 2 LuftVG gewährleistet. 275 Verändert die Planung jedoch die vorgegebene Grundstückssituation nachhaltig und wird dadurch das Eigentum schwer und unerträglich getroffen, so gehen die Einwirkungen über die durch Art. 14 Abs. 2 GG gedeckte entschädigungslos hinzunehmende Eigentumsbindung hinaus. 276 In einem solchen Fall ist die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle erreicht, die der Planung eine weitere strikte Abwägungsgrenze setzt. Sie darf nur überschritten werden, wenn dem Betroffenen eine Entschädigung gewährt wird bzw. sogar ein Anspruch auf Übernahme gewährt wird,z77
3. Abwägung Der Kernbereich der Planfeststellung wird durch das Abwägungsgebot bestimmt, das für Planfeststellungsbehörden und die gerichtliche Kontrolle eine überragende Bedeutung hat, gleichzeitig aber aufgrund seiner komplizierten Hand271 Badura, in: FS für Lukes, S. 3 (11); Michler; VerwArchiv 90 (1999), S. 21 (26); Steinberg/Berg/Wickel, Fachplanung, § 1, Rn. 68. 272 Badura, in: FS für Lukes, S. 3 (11). 273 Dreier; Abwägung, S. 130, mit umfangreichen Nachweisen. 274 Hermann, Fluglänn, S. 151; Ramsauer; NuR 1990, S. 349 (354). 275 Der planerische Zugriff auf private Grundstücke im Wege der Enteignung ist zu Zwekken der Zivilluftfahrt gern. § 28 LuftVG möglich. Eine rechtmäßige Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG erfordert, daß sie zum Wohl der Allgemeinheit erfolgt und eine Entschädigungspflicht gesetzlich vorgesehen ist. Eine rechtmäßige Abwägungsentscheidung indiziert bereits die Wahrung des Wohls der Allgemeinheit. Die Entschädigungspflicht hingegen folgt zwingend aus der Enteignung und muß im Planfeststellungsbeschluß vorgesehen sein, vgl. Dreier; Abwägung, S. 131 ff. 276 BVerwG, Urt. vom 01. 11. 1974 - BVerwGE 47, S. 144 (154); BVerwG, Urt. vom 23.01. 1981 - BVerwGE 61, S. 295 (302 ff.). 277 Michler; Verkehrsimmissionsschutz, S. 144.
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habung und der dichten verwaltungs gerichtlichen Kontrolle das "hauptsächliche Einfallstor für Rechtsfehler,,278 ist. Planungsentscheidungen sind nicht in ein Tatbestand-Rechtsfolge-Schema eingebunden, sondern werden durch einen weiten Handlungsspielraum charakterisiert, der durch eine abwägende Entscheidung auszufüllen ist. Das Abwägungsgebot verlangt, daß alle öffentlichen und privaten Belange, die von dem Vorhaben berührt werden können, gerecht untereinander und gegeneinander abzuwägen sind?79 Der Abwägungsvorgang setzt sich nach herkömmlicher Terminologie aus den Phasen Einstellung der Belange in die Abwägung, Gewichtung der Belange und Entscheidung über die Vorzugs würdigkeit bestimmter Belange zusammen, wobei diese Phasen in der Praxis zumeist zusammenfallen. 28o Durch diesen Prozeß soll ein Abwägungsergebnis gewonnen werden, das die optimale Verwirklichung der gesetzlich vorgegebenen Planungsaufgabe mit der optimalen Bewältigung der Probleme verbindet. Im Ergebnis muß die Alternative oder Gestaltung gefunden werden, die den Betroffenen am meisten schont und sich als spezielle Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf den für die Ermessensbetätigung allgemein geltenden Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs zurückführen läßt?81 Das Abwägungsgebot wird in drei Stufen verwirklicht, wonach zunächst eine Abwägung überhaupt stattfinden muß, weiterhin die Behörde alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Umstände in ihre Würdigung einbeziehen und ihre Bedeutung erkennen muß und außerdem die Entscheidung und der Ausgleich im Hinblick auf die betroffenen öffentlichen und privaten Belange unter Erkenntnis ihrer Bedeutung und nicht außer Verhältnis ihrer objektiven Gewichtigkeit vorgenommen werden darf?82 Diesen Abwägungsstufen entsprechen die Abwägungsfehler. Das Gebot gerechter Abwägung ist dann verletzt, "wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattfindet. Es ist ferner verletzt, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muß. Es ist ferner verletzt, wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht.,,283 Hieraus wurden die VerDürr; UPR 1993, S. 161 (162). Kühling/Herrmann, Fachplanungsrecht, Rn. 9. 280 Steinberg/Berg/Wickel, Fachplanung, § 3, Rn. 71. 281 Während die neue Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts, z. B. BVerwG, Urt. vom 14. 02. 1975 - BVerwGE 48, S. 56 (64), schon in der fehlerfreien Abwägung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sieht, wendete die ältere Rspr. diesen direkt an, vgl. BVerwG, Urt. vom 14.02.1969 - DVBl. 1969, S. 360 (360 f.). 282 Vgl. z. B. BVerwG, Urt. vom 07. 07. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (122 f.); BVerwG, Urt. vom 29.01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (341) - ZLW 1991, S. 428 (432 f.); OVG Hamburg, Urt. vom 03. 09. 2001- 3 E 37/98, S. 59. 283 BVerwG, Urt. vom 12. 12. 1969 - BVerwGE 34, S. 301 (309); BVerwG, Urt. vom 05. 12. 1986 - BVerwGE 75, S. 214 (253) - ZLW 1987, S. 292 (293); BVerwG, Urt. vom 09.03. 1990 - BVerwGE 85, S. 44 (51). 278 279
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stöße gegen das Abwägungsgebot abgeleitet. Wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet, liegt ein "Abwägungsausfall" vor. Werden hingegen einzelne Belange nicht erkannt oder bleiben sie unberücksichtigt, so spricht man von einem "Abwägungsdefizit". Eine "Abwägungsfehlgewichtung" ist dann festzustellen, wenn die Bedeutung eines Belanges in einer Weise über- oder unterschätzt wird, die zu seiner objektiven Gewichtung außer Verhältnis steht. Tritt eine Fehlgewichtung bei der Bewertung der unterschiedlichen Belange auf, so liegt eine "Disproportionalität" vor. 284 a) Einstellung von liinnschutzbelangen in die Abwägung
Welche Belange in die Abwägung einzustellen sind, bestimmt sich nach Gegenstand, Reichweite und den Auswirkungen der konkreten Planung und damit nach den Umständen des Einzelfalles. 285 Miteinbezogen werden danach alle öffentlichen und privaten Belange, die einen sachlich und räumlich relevanten Bezug zu der zu beurteilenden Planung besitzen?86 Der Begriff des Belangs stellt dabei den Oberbegriff dar, unter den sowohl subjektiv öffentliche Rechte als auch private Interessen ohne Rechtsqualität fallen. 287 Aufgrund der AufgabensteIlung der Planung, die auf einen optimalen Interessenausgleich aller berührten öffentlichen und privaten Interessen zielt und gleichzeitig vorsorgeorientiert sein soll, gehen die planerischen Pflichten zum Schutze eines Rechtsguts weiter als die von den strikten Normen gestellten Mindestanforderungen. 288 Es werden alle nicht lediglich als geringfügig einzustufenden Beeinträchtigungen öffentlicher oder privater Belange erfaßt. 289 Der Punkt, ab dem die Beeinträchtigung eines Belanges in die Abwägung einzustellen ist, liegt demnach deutlich tiefer als die grundrechtliche Gefahrenschwelle. Unberücksichtigt bleiben jedoch diejenigen Interessen, die entweder objektiv geringwertig oder aber nicht schutzwürdig sind?90 Eine weitere Einschränkung liegt darin, daß der jeweilige Belang auch für die planende Stelle erkennbar sein mußte. Dies ist dann der Fall, wenn er sich ihr aufdrängen mußte oder vom Planbetroffenen vorgetragen wurde. 291 Zu einer ausgewogenen Planung gehört es dementsprechend, daß alle berührten Belange - unabhängig davon, ob 284 Kühling I Herrmann, Fachplanungsrecht, Rn. 176; Steinberg I Berg I Wickel, Fachplanung, § 3, Rn. 58. 285 BVerwG, Besch. Vom 07. 12. 1988 - DVBI. 1989, S. 510 (511). 286 Giemullal Schmid, LuftVG, § 9, Rn. 36. 287 BVerwG, Urt. vom 09. 11. 1979 - BVerwGE 59, S. 87 (100 ff.); Michler; Verkehrsimmissionsschutz, S. 20; Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 188. 288 Broß, VerwArchiv 80 (1989), S. 395 (412). 289 BVerwG, Urt. vom 27. 10. 1998 - BVerwGE 107, S. 313 (322); Badura, in: FS für Hoppe, S. 167 (175). 290 BVerwG, Urt. vom 09.11. 1979 - BVerwGE 59, S. 87 (102). 291 BVerwG, Urt. vom 09. 11. 1979 - BVerwGE 59, S. 87 (103); BVerwG, Beschl. vom 07. 12. 1988 - UPR 1989, S. 183 (183).
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sie rechtlich geschützt sind oder nicht - zu bedenken und in die Abwägung miteinzubeziehen sind. 292 Der Belang des Fluglärmschutzes kann grundsätzlich von verfassungsrechtlicher Relevanz im Hinblick auf die körperliche Unversehrtheit gern. Art. 2 Abs. 2 GG und auf die Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG sein. Die Abwägungserheblichkeit von Fluglärm ergibt sich weiterhin aus den § 6 Abs. 2 S. 1, 3 LuftVG, § 9 Abs. 2 LuftVG, § 29 b LuftVG und dem FluglSchG, die der gesetzgeberischen Wertung nach auf einen umfassenden Schutz vor Fluglärm abzielen. 293 Aus dem oben Dargestellten folgt dabei, daß grundsätzlich auch Fluglärmbeeinträchtigungen, die sich unterhalb der Mindestanforderungen der einfach- und verfassungsrechtlichen Normen bewegen, in die Abwägungsentscheidung miteinzubeziehen sind. Da fluglärm seiner Natur nach je nach Intensität, Dauer, Stärke und weiteren Faktoren unterschiedliche Beeinträchtigungswirkungen auslösen kann, kann er in der Abwägungsentscheidung unter verschiedenen Aspekten Berücksichtigung finden. Richtigerweise werden daher in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts neben unbeachtlichem Fluglärm drei abwägungsrelevante Fluglärmkategorien unterschieden: "Als abwägungserheblicher Belang ist (danach) jede Lärmbelastung anzusehen, die nicht lediglich nur als geringfügig einzustufen ist. Hierunter fällt einmal die schwere und unerträgliche Lärmbetroffenheit im Sinne der früheren Rechtsprechung zur sogenannten Ereignisschwelle, weiterhin die unzumutbare Lärmbelastung, wie sie für Schutzauflagen an den Vorhabenträger nach § 9 Abs. 2 LuftVG Voraussetzung ist, und schließlich der unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle liegende, aber nicht unerhebliche Fluglärm.,,294 Tatsächlich sind allerdings nur Fluglärmbelastungen unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle des § 9 Abs. 2 LuftVG als "echte" Abwägungsbelange anzusehen, da nur diese in der Abwägung hinter anderen Belangen zurücktreten können, während Lärmbeeinträchtigungen oberhalb der Zumutbarkeitsschwelle einer Abwägung gerade nicht zugänglich sind, da sie der planerischen Entscheidung eine strikte Grenze setzen. b) Gewichtung und Ausgleich
Nur der Schutz vor Fluglärm unterhalb der Zumutbarkeitsgrenze ist als "echter" abwägungserheblicher Belang in die Abwägungsentscheidung einzustellen, während Fluglärmbeeinträchtigungen oberhalb der Zumutbarkeitsgrenze nicht hinter anderen Belangen zurückgestellt werden dürfen. Aus diesem Grunde soll hier zunächst auf die Behandlung der Lärmbeeinträchtigungen unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle in der Abwägung eingegangen werden. .
292 293 294
(433).
Gaentzsch, in: FS für Schlichter, S. 517 (524). OVG Hamburg, Urt. vom 03.09.2001-3 E 37/98, S. 59; Hermann, Fluglänn, S. 261. BVerwG, Urt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (341 f.) - ZLW 1991, S. 428
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Im Rahmen der Abwägungsentscheidung müssen die unterschiedlichen Belange gewichtet werden und ein Ausgleich eventuell widerstreitender Interessen gefunden werden. Dabei ist grundsätzlich von der Gleichrangigkeit der verschiedenen öffentlichen und privaten Belange auszugehen. 295 Die Bewertung erfolgt dann nach der "objektiven Gewichtigkeit" der Belange?96 Aus dem im Rahmen einer Planung stets zu beachtenden rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergibt sich, daß die Anforderungen an die Überwindung eines Belanges umso strenger sein müssen, je größer die Bedeutung und je intensiver die Betroffenheit des Belanges ist. Der Belang ist also mit zunehmender Intensität der Einwirkung immer schwieriger zu überwinden. Der Belang des Schutzes vor Fluglärm unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle ist grundsätzlich in die Abwägung gegenüber widerstreitenden Belangen einzubeziehen. Wird aber den gegenläufigen Interessen von der Planfeststellungsbehörde eine größere Bedeutung zugemessen, so muß der Belang des Lärmschutzes hinter ihnen zurücktreten?97 Je näher allerdings die Fluglärmbelastung an die Grenze der Zumutbarkeit im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG heranrückt, desto höher müssen die Anforderungen an die Überwindung der Lärmschutzbelange zugunsten anderer gegenläufiger Belange sein. Wird die Zumutbarkeitsschwelle erreicht, so ist der Abwägungsentscheidung durch § 9 Abs. 2 LuftVG eine strikte Grenze gesetzt. Durch eine solche strikte Norm wird ein Teil der Abwägung herausgelöst und pauschal vorwegentschieden. Man kann gleichsam von einer "Skala der Betroffenheit" sprechen, auf der bestimmte erreichte Punkte zu bestimmten Rechtsfolgen führen. 298 c) Fluglärmschutz als Optimierungsgebot
Die Gewichtigkeit der Lärmschutzbelange unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle könnte aber durch gesetzgeberische Vorgaben verstärkt werden. Von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wurde dafür die Kategorie des "Optimierungsgebots" geschaffen. 299 Die Bedeutung der Optimierungs gebote liegt darin, daß ihnen bei der Planung ein besonderes Gewicht zukommt und sie auf diese Weise die planerische Gestaltungsfreiheit einengen. 3OO Sie verlangen eine 295 BVe1WG, Urt. vom 07. 03. 1997 - BVerwGE 104, S. 144 (148) - DVBI. 1997, S. 838 (839 f.). 296 BVe1WG, Urt. vom 21. 03. 1996 - BVerwGE 100, S. 370 (383). 297 Typischerweise unter Zurückstellung der Lärmschutzinteressen, vgl: "ysk, ZLW 1998, S. 456 (482). 298 Dreier, Abwägung, S. 104 f. 299 BVe1WG, Urt. vom 22. 03. 85 - BVerwG 71, S. 163 (165); BVe1WG, Urt. vom 05. 10. 1990 - NVwZ-RR 1991, S. 118 (120). Der Begriff des Optimierungsgebots wird in der Rechtsprechung weiterhin verwendet, doch wird er in der Literatur zunehmend in Frage gestellt, vgl. Bartlspenger, DVBI. 1996, S. 1 (1 ff.); Bartunek, Drittschutz, S. 53; Hoppe, UPR 1995, S. 201 (202). 300 Dürr, in: Knack, VwVfG, § 74, Rn. 125.
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möglichst weitgehende Wahrung, Durchsetzung oder Berücksichtigung bestimmter Belange. Die Überwindung eines Optimierungsgebotes erfordert daher eine gesteigerte Rechtfertigung durch gegenläufige Belange, die in der Begründung zum Ausdruck kommen muß?OI Welche Vorschriften Optimierungsgebote darstellen, ist im Wege der Auslegung der jeweiligen Norm zu klären. Hierbei können oftmals Abgrenzungsprobleme auftauchen, da die Grenze zwischen zwingenden und lediglich zu berücksichtigenden Vorgaben fließend sein kann. 302 Für den Belang des Fluglärmschutzes könnten sich aus §§ 6 Abs. 2 S. 1 LuftVG, 29 b LuftVG, 12 UVPG, 50 BImSchG und Art. 20 a GG Optimierungsgebote ergeben, die eine Verstärkung des Gewichts des Lärmschutzes in der Abwägung bewirken könnten. aa) § 6 Abs. 2 S. 1 LuftVG Gern. § 6 Abs. 2 S. 1 LuftVG ist bei der Planfeststellung insbesondere der Schutz vor Fluglärm angemessen zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung besitzen die geschützten Rechtsgüter in § 6 Abs. 2 S. 1 LuftVG einen "vom Gesetzgeber als schutzwürdig erachteten hohen Rang,d03. Diese Formulierung könnte daraufhin deuten, daß den Belangen des § 6 Abs. 2 S. 1 LuftVG eine besonderes Gewicht in der Abwägung zugewiesen werden soll. 304 Der Gesetzeswortlaut des "Berücksichtigens" läßt hierauf jedoch nicht schließen. Vielmehr deutet diese Formulierung auf eine Abgrenzung zu einer strikten Beachtenspflicht hin. 305 Das Berücksichtigungsgebot des § 6 Abs. 2 S. 1 LuftVG weist auf die Abwägungserheblichkeit der aufgezählten Belange hin und hat insoweit klarstellende Funktion. Die genannten Belange sind dann gleichwertig mit anderen Interessen in die Abwägung einzustellen und können zugunsten dieser auch zurücktreten. 306 Auch der Zusatz "insbesondere" belegt die Beispielhaftigkeit der aufgezählten Belange und führt nicht etwa zu einem erhöhten Bindungsgrad?07 Für eine solche Auslegung spricht auch die Gesetzgebungsgeschichte. 308 Weiterhin ist der Sinn und Zweck der Norm anzuführen. Da das Luftverkehrsrecht ein Spezialbereich ist, soll 301 BVenvG, Urt. vom 21. 08. 1990 - NVwZ 1991, S. 69 (70); Hoppe, DVB1.1992, S. 853 (859 ff.). 302 ]arass, DVBI. 1998, S. 1202 (1206). 303 BVenvG, Urt. vom 16.12.1988 - BVerwGE 81, S. 95 (98). 304 Venus, Berücksichtigungsgebot, S. 207. 305 ]arass, DVBI. 1998, S. 1202 (1206). 306 Venus, Berücksichtigungsgebot, S. 207 f. 307 Hartmann, Genehmigung und Planfeststellung, S. 97, Fn. 40; Venus, Berücksichtigungsgebot, S. 207; a.A. wohl Dreier; Abwägung, S. 210 f., der hierin eine weitergehende Bedeutung sieht, die zu einer erhöhten Untersuchungsdichte führt, die den Grad eines Optirnierungsgebotes zu erreichen hat. 308 VgI.BT-Drs. 7/3879,S.31;7/5251,S.14f.;7/886,S.46.
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sie die Aufmerksamkeit der Planer auf die Abwägungserheblichkeit auch außerhalb des Luftverkehrsrechts stehender Belange richten. 309 Im Ergebnis sind die Belange des § 6 Abs. 2 S. I LuftVG in der Abwägung zu berücksichtigen, doch sie sind nicht möglichst weitgehend im Sinne eines Optimierungsgebotes zur Geltung zu bringen. bb) § 29 b Abs. 1 S. 2 LuftVG Speziell der Belang des Schutzes vor Nachtfluglärm muß im Hinblick auf seine gesundheitlichen Folgen im Rahmen der Abwägung besondere Berücksichtigung finden. Dem Belang des Nachtlärmschutzes könnte durch § 29 b Abs. 1 S. 2 LuftVG sogar ein besonderes Gewicht in der Abwägung zukommen, wenn § 29 b LuftVG als Optimierungsgebot zugunsten eines besonderen Schutzes der Nachtruhe vor Lärmbelästigungen anzusehen wäre. Nach § 29 b Abs. 1 S. 2 LuftVG haben Flugplatzhalter, Luftfahrzeugführer und Luftfahrzeughalter auf die Nachtruhe der Bevölkerung in besonderem Maß Rücksicht zu nehmen. Aus der Formulierung der besonderen Rücksichtnahme ergibt sich, daß bei der Abwägung der verschiedenen Interessen dem Lärmschutz eine vorrangige Bedeutung zukommt. 310 Dennoch steht den Nachtlärmschutzinteressen oftmals das öffentliche Interesse an der Funktionsfahigkeit und den Erfordernissen eines überregionalen und internationalen Verkehrsflughafens entgegen, das ein sehr hohes Gewicht aufweist. 311 Insbesondere ein völliges Nachtflugverbot läßt sich mit der Widmung eines Vorhabens als Verkehrsflughafen kaum jemals vereinbaren. 312 Aus diesem Grunde weist die Norm des § 29b Abs. 1 S. 2 LuftVG keine große praktische Relevanz für die Abwägung auf. ce) § 12 UVPG Gern. § 3 UVPG i.Y.m. der Anlage Nr. 13 ist für die Anlage und Änderung eines Flugplatzes, die einer Planfeststellung nach § 8 Abs. 1 LuftVG bedürfen, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, so daß die Regelungen des UVPG grundsätzlich Anwendung finden. Dreier, Abwägung, S. 210. Hojmann/Grabherr, LuftVG, § 29b, Rn. 2; nicht so eindeutig, vgl. BVerwG, Urt. vom 29.01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (369) - ZLW 1991, S. 428 (445). 3ll OVG Bremen, Urt. vom 05.11. 1993 - NVwZ-RR 1994, S. 190 (192). 312 BVerwG, Urt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (368) - ZLW 1991, S. 428 (445); OVG Bremen, Urt. vom 05. 11. 1993 - NVwZ-RR 1994, S. 190 (192), weisen richtigerweise darauf hin, daß § 29b Abs. 1 S. 2 LuftVG kein allgemeines Verbot nächtlicher Flugbewegungen enthält, sondern vielmehr gerade die Zulässigkeit eines nächtlichen Flugbetriebs voraussetzt. Die Bedeutung des Nacht1ännschutzes fUhrt nicht zwingend zu einem Nachtflugverbot als dem allein rechtmäßigen Abwägungsergebnis. 309
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Umstritten ist, ob die Umweltverträglichkeitsprüfung auch die materiellen Anforderungen an die Zulassung von Vorhaben erhöht hat. So wird vertreten, daß sich eine solche normative Gewichtserhöhung aus § 12 UVPG ergebe, wonach die Bewertung der Umweltauswirkungen eines Vorhabens "im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge im Sinne der §§ 1,2 Abs. 2 S. 2 und 4 nach Maßgabe der geltenden Gesetze" zu erfolgen hat. Hieraus sei zu schließen, daß die geltenden Gesetze im Hinblick auf eine wirksame medienübergreifende Umweltvorsorge auszulegen seien und auf diese Weise die materiell-rechtlichen Kriterien der Bewertung der Umweltauswirkungen modifiziert hätten. 313 Das Bundesverwaltungsgericht vertritt hingegen, daß das UVPG die Anforderungen an die Abwägung materiell-rechtlich im Sinne einer Höhergewichtung oder eines Vorrangs der Umweltbelange nicht verschärft. Durch diese Vorschriften würden lediglich bestimmte Anforderungen an das Verfahren gestellt. 314 Dieser Ansicht ist zu folgen, denn die Formulierung des § 12 UVPG weist eindeutig darauf hin, daß sich die materielle Bewertung der Umweltauswirkungen ausschließlich nach den geltenden Gesetzen richten SOll.315 Hieraus läßt sich schließen, daß der Umweltverträglichkeitsprüfung ein eigenständiger materieller Gehalt gerade nicht zukommen soll. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, daß § 12 UVPG nicht dazu führt, daß dem Belang des Schutzes vor Fluglärm ein verstärktes Gewicht in der Abwägung zukommt. Wohl aber kann durch die Umweltverträglichkeitsprüfung aufgrund des zusätzlichen Wissens der Behörde eine Verschärfung der Begründungs- und Argumentationslast auftreten, wenn Lärmschutzbelange hinter anderen Belangen zurücktreten sollen. 316 dd) § 50 BImSchG Nach § 50 BImSchG soll so geplant werden, daß schädliche Umwelteinwirkungen auf angrenzende Wohngebiete soweit wie möglich vermieden werden. § 50 BImSchG ist nach allgemeiner Auffassung als Optimierungsgebot für die planeri313 Dreier, Abwägung, S. 360 ff., spricht von einem Optimierungsgebot hinsichtlich der Umweltbelange; Kühling / Berrmann, Fachplanungsrecht, Rn. 404, geht von einem Berücksichtigungsgebot hinsichtlich der Umweltvorsorge aus; Steinberg / Berg /Wickel, Fachplanung, § 3, Rn. 83 f., insoweit nicht eindeutig, spricht von einer Modifizierung der materiellrechtlichen Kriterien im Sinne eines medienübergreifenden, integrativen Ansatzes. Von einem Vorrang geht er hingegen wohl nicht aus. 314 BVerwG, Urt. vom 25. 01. 1996 - BVerwGE 100, S. 238 (243 f.); BVerwG, Urt. vom 21. 03. 1996 - BVerwGE 100, S. 370 (376); zustimmend Venus, Berücksichtigungsgebot, S. 152; kritisch Erbguth, NuR 1997, S. 261 (264 ff.). 315 Mayen, NVwZ 1996, S. 319 (325); im Ergebnis auch Schink, NuR 1998, S. 173 (173). 316 Bartunek, Drittschutz, S. 84; zum Rechtsschutz bei einem Verstoß gegen die Vorschriften des UVPG, vgl. ausführlich Steinberg/Berg/Wickel, Fachplanung, § 6, Rn. 32 ff.
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sche Entscheidung anzusehen. 317 Der Gesetzgeber wollte zum Ausdruck bringen, daß den Belangen des Immissionsschutzes ein besonderes Gewicht in der Abwägung zukommen soll?18 Zu klären ist zunächst, ob § 50 BImSchG in der luftverkehrsrechtlichen Planung überhaupt zur Anwendung kommen kann, obwohl in § 2 Abs. 2 BImSchG Flugplätze vom Anwendungsbereich des BImSchG ausgeschlossen sind. Diese Frage ist zu bejahen, denn § 2 Abs. 2 BImSchG stellt keine abschließende Regelung dar. Zwar sollen das LuftVG und das FluglSchG als Sonderregelungen des Immissionsschutzrechts dem BImSchG vorgehen?19 Da sich aber § 50 BImSchG als planungsrechtlicher Trennungsgrundsatz nicht mit den besonderen immissionschutzrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen befaßt, wird er von § 2 Abs. 2 BImSchG nicht verdrängt. Er ist demnach auch auf luftverkehrsrechtliche Zulassungsentscheidungen anwendbar?20 Durch § 50 BImSchG wird das städtebauliche Trennungsgebot normiert. Es ordnet an, daß bei raumbedeutsamen Planungen die dabei tangierten Flächen so einander zuzuordnen sind, daß schädliche Umwelteinwirkungen auf Wohngebiete soweit wie möglich vermieden werden. 321 Im Hinblick auf § 50 BImSchG zählen zu den abwägungserheblichen Belangen "alle tatsächlichen oder potentiellen Emissionen und Immissionen in einem Gebiet, soweit sie die Qualität schädlicher Umwelteinwirkungen haben oder haben könnten".322 § 50 BImSchG zielt also darauf ab, daß Lärmbeeinträchtigungen durch die Trennung konfligierender Nutzungen gar nicht erst entstehen können. Übertragen auf den Schutz vor Fluglärm hat § 50 BImSchG zur Folge, daß dem Belang des Schutzes vor Geräuschimmissionen in der Abwägungsentscheidung ein besonderes Gewicht zukommt. Allerdings hat § 50 BImSchG nicht zur Folge, daß dem Immissionsschutz ein absoluter Vorrang in der Abwägung zukommt; er kann vielmehr in der Abwägung hinter anderen Belangen zurücktreten müssen. 323 In der Praxis weist § 50 BImSchG daher nur eine geringe Bedeutung aut,324
317 BVenvG, Urt. vom 22. 03. 1985 - BVerwGE 71, S. 163 (165); Jarass, DVBl. 1998, S. 1202 (1206); Koch, NVwZ 2000, S. 490 (492); Michler; Verkehrsimmissionsschutz, S. 26; Schulze-Fielitz, in: GK-BlmSchG, § 50, Rn. 3l. 318 Schulze-Fielitz, in: GK-BlmSchG, § 50, Rn. 40. 319 BT-Drs. 7/179, S. 29. 320 Hermann, Fluglärm, S. 252; Michler; Verkehrsimmissionsschutz, S. 27; Schulze-Fielitz, in: GK-BlmSchG, § 50, Rn. 89. 321 Der Trennungsgrundsatz wird allerdings im Hinblick auf den Lärmschutz in Frage gestellt, denn durch den Trennungsgrundsatz wird gleichzeitig ein hohes und lärmintensives Verkehrsaufkommen erzeugt, vgl. Koch, NVwZ 2000, 490 (493). 322 Schulze-Fielitz, in: GK-BlmSchG, § 50, Rn. 65. 323 Schulze-Fielitz, in: GK-BlmSchG, § 50, Rn. 32. 324 Schulze-Fielitz, in: GK-BlmSchG, § 50, Rn. 255.
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ee) Art. 20a GG Mit der Einführung des Art. 20a GG stellt sich die Frage, ob in der Staatszielbestimmung Umweltschutz eine verfassungsrechtliche Abwägungsdirektive zu sehen ist, die das Abwägungsgebot im Sinne einer verstärkten Beachtung des Umweltschutzes modifiziert hat. Art. 20a GG enthält die Verpflichtung des Staates, im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung die natürlichen Lebensgrundlagen für die künftigen Generationen zu schützen. Als "Umweltstaatsprinzip"325 ergänzt es die bereits bestehenden Staatszielbestimmungen. Durch Art. 20a GG soll der Staat dazu verpflichtet werden, Eingriffe in die Umwelt zu unterlassen und konkrete Gefahren für die Umwelt abzuwehren. 326 Darüberhinaus müssen Maßnahmen ergriffen werden, durch die umfassend bereits der Entstehung von Umweltbelastungen im Sinne einer Vorsorge vorgebeugt werden soll?27 Der Begriff der "natürlichen Lebensgrundlagen" umfaßt dabei "alle Umweltgüter, die funktional Grundlage menschlichen Lebens sind, weil ohne sie das Leben nicht über längere Zeiträume fortbestehen könnte".328 Um diese sehr weite Definition zu konkretisieren, empfiehlt sich eine Orientierung an dem Umweltbegriff des § 2 UVPG. 329 Unter die natürlichen Lebensgrundlagen fällt auch eine lärmfreie Umgebung. Art. 20a GG verpflichtet seinem Wortlaut nach den "Staat". Unter diesen Begriff sind alle drei staatlichen Gewalten zu fassen: Rechtsprechung, Gesetzgebung und vollziehende Gewalt. 330 In erster Linie richtet sich die Staatszielbestimmung zwar an den Gesetzgeber, doch ist auch die Verwaltung an den Art. 20a GG gebunden. 331 Dies gilt insbesondere bei planerischen Abwägungs- und Gestaltungsspielräumen. 332 Finden sich die Ziele des Art. 20a GG als abwägungserhebliche Belange im Gesetz, so verstärkt Art. 20a GG diese Belange im Sinne eines Optimierungsgebots?33 Sie erhalten auf diese Weise eine höhere Gewichtung im GegenSchulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 20a, Rn. 20. Kloepfer, DVBl. 1996, S. 73 (77); Degenhardt, Staatsrecht, Rn. 443. 327 Degenhardt, Staatsrecht, Rn. 443; Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, Art. 20a, Rn. 3; Kloepfer, Umweltrecht, § 3, Rn. 30. Ob Art. 20a GG darüberhinaus ein allgemeines Verschlechterungsverbot enthält, ist nicht geklärt, vgl. zustimmend Murswiek, NVwZ 1996, S. 222 (225 ff.); Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 20a, Rn. 40; Czybulka, UPR 1999, S. 126 (127); a.A. Steinberg, DÖV 2000, S. 85 (94). 328 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 20a, Rn. 28. 329 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 20a, Rn. 28; Kloepfer, Umweltrecht, § 3, Rn. 26; Schink, DÖV 1995, S. 221 (223). 330 Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, Art. 20a, Rn. 8. 331 Kloepfer, Umweltrecht, § 3, Rn. 34; dies ergibt sich bereits aus Art. 20 Abs. 3 GG, vgl. Schink, DÖV 1997, S. 221 (225). 332 Degenhardt, Staatsrecht, Rn. 442; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 20a, Rn. 66. 333 Murswiek, NVwZ 1996, S. 222 (229); Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 20a, Rn. 66; wohl auch Westphal, JuS 2000, S. 339 (342). 325
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satz zu den anderen abwägungserheblichen Interessen.334 Im Ergebnis gilt daher, daß auch der umweltrechtliche Belang des Lärmschutzes in der planerischen Abwägung durch Art. 20a GG ein verstärktes Gewicht erhalten hat. Auch hier ist jedoch zu beachten, daß dies keinen absoluten Vorrang von Lärmschutzbelangen bedeutet, die in der Praxis dementsprechend häufig hinter anderen Belangen zurücktreten. d) Abwägungsgrenzen
Lärmbeeinträchtigungen können als abwägungserhebliche Belange allerdings nur in der Abwägung hinter anderen Belangen zurückgesetzt werden, solange sie sich unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle befinden. Liegen hingegen unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen vor, so ist der Abwägung eine strikte Grenze gesetzt. aa) Fachplanungsrechtliche Abwägungsgrenze (§ 9 Abs. 2 LuftVG) Eine zentrale Rolle für den Schutz vor Fluglärm in der planerischen Abwägung spielt die Schutzvorschrift des § 9 Abs. 2 LuftVG. § 9 Abs. 2 LuftVG schreibt vor, daß dem Unternehmer im Planfeststellungsbeschluß die Errichtung und Erhaltung der Anlagen aufzuerlegen sind, die für das öffentliche Wohl oder zur Sicherung der Benutzung der benachbarten Grundstücke gegen Gefahren oder Nachteile notwendig sind. Die Schutzvorkehrungsvorschrift des § 9 Abs. 2 LuftVG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als spezifische Ausprägung des fachplanungsrechtlichen Abwägungsgebots anzusehen. 335 Sie setzt der Planungsentscheidung eine im Hinblick auf die Lärmeinwirkungen auf die Nachbargrundstücke äußerste, durch gerechte Abwägung nicht mehr überwindbare Grenze. Macht die Planfeststellung also zur Verwirklichung der mit dem Plan verfolgten Ziele Festsetzungen erforderlich, die sich in ihrer Auswirkung auf Nachbargrundstücke als unzumutbare Gefahren oder Nachteile darstellen, so darf der dadurch hervorgerufene Interessenkonflikt nicht im Wege einer die privaten Belange zurückstellenden Abwägung zu Lasten des Grundstückseigentümers gelöst werden und damit in 334 Nach anderer Ansicht führt Art. 20a GG nicht zu einer stärkeren Gewichtung der Belange des Umweltschutzes. Maßgeblich wird dabei das Argument angeführt, daß es dem Gesetzgeber obliegt, den Umweltschutzauftrag des Art. 20a GG auf einfachgesetzlicher Ebene zu konkretisieren, vgl. Henneke, NuR 1995, S. 325 (333 f.); Kloepfer, Umweltrecht, § 3, Rn. 41; Steinberg, OÖV 2000, S. 85 (91); Schmalz, Staatsrecht, Rn. 312 f.; wohl ähnlich Schink, DÖV 1997, S. 221 (228). 335 BVerwG, Urt. vom 21. 05.1976 - BVerwGE 51, S. 15 (26) - NJW 1976, 1760 (1762) für § 17 Abs. 4 FStrG a.F.; BVerwG, Urt. vom 07. 07. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (123); BVerwG, Urt. vom 29. 01. 1991 - ZLW 1991, S. 428 (433); Bartunek, Drittschutz, S. 115; Hermann, Fluglärm, S. 278; Kühling/Herrmann, Fachplanungsrecht, Rn. 413; Sieg, Schutzauflage, S. 52.
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Wahrheit zu dessen Lasten unbewältigt bleiben. 336 Durch die Schutzvorkehrungsvorschrift wird demnach eine nicht dem Gebot der gerechten Abwägung entsprechende unzumutbare Belastung des planbetroffenen Dritten verhindert. Gleichzeitig ermöglicht die Regelung des § 9 Abs. 2 LuftVG die Zulassung von Vorhaben, die ohne Schutzvorkehrungen abwägungsfehlerhaft wären. 337 Notwendig sind Schutzvorkehrungen allerdings erst, wenn die Planfeststellungsbehörde sich nicht abwägungsfehlerfrei in der Lage sieht, die Problembewältigung schon durch entsprechende planerische Gestaltung auf Grundlage der Möglichkeiten des § 8 Abs. I LuftVG zu leisten?38 Unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen können im Ergebnis also im Rahmen der Abwägung nicht durch entgegenstehende Belange verdrängt werden. Wann allerdings die Schwelle der Unzumutbarkeit erreicht ist, stellt sich als schwierige Frage dar und muß bis heute mangels gesetzlicher Regelungen im Einzelfall von den Behörden I Gerichten festgelegt werden. bb) Enteignungsrechtliche Abwägungsgrenze (Art. 14 Abs. 1 GG) Neben der fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsgrenze aus § 9 Abs. 2 LuftVG existiert eine weitere Zumutbarkeitsgrenze, die die Rechtsprechung als "enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze" bezeichnet. Sie ist nicht einfachgesetzlich fixiert, sondern ergibt sich aus der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG?39 Stellen Lärmimrnissionen dementsprechend einen "schweren und unerträglichen" Eingriff in das Eigentum dar, bei dem eine sinnvolle Nutzung des Grundstücks ausgeschlossen ist, so wird die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle überschritten, und die Planung ist zu versagen, wenn nicht eine Entschädigung für den Eigentümer oder sogar die Übernahme seines Grundstücks gewährt wird. 34o Wo die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle liegt, ist im Einzelfall von Gerichten und Behörden festzulegen. Die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze des Bundesgerichtshofs liegt in Wohngebieten - vorbehaltlich einer Lärm336 BVerwG, Urt. vom 21. 05. 1976 - BVerwGE 51, S. 15 (26 f.) - NJW 1976, S. 1760 (1762). 337 BVerwG, Urt. vom 21. 05. 1976 - BVerwGE 51, S. 15 (27) - NJW 1976, S. 1760 (1762); BVerwG, Urt. vom 27.10.1998 - BVerwGE 107, S. 313 (323). 338 BVerwG, Urt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (342 f.) - ZLW 1991, S. 428 (431). 339 Liegen derartige Lärmbeeinträchtigungen vor, so liegt nach dem neuen Enteignungsbegriff des Bundesverfassungsgerichts zwar keine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GO vor, aber ein enteignungsgleicher (ausgleichspflichtiger) Eingriff. 340 Eine Rechtsgrundlage für eine zwangsweise Absiedlung enthält das LuftVG allerdings nicht, vgl. BVerwG, Urt. vom 05. 12. 1986 - BVerwGE 75, S. 214 (259 f.) - ZLW 1987, S. 292 (303).
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vorbelastung - bei Mittelungspegeln von 70 bis 75 dB(A) tagsüber und von 60 bis 65 dB während der Nacht. Allerdings kommt im Rahmen der Gesamtbetrachtung insbesondere auch den EinzeIereignispegeln (verursacht durch Strahlflugzeuge) wesentliche Bedeutung ZU?41 SO hat der BGH das Überschreiten der Zumutbarkeitsgrenze angenommen bei einem äquivalenten Dauerschallpegel von ca. 73 dB(A) und "Spitzenpegeln" von teilweise über 100 dB(A) sowie von 90 dB(A) an mehr als der Hälfte der flugtage.342
IV. Rechtsschutz gegen die Planfeststellung Hinsichtlich der rechtlichen Durchsetzung von Ansprüchen auf Schutz vor fluglärm ist zu differenzieren zwischen dem Anspruch auf Schutzvorkehrungen bei unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen und dem Anspruch auf Abwägung einfacher Lärmbelange, die unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle liegen.
1. Rechtsschutz bei fehlenden Schutzvorkehrungen
Wurden in der Planung trotz Vorliegens unzumutbarer Lärmbeeinträchtigungen keine Schutzvorkehrungen auf Grundlage des § 9 Abs. 2 LuftVG bzw. eine Entschädigung angeordnet, so können Betroffene Rechtsschutz gegen die fehlerhafte Planung einlegen. 343 Allerdings folgt der Anspruch auf Schutzvorkehrungen aus § 9 Abs. 2 LuftVG nach der Rechtsprechung besonderen prozessualen Regelungen. Obwohl die Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses - wenn von einer Verankerung des Schutzauflagengebots im planerischen Abwägungsgebot ausgegangen wird - von der Anordnung einer gebotenen Schutzauflage abhängt344 , besteht bei ihrem Fehlen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 345 kein subjektiver Anspruch eines Betroffenen auf Planaufhebung, sondern lediglich auf Planergänzung durch eine geeignete Schutzvorkehrung. 346 Mit der objektiven Rechtswidrigkeit des Beschlusses korrespondiert also allein ein Anspruch auf Planergänzung um die gebotene Anordnung; besteht die Möglichkeit einer solchen Ergänzung, so ist der Anspruch auf (Teil-)Aufhebung ausgeschlosBGH, Urt. vom 25.03. 1993 - NJW 1993, S. 1700 (1701 f.). "»sk, ZLW 1998, S. 456 (485). 343 Die Schutzvorkehrungsvorschriften sind grundsätzlich als drittschützend anzusehen, vgl. Bartunek, Drittschutz, S. 112 ff. 344 Es könnte daher die Anfechtungsklage als richtige Klageart gegen den Planfeststellungsbeschluß in Betracht kommen, Steinberg/Berg/Wickel, Fachplanung, § 6, Rn. 102. 345 Seit BVerwG, Urt. vom 07. 07. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (133); vgl. kritisch hierzu Sieg, ZUR 1993, S. 61 (63 f.). 346 "»sk, ZLW 1998, S. 456 (464). 341
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sen. 347 Nur ausnahmsweise besteht ein Aufbebungsanspruch, wenn der Mangel von so großem Gewicht ist, daß dadurch nicht nur der einzelne Betroffene benachteiligt, sondern die Ausgewogenheit der gesamten Planung in Frage gestellt wird. 348 Da der Kläger normalerweise nicht erkennen kann, ob die Gesamtkonzeption der Planung durch das Fehlen der Schutzanordnung betroffen ist, sollte er eine Anfechtungsklage und hilfsweise eine Verpflichtungsklage erheben. 349 Da eine Aufbebung des Planfeststellungsbeschlusses durch eine Anfechtungsklage - wie dargestellt - nur selten in Betracht kommt, ist in den meisten Fällen nur die auf Planergänzung gerichtete Verpflichtungsklage erfolgreich. 35o Im Rahmen der Verpflichtungsklage ist zu beachten, daß diese nur dann zulässig ist, wenn es um das "Ob" einer erforderlichen Schutzauflage geht. Kommen hingegen mehrere rechtmäßige Schutzmaßnahmen in Betracht (geht es demnach um das "Wie" einer Schutzauflage), so ist eine Bescheidungsklage auf Erlaß einer geeigneten Schutzvorkehrung zu erheben. 351
2. Rechtsschutz bei Abwägungsfehlern Zu klären ist weiterhin, ob Betroffene auch Rechtsschutz gegen den Planfeststellungsbeschluß einlegen können, wenn lediglich ihre einfachen - unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle liegenden - abwägungserheblichen Lärmschutzbelange nicht oder nicht richtig in die Abwägung eingestellt wurden. Die Frage, ob im Rahmen des Planfeststellungsrechts ein "Recht auf gerechte Abwägung" besteht, das von jedem geltend gemacht werden kann, dessen Interessen unterhalb von subjektiven öffentlichen Rechten in die Abwägung hätten eingestellt werden müssen, ist äußerst umstritten. Nach einer Ansicht ist ein solches Recht abzulehnen. Zwar sei es grundsätzlich richtig, daß zu einer ausgewogenen Planung die Einbeziehung aller berührten Belange - unabhängig davon, ob sie rechtlich geschützt seien oder nicht - gehöre. Hieraus folge jedoch nicht, daß die Träger solcher Belange auch einen entsprechenden Anspruch hätten. Das Erfordernis einer ausgewogenen Planung sei viel"ysk, ZLW 1998, S. 456 (463). BVenvG, Urt. vorn 21. 03. 1996 - BVerwGE 101, S. 73 (85); grundlegend BVenvG, Urt. vorn 07.07.1978 - BVerwGE 56, S. 110 (133); OVG Hamburg, Urt. vorn 03. 09. 20013 E 37/98, S. 49; allerdings besteht nach den neuen Vorschriften der Planerhaltung auch dann eventuell kein Anspruch auf Planaufhebung mehr, vgl. Michler, VerwArchiv 90 (1999), S. 21 (29 f.). 349 Steinberg / Berg /Wickel, Fachplanung, § 6, Rn. 104, rn. w. N .. 350 Sieg, ZUR 1993, S. 61 (63). 351 BVenvG, Urt. vorn 29. 01. 1991- BVerwGE 87, S. 332 (366 f.) (in ZLW 1991, S. 428 ff. insoweit nicht abgedruckt); BVenvG, Urt. vorn 28. 10. 1998 - BVerwGE 107, S. 350 (358 f.); Steinberg / Berg /Wickel, Fachplanung, § 6, Rn. 108. 347 348
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mehr ein objektiv-rechtliches Gebot. Ob es auch eine subjektiv-rechtliche Seite habe, erscheine mehr als fraglich. 352 Gegen einen Anspruch auf gerechte Abwägung wird weiterhin angeführt, daß die Wehrfahigkeit auch von Belangen unterhalb der Rechtsschwelle einen Widerspruch zu § 42 Abs. 2 und § 113 Abs. 1 VwGO darstelle?53 Das Abwägungsgebot verleihe ein subjektiv öffentliches Recht auf eine gerechte Abwägung nur im Hinblick auf rechtlich geschützte eigene Belange des Betroffenen. Es obliege hierbei gerade dem Gesetzgeber, Inhalt und Schranken der grundrechtlichen Gewährleistungen im Sinne einer Zumutbarkeitsgrenze zu bestimmen. Dieses habe er beispielsweise durch die einfachgesetzlichen Schutzauflagenvorschriften getan. Werde die rechtliche Reaktionsschwelle nicht überschritten, so sei ein Betroffener nicht in seinen Rechten verletzt. Der Gesetzgeber habe auf diese Weise den Planfeststellungsbeschluß gegen eine Autbebung absichern wollen. 354 Weiterhin könne es nicht angehen, daß ein unerheblich durch Lärm Betroffener einen Planautbebungsanspruch geltend machen könne, während der unzumutbar Betroffene auf einen Anspruch auf Planergänzung beschränkt sei. 355 Im übrigen bestehe ein solches Recht auch nicht bei der Anlagenzulassung nach dem BImSehG, wo Rechtsschutz erst möglich sei, wenn die Schwelle zur "schädlichen Umwelteinwirkung" überschritten sei?56 Eine Ausnahme bestehe insoweit nur für diejenigen, deren Eigentum durch das planfestgestellte Vorhaben in Anspruch genommen werden soll aufgrund der enteignungsrechtlichen Vorwirkung. 357 Nach anderer Ansicht - insbesondere nach Ansicht der Rechtsprechung - ist ein Recht auf Abwägung einfacher Eigenbelange zu bejahen. 358 Im Recht der Planfeststellung besteht die Besonderheit, daß sich hier die Abwägung der kollidierenden Interessen auch auf (nicht nur geringfügige) Eigenbelange unterhalb der Schwelle normativ ausgeprägter subjektiver öffentlicher Rechte beziehen kann. Der Grund hierfür liegt in dem Gebot gerechter Abwägung aller der von der Planfeststellung 352 Gaentzsch, in: FS für Schlichter, S. 517 (524); sehr kritisch gegenüber einem Recht auf gerechte Abwägung auch Bartlspenger, in: Abwägung im Recht, S. 79 (87 ff.). 353 Steinberg, in: FS für Schlichter, S. 599 (607). 354 Michler, Verkehrsimmissionsschutz, S. 24. 355 Michler, Verkehrsimmissionsschutz, S. 22 ff. 356 Gaentzsch, in: FS für Schlichter, S. 517 (522); Steinberg, in: FS für Schlichter, S. 599 (611); a.A. Badura, in: FS für Hoppe, S. 167 (175); Schmidt-Preuß, in: FS für Hoppe, S. 1071 (1087), hält dem jedoch richtigerweise entgegen, daß sich die Anlagenzulassung von der Planfeststellung gerade durch den Mangel an planerischen Abwägungsspielräumen unterscheidet. 357 Bartlspenger, in: Abwägung im Recht, S. 79 (89 f.); Steinberg, in: FS für Schlichter, S. 599 (612). 358 Ständige Verwaltungsrechtsprechung seit BVerwG, Urt. vom 14. 02. 1975 - BVerwGE 48, S. 56 (66); BVerwG, Urt. vom 10. 02. 1989 - NVwZ-RR 1989, S. 619 (620); BVerwG, Urt. vom 27. 10. 1998 - BVerwGE 107, S. 313 (215); Badura, in: FS für Hoppe, S. 167 (175); Bartunek, Drittschutz, S. 92 ff., 108 ff.; Schmidt-Preuss, in: FS für Hoppe, S. 1071 (1083); Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, V., Rn. 78.
F. Planfeststellung gem. § 8 Abs. I LuftVG
103
berührten öffentlichen und privaten Belange?59 Das Gebot umfassenden Ausgleichs wäre mißachtet, wenn der Dritte eine störende, wenn auch noch nicht unzumutbare Lärmbelästigung hinnehmen müßte, obwohl ihre Minderung ohne Zurücksetzung anderer Interessen möglich wäre?60 Als Korrektiv der befürchteten Extensivierung fachplanerischen Drittschutzes361 wird insbesondere die Struktur des Abwägungsgebots genannt. Das Recht auf Abwägung einfacher Belange meint lediglich eine Berücksichtigung der Belange in der Abwägung, nicht jedoch die Durchsetzung. Der Betroffen hat lediglich ein subjektives Recht darauf, daß sein Belang in der Abwägung seinem Gewicht entsprechend "abgearbeitet" wird?62 Je weiter jedoch seine Interessen von der Schwelle des subjektiven öffentlichen Rechts entfernt liegen, desto geringer ist auch ihre Durchschlagkraft in der Abwägung. 363 Die Planfeststellungsbehörde kann sie dementsprechend im Rahmen der Abwägung hinter andere Belange stellen, solange sie sie überhaupt berücksichtigt?64 Im Ergebnis ist daher festzuhalten, daß das Recht auf eine gerechte Abwägung einfacher Eigenbelange zugunsten eines effektiven und umfassenden Rechtsschutzes gegen Fluglärm zu bejahen ist. Wenn ein Anspruch auf gerichtliche Abwägungskontrolle gegeben ist, so stellt sich allerdings im Anschluß daran die Frage, in welchem Umfang dieser Anspruch besteht. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beschränkt das "von einer Planung Betroffenen zustehende subjektiv öffentliche Recht auf gerechte Abwägung ihrer eigenen rechtlich geschützten Belange. ,,365 So hat der Kläger "zwar einen gerichtlich verfolgbaren Anspruch darauf, daß eine gerechte Abwägung seiner eigenen Belange mit entgegenstehenden anderen Belangen stattfindet, er hat aber nicht auch einen Anspruch darauf, daß die Belange anderer Beteiligter gerecht abgewogen sind oder daß etwa die Planung BVerwG, Urt. vom 14.02. 1975 - BVerwGE 48, S. 56 (63). Schmidt-Preuss, in: FS für Hoppe, S. 1071 (1083). Dies gilt übrigens auch dann, wenn Immissionsgrenzwerte vorliegen, diese aber nicht erreicht werden, vgl. S. 1071 (1088). 361 Bartlspenger, in: Abwägung im Recht, S. 79 (94); Gaentzsch, in: FS für Schlichter, S. 517 (523); Steinberg, in: FS für Schlichter, S. 599 (607). 362 BVerwG, Urt. vom 24.09. 1998 - BVerwGE 107, S. 215 (221) - UPR 1999, S. 27 (28). 363 Bartunek, Drittschutz, S. 107. 364 Schmidt-Preuss, in: FS für Hoppe, S. 1071 (1085 f.). Zu beachten ist aber das besondere Gewicht von Optimierungs geboten, durch die der Punkt, ab dem die Planung nicht mehr abgewogen erscheint, eher erreicht ist. Dieses Gewicht muß auch bei dem Anspruch auf gerechte Abwägung einfacher Belange berücksichtigt werden. Für § 50 BImSchG, vgl. Jarass, BImSchG, § 50 Rn. 22; ausführlich zur drittschützenden Wirkung des § 50 BImSchG und seiner gerichtlichen Durchsetzung, vgl. Michler, Verkehrsimmissionsrecht, S. 32 ff.; Sieg, Schutzauflage, S. 145; kritisch Schulze-Fielitz, GK-BImSchG, § 50 Rn. 236 ff.; für § 29 b Abs. 1 S. 2 LuftVG gilt, daß er nicht den Schutz des Einzelnen, sondern den der Allgemeinheit bezweckt und ihm daher keine drittschützende Wirkung zukommt, vgl. Hojrtumn/Grabherr, LuftVG, § 29b, Rn. 3; a.A. VGMünster, Urt. vom 24. 10. 1989-NVwZ 1990, S. 290 (290). 365 BVerwG, Urt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (342) - in ZLW 1991, S. 428 (433), insoweit nicht abgedruckt. 359
360
104
2. Teil: Schutz vor Fluglärm
insgesamt oder in jeder Hinsicht auf einer fehlerfreien Abwägung beruht. ,,366 Eine vollständige Überprüfung der Abwägungsentscheidung kann ein Betroffener also nicht erreichen. Ob diese Isolierung einzelner Belange und deren Trennung in drittschützende und nicht drittschützende Belange mit der Struktur der planerischen Abwägung als Gesamtbewertung aller durch die Planung betroffenen Interessen vereinbar ist, erscheint zumindest zweifelhaft. 367 Im übrigen führt diese Rechtsprechung ohnehin in den meisten Fällen dazu, daß die Zurücksetzung der privaten Belange hinter den gegenläufigen, vornehmlich öffentlichen Belangen, gerechtfertigt erscheint. 368 Wird tatsächlich ein Abwägungsfehler hinsichtlich einfacher Lärmschutzbelange festgestellt, so führt dies zwar zur Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Allerdings hat dies nicht in jedem Fall die Autbebung des Planfeststellungsbeschlusses zur Folge. Nach der Regelung des § 75 Abs. la VwVfG kann ein Abwägungsmangel nur dann zur Autbebung des Planfeststellungsbeschlusses führen, wenn er "offensichtlich" ist und sich auf das Ergebnis der Abwägung ausgewirkt hat. Die Vorschrift des § 75 Abs. la VwVfG erhöht auf diese Weise die Bestandskraft von Planfeststellungsbeschlüssen?69 In der Praxis führt ein Abwägungsfehler daher nur in äußerst seltenen Fällen zu einer (Teil-)Autbebung des Planfeststellungsbeschlusses.
V. Zwischenergebnis Im Rahmen der Planfeststellung haben Lärmbeeinträchtigungen je nach ihrer Intensität unterschiedliche rechtliche Folgen. Wahrend Fluglärmbeeinträchtigungen unterhalb der einfachrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle in der Abwägung lediglich zu berücksichtigen sind und daher durchaus hinter entgegenstehenden Belangen zurücktreten können, setzt § 9 Abs. 2 LuftVG der Abwägung eine strikte Grenze für den Fall, daß unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen vorliegen. Unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen können dementsprechend nicht von entgegenstehenden Belangen verdrängt werden, sondern erfordern zwingend die Anordnung von Schutzvorkehrungen bzw. einer Entschädigung. § 9 Abs. 2 LuftVG ist daher als zentrale Norm des Schutzes vor Fluglärm im Rahmen der Planfeststellung anzusehen, da durch sie sichergestellt werden kann, daß unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen der Nachbarschaft verhindert bzw. entschädigungsrechtlich ausgeglichen werden. Wann allerdings Fluglärmimrnissionen die entscheiBVerwG, Urt.vom 14.02. 1975 - BVerwGE 48, S. 56 (66). Hierzu kritisch Kühling/Herrmann, Fachplanungsrecht, Rn. 615 ff.; Sieg, Schutzauflage, S. 21 ff.; Steinberg / Berg /Wickel, Fachplanung, § 6, Rn. 49; bejahend dagegen, vgl. Bartunek, Drittschutz, S. 100 f. 368 Bartunek, Drittschutz, S. 107; Kühling / Herrmann, Fachplanungsrecht, Rn. 619 ff. 369 Kritisch Steinberg/Berg/Wickel, Fachplanung, § 6, Rn. 73. 366
367
F. Planfeststellung gern. § 8 Abs. 1 LuftVG
105
dende Zumutbarkeitsschwelle überschreiten, läßt sich aus § 9 Abs. 2 LuftVG nicht entnehmen, und bisher bestehen hierzu auch noch keine gesetzlichen Regelungen. Daher wird die Zumutbarkeitsgrenze bisher von Behörden und Gerichten im Einzelfall festgelegt.
Dritter Teil
Erforderlichkeit von Grenzwerten für die Planung von Verkehrsflughäfen Es ist deutlich geworden, daß der Schutz vor Fluglärm bei der Planung eines Verkehrsflughafens maßgeblich durch die Vorschriften des luftverkehrsrechtlichen Zulassungssrechts gewährleistet wird. Die entscheidende Norm ist hierbei § 9 Abs. 2 LuftVG.! Diese schreibt die Auferlegung von Schutzvorkehrungen vor, wenn Gefahren und Nachteile für das öffentliche Wohl oder die benachbarten Grundstücke durch Fluglärm zu befürchten sind und setzt damit der planerischen Abwägung eine strikte Grenze. Im folgenden soll allerdings ausschließlich auf den Schutz der Nachbarschaft für den Lärmschutz abgestellt werden, denn nur dieser ist für den individuellen Schutz vor Fluglärm von Bedeutung? Wann eine Fluglärmbelastung die Gefahren- bzw. Nachteilsschwelle für die Nachbarschaft erreicht, so daß Schutzvorkehrungen angeordnet werden müssen, läßt sich aus § 9 Abs. 2 LuftVG selbst nicht entnehmen. Um in der Praxis angewendet werden zu können, bedürfen derartige abstrakte Umwe1tanforderungen einer weiteren Konkretisierung. Die Konkretisierung dieser offenen Tatbestände erfolgt oftmals durch sogenannte Grenzwerte. Für die straßen- und schienenverkehrsrechtliche Planung beispielsweise finden sich derartige Grenzwerte in der Verkehrslärmschutzverordnung. Die TA Lärm enthält wiederum Grenzwerte für die Zulassung von Anlagen nach dem BImSchG. Wie in diesen immissionsschutzrechtlichen Bereichen könnten auch für die Beurteilung von Fluglärm bestimmte Grenzwerte heranzuziehen sein.
Hermann, Fluglärm, S. 272. Die von § 9 Abs. 2 LuftVG geschützten öffentliche Belange umfassen alle von der jeweiligen Flugplatzplanung nachteilig betroffenen anderweitigen öffentlichen Interessen. Hierunter fällt beispielsweise auch der Schutz der Planungshoheit von Gemeinden. Vgl. Giemullal Schmid, LuftVG, § 9, Rn. 4. Öffentliche Interessen wären weiterhin dann betroffen, wenn ein öffentlicher Park oder ein Erholungsgebiet infolge der Lännimmissionen seine Erholungsfunktion einbüßt. Oftmals werden auch solche Beeinträchtigungen allerdings durch die Anwendung der nachbarschützenden Lärmgrenzwerte ebenfalls verhindert, vgl. Jarass, UPR 1998, S. 415 (419). Im übrigen besteht in derartigen Fällen keine langanhaltende Lärmbelastung und zudem eine Ausweichmöglichkeit, so daß in der Praxis das Auftreten schädlicher Umwelteinwirkungen durch Lärm eher selten ist, vgl. Czajka, in: Feldhaus, BImSchG, § 41, Rn. 49. I
2
A. Grenzwertbegriff
107
A. Grenzwertbegriff Über die Tenninologie im Hinblick auf Grenzwerte herrscht bisher keine Einigkeit. 3 Im Rahmen dieser Arbeit soll auf die Definition des Umweltgutachtens 1996 der Bundesregierung abgestellt werden. 4 Als Oberbegriff für umweltrechtliche Grenzwerte ist danach der Begriff des Umweltstandards anzusehen. 5 Umweltstandards stellen quantitative Festlegungen zur Begrenzung verschiedener Arten von anthropogenen Einwirkungen auf Menschen und / oder Umwelt dar. Sie konkretisieren abstrakte gesetzliche Umweltanforderungen, die hinsichtlich Schutzobjekten (Mensch, Umwelt), Schutzzielen (Gefahrenabwehr, Vorsorge) sowie nach Bewertungsansätzen (naturwissenschaftlich, technisch-ökonomisch, politischgesellschaftlich) sehr unterschiedlich sein können. Aus der Vielzahl der unterschiedlichen Komponenten ergibt sich, daß auch die zugehörigen Umweltstandards in hohem Maße variieren. Um eine terminologische Vereinfachung und Einordnung vornehmen zu können, soll hinsichtlich der rechtlichen Bedeutung zwischen hoheitlichen und nichthoheitlichen Umweltstandards unterschieden werden. Hoheitliche Umweltstandards sind in Rechtsvorschriften (Gesetz, Rechtsverordnung, Verwaltungsvorschrift) verbindlich festgelegt, während nichthoheitliche (private, halbstaatliche) Umweltstandards als Nonnen, Richtlinien, Handlungsempfehlungen, Beurteilungshilfen und als Merkblätter herausgegeben werden. Im Rahmen der hoheitlichen Umweltstandards kann wiederum zwischen Grenzund Richtwerten unterschieden werden. 6 Grenzwerte sind dabei als Umweltstandards anzusehen, die für die Adressaten zwingende Verhaltensanforderungen festlegen. Richtwerte stellen demgegenüber nur empfohlene Werte dar. Sie weisen je nach Ausgestaltung einen unterschiedlichen Geltungsanspruch auf, so daß sie in der Regel maßgeblich, nur ein Indiz, einen groben Anhalt oder gar nur eine bloße Hilfe für die Beurteilung sein können.? Unter Grenzwerten sind im Ergebnis dem3 Buchholz, Grenzwerte, S. 7 ff.; Hüttermann, Grenzwerte, S. 29 ff.; Umweltgutachten 1996, Tz. 727. 4 Umweltgutachten 1996, Tz. 727 ff.; Spannowsky, NVwZ 1995, S. 845 (846) weist zutreffend darauf hin, daß es nicht darauf ankommt, welchem Grenzwertbegriff man folgt. Eine Vereinheitlichung der Terminologie ist jedoch im Hinblick darauf wünschenswert, daß dann eine Systematisierung bereits bestehender Umweltstandards vorgenommen werden könnte. 5 Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 5, Rn. 3 ff.; Hüttermann, Grenzwerte, S. 85; Jarass, in: HdUR, Bd. 11, Sp. 2413; Jarass, NJW 1987, S. 1225 (1225); a.A. Buchholz, Grenzwerte, S. 9 f., der den Begriff der Umweltanforderung als Oberbegriff wählt. 6 Ähnlich, vgl. Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 5, Rn. 4. ? Für die Abgrenzung der Grenz- zu den Richtwerten, vgl. ähnlich: Hüttermann, Grenzwerte, S. 38 ff., 71, der aber nicht zwischen hoheitlichen und nichthoheitlichen Umweltstandards unterscheidet; a.A. Buchholz, Grenzwerte, S. 10 f., der die rechtliche Verbindlichkeit nicht als Merkmal des Grenzwertes ansieht, sondern vielmehr noch weiter zwischen Grenzwerten Le.S. und Schwellenwerten differenzieren will. Dennoch grenzt auch er die Richtwerte durch eine geringere Verbindlichkeit ab. Im Hinblick auf das bereits herrschende
108
3. Teil: Erforderlichkeit von Grenzwerten
nach hoheitliche Festlegungen zu verstehen, die abstrakte Umweltanforderungen durch meßbare physikalische Größen so konkretisieren, daß ein zahlenmäßig bestimmter Wert eine Grenze markiert, deren Überschreiten bestimmte rechtliche Folgen nach sich zieht.
B. Fehlen von Grenzwerten für Fluglärm Es stellt sich die Frage, ob zur Konkretisierung der Anforderungen des § 9 Abs. 2 LuftVG zum Schutz gegen Fluglärm Grenzwerte existieren. Im LuftVG selbst sind keine Lärmgrenzwerte enthalten.
I. Keine Heranziehung von Grenzwerten aus dem Bereich des Luftverkehrsrechts Für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze des § 9 Abs. 2 LuftVG könnten aber Lärmgrenzwerte aus dem Bereich des übrigen Luftverkehrsrechts in Betracht kommen. 1. FluglSchG
Für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze für Fluglärm könnten die Grenzwerte des FluglSchG heranzuziehen sein. Hierfür spricht insbesondere, daß das Schutzniveau des § 1 S. 1 FluglSchG dem des § 9 Abs. 2 LuftVG entspricht bzw. dieses sogar übersteigt: Laut § 1 S. 1 FluglSchG soll Schutz vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen durch Fluglärm gewährt werden, während § 9 Abs. 2 LuftVG lediglich einen Schutz vor Gefahren und Nachteilen vorsieht. Trotz des in § 1 S. 1 FluglSchG formulierten Schutzziels läßt sich jedoch bereits aus der Höhe der Grenzwerte entnehmen, daß das FluglSchG nur Einwirkungen betrifft, die den Bereich der erheblichen Belästigung weit überschreiten. Die 75 dB (A) der Schutzzone 1 kommen schon der Grenze nahe, ab der eine Lärmbeeinträchtigung nicht mehr nur erheblich, sondern bereits im Sinne der Rechtsprechung "schwer und unerträglich" ist. 8 Die Höhe der Grenzwerte erklärt sich daraus, daß die Grenzwertsetzung bei der Entstehung des FluglSchG zu großen Teilen von fiskalischen Erwägungen geprägt war, die zu einer Erhöhung der Grenzwerte führten. 9 Die Grenzwerte dienen daher im wesentlichen der Festlegung von regionalen Begriffschaos in Bezug auf Grenzwerte erscheint diese noch weiter differenzierende Ansicht jedoch nicht vorzugswürdig. 8 BGH, Urt. vom 25.03. 1993 - NJW 1993, S. 1700 (1701). 9 Vgl. Soell, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. 2, § 2 FluglSchG, Rn. 23 f.
B. Fehlen von Grenzwerten für Fluglärm
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Lännschutzbereichen. 1o Aus ihnen läßt sich allenfalls entnehmen, daß eine Fluglännbelastung mit einem äquivalenten Dauerschallpegel über 75 dB (A) bzw. über 67 dB (A) so groß ist, daß für die Zukunft die Wohnbebauung eines Grundstücks - abgesehen von einigen Ausnahmen - überhaupt bzw. ohne bestimmte Schallschutzeinrichtungen ausgeschlossen sein soll. Nicht jedoch lassen die nach dem Fluglänngesetz festgelegten Länngrenzwerte eine Aussage über die Gesundheitsschädlichkeit oder über die Zumutbarkeit des Fluglänns zu. 11 Sie entsprechen ausschließlich dem planungsrechtlichen 12 bzw. entschädigungsrechtlichen 13 Charakter des FluglSchG. Die Grenzwerte des FluglSchG haben dementsprechend keinen Schutz-, sondern vielmehr einen Ausgleichscharakter. 14 Aus diesem Grund scheidet eine unmittelbare Anwendung der Grenzwerte des FluglSchG zur Konkretisierung der Anforderungen des § 9 Abs. 2 LuftVG in der luftverkehrsrechtlichen Zulassungsentscheidung aus.
2. Landeplatzlärmschutzverordnung In Betracht kommt weiterhin die Verordnung über die zeitliche Einschränkung des Flugbetriebs mit Leichtflugzeugen und Motorseglern an Landeplätzen (Landeplatzlännschutzverordnung). Zwar dient diese Verordnung grundsätzlich dem Schutz vor Fluglänn, doch beschränkt sich ihr Anwendungsbereich auf den nicht gewerblichen zivilen Betrieb mit Flugzeugen mit bis zu 2.000 kg Höchstgewicht und Motorseglern an bestimmten Landeplätzen. Überdies enthält sie ausschließlich zeitliche Betriebseinschränkungen für bestimmte Arten von Luftfahrzeugen, nicht jedoch Immissionsgrenzwerte, die auf die Lännauswirkungen auf die Betroffenen abstellen. Für die Lännproblematik in der luftverkehrsrechtlichen Planung für Verkehrsflughäfen gibt diese Verordnung daher nichts her.
10 HofmannlGrabherr, LuftVG, § 9, Rn. 53; Quaas, NVwZ 1991, s. 16 (17); Schwenk, LuftVR, S. 135, 144; Soell, in: Landmann/Rohmer, Umweltreeht Bd. 2, § 3 FluglSehG, Rn. 15. 11 BVerwG, Urt. vom 07. 07. 1978 - NJW 1979, S. 64 (70) insoweit in BVerwGE 56, S. 110 (132) nicht abgedruckt; VGH Mannheim, Geriehtsbseheid vom 17. 09. 1993 NVwZ-RR 1994, S. 197 (198); VG Frankfurtlader, Beseh!. vom 02. 09. 1996 - ZLW 1997, S. 407 (415); Bartunek, Drittschutz, S. 163; GiemulialSchmid, LuftVG, § 6, Rn. 17; Schwenk, LuftVR, S. 401; Soell, in: Landmann/Rohmer, Umweltreeht Bd. 2, § 2 FluglSehG, Rn. 9. 12 Soell, in: Landmann/Rohmer, Umweltreeht Bd. 2, § 2 FluglSehG, Rn. 18. 13 VG Frankfurtlader, Beseh!. vom 02. 09. 1996 - ZLW 1997, S. 407 (415); bestätigt durch OVG Brandenburg, Beseh!. vom 28. 11. 1996 -ZLW 1997, S. 407 (421 ff.). 14 Buchholz, Grenzwerte, S. 40; Hansmann, in: FS für Sendler, S. 285 (288).
110
3. Teil: Erforderlichkeit von Grenzwerten
11. Keine Heranziehung der Grenzwerte anderer Lärmbereiche Zwar existieren keine unmittelbar die Zumutbarkeitsgrenze des § 9 Abs. 2 LuftVG konkretisierenden Grenzwerte für Fluglärm. Es könnten jedoch Grenzwerte aus anderen Lärmschutzbereichen herangezogen werden.
1. DIN 45643 und DIN 18005
In der Rechtsprechung sind vielfach die Werte der DIN 45643 "Messung und Beurteilung von Flugzeuggeräuschen,,15 und der Vornorm 18005 "Schall schutz im Städtebau, Hinweise für die Planung, Berechnungs- und Bewertungsgrundlagen" zugrundegelegt worden. 16 Während die DIN 45643 in Teil 1 für Flugzeuggeräusche Einzelereignispegel, Dauerschallpegel sowie Beurteilungspegel nach DIN 45645 definiert und in Teil 3 Bewertungskriterien für die so ermittelte Fluggeräusche enthält, gilt die Norm 18005 an sich nur für die Bauleitplanung und dient in erster Linie dazu, dem Stadtplaner Orientierungshilfen für die von ihm geforderten Entscheidungen zu geben. Beide Normen stellen technische Regelwerke des Deutschen Instituts für Normung e.Y. dar und sind daher keine Rechtsnormen. 17 Derartige technische Regelwerke des DIN e.Y. dienen in erster Linie der Standardisierung (von Produkten) im Interesse von Einheitlichkeit, Vergleichbarkeit und Austauschbarkeit. In der praktischen Anwendung bewirken sie dann Gleichbehandlung und Verfahrenserleichterung. 18 Den Normausschüssen des DIN e.Y. gehören allerdings grundsätzlich auch Vertreter bestimmter Branchen und Unternehmen an, die deren Interessenstandpunkte einbringen. Daher sind DIN-Normen im Hinblick auf die Anforderungen, die etwa an die Neutralität und Unvorhereingenommenheit gerichtlicher Sachverständiger zu stellen sind, gewissen Vorbehalten unterworfen. 19 Dies gilt insbesondere für Bereiche, die eine Bewertung entgegengesetzter Interessen einschließen und an sich einer demokratisch legitimierten politischen Entschei-
15 VGH Baden-Württemberg, Urt. vorn 19.06. 1989 - DVBl. 1990, S. 108 (112); Quaas, NVwZ 1991, S. 16 (17); ablehnend demgegenüber OVG Hamburg, Urt. vorn 03. 09. 2001-3 E 37/98, S. 75; Hermann, Fluglärm, S. 283. 16 BayVGH, Urt. vorn 16. 04. 1981 - ZLW 1981, S. 367 (388); Giemulla/Schmid, LuftVG, § 6, Rn. 17; a.A. VG Frankfurt, Beschl. vorn 02. 09. 1996 - ZLW 1997, S. 407 (415), das eine Anwendung ausdrücklich ablehnt. 17 Als nicht hoheitliche Regelungen stellen sie dementsprechend auch keine Grenzwerte im Sinne der obigen Definition dar. 18 BVerwG, Urt. vorn 22. 05. 1987 - BVerwGE 77, S. 285 (291); NJW 1987, S. 1886 (2888). 19 Vgl. hierzu Ebinger; Unbestimmter Rechtsbegriff, S. 209 f.
B. Fehlen von Grenzwerten für Fluglärm
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dung bedürften. 2o Der Bereich des Schutzes vor Fluglärm ist ein Bereich, der von Interessengegensätzen bestimmt ist, so daß hier die Neutralität des Normgebers von besonderer Wichtigkeit erscheint. Die Heranziehung der DIN-Normen für die Fluglärmbelastungswerte ist daher nicht unbedenklich.
2. Verkehrslärmschutzverordnung Die Lärmgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung können bereits aufgrund der Regelung des § 2 Abs. 2 S. 1 BImSchG nicht unmittelbar für den Bereich des Luftverkehrs herangezogen werden?l Im übrigen können die Auswirkungen von Fluglärm in ihrer Belästigungswirkungen nicht mit denen anderer Verkehrsträger verglichen werden, so daß bereits aus diesem Grunde eine unbeschadete Übertragung der Grenzwerte aus den Bereichen des Straßen- und Schienenverkehrs ausscheidet. 22 Eine Vergleichbarkeit ist außerdem aufgrund des unterschiedlichen Meß- und Bewertungsverfahrens ausgeschlossen. 23
111. Zwischenergebnis Es fehlen ausdrücklich auf Fluglärm zugeschnittene (außer)gesetzliche Richtlinien und Regelwerke. Zwar können die oben aufgeführten Verordnungen und technischen Regelwerke, die zur Beurteilung der Zumutbarkeit von Beeinträchtigungen durch andere Lärmquellen erlassen worden sind, mit einer gewissen Indizwirkung herangezogen werden. Eine abschließende Bedeutung kommt ihnen jedoch nicht ZU. 24 Hieraus folgt, daß die Grenzen des von einem Flugplatz ausgehenden zumutbaren Fluglärms "fließend" sind. Die Zumutbarkeitsgrenze des § 9 Abs. 2 LuftVG ist demnach jeweils anhand der konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls situationsbedingt und damit bewertend zu bestimmen.
20 BVerwG, Urt. vom 22. 05. 1987 - BVerwGE 77, S. 285 (291) - NJW 1987, S. 2886 (2888). Interessant ist allerdings, daß die DIN 18005 nach dem Umweltgutachten 1996 den zugrunde gelegten Verfahrensanforderungen für Umweltstandards von privaten Institutionen und Verbänden entspricht, vgl. Umweltgutachten 1996, Tz. 761. 21 VG Frankfurt/Oder, Beschl. vom 02. 09. 1996 - ZLW 1997, S. 407 (415), bestätigt durch OVG Brandenburg, Beschl. vom 28. 11. 1996 - ZLW 1997, S. 407 (421 ff.). 22 Quaas, NVwZ 1991, S. 16 (19). 23 BVerwG, Urt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (373) - ZLW 1991, S. 428 (450). 24 VG Frankfurt/Oder, BeschI. vom 02. 09. 1996 - ZLW 1997, S. 407 (415), bestätigt durch OVG Brandenburg, Beschl. vom 28. 11. 1996 - ZLW 1997, S. 407 (421 ff.); Bartunek, Drittschutz, S. 164 ff., folgert dies im wesentlichen daraus, daß die genannten Regelwerke keine Maximalpegel enthalten.
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3. Teil: Erforderlichkeit von Grenzwerten
c. Konkretisierung der Zumutbarkeitsgrenze des
§ 9 Abs. 2 LuftVG durch Verwaltungsbehörden/Gerichte Wie oben dargestellt, existieren für die Grenze des zulässigen Fluglärms im Rahmen des § 9 Abs. 2 LuftVG bisher keine Grenzwerte. Daher obliegt es den Planfeststellungsbehörden bzw. den Gerichten, die im Einzelfall maßgebliche Lärmbelästigungsgrenze nach den konkreten örtlichen Verhältnissen zu bestimmen. 25 Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß - von örtlichen Besonderheiten abgesehen - die Frage nach der Schädlichkeitsgrenze für Fluglärm ihrer Natur nach nur anhand allgemeiner Erwägungen und ohne Bezug auf bestimmte Flughafenstandorte beantwortet werden kann. Auch soweit es um die konkreten Verhältnisse der betroffenen Grundstücke geht, legt die sehr große Zahl von Betroffenen aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität eine eher generalisierende Handhabung nahe. 26
I. Schutz vor "unzumutbaren nachteiligen Auswirkungen" Dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 LuftVG nach soll durch die Anordnung der Schutzvorkehrungen die Sicherung der Benutzung der benachbarten Grundstücke gegen Gefahren oder Nachteile gewährleistet werden. Die Rechtsprechung unterläßt es allerdings zumeist, im Rahmen des § 9 Abs. 2 LuftVG nach "Gefahren und Nachteilen" zu differenzieren und stellt vereinfachend auf "nachteilige Auswirkungen,,27 bzw. nur auf "Nachteile,,28 ab. Die Schwelle der "nachteiligen Auswirkungen" in § 9 Abs. 2 LuftVG wird allerdings nicht bereits bei jedweder nachteiligen Geräuscheinwirkung erreicht. Obwohl sich dem Gesetzestext eine Beschränkung auf erhebliche Nachteile nicht entnehmen läßt, ist die Erheblichkeit nach der Rechtsprechung Voraussetzung für den Anspruch aus § 9 Abs. 2 LuftVG. 29 Den Maßstab für die Erheblichkeit bil25 BVerwG, Urt. vorn 21. 05. 1976 - BVerwGE 51, S. 15 (29 f.) - NJW 1976, S. 1760 (1763); BVerwG, Urteil vorn 07.07. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (130 f.); BVerwG, Urt. vorn 14. 12. 1979 - BVerwGE 59, S. 253 (261); BVerwG, Urt. vorn 30. 05. 1984 - BVerwGE 69, S. 256 (275 f.); BVerwG, Urt. vorn 29.01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (356 f.) - ZLW 1991, S. 428 (439); BVerwG, Beschl. vorn 29. 12. 1998 - UPR 1999, S. 226 (226); BVerwG, Beschl. vorn 07. 12. 1998 - UPR 1999, S. 153 (154). 26 BayVGH, Urt. vorn 27. 07.1989 - DVBl. 1990, S. 114 (117). 27 BVerwG, Beschl. vorn 07. 12. 1998 - UPR 1999, S. 153 (154). 28 BVerwG, Urt. vorn 07. 07.1978 - BVerwGE 56, S. 110 (131). 29 In Anlehnung an § 17 Abs. 4 FStrG a.F. seit BVerwG, Urt. vorn 07. 07. 1978 BVerwGE 56, S. 110 (131). Auch für das Vorliegen "schädlicher Umwelteinwirkungen" im Sinne des § 3 BImSchG ist es erforderlich, daß erhebliche Nachteile und Belästigungen vorliegen; in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 3 heißt es dazu: "Die Einschränkung ist das Ergebnis einer Güterabwägung, auf die in einern hochindustrialisierten und dichtbesiedelten Lande nicht verzichtet werden kann." BT-Drs. 7/179, S. 29.
C. Konkretisierung der Zumutbarkeitsgrenze des § 9 Abs. 2 LuftVG
113
det wiederum der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Erheblich sind dementsprechend nur solche Verkehrsgeräusche, die der jeweiligen Umgebung mit Rücksicht auf deren durch die Gebietsart und die konkreten tatsächlichen Verhältnisse bestimmte Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit nicht mehr zugemutet werden können?O
11. Konkretisierung der Zumutbarkeitsschwelle Die Abwägungsgrenze des § 9 Abs. 2 LuftVG wird erst erreicht, wenn unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen vorliegen. Wann eine konkrete Beeinträchtigung als unzumutbar anzusehen ist, kann dem Normtext selbst allerdings nicht entnommen werden. Der Begriff der Zumutbarkeit ist vielmehr als unbestimmter Rechtsbegriff anzusehen, der durch die Planfeststellungsbehörden bzw. im Streitfall durch die Gerichte konkretisiert werden muß? I
1. Wertungsentscheidung Aufgrund des naturwissenschaftlichen Kerns der Lärmzumutbarkeitsgrenze wurde früher vertreten, daß die Festlegung des Zumutbaren ausschließlich dem Bereich von Naturwissenschaft und Technik zuzuordnen sei. Die Gerichte müßten diese Frage als außerrechtliche Fachfrage im Wege der Sachverhaltserrnittlung - in aller Regel durch Sachverständige - klären lassen. Die Aussagen der Sachverständigen könnten daher von der Verwaltung und im Streitfall von den Gerichten ohne weitere Prüfung übernommen werden. 32 Mittlerweile ist jedoch deutlich geworden, daß das sachliche Problem bei der Anwendung des § 9 Abs. 2 LuftVG darin liegt, daß für die Lärmeinwirkung nicht nur eine medizinische Indikation, sondern insbesondere auch soziale und kommunikative Faktoren ausschlaggebend sein können. So kann die Lärmbelastung von Stärke, Dauer, Häufigkeit, Tageszeit, Frequenzzusammensetzung und -auffälligkeit (Lärmart nebst Impulshaltigkeit), Informationshaltigkeit, Tonhaltigkeit, allgemeiner Ortsüblichkeit, individueller Gewöhnung, subjektiver Befindlichkeit des Betroffenen, Tätigkeit des Betroffenen, Art und Betriebsweise der Geräuschquelle, der subjektiv angenommenen Vermeidbarkeit des Geräusches und dem sozialen 30 Ständige Rechtsprechung seit BVerwG, Urt. vom. 07. 07. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (131); BVerwG, Urt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (357) - ZLW 1991, S. 428
(433). 31 Ule, in: Ule/Laubinger, Kommentar zum BlmSchG, § 3 Rn. 17; st. Rspr. vgl. z. B. BVerwG, Urt. vom 09. 02. 1995 - BVerwGE 97, S. 367 (373) - NVwZ 1995, S. 907 (909). 32 BVerwG, Urt. vom 07.07. 1978 - NJW 1979, S. 64 (69) in BVerwGE 56, S. 110 (132) insoweit nicht abgedruckt. 8 Franke
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3. Teil: Erforderlichkeit von Grenzwerten
Sympathiewert der Geräuschquelle abhängen. Diese Vielzahl von Faktoren kann nur äußerst unvollkommen in einem Meßwert quantifizierend wiedergegeben werden, ohne vorher wertende Einschränkungen und Rahmenbedingungen festzulegen. 33 "Lärm als ein auch sozial vermitteltes Geräuschereignis läßt sich (daher) nicht ausschließlich messen, sondern muß auch bewertet werden.,,34 Die Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Zumutbarkeit erfordert also eine Wertungsentscheidung der Planfeststellungsbehörde. 2. Behördlicher Gestaltungsspielraum
Für die Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Zumutbarkeit ist eine Wertungsentscheidung zu treffen. Eine solche Wertungsentscheidung ist gerade dadurch gekennzeichnet, daß unterschiedliche Gesichtspunkte berücksichtigt und wertend gegeneinander abgewogen werden müssen. Eine einzig rechtmäßige Entscheidung läßt sich dementsprechend nicht immer eindeutig feststellen. Fraglich und umstritten ist daher, inwieweit der Verwaltungsbehörde ein Beurteilungsspielraum zukommt, der dazu führt, daß ihre Entscheidung im Streitfall nur eingeschränkt der gerichtlichen Überprüfung unterliegt.
In der Literatur wird das Bestehen eines derartigen Beurteilungsspielraums bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe zu großen Teilen befürwortet. 35 Dies wurde anfangs im wesentlichen damit begründet, daß der Gesetzgeber durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe die Verwaltung zu eigenverantwortlichen, gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Entscheidungen ermächtige. Der Verwaltung als eigenständiger Staatsgewalt müsse ein eigener Verantwortungsbereich zugestanden werden. Für einen Beurteilungsspielraum spreche auch, daß unbestimmte Rechtsbegriffe unterschiedliche Wertungen zuließen, so daß es schon aus diesem Grunde nicht nur eine einzige richtige Lösung geben könne. Angeführt wurde weiterhin, daß die Verwaltung größere Sachkunde und Erfahrung besitze und den konkreten Verwaltungsproblemen näher stehe. Überdies seien einige Entscheidungen unvertretbar oder unwiederholbar. 36 Mittlerweile wird für das Bestehen eines Beurteilungsspielraums zunehmend eine normative Begründung angeführt. Allein das Vorliegen eines unbestimmten Rechtsbegriffs reicht danach für das Vorliegen eines Beurteilungsspielraums nicht aus. Vielmehr kann ein solcher nur dann angenommen werden, wenn die Behörde durch das jeweilige Gesetz zur abschließenden Beurteilung ermächtigt BVerwG, Urt. vom 20.10.1989 - BVerwGE 84, S. 31 (40 f.). BVerwG, Urt. vom 20. 10. 1989 - BVerwGE 84, S. 31 (40); BVerwG, Urt. vom 29.01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (361) - ZLW 1991, S. 428 (442). 35 Diese Lehre vom Beurteilungsspielraum wurde ursprünglich von Bachof, JZ 1955, S. 97 (98 ff.) entwickelt. 36 Vgl. Bachof, JZ 1955, S. 97 (99 f.); Franßen, in: FS für Zeidler, S. 429 (431 ff.); Ule, VerwArchiv 76 (1985), S. 1 (15 ff.). 33
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C. Konkretisierung der Zumutbarkeitsgrenze des § 9 Abs. 2 LuftVG
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wird. 37 Eine solche gesetzliche Ennächtigung muß jedoch nicht ausdrücklich normiert sein, sondern kann sich insbesondere im Wege der Auslegung der einzelnen Vorschriften ergeben. Auf diese Weise kommt es im Ergebnis stets darauf an, in welchem Zusammenhang ein unbestimmter Rechtsbegriff verwendet wird. Hieraus ergibt sich gleichzeitig, daß die Annahme eines Beurteilungsspielraums bei einem unbestimmten Rechtsbegriff im Einzelfall selten unumstritten ist. 38 Andere Stimmen in der Literatur stehen einem Beurteilungsspielraum bei unbestimmten Rechtsbegriffen hingegen eher kritisch gegenüber. Teilweise wird ein solcher grundsätzlich abgelehnt. 39 Teilweise ergibt sich die kritische Beurteilung aus Art. 19 Abs. 4 GG, der eine vollständige Überprüfung der Verwaltungsmaßnahmen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht erfordere. 4o Auch die Rechtsprechung geht davon aus, daß unbestimmte Rechtsbegriffe grundsätzlich gerichtlich voll überprüfbar sind und der Verwaltung dementsprechend keinerlei Beurteilungsspielraum zukommt. Ein "begrenzter Entscheidungsfreiraum" komme nur in Betracht, wenn unbestimmte Rechtsbegriffe wegen der hohen Komplexität und der besonderen Dynamik der geregelten Materie so vage und ihre Konkretisierung im Nachvollzug der Verwaltungsentscheidung so schwierig seien, daß die gerichtliche Kontrolle an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stÖßt. 41 Danach besteht ein Beurteilungsspielraum nach der Rechtsprechung nur bei Prüfungs- oder prüfungsähnlichen Entscheidungen42, bei beamtenrechtlichen Beurteilungen43 und bei Entscheidungen wertender Art durch weisungsfreie, mit Sachverständigen oder Interessenvertretern besetzte Ausschüsse. 44 Weiterhin ist ein Beurteilungsspielraum für Prognoseentscheidungen und Risikobewertungen vor allem im Bereich des Umweltrechts und Wirtschaftsrechts angenommen worden. 45 37 Kloepfer; Umweltrecht, § 8, Rn. 51; Schmidt-Aßmann, in: Maunz I Dürig I Herzog, GGKommentar, Art. 19 Abs. 4, Rn. 185; Wahl, NVwZ 1991, S. 409 (411); einschränkend Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 19 Abs. 4, Rn. 92 ff., der das Bestehen einer derartigen normativen Ermächtigung nur unter engen Voraussetzungen bejaht und auf die volle gerichtliche Überprütbarkeit als Regelfall hinweist; vgl. auch Schulze-Fielitz, JZ 1993, S. 772 (774 ff.) unter Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BVerfG. 38 Maurer; Allg. Verwaltungsrecht, § 7, Rn. 33. 39 Rupp, in: FS für Zeidler, S. 455 (463 ff.); Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40, Rn. 147 ff. 40 Kopp/Ramsauer; VwVfG, § 40, Rn. 73. 41 BVerfG, Beschl. vom 17.04. 1991 - BVerfGE 84, S. 34 (50); ausführlich zu der Rechtsprechung des BVerfG, vgl. Schulze-Fielitz, JZ 1993, S. 772 (774 ff.). 42 BVerwG, Urt. vom 24. 04. 1959 - BVerwGE 8, S. 272 (272 ff.). 43 BVerwG, Urt. vom 24. 11. 1994-BVerwGE97,S.128(129). 44 BVerwG, Urt. vom 13. 12. 1979 - BVerwGE 59, S. 213 (215 ff.); BVerwG, Urt. vom 06. 11. 1995 - BverwGE 99, S. 371 (377 ff.). 45 Zu Prognoseentscheidungen: BVerwG, Urt. vom 15. 04. 1988 - BVerwGE 79, S. 208 (213); zur Risikobewertung: BVerwG, Urt. vom 06.12. 1985 - BVerwGE 72, S. 300 (316 f.); BVerwG, Urt. vom 19. 01. 1989 - BVerwGE 81, S. 185 (190 ff.); BVerwG, Beschl. vom 15.04. 1998 - DVBI. 1999, S. 1138 (1139 f.).
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3. Teil: Erforderlichkeit von Grenzwerten
Für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze für Fluglänn gern. § 9 Abs. 2 LuftVG wird von der Rechtsprechung bisher die Annahme eines Beurteilungsspielraums abgelehnt. 46 Obwohl für die Festlegung der Zumutbarkeitsschwelle Wertungen und insbesondere gegenläufige Interessen zum Ausgleich gebracht werden müssen, handele es sich hierbei nicht um eine planerische Abwägung, sondern vielmehr um die bei der Ausfüllung von unbestimmten Rechtsbegriffen typische Gegenüberstellung von Gesichtspunkten, die bei einer interessenbezogenen Rechtsanwendung üblich sei. 47 Die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze unterliegt demnach der vollen gerichtlichen Kontrolle. 48
3. Kriterien des Bundesverwaltungsgerichts
Das Bundesverwaltungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung bestimmte Kriterien entwickelt, nach denen es im Streitfall die Zumutbarkeit von Fluglännbelästigungen konkretisiert. 49 Zwar hat es dabei immer wieder betont, daß die von ihm im Einzelfall angenommenen Grenzwerte kein Normersatz seien und stets eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung der jeweiligen Behörde bzw. des jeweiligen Gerichts zu treffen sei. 50 Die Rechtsprechung und die Behördenpraxis haben sich jedoch anders entwickelt. So ist es leicht einzusehen, daß die Behörden mit der Berücksichtigung einer derartigen Vielzahl von Kriterien regelmäßig überfordert sind. Die Übernahme der vom Bundesverwaltungsgericht gebilligten Grenzwerte bzw. Wertungskriterien erleichtert den Vollzug in hohem Maße. 51 Überdies können auf diese Weise Rechtsstreitigkeiten vermieden werden, die sich bei Abweichen von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ergeben würden und den Planungsprozeß noch mehr verzögern würden. 52
46 BVerwG, Urt. vom 30. 05. 1984 - BVerwGE 69, S. 256 (276); BVerwG, Urt. vom 29.01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (361) - ZLW 1991, S. 428 (441 f.); OVG Hamburg, Urt. vom 03.09.2001-3 E 37/98, S. 72. 47 BVerwG, Urt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (361) - ZLW 1991, S. 428 (442). 48 Anderes gilt jedoch für die behördliche Prognoseentscheidung im Hinblick auf die tatsächliche Entwicklung des Fluglärms. Hier muß der Behörde ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt werden und die gerichtliche Kontrolle darauf beschränkt werden, ob die zugrunde gelegte Prognose auf der Grundlage fachwissenschaftlicher Maßstäbe methodisch fachgerecht erstellt wurde, vgl. BVerwG, Urt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (355) - ZLW 1991, S. 428 (438). 49 BVerwG, Urt. vom 30. 05. 1984 - BVerwGE 69, S. 256 (276); ßYsk, ZLW 1998, S. 456 (483). 50 Vgl. z. B. BVerwG, Urt. vom 20. 10. 1989 - BVerwGE 84, S. 31 (41). 51 BVerwG, Beschl. vom 07. 12. 1998 - UPR 1999, S. 153 (153). 52 Hölder; in: Koch, Schutz vor Lärm, S. 171 (177).
C. Konkretisierung der Zumutbarkeitsgrenze des § 9 Abs. 2 LuftVG
117
a) Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit des betroffenen Grundstücks als Ausgangspunkt
Für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze kommt es entscheidend auf die Schutzbedürftigkeit und -würdigkeit des einzelnen Grundstücks an. Diese wird bestimmt durch die bebauungsrechtliche Gebietsstruktur, die tatsächlichen Verhältnisse und Vorbelastungen. 53 Die Anwendung genannter Kriterien führt dazu, daß ein Grundstück gegenüber einem Planvorhaben umso schutzwürdiger ist, je mehr es nach der Gebietsart berechtigterweise Schutz vor Immissionen erwarten kann und je mehr es durch Störfaktoren nicht tatsächlich belastet ist. Konsequenz sind nicht nur Unterschiede in der Schutzwürdigkeit von beispielsweise einerseits Wohngebieten und andererseits Industriegebieten, sondern ebenso auch Differenzierungen der Schutzwürdigkeit verschiedener WOhngebiete. 54 Die Anknüpfung des Lärmschutzes an das betroffene Grundstück entspricht dem Gesetzeswortlaut des § 9 Abs. 2 LuftVG, denn danach soll die Auferlegung von Schutzvorkehrungen "zur Sicherung der Benutzung der benachbarten Grundstücke" dienen. 55 Dennoch setzt sich diese Rechtsprechung dem Vorwurf aus, durch die Anknüpfung der planungsrechtlichen Ausgleichsregelungen an das Grundeigentum andere durch das Planungsvorhaben betroffene Rechtsgüter zu vernachlässigen. Dies gilt insbesondere für die ebenfalls grundrechtlich geschützten höchstpersönlichen Rechtsgüter der Gesundheit und körperlichen Unversehrtheit im Sinne des Art. 2 Abs. 2 GG. Zunächst reagierte das Bundesverwaltungsgericht auf diese Kritik mit dem Hinweis darauf, daß der Schutz des Grundeigentums den Schutz der anderen Rechtsgüter mitumfasse, weil mit der Gewährleistung einer durch Verkehrslärm nicht erheblich beeinträchtigten Grundstücksnutzung auch die Beeinträchtigung der personenbezogenen Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 GG ausgeschlossen sei. 56 Mittlerweile steht auch nach der Rechtsprechung der Schutz der Gesundheit und körperlichen Unversehrtheit im Sinne des Art. 2 Abs. 2 GG gleichberechtigt neben der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. I GG. 57 Dennoch wurde die Anknüpfung an das Grundstück für den Lärmschutz beibehalten.
53
BVeIWG, Vrt. vom 07. 07. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (131).
BVeIWG, Vrt. vom 07.07.1978 - BVerwGE 56, S. 110 (131). Anders als § 17 Abs. 4 FStrG a.F. wurde § 9 Abs. 2 LuftVG nicht dem Wortlaut nach an § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG angeglichen, der einen Schutz "Rechte anderer" normiert und somit eine weitere Formulierung enthält. 56 BVeIWG, Vrt. vom 14. 12. 1979 - BVerwGE 59, S. 253 (262). 57 Vgl. z. B. aus letzter Zeit: BVeIWG, Vrt. vom 21. 03. 1996 - BVerwGE 101, S. 1 (9 ff.) - NVwZ 1996, S. 1003 (1005). 54
55
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3. Teil: Erforderlichkeit von Grenzwerten
b) Kriterien zur Bestimmung der Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit
Die Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit eines durch Fluglänn betroffenen Grundstücks bestimmt sich maßgeblich durch die Gebietsart und eventuelle tatsächliche oder plangegebene Vorbelastungen. aa) Gebietsart Anhaltspunkte für die Schutzwürdigkeit des Grundstücks liegen zunächst einmal in der Zuordnung des Grundstücks zu einer Gebietsart. Für die Gebietsart ist dabei auf die bebauungsrechtlich geprägten Situation der Grundstücke abzustellen. Die Zumutbarkeit von Fluglänn in einem reinen oder allgemeinen Wohngebiet i. S. der §§ 3 und 4 BauNVO ist daher grundsätzlich anders zu beurteilen ist als in einem Industrie- und Gewerbegebiet im Sinne von §§ 8, 9 BauNVO. Was in einem geräuschernittierenden Industrie- und Gewerbegebiet an Fluggeräuschen noch zumutbar ist, kann in einem ausschließlich dem Wohnen dienenden Gebiet aufgrund der höheren Schutzwürdigkeit unerträglich sein. 58 Die Schutzwürdigkeit eines Grundstücks ist dabei umso höher, je mehr es nach der jeweiligen Gebietskategorie Schutz vor Immissionen erwarten kann. 59 Die Zumutbarkeit von Lännbelastungen ist dementsprechend untrennbar mit der Gebietsart verknüpft. Durch die an der BauNVO orientierte Trennung konfligierender Nutzungen und dem entsprechenden räumlich differenzierenden Zumutbarkeitsniveau wird ein Komprorniß zwischen Umweltschutz und Industriepolitik geschaffen. 6O bb) Lännvorbelastung Allerdings sind nicht alle Gebiete, die einer bestimmten Gebietsart der Baunutzungsverordnung zuzuordnen sind, schon deswegen gegenüber Verkehrsgeräuschen in gleicher Weise störanflillig. Vielmehr kann über die bebauungsrechtliche Einordnung eines Gebiets hinaus eine sich aus den jeweiligen tatsächlichen Verhältnissen ergebende Differenzierung im Hinblick auf seine Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit erforderlich sein. Diese jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse werden maßgeblich durch eventuell vorhandene tatsächliche oder plangegebene Vorbelastungen bestimmt. 61 Die Schutzwürdigkeit eines Grundstücks kann daher 58
BVerwG, Urt. vom 21. 05. 1976 - BVerwGE 51, S. 15 (30 f.) - NJW 1976, S. 1760
(1763).
BVerwG, Urt. vom 07. 07.1978 - BVerwGE 56, S. 110 (131). Koch, Immissionsschutz durch Baurecht, S. 171. 61 BVerwG, Urt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (357) - ZLW 1991, S. 428 (439); BVerwG, Urt. vom 21. 05. 1976 - BVerwGE 51, S. 15 (31 f.) - NJW 1976, S. 1760 (1763); OVG Hamburg, Urt. vom 03.09.2001-3 E 37/98, S. 76. 59
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C. Konkretisierung der Zumutbarkeitsgrenze des § 9 Abs. 2 LuftVG
119
durch derartige Vorbelastungen gemindert oder gar ausgeschlossen sein, sofern die Grenze zum Anspruch auf "Lärmsanierung" nicht erreicht wird. (1) Tatsächliche Lärmvorbelastung
Bei den tatsächlichen Vorbelastungen handelt es sich um bereits vorhandene Lärmeinwirkungen, denen ein Grundstück von seiner Umgebung her ausgesetzt ist. Eine tatsächliche Geräuschvorbelastung kann sich beispielsweise aus vorhandenem Gewerbe-, Straßenverkehrs- oder Fluglärm ergeben. Unerheblich ist hierbei, ob es sich im Vergleich zu dem prognostizierten Fluglärm um gleich- oder ungleichartige Lärmquellen handelt. 62 So kann sich beispielsweise die Schutzwürdigkeit eines reinen Wohngebiets mindern, wenn es - zumal im städtischen Ballungsraum gelegen - unter der situationsbedingten Einwirkung benachbarter Kern-, Industrie- oder Gewerbegebiete oder nahegelegener Verkehrswege ohnehin einer objektiv hohen Geräuschbelastung ausgesetzt ist. Hierzu gehören insbesondere auch die Lärmbelastungen, die bisher von dem (auszubauenden) Flughafen selbst ausgehen. 63 Nach der Rechtsprechung kann die tatsächliche Vorbelastung eines Grundstücks zu einer Einschränkung der Schutzwürdigkeit und - bedürftigkeit führen. 64 Muß der Grundstückseigentümer aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse der Umgebung, in der sein Grundstück liegt, mit Lärmbeeinträchtigungen rechnen, so ist er nicht schutzwürdig. Diese Wertung ergibt sich aus der Situationsgebundenheit von Grundstücken, deren Charakter insbesondere (neben der Gebietsart) von den konkreten tatsächlichen Verhältnisse der Umgebung des Grundstücks geprägt sein kann. 65 Aus diesem wertenden Schutzwürdigkeitsaspekt ergeben sich Folgen für das Kriterium der Kausalität. "Schutzvorkehrungen sind nur dann zu treffen, wenn und soweit durch die hinzutretenden Lärmimmissionen der Pegel des nunmehr auftretenden Gesamtgeräuschs den früher vorhandenen Lärmpegel in beachtlicher Weise erhöht und gerade in dieser Erhöhung eine zusätzliche und auch unzumutbare Belastung liegt.,,66 Hier wird also eine subtraktive Bewertung vorgenommen, bei der nur die Differenz der Pegel von Belastung und (niedrigerer) Vorbelastung das BVerwG, Urt.vom07.07. 1978-BVerwGE 56, S. 11O(131f.). BVerwG, Urt. vom 07. 07. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (132). 64 BVerwG, Urt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (357) - ZLW 1991, S. 428 (439 f.); OVG Hamburg, Urt. vom 03.09.2001-3 E 37/98, S. 76. 65 BVerwG, Urt. vom 07.07. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (132); Billigkeitserwägungen, wonach ein vorbelastetes Grundstück erst recht schutzwürdig und -bedürftig sei, lehnt das Bundesverwaltungsgericht ab, vgl. BVerwG, Urt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (357) - ZLW 1991, S. 428 (439). 66 BVerwG, Urt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (357) - ZLW 1991, S. 428 (439); so auch BVerwG, Urt. vom 21. 05. 1976 - BVerwGE 51, S. 15 (32) - NJW 1976, 1760 (1763); BVerwG, Urt. vom 14. 12. 1979 - BVerwGE 59, S. 253 (267 f.). 62 63
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3. Teil: Erforderlichkeit von Grenzwerten
Maß der schutzbedürftigen Verschlechterung der Lärmsituation bezeichnet. Nach allgemeinen Erkenntnissen der Akkustik liegt beim äquivalenten Dauerschallpegel erst eine Differenz von 3 dB (A) im Bereich der subjektiven Wahrnehmbarkeitsgrenze. Um also von einer beachtlichen Veränderung des Gesamtgeräusches im Sinne der Rechtsprechung auszugehen, muß der hinzutretende Fluglärm eine Erhöhung mindestens um diesen Pegel erbringen. 67 Verschlechtert nämlich der neu hinzutretende Lärm die bisherige Lärmsituation nicht oder nur unwesentlich, so scheidet eine ausgleichspflichtige erhebliche Beeinträchtigung von vornherein aus, da Fluglärm, der in einem vorhandenen Geräuschpegel aufgeht, keine zusätzlichen Nachteile für den Betroffenen bewirkt. 68 Dies entspricht auch dem in § 9 Abs. 2 LuftVG normierten, im Umweltrecht grundsätzlich geltenden Verursacherprinzip.69 Danach sollen nur die Gefahren und Nachteile, die tatsächlich von dem geplanten Flughafen auf seine Umgebung ausgehen und insofern im Flughafenbetrieb ihre Ursache haben, dem Vorhabenträger mit der Folge zuzurechnen sein, daß er zu ihrer Abwendung oder doch zu ihrer Verminderung verpflichtet werden kann. Damit wäre nicht vereinbar, dem Vorhabenträger die Finanzierung von Schutzvorkehrungen für Lärmbeeinträchtigungen aufzuerlegen, die nicht er selbst durch das planfestzustellende Vorhaben verursacht hat. Eine "Verantwortungsgemeinschaft der Emittenten" im Hinblick auf die Lärmvorbelastungen ist demnach abzulehnen. § 9 Abs. 2 LuftVG schafft auf diese Weise einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen des Flughafenbetreibers und der betroffenen Anwohner. 7o (2) Plangegebene Lärmvorbelastung
Neben der tatsächlichen Vorbelastung kann sich nach Auffassung der Rechtsprechung auch die planerische Vorbelastung schutzrnindernd auswirken. Die für den Gebietscharakter und die Schutzwürdigkeit entscheidende Lage des Grundstücks wird zwar in erster Linie durch die vorhandene Bebauung und bestehende Nutzungsregelungen geprägt, doch können diese auch durch erkennbar bevorstehende Veränderungen beeinflußt werden. 7! Eine plangegebene Vorbelastung liegt vor, wenn ein Anwohner aufgrund einer zwar noch nicht verwirklichten, aber bereits verfestigten Planung mit erhöhten Immissionen rechnen muß. Diese Wirkung kann auch von einer noch nicht abgeVG Frankfurt, Beschl. vom 02. 09.1996 - ZLW 1997, S. 407 (417). BVerwG, Vrt. vom 28. 10. 1998 - BVerwGE 107, S. 350 (356 f.). 69 BVerwG, Vrt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (358) - ZLW 1991, S. 428 (440). 70 BVerwG, Vrt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (358) - ZLW 1991, S. 428 (440). Eine solche wäre dann anzunehmen, wenn eine summative Betrachtungsweise vorgenommen würde, so daß in die rechtlich relevante Lärmbelastung alle auf den Betroffenen einwirkenden Geräuschimmissionen einfließen. 71 BVerwG, Vrt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (364) - ZLW 1991, S. 428 (443). 67
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C. Konkretisierung der Zumutbarkeitsgrenze des § 9 Abs. 2 LuftVG
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schlossenen Planung ausgehen, allerdings muß diese so weit verfestigt sein, daß ihre Verwirklichung zu erwarten war. 72 Entscheidend ist die hinreichende Erkennbarkeit der planerischen Absichten einerseits und "ein deutliches Maß an Ernsthaftigkeit des vorgehenden Projekts" andererseits. Eine derartige Verfestigung tritt normalerweise mit der Auslegung der Planunterlagen im Anhörungsverfahren ein. 73 Im luftverkehrsrechtlichen Planungsverfahren kann jedoch sogar eine Vorverlagerung dieses Zeitpunktes eintreten. Dies ist dann der Fall, wenn das vorverlagerte Genehmigungsverfahren nach § 6 LuftVG so gestaltet ist, daß bereits hier eine hinreichende Erkennbarkeit der planerischen Absichten und ein deutliches Maß an Ernsthaftigkeit gegeben ist. 74 Allerdings kann auch in einem solchen Falle zugunsten des Betroffenen auf den Zeitpunkt des Erlasses der Planfeststellung abgestellt werden. 75 Zu berücksichtigen ist, daß die plangegebene Vorbelastung oftmals durch eine höhere tatsächliche Vorbelastung überlagert wird. In einem solchen Fall wird die Situation der betroffenen Grundstücke durch die tatsächliche Vorbelastung geprägt und eine eventuelle plangegebene Vorbelastung tritt zurück. Hält sich allerdings die tatsächliche Vorbelastung im Rahmen der zulässigen Werte oder liegt gar keine tatsächliche Vorbelastung vor, so greift das Institut der plangegebenen Vorbelastung dann ein, wenn durch die Planung höhere oder gänzlich neue Lärmimmissionen verursacht werden. 76 Die planerische Vorbelastung führt grundsätzlich dazu, daß Schutzansprüche betroffener Flughafenanlieger gemindert werden und künftiger Fluglärm zu dulden ist, wenn sie z. B. aufgrund bestehender Pläne mit den durch die Anlage des Flughafens verbundenen zukünftigen Lärmimmissionen rechnen mußten. 77 Allerdings sind der schutzmindernden Wirkung einer plangegebenen Vorbelastung auch Grenzen gesetzt. Eine derartige Vorbelastung ist dann abzulehnen, wenn die Planung ihrerseits auf eine bebauungsrechtlich verfestigte Situation trifft. Eine solche liegt dann vor, wenn das Grundstück zum Zeitpunkt der Verfestigung der Fachplanung bereits baulich nutzbar ist. 78 Im übrigen ist zu beachten, daß Gegenstand der Erwartungen nur die Realisierung eines Vorhabens sein kann, das hinsichtlich der technischen Ausgestaltung den geltenden rechtli72 BVerwG, Urt. vorn 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (364) - ZLW 1991, S. 428 (443). 73 BVerwG, Urt. vorn 22. 05. 1987 - BVerwGE 77, S. 285 (293) - NJW 1987, S. 2886 (2888); BVerwG, Urt. vorn 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (364) - ZLW 1991, S. 428 (443). 74 Dies wird zumeist der FalI sein, denn die luftrechtliche Genehmigung setzt eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage voraus, die einen weit stärkeren Planungswillen dokumentiert als die Planauslegung, vgl. Schmidt, Rechtsfragen, S. 159 (160). 75 BVerwG, Urt. vorn 29.01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (364) - ZLW 1991, S. 428 (443). 76 Schmidt, Rechtsfragen, S. 159 (164). 77 BVerwG, Urt. vorn 21. 05. 1976 - BVerwGE 51, S. 15 (32) - NJW 1976, S. 1760 (1763). 78 BVerwG, Urt. vorn 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (365) - ZLW 1991, S. 428 (443 f.).
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3. Teil: Erforderlichkeit von Grenzwerten
chen Anforderungen entspricht. 79 Kann demnach der Lärm durch Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes vermindert werden, so kann auch der vorbelastete Betroffene solche Maßnahmen im gleichen Umfang wie der nicht-vorbelastete Dritte verlangen. 8o Nur soweit dies nicht möglich ist, weil aktiver Lärmschutz versagt oder Schutzvorkehrungen unverhältnismäßig bzw. mit dem Vorhaben unvereinbar sind, sind Minderung des Schutzniveaus im Hinblick auf Maßnahmen des passiven Schallschutzes oder der Entschädigungshöhe hinzunehmen. 81 (3) "Lännsanierung"
Tatsächliche oder plangegebene Vorbelastungen muß der betroffene Eigentümer demnach grundsätzlich hinnehmen, da seine Schutzbedürftigkeit und seine Schutzwürdigkeit durch eine bestehende Lärmvorbelastung gemindert werden. Eine "Lärmsanierung" im Sinne einer Verbesserung der bestehenden Lärmbelastungssituation kann er erst dann beanspruchen, wenn die Vorbelastung "schwer und unerträglich" ist und somit die Grenze überschreitet, oberhalb derer das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) verletzt wird oder das Recht auf Nutzung des Eigentums nur gegen Entschädigung eingeschränkt werden darf (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG).82 In diesem Fall wird nicht wegen, sondern aus Anlaß der Planung Lärmschutz gewährt. 83 c) Zusammenfassung betroffener Gebiete
Die Frage der Zumutbarkeit ist grundsätzlich nicht aufgrund von überschauendregionaler Betrachtung zu beantworten, sondern muß im Sinne einer Einzelfallbetrachtung individuell für die einzelnen betroffenen Grundstücke beantwortet werden. Es muß also auf die individuelle Betroffenheit und die individuelle Zumutbarkeit der Lärmeinwirkungen abgestellt werden. Der zu erwartende Fluglärm dürfte nämlich zahlreiche Grundstücke in der Umgebung des Flughafens treffen, deren Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit nicht gleich sind, da sie beispielsweise in unterschiedlichen Gebietsarten gelegen oder durch anderweitigen Lärm unterschiedlich vorbelastet sind. Gerade bei Großprojekten muß damit gerechnet werden, daß sich in der Umgebung die maßgebliche "individuelle und relative Zumutbarkeitsgrenze" in vielfacher Weise unterscheidet. 79 BVerwG, Urt. vom 22. 05. 1987 - BVerwGE 77, S. 285 (294) - NJW 1987, S. 2886 (2889). 80 Vgl. Schmidt, Rechtsfragen, S. 159 (167). 81 Bartunek, Drittschutz, S. 168; Kuschnerus, in: Koch, Schutz vor Lärm, S. 93 (98); Schmidt, Rechtsfragen, S. 159 (166). 82 BVerwG, Urt. vom 22. 03. 1985 - BVerwGE 71, S. 150 (155); BVerwG, Urt. vom 20.08. 1990 - ZLW 1991, S. 50 (57); OVG Nordrhein-Westphalen, Urt. vom 28.04. 1989ZLW 1991, S. 61 (82). 83 BVerwG, Urt. vom 14. 12. 1979 - BVerwGE 59, S. 253 (265 f.).
C. Konkretisierung der Zumutbarkeitsgrenze des § 9 Abs. 2 LuftVG
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Vermag die Behörde den Unterschieden nicht sinnvoll Rechnung zu tragen (aufgrund der Vielzahl der Fälle), kann sie durch Ausweisung eines Schutzgebiets gleichartig betroffene Grundstücke zusammenfassen. Die Planungsbehörde geht dann in einer Art Meistbegünstigung davon aus, daß allen im Schutzgebiet liegenden Grundstücken Schallschutzmaßnahmen gewährt werden sollen.84 Die Ausweisung eines Schutzgebiets im Planfeststellungsbeschluß hat allein die Funktion, den Betroffenen konkret zu vermitteln, wer von ihnen anhand der durch das Schutzziel beschriebenen Zumutbarkeitsgrenze mit Ansprüchen auf Schallschutzmaßnahmen rechnen kann. Rechtsbegründend für einen solchen Anspruch ist aber natürlich nicht der Umstand, daß das jeweilige Grundstück innerhalb des im Planfeststellungsbeschluß ausgewiesenen Schutzgebiets liegt, sondern allein, daß die Lärmbelastung auf dem Grundstück die Zumutbarkeitsgrenze überschreitet. Die Einbeziehung eines Grundstücks in ein Schutzgebiet ist daher nicht konstitutiv für einen Anspruch, sondern sie gewährt lediglich einen "argumentativen" Vorteil. d) Zusätzliche Abwägung
Über die genannten Kriterien hinaus könnte die Feststellung der Zumutbarkeitsgrenze eine Würdigung bzw. Wertung eventuell gegenläufiger Interessen unter Berücksichtigung aller für den Einzelfall bedeutsamen Umstände erfordern. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu dieser Frage ist allerdings nicht eindeutig. 85 So hat das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf Verkehrsgeräusche auf der einen Seite entschieden, daß Nachteile und Belästigungen nur erheblich seien, wenn sie der jeweiligen Umgebung mit Rücksicht auf deren Gebietsart und die durch die tatsächlichen Verhältnisse bestimmte Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit nicht mehr zugemutet werden könnten. 86 Eine bilanzierende Gesamtrechnung im Rahmen der Schutzvorkehrungsvorschrift sei nicht vorzunehmen, denn diese solle gerade der planerischen Abwägung eine strikte Grenze setzen. 87 Auf der anderen Seite hat das Bundesverwaltungsgericht auch die Auffassung vertreten, daß Verkehrsgeräusche nur dann erheblich sein sollen, wenn sie dem 84 BVerwG, Urt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (359) - ZLW 1991, S. 428 (440); BVerwG, Urt. vom 30. 05. 1984 - BVerwGE 69, S. 256 (276). 85 Für eine derartige Abwägungsentscheidung, vg!. BVerwG, Besch!. vom 17. 06. 1998 ZLW 1999, S. 244 (248); BVerwG, Urt. vom 20.10. 1989 - BVerwGE 84, S. 31 (44), spricht
sich gegen eine bilanzierende Gesamtrechnung im Rahmen der Schutzauflagenvorschrift des § 17 Abs. 4 FStrG a.F. aus, denn diese solle gerade die planerische Abwägung nach § 17 Abs. 1 FStrG a.F. begrenzen. 86 BVerwG, Urt. vom 07. 07. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (131); BVerwG, Urt. vom 20. 10. 1989 - BVerwGE 84, S. 31 (39). 87 BVerwG, Urt. vom 20. 10. 1989 - BVerwGE 84, S. 31 (44) für die materiell dem § 9 Abs. 2 LuftVG entsprechende Regelung des § 17 Abs. 4 FStrG a.F.
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3. Teil: Erforderlichkeit von Grenzwerten
Betroffenen auch unter Würdigung der besonderen Bedeutung eines leistungsfähigen Verkehrsnetzes für die Allgemeinheit wie für den Einzelnen billigerweise nicht mehr zumutbar seien. 88 So solle gerade durch die Vorschrift des § 9 Abs. 2 LuftVG ein Ausgleich zwischen den gegenläufigen Interessen des Aughafenuntemehmers einerseits und der Anlieger andererseits geschaffen werden. 89 Die Bestimmung der konkreten Akzeptanzschwelle erfordere demnach eine Wertung, "die im Sinne einer "Güterabwägung" die konkreten Gegebenheiten zum einen der emittierenden Nutzung, zum anderen der immissionsbetroffenen Nutzung in Betracht zieht. ,,90 Zwar solle' bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsschwelle keine planerische Abwägung stattfinden, doch müßten für die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Erheblichkeit alle wesentlichen Gesichtspunkte gegenübergestellt und gewertet werden, wie dies bei einer interessen bezogenen Rechtsanwendung üblich sei. 91 In einem Fall werden also die hinter dem Vorhaben stehenden gegenläufigen Interessen beriicksichtigt, in einem anderen nicht. Eine einheitliche Entscheidung für oder gegen eine allgemeine Güterabwägung läßt die Rechtsprechung vermissen. Die Unterschiede der Lärmgrenzwerte beispielsweise in den Planfeststellungsbeschlüssen für den Flughafen München 11 und den Ausbau der Aughäfen Stuttgart und Düsseldorf legen jedoch nahe, daß gegenläufige Interessen, insbesondere der konkrete Rang und Widmungszweck des jeweiligen Aughafens, in die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze miteinbezogen wurden. 92
4. Schutzziele für Wohngebiete
Die Rechtsprechung hat bestimmte Schutzziele für die Zumutbarkeit von Auglärmbeeinträchtigungen in Wohngebieten entwickelt. 93 Danach muß sich die zumutbare Lärmbelastung aus ihrer Bestimmung zum "Wohnen" ergeben. Dieser 88 BVenvG, Besch!. vom 17.06. 1998 - ZLW 1999, S. 244 (248); BVenvG, Urt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (361) - ZLW 1991, S. 428 (442); BVenvG, Urt. vom 22. 05. 1987 - NJW 1987, S. 2886 (2886) - in BVerwGE 77, S. 285 ff. insoweit nicht abgedruckt; BVenvG, Urt. vom 22. 03. 1985 - BVerwGE 71, S. 150 (155). 89 BVenvG, Urt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (357) - ZLW 1991, S. 428 (440). 90 BVenvG, Urt. vom 29. 04. 1988 - BVerwGE 79, S. 254 (260) - NJW 1988, S. 2396 (2397) allerdings zu den Lärmimmissionen einer Feueralarmsirene. 91 BVenvG, Urt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (361 f.) - ZLW 1991, S. 428 (442). Das Bundesverwaltungsgericht stellt in seinem Urteil ausdrücklich klar, daß der Behörde dennoch kein Gestaltungsspielraum eingeräumt werden dürfe. 92 "ysk, ZLW 1998, S. 456 (484); zu den unterschiedlichen Grenzwerten, vg!. Hofmann/ Grabherr; LuftVG, § 9, Rn. 68. 93 Unter Schutzziel wird grundSätzlich nicht das Schutzgut, sondern das Ausmaß des Schutzes des jeweiligen Schutzgutes (beispielsweise der menschlichen Gesundheit) verstanden, Umweltgutachten 1996, Tz. 741.
C. Konkretisierung der Zumutbarkeitsgrenze des § 9 Abs. 2 LuftVG
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Begriff des Wohnens umfaßt sowohl das Leben innerhalb der Gebäude als auch eine angemessene Nutzung der Außenwohnbereiche wie Balkone, Terrassen, Hausgärten, Kinderspielplätze und sonstige Grün- und Freiflächen. 94 a) Innenwohnbereich
Für nicht vorbelastete Wohngebiete setzt die angemessene Befriedigung der Wohnbedürfnisse insbesondere voraus, daß innerhalb der Gebäude eine durch Außengeräusche nicht beeinträchtigte Entfaltung des Lebens der Anwohner möglich ist. Hierzu gehört am Tag und in den Abendstunden insbesondere die Möglichkeit einer ungestörten Kommunikation im weitesten Sinne. In der Nacht muß die Möglichkeit des störungsfreien Schlafens gewährleistet sein. 95 Für diese Anforderungen ist nicht auf die Nutzung der Gebäude nur bei geschlossenen Fenstern und Türen abzustellen; vielmehr gehört zu den schützenswerten Wohnbedürfnissen auch das übliche Wohnverhalten und damit die Möglichkeit des Wohnens und Schlafens auch bei "gelegentlich" geöffneten Fenstern. 96 aa) Vermeidung von Kommunikationsstörungen Während des Tages muß eine den Verhältnissen angemessene soziale und kommunikative Lebensweise gewährleistet werden. Hierfür ist die Möglichkeit der Kommunikation im weitesten Sinne (d. h. auch der Mediennutzung) ein geeigneter Maßstab. 97 Insbesondere Störungen der Kommunikation können demnach indizieren, daß die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle überschritten ist. 98 Im Wohnbereich sollte nicht nur eine gute Sprachverständlichkeit bei mittlerer Sprechweise, sondern auch bei entspannter Unterhaltung mit ruhiger Sprechweise über Entfernungen von mehr als 1 m gegeben sein. 99 Dieses "kommunikative Opti94 BVeIWG, Urt. vom 07. 07. 1978 - NJW 1979, S. 64 (69) in BVerwGE 56, S. 110 (132) insoweit nicht abgedruckt. 95 BVeIWG, Urt. vom 07. 07. 1978 - NJW 1979, S. 64 (69) in BVerwGE 56, S. 110 (132) insoweit nicht abgedruckt. 96 BVeIWG, Urt. vom 21. 05. 1976 - BVerwGE 51, S. 15 (33) - NJW 1976, S. 1760 (1764); dies kann zur Folge haben, daß selbst bei Schallschutzfenstem (die das Maß der Lärmbelästigung auf ein zumutbares reduzieren) ein auszugleichender Rest an Beeinträchtigung übrigbleibt, vgl. VGH Mannheim, Urt. vom 19. 01. 1983 - DÖV 1983, S. 512 (514 f.). 97 BVeIWG, Urt. vom 21. 05. 1976 - BVerwGE 51, S. 15 (33) - NJW 1976, S. 1760 (1764); BVeIWG, Urt. vom 30. 05. 1984 - BVerwGE 69, S. 256 (276); Umweltgutachten 1987, Tz. 1433. 98 BVeIWG, Urt. vom 29. 01. 1991 - ZLW 1991, S. 428 (442) - in BVerwGE 87, S. 332 ff. insoweit nicht abgedruckt. 99 BVeIWG, Urt. vom 29. 01. 1991 - ZLW 1991, S. 428 (442) - in BVerwGE 87, S. 332 ff. insoweit nicht abgedruckt; Umweltgutachten 1987, Tz. 1434.
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3. Teil: Erforderlichkeit von Grenzwerten
mum" ist erreicht, wenn die Kurzzeitmittelungspegel während der Kommunikation 40 dB (A) nicht überschreiten. loo Welches Maß an Beeinträchtigung dieses kommunikativen Optimums rechtlich hinzunehmen ist, ist für den jeweiligen Einzelfall zu bestimmen. So ist beipielsweise im Gebäudeinneren die bauliche Ausstattung des Gebäudes sowie die Dämmwirkung von Fenstern einzurechnen. 101 Auch kann es im Einzelfall (insbesondere bei lauten Einzelereignissen mit ausreichenden Pausen) zumutbar erscheinen, die Kommunikationsbedingungen durch Anhebung der Stimme, Schließen der Fenster oder Unterbrechung der Unterhaltung dem Lärm anzupassen. 102 Wie das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung betont, läßt sich - außer durch den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber - nicht allgemein festlegen, wann die Zumutbarkeitsschwelle überschritten wird. Es kommt vielmehr stets auf den Einzelfall an. Dementsprechend hat die Rechtsprechung teilweise sehr unterschiedliche Lärmgrenzwerte festgelegt. Für den Flughafen München 11 wurden im Rauminneren von Aufenthaltsräumen bei geschlossenen Fenstern keine höheren Spitzenpegel als 55 dB (A) für zulässig erklärt. 103 Das Tagschutzgebiet ist durch eine Kombination zweier Außenpegel zu begrenzen: 55 dB (A) Dauerschall und 72 dB (A) Spitzenschall 104 (mit zugelassener 16maliger Überschreitung am Tag).I05 Für Sanierungsgebiete des Flughafens Stuttgart gilt hingegen für die Innenwohnbereiche ein äquivalenter Dauerschallpegel im Freien von 70 dB (A) tagsüber und 60 dB (A) während der Nacht. 106 In Außenwohnbereichen darf ein äquivalenter Dauerschallpegel von 80 dB (A) nicht überschritten werden. Für den Flughafen Düsseldorf wurde wiederum festgelegt, daß im Rauminneren keine höheren Spitzenpegel als 55 dB (A) in dem Bereich eines äquivalenten Dauerschall100 BVerwG, Beschl. vom 17. 05. 1995 - NJW 1995, S. 2572 (2573); Umweltgutachten 1987, Tz. 1434. 101 BVerwG, Urt. vom 05.03.1997 - BVerwGE 104, S. 123 (130 f.) - NVwZ 1998, S. 513 (515). Zur Dämmwirkung von Fenstern, vgl. Umweltgutachten 1987, Tz. 1433: bei geöffneten Fenstern besteht eine Außen-innen-Differenz von etwa 10 dB (A), bei teilweise geöffnetem Fenster eine Differenz von 15 dB (A) und bei geschlossenen Normalfenstern guter Qualität etwa 25 dB (A). Bei alter Baurnasse oder Gebäuden mäßigen Standards sollte man etwa mit 20 dB (A) rechnen. 102 BVerwG, Urt. vom 29. 01. 1991- ZLW 1991, S. 428 (442) - in BVerwGE 87, S. 332 ff. insoweit nicht abgedruckt; OVG Hamburg, Urt. vom 03.09.2001-3 E 37/98, S. 106; das Umweltgutachten 1987, Tz. 1433, weist jedoch zutreffend darauf hin, daß bei hohen Maximalpegeln eine erhebliche Minderung der Satzverständlichkeit eintritt und dies bei nicht wiederholbaren Kommunikationspassagen (z. B. bei der Mediennutzung) besonders störend ist. 103 BVerwG, Urt. vom 29.01. 1991-BVerwGE 87, S. 332 (362)-ZLW 1991, S. 428 (442). 104 Hier muß die Dämmwirkung von Schallschutzfenstern eingerechnet werden. 105 BayVGH, Urt. vom 27. 07.1989 - DVB1.1990, S. 114 (115). 106 VGH Baden-Württemberg, Urt. vom 19.06. 1989 - DVBl. 1990, S. 108 (112 f.); wichtig erscheint es, darauf hinzuweisen, daß diese Werte nicht nach dem FluglSchG, sondern nach der DIN 45643 ermittelt wurden, die im Vergleich zum FluglSchG zu leicht erhöhten Werten führt. Außerdem handelt es sich bei der Grenzziehung um eine Lärmsanierung, die erst bei Überschreiten der enteignungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle notwendig wird.
C. Konkretisierung der Zumutbarkeitsgrenze des § 9 Abs. 2 LuftVG
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pegels von 67 dB (A) auftreten dürfen. Für schutzwürdige Einrichtungen (u. a. Krankenhäuser und Schulen) gilt eine Zumutbarkeitsgrenze mit maximalen Innenpegeln von 55 dB (A) in einem Bereich mit einem äquivalenten Dauerschallpegel von 62 dB (A).107 Für den Flughafen Hamburg wurden äquivalente Dauerschallpegel (außen) für vier Zeitbereiche festgelegt, die zwischen 64 dB (A) bis 74 dB (A) liegen. I08 Zudem sollten Innenspitzenpegel von 55 dB (A) tagsüber nicht überschritten werden. 109 Es wird deutlich, daß sich die Lärmgrenzwerte der Rechtsprechung nicht nur in ihrer Höhe unterscheiden, sondern auch darin, ob die Lärmwerte Innen- oder Außenpegel darstellen, ob sie für den Innenwohnbereich oder den Außenwohnbereich gelten, ob es sich um Spitzenpegel oder äquivalente Dauerschallpegel handelt, ob nach bestimmten Zeitzonen (und wenn, welchen) unterschieden wird, welches Berechnungsverfahren angewendet wurde und welche Vorbe1astungen für die jeweiligen Gebiete bestanden. bb) Vermeidung von Aufwachreaktionen Wegen ihres unmittelbaren Bezuges zur Gesundheit werden insbesondere nachtlärmbedingte Schlafstörungen kritisch gesehen, da sie zu streßbedingten Hormonausschüttungen und langfristig zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen können. Der Nachtschutz soll daher einen möglichst störungsfreien Schlaf (auch bei gelegentlich geöffneten Fenstern) und insbesondere die Vermeidung von Aufwachreaktionen gewährleisten. I 10 Dementsprechend sind für Flughafen München 11 im Rauminneren fluglärmbedingte Spitzenpegel von 55 dB (A) am Ohr des Schläfers für zulässig erklärt worden mit der Ergänzung, daß maximal 6 nächtliche Fluglärmereignisse im Freien über 75 dB (A) Spitzenpegelliegen können. 111 Auch für den Flughafen Düsseldorf gilt, daß im Rauminneren keine höheren fluglärmbedingten Spitzenpegel als 55 dB (A) eintreten dürfen, wobei hier im Freien maximal 5 Schallereignisse pro Nacht über 79 dB (A) auftreten dürfen. 112 Für den Flughafen Hamburg wurde festgelegt, 107 PIanfeststellungsbeschluß für den Flughafen Düsseldorf; bestätigt durch: OVG Nordrhein-Westphalen, Drt. vom 28. 04. 1989 - ZLW 1991, S. 61 (63 ff.); vgl. auch Hofmann/ Grabherr, LuftVG, § 9, Rn. 68. 108 OVG Hamburg, Drt. vom 03.09.2001-3 E 37/98, S. 99, 103 ff. Für den Zeitbereich zwischen 19 und 22 Dhr soll dabei bei geschlossenen Fenstern ein Schutzzie1 von 40 dB (A) Dauerschallpegel innen eingehalten werden. 109 OVG Hamburg, Drt. vom 03.09.2001-3 E 37/98, S. 105. 110 BVerwG, Drt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (373); OVG Hamburg, Drt. vom 03. 09. 2001-3 E 37/98, S. 80. 111 BVerwG, Drt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (372) - ZLW 1991, S. 428 (449); VGH München, Drt. vom 25. 02.1998 - NVwZ-RR 1998, S. 490 (492). 112 OVG Nordrhein-Westphalen, Drt. vom 28. 04.1989 - ZLW 1991, S. 61 (62).
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3. Teil: Erforderlichkeit von Grenzwerten
daß bei geschlossenen Fenstern Dauerschallpegel von 36 dB (A) und Maximalpegel von 55 dB (A) nicht überschritten werden dürfen. 113 Allerdings orientiert sich die Rechtssprechung bisher maßgeblich an der Aufweckschwelle, die bei Maximalpegeln am Ohr des Schläfers bei 55 dB(A) liegen SOll.114 Vegetative (Streß-) Reaktionen sowie Schlafstadienwechsel, die unterhalb der Aufweckgrenze ausgelöst werden können, sind nach der Rechtsprechung nicht in den Schutzgegenstand miteinzubeziehen. 115 Zwar weisen neuere Untersuchungen darauf hin, daß bereits unterhalb der Aufweckgrenze Reaktionen ausgelöst werden, deren gesundheitsgefährdende Wirkung nicht von der Hand gewiesen werden kann. Danach haben bereits 16 Überflugereignisse mit Maximalpegeln von 55 dB(A) zwischen 0:00 und 4:00 Uhr Streßhormonerhöhungen und Verschlechterungen der Schlafqualität bei "älteren Flughafenanwohnern" zur Folge. Allerdings lägen solche Verhältnisse an keinem Flughafen vor, so daß eine Übertragbarkeit scheitert. 116 Sie erhärteten aber die These, daß auch Nachtfluglärm als ausgesprochender Distreß zu bewerten ist. 117
b) Außenwohnbereich Gleichzeitig ist auch die Nutzung der Außenbereiche wie Balkone, Terrassen, Hausgärten und sonstige Grün- und Freiflächen geschützt. Es ist jedoch festzuhalten, daß nicht grundsätzlich das gesamte Grundstück schutzwürdig ist. Geschützt wird vielmehr nur der Außenwohnbereich. Bei Freiflächen von Grundstücken ist dementsprechend deren Schutzbedürftigkeit je nach der Lage und der bestimmungsgemäßen Nutzung konkret festzustellen. Dementsprechend nicht schutzwürdig sind beispielsweise Vorgärten, die nur dem Schmuck des Anwesens dienen, und Balkone, wenn sie nicht dem dauernden Aufenthalt der Bewohner zu dienen bestimmt sind. 118 Ebenso wie im Innenbereich kommt es auch für die Nutzung des Außenwohnbereichs darauf an, daß die Möglichkeit einer weitgehend ungestörten Kommunikation gewährleistet wird. Zur Nutzungsmöglichkeit der Außenwohnbereiche ist allerdings anzumerken, daß dort die Lärmerwartung höher ist als in den Innenwohnbereichen, OVG Hamburg, Urt. vom 03.09.2001-3 E 37/98, S. 80. BVerwG, Urt. vom 27. 10. 1998 - BVerwGE 107, S. 313 (329 f.); BVerwG, Urt. vom 29.01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (372) - ZLW 1991, S. 428 (449); ausführlich hierzu mit den aktuellen Ergebnissen der Lännwirkungsforschung, vgl. OVG Hamburg, Urt. vom 03.09.2001-3 E 37/98, S. 82 ff. 115 BVerwG, Urt. vom 27. 10. 1998 - BVerwGE 107, S. 313 (329 f.); in Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der aktuellen Lännwirkungsforschung, vgl. auch: OVG Hamburg, Urt. vom 03.09.2001-3 E 37/98, S. 82 ff., 87 ff. 116 BVerwG, Urt. vom 27. 10. 1998 - BVerwGE 107, S. 313 (330). 117 BVerwG, Urt. vom 27.10.1998 - BVerwGE 107, S. 313 (330). 118 BVerwG, Urt. vom 11. 11. 1988 - NVwZ 1989, S. 255 (256). 113
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C. Konkretisierung der Zumutbarkeitsgrenze des § 9 Abs. 2 LuftVG
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da sich die Nutzung des Außenwohnbereichs nicht nur passiv auf Erholung und Entspannung beschränkt, sondern auch aktive lärmverursachende Tatigkeiten vorgenommen werden. 1l9 Außerdem liegt das zeitliche Schwergewicht der häuslichen Lebensgestaltung aufgrund der Wiuerungsverhältnisse eindeutig im Innenwohnbereich. 120 Daher ist im Außenwohnbereich die Festlegung einer höheren Zumutbarkeitsgrenze zulässig, die über die fachplanerische Zumutbarkeitsgrenze hinaus bis an die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze herangehen kann. 121 Grundsätzlich gilt, daß im Außenwohnbereich eine ausreichende Sprachverständlichkeit über einige Meter möglich ist, wenn die Geräuschpegel 50 dB (A) während der Kommunikation nicht überschreiten. 122 Unzumutbare Kommunikationsstörungen treten erst bei Dauerschallpegeln von 65 dB (A) auf. Bei Einzelschallereignissen ist allerdings die Verlagerung der Kommunikation in die Geräuschpausen bis zu einem gewissen Grad zumutbar. 123 Dementsprechend ist in einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs die Zumutbarkeitsgrenze im Außenwohnbereich auf einen Tagesdauerschallpegel von 64 dB(A) festgelegt worden. 124 In einer anderen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts BadenWürttemberg hingegen ist in Anlehnung an das FluglSchG ein äquivalenter Dauerschallpegel von 75 dB (A) für den Außenbereich festgelegt worden und zusätzlich das neunzehnmalige Auftreten eines Maximalpegels von 99 dB (A) für zulässig erklärt worden. 125 Für den Flughafen Hamburg gilt, daß Dauerschallpegel von mehr als 67 dB (A) im Außenwohnbereiche die Zumutbarkeitsschwelle überschreiten. 126 Auch hieraus wird wiederum deutlich, daß einheitliche Grenzwerte nicht existieren.
111. Zwischenergebnis Die Zumutbarkeitsschwelle des § 9 Abs. 2 LuftVG wird von den Behörden bzw. den Gerichten im Einzelfall konkretisiert. Dabei ist die individuelle Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des jeweiligen Grundstücks entscheidend, die von Gebietsart und eventuellen Vorbelastungen geprägt wird. Gleichzeitig kann eine VGH Baden-Württemberg, Vrt. vom 19.06.1989 - OVBI. 1990, S. 108 (113). VG Frankfurt, Beschl. vom 02. 09. 1996 - ZLW 1997, S. 407 (415). 121 VGH Baden-Württemberg, Vrt. vom 19.06.1989 - OVBI. 1990, S. 108 (113). 122 Vmweltgutachten 1987, Tz. 1434. 123 Vmweltgutachten 1987, Tz. 1434; VGH Baden-Württemberg, Vrt. vom 19.06. 1989OVBI. 1990, S. 108 (114). 124 BayVGH, Vrt. vom 04. 11. 1997 - VPR 1998, S. 160 (160); das OVG Hamburg, Vrt. vom 03.09. 2001- 3 E 37/98, S. 117 ff. befürwortet einen Oauerschallpegel von 65 dB (A). 125 VGH Baden-Württemberg, Vrt. vom 19.06. 1989 - OVBI. 1990, S. 108 (113 f.). Oas Abweichen von den Werten des Vmweltgutachten 1987 wird damit gerechtfertigt, daß es auch nach dem Vmweltgutachten selbst stets auf die Bedingungen des Einzelfalls ankomme. 126 OVG Hamburg, Vrt. vom 03. 09. 2001-3 E 37/98, S. 113. 119
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3. Teil: Erforderlichkeit von Grenzwerten
Abwägung mit eventuell gegenläufigen Interessen, die hinter dem Flughafenvorhaben stehen, vorgenommen werden. Obwohl die Zumutbarkeitsschwelle individuell und relativ konkretisiert werden muß, hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht mittlerweile gewisse Anhaltswerte für die zumutbare Lärmbelästigung entwickelt. In der Praxis halten sich die Oberverwaltungsgerichte an die vom Bundesverwaltungsgericht einmal vorgegebenen Werte, so daß diese fast gesetzesgleiche Wirkung entfalten. Dennoch sind diese Werte nicht als Normersatz und Vorgaben für eine Bestimmung von Grenzwerten zu mißverstehen. 127 Ein Abweichen im Einzelfall ist daher grundsätzlich zulässig.
D. Einführung von Grenzwerten für Fluglärm Bisher erfolgte die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze von der Rechtsprechung im Wege der Einzelfallbetrachtung. Obwohl teilweise normähnlich angewandt, äußern Urteile über den konkreten Fall hinaus (inter partes) keine Rechtsbindung, da das deutsche Rechtssystem keine rechtlich gesicherte Präjudizienverbindlichkeit kennt. Ein Richter ist daher nicht an die präjudizielle Auslegung gebunden und kann diese nicht unbesehen seinem Urteil zugrunde legen. Vielmehr obliegt es ihm nach herrschender Meinung, die Übereinstimmung dieser Auslegung nach seiner eigenen richterlichen Überzeugung zu prüfen und eventuell davon abzuweichen, wenn er sie nicht für richtig hält. Diese einzelfallbezogene Konkretisierung der Zumutbarkeitsschwelle birgt gewisse Probleme, die im folgenden dargestellt werden. Hieran schließt sich die Frage an, ob die bestehenden Probleme durch die Schaffung von Lärmgrenzwerten (zumindest weitgehend) behoben werden könnten.
I. Probleme einer einzelfallbezogenen Konkretisierung der Zumutbarkeitsschwelle Die Vorteile einer richterlichen Festlegung der Zumutbarkeitsschwelle im Einzelfall liegen vor allem darin, daß individuell auf den einzelnen Flughafen mit seinen Besonderheiten abgestellt werden muß und somit eventuell eine angemessenere oder gerechtere Lösung gefunden werden kann. 128 Außerdem ermöglicht eine Einzelfallentscheidung die Zugrundelegung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts, der insbesondere im Umwelt- und Technikrecht schnell eintreten kann. 129 127 BVeIWG, Urt. vom 22. 05. 1987 - BVerwGE 77, S. 285 (287) - NJW 1987, S. 2886 (2887). 128 Buchholz, Grenzwerte, S. 20 f. 129 Hofmann, Verkehrslärmschutz, S. 191; Rittstieg, Konkretisierung, S. 149.
D. Einführung von Grenzwerten für fluglärm
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Diesen Vorzügen werden allerdings erhebliche Nachteile entgegengehalten. Die Kritik setzt dabei an unterschiedlichen Punkten an. Teilweise wird darauf verwiesen, daß die Setzung von Grenzwerten als grundrechts wesentliche Entscheidung nur im Wege demokratisch legitimierter Rechtsetzung erfolgen dürfe. 130 Dies ist insoweit richtig, als daß den Gerichten in der Tat keine Kompetenzen zum Normerlaß zustehen. Dennoch soll gerade durch Grundsatzurteile der obersten Gerichte eine "BTÜcke zwischen abstrakt-generellem Gesetz und Einzelfall" geschlagen werden, indem diese Urteile generelle Grundsätze und Beurteilungsmaßstäbe vorgeben. 13l Ein derartiges Vorgehen steht auch mit dem verfassungsrechtlichen Wesentlichkeitsgrundsatz im Einklang, denn es ist (insbesondere im komplexen Bereich des Umweltrechts) grundsätzlich zulässig, unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden, die durch die Gerichte im Einzelfall konkretisiert werden. 132 Nicht gerechtfertigt ist insbesondere der Vorwurf der mangelnden demokratischen Legitimation der Gerichte, da auch Gerichte demokratisch legitimiert sind. 133 Zwar ist der demokratisch-parlamentarische Gesetzgeber "vorrangig legitimiert, aber dadurch sind Gerichte nicht verfassungsrechtlich schlechter gestellt". 134 Gegen eine Grenzwertfestlegung durch die Gerichte kann allerdings eingewendet werden, daß diese im Gegensatz zum Gesetzgeber nicht in der politischen und demokratischen Verantwortung stehen. Gerade Grenzwertentscheidungen sind aber aufgrund ihrer Komplexität und Kostenträchtigkeit zu großen Teilen politische Entscheidungen mit weitreichenden Folgen, die Gerichte und Verwaltung überfordern und nur der parlamentarische Gesetzgeber verantworten kann. 135 Derartige Entscheidungen dürfen nicht auf die Gerichte abgewälzt werden. Der politische Charakter der Grenzwertsetzung hat sonst zur Folge, daß die Gerichte in ihrer Entscheidung zu einer Parteinahme gezwungen werden. Dies könnte im Laufe der Zeit zu einem Vertrauensverlust im Hinblick auf die richterliche Objektivität führen. 136 130 BVerwG, Urt. vom 22. 05. 1987 - BVerwGE 77, S. 285 (286) - NJW 1987, S. 2886 (2887); kritisch zu diesem Urteil Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 21 (1988), S. 236 ff. 131 Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 21 (1988), S. 236 (249); auch Berkemann, ZUR 2002, S. 202 (203), plädiert dafür, daß den Obersten Gerichtshöfen bei Fehlen nonnierter Grenzwerte eine Leitungsfunktion hinsichtlich der unmittelbaren Anwendung grundrechtlicher Vorgaben zukommt. 132 Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, Art. 20, Rn. 39; Kutscheidt, NVwZ 1989, S. 193 (197), der darauf hinweist, daß gerade im Bereich des Lärmschutzes die Wesentlichkeitstheorie nicht strapaziert werden sollte. Dabei ist grundsätzlich weiterhin zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber durch die Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs bereits seine Entscheidung getroffen hat. 133 Rittstieg, Konkretisierung, S. 154. Mittelbar durch den Richterausschuß nach Art. 95 AbS.2GG. 134 Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 21 (1988), S. 236 (249). 135 Umweltgutachten 2002, Tz. 610; Rittstieg, Konkretisierung, S. 146 ff., der diese Überforderung insbesondere daran festmacht, daß die gesetzlichen Regelungen keinerlei Maßstäbe zur Konkretisierung der Grenzwerte enthielten, obwohl diese Entscheidungen zahlreiche politische, ökonomische und ökologische Aspekte neben der rechtlichen Seite enthielten, die eine Abwägung der Interessen notwendig machten.
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3. Teil: Erforderlichkeit von Grenzwerten
Gegen die Einzelfallrechtsprechung könnten zudem die erheblichen Nachteile sprechen, die sich für die von der Entscheidung Betroffenen ergeben. Da das Maß des Zumutbaren im jeweiligen Einzelfall neu zu bestimmen ist, fehlt es an Rechtssicherheit und Transparenz sowohl für die Betroffenen als auch für die Betreiber der Flughäfen. 137 Insbesondere für investitionsaufwendige Großprojekte wie Flughafenplanungen stellt dies einen gravierenden Nachteil dar. Auch sprechen praktische Gründe gegen eine Festlegung der Zumutbarkeitsgrenze im Einzelfall. So führt die Komplexität der Materie zu oft langwierigen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren hinsichtlich der Grenzwerte. 138 Dies liegt auch darin begründet, daß die Organisation und die Personenanzahl bzw. -qualifikation innerhalb der Verwaltung nicht auf das Problem zugeschnitten sind. 139 Die erforderliche Heranziehung von Sachverständigen verursacht erhebliche Kosten und einen hohen Zeitaufwand, der im Einzelfall unverhältnismäßig erscheinen kann. 140 Hinzu tritt die Tatsache, daß die psychologische Entscheidungsakzeptanz hinsichtlich der Verwaltungsentscheidungen nicht besonders hoch iSt. 141 Einzelfallentscheidungen führen dementsprechend zu einer hohen Anzahl von Gerichtsverfahren. 142 Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten, daß die einzelfallbezogene Festlegung der Zumutbarkeitsgrenze erhebliche Nachteile für die Betroffenen birgt
11. Überwiegende Vorteile von Grenzwerten Wie dargestellt, wirft die einzelfallbezogene Konkretisierung der Zumutbarkeitsgrenze für Fluglärm gewisse Probleme auf. Fraglich erscheint aber, ob diese Nachteile tatsächlich durch die Schaffung von Grenzwerten behoben werden können, denn auch das Grenzwertsystem birgt bestimmte Probleme. Ausgangspunkt bei der Schaffung von Grenzwerten muß der vom Einzelfall losgelöste generelle Geltungsanspruch der Grenzwerte sein. Grenzwerte sollen für alle einschlägigen Fälle gelten und somit eine Generalisierung herbeiführen (Standardisierung).143 Die maßgebliche Funktion der Grenzwerte liegt aber in der Rittstieg, Konkretisierung, S. 148. Umweltgutachten 2002, Tz. 610; Umweltgutachten 1996, Tz. 733; Buchholz, Grenzwerte, S. 23. 138 Buchholz, Grenzwerte, S. 19. 139 Alexander; NVwZ 1991, S. 318 (321); Hili, NVwZ 1989, S. 401 (407); Rittstieg, Konkretisierung, S. 148. 140 Umweltgutachten 1996, Tz. 733; Buchholz, Grenzwerte, S. 19. 141 Eine Entscheidung wird insbesondere dann angegriffen, wenn an anderen Flughäfen niedrigere Grenzwerte für die Zumutbarkeitsschwelle festgelegt wurden. 142 Umweltgutachten 2002, Tz. 609; Schrader; NuR 1989, S. 288 (289). 143 Feldhaus, UPR 1982, S. 137 (139); Jarass, NJW 1987, S. 1225 (1225); kritisch zur Generalisierung Buchholz, Grenzwerte, S. 16 f. l36
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D. Einführung von Grenzwerten für Fluglärm
133
Ennöglichung einer exakten Konkretisierung abstrakter und äußerst komplexer Umweltanforderungen. Durch Grenzwerte in Fonn von Zahlenwerten sollen unbestimmte verbalnormierte Anforderungen in Verbindung mit einem bestimmten Meßverfahren in meßbare Größen verwandelt werden (Operationalisierung).I44 Auf diese Weise wird durch die Grenzwerte die Risikoschwelle quantifiziert und es tritt im Hinblick auf die Grenzwertentscheidung eine erhebliche Reduktion von Komplexität für die zur Rechtsanwendung berufenen Stellen ebenso wie für den Rechtsunterworfenen ein. 145 Die beiden maßgeblichen Funktionen der Grenzwerte, nämlich die Generalisierung und die Operationalisierung, lassen sich allerdings nicht eindeutig voneinander trennen, sondern gehen vielmehr ineinander über. Trotz der Schwierigkeiten einer exakten Trennung soll hier der Übersichtlichkeit wegen eine Differenzierung zwischen den Funktionen vorgenommen werden.
1. Generalisierung Die Vorteile des generellen Geltungsanspruchs der Grenzwerte im Vergleich zu einer Festlegung im Einzelfall sind vielzählig. Da die jeweils zuständigen Behörden und Gerichte nicht für jeden Einzelfall eigene Anforderungen erarbeiten müssen, sondern vielmehr auf die jeweiligen Grenzwerte samt Meßverfahren zurückgreifen können, hat die Festlegung von Grenzwerten maßgeblich die Vereinfachung und Verkürzung des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens und somit eine Effektivierung des Umweltschutzes zur Folge. 146 Grenzwerte sind demnach als "Helfer der Verwaltungspraxis" anzusehen. 147 Gleichzeitig sichern allgemeingültige Grenzwerte eine gleichmäßige Anwendung des Rechts und machen so zu treffende Entscheidungen und die dabei anzuwendenden Maßstäbe vorhersehbar. 148 Indem sie klare und eindeutige Anwendungsregeln schaffen, dienen sie der Rechtsklarheit. Zugleich gewähren sie Vertrauenschutz. Über die Festsetzung von Grenzwerten wird eine längerfristige Abschätzung der Anforderungen an den Schutz der Umwelt ennöglicht. Eine solche klare Grenze hilft insbesondere demjenigen, der eine Investition plant oder die Akzeptanz seiner bisherigen Investitionen durch die Rechtsordnung überprüfen Will. 149 Auf diese Weise bewirken Grenzwerte Rechtssicherheit für den ein144 145 146
Rn. 4. 147 148
Rn. 4. 149
Feldhaus, UPR 1982, S. 137 (139); Jarass, NJW 1987, S. 1225 (1225). Buchholz, Grenzwerte, S. 13. Feldhaus, UPR 1982, S. 137 (139); HoppelBeckmannlKauch, Umweltrecht, § 5, Hüttermann, Grenzwerte, S. 107. Kutscheidt, in: VDI-Berichte, S. 45; Hoppe I Beckmannl Kaueh, Urnweltrecht, § 5, Buchholz, Grenzwerte, S. 13, 17.
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3. Teil: Erforderlichkeit von Grenzwerten
zeInen und auch für das staatliche Gemeinwesen. 150 Durch Grenzwerte werden also die Behördenentscheidungen berechenbarer und nachvollziehbarer für die Betroffenen. Dies kann und soll eine größere Akzeptanz der Verwaltungsentscheidungen zur Folge haben, die wiederum zu einem höheren Maß an Rechtsfrieden führen soll. 151 Zugleich hat die Allgemeingültigkeit der Grenzwerte zur Folge, daß alle einschlägigen Sachverhalte von den zuständigen Behörden (und Gerichten) gleich beurteilt werden. Dies entspricht dem verfassungsrechtlichen Gebot aus Art. 3 Abs. 1 GG, im wesentlichen Gleiches auch gleich zu behandeln. 152
2. Operationalisierung Neben ihrem allgemeingültigen Geltungsanspruch haben Grenzwerte im wesentlichen die Funktion, abstrakte komplexe Umweltanforderungen durch wenige Werte zu konkretisieren und damit handhabbar zu machen. Diese Reduktion der Komplexität durch Grenzwerte ist allerdings nicht unproblematisch. So wird kritisiert, daß Grenzwerte Zusammenhänge schematisierten, die tatsächlich höchst variabel und individuell verliefen. Damit gehe eine Vergröberung der Untersuchungsmethoden einher. 153 Durch diese Vereinfachungen bestehe die Gefahr einer Verfälschung im Einzelfall. 154 Die Gefahr der Vergröberung und Verfälschung durch Grenzwerte läßt sich grundsätzlich nicht leugnen. Um sie jedoch weitestgehend zu vermeiden, müssen bei der Grenzwertsetzung notwendige Differenzierungen getroffen werden. Insbesondere muß dabei dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG Genüge getan werden, nach dem wesentlich Gleiches nicht ungleich und wesentlich Ungleiches nicht gleich behandelt werden darf. Allerdings dürfen die Grenzwerte sich nicht derart in Differenzierungen und Einzelheiten verlieren, daß der Sinn und Zweck der Grenzwerte grundsätzlich in Frage gestellt wird. Eine gewisse Schematisierung durch Typisierungen ist daher hinzunehmen und ist verfassungsrechtlich aus Praktikabilitätserwägungen und dem Gedanken der Rechtssicherheit mit Art. 3 Abs. 1 GG in einem gewissen Rahmen vereinbar. 155 Hansmann, in: FS für Sendler, S. 285 (285). Hansmann, in: FS für Sendler, S. 285 (286); Schrader, NuR 1989,288 (289). 152 Hansmann, in: FS für Sendler, S. 285 (285); Hüttemumn, Grenzwerte, S. 123 f.; kritisch hierzu Buchholz, Grenzwerte, S. 18. Das ebenfalls aus Art. 3 Abs. 1 GG resultierende Verbot schematischer Gleichbehandlung erlangt erst im Zusammenhang mit der Vereinfachungs- und Typisierungsfunktion der Grenzwerte Bedeutung. 153 Hüttermann, Grenzwerte, S. Ill. 154 Feldhaus, UPR 1982, S. 137 (140). 155 Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 3, Rn. 31; Jarass, GG-Kommentar, Art. 3, Rn. 21. 150 151
D. Einführung von Grenzwerten für Fluglärm
135
Kritik wird weiterhin daran geübt, daß durch die Reduzierung auf einen einzelnen Grenzwert der Eindruck wissenschaftlicher und letztlich auch rechtlicher Absolutheit erweckt wird. Nicht mehr deutlich werden die unsichere Erkenntnisbasis und insbesondere der Einfluß von politischen Wertungen auf den festgesetzten Grenzwert. 156 Diese Defizite können allerdings - wenigstens zum Teil - durch transparente Verfahrensregelungen bei der Grenzwertsetzung ausgeglichen werden. Im Rahmen des Verfahrens können dann die Beteiligung der verschiedenen Interessengruppen offengelegt und sogar etwaige finanzielle Erwägungen auf einer separaten Verfahrensstufe kenntlich gemacht werden. 157 Bemängelt wird zudem, daß Grenzwerte stets auf den im Zeitpunkt der Grenzwertsetzung bestehenden aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik abstellen. Angesichts der schnell fortschreitenden wissenschaftlichen und technischen Entwicklung drohe daher eine Veraltung der Grenzwerte. 158 Die Grenzwerte müßten daher laufend an die Entwicklung angepaßt werden, damit der Umweltschutz auf dem neuesten Stand sei. Diese Forderung steht jedoch im Widerspruch zu dem Aspekt der Rechtssicherheit. 159 Um ein Zurückbleiben der Grenzwerte hinter dem aktuellen Wissensstand zu verhindern, könnte in regelmäßigen festgelegten Zeitabständen eine Anpassung an den Stand von Wissenschaft und Technik erfolgen. Zugunsten von Rechtssicherheit müssten dann allerdings zwischenzeitlich eintretende neue Erkenntnisse als nicht berücksichtigt für einen gewissen Zeitraum hingenommen werden. Weiterhin könnte eine gewisse Flexibilität im Einzelfall durch eine möglichst ausdifferenzierte Regelung erreicht werden. 160 Daneben besteht die Möglichkeit der Zulassung einer Sonderfallprüfung im Einzelfall, um unbillige Härten in besonders gelagerten Fällen zu vermeiden. 161 Ihre Grenze finden derartige Regelungen jedoch wiederum in dem Sinn und Zweck der Grenzwerte, der durch ständige Anpassungen oder zu ausdifferenzierte Entscheidungsmöglichkeiten nicht ausgehebelt werden darf.
3. Ordnungsrechtlicher Ansatz des Grenzwertsystems Neben der Kritik an einzelnen Aspekten von Grenzwerten, wird weiterhin grundsätzliche Kritik am Grenzwertsystem geäußert. Diese richtet sich im wesentlichen gegen den ordnungsrechtlichen Charakter des Grenzwertsystems. So wird Hüttermann, Grenzwerte, S. 17; Winter, in: Grenzwerte, S. 23. Vgl. hierzu Vetfahrensvorschläge: Umweltgutachten 1996, Tz. 865 ff.; Hansmann, in: FS für Sendler, S. 285 (300 ff.). 158 Hendler, AöR 115 (1990), S. 577 (579). 159 Buchholz, Grenzwerte, S. 15. 160 Buchholz, Grenzwerte, S. 23. 161 Buchholz, Grenzwerte, S. 23. 156
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3. Teil: Erforderlichkeit von Grenzwerten
gegen das Grenzwertsystem eingewandt, daß durch die Festlegung von Grenzwerten der Anreiz genommen werde, das festgelegte Maximum zu unterschreiten. 162 Vielmehr würden Umweltbeeinträchtigungen unterhalb der rechtlich relevanten Schwelle toleriert. Es bestehe sogar der Anreiz, den Zulässigkeitsrahrnen voll auszuschöpfen, denn wer weitgehendere Maßnahmen zu ökologischen Zwecken Unternehme, laufe Gefahr, wegen höherer Produktionskosten einen Wettbewerbsnachteil gegenüber seinen Konkurrenten zu erleiden. 163 Diese Einwände sind grundsätzlich berechtigt. Sie betreffen allerdings nicht nur das Grenzwertsystem, sondern das gesamte ordnungsrechtliche Instrumentarium des Umweltrechts. Aufgrund der Schwächen der ordnungsrechtlichen Eingriffsregelungen ist daher eine Ergänzung dieses Systems durch Instrumente der mittelbaren Verhaltenslenkung zu erwägen. So könnten ökonomische Anreize zu besonders umweltfreundlichem Verhalten durch finanzielle Förderungen und Nutzungsvorteile geschaffen werden. Weiterhin besteht die Möglichkeit der Auferlegung VOn Umweltabgaben. Eine ökonomische Anreizfunktion könnte auch durch die Ausgabe VOn Umweltzertifikaten o.ä. geschaffen werden. In Betracht kommen weiterhin informelle Umweltabsprachen zwischen Behörden und Unternehmern. 164 Derartige Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung bieten sich grundsätzlich auch für den immissionsschutzrechtlichen Bereich - speziell für den Bereich des Fluglärms - an. 165 Doch können sie stets nur ergänzend herangezogen werden. Eine Ersetzung des Grenzwertsystems kommt aus Gründen einer effektiven Gefahrenabwehr grundsätzlich nicht in Betracht. 166
III. Zwischenergebnis Verglichen mit der Festsetzung der Zumutbarkeitsgrenze im Einzelfall leisten allgemeingültige Grenzwerte einen großen Beitrag zu Rechtssicherheit, Rechtsfrieden und Durchführbarkeit der Gesetze. Zwar weist auch das Grenzwertsystem bestimmte Defizite auf, doch können die bestehenden Nachteile bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen und abgemildert werden. Aufgrund der überwiegenden Vorteile von Grenzwerten erscheint es im Ergebnis geboten, für den Bereich der Planung von Verkehrsflughäfen zur Konkretisierung der Zumutbarkeitsschwelle des § 9 Abs. 2 LuftVG Lärmgrenzwerte zu schaffen. Baum, in: VDI-Berichte, S. 31 (35). Hendler, AöR 115 (1990), S. 577 (578), der insbesondere auch den ordnungsrechtlichen Ansatz der Grenzwerteinhaltung kritisiert. 164 Ausführlich hierzu, vgl. Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 9, Rn. 99 ff.; Kloepfer, Umweltrecht, § 5, Rn. 153 ff. 165 So wurde beispielsweise für den Flughafen Frankfurt ein Mediationsverfahren durchgeführt. 166 Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 5, Rn. 4. 162
163
Vierter Teil
Gestaltungsprobleme einer "Fluglärmschutzverordnung" Wie oben dargestellt, sollten zur Konkretisierung der Zumutbarkeitsschwelle für Fluglärmbeeinträchtigungen im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG Grenzwerte geschaffen werden. Hierbei ist darauf hinzuweisen, daß sich die Probleme, die sich aus der Komplexität der umweltrechtlichen Materie ergeben, nicht allein durch das Verschieben auf eine andere Entscheidungsebene lösen lassen. Zwar soll die Schaffung von Grenzwerten der Reduzierung von Komplexität und damit der Vereinfachung und Erleichterung der Anwendung dienen. Dennoch sind derartige komplexe Probleme auf einer generell-abstrakten Ebene nicht einfacher zu lösen als auf der Ebene der Einzelfallentscheidung. Ist jedoch die Festsetzung der Immissionswerte nicht überzeugend, kann es die darauf gestützte Entscheidung auch nicht sein. Es müssen demnach nicht nur Grenzwerte überhaupt festgelegt werden, sondern sie müssen sachgerecht, eindeutig und praktikabel festgelegt werden.' Hier steht man also vor dem Problem des "wie" der Festlegung von Grenzwerten.
A. Rechtsform der Verankerung der Grenzwerte Grenzwerte sind nach der obigen Definition hoheitliche Umweltstandards. Aus diesem Grunde bedürfen sie einer rechtlichen Verankerung. Hierfür kommen mehrere Rechtsfonnen in Betracht.
I. Mögliche Rechtsfonnen der Verankerung von Grenzwerten Umweltstandards können als (fönnliche) Gesetze, Rechtsverordnungen, Satzungen, Verwaltungsvorschriften sowie als private Regelwerke erlassen werden. Die Rechtsfonn hat entscheidenden Einfluß auf die Bindungswirkung, die die Umweltstandards entfalten. 1
Hansmann, in: FS für Sendler, S. 285 (286).
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4. Teil: Gestaltungsprobleme einer "Fluglärmschutzverordnung"
Üblicherweise werden Grenzwerte in Verwaltungsvorschriften2 oder Rechtsverordnungen 3 festgelegt. Ausnahmsweise können sie auch direkt in einem formellen Gesetz verankert werden (wie beispielsweise im FlugISchG). Neben den staatlichen Umweltstandards werden von der Verwaltung und Rechtsprechung auch technische Regeln privater Normenverbände herangezogen. Zu derartigen Normenverbänden gehören beispielsweise das Institut für Normung (DIN) und der Verein Deutscher Ingenieure (VDI).4 Die von ihnen geschaffenen an sich unverbindlichen Grenzwerte können rechtlich verbindlich werden, wenn sie in Rechtsvorschriften inkorporiert werden oder diese auf sie verweisen. 5 Gegen eine Verankerung in einem formellen Gesetz spricht maßgeblich der Aspekt der fehlenden flexiblen Anpassungsmöglichkeit an den technischen Fortschritt. 6 Die Änderung eines formellen Gesetzes nimmt mehr Zeit und Aufwand in Anspruch als die einer administrativen Rechtssetzung. Hierdurch werden die Vorteile der Verwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffes im Grunde wieder relativiert. Die Heranziehung technischer Regelungen privater Normverbände zieht den Vorwurf auf sich, daß für derartige grundrechtsrelevante Bereiche die Verantwortung nicht auf nichtstaatliche Stellen abgewälzt werden darf. Insbesondere gilt dies im Hinblick darauf, daß derartige Normierungsverbände keinerlei demokratische Legitimation aufweisen und in gewissem Maße von Interessenvertretem und Lobbyisten geprägt werden und demnach keineswegs neutral sind? Grenzwerte sind daher im wesentlichen in Verwaltungsvorschriften und Rechtsverordnungen festzulegen.
1. Problematik der Verwaltungsvorschrift
Früher wurden Umweltstandards weithin in Verwaltungsvorschriften festgelegt. Verwaltungsvorschriften sind als abstrakt-generelle Regelungen einer Behörde für nachgeordnete Behörden oder eines Vorgesetzten für die ihm unterstellten Verwaltungsbediensteten anzusehen. 8 Die Wahl der Regelungsform von Grenzwerten in allgemeinen Verwaltungsvorschriften läßt sich vor allem dadurch erklären, daß sie die Flexibilität für abweichende Entscheidungen im Einzelfall aufweisen und zudem schneller auf technische und wissenschaftliche Fortschritte reagieren könZ. B. TA Luft, TA Lärm, TA Abfall. Z. B. Verkehrslärmschutzverordnung, Sportanlagenlärmschutzverordnung. 4 HoppelBeckmannlKauch, Umweltrecht, § 5, Rn. 12. 5 Hoppe I Beckmannl Kaueh, Umweltrecht, § 5, Rn. 40. 6 HoppelBeckmannlKauch, Umweltrecht, § 5, Rn. 9. 7 BVerwG, Urt. vom 22. 05. 1987 - BVerwGE 77, S. 285 (291) - NJW 1987, S. 2886 (2888). 8 HoppelBeckmannlKauch, Umweltrecht, § 5, Rn. 17. 2
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A. Rechtsform der Verankerung der Grenzwerte
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nen. 9 Allerdings sind Verwaltungsvorschriften typischerweise Innenrecht der Verwaltung und binden dementsprechend allein die Mitarbeiter derjenigen Behörde, die Adressaten der Vorschrift sind. 10 Aufgrund des Bedürfnisses nach Rechtssicherheit tauchte daher bald die Frage auf, ob und wie eine Bindungswirkung der in den Verwaltungsvorschriften festgelegten Grenzwerte auch für die Gerichte geschaffen werden konnte. Auf verschiedene Weise wird seitdem versucht, die Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften zu erhöhen. 11 Allerdings besteht bis heute keine Einigkeit im Hinblick auf die Bindungswirkung umweltrechtlicher Verwaltungsvorschriften. Wahrend eine Ansicht eine Bindung der Gerichte verneinte und eine volle gerichtliche Überprüfbarkeit forderte l2 , wurden umweltrechtliche Verwaltungsvorschriften nach anderer Ansicht als antizipierte Sachverständigengutachten angesehenY Diese Ansicht sah sich allerdings erheblicher Kritik vor allem im Hinblick darauf ausgesetzt, daß auf diese Weise das politisch-wertende Element bei der Grenzwertfestlegung mißachtet würde. 14 Mittlerweile ist daher die Konstruktion des antizipierten Sachverständigengutachtens VOn der Rechtsprechung und der Wissenschaft weitgehend aufgegeben worden und durch die Konzeption der sogenannten normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften ersetzt. 15 Hierbei wird die Letztentscheidungskompetenz bis zu einem gewissen Grad VOn den Gerichten auf die Verwaltung verlagert. Der Exekutivspitze sei ein gewisser Konkretisierungs- oder Standardisierungsspielraum eingeräumt, dem eine eingeschränkte richterliche Kontrolle entspreche. Allerdings bestehen weiterhin erhebliche Unsicherheiten für das Vorliegen des Konkretisierungsspielraums im Einzelnen. 16 Teilweise wird diese Konzeption auch ganz abgelehnt. 17
Buchholz, Grenzwerte, S. 56. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 20 ff. 11 Eine Außenwirkung mittelbarer Art wird nach der h.L. über die Selbstbindung der Verwaltung oder teilweise nach dem Grundsatz des Vertrauensschutzes begründet, vgl. hierzu m. w. N. Maurer, Allgemeines VerwR, § 24, Rn. 21 ff. 12 Czajka, OÖV 1982, S. 99 (106). 13 BVerwG, Urt. vorn 17.02. 1978 - BVerwGE 55, S. 250 (256); Breuer, OVBI. 1978, S. 28 (34 f.); Kuscheidt, NVwZ 1983, S. 581 (584);vgl. hierzu ausführlich Müller, TA Lärm, S. 46 ff. 14 Hendler, OÖV 1998, S. 481 (489); Kutscheidt, NVwZ 1983, S. 581 (584). 15 BVerwG, Urt. vorn 19. 12. 1985 - BVerwGE 72, S. 300 (320 f.); BVerwG, Urt. vorn 28. 10. 1998 - BVerwGE 107, S. 338 (340 f.); für eine Verlagerung der Letztentscheidungskompetenz von den Gerichten auf die Verwaltung im Bereich der Grenzwertsetzung im technischen Umweltschutz, vgl. auch: BVerJG, Beschl. vorn 08. 07. 1982 - BVerfGE 61, S. 82 (114 f.). 16 ]arass, NJW 1987, S. 1225 (1229); Wahl, NVwZ 1991, S. 409 (410); zum Verfahren der Grenzwertsetzung, vgl. Di Fabio, VerwArchiv 81 (1990) S. 193 (196); ]arass, NJW 1987, S. 1225 (1229); Hili, NVwZ 1989, S. 401 (408). 17 Koch, ZUR 1993, S. 103 (104 ff.). 9
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4. Teil: Gestaltungsprobleme einer "Fluglärmschutzverordnung"
Welcher Ansicht im Ergebnis zu folgen ist, muß hier nicht entschieden werden, denn das maßgebliche Problem der Anerkennung einer umfassenden Bindungswirkung umweltrechtlicher Verwaltungsvorschriften liegt darin, daß sie mit verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben nicht vereinbar sein könnte. a) Verfassungsrechtliche Vereinbarkeit
Das Bundesverfassungsgericht steht einer Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften wohl eher einschränkend und distanziert gegenüber, wobei bisher allerdings detaillierte verfassungsrechtliche Ausführungen hierzu fehlen. 18 In der Literatur wird teilweise eine Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften mit dem Hinweis auf die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG abgelehnt. 19 Allerdings kann eine verbindliche Normkonkretisierung durch Verwaltungsvorschriften dann mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar sein, wenn der Vorschriftengeber ausreichend demokratisch legitimiert ist und ein gesetzlich geordnetes Erlaßverfahren die frühzeitige und wirksame Mitwirkung der beteiligten Kreise gewährleistet. 20 Gegen die Verbindlichkeit umweltrechtlicher Verwaltungsvorschriften wird im wesentlichen ihre Unvereinbarkeit mit dem Vorbehalt des Gesetzes aus Art. 20 Abs. 3 GG angeführt. Begründet wird dies mit der Wesentlichkeitstheorie, nach der im staatlich zugänglichen Bereich der Grundrechtsausübung alle wesentlichen Entscheidungen durch den parlamentarischen Gesetzgeber zu treffen sind. 21 Die Festsetzung von Grenzwerten im Umweltrecht stellt eine "wesentliche" Frage inbesondere für den Gesundheitsschutz dar, so daß die Voraussetzungen für ein Eingreifen des Gesetzesvorbehalts vorliegen. Allerdings wird in diesem Bereich vielfach von einer "umgekehrten" Wesentlichkeitstheorie gesprochen, da sich oftmals die "wesentlichen" Grenz- und Richtwerte nicht in Gesetzen und Rechtsverordnungen, sondern in Technischen Anordnungen und DIN-Normen finden lassen. 22 Diese Vorgehensweise läßt sich durchaus mit dem Gesetzesvorbehalt verein18 BVerjG, Beschl. vom 11. 05.1988 - BVerfGE 78, S. 214 (227), in der das Gericht lediglich auf den "Sonderfall" der atomrechtlichen Genehmigung verweist; BVerjG, Beschl. vom 21. 06. 1989 - BVerfGE 80, S. 257 (265), der ebenfalls nicht der verfassungsrechtlichen Haltbarkeit der Lehre nachgeht, jedoch darauf verweist, daß im vorliegenden Fall die "Natur der Sache" keine Veranlassung gebe, auf eine herkömmliche Verordnungsgebung zu verzichten. Hierzu Schulze-Fielitz, JZ 1993, S. 772 (780). 19 Czajlw, DÖV 1982, S. 99 (106). 20 Ausführlich hierzu, vgl. Müller; TA Lärm, S. 71 ff. 21 Bönker; DVBl. 1992, S. 804 (806 ff.); Lübbe-Wolf, DÖV 1987, S. 896 (899); wohl auch Schulze-Fielitz, JZ 1993, S. 772 (780); a.A. Di Fabio, JZ 1993, S. 1338 (1340); zur Wesentlichkeitstheorie, vgl. BVerjG, Beschl. vom 08. 08. 1978 - BVerfGE 49, S. 89 (126); BVerfG, Beschl. vom 20. 10. 1982 - BVerfGE 61, S. 260 (275); Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 20 Abs. 3, Rn. 103 ff. 22 Hili, NVwZ 1989, S. 401 (407).
A. Rechtsfonn der Verankerung der Grenzwerte
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baren, denn der Gesetzgeber ist regelmäßig damit überfordert, im sich rasch verändernden und äußerst komplexen Bereich des Umweltrechts alle relevanten Fragen bis ins Detail selber zu regeln. Es reicht daher aus, wenn er eine Grundsatzentscheidung trifft, die dann von der Verwaltung konkretisiert wird. 23 Hinzu kommt, daß gerade im Bereich des Umwelt- und Technikrechts das Gebot des dynamischen Grundrechtsschutzes gelten muß. Eine starre gesetzliche Fixierung ließe eine angemessene Berücksichtigung des technischen und wissenschaftlichen Fortschritts nicht zu und könnte auf diese Weise sogar einem effektiven Grundrechtsschutz entgegenwirken. 24 Im Ergebnis läßt sich daher die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe durch rechtsverbindliche Verwaltungsvorschriften mit der Verfassung vereinbaren. b) Europarechtliche Vereinbarkeit
In europarechtlicher Hinsicht besteht das Problem, daß der Europäische Gerichtshof und Teile der Literatur der Ansicht sind, daß die Umsetzung der europarechtlichen Umweltrechtlinien durch Verwaltungsvorschriften der Umsetzungsverpflichtung des Art. 249 EGV nicht gerecht wird. Aufgrund der mangelnden gesicherten Rechtsverbindlichkeit könne ein Begünstiger seine Rechte nicht unmittelbar aus der nationalen Gesetzgebung erkennen und vor den nationalen Gerichten geltend machen. Aus Gründen der Rechtssicherheit genüge daher eine Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben durch Verwaltungsvorschriften nicht. 25 Nach anderer Ansicht wird durch die Ansicht des Europäischen Gerichtshof system widrig die gemeinschaftsrechtliche Richtlinienverpflichtung auf die Rechtsform des nationalen Umsetzungsakts erstreckt. 26 Eine mitgliedstaatliehe Umsetzungsmaßnahme müsse lediglich gewährleisten, daß der gemeinschaftsrechtliche Mindeststandard weder durch den Verwaltungsvollzug, noch im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle zu Lasten der Umwelt unterlaufen werden könne. Da normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften mittlerweile Außenverbindlichkeit zuerkannt werde, entsprächen sie den europarechtlichen Voraussetzungen. 27 Eine europarechtliche Vereinbarkeit der Verwaltungsvorschriften könne daher noch angenommen werden. Es wird deutlich, daß die Frage der europarechtlichen Vereinbarkeit von Verwaltungsvorschriften bis heute nicht eindeutig geklärt ist. Eine Entscheidung über die 23 Bauer, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 80, Rn. 31; Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, Art. 20, Rn. 39. 24 Müller, TA Lärm, S. 87; auf den dynamischen Grundrechtsschutz verweist auch Di Fabio, DVBl. 1992, S 1338 (1341). 25 EuGH, Urt. vom 28.02. 1991- EuZW 1991, S. 405 (405, 408 f.); Bönker, DVBl. 1992, S. 804 (810); Lübbe-Wolff, in: HdUR, Bd. 11, Sp. 2024; Steiling, NVwZ 1992, S. 134 (135). 26 Vgl. z. B. Reinhardt, DÖV 1992, S. 102 (106 f.); Wolf, DÖV 1992, S. 849 (858 f.). 27 Müller, TA Lärm, S. 99 ff.
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4. Teil: Gestaltungsprobleme einer "Fluglärmschutzverordnung"
europarechtliche Vereinbarkeit von Verwaltungsvorschriften soll auch hier nicht getroffen werden, denn allein die Tatsache der fehlenden Unumstrittenheit reicht hier aus. 2. Vorzug der Rechtsverordnung
Es stellt sich die Frage, ob die Grenzwerte für Fluglärm in einer Rechtsverordnung oder vielmehr in einer Verwaltungsvorschrift festgelegt werden sollen. Aufgrund der mittlerweile anerkannten Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften, drängt sich eine "Parallelität" zwischen diesen und Rechtsverordnungen geradezu auf. 28 Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Flexibilität. Das früher häufig gegen Rechtsverordnungen vorgebrachte Argument der mangelnden formalen Flexibilität wurde inzwischen durch die Praxis widerlegt, in der durchaus zeitnah auf Änderungen der Realität oder neue Erkenntnisse durch Novellierungen von Rechtsverordnungen reagiert wurde. Überdies ist darauf hinzuweisen, daß es für die Novellierung der TA Lärm immerhin 30 Jahre bedurft hat, obwohl diese eine Verwaltungsvorschrift darstellt. Die größere formale Flexibilität von Verwaltungsvorschriften kann daher nicht für die Festlegung von Grenzwerten in einer Verwaltungsvorschrift sprechen. Für die Verankerung der Grenzwerte in einer Verwaltungsvorschrift könnten aber ihre "Bindungsdefizite" sprechen. Im Gegensatz zur Rechtsverordnung 29 ist die Verwaltungsvorschrift in ihrer Bindungswirkung eingeschränkt, wenn Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik eintreten oder ein atypischer Sonderfall vorliegt. Im Hinblick auf wissenschaftliche oder technische Erkenntnisfortschritte besteht allerdings Uneinigkeit darüber, ob die Bindungswirkung einer Verwaltungsvorschrift mit zunehmendem Alter abnimmt, oder ob die Verwaltungsvorschrift nur dann als rechtswidrig anzusehen ist, wenn gesicherte neue Erkenntnisse vorliegen. 3o Letztere Auffassung ist wohl aufgrund ihrer Klarheit vorzugswürdig. Dennoch bleibt auch hier die Unsicherheit, wann genau von gesicherten neuen Erkenntnissen auszugehen ist bzw. welche Anforderungen an den Nachweis der Veralterung zu stellen sind. 31 Liegt ein von den üblichen Sachverhalten abweichender Sonderfall vor, so führt dies bei Verwaltungsvorschriften zu einer Aufhebung ihrer Bindungswirkung32 , während im Bereich der Rechtsverordnung gern. Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG eine strikte Normbindung gilt. Um den Grundsatz der Normbindung nicht zu verletzen, Umweltgutachten 1996, Tz. 892. Vgl. zu den strengeren Anforderung der Rechtswidrigkeit einer Rechtsverordnung im Fall des wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts Hendler, DÖV 1998, S. 481 (486); Jarass, JuS 1999, S. 105 (110 f.). 30 Hendler, DÖV 1998, S. 481 (490). 31 Hendler, DÖV 1998, S. 481 (490). 32 Hendler, DÖV 1998, S. 481 (490). 28 29
A. Rechtsform der Verankerung der Grenzwerte
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muß hier durch teleologische Reduktion oder Auslegung der Rechtsverordnung ein gesetzeskonformes Ergebnis gefunden werden. Im Ergebnis weisen Verwaltungsvorschriften durch ihre Bindungsdefizite zwar eine höhere Flexibilität im Hinblick auf die Anpassung an wissenschaftliche Fortschritte oder Sonderfalle auf. Gleichzeitig birgt diese Flexibilität aufgrund bestehender Unsicherheiten, wann genau gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen bzw. ob tatsächlich ein atypischer Sachverhalt vorliegt, die Gefahr der Einschränkung der Rechtssicherheit. Im übrigen gilt, daß Anpassung an den wissenschaftlichen Fortschritt oder den Sonderfall ebenfalls durch eine entsprechende Normierung in der jeweiligen Rechtsverordnung berücksichtigt werden kann. 33 So kann bestimmt werden, daß in gewissen zeitlichen Abständen eine Überprüfung der Verordnung im Hinblick auf den wissenschaftlichen Fortschritt erfolgen muß. 34 Ebenso können Ausnahmeregelungen zur Anpassung des Verordnungsinhalts an neuere wissenschaftlich-technische Erkenntnisse oder atypische Sonderralle geschaffen werden. 35 Da also die Nachteile der Rechtsverordnungen durchaus ausgeglichen werden können, ist es insbesondere im Hinblick auf das Problem der europarechtlichen Vereinbarkeit von Verwaltungsvorschriften nicht einzusehen, warum gerade an den umstrittenen Verwaltungsvorschriften festgehalten werden sollte. 36 Rechtsverordnungen sind materielle Gesetze, die in einem förmlichen Verfahren erlassen werden und Gerichte und Behörden binden. Sie werfen weder verfassungsrechtlich noch europarechtlich Probleme auf. Die Grenzwerte für Fluglärm sollten daher in einer Rechtsverordnung verankert werden. 37
11. Festlegung der Fluglärmgrenzwerte in einer Rechtsverordnung Die Lärmgrenzwerte zur Konkretisierung der Zumutbarkeitsschwelle des § 9 Abs. 2 LuftVG sollten in einer Rechtsverordnung verankert werden. Allerdings kann eine derartige Rechtsverordnung nicht "ins Blaue hinein" erlassen werden, denn Art. 80 GG erfordert das Vorliegen gewisser Vorausssetzungen.
Umweltgutachten 1996, Tz. 892 ff. Dies gebietet bereits Art. 20a GG, vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 20a GG, Rn. 59. 35 Umweltgutachten 1996, Tz. 895. 36 Breuer; NVwZ 1988, S. 104 (110). 37 Zu den notwendigen Verfahrensanforderungen, vgl. ausführlich Umweltgutachten 1996, Tz. 849 ff. (865 ff.). 33
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4. Teil: Gestaltungsprobleme einer "Fluglärmschutzverordnung"
1. Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage
Art. 80 GG legt die Erfordernisse fest, unter denen Rechtsverordnungen von der Exekutive erlassen werden müssen. Danach muß vom parlamentarischen Gesetzgeber eine Verordnungsermächtigung geschaffen werden, die die wesentlichen verfassungsrechtlich relevanten Punkte regelt und ausreichend bestimmt festlegt, in welchem Rahmen die Verordnung geschaffen werden soll. Versäumt der parlamentarische Gesetzgeber es, die wesentlichen Fragen selbst zu regeln oder leidet die Ermächtigungsnorm an mangelnder Bestimmtheit, so ist das ermächtigende Gesetz unzulässig?8 a) § 32 Abs. 1 Nr. 15 LuftVG als Ermächtigungsgrundlage
Als Ermächtigungsgrundlage für die Festlegung der Zumutbarkeitsgrenze für Fluglärm im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG könnte § 32 Abs. 1 Nr. 15 LuftVG in Betracht kommen. 39 Gern. § 32 Abs. 1 Nr. 15 LuftVG kann eine Rechtsverordnung über den Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm, insbesondere durch Maßnahmen zur Geräuschminderung am Luftfahrzeug, beim Betrieb von Luftfahrzeugen am Boden, beim Starten und Landen und beim Überfliegen besiedelter Gebiete einschließlich der Anlagen zur Messung des Fluglärms und zur Auswertung der Meßergebnisse erlassen werden. Auf Grundlage des § 32 Abs. 1 Nr. 15 LuftVG wurde beispielsweise bereits die Landeplatz-Lärmschutz-Verordnung vom 5. Januar 1999 erlassen. 40 Gegen die Heranziehung des § 32 Abs. 1 Nr. 15 LuftVG für die Festlegung der Zumutbarkeitsgrenze nach § 9 Abs. 2 LuftV könnte zunächst sprechen, daß die luftverkehrsrechtliche Zulassung von Verkehrsflughäfen nicht ausdrücklich in der Norm erwähnt ist und generell nur von "Maßnahmen zur Geräuschrninderung" gesprochen wird. Diese allemeine Formulierung schließt jedoch gerade nicht aus, daß derartige ,,Maßnahmen zur Geräuschrninderung" auch bei der Zulassung der Anlage oder des Betriebs eines Flughafens bzw. bei deren wesentlicher Änderung gern. §§ 6, 8 LuftVG ergriffen werden können. Überdies soll die Aufzählung im Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 15 LuftVG nicht abschließend sein, was sich an der Formulierung "insbesondere" festmachen läßt. Die Ermächtigungsgrundlage des § 32 Abs. 1 Nr. 15 LuftVG spricht also zunächst dem Wortlaut nach nicht gegen eine Heranziehung für die Konkretisierung der Lärmzumutbarkeitsgrenze des § 9 Abs. 2 LuftVG im Rahmen der luftverkehrsrechtlichen Zulassung von Flughäfen.
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39 40
Bauer, in: Dreier, GG-Kornrnentar, Art. 80, Rn. 27. Hojrnann/Grabherr, LuftVG, § 32, Rn. 16; Hermann, Fluglärm, S. 285. BGB!. I 1999, S. 35.
A. Rechtsfonn der Verankerung der Grenzwerte
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b) Veifassungsrechtliche Unvereinbarkeit Gegen eine Heranziehung des § 32 Abs. 1 Nr. 15 LuftVG für den planungsrechtlichen Lärmschutz könnten aber verfassungsrechtliche Gründe sprechen. Gern. Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG ist für die Verordnungsermächtigung erforderlich, daß der Gesetzgeber die Verordnung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß ausreichend bestimmt hat. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat verschiedene Grundsätze entwickelt, auf welche Art und Weise das Bestimmtheitsgebot zu handhaben iSt. 41 Nach der "Selbstentscheidungsformel" muß der Gesetzgeber selbst die Entscheidung treffen, welche Fragen durch die Rechtsverordnung geregelt werden sollen (Inhalt), er muß die Grenzen einer solchen Regelung festsetzen (Ausmaß) und angeben, welchem Ziel die Regelung dienen soll.42 Nach der "Programmformel" muß sich aus dem Gesetz ermitteln lassen, welches vom Gesetzgeber gesetzte "Programm" durch die Verordnung erreicht werden soll.43 Nach der "Vorhersehbarkeitsformel" muß aus dem Gesetz ersichtlich sein, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassenen Rechtsverordnungen haben können. 44 Grundsätzlich gilt hierbei, daß die genannten Vorgaben im Gesetz nicht ausdrücklich bestimmt sein müssen, sondern vielmehr nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zu ermitteln sind. 45 Insgesamt ist allerdings eine Tendenz zur Abschwächung des Bestimmtheitsgebots in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erkennbar. 46 Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot könnte im vorliegenden Fall insofern zu bejahen sein, als daß § 32 Abs. 1 Nr. 15 LuftVG lediglich den Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm festlegt und auf weitere Ausführungen zum genauen Lärmschutzniveau und insbesondere zu den Maßstäben für die Festlegung der Immissionswerte verzichtet. Im Umweltrecht ist es allerdings aufgrund der Vielschichtig41 Die von der Rechtsprechung entwickelten Fonneln sind sich jedoch äußerst ähnlich und verschwimmen ineinander. 42 BVerfG. Beschl. vom 10. 06. 1953 - BVerfGE 2, S. 307 (334); BVerfG. Beschl. vom 30. 01. 1969 - BVerfGE 23, S. 62 (72); BVerfG (2. Kammer des 2. Senats), Beschl. vom 04.05. 1997 - NStZ-RR 1997, S. 342 (343). 43 BVerfG, Beschl. vom 12. 11. 1958 - BVerfGE 8, S. 274 (307); BVerfG, Beschl. vom 20. 10. 1981 - BVerfGE 58, S. 257 (277); BVerfG, Beschl. vom 07. 11. 1991 - BVerfGE 85, S. 97 (105). 44 BVerfG, Beschl. vom 23. 10. 1953 - BVerfGE 1, S. 14 (60); BVerfG, Beschl. vom 13. 06. 1956 - BVerfGE 5, S. 71 (76); BVerfG, Beschl. vom 21. 01. 1976 - BVerfGE 41, S. 251 (266); BVerfG, Beschl. vom 08.01. 1981 - BVerfGE 56, S. 1 (12); BVerfG. Beschl. vom 08. 06. 1988 - BVerfGE 78, S. 249 (272); BVerfG (2. Kammer des 2. Senats), Beschl. vom 04.05. 1997 - NStZ-RR 1997, S. 342 (343). 45 BVerfG, Beschl. vom 20. 10. 1981 - BVerfGE 58, S. 257 (277); BVerfG, Beschl. vom 03. 11. 1982 - BVerfGE 62, S. 203 (209); BVerfG, Beschl. vom 07. 11. 1991 - BVerfGE 85, S. 97 (105). 46 Jarass/Pieroth. GG-Kommentar, Art. 80, Rn. 11.
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4. Teil: Gesta1tungsprob1eme einer "Flug1ännsehutzverordnung"
keit der zu regelnden Sachverhalte üblich, unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden, die erst durch die Verwaltung bzw. den Verordnungsgeber konkretisiert und präzisiert werden. Eine detaillierte Regelung würde den parlamentarischen Gesetzgeber überfordern. Für den Bereich des Lännschutzes ergibt sich dies aus der Komplexität des Lännphänomens und den fortschreitenden wissenschaftlichen (insbesondere auch medizinischen) Erkenntnissen. Aufgrund der Eigenart der Materie ist im Bereich des Umweltrechts die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, die erst durch den administrativen Gesetzgeber konkretisiert werden, grundsätzlich mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar. 47 Problematisch erscheint es jedoch weiterhin, daß in § 32 Abs. 1 Nr. 15 LuftVG keine ausdrückliche Ermächtigung zur Festlegung der Zumutbarkeitsgrenze für die luftverkehrsrechtliche Planung von Flughäfen enthalten ist. § 32 Abs. 1 Nr. 15 LuftVG legt seinen Anwendungsbereich lediglich durch den sehr weiten Begriff der "Maßnahmen" zur Geräuschverminderung fest und nimmt überdies keine abschließende Aufzählung der Anwendungsfalle vor. Das Ziel der Ermächtigung des § 32 Abs. 1 Nr. 15 LuftVG ist zwar eindeutig erkennbar, nämlich die Gewährleistung des Schutzes vor Fluglänn. Allerdings ist die Ermächtigungsgrundlage so allgemein gefaßt, daß nicht mehr voraussehbar ist, in welchen Fällen von der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden wird. Daher genügt § 32 Abs. 1 Nr. 15 LuftVG dem Bestimmtheitsgebot aus Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG nicht. Dies muß umso mehr gelten, als daß es sich bei dem Lännschutz im Rahmen der luftverkehrsrechtlichen Zulassung um einen äußerst grundrechtsrelevanten Bereich handelt, in dem noch höhere Anforderungen an die Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage zu stellen sind. 48 Im Ergebnis erscheint § 32 Abs. 1 Nr. 15 LuftVG im Hinblick auf den Lännschutz in der luftverkehrsrechtlichen Planung nicht mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar. Die Verordnungsermächtigung des § 32 Abs. 1 Nr. 15 LuftVG kann daher zumindest für die Festlegung der Länngrenzwerte zu § 9 Abs. 2 LuftVG nicht herangezogen werden. c) Eiforderlichkeit einer Ermiichtigungsgrundlage Neben § 32 LuftVG existieren im LuftVG keine weiteren Ermächtigungsgrundlagen zum Erlaß von Rechtsverordnungen. Da die Regelung des § 32 Abs. 1 Nr. 15 LuftVG für die Festlegung von Länngrenzwerten zur Konkretisierung des § 9 Abs. 2 LuftVG nicht herangezogen werden kann, muß eine neue Ermächtigungsgrundlage für den Verordnungserlaß in das LuftVG eingefügt werden. Gern. Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG ist für diese Verordnungsermächtigung erforderlich, daß der 47 Bauer, in: Dreier, GG-Kornmentar, Art. 80, Rn. 31; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umwe1treeht Bd. 1, § 43 Rn. 3; Umwe1tgutaehten 1996, Tz. 846. 48 BVerfG, Besehl. vom 08. 01. 1981- BVerfGE 56, S. 1 (13); Bauer, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 80, Rn. 32.
A. Rechtsform der Verankerung der Grenzwerte
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Gesetzgeber die Verordnung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß ausreichend bestimmt. Eine derartige Verordnungermächtigung könnte in etwa folgenden Wortlaut haben: "Zur Konkretisierung der Anforderungen des § 9 Abs. 2 LuftVG an die Planung von Verkehrsflughäfen gern. §§ 6, 8 ff. LuftVG wird die Bundesregierung ermächtigt, über die Grenzwerte, die zum Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche nicht überschritten werden dürfen, sowie über das Verfahren zur Ermittlung der Immissionen eine Rechtsverordnung zu erlassen." Durch diese Ermächtigungsgrundlage wird zunächst der Anwendungsbereich der Norm auf die Planung von Verkehrsflughäfen gern. §§ 6, 8 ff. LuftVG ausreichend eingegrenzt. Ziel der Verordnung soll es sein, einen ausreichenden Schutz vor Geräuscheinwirkungen im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG im Rahmen der Planung zu gewährleisten. Vorgreiflich wird hier auf den Schutz vor "schädlichen Umwelteinwirkungen" anstatt auf den "Schutz vor Nachteilen und Gefahren" abgestellt. Eine solche Anpassung des § 9 Abs. 2 LuftVG an das restliche Immissionsschutzrecht erscheint geboten. 49 Die Begrenzung des Schutzes auf die Nachbarschaft lehnt sich an die Regelung des § 43 BImSchG an und ist auch in diesem Zusammenhang zulässig. 50 Die Regelungen zum Schutz vor Fluglärmeinwirkungen sollen sich dem Ausmaß nach auf die Festlegung von Grenzwerte sowie eines geeigneten Berechnungsverfahrens beschränken. Eine solche Ermächtigungsgrundlage entspricht im Ergebnis dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG, denn sie legt Inhalt, Zweck und Ausmaß der zu erlassenden Verordnung fest.
2. Konkretisierung durch den Verordnungsgeber
Der Begriff der "schädlichen Umwelteinwirkungen" stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der eine eindeutige Festlegung der Zumutbarkeitsschwelle vermeidet. Die Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs soll aufgrund der Verordnungsermächtigung durch den Verordnungsgeber erfolgen. Der administrative Gesetzgeber ist dabei an die Verordnungsermächtigung und an die verfassungsrechtlichen Vorgaben gebunden. Da bei der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs aufgrund der vorzunehmenden Wertungen stets eine Vielzahl VgI. Vierter Teil, B.,II., lc),cc). Czajka, in: Feldhaus, BImSchG, § 41, Rn. 49. Im Interesse der Allgemeinheit läge beispielsweise der Lärmschutz für einen Erholungssuchenden dienenden Park oder ein Naturschutzgebiet. Als Begründung für die Eingrenzung des Schutzobjekts ließe sich anführen, daß sich Menschen nur in ihren Wohn- und Arbeitsbereichen dauerhaft aufhalten, so daß die Zumutbarkeitsgrenze überschritten werden kann. Dort besteht eine Ausweichmöglichkeit im Gegensatz zu öffentlichen Bereichen zudem nicht. 49
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4. Teil: Gestaltungsprobleme einer "Fluglärmschutzverordnung"
unterschiedlicher Konkretisierungen möglich ist, stellt sich die Frage, inwieweit dem Verordnungsgeber ein gerichtlich nicht kontrollierbarer Gestaltungsspielraum zusteht. a) Bestehen eines Gestaltungsspielraums
Bei der Konkretisierung eines unbestimmten Rechtsbegriffs im Einzelfall kommt der zuständigen Verwaltungsbehörde nach herrschender Meinung grundsätzlich kein Gestaltungsspielraum zu. Die Behörde hat sich bei ihrer Entscheidung an den Umständen des Einzelfalls und dem Schutzbedürfnis des Betroffenen zu orientieren. Es gibt im Ergebnis nur eine richtige Entscheidung. Insofern unterliegt also die Behördenentscheidung der vollen richterlichen Kontrolle. Im Gegensatz zur Einzelfallentscheidung kommt dem Verordnungs geber bei der administrativen Normgebung auf Grundlage einer Verordnungsermächtigung ein weiter Gestaltungsspielraum ZU. 51 Von dem auf die Herbeiführung von Einzelfallentscheidungen gerichteten Verwaltungshandeln unterscheidet sich die Verordnungsgebung durch die Schaffung abstrakt-genereller Rechtssätze, die gern. Art. 20 Abs. 3 GG eine Bindung des Richters bewirken und Maßstabsfunktion aufweisen. 52 Die Verordnungsgebung stellt daher Gesetzgebung im materiellen Sinne dar. Allerdings folgt hieraus nicht, daß die Gestaltungsfreiheit des administrativen Gesetzgebers der des parlamentarischen Gesetzgebers entspräche. Der Verordnungsgeber wird vielmehr lediglich als Delegat des parlamentarischen Gesetzgebers tätig und ist an dessen Vorgaben durch die Verordnungsermächtigung gebunden. Der parlamentarische Gesetzgeber hingegen unterliegt nur den verfassungsrechtlichen Anforderungen; ihm kommt dementsprechend ein weitergehender Gestaltungsspielraum ZU. 53 Hinzu tritt seine unmittelbare demokratische Legitimation, die grundsätzlich eine Zurücknahme der gerichtlichen Kontrolldichte bewirkt. 54 Zwar ist auch der Verordnungsgeber als demokratisch legitimiertes und politisch verantwortliches Staatsorgan zu bezeichnen, doch ist seine demokratische Legimtimation im Gegensatz zu der des Parlaments "doppelt mediatisiert". Dies rechtfertigt zusätzlich eine Abstufung der Gestaltungsfreiheit. 55
51 BVerwG, Urt. vom 22. 05. 1987 - BVerwGE 77, S. 285 (287) - NJW 1987, S. 2886 (2887); Hendler, DÖV 1998, S. 481 (485 f.); Jarass, NJW 1987, S. 1225 (1227); Jarass, HdUR, Bd. 11, Sp. 2418; Ossenbühl, DVBl. 1999, S. 1 (4); Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 43, Rn. 33,37,44,66 f.; Schulze-Fielitz, UPR 1994, S. 1 (2); heftig umstritten ist ein admi-
nistrativer Gestaltungsspielraum bei der Konkretisierung von unbestimmten Rechtsbegriffen dureh Verwaltungsvorsehriften, vgl. z. B. Franssen, in: FS für Zeidler, S. 429 (429 ff.); Sendler, in: FS für Ule, S. 337 (337 ff.). 52 Herdegen, AöR 114, S. 607 (614 ff.); v. Danwitz, Gestaltungsfreiheit, S. 177. 53 Herdegen, AöR 114, S. 607 (611); v. Danwitz, Gestaltungsfreiheit, S. 177. 54 BVerfG, Besehl. vom 14. 01. 1981 - BVerfGE 56, S. 54 (81). 55 v. Danwitz, Gestaltungsfreiheit, S. 178.
A. Rechtsforrn der Verankerung der Grenzwerte
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Die verordnungsgeberische Gestaltungsfreiheit ist im Ergebnis als "eigenständige Kategorie" in dem Spannungsfeld zwischen legislativem Gestaltungsspielraum und Verwaltungsermessen einzuordnen. 56 Die gerichtliche Kontrolldichte ist dementsprechend auf die Vereinbarkeit der administrativen Normgebung mit der Verordnungsermächtigung beschränkt. b) Reichweite des Gestaltungsspielraums
Im Rahmen der Verordnungsermächtigung kommt dem Verordnungs geber eine selbständige Beurteilungs- und Entscheidungsvollmacht zu. Wie weit diese gestalterische Freiheit gehen soll, hängt maßgeblich von der Ermächtigungsgrundlage ab. Schreibt die Ermächtigungsgrundlage die für die Normierung heranzuziehenden Kriterien detailliert vor, so läßt sie dem Verordnungsgeber insoweit keinen Gestaltungsspielraum. Enthält sie hingegen Elemente, die eine Bewertung oder auch Abwägung erfordern, so kommt dem Verordnungsgeber ein Gestaltungsspielraum ZU. 57 Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers ist dabei umso größer, als er nicht final in Grundrechte eingreift, sondern nur gegensätzliche Grundrechtsinteressen abwägend zur Geltung bringt. 58 Da Verordnungen oftmals für vielgestaltige Lebenssachverhalte Geltung beanspruchen, kann der administrative Gesetzgeber bei der Normsetzung insbesondere auf Typenbildungen und Generalisierungen zurückgreifen. 59 Zielt die Ermächtigungsgrundlage - wie hier - auf die Konkretisierung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, so kommt dem Verordnungsgeber die Aufgabe zu, den unbestimmten Rechtsbegriff in Fortentwicklung des gesetzgeberischen Leitgedankens zu interpretieren. 6o Gerade die Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs bildet in diesem Fall den eigentlichen Gegenstand des Rechtssetzungsauftrags. 61 Inwieweit dem administrativen Gesetzgeber hierbei ein Gestaltungsspielraum bei der Auslegung zukommt, richtet sich nach der jeweiligen Eigenart des unbestimmten Rechtsbegriffs und nach der Dichte weiterer, in der Verordnungsermächtigung enthaltener gesetzlicher Direktiven bzw. Maßstäbe. 62 Der unbestimmte Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen ist aufgrund der Komplexität des Lärmphänomens und aufgrund seines interdisziplinären v. Danwitz. Gestaltungsfreiheit, S. 177 ff.; Herdegen. AöR 114, S. 607 (609 ff.). v. Danwitz. Gestaltungsfreiheit, S. 189. 58 Herdegen. AöR 114, S. 607 (628); Schulze-Fielitz, in: GK-BlmSchG, § 43, Rn. 33. 59 Hill. NVwZ 1989, S. 401 (407); Jarass, NJW 1987, S. 1225 (1227); Mühlenbruch. Normkonkretisierung, S. 168; Schulze-Fielitz. in: GK-BlmSchG, § 43, Rn. 35. 60 Schu/ze-Fielitz. in: GK-BlmSchG, § 43, Rn. 33. 61 Herdegen. AöR 114, S. 607 (632 f.). 62 Schulze-Fielitz. in: GK-BlmSchG, § 43, Rn. 37, spricht hier von einem Einschätzungsspielraum. 56
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4. Teil: Gestaltungsprobleme einer ..F1uglärmschutzverordnung"
Charakters äußerst schwierig zu konkretisieren und macht weitgehende Wertungsentscheidungen notwendig. Daher muß dem Verordnungsgeber bei der Konkretisierung ein weiter Gestaltungsspielraum zugestanden werden.
111. Zwischenergebnis Grenzwertregelungen bedürfen grundsätzlich einer rechtlichen Verankerung, um Bindungswirkungen entfalten zu können. Da Verwaltungsvorschriften insbesondere im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit europarechtlichen Vorgaben äußerst umstritten sind, sollten die Lärmgrenzwerte für die Planung von Flughäfen in einer Rechtsverordnung festgelegt werden. Für den Erlaß einer Rechtsverordnung ist allerdings eine ausreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage erforderlich. Aufgrund seiner Unbestimmtheit kann § 32 Abs. I Nr. 15 LuftVG hierfür nicht herangezogen werden. Es bedarf vielmehr der Schaffung einer neuen Ermächtigungsgrundlage im LuftVG, die ausdrücklich den Erlaß von Lärmgrenzwerten samt Berechnungsverfahren für die Planung von Verkehrsflughäfen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen festlegt. Auf Grundlage dieser Ermächtigung müssen dann Lärmgrenzwerte durch den Verordnungsgeber geschaffen werden, wobei diesem ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt.
B. Inhalte einer "Fluglärmschutzverordnung" Auf Grundlage der Ermächtigung kann eine "Fluglärmschutzverordnung" erlassen werden. Zentrale Regelungsgegenstände einer solchen Verordnung müßten die Festlegung des Anwendungsbereichs, die Festlegung von Immissionsgrenzwerten und die Festlegung des dazugehörigen Berechnungsverfahrens sein.63
I. Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich der "Fluglärmschutzverordnung" muß sich aus der Ermächtigungsgrundlage ergeben. Danach findet die "Fluglärmschutzverordnung" ausschließlich Anwendung für die Konkretisierung der Zumutbarkeitsschwelle des § 9 Abs. 2 LuftVG im Rahmen der Planung von Verkehrsflughäfen gern. §§ 6, 8 ff. LuftVG. Problematisch erscheint lediglich, daß § 9 Abs. 2 LuftVG selbst ausdrücklich nur im Rahmen der Zulassung planfeststellungsbedürftiger Vorhaben gern. § 8 63
Diese Punkte enthält auch die Verkehrslärmschutzverordnung.
B. Inhalte einer "Fluglärmschutzverordnung"
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Abs. 1 LuftVG Anwendung findet. 64 In den Anwendungsbereich der Lännschutzverordnung fallen dementsprechend Anlage oder Betrieb sowie die wesentliche Änderung der Anlage von Verkehrsflughäfen. Nicht in den Anwendungsbereich fallen würde jedoch die wesentliche Betriebsänderung, die gern. § 8 Abs. 4 S. 2 LuftVG nicht planfeststellungsbedürftig, sondern nur genehmigungsbedürftig ist. Es bietet sich daher an, den Anwendungsbereich des § 9 Abs. 2 LuftVG ausdrücklich auch auf die genehmigungsbedürftige wesentliche Betriebsänderung zu erweitern bzw. im Rahmen des § 8 Abs. 4 LuftVG klarzustellen, daß § 9 Abs. 2 LuftVG dennoch Anwendung findet. Auf diese Weise würden die Länngrenzwerte der Lännschutzverordnung auch für die wesentliche Betriebsänderung von Verkehrsflughäfen gelten. 65
11. Festlegung von Grenzwerten Idealtypisch verläuft die Festlegung von Grenzwerten in drei Handlungsschritten. 66 Ausgangspunkt sind hierbei die von der Rechtsordnung in unterschiedlichem Ausmaß für schützenswert erklärten Rechtsgüter. In einem nächsten Schritt muß durch die Naturwissenschaften geklärt werden, wann eine Beeinträchtigung dieser geschützten Rechtsgüter auftreten könnte. Auf der letzten Stufe des Dreierschritts wird der gefundene Grenzwert rechtlich von der gesetzgebenden Gewalt fixiert. Zu berücksichtigen ist dabei stets, daß dies die Idealtypik der drei Handlungsschritte darstellt. In der Praxis erfolgen jedoch einige Modifikationen, insbesondere im Hinblick darauf, daß in den meisten Fällen eine Grenzwertsetzung durch einen reinen Erkenntnisakt unmöglich ist und somit oftmals politische Wertungen notwendig werden. 67 Dennoch soll im folgenden im Groben an dieser Dreiteilung festgehalten werden.
64 Die Zumutbarkeitsgrenze des § 9 Abs. 2 LuftVG findet zwar aufgrund des engen materiellen Zusammenhangs zwischen Genehmigung und Planfeststellung auch auf die Genehmigung Anwendung, eine ausdrückliche KlarsteIlung dieser Tatsache wäre allerdings wünschenswert. 65 Inwieweit eine grundsätzliche Anwendbarkeit des § 9 Abs. 2 LuftVG auch im Genehmigungsverfahren zu normieren ist, soll hier nicht behandelt werden, erscheint aber im Hinblick auf den engen Zusammenhang zwischen Genehmigung und Planfeststellung und die Einheitlichkeit der Beurteilungsmaßstäbe wünschenswert. 66 Hüttennann, Grenzwerte, S. 15; Winter, in: Grenzwerte, S. 1 (9); differenzierend, vgl. Umweltgutachten 1996, Tz. 917; Buchholz, Grenzwerte, S. 34 ff.; Kutscheidt, in: VDIBerichte, S. 43 (46 f.); Rohnnann, in: VDI-Berichte, S. 115 (118). 67 Buchholz, Grenzwerte, S. 35; Hüttennann, Grenzwerte, S. 15; Winter, in: Grenzwerte, S. 1 (9).
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4. Teil: Gestaltungsprobleme einer "Fluglännschutzverordnung"
1. Bestimmung der rechtlich geschützten Güter Ausgangspunkt für die Festlegung von Immissionsgrenzwerten für fluglärmbeeinträchtigungen müssen die rechtlich zu schützenden Güter sein. Die schutzwürdigen Rechtsgüter ergeben sich hierbei aus den verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Anforderungen. Grundsätzlich sind bei jeglichem staatlichen Handeln, also auch bei der Festsetzung von Grenzwerten, die verfassungsrechtlichen Vorgaben einzuhalten, Art. I Abs. 3 GG. Dementsprechend dürfen keine Anlagen durch Planfeststellung zugelassen werden, "wenn die Errichtung oder der Betrieb der Anlagen zu Schäden führt, die sich als Grundrechtsverletzung darstellen.,,68 Diese verfassungsrechtlichen Anforderungen müssen jedoch auf einfachgesetzlicher Ebene durch den Gesetzgeber konkretisiert werden. Sie finden demnach ihren Ausdruck in den einfachgesetzlichen Bestimmungen, hier in § 9 Abs. 2 LuftVG. Dieser ist maßgeblich für die Bestimmung der rechtlich zu schützenden Güter. Nur in Ausnahmefällen darf unmittelbar auf das Verfassungsrecht zurückgegriffen werden. Dennoch sollen hier zuerst die Vorgaben des Grundgesetzes für den Immissionsschutz gegen fluglärm dargestellt werden, um eine verfassungsrechtliche Einordnung des § 9 Abs. 2 LuftVG zu ermöglichen. a) Verfassungsrechtliche Anforderungen
fluglärm ist als Lärmimmission eine negative Umwelterscheinung. Ab einer gewissen Intensität kann durch fluglärmeinwirkungen das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) ebenso wie die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) beeinträchtigt werden. In Betracht kommt weiterhin eine Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG. 69 Für den Lärmschutz könnte außerdem die verfassungsrechtliche Staatszielbestimmung des Art. 20a GG eine Rolle spielen. Den betroffenen Grundrechten der Lärmbe1asteten können aber die Grundrechte der Betreiber (insbesondere aus Art. 14 und Art. 12 GG) und andere öffentliche Interessen von Verfassungsrang gegenüberstehen. Diese gegenläufigen Interessen müssen in einen verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden.
68 BVerfG, BeschI. vom 08. 08. 1978 - BVerfGE 49, S. 89 (140 f.); BVerfG, BeschI. vom 10. 12. 1979 - BVerfGE 53, S. 30 (59). 69 Da die Bedeutung des Grundrechts auf allgemeine Handlungsfreiheit gern. Art. 2 Abs. I GG als Auffanggrundrecht hinter den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 GG und Art. 14 GG zurückbleibt, soll Art. 2 Abs. I GG im folgenden nicht geprüft werden, vgI. Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, Vor. §§ 38-43, Rn. 33. Ausführlich zu Art. 2 Abs. I GG, vgI. hingegen Hermann, Fluglänn, S. 186 ff.
B. Inhalte einer "Fluglärrnschutzverordnung"
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aa) Grundrechte der Lärmbetroffenen Der Staat hat grundsätzlich die Pflicht, sich schützend und fördernd vor das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG zu stellen. Dies gilt sowohl für Eingriffe von seiten anderer als auch insbesondere für Eingriffe von staatlicher Seite. In gleicher Weise obliegt ihm nach Art. 14 GG eine Pflicht zur Gewährleistung des Eigentums. Insoweit trifft ihn die verfassungsrechtliche Pflicht zur Konkretisierung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Darüberhinaus hat er zumindest die Befugnis aus Art. 20a GG (wenn nicht sogar die Pflicht), die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen allgemein zu schützen.
(1) Schutz der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) Durch Fluglärm wird in erster Linie das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG berührt, das die körperliche Unversehrtheit und das Leben schützt. Da Fluglärmimmissionen in der Umgebung von Verkehrsflughäfen auch bei sehr hoher Intensität kaum jemals das Leben der Betroffenen gefährden, spielt in diesem Zusammenhang nur das Schutzgut der körperlichen Unversehrtheit eine Rolle. Der Schutz der körperlichen Unversehrtheit gewährleistet die körperliche Integrität. Diese umfaßt nicht nur den Schutz vor Eingriffen in die Gesundheit in einem biologisch-physiologischen Sinne, sondern auch den Schutz vor solchen nichtkörperlichen Einwirkungen, die ihrer Wirkung nach körperlichen Eingriffen gleichzusetzen sind. 7o Hierunter fallen insbesondere Schlafstörungen, die als zeitlich-räumlich gestreckte Beeinträchtigungen zu psychosomatischen Krankheitszuständen führen können. 7 ! Nicht vom Schutz des Art. 2 Abs. 2 GG umfaßt ist allerdings das körperliche, geistige und soziale Wohlbefinden. 72 Eine derartige Auslegung des Gesundheitsbegriffs hätte eine Uferlosigkeit des Schutzbereichs zur Folge, in den dann auch subjektive Empfindungen miteinbezogen werden müßten. Ein solcher Schutz könnte im übrigen praktisch kaum realisiert werden. 73 Der Schutz des Art. 2 Abs. 2 GG bezieht sich allerdings nicht nur auf Verletzungen der körperlichen Unversehrtheit, sondern umfaßt bereits Gesundheitsgefähr70 BVerfG, Besch!. vorn 14. 01. 1981 - BVerfGE 56, S. 54 (74 f.); Hermes, Schutz von Leben und Gesundheit, S. 224 f.; Schmidt-Aßmann, AöR 106 (1981), S. 205 (209); SchulzeFielitz, Die Verwaltung 26 (1993), S. 515 (519). 71 BVerfG, Besch!. vorn 14. 01. 1981 - BVerfGE 56, S. 54 (74 f.); Schulze-Fielitz, in: GKBImSehG, Vor. §§ 38-43, Rn. 42; Schmidt-Aßmann, AöR 106 (1981), S. 205 (209). 72 So aber die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in der Präambel ihrer Satzung vorn 22. 07. 1946, die für die Bundesrepublik Deutschland am 29. 05. 1951 in Kraft getreten ist (BGB!. 11 1974 S. 43): "Die Gesundheit ist der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen." 73 Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 26 (1993), S. 515 (519); Schmidt-Aßmann, AöR Bd. 106 (1981), S. 205 (210).
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4. Teil: Gestaltungsprobleme einer "Fluglärmschutzverordnung"
dungen. 74 Die Ausweitung des Schutzbereichs ist insbesondere im Hinblick auf die Tatsache von Bedeutung, daß im Bereich der Lärmwirkungsforschung noch erhebliche Unsicherheiten bestehen und durch die Einbeziehung der Gefahr als "Sicherheitsmarge" eine klare Abgrenzung zwischen Gesundheitsschaden und Gesundheitsgefahrdung nicht notwendig ist. 75 Dennoch bleibt auch die Abgrenzung zwischen Gesundheitsgefahrdung und verfassungsrechtlich noch hinzunehmender Gesundheitsbelästigung schwierig. Auch in diesem Bereich bestehen Erkenntnisdefizite. Insbesondere problematisch ist dabei, daß Fluglärmimrnissionen gesundheitliche Relevanz nur dann zukommen kann, wenn die Belastungen über einen längeren Zeitraum auf den Betroffenen einwirken; nur vorübergehende Lärmexpositionen haben keine gesundheitlichen Folgen, entscheidend ist die Langzeitbelastung. 76 Da somit auch Immissionen geringerer Konzentration auf Dauer zu Gesundheitsgefahren werden können, ist die Grenze zwischen Gesundheitsgefährdungen und verfassungsrechtlich noch hinzunehmenden Gesundheitsbelästigungen fließend. 77 Inwieweit im Hinblick auf bestehende Erkenntnisdefizite (neben einer aktiven Gefahrenabwehr) auch die Vorsorge gegen eventuelle Gefahren verfassungsrechtlich durch Art. 2 Abs. 2 GG geboten ist, bleibt schwierig zu beantworten und soll hier nicht entschieden werden. Dafür spräche, daß sich Gefahrenvorsorge und Gefahrenabwehr häufig nicht eindeutig trennen lassen und die Einbeziehung der Gefahrenvorsorge einen "Sicherheitspuffer" bereitstellen würde. Dagegen ließe sich jedoch das schlagkräftige Argument anführen, daß eine Berücksichtigung der Gefahrenvorsorge die Grenzen des Schutzbereichs des Art. 2 Abs. 2 GG noch weiter verschwimmen ließe. 78 Der Umstand, daß die körperliche Unversehrtheit und damit der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 GG durch bestimmte Fluglärmimrnissionen berührt werden kann, bedeutet nicht zugleich, daß dieser Eingriff zwangsläufig auch rechtswidrig ist. Allerdings muß für eine Eingriffsrechtfertigung im Hinblick auf den Vorbehalt des Gesetzes des Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG ein Gesetz vorliegen. Solange aber der Gesetzgeber nicht bewußt den Grundrechtsschutz zugunsten der unbeschränkten Entfaltung des Luftverkehrs oder anderer öffentlicher Interessen als nach seiner Ansicht überwiegende Belange durch Gesetz eingeschränkt, so lange muß der Grundrechtsschutz gewährt sein.79 Eine derartige Eingriffsrechtfertigung er74
BVerJG, Besch!. vom 14. 01. 1981 - BVerfGE 56, S. 54 (77 f.); Hermann, Fluglärm,
S. 128 ff.
75 Kutscheidt, NVwZ 89, S. 192 (197); allerdings kann ein bestimmtes Restrisiko grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden und gehört in den Bereich des allgemeinen Lebensrisikos, vgl. BVerJG, Beschl. vom 08. 08. 1978 - BVerfGE 49, 89 (143); kritisch hierzu Böhm, Normmensch, S. 116; Hermes, Schutz von Leben und Gesundheit, S. 233 ff. 76 Hermann, Fluglärm, S. 126. 77 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, Vor. §§ 38-43, Rn. 42. 78 Zu dem Ganzen, vgl. ausführlich Böhm, Normmensch, S. 111 ff. 79 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, Vor. §§ 38-43, Rn. 43; Berkemann, ZUR 2002, S. 202 (203), weist zu Recht darauf hin, daß eine solche Einschränkung nur unter strengsten Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit erfolgen darf.
B. Inhalte einer "Fluglärmschutzverordnung"
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scheint allerdings im Hinblick auf die große Bedeutung des Gesundheitsschutzes eher unwahrscheinlich.
(2) Eigentumsgewährleistung (Art. 14 Abs. 1 GG) Neben dem personenbezogenen Gesundheitsschutz aus Art. 2 Abs. 2 GG steht die sachbezogene Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG. Der von Flughäfen ausgehende Lärm ist geeignet, die Nutzungsfähigkeit von Grundstücken zu beeinträchtigen und den Wohnwert zu mindern. so Daher könnte er einen Eingriff in das Eigentum nach Art. 14 GG darstellen. Die Besonderheit des Grundrechts aus Art. 14 GG liegt darin, daß der Eigentumsbegriff des Grundgesetzes aus sich heraus keinen abgegrenzten Schutzbereich definiert. Als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG ist vielmehr alles das anzusehen, was das einfache Recht zu einem bestimmten Zeitpunkt als Eigentum ausgestaltet hat. S ! Inhalt und Grenzen der gesetzlichen Ausgestaltungsbefugnis werden durch die verfassungsrechtliche Eigentumsgewährleistung (Institutsgarantie) und die Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) bestimmt. Der Gesetzgeber hat eine Eigentumsordnung zu schaffen, die sowohl den privaten Interessen des einzelnen als auch denen der Allgemeinheit gerecht wird. 82 Ihm kommt also die Aufgabe zu, durch Abwägung ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den privatnützigen Rechten aus dem Eigentum und seinen sozialpflichtigen Grenzen auszugestalten. Insbesondere kann er im Rahmen der Abwägung den privaten Eigentümer im öffentlichen Interesse schwer belasten. Solch ein Eingriff muß dann jedoch unter Umständen durch eine finanzielle Entschädigung ausgeglichen werden. 83 Durch den von einem Flugplatz ausgehenden Fluglärm wird in erster Linie die Nutzbarkeit der belasteten Nachbargrundstücke eingeschränkt. Das zivilrechtliche Grundeigentum als subjektives vermögenswertes Recht wird unzweifelhaft von der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie umfaßt. Gleiches gilt für dingliche Rechte an Grundstücken, die dem Eigentum in ihren Auswirkungen nahekommen, wie beispielsweise das Wohnungseigentum, der Nießbrauch und das Erbbaurecht. 84 Im Hinblick auf obligatorische Rechtspositionen wie Miete und Pacht gilt, daß sie grundsätzlich als vermögenswerte Rechtspositionen auch in den Schutzbe80 Hemwnn, Fluglärm, S. 152 ff.; ausführlich zur Bedeutung des Lärms für die Wohnqualität, vgl. Guski, ZfL 38 (1991), S. 61 (61 ff.); Waiden, ZfL 42 (1995), S. 159 (159 ff.) 81 PierothlSehlink, Grundrechte, Rn. 899. 82 BVerjG, Beschl. vom 12. 01. 1967 - BVerfGE 21, S. 73 (83); BVerfG, Urt. vom 01. 03. 1979 - BVerfGE 50, S. 290 (340); BVerfG, Beschl. vom 12. 06. 1979 - BVerfGE 52, S. 1 (29); BVerjG, Beschl. vom 15.07. 1981 - BVerfGE 58,300 (335); BVerjG, Beschl. vom 08.01. 1985 - BVerfGE 68, S. 361 (368). 83 Pierothl Sehlinie, Grundrechte, Rn. 934. 84 BVerwG, Urt. vom 29. 10. 1983 - DÖV 1983, S. 344 (344 f.); BVerwG, Urt. vom 11. 05. 1989 - BVerwGE 82, S. 61 (75); VG Freiburg, Urt. vom 12.05. 1987 - NJW 1988, S. 2689 (2689).
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4. Teil: Gestaltungsprobleme einer "Fluglännschutzverordnung"
reich des Art. 14 GG fallen können. Allerdings werden Nutzungsbefugnisse, wie die Möglichkeit der Vennietung oder der Verpachtung, in diesem Zusammenhang bereits als Ausfluß des zivilrechtlichen Grundeigentums geschützt. 85 Im Ergebnis obliegt dem einfachen Gesetzgeber, in Fonn der Inhalts- und Schrankenbestimmung86 über die Reichweite des Schutzes vor Fluglänn zu entscheiden. 87 Hierbei muß er den Interessenkonflikt zwischen den Interessen der Berechtigten an der Nutzung ihres Grundeigentums und den ihnen gegenüberstehenden privaten und öffentlichen Interessen an dem unbeschränktem Betrieb des Flugplatzes zu einem verhältnismäßigen Ausgleich bringen. 88 (3) Verhältnis von Art. 2 Abs. 2 GG zu Art. 14 Abs. 1 GG Wie oben dargestellt können durch Fluglänn insbesondere die Grundrechte aus Art. 14 und Art. 2 Abs. 2 GG berührt werden. Es stellt sich demnach die Frage, in welchem Verhältnis diese beiden Grundrechte zueinander stehen. Dominierender Beurteilungsmaßstab für die Beurteilung von Fluglännimmissionen war nach der Rechtsprechung zunächst allein die sachbezogene Eigentumsgarantie. 89 Im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 GG wurde vertreten, daß im Bereich der Schutzauflagenvorschrift der Schutz des Grundeigentums gleichzeitig den Schutz der personenbezogenen Rechtsgüter mitumfasse. Mit der Gewährleistung einer durch Länn nicht beeinträchtigten Grundstücksnutzung sei auch eine Beeinträchtigung des Art. 2 Abs. 2 GG ausgeschlossen. 9o Diese Rechtsprechung widerspricht allerdings der herausragenden Stellung des durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützten Schutzguts Gesundheit innerhalb der grundrechtlichen Werteordnung. Angesichts des hohen Ranges von Leben und Gesundheit kann die Gefahrenschwelle für den Gesundheitsschutz oft höher liegen als die für den Sachgüterschutz des Art. 14 GG. 91 Problematisch erscheint diese Rechtsprechung auch im Hinblick darauf, daß der Gesundheitsschutz gerade keiner Sozialpflichtigkeit bzw. Situationsgebundheit unterliegt und es daher zu Schutzlücken kommen kann. 92 85 Hennann, Fluglänn, S. 163 f. m. w. N .. Dies hat für den Rechtsschutz zur Folge, daß Mieter und Pächter darauf beschränkt sind, ihre Rechtspositionen gegenüber dem Eigentümer geltend zu machen; sie können sich dagegen nicht direkt auf Art. 14 GG berufen, vgl. Hofmann/Grabherr, LuftVG, § 9, Rn. 109. 86 Zu beachten ist, daß Lärmimmissionen mangels Finalität niemals Enteignungen im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG sein können, vgl. Hennann, Fluglänn, S. 167 f. 87 Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 26 (1993), S. 515 (521). 88 V gl. hierzu ausführlich Hennann, Fluglänn, S. 171 ff. 89 Schulze-Fielitz, in: GK-BlmSchG, Vor. §§ 38-43, Rn. 34. 90 BVenvG, Urt. vom 14. 12. 1979 - BVerwGE 59, S. 253 (262). 91 Schmidt-Aßmann, AöR 106 (1981), S. 205 (211). 92 Berkemann, ZUR 2002, S. 202 (203); Hennann, Fluglänn, S. 183 ff.; Steiger, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 21 (35).
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Mittlerweile steht Art. 2 Abs. 2 GG daher im Vordergrund der Rechtsprechung zum Immissionsschutz. 93 Das personenbezogene Regelungsmodell des Art. 2 Abs. 2 GG soll insbesondere die Betroffenen schützen, die keinen eigentumsbezogenen Schutz aus Art. 14 GG geltend machen können.94 Ist dies aber der Fall, so stehen die beiden Grundrechte in Idealkonkurrenz nebeneinander. 95
(4) Interessen unterhalb der grundrechtlichen Gefahrenschwelle Auch unterhalb der grundrechtlichen Verletzungs- und Gefahrenschwelle können von einem Flughafen erhebliche Belästigungen und Nachteile ausgehen. Die Kategorie der Belästigungen und Nachteile stellt eine Art "Niemandsland" zwischen Grundrechtsgefährdungen und dem Bereich der grundrechtstypischen Freiheitsbetätigung dar. 96 Der Staat ist von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, derartigen Belästigungen und Nachteilen entgegenzutreten. Sie sind vielmehr im mitmenschlichen Verkehr hinzunehmen, da nicht das soziale Zusammenleben von Menschen überhaupt in Frage gestellt werden soll.97 Dem einfachen Gesetzgeber ist es allerdings im Rahmen seines Wertungs- und Gestaltungsspielraums nicht verwehrt, bestimmte Belästigungen und Nachteile einfachrechtlich zu verbieten. bb) Staatszielbestimmung Umweltschutz Seit der Grundgesetzänderung vom 27. 10. 1994 obliegt dem Staat die Staatsaufgabe "Umweltschutz", das heißt also die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen, die nunmehr verfassungsrechtlich in Art. 20 a GG festgeschrieben ist. Insbesondere wird davon auch der Schutz vor Lärm umfaßt. 98 Die Staatszielbestimmung Umweltschutz steht grundsätzlich selbständig neben den Grundrechten und verdrängt diese nicht. 99 Als Staatszielbestimmung richtet sich Art. 20a GG vornehmlich an den Gesetzgeber. 1OO Dieser soll den Umweltschutz mit anderen ihm gegenüberstehenden Verfassungsgütern auf der Ebene des einfachen Rechts zum Ausgleich bringen. Dem Gesetzgeber kommt bei dem vorzunehmenden Ausgleich ein weiter Einschät93 Grundlegend, vgl. BVenvG, Urt. v. 27. 07. 1977 - BVerwGE 54, S. 211 (222 f.); BVenvG, Urt. vom 21. 03. 1996 - BVerwGE 101, S. 1 (10 f.) - NVwZ 1996, S. 1003 (1005). 94 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, Vor. §§ 38-43, Rn. 41; Schulze-Fielitz, in: Die Verwaltung 26 (1993), S. 515 (519). 95 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, Vor. §§ 38-43, Rn. 41. 96 Isensee, in: HdStR V, § 111 Rn. 107. 97 Isensee, in: HdStR V, § 111, Rn. 106 f. 98 Schatz, in: Maunz/Dürig/Herzog, GG-Kommentar, Art. 20a, Rn. 36. 99 Murswiek, NVwZ 1996, S. 222 (224). 100 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 20a, Rn. 55.
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zungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum ZU. 101 ZU beachten ist hierbei, daß Art. 20a GG die staatliche Umweltschutzverpflichtung zwar "dynamisiert,,102, jedoch keinen absoluten Vorrang des Umweltschutzes normiert, so daß durchaus auch gegenläufigen Interessen der Vorrang gewährt werden kann. 103 cc) Entgegenstehende Grundrechte der Betreiber Allerdings ist zu berücksichtigen, daß die Grundrechte der Lärmbetroffenen mit entgegenstehenden Grundrechten der Flughafenbetreiber aus Art. 14, 12 und 2 Abs. 1 GG kollidieren könnten. 104 Voraussetzung für eine Geltendmachung der Grundrechte ist die Grundrechtsfähigkeit der Flughafenbetreiber. Grundrechtsfähig sind grundsätzlich alle natürlichen Personen. Auch (inländische) juristische Personen können gern. Art. 19 Abs. 3 GG grundrechtsfähig sein, solange die Grundrechte "ihrem Wesen nach" auf sie anwendbar sind. Dies ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts der Fall für juristische Personen des Privatrechts, nicht aber für juristische Personen des öffentlichen Rechts. 105 Eine Besonderheit stellen juristische Personen des Privatrechts in Form des sogenannten privatrechtsförmigen Verwaltungsrechts dar. Der staatlichen Verwaltung steht in bestimmten Grenzen die Wahl zu, sich bei ihrer Leistungserfüllung entweder öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Rechtsformen zu bedienen. 106 Die privatrechtsförmige Verwaltung kommt in drei Fallgruppen vor: In Form der sogenannten privatrechtlichen Hilfgeschäfte, in Form der erwerbswirtschaftlichen Betätigung und in Form des Verwaltungsprivatrechts. 107 Im Bereich des hier relevanten Verwaltungsprivatsrechts nimmt der Staat privatrechtliche Handlungs- und Organisationsformen in Anspruch, um öffentliche Aufgaben lei101
Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 20a, Rn. 58; Steinberg, NJW 1996,
S. 1985 (1991). 102
103
Czybulka, UPR 1999, S. 126 (127). Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 20a, Rn. 37; Steinberg, NJW 1996,
S. 1985 (1992). 104 Vgl. ausführlich Roth, Faktische Eingriffe, S. 461 ff. 105 Eine Ausnahme macht das Bundesverfassungsgericht allerdings für Universitäten, Kirchen und Rundfunkanstalten, da "sie die Grundrechte in einem Bereich verteidigen, in dem sie vom Staat unabhängig" sind und sie somit "unmittelbar dem durch die Grundrechte geschützten Lebensbereich zuzuordnen sind", vgl. BverfG, Beschl. vom 02. 05. 1967 BVerfGE 21, S. 362 (373); BVerjG, Urt. vom 27. 07. 1971 - BVerfGE 31, S. 314 (322); BVerfG, Beschl. vom 09. 04. 1975 - BVerfGE 39, S. 302 (313); BVerfG, Beschl. vom 08.07. 1982 - BVerfGE 61, S. 82 (102); BVerjG, Beschl. vom 14. 04. 1987 - BVerfGE 75, S. 192 (196 f.); BVerfG, Beschl. vom 23. 03.1988 - BVerfGE 78, S. 101 (102). 106 Maurer; Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3, Rn. 9 ff. 107 Dreier; in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 1 Abs. 3, Rn. 48 ff.; Maurer; Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3, Rn. 9 ff.
B. Inhalte einer "Fluglärmschutzverordnung"
159
stender und lenkender Art (insbesondere der Daseinsvorsorge) zu erfüllen. lOS Dabei ist er nach herrschender Meinung an die Grundrechte gebunden, um sich nicht durch eine "Flucht in das Privatrecht" seiner Grundrechtsbindung entziehen zu können. 109 Zu klären bleibt, ob diese juristischen Personen des Verwaltungsprivatrechts selbst grundrechtsfähig sindYo Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts können sich juristische Personen des Privatrechts, die sich vollständig in öffentlicher Hand befinden, nicht auf Grundrechte berufen, solange Gegenstand des Unternehmens Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge ist. 111 Grund hierfür ist, daß die Grundrechtsfähigkeit der öffentlichen Hand nicht von der jeweiligen Organisationsforrn abhängig sein darf. ll2 Im übrigen ist dem Staat auch bei privatrechtlichem Tätigwerden kein grundrechtlich geschützter Bereich individueller Entfaltungsmöglichkeit eröffnet, denn die juristische Person des Privatrechts ist letztlich aus einem Zusammenschluß nicht grundrechtsfähiger Personen des öffentlichen Rechts entstandenY3 Anders stellt sich die Situation allerdings dar, wenn die juristische Person des Privatrechts ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen darstellt. Ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen liegt dann vor, wenn an dem Unternehmen außer den Trägem staatlicher Verwaltung auch Personen des Privatrechts beteiligt sind. Die Grundrechtsfähigkeit ist in derartigen Fällen umstritten. Nach einer Ansicht darf auch diesen Unternehmen keine Grundrechtsfähigkeit zukommen, denn auf diese Weise könnte der beteiligte Staat schon bei geringen privaten Beiteiligungen im Sinne einer "Fast-Eigengesellschaft" eine Grundrechtsberechtigung durch Wahl der Organisationsforrn erlangen." 4 Nach wohl überwiegender Ansicht sind gemischtwirtschaftliche Unternehmen allerdings als Grundrechtsträger anzusehen. 115 Wesentliches Argument für die Grundrechtsfähigkeit ist, daß ansonsten die Grundrechte der privaten Anteilseigner vollständig mißachtet würden. 116
Dreier, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 1 Abs. 3, Rn. 48. Dreier, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 1 Abs. 3, Rn. 51. 110 Allein die Grundrechtsbindung begründet noch keine Ablehnung einer gleichzeitigen Grundrechtsfähigkeit, vgl. Krebs. in: v. Münch I Kunig, GG-Kommentar. Art. 19. Rn. 41. lli BVerfG. Beschl. vom 07. 06. 1977 - BVerfGE 45, S. 63 (78 ff.); Dreier, in: Dreier, GGKommentar, Art. 19 Abs. 3, Rn. 47 f.; Hermann. Fluglärm, S. 109 ff.; Krebs. in: v. Münchl Kunig, GG-Kommentar, Rn. 42. 112 BVerfG. Beschl. vom 07. 06. 1977 - BVerfGE 45, S. 63 (80); Hennann. Fluglärm, S. 109 ff. 113 Dreier, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 19 Abs. 3, Rn. 48. 114 BVerfG. Beschl. vom 16. 05. 1989 - JZ 1990, S. 335; kritisch ebenfalls Dreier, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 19 Abs. 3, Rn. 49. 115 Jarass/ Pieroth. GG-Kommentar, Art. 19, Rn. 13; Krüger, in: Sachs, GG-Kommentar, Art. 19, Rn. 63. 116 Koppensteiner, NJW 1990, S. 3105 (3110 f., 3114); Kühne. JZ 1990, S. 335 (336). \08
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4. Teil: Gestaltungsprobleme einer "Fluglärmschutzverordnung"
Diese Grundsätze müssen nun auf die hier in Frage stehenden Verkehrsflughafenbetreiber übertragen werden. Die bestehenden Verkehrsflughäfen werden derzeit alle in privatrechtlicher Form als Aktiengesellschaft oder GmbH betrieben. Durch die Bereitstellung einer Verkehrsinfrastruktur erfüllen die Betreiber von Verkehrsflughäfen jedoch öffentliche Aufgaben der staatlichen Daseinsvorsorge. 117 Die Verkehrsflughäfen werden dementsprechend in Form des Verwaltungsprivatrechts betrieben. Ursprünglich befanden sich alle Verkehrsflughäfen vollständig in öffentlicher Hand. 118 Ihre Betreibergesellschaften waren dementsprechend nicht grundrechtsfähigY9 Konsequenz war, daß den Grundrechten der Lärmbetroffenen gegenüber keine Betreibergrundrechte geltend gemacht werden konnten. Mittlerweile sind jedoch fünf der deutschen Verkehrsflughäfen zu großen Anteilen privatisiert worden.12o Sie stellen nunmehr sogenannte gemischtwirtschaftliche Unternehmen dar, denen eine Grundrechtsberechtigung zuzugestehen ist. Diese Verkehrsflughafenbetreiber können dementsprechend insbesondere ihre Grundrechte auf Gewährleistung des Eigentums (u.U. am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) aus Art. 14 GG und auf Berufsfreiheit aus Art. 12 GG gegenüber den Grundrechten der Lärmbetroffenen geltend machen. Es ist demnach die Situation entstanden, daß einige der deutschen Verkehrsflughäfen nunmehr tatsächlich Grundrechte geltend machen können, während der Großteil weiterhin als nicht grundrechtsfähig anzusehen ist. dd) Andere öffentliche Interessen von Verfassungsrang Den Grundrechten der Lärmbetroffenen könnten außerdem öffentliche Gemeinwohlinteressen entgegenstehen. Derartige Gemeinwohlinteressen sind nicht beliebig definierbar, sondern müssen als besonders wichtige Gemeinwohlinteressen eine Stütze im Grundgesetz aufweisen. 121 Gegen einen stark ausgeprägten Badura, Rechtsfragen, S. 27 (48); Hermann, Fluglärm, S. 102 f. Vgl. die Daten aus Schwenk, LuftVR, S. 127 f.; Hermann, Fluglärm, S. 101. 119 Anderes gilt für die Betreiber von Flugplätzen, die privat betrieben werden. Diese sind als juristische Personen des Privatrechts nach Maßgabe des Art. 19 Abs. 3 GG grundrechtsfähig. Sie können sich insbesondere auf die Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG und auf die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG berufen, vgl. Wieland, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 14, Rn. 60; Art. 12, Rn. 64. Daher muß durch den Gesetzgeber ein verhältnismäßiger Ausgleich zwischen den einander entgegenstehenden grundrechtlichen Intressen erfolgen, wobei jedem der betroffenen Grundrechte zur größtmöglichen Wirksamkeit im Sinne einer praktischen Konkordanz verholfen werden muß, vgl. Katz, Staatsrecht, Rn. 646 ff. 120 Flughafen Düsseldorf: 50%; Flughafen Hamburg, 40%; Fughafen Frankfurt: 29%; Flughafen Saarbrücken 51 %; Flughafen Hannover: 30% (allerdings gehören Teile der Flughäfen Saarbrücken und Hannover der Fraport AG, die ja selbst nur zum Teil privatisiert ist); vgl. telefonische Angaben der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV). 121 Berkemann, ZtL 2001, S. 134 (136 ff.). 117
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B. Inhalte einer "Fluglärmschutzverordnung"
161
Schutz vor Fluglärm könnte das Allgemeininteresse an einer Förderung des Luftverkehrs und der damit verbundenen verkehrlichen Mobilität angeführt werden. 122 Zweifelhaft erscheint allerdings, ob dem Interesse an einer effektiven verkehrlichen Infrastruktur, also dem Verkehrsbedarf, tatsächlich Verfassungsrang zukommen kann. Allein die Kompetenznormen der Art. 73 Nr. 6 GG und Art. 87 d Abs. 1 S. 1 GG begründen noch keine verfassungsrechtliche Verankerung dieser Interessen. 123 Die Bereitstellung einer luftverkehrlichen Infrastruktur kann sich jedoch als Aufgabe der staatlichen Daseinsvorsorge auf das Sozialstaatsprinzip zurückführen lassen und erfährt hierdurch eine verfassungsrechtliche Verankerung. 124 Herangezogen werden könnte auch das öffentliche Interesse an der Herstellung oder Erhaltung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, insbesondere der Vollbeschäftigung und somit der Schaffung von Arbeitsplätzen (Art. 109 Abs. 4 GG i.Y.m. dem Stabilitätsgesetz).125 Es ist also eine Mehrzahl verfassungsrechtlich legitimierter Allgemeinwohlinteressen denkbar. 126 Daher obliegt es dem einfachen Gesetzgeber, die primär politische Entscheidung darüber zu treffen, was er als Gemeinwohl definiert und mit welchen Mitteln und zu welchem Preis dieses Interesse verfolgt werden SOll.127 Ihm kommt hierbei ein Gestaltungsspielraum ZU. 128 b) Konkretisierung auf einfachgesetzlicher Ebene Das Verfassungsrecht stellt die Vorgaben für die Ausgestaltung und Auslegung des einfachen Rechts dar. Einfaches Recht muß demnach stets mit der Verfassung übereinstimmen, ansonsten kann es im Wege der abstrakten oder konkreten Normenkontrolle bzw. der Verfassungsbeschwerde angegriffen und zu Fall gebracht werden. Insbesondere die Grundrechte, aber auch andere Güter und Ziele von Verfassungsrang müssen demnach vom Gesetzgeber bei der Schaffung von einfachem Recht angemessen berücksichtigt und zu einem verhältnismäßigem Ausgleich gebracht werden.
Czybulka, UPR 1999, S. 126 (127). Berkemann, ZfL 2001, S. 134 (138); Czybulka, UPR 1999, S. 126 (127). 124 Hermann, Fluglärm, S. 144; für die staatliche Daseinsvorsorge allgemein, vgl. [bier, Schranken, S. 143. 125 Steinberg, NJW 1996, 1985 (1988). 126 A.A. Berkemann, ZfL 2001, S. 134 (137 f.), nach dessen Ansicht die Förderung des zivilen Luftverkehrs keine verfassungsrechtliche Verankerung findet. 127 Vgl. ausführlich Roth, Faktische Eingriffe, S. 470 ff. 128 Die verfassungsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, daß das jeweilige Allgemeinwohlinteresse eine Stütze im Verfassungsrecht haben muß, vgl. Roth, Faktische Eingriffe, S. 473. 122
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4. Teil: Gestaltungsprobleme einer "F1uglärmschutzverordnung"
aa) Schutzpflicht und Abwehrrecht Zu klären ist zunächst, ob den Gesetzgeber hinsichtlich der Grundrechte der Lärmbetroffenen eine Schutzpflicht trifft, oder ob die Grundrechte vielmehr in ihrer abwehrrechtlichen Funktion zur Geltung kommen. 129 Das Abwehrrecht und die staatliche Schutzpflicht sichern das identische grundrechtliche Gut vor Eingriffen. Der Unterschied besteht allein darin, daß beim Abwehrrecht der Eingriff von der öffentlichen Gewalt droht, während bei der Schutzpflicht der Eingriff von privater Seite zu befürchten ist. 130 Im ersten Fall wirken die Grundrechte in ihrer klassischen Abwehrfunktion. Hierbei steht das Individuum dem Staat gegenüber. Mit dem Abwehranspruch des Individuums korrespondiert eine Achtungspflicht des Staates im Hinblick auf die grundrechtliche Substanz. Gehen die Beeinträchtigungen und Gefährdungen der grundrechtlich geschützten Güter hingegen nicht vom Staat, sondern von einem nichtstaatlichen Dritten aus, so liegt eine Dreieckskonstellation zwischen dem Grundrechtsgeschützten, dem Grundrechtsbeeinträchtiger und dem Staat als Grundrechtsschützer vor. 13l In einem solchen Fall wird der Staat vom Grundrechtsbeeinträchtiger zum Grundrechtsschützer. Die Achtungspflicht des Staates wird zur staatlichen Schutzpflicht. 132 Der Staat hat also nicht nur die Grundrechte negativ zu achten, sondern ist gleichzeitig verpflichtet, sie auch positiv zu schützen. In beiden Fällen geht es um einen optimalen Grundrechtsschutz. Unter dem Achtungsaspekt hat der Staat Übergriffe in den grundrechtlich geschützen Freiheitsbereich zu unterlassen. Unter dem Schutzaspekt hat der Staat solche Übergriffe von seiten Dritter zu unterbinden. 133 Es stellt sich nun die Frage, welche Konstellation für den Bereich der durch den Fluglärm betroffenen Grundrechte einschlägig ist. Dies hängt maßgeblich davon ab, ob Verkehrsflughäfen als Private oder vielmehr als Teil der öffentlichen Gewalt anzusehen sind. Entscheidender Punkt ist hierbei die Grundrechtsfähigkeit der Betreibergesellschaften. Sie ist Voraussetzung ist für das tatbestandliche Dreieck zwischen dem schutzpflichtigem Staat und den zwei Grundrechtsträgern in ihren gegensätzlichen Rollen des Schutzbedürftigen und des Gefahrverursachers. 134 Wie oben dargestellt, können die derzeit bestehenden Verkehrsflughäfen nur zum Teil Grundrechte geltend machen, wenn sie sich als gemischtwirtschaftliche UnternehAusführlich zur Schutzpflicht, vgl. Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 70 ff. Einen anderen Ansatz wählt Murswiek, nach dem auch jeder private Eingriff auf die staatliche Rechtsordnung zurückzuführen ist und deshalb dem Staat zuzurechnen ist, vgl. Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 62 ff., 91 ff. 131 Isensee, HdStR V, § 111, Rn. 5. 132 Isensee, HdStR V, § 111, Rn. 3. 133 Isensee, HdStR V, § 111, Rn. 1.; Hermann, F1uglärm, S. 92. 134 Isensee, in: HdStR V, § 111, Rn. 116. 129
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B. Inhalte einer "Fluglärmschutzverordnung"
163
men darstellen. Zum größten Teil sind sie hingegen nicht grundrechtsberechtigt. Gegenüber Verkehrsflughäfen wirken die Grundrechte der Lärmbetroffenen demnach teilweise in ihrer Abwehrfunktion 135 und teilweise in ihrer Schutzfunktion. bb) Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers Dem einfachen Gesetzgeber kommt grundsätzlich die Aufgabe zu, die einander gegenüberstehenden grundrechtlichen Positionen und öffentlichen Interessen zu einem verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen, wobei alle grundrechtlichen Gewährleistungen soweit wie möglich zu optimaler Wirksamkeit gelangen sollen. 136 Allerdings können die politischen Auffassungen über die Bedeutung der Rechtsgüter, zugunsten derer ein Grundrecht begrenzt wird, oftmals differenziert ausfallen. Daher kann auch die Frage der Verhältnismäßigkeit sehr unterschiedlich beantwortet werden. Hier muß dem Gesetzgeber ein weiter Raum der Gestaltungsfreiheit bleiben, der nur sehr begrenzt richterlich überprüfbar ist. 137 Übertragen auf den Bereich des Fluglärms gilt, daß der Gesetzgeber auf einfachgesetzlicher Ebene einen verhältnismäßigen Ausgleich der Interessen der Lärmbetroffenen mit den für das Flughafenvorhaben sprechenden öffentlichen Interessen und den Interessen der Flughafenbetreiber vornehmen muß. Es stehen sich also die Grundrechte der Lärmbetroffenen aus Art. 2 Abs. 2 GG und Art. 14 GG und die Grundrechte der Flughafenbetreiber aus Art. 12 GG und Art. 14 GG sowie weitere für das Vorhaben sprechende öffentliche Interessen gegenüber. Die Tatsache, daß tatsächlich nicht allen Flughafenbetreibern Grundrechte zustehen, ist nicht von großer praktischer Relevanz für die Ausgleichsentscheidung, da die Betreiberinter135 Ausführlich vg!. Hermann, Fluglärm, S. 80 ff.; anderes gilt hingegen für die restlichen Flugplätze, die teilweise ausschließlich von Privaten betrieben werden. Diese können sich selbstverständlich auf ihre Grundrechte aus Art. 14 und Art. 12 GG berufen. Daher liegt insoweit eine Schutzpflicht des Staates vor, sich "schützend und fördernd" vor die bedrohten Grundrechte der Lärmbetroffenen zu stellen. BVerJG, Besch!. vom 14. 01. 1981 - BVerfGE 56, S. 54 (73 f.); Steinberg, NJW 1996, S. 1985 (1987). 136 Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 317 ff. 137 Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 320. Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Achtungspflicht darf der überprüfende Richter seine Aufassung nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen; das BVerfG hat demnach nicht zu prüfen, ob eine gesetzliche Regelung die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste ist, wohl aber ob sie einen legitimen Zweck verfolgt und zur Erreichung dieses Zwecks geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist (Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 320,570; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 280 ff.; BVerJG, Besch!. vom 26. 03. 1983 - BVerfGE 54, S. 11 (26». Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Schutzpflicht erkennt das BVerfG dem Gesetzgeber einen weiten politischen Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu, vg!. BVerfG, Besch!. vom 14. 01. 1981 - BVerfGE 56, S. 54 (80 f.); BVerJG, Besch!. vom 29. 10. 1987 - BVerfGE 77, S. 170 (214 f.). Die richterliche Kontrolle soll erst dann einsetzen, wenn die staatlichen Organe gänzlich untätig geblieben sind oder wenn offensichtlich ist, daß die getroffene Maßnahmen völlig ungeeignet oder unzulänglich sind, vg!. BVerJG, Besch!. vom 14. 01. 1981 - BVerfGE 56, S. 54 (71, 80 ff.); kritisch Murswiek, Die Verwaltung 33 (2000), S. 241 (244 f.).
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4. Teil: Gestaltungsprobleme einer "Fluglännschutzverordnung"
essen weitgehend mit den öffentlichen Gemeinwohlinteressen an der Bereitstellung einer leistungsfähigen Infrastruktur übereinstimmen und so mittelbar Geltung erlangen. 138 Welche Interessen zugunsten anderer vorrangiger Interessen teilweise zurückstehen müssen, obliegt dem Gestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers. Im Hinblick auf die herausragende Bedeutung des durch Art. 2 Abs. 2 GG gewährleisteten Schutzgutes der Gesundheit erscheint die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in den grundrechtlichen Schutzbereich zugunsten entgegenstehender Interessen aber zumindest äußerst zweifelhaft. 139 Anzumerken bleibt weiterhin, daß es dem Gesetzgeber im Rahmen seines Wertungs- und Gestaltungsspielraums nicht verwehrt ist, bestimmte Belästigungen und Nachteile auch unterhalb der grundrechtlichen Gefahrenschwelle einfachrechtlich zu verbieten, obwohl eine verfassungsrechtliche Schutzverpflichtung nicht besteht. Ebenso kann der gesetzgeberische Ausgleich der öffentlichen und privaten Interessen aber dazu führen, daß derartige Belästigungen bzw. Nachteile als zumutbar hinzunehmen sind, wenn dadurch in den gegebenen räumlichen, technischen und wirtschaftlichen Situationen höherwertige, zumindest aber gleichwertige private oder öffentliche Interessen verwirklicht werden können. 140 c) Einfachgesetzliche Anforderungen des § 9 Abs. 2 LuftVG
Der Gesetzgeber hat die entsprechenden verfassungsrechtlichen Umweltanforderungen auf einfachgesetzlicher Ebene durch § 9 Abs. 2 LuftVG konkretisiert. § 9 Abs. 2 LuftVG bestimmt, daß zum Schutz der Allgemeinheit und der benachbarten Grundstücke vor Gefahren und Nachteilen dem Flughafenuntemehmer bestimmte Schutzvorkehrungen aufzuerlegen sind. An dieser Stelle soll nochmals in Erinnerung gerufen werden, daß im folgenden für den Lännschutz ausschließlich auf den Schutz der Nachbarschaft abgestellt werden soll, denn nur dieser ist für den individuellen Schutz vor Fluglänn von Bedeutung. 141 Berkemann, ZtL 2001, S. 134 (141). Berkemann, ZtL 2001, S. 134 (142); Czybulka, UPR 1999, S. 126 (126 f.); Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 76; Hermann, Fluglänn, S. 147. 140 Steiger; in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 21 (36). 141 Die von § 9 Abs. 2 LuftVG geschützten öffentliche Belange umfassen alle von der jeweiligen Flugplatzplanung nachteilig betroffenen, anderweitigen öffentlichen Interessen. Hierunter fällt beispielsweise auch der Schutz der Planungshoheit von Gemeinden. Vgl. Giemulla/Schmid, LuftVG, § 9, Rn. 4. Öffentliche Interessen wären weiterhin dann betroffen, wenn ein öffentlicher Park oder ein Erholungsgebiet infolge der Lännimrnissionen seine Erholungsfunktion einbüßt. Oftmals werden auch solche Beeinträchtigungen allerdings durch die Anwendung der nachbarschützenden Länngrenzwerte ebenfalls verhindert, vgl. Jarass, UPR 1998, S. 415 (419). Im übrigen besteht in derartigen Fällen keine langanhaltende Lännbelastung und zudem eine Ausweichmöglichkeit, so daß in der Praxis das Auftreten schädlicher Umwelteinwirkungen durch Länn eher selten ist, vgl. Czajka, in: Feldhaus, BImSchG, § 41, Rn. 49. 138
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B. Inhalte einer "Fluglärmschutzverordnung"
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aa) Schutznonncharakter
Im Umweltrecht wird üblicherweise zwischen der Abwehr von Gefahren und der Vorsorge unterschieden. Im Gegensatz zu Schutznonnen, die der Abwehr von Gefahren dienen, bewegen sich Vorsorgebestimmungen unterhalb der Gefahrengrenze und zielen auf eine gefahrenunabhängige Risiko- und Ressourcenvorsorge. 142 Vorsorge heißt daher nicht die Abwehr von beeinträchtigenden Zuständen, sondern bereits die Abwehr von Gefahrenlagen, die zu derartigen Zuständen führen können. Die Vorsorge ist dementsprechend dem Bereich der Gefahrenabwehr vorgelagert. 143 Entsprechend dem Charakter der zugrundeliegenden Nonn lassen sich auch die zugehörigen Grenzwerte einteilen in Schutz- oder Vorsorgewerte. 144 Dabei stellt die Konkretisierung der Vorsorgeanforderungen durch Grenzwerte eine reine politische Wertungsentscheidung dar, während Schutzanforderungen zwar nicht ausschließlich, aber doch in höherem Maße auch von wissenschaftlichen Erkenntnissen abhängen. 145 Allerdings ist eine exakte Abgrenzung zwischen Gefahrenabwehr und Vorsorge oft schwierig. Dies liegt darin begründet, daß die Abwehr von Gefahren begrifflich gerade auch die Vorsorge gegen den Eintritt von Schäden ist. 146 § 9 Abs. 2 LuftVG sieht vor, daß zum Schutz der benachbarten Grundstücke vor Gefahren und Nachteilen dem Flughafenunternehmer bestimmte Schutzvorkehrungen aufzuerlegen sind. Die Nonn dient demnach der Abwehr von Gefahren und erheblicher Nachteile und Belästigungen unterhalb der Gefahrenschwelle. Sie ist insoweit - wie auch § 5 Abs. I Nr. 1 BlmSchG - als Schutznorm anzusehen, die durch lärmbezogene Schutzwerte konkretisiert werden muß. 147
142 Ausführlich hierzu, vgl. Böhm, Normmensch, S. 111 ff.; Buchholz, Grenzwerte, S. 38 f.; von Bedeutung ist diese Unterscheidung insbesondere im Hinblick auf eventuelle Klagerechte Dritter, denn nur Normen, die der Gefahrenabwehr dienen, werden üblicherweise als drittschützend angesehen. 143 Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 192. 144 Buchholz, Grenzwerte, S. 38. 145 Buchholz, Grenzwerte, S. 39; Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 5, Rn. 7. 146 Böhm, Normmensch, S. 112. 147 Allerdings enthält § 9 Abs. 2 LuftVG gewissermaßen auch eine vorsorgende Komponente, denn durch die Ausweitung des Schutzes auf das Vorfeld des grundrechtlich relevanten Bereichs wird eine Art vorsorgender Sicherheitspuffer zur grundrechtlichen Gefahrenschwelle geschaffen. Dennoch ist § 9 Abs. 2 LuftVG nicht als Vorsorgebestimmung anzusehen, da sie der Abwehr von Gefahren für die geschützten Rechtsgüter dient und nicht der diesem Bereich vorgelagerten Abwehr vor Gefahrenlagen. Ihr Schutzcharakter ergibt sich vor allem aus dem Vergleich zu § 5 Abs. I Nr. 1 BlmSchG, der - obwohl er ebenfalls vorsorgend vor Belästigungen schützt - der Vorsorgenorm des § 5 Abs. I Nr. 2 BlmSchG gegenübersteht.
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4. Teil: Gestaltungsprobleme einer "Fluglärrnschutzverordnung"
bb) Immissionsschutzrechtlicher Charakter In diesem Zusammenhang stellt sich weiterhin die Frage, auf wen hinsichtlich dieser Schutzwerte abgestellt werden soll. So kann entweder auf die Quelle der Lärmbelastung abzustellen sein oder aber auf den betroffenen Aktzeptor der Lärmbelastung. Dieser Unterscheidung entspricht die Einteilung zwischen Immissionsund Emissionsgrenzwerten. Immissionen sind Einwirkungen schädlicher Stoffe (insbesondere auch Geräusche) auf ein bestimmtes SchutzgUt. 148 Immissionsgrenzwerte bestimmen demnach die maximal zulässigen Belastungen durch eine bestimmte Umwelteinwirkung am Ort der Einwirkung auf ein Schutzobjekt. 149 Dieser aktzeptorbezogen Ansatz erscheint im Hinblick auf einen effektiven Rechtsgüterschutz vorteilhaft. Allerdings stößt er im Hinblick auf die Summation mehrerer Belastungsquellen auf Probleme. Emissionen sind im Gegensatz dazu von einer bestimmten Quelle ausgehende Belastungen. Emissionsgrenzwerte legen dementsprechend Maximalpegel beim Verlassen einer Quelle fest. Der Vorzug von Emissionsgrenzwerten liegt darin, daß sie konkrete Anforderungen unmittelbar an den jeweiligen Verusacher der Umweltbelastungen stellen. Allerdings kann durch sie im Hinblick auf die Vielzahl von Emittenten nicht sichergestellt werden, daß das mehreren Emittenten ausgesetzte Schutzgut adäquat geschützt wird. 150 Schutzobjekte des § 9 Abs. 2 LuftVG sind die Allgemeinheit und die Nachbarschaft. 151 Hieraus wird deutlich, daß auf den betroffenen Aktzeptor hinsichtlich des Lärmschutzes abgestellt werden soll, nicht hingegen auf die Quelle der Geräuschbelastung. Dementsprechend müssen zur Konkretisierung des § 9 Abs. 2 LuftVG Immissionsgrenzwerte geschaffen werden. Dies entspricht auch der gängigen Praxis, nach der Schutzwerte zumeist mit wirkungsbezogenen Immissionsgrenzwerten in Verbindung gebracht werden. 152 cc) Erweiterung des Schutzes auf erhebliche Belästigungen § 9 Abs. 2 LuftVG gewährt Schutz vor Gefahren und erheblichen Nachteilen. Im Gegensatz zu den Regelungen der § 3 BImSchG und § 17 Abs. 4 FStrG a.F. wird im Rahmen des § 9 Abs. 2 LuftVG dem Wortlaut nach nicht vor erheblichen Belästigungen geschützt.
Vgl. Legaldefinition in § 3 Abs. 2 BlmSchG. Buchholz, Grenzwerte, S. 28. \50 Buchholz, Grenzwerte, S. 28 f. 15\ Noch eindeutiger wird die Irnrnissionsbezogenheit bei dem Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen des § 3 Abs. I BlmSchG. \52 Buchholz, Grenzwerte, S. 38. 148
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B. Inhalte einer "Fluglännschutzverordnung"
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( 1) BegrijJlichkeiten
Vorab sollen die Begriffe der "Gefahr", des "Nachteils" und der "Belästigung" geklärt werden, die im sonstigen Immissionsschutzrecht verwendet werden. Der Begriff der immissionsschutzrechtlichen "Gefahr" ist zu definieren als die objektive Möglichkeit eines Schadenseintritts an rechtlich geschützten Gütern. 153 In Betracht kommen hier einerseits Beeinträchtigungen der Gesundheit oder der körperlichen Unversehrtheit. Andererseits können hierunter auch Beeinträchtigungen des Eigentums fallen, wenn die Lärmwirkungen in einem Ausmaß auftreten, das mit der Sozialpflichtigkeit des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 GG nicht mehr zu vereinbaren ist. 154 Der Begriff des "Nachteils" umfaßt hingegen üblicherweise alle Beeinträchtigungen von Rechtsgütern - mit Ausnahme der Gesundheit und des körperlichen Wohlbefindens - durch physische Auswirkungen, die noch nicht zu einem unmittelbaren Schaden führen. 155 Unter den Begriff des Nachteils fallen dementsprechend hauptsächlich alle eigentumsrelevanten Beeinträchtigungen von einer gewissen Erheblichkeit. 156 Im sonstigen Immissionsschutzrecht, insbesondere im Rahmen der zentralen Norm des § 3 Abs. 1 BImSchG, wird zumeist weiterhin ausdrücklich vor erheblichen "Belästigungen" geschützt. Unter "Belästigungen" sind Beeinträchtigungen des körperlichen und seelischen Wohlbefindens des Menschen im Sinne einer menschenwürdigen Lebensqualität zu verstehen, ohne daß darin bereits eine erhebliche Beeinträchtigung der Gesundheit liegt und damit ein Gesundheitsschaden besteht. 157 Von den "Nachteilen" lassen sie sich dadurch abgrenzen, daß sie sich auf die Folgen der Einwirkungen auf den Menschen beziehen, von den "Gefahren" dadurch, daß bei ihrem Auftreten noch keine Schäden drohen. Der Unterschied zu den "Gefahren" ist damit ein quantitativer. Im Gegensatz zu § 3 BImSchG und zu § 17 Abs. 4 FStrG a.F. gewährt § 9 Abs. 2 LuftVG jedoch keinen Schutz vor "erheblichen Belästigungen". Hieraus könnte Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 9 ff. Kutscheidt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. 1, § 3 BImSchG, Rn. 10; zumeist werden solche Beeinträchtigungen jedoch als Nachteile anzusehen sein, vgl. Rn. Ha. 155 Kuscheidt, in: FS für Feldhaus, S. 1 (15). 156 Kutscheidt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. 1, § 3 BImSchG, Rn. 12. Hierunter fallen insbesondere auch mittelbare Folgen physischer Einwirkungen auf die Umgebung, wie etwa die Wertminderung von Grundstücken infolge der Zuführung von Immissionen. Gleichermaßen fallen hierunter auch Folgen von Immissionen durch Herabsetzung des sozialen Wohlbefindens etwa durch Minderung der Wohnqualität der eigenen Wohnung, weil die Fenster geschlossen gehalten werden müssen oder Balkon / Terrassen nicht mehr benutzt werden können. 157 BVerwG, Urt. vom 22. 05. 1987 - BVerwGE 77, S. 285 (289) - NJW 1987, S. 2886 (2887); Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 12. Diese Definition entspricht im wesentlichen dem Konzept der gesundheitsbezogenen Lebensqualität des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 2002, Tz. 595 ff. 153
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4. Teil: Gestaltungsprobleme einer "Fluglärmschutzverordnung"
geschlossen werden, daß im Rahmen dieser Norm die Gesundheit und die körperliche Unversehrtheit im Sinne des Art. 2 Abs. 2 GG erst ab der Gefahrengrenze geschützt wird. Unterhalb dieser Grenze würde dann lediglich ein Schutz vor Vermögensnachteilen (Art. 14 Abs. 1 GG) gewährt, nicht jedoch ein Schutz vor gesundheitlichen Belästigungen. (2) Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Das Bundesverwaltungsgericht differenziert zumeist nicht zwischen Gefahren und Nachteilen, sondern stellt verallgemeinernd auf "nachteilige Wirkungen" des Fluglärms ab und bezieht sich im wesentlichen auf den Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Dabei soll § 9 Abs. 2 LuftVG inhaltlich mit dem § 17 Abs. 4 FStrG a.F. übereinstimmen, der auch den Schutz vor erheblichen Beinträchtigungen umfaßte. 158 Dennoch bietet die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keinen eindeutigen Aufschluß darüber, ob Belästigungen in den Schutzbereich des § 9 Abs. 2 LuftVG miteinbezogen werden sollen. Die Zumutbarkeit im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG ist laut Bundesverwaltungsgericht dann gegeben, wenn eine den Wohnerwartungen angemessene soziale und kommunikative Lebensweise möglich ist. Dieses Schutzziel werde dann eingeschränkt, wenn der Fluglärm tagsüber eine ungestörte Kommunikation im Hausinneren, aber auch im Außenbereich verhindere. Da Kommunikationsstörungen eindeutig als Belästigungen unterhalb der gesundheitlichen Gefahrenschwelle anzusehen sind, könnte aus ihrer Einbeziehung in den Schutzbereich des § 9 Abs. 2 LuftVG gefolgert werden, daß die Rechtsprechung bereits Schutz vor Belästigungen gewähren will. Gleichzeitig vertritt das Bundesverwaltungsgericht aber für den Schutz der Nachtruhe die Auffassung, daß hier ausschließlich auf die Vermeidung von Aufwachreaktionen abgestellt werden müsse und weitere Nachtschlafstörungen unterhalb der Aufweckgrenze nicht in den Schutzbereich einzustellen seien. 159 Da Aufwachreaktionen bereits in den Bereich der Gesundheitsgefahrdung hineinzureichen drohen l60 , wird hier nicht Schutz vor Belästigungen, sondern ausschließlich Schutz 158 Seit BVerwG, Urt. vom 07.07. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (BI). Ursprünglich entsprach § 17 Abs. 4 FStrG a.F. zwar dem Wortlaut nach dem § 9 Abs. 2 LuftVG, doch wurde durch die später erfolgte ausdrückliche Einbeziehung des Schutzes vor erheblichen Belästigungen verdeutlicht, daß auch diese in den Schutzbereich fallen sollen; vgl. überdies VGH München, Urt. v. 25. 02. 1998 - NVwZ-RR 1998, S. 490 (493), wonach die materiellen Vorgaben des BImSchG auch als Vorgaben und Anhaltspunkte für planerische Entscheidungen nach dem LuftVG dienen müssen 159 BVerwG, Urt. vom 27.10.1998 - BVerwGE 107, S. 313 (329 f.). 160 Griefahn, ZfL 37 (1990), S. 7 (8); lansenl Linnemeier I Nitzsche, ZfL 42 (1995), S. 91 (103); de long, Bundesgesundheitsblatt 35 (1992), S. 126 (128); MaschkelHecht, in: Bartels/Ising, Nachtfluglärmproblematik, S. 91 (94 ff.); OrtscheidlWende, in: Bartels/Ising, Nachtfluglärmproblematik, S. 4 (ll ff.); Spreng, in: Bartels/Ising, Nachtfluglärmproblematik, S. 75 (82 f.).
B. Inhalte einer "Fluglärmschutzverordnung"
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vor Gefahren gewährt. Selbst dieser Gefahrenschutz bewegt sich bereits an der äußersten verfassungsrechtlichen Zulässigkeitsgrenze. Dies ergibt sich daraus, daß die praktizierten Nachtlännschutzwerte keine Sicherheitsmarge enthalten, so daß insbesondere in vorbelasteten Gebieten die Aufweckschwelle durch Lännbelästigungen oftmals überschritten werden dürfte. 161 Beim Tagschutz werden erhebliche Belästigungen demnach in den Schutzbereich des § 9 Abs. 2 LuftVG miteinbezogen, während hinsichtlich des Nachtschutzes lediglich die Einhaltung der grundrechtlichen Gefahrenschwelle gewährleistet wird und ein darüberhinausgehender Schutz vor erheblichen Belästigungen abgelehnt wird. Die Rechtsprechung erscheint daher im Hinblick auf den Schutz vor gesundheitlichen Belästigungen uneinheitlich. (3) Anpassung des Schutzbereichs des § 9 Abs. 2 LuftVG an das übrige Immissionsschutzrecht
Es stellt sich die Frage, ob der Schutzbereich des § 9 Abs. 2 LuftVG ausdrücklich auf Beeinträchtigungen des Wohlbefindens unterhalb der gesundheitlichen Gefahrenschwelle ausgeweitet werden sollte und damit an das Immissionsschutzniveau des übrigen Immissionsschutzrechts angepaßt werden sollte. Für eine derartige Einbeziehung sprechen zunächst praktische Gründe, denn die Abgrenzung zwischen Gesundheitsgefahren und bloßen Belästigungen erweist sich aufgrund der fließenden Grenzen als sehr schwierig. So können insbesondere langandauernde Belästigungen zu Gesundheitsschäden führen und auf diese Weise zu Gefahren werden. 162 Hinzu treten grundsätzliche Ungewißheiten über die Auswirkungen des Länns auf die Gesundheit des Betroffenen. 163 Wenn nun vor erheblichen Gefahren und Nachteilen ebenso geschützt werden müßte wie vor erheblichen Belästigungen, käme es auf eine genaue Abgrenzung zwischen Gesundheitsgefahr und Belästigung nicht an. l64 Die Schwelle der Schädlichkeit läge dann erkennbar unterhalb des Gefahrenbereichs, und es entfiele die Notwendigkeit, bei der Einstufung von Länn als schädlich, eine Gesundheitsgefährdung im engeren Sinne feststellen zu müssen. 165
161 Die Begrenzung auf Spitzenwerte von 55 dB (A) arn Ohr des Schläfers gilt für unvorbelastete Wohngebiete, BVeIWG, Urt. vom 29.01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (372) - ZLW 1991, S. 428 (449); VGH München, Urt. vom 25. 02. 1998 - NVwZ-RR 1998, S. 490 (492), während in vorbelasteten Wohngebieten höhere Werte zulässig sein können. Nach medizinischen Erkenntnissen liegt die Schwelle der Aufwachreaktionen sogar teilweise noch tiefer, vgl. Erster Teil, B., I., 2, a), cc). 162 Kutscheidt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. I, § 3 BlmSchG, Rn. 13. 163 Kutscheidt, NVwZ 1989, S. 193 (194). 164 Kutscheidt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. 1, § 3 BImSchG, Rn. 12d. 165 Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 4, Rn. 80 f.; Isensee, HdStR V, § 111, Rn. 107.
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4. Teil: Gestaltungsprobleme einer "Fluglärmschutzverordnung"
Für eine Einbeziehung von gesundheitlichen Belästigungen in den Schutzbereich des § 9 Abs. 2 LuftVG lassen sich zudem rechtliche Gründe anführen. 166 Zunächst wird auch in anderen immissionschutzrechtlichen Regelungen wie § 17 Abs. 4 FStrG a.F. und § 3 Abs. 1 BImSchG 167 Schutz vor Belästigungen gewährt. Systematisch gesehen, müßte dies also auch für den Immissionsschutz vor Fluglärm gelten. Zwar findet das BImSchG gern. § 2 Abs. 2 BImSchG ausdrücklich keine Anwendung auf Fluglärm. Der Fluglärmschutz wurde jedoch nur deshalb aus dem Anwendungsbereich des BImSchG ausgegliedert, weil er eine eigene spezielle Regelung durch das FluglSchG und das LuftVG erfahren hat, die "auf die besondere Problematik des Fluglärms und seine(r) Bekämpfung zugeschnitten,,168 ist. Es erscheint nicht einsichtig, warum deshalb für Fluglärm ein niedrigeres Lärmschutzniveau gelten sollte als für den übrigen Verkehrslärm. 169 Ganz im Gegenteil liegt vielmehr die Annahme nahe, daß durch die ausdrückliche Ausgliederung ein effektiverer Lärmimmissionsschutz gegen Fluglärm ermöglicht werden sollte. Weiterhin ist der Sinn und Zweck des § 9 Abs. 2 LuftVG heranzuziehen. Durch § 9 Abs. 2 LuftVG soll eine den Verhältnissen angemessene soziale und kommuni-
kative Lebensweise gewährleistet werden, die den Wohn- und Lebenserwartungen entspricht. 170 Dieser Schutzzweck kann nicht erreicht werden, wenn nur vor Gesundheitsgefahren geschützt werden müßte. Insbesondere die unterhalb dieser Schwelle liegenden Lärmbelästigungen, die zu Konzentrations-, Kommunikationsund Entspannungsstörungen sowie Störungen des Nachtschlafs führen können, schränken die Wohn- und Lebensqualität erheblich ein. 171 Derartige Belästigungen unterhalb der Schwelle der Gesundheitsgefahrdung müssen daher vom Schutzbereich des § 9 Abs. 2 LuftVG umfaßt werden. 166 Die Entstehungsgeschichte des § 9 Abs. 2 LuftVG enthält zu dieser Frage keine Hinweise, vgl. BT-Drs. III/ 100, S. 13. 167 Der Begriff der "schädlichen Umwelteinwirkungen" in § 3 BImSchG stellt einen Zentralbegriff des BIrnSchG dar und gilt dementsprechend für das gesamte BImSchG, vgl. Kutscheidt, in: FS für Feldhaus, S. 1 (1). 168 Amtliche Begründung zu § 2 des Regierungsentwurfs zum BImSchG: BT-Drs. 7/179, S.29. 169 Hermann, Fluglärm, S. 312; Michler; Verkehrsirnrnissionsschutz, S. 36, der richtig darauf hinweist, daß es hier nur um den rechtlichen Maßstab geht, während Unterschiede im Tatsächlichen hingegen berücksichtigt werden müssen; VGH München, Urt. vorn 25. 02. 1998NVwZ-RR 1998, S. 490 (493), wonach die materiellen Vorgaben des BImSchG auch als Vorgaben und Anhaltspunkte für planerische Entscheidungen nach dem LuftVG dienen müssen. 170 Dies entspricht dem Konzept der gesundheitsbezogenen Lebensqualität des Rates der Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 2002, Tz. 595 ff.. Danach sollen auch nichtgesundheitliche Auswirkungen des Lärms auf die Integrität und das Wohlbefinden vorn Lärmschutz umfaßt sein. Zur Bedeutung der Ruhe für die Wohnqualität, vgl. Guski, ZfL 38 (1991), S. 61 (61 ff.); Waiden, ZfL 42 (1995), S. 159 (159 ff.). 171 Das Umweltgutachten 2002, Tz. 596, weist allerdings zu Recht darauf hin, daß sich diesbezügliche Untersuchungen noch in den Anfängen befinden.
B. Inhalte einer "Fluglännschutzverordnung"
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Überdies entspricht die Einbeziehung von Belästigungen der herausragenden Stellung des verfassungsrechtlichen Schutzglltes der Gesundheit im Art. 2 Abs. 2 GG. Läge die Zumutbarkeitsgrenze des § 9 Abs. 2 LuftVG genau auf der grundrechtlichen Gefahrengrenze, so könnten eventuelle Erkenntnisdefizite im Bereich der Lärmwirkungsforschung zu Lasten der Betroffenen gehen. Ein effektiver Gesundheitsschutz erfordert daher im Hinblick auf die beschriebenen Unsicherheiten die Einführung einer Sicherheitsmarge, um gesundheitliche Gefährdungen sicher auszuschließen. l72 Eine derartige Sicherheitsmarge wird durch die Erweiterung des Schutzbereichs des § 9 Abs. 2 LuftVG auf Belästigungen im Vorfeld der gesundheitlichen Gefahr geschaffen. 173 Im Ergebnis ist daher - wie für den Tagschutz bereits von der Rechtsprechung praktiziert wird - die Einbeziehung von Belästigungen in den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 2 LuftVG zu befürworten. 174 Zugunsten von Rechtsklarheit, Rechtssicherheit und Rechtsvereinheitlichung im Immissionsschutzrecht ist daher eine Anpassung des Wortlauts des § 9 Abs. 2 LuftVG an den Begriff der "schädlichen Umwelteinwirkungen" in § 3 Abs. I BImSchG geboten. 175 In Betracht käme eventuell auch eine Änderung des Wortlauts in Anlehnung an § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG, der auf "nachteilige Wirkungen" abstellt.
(4) Neue Nachtschutzziele Die ausdrückliche Einbeziehung unzumutbarer Belästigungen in den Schutzbereich des § 9 Abs. 2 LuftVG hat Konsequenzen für die zu erreichenden Schutzziele. Für den Tagschutz kann im wesentlichen an den Lärmschutzzielen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts festgehalten werden. Hier muß ein den Wohnerwartungen entsprechendes ruhiges Wohnen gewährleistet werden, das insbesondere die weitgehend ungestörte Kommunikation im Innen- und Außenbereich umfaßt. Inwieweit auch weitere Lärmbelästigungswirkungen, wie insbeson172 Berkemann, ZfL 2001, S. 134 (147); Berkemann, in: Koch, Schutz vor Lärm, S. 73 (75); Hansmann, in: FS für Sendler, S. 285 (298). 173 Ob der Schutz vor Belästigungen insbesondere auch durch Art. 2 Abs. 1 GG geboten ist, erscheint allerdings auf die weitgehenden Einschränkungsmöglichkeiten der allgmeinen Handlungsfreiheit eher zweifelhaft. Befürwortend aber Hermann, Fluglärm, S. 313. 174 GiemullalSchmid, LuftVG, § 9, Rn. 5; Hermann, Fluglärm, S. 310 ff.; OVG Münster; Urt. vorn 15.08. 1996 - NVwZ-RR 1998, S. 23 (25); "ysk, ZLW 1998, S. 456 (482), die die fachplanungsrechtliche Erheblichkeitsschwelle des § 9 Abs. 2 LuftVG inhaltlich mit den "wesentlichen Geräuschirnrnissionen" im Sinne des § 906 BGB und insbesondere den "schädlichen Umwelteinwirkungen" im Sinne des § 3 BImSchG gleichsetzen. Ähnlich die ständige Rechtsprechung des BVerwG seit dem Urteil vorn 07. 07. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (131), in dem § 9 Abs. 2 LuftVG inhaltlich mit § 17 Abs. 4 FStrG a.F. gleichgesetzt wird. 175 GiemulialSchmid, LuftVG, § 9, Rn. 5 schlägt eine Anpassung des Wortlauts an den Wortlaut des § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG ("nachteilige Wirkungen auf Rechte anderer") vor.
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4. Teil: Gestaltungsprobleme einer "Flug1ännschutzverordnung"
dere Störungen der Konzentration im Rahmen eines ungestörten Wohnens, zu vermeiden sind, soll hier nicht geklärt werden. Schwierig erscheint eine derartige Einbeziehung von Konzentrationsstörungen als Schutzziel insbesondere aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnisdefizite in diesem Bereich. Für den Nachtschutz muß die ausdrückliche Einbeziehung von erheblichen Belästigungen allerdings eine Änderung der Schutzziele herbeiführen. Hier stellt die Rechtsprechung bisher lediglich auf die Vermeidung fluglärmbedingter, gesundheitsgefährdender Aufwachreaktionen ab. Weitere Nachtschlafstörungen unterhalb der Aufweckgrenze sollen nicht in den Schutzbereich einbezogen werden. 176 Wenn allerdings auch erhebliche Belästigungen in den Schutzbereich des § 9 Abs. 2 LuftVG miteinbezogen werden sollen, dann muß sich das Schutzziel nicht nur auf die Vermeidung von gesundheitsgefährdenden Aufwachreaktionen richten, sondern ebenfalls auf die Vermeidung weiterer fluglärmbedingter Nachtschlafstörungen unterhalb dieser Aufweckgrenze. Die gesundheitsgefährdende Wirkung derartiger Beeinträchtigungen ist in der Tat noch nicht eindeutig erwiesen, doch ist es anerkannt, daß Nachtfluglärm als außerordentlicher Distreß zu bewerten ist.!77 Damit ist er zumindest als erhebliche Belästigung anzusehen. Der Schutz vor Schlafstörungen unterhalb der Aufweckschwelle ist daher in das Schutzziel des § 9 Abs. 2 LuftVG miteinzubeziehen. dd) Kriterium der Zumutbarkeit Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Fluglärmbelastung nur dann erheblich, wenn sie der jeweiligen Umgebung, mit Rücksicht auf deren durch die Gebietsart und die konkreten tatsächlichen Verhältnisse bestimmten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit, nicht mehr zugemutet werden kann. 178 Das Kriterium der Zumutbarkeit steht dabei im Mittelpunkt bei der Bestimmung der Lärmschutzschwelle. Es erscheint allerdings fraglich, ob die Beschränkung auf erhebliche Fluglärmbelastungen und insbesondere die Gleichsetzung von Erheblichkeit und Zumutbarkeit mit den Anforderungen des § 9 Abs. 2 LuftVG vereinbar ist. Es ist zunächst zu klären, ob der Schutz nach § 9 Abs. 2 LuftVG tatsächlich auf erhebliche Beeinträchtigungen beschränkt ist. Dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 LuftVG läßt sich eine solche Beschränkung nicht entnehmen.!79 Allerdings ist sowohl in § 3 Abs. I BImSchG als auch in § 17 Abs. 4 FStrG a.F. bestimmt, daß nur vor erheblichen Nachteilen und Belästigungen geschützt werden soll. Aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung dieser Normen mit § 9 Abs. 2 LuftVG 176
177 178 179
BVenvG, Urt. vom 27.10.1998 - BVerwGE 107, S. 313 (329 f.). BVenvG, Urt. vom 27. 10. 1998 - BVerwGE 107, S. 313 (330). BVenvG, Urt. vom 07.07.1978 - BVerwGE 56, S. 110 (131). Hinsichtlich des Gefahrenschutzes gilt, daß Gefahren stets erheblich sind.
B. Inhalte einer "Fluglärrnschutzverordnung"
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müßte diese Einschränkung auch für den Schutz vor Fluglärm gelten. Dafür spricht vor allem weiterhin, daß es nicht dem Sinn und Zweck des § 9 Abs. 2 LuftVG entsprechen kann, vor jeglicher Lärmbeeinträchtigung zu schützen. Es soll vielmehr ein Ausgleich der durch eine Flughafenplanung in einem industrialisierten und dichtbesiedelten Land entstehenden Interessenkollision zwischen den Immissionsbetroffenen und den Flughafenbetreibem gefunden werden. 180 Dementsprechend müssen im Rahmen des § 9 Abs. 2 LuftVG solche nachteiligen Wirkungen außer Betracht bleiben, die den Grad des "Erheblichen" nicht erreichen. 181 Allerdings existiert kein allgemeingültiger konkreter Maßstab für das Maß des "Erheblichen". Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat daher das Kriterium der Zumutbarkeit entwickelt, welches mit dem Kriterium der Erheblichkeit gleichgesetzt wird. 182 Diese Gleichsetzung entspricht der herrschenden Meinung in der Literatur. 183 Sie wird allerdings vereinzelt kritisiert. 184 Zum Teil wird dabei lediglich auf die Begrifflichkeiten abgehoben. 185 Zum Teil richtet sich die Kritik jedoch auch gegen die - für die Konkretisierung des Zumutbarkeitsbegriffs erforderlichen subjektiv-situativen Wertungen. 186 Es wird dabei für einen eher "quantitativ-tatsächlichen" Erheblichkeitsmaßstab plädiert. 187 Allerdings ist die Bestimmung der Lärmgrenze ohne die Einbeziehung abwägender Gesichtspunkte nicht möglich. 188 180
(440).
BVerwG, Urt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (357) - ZLW 1991, S. 428
181 BVerwG, Urt. vom 21. 05. 1976 - BVerwGE 51, S. 15 (29) - NJW 1976, S. 1760 (1763) für die vergleichbare Schutzvorkehrungsvorschrift des § 17 Abs. 4 FStrG a. F. . 182 Vgl. für § 3 Abs. 1 BImSchG: BVerwG, 12. 12. 1975- BVerwGE 50, S. 49 (55); vgl. für § 17 Abs. 4 FStrG a.F. BVerwG, Urt. vom 21. 05.1976 - BVerwGE 51, S. 15 (29) - NJW 1976, S. 1760 (1763); vgl. für § 9 Abs. 2 LuftVG BVerwG, Urt. vom 07. 07. 1978 BVerwGE 56, S. 110 (131). 183 Für § 9 Abs. 2 LuftVG, vgl. z. B. Czybulka, UPR 1999, S. 126 (126); Giemullal Schmid, LuftVG, § 9, Rn. 5; HojmannlGrabherr, LuftVG, § 9, Rn. 38; KühlinglHerrmann, Fachplanungsrecht, Rn. 412 f.; Quaas, NVwZ 1991, S. 16 (16 ff.); vgl. für § 3 Abs. 1 BImSchG z. B. Jarass, BlmSchG, § 3 Rn. 32; Kutscheidt, NVwZ 1989, S. 193 (195); Schulze-Fielitz, in: Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Bes. Teil 1, § 3, V, Tz. 73 ff. 184 Mit unterschiedlichen Argumenten Classen, JZ 1993, S. 1042 (1043 ff.); Herr, Sportanlagen, S. 33 ff.; Michler, Verkehrsimmissionsschutz, S. 44 ff.; Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 330 f. 185 Herr, Sportanlagen, S. 33 ff. 186 Zu unterscheiden ist hiervon die strittige Frage, ob über die gebietsspezifische Auslegung des Zumutbarkeitsbegriffs hinaus eine Abwägung mit allen betroffenen Interessen stattzufinden hat, vgl.: Vierter Teil, B., II, 2b). 187 Classen, JZ 1993, S. 1042 (1044 ff.), der auf diese Weise den notwendigen Vorrang des Immissionsschutzrechts vor dem Planungsrecht gewährleisten sowie die unzulässige Gleichbehandlung von genehmigungsbedürftigen und nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen verhindern will. 188 So Schulze-Fielitz, in: Schmidt, Öff. Wirtschaftrecht, Bes. Teil I, § 3, V, Tz. 76; vgl. zu der Erforderlichkeit von Wertungen auch Vierter Teil, B., 11, 2a).
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Praktisch betrachtet müssen daher letztlich sowohl die Erheblichkeit als auch die Zumutbarkeit in ähnlicher Weise wertend konkretisiert werden. 189 Diese erforderlichen Wertungen finden in dem Kriterium der Zumutbarkeit ihre Entsprechung, so daß der herrschenden Meinung zu folgen ist. 190 Im Ergebnis muß daher der Schutz des § 9 Abs. 2 LuftVG auf erhebliche Nachteile (und Belästigungen) beschränkt werden. Als Maßstab für die Bestimmung des Erheblichen ist dabei das Kriterium der Zumutbarkeit heranzuziehen.
2. Festlegung der Schädlichkeitsschwelle
In einem zweiten Schritt der Grenzwertsetzung muß die Schädlichkeitsschwelle des § 9 Abs. 2 LuftVG festgelegt werden. Ab welcher Schwelle Lärmbeeinträchtigungen sich als unzumutbare Nachteile, Belästigungen oder Gefahren darstellen, erscheint auf den ersten Blick eine rein naturwissenschaftliche Frage zu sein, die allein von der Lärmwirkungsforschung beantwortet werden kann. Auf den zweiten Blick wird jedoch deutlich, daß die Festlegung von Grenzwerten grundsätzlich nie durch einen rein naturwissenschaftlichen Erkenntnisakt erfolgen kann, sondern vielmehr weitgehend eine normativ-politische Wertungsentscheidung des Normgebers darstellt. Aufgrund dieser Tatsache fließen die Festlegung der Schädlichkeitsschwelle und die rechtliche Fixierung der Grenzwerte durch den Gesetzgeber weitgehend ineinander. a) Naturwissenschaftliche Wertungsentscheidung
Wie dargestellt, soll § 9 Abs. 2 LuftVG vor Gefahren, unzumutbaren Nachteilen und Belästigungen schützen. Wann aber derartige unzumutbare Nachteile und Belästigungen durch Lärmbelastungen auftreten, kann als komplexer naturwissenschaftlicher Sachverhalt nicht durch die Richter selbst aufgrund der allgemeinen "Lebenserfahrung" beurteilt werden. l9l Die zuständigen Stellen sind für die Feststellung der naturwissenschaftlichen Dosis-Wirkungs-Schwelle vielmehr auf den sachverständigen Rat der Naturwissenschaften angewiesen. 192 Aufgabe der Naturwissenschaft ist es hierbei, festzulegen, ab welcher Lärmbelastung welche Nachteile, Belästigungen und Gefahren auftreten können. Die Festlegung der Grenzwerte ist also im Kern eine naturwissenschaftliche Frage. Allerdings kommt man bereits in diesem Bereich aufgrund der außerordentlichen Komplexität des Vorgangs der Belastung des Menschen durch Lärm nicht ohne 189
190 191 192
Herr, Sportanlagen, S. 34; a.A. Michler, Verkehrsimmissionsschutz, S. 44. Schulze-Fielitz, in: Schmidt, Öff. Wirtschaftrecht, Bes. Teil 1, § 3, V, Tz. 76. Feldhaus, UPR 1982, S. 137 (138); Kutscheidt, NVwZ 1989, S. 193 (194). Feldhaus, UPR 1982, S. 137 (138).
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Wertungen aus. 193 Zu beachtende Geräuschfaktoren wie Stärke, Dauer, Häufigkeit und Tageszeit des Auftretens, Frequenzzusammensetzung, Auffälligkeit, ürtsüblichkeit und soziale Adäquanz, Art und Betriebsweise der Geräuschquelle können noch weitgehend durch Meßverfahren bzw. Beurteilungspegel und weitere Differenzierungskriterien, wie beispielsweise eventuelle Tageszeit- bzw. Lärmartzuschläge berücksichtigt werden. Bereits bei der Auswahl dieser notwendigen Differenzierungskriterien werden jedoch Wertungen erforderlich. So kann bereits die Auswahl eines bestimmten Beurteilungspegels im Vergleich zu anderen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Gleiches gilt für die Festlegung, welche Tageszeiten bzw. Lärmarten in welcher Höhe eventuelle Lärmzu- oder abschläge erhalten. Die Erforderlichkeit von Wertungen stellt sich umso mehr im Hinblick auf die subjektiven Beurteilungsfaktoren der Lärmwirkungen. Der Grad der Lärmbelästigung hängt nämlich maßgeblich auch von Situationsmerkmalen der Betroffenen ab. So kann der Gesundheitszustand, die Tätigkeit während der Geräuscheinwirkung, die Gewöhnung an das Geräusch und die Einstellung zum Geräuscherzeuger von Bedeutung sein. 194 Hinzu kommt, daß die Lärmreaktion von Individuum zu Individuum in bisher nicht quantifizierbarer Weise verschieden sein kann. Derartige subjektive Merkmale können bei einer generalisierenden Grenzwertfindung kaum abschließend berücksichtigt werden. 195 Auch hier muß demnach eine Wertung erfolgen, inwieweit diese individuellen Faktoren Bedeutung erlangen sollen (bzw. können).196 Neben das Problem der Erfassung und Bewertung aller für die Lärmbelästigung zu berücksichtigenden Faktoren treten empirische Schwierigkeiten. So wird im Bereich des Lärms zwar bereits seit Jahrzehnten geforscht und die Ergebnisse belegen, daß Lärmbelästigungen zur Folge haben, daß Sinnesleistungen (insbesondere das Hörvermögen), allgemeine physiologische Funktionen, der Schlaf, biochemische Vorgänge, Rekreation und Wohlbefinden, Kommunikation, Leistungen und das Sozialverhalten beeinträchtigt werden können. Allerdings sind noch längst nicht alle Lärmwirkungen geklärt. So lassen sich beispielsweise Langzeitschäden von der Lärmwirkungsforschung bisher nicht eindeutig nachweisen. 197 Problema193 Hill, NVwZ 1989, S. 401 (406); Kutscheidt, in: VDI-Berichte, S. 43 (46); SchulzeFielitz, Die Verwaltung 21(1988), S. 236 (252). 194 Vgl. BVenvG, Urt. vorn 20. 10. 1989 - BVerwGE 84, S. 31 (41). 195 Gaentzsch, in: Koch, Schutz vor Lärm, S. 31 (35); Kuschnerus, DVBl. 1986, S. 429 (434). 196 In der Rechtsprechung wird beispielsweise für die Lännwirkungen auf den verständigen Durchschnittsmenschen in vergleichbarer Lage abgestellt. Besondere individuelle Empfindlichkeiten werden dementsprechend nicht berücksichtigt. Auch dies stellt eine Wertung zugunsten des Durchschnittsmenschen dar. In der Nähe von Krankenhäusem und Schulen werden wiederum niedrigere Länngrenzwerte aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit der dort befindlichen Personen gefordert. 197 Babisch, in: BartelslIsing, Nachtfluglännproblematik, S. 115 (1l8); Rohrmann, in: VDI-Berichte, S. 115 (1l9).
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tisch sind weiterhin Untersuchungen der Auswirkungen auf soziale Prozesse sowie die bei speziellen Gruppen auftretenden Effekte (z. B. bei Kindern oder Kranken).198 Im Hinblick auf diese Erkenntnisdefizite muß also bei der Festlegung der Grenzwerte eine wertende Risikobeurteilung vorgenommen werden. Hinzu tritt das praktische Problem, daß durchaus nicht alle Wissenschaftler zu denselben Ergebnissen kommen. 199 Bei der Grenzwertsetzung muß daher auch entschieden werden, welche wissenschaftlich begründeten Erkenntnisse als anerkannt zu gelten haben und damit der Grenzwertsetzung zugrunde gelegt werden sollen. 2oo Im Ergebnis bleibt also festzuhaiten, daß sich die Grenzwertsetzung bereits im naturwissenschaftlichen Bereich nicht auf einen reinen Erkenntnisakt beschränkt, sondern in weiten Teilen eine Wertungsentscheidung darstellt. b) Normativ-politische Wertungsentscheidung
Neben die Schwierigkeiten der bestmöglichen Erfassung des Lärmphänomens durch Bereitsstellung wertender Differenzierungskriterien tritt ein weiteres Problem: Die Lärmwirkungsforschung kann lediglich feststellen (und dies bereits mit erheblichen Unsicherheiten), welche Belästigungen, Nachteile und Gefahren bei welcher Lärmeinwirkung zu befürchten sind. Sie kann jedoch nicht die Frage beantworten, wann solche Beeinträchtigungen als unzumutbar anzusehen sind. Es stellt sich nämlich das Problem, daß Lärmwirkungen graduell zunehmen. Es existiert demnach keine Grenze, ab der ein qualitativer Sprung im Wirkungsverlauf zu erkennen ist, der die Schwelle der Unzumutbarkeit markieren könnte. 20l Die Frage nach der Zumutbarkeit von Lärmbeeinträchtigungen ist daher als ein normatives Wertungsproblem anzusehen, das insbesondere auch dem Wandel der gesellschaftlichen Auffassung unterliegt. Dem Grenzwertgeber obliegt die politische Entscheidung, welche Lärmbeeinträchtigungen er als unzumutbar einstuft. 202
Rohrmann, in: VDI-Berichte, S. 115 (119). Scheueh, in: Bartels/Ising, Nachtfluglärmproblematik, S. 112 (112 f.). Beispielsweise vertraten bei den Beratungen für ein Verkehrslärmschutzgesetz die berufenen Sachverständigen ebenfalls zwei kontroverse Auffassungen, vgl. Hölder, in: Koch, Schutz vor Lärm, S. 171 (173). 200 Hansmann, in: FS für Sendler, S. 285 (297); Hofmann, Verkehrslärmschutz, S. 178. 201 Sondergutachten 1999, Tz. 406; Ortscheid/Wende, in: Bartels/lsing, Nachtfluglärmproblematik, S. 4 (26); Rohrmann, in: VDI-Berichte, S. 115 (120); a.A. Michler, Verkehrsimmissionsschutz, S. 45. 202 Guski, in: Bartels/lsing, Nachtfluglärmproblematik, S. 103 (104); Ortscheid/Wende, in: BarteIs IIsing, Nachtfluglärmproblematik, S. 4 (26); als regulativer Begriff unterliegt die Zumutbarkeit insbesondere auch in hohem Maße dem Wandel der gesellschaftlichen Auffassung, vgl. Soell, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 329 (337). 198
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aa) Maßstab für die Entscheidung Da § 9 Abs. 2 LuftVG außer der Festlegung der zu schützenden Rechtsgüter keinen Maßstab für die Konkretisierung der Zumutbarkeitsschwelle enthält, erscheint es fraglich, ob überhaupt und falls ja, welche Gesichtspunkte für die Bestimmung der Zumutbarkeit zusätzlich herangezogen werden sollen. Einerseits wäre es möglich, ausschließlich auf die Lärmwirkungen für den Betroffenen abzustellen und seinen Schutz im Sinne eines gebietsspezifischen Belastungsniveaus unter Heranziehung gewisser zusätzlicher Kriterien zu realisieren. 203 Andererseits bestünde die Möglichkeit, für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze eine wertende Gesamtbetrachtung aller privaten und öffentlichen Interessen im Sinne einer "Güterabwägung" vorzunehmen?04 In eine solche Güterabwägung könnten insbesondere auch die hinter den Flughäfen stehenden Interessen miteinbezogen werden. 205 Gegen eine derartige Güterabwägung könnte aber sprechen, daß der Wortlaut des § 9 Abs. 2 LuftVG eine Güterabwägung nicht vorsieht, sondern ausschließlich auf den Schutz der genannten Rechtsgüter abstellt. 206 Weiterhin kann als maßgebliches Argument gegen eine Güterabwägung der Sinn und Zweck des § 9 Abs. 2 LuftVG angeführt werden. Dieser soll den Schutz vor Gefahren und Nachteilen für die Nachbarschaft bei der Flughafenplanung gewährleisten, indem er der planerischen Abwägung gern. § 8 Abs. 1 LuftVG eine strikte Grenze zieht, wenn unzumutbare Lärmeinwirkungen vorliegen. Würde nun bereits im Rahmen der Bestimmung der Unzumutbarkeit selbst eine umfassende Güterabwägung der betroffenen Interessen erfolgen, so hinge das Vorliegen unzumutbarer Gefahren und Nachteile maßgeblich davon ab, wie (gemein-)wichtig die hinter den emittierenden Anlagen stehenden Interessen sind?07 Dieses Vorgehen birgt die Gefahr einer weitgehenden 203 Für die Zumutbarkeitsgrenze im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG, vgl. Herr; Sportanlagen, S. 36 ff.; Jarass, BImSchG, § 3, Rn. 33 u. 46; Jarass, JZ 1993, S. 601 (603); Koch, in: Koch, Schutz vor Lärm, S. 41 (42 ff.); KühlinglHerrmann, Fachplanungsrecht, Rn. 413; Müller; TA Lärm, S. 180 f. 204 Gaentzsch, in: Koch, Schutz vor Lärm, S. 31 (37); HofmannlGrabherr; LuftVG, § 9, Rn. 46; Kutscheidt, in: FS für Feldhaus, S. 1 (17 f.). 205 Hierbei wären beispielsweise Gesichtspunkte wie die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Bedeutung und Bereitstellung eines leistungsfähigen Luftverkehrsnetzes für die Allgemeinheit von Bedeutung. Insbesondere könnten auch Kostenfragen von Relevanz sein. 206 Gegen eine Abwägungsentscheidung für die Zumutbarkeit im Rahmen des § 3 Abs. 1 BImSchG werden insbesondere auch systematische Erwägungen angeführt. §§ 22 Abs. 1 Nr. 2, 17 Abs. 2 und 41 Abs. 1, 2 BImSchG sehen ausdrücklich eine Abwägungsentscheidung unter bestimmten Gesichtspunkten vor. Fände demnach bereits eine umfassende Abwägung bei der Konkretisierung der Zumutbarkeit im Rahmen der "schädlichen Umwelteinwirkungen" im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG statt, so wäre die nachfolgende Abwägung gegenstandslos, vgl. Herr; Verkehrsimmissionsschutz, S. 40 f.; Jarass, BImSchG, § 5, Rn. 19; Koch, in: Koch, Schutz vor Lärm, S. 41 (45 f.); Müller; TA Lärm, S. 181. 207 Steinberg / Berg /Wickel, Fachplanung, § 4, Rn. 4, weist auf die Bedeutung der Ausgleichsvorschriften hin angesichts des erheblichen Gewichts der öffentlichen Interessen, die
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Relativierung des Schutzes des Betroffenen, die mit der Zielrichtung des § 9 Abs. 2 LuftVG nicht mehr zu vereinbaren sein könnte. 20S Dem ist allerdings entgegenzuhalten, daß § 9 Abs. 2 LuftVG nicht nur einen angemessenen Schutz des Lärmbetroffenen gewährleisten soll, sondern gleichzeitig einen Komprorniß mit den entgegenstehenden Interessen an einer angemessenen wirtschaftlichen Betätigung im Bereich des Luftverkehrs finden muß. 209 In einem hochindustrialisierten und dichtbesiedeltem Land wie der Bundesrepublik kann auf einen derartigen Interessenausgleich nicht verzichtet werden, wenn das Nebeneinander eines leistungsfähigen Verkehrsflughafens und der Wohn- und Arbeitsbevölkerung möglich sein soll. Unter den heutigen Lebensbedingungen muß mit einer gewissen Lärmbelastung gerechnet werden, wenn nicht das menschliche Zusammenleben grundsätzlich in Frage gestellt werden soll. Würden alle Lärmbelästigungen oberhalb der Bagatellschwelle als unzumutbar eingestuft, so wäre die Planung eines Verkehrsflughafens praktisch nicht realisierbar. 2ID Für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze muß daher durch eine Güterabwägung ein Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen gefunden werden. 2u Die Zumutbarkeitsgrenze ist dementsprechend ein letztlich politischer Kompromiß darüber, wieviel Lärm dem einzelnem angesichts entgegenstehender Interessen zugemutet werden darf. 212 Zwar ist zuzugeben, daß auf diese Weise die Lärmschutzinteressen der Betroffenen bis zu einem bestimmten Grad relativiert werden, doch ist die Abwägung ohnehin nur im Bereich unterhalb der verfassungsrechtlichen Gefahrenschwelle zulässig. Die grundrechtliche Gefahrenschwelle stellt demnach die äußerste bei der Planung von öffentlichen Anlagen häufig zur Überwindung entgegenstehender privater und öffentlicher Belange bereits in die Abwägung eingebracht werden. 208 Für die Zumutbarkeitsschwelle des § 3 Abs. 1 BImSchG, vgl. Herr, Verkehrsimmissionsschutz, S. 41 ff.; Michler, Verkehrsimmissionsschutz, S. 48 ff.; Müller, TA Lärm, S. 181. 209 BVerwG, Urt. vom 21. 05. 1976 - BVerwGE 51, S. 15 (26, 28 f.) - NJW 1976, S. 1760 (1763), für die Schutzvorkehrungsvorschrift des § 17 Abs. 4 FStrG a.F., die jedoch mit § 9 Abs. 2 LuftVG vergleichbar ist, vgl. BVerwG, Urt. vom 07.07. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (131).
210 Bereits die Kosten der dann notwendigen umfangreichen Schallschutzmaßnahmen würden die finanzielle Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit übersteigen. 211 Dem entspricht auch der Sinn und Zweck des immissionsschutzrechtlichen Zentralbegriffs der "Schädlichen Umwelteinwirkungen" in § 3 Abs. 1 BImSchG, dessen Beschränkung auf erhebliche Nachteile und Belästigungen "das Ergebnis einer Güterabwägung (ist), auf die in einem hochindustrialisierten und dichtbesiedelten Lande nicht verzichtet werden kann." (BT-Drs. 7/179, S. 29). Auch § 3 Abs. 1 BImSchG verfolgt daher einen Schutzzweck und einen Industrieförderungszweck, vgl. Hansmann, in: Koch 1Lechelt, 20 Jahre BImSchG, S. 20 (20). Zustimmend zu einer Abwägungsentscheidung daher, vgl. Kutscheidt, in: FS für Feldhaus, S. 1 (17 f.); a.A. Herr, Verkehrsimmissionsschutz, S. 40 m. w. N.; Koch, in: Koch, Schutz vor Lärm, S. 41 (41 ff.). 212 Baum, in: VDI-Berichte, S. 31 (40); Czajka, in: Feldbaus, BImSchG, § 41, Rn. 41; Hölder, in: Koch, Schutz vor Lärm, S. 171 (180); Soell, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 329 (337); Schulze-Fielitz, UPR 1994, S. 1 (1).
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Grenze der Zumutbarkeit dar. Überdies ist zu bedenken, daß auch Lärmeinwirkungen unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle rechtlich relevant sind. Sie begründen zwar keinen Anspruch auf Schutzvorkehrungen, doch sie finden in der Abwägungsentscheidung nach § 8 Abs. 1 LuftVG Berücksichtigung. bb) Güterabwägung Für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze muß also durch eine Güterabwägung ein angemessener Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen gefunden werden, der zur weitestrnöglichen Verwirklichung der einzelnen Interessen führt. Neben Differenzierungskriterien wie Gebietsart, Art und Zeit der Geräusche, Tageszeit ihres Auftretens und weiteren lärmbezogenen Gesichtspunkten spielen für die Festlegung der Zumutbarkeit demnach insbesondere die privaten und öffentlichen Interessen an der immissionsverursachenden Tatigkeit eine Rolle. Im Rahmen der Flughafenplanung sind hier insbesondere der Zweck und die Bedeutung von Flughäfen für die Allgemeinheit und Dritte von Relevanz. 213 Weiterhin können auch Gesichtspunkte wie die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Bedeutung eines funktionsfahigen Luftverkehrsnetzes für die Allgemeinheit214 herangezogen werden. Von großer Bedeutung sind außerdem Kostengesichtspunkte. 215 Da Lärmschutzmaßnahmen aktiver oder passiver Art sehr kostenintensiv sind bzw. häufig Entschädigungen geleistet werden müssen, stehen Fragen der Finanzierbarkeit bei der Grenzwertfestlegung naturgemäß im Raum. Die Kosten für die Privatwirtschaft und auch für den Fiskus können daher in die Abwägungsentscheidung miteinfließen. 216 Anders als im straßen- und schienenverkehrsrechtlichen Lärmimmissionsschutzrecht ist die finanzielle Belastung des Fiskus im Bereich des luftverkehrsrechtlichen Lärmimmissionsschutzrechts nur für militärische Flugplätze von Bedeutung?1? Die übrigen Flugplätze, einschließlich der Ver213 HofmannlGrabherr, LuftVG, § 9, Rn. 46; BVerwG, Besch!. vom 17. 06. 1998 - ZLW 1999, S. 244 (248); BVerwG, Urt. vom 29. 01. 1991 - BVeIWGE 87, S. 332 (361) - ZLW 1991, S. 428 (442). 214 HofmannlGrabherr, LuftVG, § 9, Rn. 51. 215 Interessant sind in Bezug auf die Kosten-Nutzen-EIWägungen die Ergebnisse des Umweltgutachtens 1996, wonach dieses Typisierungsmerkmal nur bei 3% der untersuchten Umweltstandards ausdrücklich festgeschrieben ist, vg!. Umweltgutachten 1996, Tz. 760. 216 Schulze-Fielitz, UPR 1994, S. 1 (2) für die Lärmgrenzwerte der 16. BImSchV; dem entspricht der Verfahrensvorschlag für die Umweltstandardsetzung im Umweltgutachten 1996, in dem ausdrücklich auf einer separaten Verfahrensstufe die Kosten-Nutzen-Analyse vorgeschrieben ist, vgl. Umweltgutachten 1996, Tz. 875. 217 Die fiskalische Belastung spielt im Rallmen des Straßen- und Schienenverkehrsrechts eine große Rolle. Durch ein hohes - kaum finanzierbares - Lärmschutzniveau werden zudem Investitionen in anderen Bereichen unmöglich gemacht und können so eventuell zu Lasten des Allgemeinwohls gehen, vg!. Hölder, in: Koch, Schutz vor Lärm, S. 171 (182); Kersten, BayVB!. 1987, S. 641 (644); Schulze-Fielitz, in: Koch, 20 Jahre BImSehG, S. 117 (142); Schulze-Fielitz. Die VeIWaltung 21 (1988), S. 236 (256); Schulze-Fielitz, Die VeIWaltung 26 (1993), S. 515 (530 f.).
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kehrsflughäfen, werden in privatrechtlicher Fonn betrieben und sind daher aus dem öffentlichen Haushalt ausgegliedert. Der administrative Nonngeber ist also im Ergebnis verpflichtet, den über den Einzelfall hinausgehenden Lännschutz als Umweltbelang in das Gefüge aller bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben zu berücksichtigender und untereinander abzuwägenden Belange einzupassen. 218 Diese Lösung entspricht der gängigen Praxis der Grenzwertsetzung. Nicht zu vergessen ist dabei, daß der demokratische Gesetzgeber stets unter dem Druck der Wahlerabhängigkeit und somit der öffentlichen Meinung steht. 219 Weiterhin ist er dem Einfluß von Wirtschaft und weiteren (wirtschafts- aber zum großen Teil auch umweltbezogenen) Interessengruppen ausgesetzt, die eine weitestgehende Verwirklichung ihrer Belange anstreben. 22o Eine entscheidende Rolle bei der Grenzwertsetzung in der Praxis spielen Kostengesichtspunkte. Gerade diese führen oftmals zu einer Lähmung der Gesetzgebung im Bereich des Immissionsschutzes. 221 Dies läßt sich beispielsweise an der Geschichte des Verkehrslännschutzgesetzes erkennen, das nach langen Beratungen immer wieder an der finanziellen Erwägungen gescheitert ist. 222 Gleiches gilt für die Grenzwerte des FluglSchG, deren Höhe wesentlich von finanziellen Erwägungen bestimmt war. 223 Auch bei der geplanten Novellierung des FluglSchG nach nunmehr 30 Jahren sind die Kosten, die die neuen höheren Grenzwerte mit sich brächten, eine der wichtigsten Entscheidungsgrößen und gleichzeitig Hindernisgründe. 224 218 Hansmann, in: FS für Sendler, S. 285 (298 f.); Hölder, in: Koch, Schutz vor Lärm, S. 171 (182); Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 21 (1988), S. 236 (257); Steinebach, Grenzwerte, S. 74. 219 Hansmann, in: Koch, Schutz vor Lärm, S. 20 (20); Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 21 (1988), S. 236 (256). 220 Für den Straßenverkehr, vgl. Schulze-Fielitz, in: Koch/Lechelt, 20 Jahre BImSchG, S. 117 (142); Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 26 (1993), S. 515 (540). Im Rahmen der Flughafenplanung spielen hier insbesondere die Vereinigung gegen Fluglärm, der Deutsche Arbeitsring für Lärmbekämpfung, BUND u. a. sowie die verschiedenen Flughafenbetreibergesellschaften und auch die Luftverkehrsgesellschaften eine entscheidende Rolle. Hinzu kommen Interessenverbände gegen die Planung der einzelnen Flughäfen. 221 Hölder, in: Koch, Schutz vor Lärm, S. 171 (175). 222 Vgl. ausführlich: Hölder, in: Koch, Schutz vor Lärm, S. 171 (172 ff.); Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 21 (1988), S. 236 (239); Schmidt-Aßmann, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 303 (315). Erst 1990 konnte man sich endlich auf einheitliche Grenzwerte einigen und die Verkehrslärmschutzverordnung erlassen. Allerdings sind auch ihre Grenzwerte in hohem Maße von Kostenfragen bestimmt worden. Auch sie stellen das "Ergebnis der Bewertung des Verhältnisses von unzumutbaren Verkehrsgeräuschen und finanzieller Belastung der öffentlichen Haushalte" (BT-Drs. 661/89, S. 35) dar. 223 Steinebach, Grenzwerte, S. 70 f.; daher wurde bereits bei der Entstehung des Gesetzes von einem Gesetz zum Schutz der Flughäfen gesprochen, vgl. Jarass, in: Koch I Lechelt, 20 Jahre BImSchG, S. 145 (149). 224 Die Begründung zum Referentenentwurf des FluglSchG beziffert die Kosten des vorschlagenen FluglSchG für die Verkehrsflughäfen (demnach für die Wirtschaft) auf
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Die Praxis der Grenzwertsetzung wird also in hohem Maße geprägt durch generelle Konflikte zwischen Ökonomie, Politik, Ökologie und Technologie. Die eigentlichen Lärmschutzziele lassen sich hier oft nicht ohne weiteres durchsetzen. 225 Die besonders enge Verflechtung verschiedener öffentlicher Belange in dem auch "weltanschaulich ,aufgeladenen' Spannungsfeld" des Verkehrsimmissionsschutzes hat zur Folge, daß es in hohem Maße "konfliktanfallig" ist und es eindeutige, einfache Lösungen nicht gibt. 226 Trotz der vielfaltigen Interessenkonflikte muß der Verordnungsgeber eindeutige Grenzwerte festlegen, wobei ihm ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Gestaltungsspielraum zukommt. Dementsprechend kann er aus der Vielzahl der möglichen Konkretisierungsalternativen eine wählen, solange diese mit der Ermächtigungsgrundlage (und natürlich den verfassungsrechtlichen Anforderungen) übereinstimmt. 227 c) Typisierungen und Generalisierungen
Die festzusetzende Zumutbarkeitsschwelle soll auf eine Vielzahl von Sachverhalten Anwendung finden, so daß auch in diesem Zusammenhang wertende Typisierungen und Generalisierungen unumgänglich werden, wenn Anwendbarkeit, Rechtssicherheit und -gleichheit gewährleistet werden sollen?28 Dem Verordnungsgeber steht grundsätzlich die Freiheit zur Auswahl von Differenzierungskriterien zu, solange sich diese mit den Ziel vorgaben des Gesetzgebers in der Ermächtigungsgrundlage decken?29 Zwar können durch diese Typisierungen nicht immer alle Umstände des Einzelfalls erfaßt werden, so daß sie in atypischen Fällen besonders belastend wirken können. Doch sind derartige auftretende Härten in individuellen Fällen solange verhältnismäßig und somit von der Gestaltungsfreiheit des typisierenden Normgebers gedeckt, als sie nur eine geringe Anzahl von Personen treffen und diesen keine schwerwiegenden Einbußen auferlegen. 23o 365 Mio. DM und die für die militärischen Flugplätze und Luft/Boden-Schießplätze (und somit für die öffentlichen Haushalte) auf 455 Mio. DM, vgl. Referentenenwurf zum FluglSchG, http://www.fluglaerm.de/bvf/flugl-g-entw.pdf [Stand: 09. 02. 2001]. Es stellt sich im Hinblick auf die Kosten insbesondere die Frage, inwieweit diese auf die Passagiere abgewälzt werden könnten. Gerade dieser Kostenfaktor hat dazu geführt, daß das Novellierungsvorhaben in der 14. Legislaturperiode (1998-2002) gescheitert ist, vgl. Umweltgutachten 2002, Tz. 583. 225 Rohrmann, VDI-Berichte, S. 115 (118). 226 Schulze-Fielitz, in: Koch/LecheIt, 20 Jahre BImSchG, S. 117 (118 f.). 227 v . Danwitz, Gestaltungsfreiheit, S. 186; Mühlenbruch, Normkonkretisierung, S. 164. 228 Herdegen, AöR 114, S. 607 (630). 229 Hili, NVwZ 1989, S. 401 (407); Jarass, NJW 1987, S. 1225 (1227); Mühlenbruch, Normkonkretisierung, S. 168; Schulze-Fielitz, GK-BImSchG, § 43, Rn. 35. 230 St. Rspr. des BVerfG, vgl. z. B. BVerJG, Beschl. vom 08. 10. 1991 - BVerfGE 84, S. 348 (360), m. w. N.; Herdegen, AöR 114, S. 607 (630 f.); Jarass, in: HdUR, Bd. 11, Sp. 2418 f.
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Diese Typisierungsfreiheit stößt jedoch dann an ihre verfassungsrechtliche Grenze, wenn die Schwere des Eingriffs und die Zielvorgaben der Ennächtigungsgrundlage eine einzelfallbezogene Abwägung erfordem. 231
3. Rechtliche Fixierung der Grenzwerte Als dritter Schritt der Grenzwertsetzung muß die rechtliche Fixierung der Grenzwerte erfolgen. Hierbei müssen insbesondere die von der Lärmwirkungsforschung gewonnenen Erkenntnisse umgesetzt werden. Um das Lärmphänomen umfassend zu berücksichtigen, müssen wertende Differenzierungskriterien angelegt werden, die im folgenden dargestellt werden sollen. Neben dieser rechtlichen Ausgestaltung der Lärmgrenzwerte, stellt sich insbesondere die Frage nach ihrer konkreten Höhe. Diese umstrittene politische und wirtschaftliche Wertungsentscheidung soll jedoch dem Nonngeber selbst überlassen bleiben. Über die genaue Höhe der Grenzwerte werden hier dementsprechend keine Aussagen getroffen. Sichergestellt werden muß nur, daß die Grenzwerte ihrer Höhe nach die Anforderungen des § 9 Abs. 2 LuftVG erfüllen und den Schutz vor Belästigungen insbesondere im Hinblick auf den Nachtlärmschutz gewährleisten. a) Maßstab des verständigen Durchschnittsmenschen
Die Tatsache, daß Lärmbeeinträchtigungen in hohem Maße auch von subjektiven Faktoren wie der psychischen und physischen Konstitution des einzelnen Betroffenen abhängen, hat zur Folge, daß sich eine unübersehbare Vielfalt von mehr oder weniger intensiv wirkenden Beeinträchtigungen ergeben kann. Um dennoch eine generell abstrakte Regelung schaffen zu können, muß hier eine Typisierung hinsichtlich der Lärmwirkungen auf die Betroffenen erfolgen. 232 Die Grenzwerte müssen also so angesetzt werden, daß der Großteil der Bevölkerung auch bei langfristiger Einwirkung in seiner körperlichen Integrität nicht beeinträchtigt wird. 233 Sie müssen sich für den Regelfall deutlich unterhalb der Gefahrenschwelle bewegen, damit Gefahren für die Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sind. 234
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BVerfG. Beseh!. vom 08. 10. 1991 - BVerfGE 84, S. 348 (360).
Böhm. Normmenseh, S. 129 ff.; Müller; TA Lärm, S. 204; Schmidt-Aßmann, AöR 106 (1981), S. 205 (213 f.); Böhm, UPR 1994, S. 134 (135) weist darauf hin, daß der Spielraum für Typisierungen bei Art. 2 Abs. 2 GG sehr viel enger ist als im Steuerrecht. 233 Baltes, BB 1978, S. 130 (132). 234 Schmidt-Aßmann, AöR 106 (1981), S. 205 (213 f.); Steiger; in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 21 (35). 232
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Für die Festlegung der Grenzwerte ist daher auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen in vergleichbarer Lage abzustellen?35 Individuelle Überempfindlichkeiten, die in der besonderen Konstitution einzelner ihre Ursache haben, können hierbei nicht berücksichtigt werden?36 Daher können gewisse Belastungen für eine einzelne Person im Einwirkungsbereich aufgrund ihrer besonders empfindlichen Disposition in eine Gesundheitsgefahr umschlagen?37 Auf die Verhältnisse typischer Risikogruppen wie Kindern oder Alten muß hingegen Rücksicht genommen werden. 238 b) Grundstücksorientierter Schutz als Ausgangspunkt
Geschützt werden soll zwar vor den Wirkungen des Lärms auf den Menschen, dennoch muß ein grundstücksorientierter Lärmschutz als Ausgangpunkt gewählt werden. Dies ergibt sich aus den Besonderheiten des Lärmphänomens. Immissionen werden vor allem dadurch schädlich, "daß sie fortlaufend abgegeben werden und damit auf Dauer die Umgebung belasten. Nur wer solchen Auswirkungen über eine gewisse Dauer hin ausgesetzt ist, hat ein über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehendes Risiko zu tragen. ,,239 Der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 GG ist demnach bei kurzfristiger Exposition zumeist noch nicht berührt. Eine Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit durch Fluglärm kommt also nur bei den Personen in Betracht, die nachhaltig und dauerhaft den von dem Flughafen ausgehenden Immissionen ausgesetzt sind. Praktisch sind dies nur Personen, die auf Grundstücken im Wirkungsbereich des Lärms wohnen oder arbeiten?40 Zur Erfassung genau dieser Personen kann der Lärmschutz daher am effektivsten ausgestaltet werden, wenn er sich an dem jeweiligen als Wohnort genutzen Grundstück orientiert. Zu prüfen ist dann, inwieweit die beabsichtigte Nutzung durch die dauerhafte Lärmbelastung beeinträchtigt wird. Beeinträchtigungen können beispielsweise in Fonn von Nachtschlafstörungen oder auch Kommunikations235 OVG Bremen, Urt. vom 11. 06. 1996 - NVwZ-RR 1997, S. 214 (214); SchmidtAßmann, AöR 106 (1981), S. 205 (213 f.); Steiger, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 21 (35); kritisch Böhm, UPR 1994, S. 132 (135); Czybulka, UPR 1999, S. 126 (126); Wulfhorst, NuR 1995, S. 221 (221); ausführlich mit weiteren Literaturhinweisen, vgl: Böhm, Normmensch, S. 20 ff., die ein Abstellen auf die besonders empfindlichen Personengruppen im Sinne einer bevorzugenden Typisierung für die "Durchschnittsmenschen" fordert. 236 Feldhaus, UPR 1999, S. 1 (2); Steiger, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 21 (35). 237 Sehr kritisch beurteilt wird, ob ein solcher Eingriff in Art. 2 Abs. 2 GG verhältnismäßig ist. Ablehnend Böhm, Normmensch, S. 143; Wulfhorst, NuR 1995, S. 221 (222 ff.); bejahend Hofmann, Verkehrslärmschutz, S. 153 f. 238 Baltes, BB 1978, S. 130 (132); Wulfhorst, NuR 1995, S. 221 (221). 239 BVelWG, Urt. vom 22. 10. 1982 - DVBl. 1983, 183 (183 f.). 240 Ramsauer, in: Koch, Schutz vor Lärm, S. 107 (119).
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und Konzentrationsstörungen auftreten. Obwohl damit für den Lärmschutz unmittelbar auf das betroffene Grundstück abgestellt wird, kommt es maßgeblich dennoch auf die Wirkungen des Lärms auf den Betroffenen an. Diese sind Maßstab für die Nutzbarkeit des Grundstücks bzw. der baulichen Anlage. Durch die Bezugnahme auf das Grundstück wird der Gesundheitsschutz also gleichsam "mediatisiert", nicht jedoch relativiert. Gleichzeitig ermöglicht die Verbindung mit einer bestimmten Raumsituation, daß die Maßstäbe des Art. 2 Abs. 2 GG greitbar werden. Wie oben dargestellt, hängen die gesundheitlichen Lärmwirkungen auf eine Person neben der Dauer des Lärms insbesondere auch von der Art des Lärms, von seiner Stärke, Häufigkeit und Tageszeit des Auftretens, Ortsüblichkeit und weiteren Faktoren ab. Für durch Lärm vermittelte Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit im Sinne des Art. 2 Abs. 2 GG gilt also, daß sie durch ein hohes Maß an zeitlicher, räumlicher und modaler Veränderlichkeit und Unstetigkeit gekennzeichnet sind. Sollen nun jedoch komplexe Entscheidungen mit einer Vielzahl von Betroffenen getroffen werden (wie z. B. die Festlegung von Immissionsgrenzwerten), so läßt sich dies nicht ohne eine gewisse Beständigkeit und Greitbarkeit der den Sachverhalt bestimmenden Faktoren regeln. 241 Diese wird erst durch das Bezugsobjekt des Grundstücks gegeben. Für den Lärmschutz gegen Fluglärm muß demnach auf die Nutzbarkeit des Grundstücks abgestellt werden. Allerdings ist nicht etwa das gesamte betroffene Grundstück Schutzgegenstand, sondern ausschließlich die dort befindliche bauliche Anlage, denn nur sie dient nicht lediglich zum vorübergehenden Aufenthalt von Menschen und bietet Nutzungsmöglichkeiten. 242 Folgerichtig ist auch der Außenwohnbereich als Annex der baulichen Anlage Schutzgegenstand des Lärmschutzes. Allerdings muß es sich hierbei um Bereiche handeln, die auch dem Wohnen im Freien dienen, wie beispielsweise Balkone und Sitzplätze. Nicht schutzwürdig sind hingegen lediglich der Zierde dienende Vorgärten. 243 aa) Vereinbarkeit mit § 9 Abs. 2 LuftVG Der grundstücksbezogene Lärmschutz muß allerdings mit der gesetzlichen Regelung des § 9 Abs. 2 LuftVG vereinbar sein. Gern. § 9 Abs. 2 LuftVG sind Lärmschutzvorkehrungen dann anzuordnen, wenn dies zur "Sicherung der Benutzung der benachbarten Grundstücke" notwendig erscheint. Es wird demnach ausdrücklich auf den Schutz der Nutzung des Grundstücks abgehoben, nicht hingegen unmittelbar auf den Schutz der betroffenen Personen. Die Grundstücksorientierung des Lärmschutzes ist demnach mit der Regelung des § 9 Abs. 2 LuftVG vereinbar. Schmidt-Aßmann, AöR 106 (1981), S. 205 (213). Alexander; NVwZ 1991, S. 318 (321), es tritt aber ein "Mitnahmeeffekt" auch für den Schutz des gesamten Grundstücks ein. 243 Alexander; NVwZ 1991, S. 318 (321). 241
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bb) Vereinbarkeit mit dem Grundrecht auf Gesundheitsschutz Problematisch erscheint hingegen die verfassungsrechtliche Vereinbarkeit eines grundstücksorientierten Lännschutzes. Indem für den Lännschutz auf das Grundstück abgestellt wird und nur mittelbar auf den lännbetroffenen Menschen, könnte sich diese Vorgehensweise dem Vorwurf aussetzen, die rechtlichen Regelungen zielten maßgeblich auf den Schutz des Grundeigentums nach Art. 14 GG ab und vernachlässigten so den Schutz der körperlichen Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG. 244 Unterhalb der grundrechtlichen Gefahrenschwelle kommt dem Gesetzgeber aber grundsätzlich ein weiter Wertungs- und Gestaltunsspielraum bezüglich des Ausgleichs der verschiedenen berührten Interessen ZU. 245 SO ist es unterhalb der grundrechtlichen Gefahrenschwelle durchaus mit Art. 2 Abs. 2 GG vereinbar, "in typisierender und differenzierender Weise die Zumutbarkeitsgrenzen für Lännimrnissionen in Abhängigkeit u. a. von der räumlichen Situation bestimmen, in der sich der Lännbetroffene befindet. ,,246 Die Grundstücksorientiertheit des Lännschutzes darf allerdings nicht zu einer Gesundheitsgefährdung und damit zu einem Eingriff in Art. 2 Abs. 2 GG führen. Dabei ist besonders zu berücksichtigen, daß Art. 2 Abs. 2 GG gerade nicht denselben Schutzbereich aufweist wie der Eigentumsschutz aus Art. 14 GG. Insbesondere unterliegt der Gesundheitsschutz im Gegensatz zum Eigentum keiner Sozialpflichtigkeit bzw. Situationsgebundenheit. 247 Trotz des grundstücksbezogenen Schutzes bildet daher die grundrechtliche Gefahrenschwelle des Art. 2 Abs. 2 GG die äußerste Grenze einer etwaige Schutzminderung durch grundstücksbezogene Lännbeeinträchtigungen. c) Wertende Differenzierungskriterien
Bei der Festlegung der Immissionsgrenzwerte ist grundsätzlich zu berücksichtigen, daß diese zur Vereinfachung der Rechtsanwendung durch wenige Werte beitragen sollen. Die Belastung des Menschen durch Länn ist aber ein sehr komplexer 244 Dies galt insbesondere für die frühere Rechtsprechung des BVerwG, nach der der Gesundheitsschutz nach Art. 2 Abs. 2 GG von dem Schutz des Grundeigentums miturnfaßt war, vgl. BVerwG, Urt. vom 14. 12. 1979 - BVerwGE 59, S. 253 (262). Kritisch hierzu Hermann, Fluglänn, S. 297 ff.; Steinberg/Berg/Wickel, Fachplanung, § 4, Rn. 79 f. 245 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, Vor. §§ 38-43, Rn. 45. 246 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 43, Rn. 44. 247 Hermann, Fluglänn, S. 185; Steiger, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 21 (35). Ob allerdings der Gedanke der Sozialadäquanz Eingriffe in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 GG rechtfertigen kann, soll hier nicht behandelt werden. Böhm bejaht eine Einschränkung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 GG als sozialadäquat dann, wenn sie Folge einer Güterabwägung zwischen den verschiedenen Interessen in einer Industriegesellschaft ist, vgl. Böhm, Normmensch, S. 120.
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Vorgang, der von vielen Faktoren abhängig ist. Um das Lärmphänomen weitgehend erfassen zu können, müssen neben dem Meßverfahren zusätzliche, wertende Unterscheidungskriterien geschaffen werden. Allerdings dürfen diese nicht allzu differenziert ausfallen, um die erforderliche Vereinfachung durch wenige Zahlenwerte nicht zu gefahrden. Es werden daher wertende Typisierungen erforderlich. 248 Diese wiederum dürften jedoch nicht so abstrakt gefaßt sein, daß sie wichtige Faktoren außer acht lassen und in eine Verfälschung umschlagen. 249 Im Ergebnis gilt der Merksatz: "make it as simple as possible but not simpler". 250 aa) Differenzierung nach der bauplanungsrechtlichen Qualifikation des Gebiets Ausgehend von der Orientierung an der Nutzbarkeit der betroffenen Grundstücke, bietet es sich an, die Grenzwerte in Abhängigkeit von baunutzungsrechtlichen Gebietsarten zu bestimmen. Auf diese Weise kann beispielsweise das Lärmschutzniveau in Wohngebieten höher angesetzt werden als in Industriegebieten. Dies hat zur Folge, daß ein bestimmter Geräuschpegel in einem Wohngebiet als unzumutbar angesehen werden kann, während derselbe Geräuschpegel in einem Industriegebiet zulässig ist. Das System, das für Gebiete und bauliche Anlagen mit unterschiedlicher Nutzung unterschiedliche Immissionsgrenzwerte vorsieht, hat die Rechtsprechung zum Immissionsschutz entwickelt. Die Differenzierung nach Gebietsarten wurde in alle Umweltstandards übernommen. So findet sie sich unter anderem in der TA Lärm, in der Verkehrslärmschutzverordnung und sogar im FluglSchG wieder. (1) Vereinbarkeit mit § 9 Abs. 2 LuftVG
Es stellt sich die Frage, ob eine derartige gebiets spezifische Auslegung der Zumutbarkeit von Belästigungen und Nachteilen mit § 9 Abs. 2 LuftVG zu vereinbaren ist. Die gebiets spezifische Auslegung der Zumutbarkeit läßt sich dann mit § 9 Abs. 2 LuftVG vereinbaren, wenn sie dazu dient, die Lärmbelästigungswirkungen adäquat zu erfassen. Die Gebietszuordnung könnte diesbezüglich insofern eine Rolle spielen, als daß insbesondere der Faktor der Ortsüblichkeit für die Lärmwirkungen von Bedeutung iSt. 251 Dies läßt sich dadurch begründen, daß die Lärmerwartungen in Schulze-Fielitz, in: GK-BlmSchG, Vor. §§ 38- 41, Rn. 49. Feldhaus, UPR 1982, S. 137 (140). 250 Vgl. Kutscheidt, NVwZ 1989, S. 193 (199). 251 So tatsächlich im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit Art. 2 Abs. 2 GG, vgl. Peine, OÖV 1988, S. 937 (944). 248 249
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einem Wohngebiet niedriger sind als in einem Gewerbegebiet. Daher wird die Lärmbelästigung anders wahrgenommen. Die Ortsüblichkeit einer Lärmbelästigung läßt sich in der Tat durch die Anlehnung an die bauplanungsrechtliche Gebietsart berücksichtigen. Dennoch würde die praktizierte hohe Bedeutung des Kriteriums der Gebietsart diesen Faktor überbewerten?52 Die gebietsspezifische Differenzierung der Lärmgrenzwerte läßt sich demnach zumindest nicht ausschließlich damit erklären, daß nur so das Lärmphänomen in seinen Facetten erfaßt werden kann. Die Gebietsorientierung könnte sich aber weiterhin aus systematischen Gedanken herleiten lassen. Die Idee der räumlichen Trennung konfligierender Nutzungen stammt ursprünglich aus dem Bauplanungsrecht. Die Baunutzungsverordnung in ihren vier bisherigen Fassungen hat ihr inzwischen eine hochentwickelte Form gegeben. Auf der einen Seite legt sie einen weitgehenden Schutz des Wohnens fest, auf der anderen Seite aber räumt sie der gewerblichen und industriellen Tätigkeit einen andere Nutzungen ausschließenden Vorrang ein.253 Diese funktionale Trennung ermöglicht insbesondere auch ein Nebeneinander von Lärmschutz für die Wohnbevölkerung einerseits und dem Betreiben gewerblicher Tätigkeit andererseits. Daher ist die Baunutzungsverordnung selbst als ein zentrales Instrument des Lärmschutzes anzusehen.254 Im Immissionsschutzrecht wurde auf diese Gebietstypik der Baunutzungsverordnung zurückgegriffen, als die Idee von gebietsadäquaten Immissionsschutzniveaus entwickelt wurde. So legt das Optimierungsgebot des § 50 BImSchG für Planungen fest, daß Lärm soweit wie möglich durch die Trennung konfligierender Nutzungen vermieden werden soll. Noch detaillierter ist diese Idee des gebietsadäquaten Immissionsniveaus zunächst in der TA Lärm 1968 durch ein System gebietsspezifischer Lärmgrenzwerte normiert worden. Seither haben alle immissionsschutzrechtlichen Regelwerke mit ihren Richt- bzw. Grenzwertsystemen zum Lärmschutz die Erheblichkeitsschwelle gebietsspezifisch normiert und damit gebietsadäquate Immissionsniveaus geschaffen. Das Bauplanungsrecht und § 50 BImSchG sowie die untergesetzlichen immissionsschutzrechtlichen Regelungen und Verordnungen deuten darauf hin, auch die Zumutbarkeit im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG im Sinne eines gebietsspezifischen Zumutbarkeitsniveaus zu interpretieren. 255 Ähnlich, vgl. Ramsauer, in: Koch, Schutz vor Länn, S. 107 (118 Fn. 41). Obwohl mittlerweile eine vorsichtige Relativierung durch Nutzungsmischungen zu erkennen ist. 254 Koch, NVwZ 2000, S. 490 (492); Koch, Immissionsschutz durch Baurecht, S. 15 ff. 255 Herr, Sportanlagen, S. 46; Koch, in: Koch, Schutz vor Länn, S. 43 (43 ff.); allerdings hier ausschließlich für den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen in § 3 BImSchG. Dieser gilt auch für das Verkehrsimmissionschutzrecht in § 41 ff. BImSchG. Anders ist dies in § 9 Abs. 2 LuftVG, der nur auf Gefahren und Nachteile abstellt. Wie oben jedoch bereits dargelegt, kann der Begriff des § 3 BImSchG auf § 9 Abs. 2 LuftVG übertragen werden. 252 253
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Auch nach dem Sinn und Zweck des § 9 Abs. 2 LuftVG liegt es nahe, hinsichtlich des Lärmschutzniveaus zwischen den verschiedenen Gebietsarten zu differenzieren. Die Schutzvorkehrungen zur Planfeststellung sind das wichtigste Mittel, die widerstreitenden Interessen des Flughafenuntemehmers und planungsbetroffener Dritter auszugleichen. 256 § 9 Abs. 2 LuftVG ist dementsprechend als positivrechtliche Anordnung des Gebots der Rücksichtnahme anzusehen, das - in § 50 BImSchG ausdrücklich normiert - die Zuordnung unterschiedlicher Nutzungen regelt. 257 § 9 Abs. 2 LuftVG fordert eine in der heutigen Industriegesellschaft unverzichtbare Güterabwägung. So soll einerseits vor Umweltbeeinträchtigungen geschützt werden, gleichzeitig aber ein angemessener Luftverkehr ermöglicht werden. Es wird demnach ein Schutz- und ein Förderungszweck verfolgt. Ein sinnvoller Ausgleich zwischen diesen beiden Zwecken läßt sich - zumindest für Belästigungen unterhalb der grundrechtlichen Gefahrenschwelle - am effektivsten durch eine räumliche Trennung konfligierender Nutzungen in Verbindung mit einem gebietsspezifisch unterschiedlichem Belastungsniveau verwirklichen. 258 Im Ergebnis läßt sich demnach eine Grenzziehung zwischen zumutbaren und unzumutbaren Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung der bauplanungsrechtlichen Art der Nutzung mit § 9 Abs. 2 LuftVG vereinbaren. (2) Festlegung der Gebietsarten
Ein Grundstück ist umso schutzwürdiger, je mehr es nach der Gebietskategorie Schutz vor Immissionen erwarten kann. Danach bestehen im Hinblick auf fluglärm Unterschiede in der Schutzbedürftigkeit von Wohn-, Kem- sowie von Gewerbe- und Industriegebieten. Die Höhe der Grenzwerte für die Beurteilung der Fluglärmimmissionen muß also je nach bauplanungsrechtlicher Gebietsart differieren. Das Baugesetzbuch unterscheidet für die Bauplanung zwischen drei Bereichen: dem qualifiziert beplanten Innenbereich nach § 30 BauGB, dem nicht (oder nur einfach) beplantem Innenbereich nach § 34 BauGB und dem Außenbereich nach § 35 BauGB. Die Planung des Innenbereichs erfolgt durch gemeindlichen Bebauungsplan. In dem Bebauungsplan werden Baugebietstypen im Sinne der Baunutzungsverordnung für bestimmte Gebiete festgelegt. Die Baunutzungsverordnung enthält in § 1 Abs. 2 BauNVO zehn verschiedene Baugebietstypen. Allerdings ist für den Lärmschutz nicht unbedingt ein derart ausdifferenziertes System notwendig. Die BaugeGiemullalSchmid, LuftVG, § 9, Rn. 2. GiemullalSchmid, LuftVG, § 9, Rn. 2. 258 Koch, in: Koch, Schutz vor Lärm, S. 41 (45); Koch, Immissionsschutz durch Baurecht, S. 173; BVerwG, Urt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (357) - ZLW 1991, S. 428 (440): die gebietsspezifische Differenzierung der Lärmgrenzwerte soll einen Ausgleich zwischen den Interessen der Betroffenen und der emittierenden Nutzung schaffen. 256 257
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biete können auch nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung zusammengefaßt werden. 259 Als Anhaltspunkt kann insofern die Verkehrslännschutzverordnung dienen. 26o Hier wird zwischen vier verschiedenen Kategorien differenziert. Die niedrigsten Länngrenzwerte gelten in der Umgebung von Krankenhäusern, Schulen, Kurheimen und Altenheimen. Ein etwas geringeres Lännschutzniveau wird bereits in reinen und allgemeinen Wohngebieten und Kleinsiedlungsgebieten festgelegt. Die darauffolgende Kategorie der Kerngebiete, Dorfgebiete und Mischgebiete setzt wiederum um 5 dB (A) höhere Grenzwerte fest. Das niedrigste Lännschutzniveau wird dann in Gewerbegebieten und Industriegebieten bestimmt. Eine ähnliche Gebietsdifferenzierung für den qualifiziert beplanten Innenbereich wäre auch für Fluglänn denkbar. Baugebiete sind jedoch nicht nur nach der Art der baulichen Nutzung aufgegliedert, sondern zudem nach dem Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren bzw. überbauten Grundstücksfläche. Diese können in hohem Maße voneinander abweichen (vgl. §§ 16-23 BauNVO). Dementsprechend können Baugebiete in beplanten Bereichen, obwohl derselbe Gebietstyp vorliegt, sich in ihrem Verdichtungsgrad erheblich unterscheiden und daher eine ganz unterschiedliche Eigenart haben. So kann das Immissionsniveau in einem hoch verdichteten allgemeinen Wohngebiet viel höher sein als in einem dünn besiedeltem allgemeinen Wohngebiet. 261 Im Hinblick auf die Tatsache, daß die festzulegenden Grenzwerte für Fluglänn zugunsten ihrer praktischen Anwendbarkeit und Handhabbarkeit nicht allzu differenziert ausfallen sollten und zudem in Grenzfällen stets noch die Möglichkeit einer Sonderfallprüfung besteht, sollten diese Komponenten der bauplanungsrechtlichen Qualifizierung aber nicht in die Festsetzung der Grenzwerte einfließen. 262 Gleiches gilt für Nutzungskonflikte in Grenzbereichen, in denen Baugebiete von unterschiedlicher Qualität und Schutzwürdigkeit zusammentreffen. In solchen Grenzbereichen lassen sich aufgrund der physikalischen Ausbreitungsgesetzmäßigkeiten des Schalls selbst Pege1sprünge von beispielsweise 5 dB (A) nicht realisieren?63 Eine Einhaltung der jeweiligen Grenzwerte ist daher nicht möglich. Es müssen vielmehr Zwischenwerte gebildet werden, durch die jedes der beiden Gebiete eine gewissermaßen abfallende fremde Gebietstendenz hinnimmt. 264 Diese 259 Eventuell kann dies auch in Anlehnung an § I Abs. I BauNVO geschehen, in dem vier verschiedene Bauflächen ausgewiesen werden. 260 HofmannlGrabherr, LuftVG, § 9 Rn. 53, 64. 261 Vgl. sehr anschaulich Herr, Sportanlagen, S. 53 f. 262 In der Verkehrslännschutzverordnung wird eine derartige zusätzliche Differenzierung auch nicht getroffen. 263 Steinebach, Grenzwerte, S. 133. 264 Ausführlich hierzu, vgl. Herr, Sportanlagen, S. 55 ff.; für eine geringere Schutzwürdigkeit, vgl. auch HofmannlGrabherr, LuftVG, § 9, Rn. 56.
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4. Teil: Gestaltungsprobleme einer "Fluglännschutzverordnung"
Nutzungskonflikte können ebenfalls nicht durch Grenzwerte allgemeingültig in der "Fluglärmschutzverordnung" festgelegt werden, sondern erfordern eine Prüfung im Einzelfall. Allerdings werden derartige Nutzungskonflikte in der Praxis aufgrund der flächendeckenden Ausbreitung des Fluglärms nur eine Ausnahmerolle spielen. Auch unbeplante oder einfach beplante Innenbereiche nach § 34 BauGB Unterscheiden sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, so daß auch hier das Immissionsniveau in den verschiedenen Gebieten unterschiedlich hoch sein sollte. In nicht qualifiziert beplanten Innenbereichen läBt sich die Art der baulichen Nutzung eventuell aus dem einfachen Bebauungsplan gern. § 30 Abs. 2 BauGB entnehmen. Liegt ein derartiger einfacher Bebauungsplan nicht vor, so muß geprüft werden, ob die Eigenart der näheren Umgebung des Immissionsorts nicht einem Gebietstyp im Sinne der Baunutzungsverordnung entspricht. Die statthafte Art der baulichen Nutzung ist dann gern. § 34 Abs. 2 BauGB nach der Baunutzungsverordnung festzulegen. Die vergleichbare Gebietsart gibt dann das Immissionsschutzniveau vor. Diese Vorgehensweise entspricht der des § 2 Abs. 2 16. BImSchV. Darin wird festgelegt, daß die Grenzwertvorgaben des § 2 Abs. 1 16. BImSchVentsprechend der Schutzbedürftigkeit auch auf sonstige in Bebauungsplänen festgesetzte Flächen für Anlagen und Gebiete sowie für Anlagen und Gebiete, für die keine Festsetzungen bestehen, anzuwenden sind. Für Anlagen und Gebiete im Außenbereich ist die bauplanungsrechtliche Qualifizierung des Gebiets nach § 35 BauBG entscheidend. Allerdings können die im Außenbereich zulässigen Grundstücksnutzungen ihrer Art nach äußerst vielgestaltig sein und auch im Hinblick auf ihre Schutzwürdigkeit hinsichtlich Geräuscheinwirkungen sehr unterschiedlich sein. 265 Die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit im Außenbereich muß daher stets im Einzelfall geprüft werden. Beachtet werden muß dabei insbesondere die gesteigerte Durchsetzungskraft privilegierter Außenbereichsvorhaben gegenüber nicht privilegierten Vorhaben266, denn diese gesetzgeberische Entscheidung für den Bereich des Baurechts darf nicht durch das Immissionsschutzrecht konterkariert werden. 267 Denkbar wäre für den Außenbereich eine ähnliche Regelung wie in § 2 Abs. 2 S. 22.HS 16. BImSchY. Danach sind bauliche Anlagen im Außenbereich entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit nach den allgemeinen Grenzwertregelungen zu berurteilen, ausgenommen sind allerdings die Immissionsschutzgrenzen für reine und allgemeine Wohngebiete wie für Kleinsiedlungsgebiete. 265 Im Außenbereich können sowohl ein Sanatorium als privilegiert als auch ein Truppenübungsplatz als privilegiertes Vorhaben zugelassen sein. 266 Ständige Rechtsprechung seit BVerwG, Urt. vom 25. 10. 1967 - BVerwGE 28, S. 148 (151 f.). 267 Herr; Sportanlagen, S. 62.
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bb) Differenzierungen für besonders schutzbedürftige Einrichtungen Die besondere Empfindlichkeit schutzwürdiger Einrichtungen wie Krankenhäusern, Schulen, Kurheimen und Altenheimen muß bei der Grenzwertsetzung berücksichtigt werden, indem für sie ein höheres Lärmschutzniveau festgelegt wird. Dieses Vorgehen findet sich in der Verkehrslärmschutzverordnung und auch in der TA Lärm wieder, in denen die Grenzwerte für die Umgebung derartiger Einrichtungen um 2 dB (A) bzw. um 5 dB (A) tagsüber im Vergleich zu reinen Wohngebieten abgesenkt wurden. ce) Differenzierungen zwischen Tag- und Nachtwerten Für Fluglärm sind zunächst unterschiedliche Immissionsgrenzwerte für Einwirkungen am Tage und Einwirkungen bei Nacht anzunehmen. Die Festlegung unterschiedlicher Immissionsgrenzwerte für die Tageszeiten trägt der Tatsache Rechnung, daß die Lärmwirkungen insbesondere auch von der Einwirkungszeit abhängen. 268 § 9 Abs. 2 LuftVG soll ein weitgehend ungestörtes Wohnen gewährleisten, wozu insbesondere der Schutz der Nachtruhe gehört. Da der Nachtschlaf eine besondere Empfindlichkeit gegenüber Lärm aufweist, werden die Lärmgrenzwerte der Schutzwürdigkeit der Betroffenen nur dann gerecht, wenn zur Nachtzeit ein höheres Lärmschutzniveau festgelegt wird. 269 Diese Differenzierung nach Tag- und Nachtwerten entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Zumutbarkeitsgrenze bei Fluglärm. Im übrigen wird auch in der Verkehrslärmschutzverordnung und in der TA Lärm 1998 zwischen Tag- und Nachtwerten differenziert. Eine Ausnahme bildet insoweit das FluglSchG, daß einheitliche Werte ohne einen derartigen Zeitbezug festlegt. 270
Als Tagzeit kommt der Zeitraum von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr in Betracht. Dementsprechend haben als Nachtzeit die Stunden von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr zu gelten. 271 Diese Zeiteinteilung erfolgt in Anlehnung an die in der Verkehrslärmschutzverordnung, der TA Lärm und dem FluglSchG in Nr. I b) Anlage zum FluglSchG. Sie entspricht dem allgemeinen Verhaltensmuster der Bevölkerung: Ab 22:00 Uhr 268 Dies ist im wesentlichen eine Folge aus dem allgemeinen Verhaltensmuster der Bevölkerung, nach dem nachtsüber ein Ruhe- bzw. Schlafzustand herrscht, vg!. hierzu ausführlich: Häger; in: Barteis I Ising, Fluglärmproblematik, S. 98 (98 f.). 269 So ist die Schwelle der vegetativen Reaktionen im Schlafzustand um 10-12 dB (A) niedriger als im Wachzustand, vg!. Jansen/Linnemeier/Nitzsche, ZfL 42 (1995), S. 91 (104). 270 Allerdings erfolgt dennoch eine unterschiedliche Bewertung der Tag- und Nachtflüge, vg!. Nr. 1 b) An!. zu § 3 FluglSchG; der höhere der beiden Pegel ist der äquivalente Dauerschallpegel nach § 2 FluglSchG, Nr. 5 An!. zu § 3 FluglSchG. 271 In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, ob für die Beurteilungszeit die acht Nachtstunden oder vielmehr die volle Nachtstunde mit dem höchsten Beurteilungspegel (Nr. 6.4 Abs. 3 TA Lärm) maßgeblich ist.
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kommt im allgemeinen das tägliche Leben zur Ruhe und gegen 6:00 Uhr fangt üblicherweise die Vorbereitung für das berufliche Leben an, und der Straßenverkehr setzt ein. 272 Diesem erhöhten Ruhebedürfnis während der Nachtzeit muß durch eine Absenkung der nächtlichen Immissionswerte um 10-15 dB (A) gegenüber den Tageswerten Rechnung getragen werden. 273 Ob mit der Differenzierung zwischen Tag- und Nachtwerten dem Ruhebedürfnis der Bevölkerung Genüge getan wird274 oder ob darüberhinaus noch Zuschläge für die besondere Zeiten mit einem schutzwürdigem erhöhtem Ruhebedürfnis (beispielsweise zwischen 6:00 Uhr und 7:00 Uhr und 21:00 Uhr und 22:00 Uhr oder für Sonn- und Feiertage)275 festzulegen sind, soll hier nicht vertieft werden und bleibt der Entscheidung des Verordnungs gebers überlassen. 276 Es soll nur darauf hingewiesen werden, daß insbesondere Sonn- und Feiertage in zahlreichen Gesetzen ein besonderer Schutz zugewiesen wird. 277 Hieraus könnte sich ein erhöhtes Ruhebedürfnis des verständigen Durchschnittsmenschen gegenüber Geräuschimmissionen an Sonn- und Feiertagen ergeben. 278 Diesem müßte dann durch erhöhte Immissionsgrenzwerte Rechnung getragen werden. dd) Differenzierung zwischen Außenwohnbereich und Innenwohnbereich Der Außenwohnbereich weist grundsätzlich eine geringere Schutzwürdigkeit auf als der Innenwohnbereich. Dies liegt zum einen darin begründet, daß im Außenbereich grundsätzlich - auch aufgrund eigener immissionsträchtiger Tatigkeiten - eine höhere Lärmerwartung besteht. 279 Zum anderen ergibt sich die verminderte Schutzwürdigkeit daraus, daß der Außenwohnbereich aufgrund der Witterungsverhältnisse in viel geringerem Ausmaß genutzt wird als der Innenwohnbereich. Dieser geringeren Schutzwürdigkeit entspricht die Rechtsprechung, indem sie die Zumutbarkeitsgrenze für Lärmimmissionen im Außenwohnbereich absenkt. HojmannlGrabherr; LuftVG, § 9, Rn. 66. In der Verkehrslännschutzverordnung beträgt die Differenz zwischen Tag- und Nachtwerten 10 dB (A); für Fluglänn ähnlich, vgl. HojmannlGrabherr; LuftVG, § 9, Rn. 67. 274 HojmannlGrabherr; LuftVG, § 9, Rn. 66. 275 Vgl. beispielsweise TA Länn 1998, Nr. 6.5. 276 Grundsätzlich befürwortend, vgl. Hansmann, NuR 1997, S. 53 (56); wohl auch: Herr; Sportanlagen, S. 82 f. Die im Umweltgutachten 2002, Tz. 611, gestellte Forderung nach absoluten Nachtflugverboten erscheint aus präventivmedizinischen Gründen zwar wünschenswert, läßt sich aber wohl aus wettbewerblichen Gründen nicht durchsetzen. 277 Vgl. beispielsweise Art. 140 GG i.Y.m. Art. 139 WRV; Art. 147 BV; Sonn- und Feiertagsgesetze der Länder; §§ 1 Nr. 2,9-13 ArbZRG; § 30 Abs. 3 und 4 StVO; § 6 Abs. 1 RasenmäherlännVO u. a .. 278 BVerwG, Urt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (349) - ZLW 1991, S. 428 (437); Herr; Sportanlagen, S. 80. 279 Guski, ZtL 38 (1991), S. 61 (62). 272
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Auch im Rahmen der Grenzwerte der "Fluglärmschutzverordnung" könnten daher in reinen und allgemeinen Wohngebieten unterschiedliche Grenzwerte für den Innenwohnbereich und den Außenwohnbereich festgelegt werden. Eine derartige Differenzierung macht allerdings nur tagsüber Sinn, denn nachts werden die Außenwohnbereiche nicht genutzt. Es stellt sich die Frage, wie die unterschiedlichen Zumutbarkeitsgrenzen im Innen- und Außenwohnbereich bei der Festlegung der Grenzwerte ihren Ausdruck finden können. Es besteht einmal die Möglichkeit, grundsätzlich nur einen gebietsspezifischen Tagesgrenzwert festzulegen, bei dem jedoch bestimmt werden muß, ob er als Außen- oder als Innenpegel zu gelten hat. 28o Durch das Abstellen auf den Außen- oder Innenpegel ergeben sich durch die Dämmwirkung der Schallschutzmaßnahmen zwei Werte?81 Hier stellt sich aber das Problem, daß das Verhältnis von Außenwohnbereichswerten zu Innenbereichswerten dann stets dem Ausmaß der Dämmwirkung entsprechen müßte, denn der eine Wert ist von dem anderen abhängig. Dies erscheint willkürlich und kann keinen effektiven Lärmschutz gewährleisten. Daher ist es sinnvoller, ausdrücklich zwischen Innenwohnbereichswerten und Außenwohnbereichswerten zu differenzieren und insoweit zwei verschiedene Werte festzulegen. Für den Innenwohnbereich müßte dann ein Innenpegel berechnet werden und für den Außenwohnbereich ein Außenpegel. Eine solche Differenzierung zwischen Innenwohnbereichswerten und Außenwohnbereichswerten in reinen bzw. allgemeinen Wohngebieten erscheint notwendig, um auch den Außenwohnbereich zu schützen. ee) Differenzierung zwischen Dauerschallpegel und Maximalpegel Für die Beurteilung von Fluglärm könnte neben den Mittelungspegeln zusätzlich die Heranziehung von Maximalpegeln erforderlich sein. Das FluglSchG sieht für die Beurteilung des Lärmpegels ausschließlich einen Mittelungspegel vor, in den Spitzenpegel nur rein rechnerisch gewichtet aufgenommen werden. Gleiches gilt 280 Es empfiehlt sich, die Lärmgrenzwerte als Innenpegel anzusetzen. Dies ergibt sich einmal daraus, daß der Lebensmittelpunkt vor allem im Innenwohnbereich liegt und daher vorrangig sichergestellt werden muß, daß hier ein gewisses Lärmschutzniveau - unabhänig von Lärmunterschieden im Außenbereich - eingehalten wird. Überdies ist zu berücksichtigen, daß Außenpegel in Bezug auf Fluglärm kaum eingehalten werden können. Im Gegensatz zum Straßen- und Schienenverkehrslänn sind hier - neben Betriebsbeschränkungen - kaum aktive Schallschutzmaßnahmen möglich. Der Fluglärmschutz wird im wesentlichen durch passive Schallschutzmaßnahmen bewirkt. Gerade im Außenbereich kommen deshalb häufig hohe Schallpegel vor. Dies zeigt sich insbesondere darin, daß der Außenbereich Hauptanwendungsfall der Entschädigungszahlungen ist, da hier häufig die Zumutbarkeitsgrenze überschritten wird. Es erscheint demnach nicht sinnvoll, für die Lärmgrenzwerte auf Außenpegel abzustellen. 281 Z. B. bei einem Außenpegel von 65 dB (A) würde sich bei geschlossenen Fenstern durch die Dämmwirkung der Fenster ein Innenschallpegel von 45 dB (A) ergeben.
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für die Verkehrslärmschutzverordnung?82 Die neue TA Lärm hingegen enthält die zusätzliche Berücksichtigung von Geräuschspitzen durch Maximalpege1. 283 Die Rechtsprechung 284 und die Literatur285 fordern für Fluglärm seit langem die zusätzliche Berücksichtigung von Spitzenpegeln. Der Grund hierfür liegt in der intermittierenden Art des Fluglärms. 286 Diese führt insbesondere zu Schlaf- und Kommunikationsstörungen, die überwiegend von der Höhe der einzelnen Spitzenpegel abhängig sind. Neben der absoluten Pegelhöhe des Einzelschallereignisses ist aber auch dessen Dauer und Häufigkeit von Bedeutung?87 Für den Bereich des Tagfluglärms erscheinen derartige Maximalpegel allerdings nicht unbedingt notwendig, da sich höhere Pegel auch im Dauerschallpegel sogar überproportional niederschlagen. 288 Sinnvoll erscheint eine selbständige Heranziehung von Maximalpegeln aber für den Bereich des Nachtfluglärms, da einzelne Spitzenpegel von 45 dB (A) hier Aufwachreaktionen hervorrufen können, die gesundheitsgefährdende Auswirkungen haben können. 289 Für die Einführung der Berücksichtigung derartiger Geräuschspitzen müßte dann eine geeignete Einwertgröße, etwa in Form eines Maximalpegels oder eines energetischen Mittelwerts aus mehreren Maxima, den mittleren Maximalpegel, gefunden werden. 29o Gleichzeitig muß dann eine Begrenzung der Überschreitungshäufigkeit erfolgen. 291 d) Berücksichtigung von Uirmvorbelastungen Fraglich ist, ob die "Fluglärmschutzverordnung" zwischen vorbelasteten und nicht vorbelasteten Gebieten unterscheiden und damit der Rechtsprechung folgen sollte. Der Begriff der Vorbelastung wird sowohl im Baunachbarrecht als auch im Immissionsschutzrecht von der Rechtsprechung häufig verwendet, doch läßt er Kritisch daher Schulze-Fielitz, DÖV 2001, S. 181 (188). Vgl. Nr. 6 Abs. 2 TA Lärm. 284 BVelWG, Urt. vom 07. 07. 1978 - ZLW 1979, S. 48 (59); OVG Münster, Urt. vom 15.08. 1996 - ZLW 1997, S. 518 (523); BVelWG, Urt. vom 27. 10. 1998 - BVerwGE 107, S. 313 (325 ff.) - NVwZ 1999, S. 644 (645). 285 Bartunek, Drittschutz, S. 143; HofmannlGrabherr, § 9, Rn. 64; Kutscheidt, NVwZ 1989, S. 193 (198); Quaas, NVwZ 1991, S. 16 (18). 286 HofmannlGrabherr, LuftVG, § 9, Rn. 64. 287 Quaas, NVwZ 1991, S. 16 (18). 288 Schreiber, ZfL 42 (1995), S. 141 (141); ßYsk, ZLW 1998, S. 456 (480). 289 Koch, NVwZ 2000, S. 490 (491); Schulze-Fielitz, DÖV 2001, S. 181 (189); eher ablehnend, da er den Äquivalenten Dauerschallpegel auch nachts für ausreichend hält, vgl. Schreiber, ZfL 42 (1995), S. 141 (141 ff.). 290 VGH Baden-Württemberg- DVBI. 1990, S. 108 (113); Quaas, NVwZ 1991, S. 16 (18); Schreiber, ZfL 42 (1995), S. 141 (142). 291 HofmannlGrabherr, § 9, Rn. 64; ßYsk, ZLW 1998, S. 456 (480). 282 283
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sich im Gesetz nicht finden. Zwar haben die Eigentümer vorbelasteter Grundstücke als Nachbarn aufgrund der schutzmindernden Vorbelastung offenbar geringere Rechte, "aber wann, inwieweit und warum, läßt sich nirgends nachlesen oder voraussagen: Richterrecht pur!,,292 Neuerdings wird der Begriff der Vorbelastung in der TA Lärm 1998 erwähnt und in 2.4 definiert als "Belastung eines Ortes mit Geräuschimmissionen von allen Anlagen, für die diese Technische Anleitung gilt, ohne den Immissionsbeitrag der zu beurteilenden Anlage". Diese Definition des Vorbelastungsbegriffs kann zwar aufgrund der in ihr enthaltenen Beschränkung auf Geräuschimmissionen von Anlagen, auf die die TA Lärm 1998 Anwendung findet, nicht generell angewendet werden. Dennoch ist eine Anlehnung an die Definition möglich. aa) Tatsächliche Vorbelastungen Tatsächliche Vorbelastungen können definiert werden als die Belastung eines Ortes mit Geräuschimmissionen von allen (gleich- oder ungleichartigen) Geräuschquellen, ohne den Immissionsbeitrag der zu beurteilenden Anlage selbst. (1) Möglichkeiten der Berücksichtigung
Es stellt sich das Problem, auf welche Weise tatsächliche Lärmvorbelastungen rechtlich zu behandeln sind. Hierbei kommen verschiedene Möglichkeiten in Betracht. Zunächst könnten Vorbelastungen als neutral bewertet werden und daher für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze vollständig außer Betracht bleiben. Weiterhin besteht die Möglichkeit einer subtraktiven Bewertung, indem die arithmetische Differenz der Pegel von Belastung und (niedrigerer) Vorbelastung das Maß der schutzbedürftigen Verschlechterung der Lärmsituation bezeichnet. Ist diese Differenz gering oder ist gar die Vorbelastung höher, so entfällt mangels Verschlechterung der Lärmsituation ein Schutzanspruch. Als dritte Möglichkeit kommt eine additive Bewertung in Betracht. Maßgebend für den Schutzanspruch wäre dann die logarithmische Summe der Pegel von Belastung und Vorbelastung. Bei diesem Ansatz wirkt sich die Lärmvorbelastung in jedem Fall schutzverstärkend aus, denn die Lärmzumutbarkeitsschwelle ist schneller erreicht. Nach dem Grundgedanken des allgemeinen Immissionsschutzrechts müßte eine additive Bewertung der Lärmvorbelastungen erfolgen, denn nur diese schützt dem Ziel des Immissionsschutzes entsprechend - vor der Gesamtimmissionsbelastung am Einwirkungsort und nicht nur vor den Emissionen einer einzelnen Anlage. Hieraus wird bereits deutlich, daß die Problematik der Vorbelastungen eng mit dem Problem der Summation verschiedener Geräuschquellen zusammenhängt.
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Samighausen, NJW 1994, S. 1375 (1375).
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Die Rechtsprechung zu § 9 Abs. 2 LuftVG folgt entgegen dieses Grundgedankens hinsichtlich der Vorbelastungen jedoch vorwiegend der subtraktiven Betrachtungsweise, indem sie auf die Verschlechterung der Lärmsituation abstellt. Verschlechtert dementsprechend der neu hinzutretende Lärm die bisherige Lärmsituation nicht oder nur unwesentlich, so scheidet eine ausgleichspflichtige erhebliche Beeinträchtigung von vornherein aus. 293 "Schutzvorkehrungen sind nur dann zu treffen, wenn und soweit durch die hinzutretenden Lärmimmissionen der Pegel des nunmehr auftretenden Gesamtgeräuschs den früher vorhandenen Lärmpegel in beachtlicher Weise erhöht und gerade in dieser Erhöhung eine zusätzliche und auch unzumutbare Belastung liegt.,,294 Ausnahmen gelten für "schwere und unerträgliche" Vorbelastungen, die aus der subtraktiven Betrachtung vollständig ausscheiden und aus deren Anlaß eine Lärmsanierung erfolgt. 295 Obwohl die Rechtsprechung zum Verkehrslärm bis zum Erlaß der Verkehrslärmschutzverordnung vorwiegend ebenfalls auf eine subtraktive Betrachtungsweise der Lärmvorbelastungen abgestellt hat296 , ist in der nunmehr geltenden Verkehrslärmschutzverordnung auf eine ausdrückliche Unterscheidung zwischen vorbelasteten und unvorbelasteten Gebieten verzichtet worden. 297 Der Verordnungsgeber hat vielmehr bereits durch die Unterscheidung in bestimmte Gebietsarten eine Typisierung der gebietsbezogenen Lärmvorbelastungen vorgenommen. 298 Eine weitere Differenzierung innerhalb dieser Gebiete nach individuell vorliegenden Lärmvorbelastungen ist nicht notwendig und grundsätzlich auch nicht zulässig. 299 BVerwG, Urt. vom 27.10.1998 - BVerwGE 107, S. 350 (356 f.). BVerwG, Urt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (357) - ZLW 1991, S. 428 (439); vgl. BVerwG, Urt. vom 21. 05. 1976 - BVerwGE 51, S. 15 (32) - NJW 1976, 1760 (1763); BVerwG, Urt. vom 14. 12. 1979 - BVerwGE 59, S. 253 (265 ff.) - NJW 1980, 2368. 295 BVerwG, Urt. vom 22. 03. 1985 - BVerwGE 71, S. 150 (155); BVerwG, Urt. vom 20.08. 1990 - ZLW 1991, S. 50 (57); aVG Nordrhein-Westphalen, Urt. vom 28.04. 1989ZLW 1991, S. 61 (82). 296 BVerwG, Urt. vom 21. 05. 1976 - BVerwGE 51, S. 15 (32) - NJW 1976, S. 1760 (1763); BVerwG, Urt. vom 14. 12. 1979 - BVerwGE 59, S. 253 (265 ff.). 297 Eine Ausnahme stellt insoweit der Außenbereich dar, für den die Rechtsprechung zur tatsächlichen und planerischen Vorbelastung aktuell bleibt, vgl. Schulze-Fielitz, UPR 1994, S. 1 (3 f.). 298 Alexander; NVwZ 1991, S. 318 (320); Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, S. 104; Schulze-Fielitz, UPR 1994, S. 1 (3); dagegen spricht allerdings, daß Gemeinden ein und denselben Gebietstyp im Sinne der BauNVO sehr unterschiedlich ausgestalten und vor allem in unterschiedlichen Situationen hineinplanen dürfen; hieraus ergeben sich sehr unterschiedliche Immissionslagen, vgl. Herr; Sportanlagen, S. 71 f. 299 Alexander; NVwZ 1991, S. 318 (320); Schulze-Fielitz, UPR 1994, S. 1 (3); SchulzeFielitz, in: GK-BImSchG, § 43, Rn. 75. Es wird allerdings vertreten, daß im Einzelfall für unvorbelastete Wohngebiete niedrigere Grenzwerte gelten sollen und insoweit von den Grenzwerten der 16. BImSchVabgewichen werden soll, vgl. Silagi, UPR 1997, S. 272 (278). Nach anderer Ansicht sollen nicht die Grenzwerte, sondern nur die Art und Weise des Lärmschutzes von einer eventuellen Vorbelastung abhängen, denn in einem vorbelasteten Gebiet sei den Betroffenen die Gewährung lediglich passiven Lärmschutzes zumutbar, während in 293
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B. Inhalte einer "Fluglännschutzverordnung"
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Festzuhalten ist allerdings, daß im Rahmen der Verkehrslärmschutzverordnung dem Berechnungsverfahren des § 3 entsprechend 300 - nur auf die durch die Verkehrsanlage verursachten Emissionen abzustellen ist. Bereits bestehende Vorbelastungen werden also nicht in die Lärmimmissionslage miteinbezogen. 30\ Im Gegensatz dazu zeigt die neue TA Länn 1998 Ansätze einer summativen Betrachtungsweise von Vorbelastungen. Sie legt fest, daß die Vorbelastungen eines Immissionsorts vor Errichtung einer neuen Anlage grundsätzlich zu berücksichtigen sind. Allerdings gilt dies nur für Lännvorbelastungen, die von Anlagen verursacht werden, auf die die TA Lärm Anwendung findet. Andere Lärmquellen bleiben hingegen unberücksichtigt. 302 Insbesondere relativiert sich die schutzverstärkende summative Bewertung durch die einschränkenden Regelungen der Abs. 2 - 5 von Nr. 3.2.1 TA Lärm, die die Irrelevanz gewisser Zusatzbelastungen festlegen. So entsteht die Gefahr, daß die Summation mehrerer geringer Zusatzbelastungen zu einer qualitative Erhöhung des Lännbelastungsniveaus am Einwirkungsort führt. 303 (2) Rechtliche Bewertung Wichtig ist hinsichtlich der tatsächlichen Vorbelastung, daß zwischen zwei verschiedenen Aspekten differenziert werden muß, nämlich dem Aspekt der Schutzwürdigkeit und dem daran anknüpfenden Aspekt der Kausalität. 304 Maßgeblich für die tatsächliche Vorbelastung ist nach der Rechtsprechung und Teilen der Literatur vor allem der Gesichtspunkt der Schutzwürdigkeit. 305 Danach ist den Anliegern, deren Grundstücke in einem bisher nicht störungsfreien Bereich liegen, ein höheres Maß an Lännbelastungen billigerweise zumutbar und wirkt sich schutzmindernd auf ihre Schutzansprüche aus. Die Frage, warum sich tatsächliche Vorbelastungen für den Betroffenen schutzmindernd auswirken sollen, wird unterschiedlich beantwortet. einem unvorbelastetem Gebiet die Einhaltung der Grenzwerte durch aktiven Lännschutz sicherzustellen sei. Für letztere Ansicht spricht, daß die vom Verordnungsgeber vorgegebenen Grenzwerte eingehalten werden, vgl. Michler; VerwArchiv 90 (1999), S. 21 (35). 300 Dies muß gelten, obwohl in § 2 Abs. 1 der 16. BImSchG auf die Immissionslage im Gebiet abgestellt wird. 301 Vgl. Schulze-Fielitz, DÖV 2001, S. 181 (187). 302 Ähnliches gilt für die Sportanlagenlännschutzverordnung, in der gern. § 2 Abs. I die Geräuschbelastungen aller Sportanlagen summiert werden. 303 Koch, NVwZ 2000, S. 490 (501); Müller; TA Lärm, S. 193; Schulze-Fielitz, DVBI. 1999, S. 65 (70 f.). 304 Kühling / Herrmann, Fachplanungsrecht, Rn. 433; Koch, in: GK-BlmSchG, § 3, Rn. 153 ff. 305 Steinberg/Berg/Wickel, Fachplanung, § 4, Rn. 63 ff.; Herr; Sportanlagen, S. 71 ff.; Hojmann/Grabherr; LuftVG, § 9, Rn. 57; Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, S. 104, insbesondere Rn. 223.
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4. Teil: Gestaltungsprobleme einer "Fluglärmschutzverordnung"
Nach einer Ansicht ergibt sich der schutzmindernde Faktor der Vorbelastung aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme, dessen Ausprägung § 9 Abs. 2 LuftVG sei. 306 Das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme wurde von der Rechtsprechung zur Bauleitplanung entwickelt. Es begründet im Bereich des Wechsels von einer Nutzungsart in die andere nicht nur eine Restriktion umweltbelastender Vorhaben, sondern ebenso in umgekehrter Richtung eine Abschwächung der Wohngebietsqualität. 307 § 9 Abs. 2 LuftVG kann zwar durchaus als Ausprägung des Rücksichtnahmegebots angesehen werden, da er einen Interessenausgleich zwischen Vorhaben und Auswirkungen eines Vorhabens vorsieht. Ob allerdings das Rücksichtnahmegebot auch darüberhinaus eigenständige dogmatische Grundlage der tatsächlichen Vorbelastung sein kann, erscheint insbesondere im Hinblick auf die Unbestimmtheit dieses Begriffes selbst äußerst zweifelhaft. 308 Eng mit dem Gebot der Rücksichtnahme verknüpft ist die Situationsgebundenheit des Eigentums, kraft derer nach einer weiteren Ansicht der Eigentümer tatsächliche Vorbelastungen seines Grundstücks schutzmindernd hinnehmen müsse. 309 Der Begriff der Situationsgebundenheit eines Grundstücks soll zum Ausdruck bringen, daß jedes Grundstück durch seine Lage und Beschaffenheit sowie seine Einbettung in die Landschaft und Natur geprägt wird. Hierauf müsse der Eigentümer im Hinblick auf die Sozialbindung des Eigentums Rücksicht nehmen, so daß auf jedem Grundstück eine aus seiner Situationsgebundenheit abzuleitende immanente Beschränkung oder auch Erweiterung der Eigentümerbefugnisse laste?lO Das Merkmal der Situationsgebundenheit des Eigentums wurde in der Rechtsprechung zu Art. 14 GG entwickelt und könnte sich bereits deswegen der Kritik aussetzen, den Gesundheitsschutz nach Art. 2 Abs. 2 GG zu vernachlässigen, der keinerlei Sozialbindungen unterliegt. 311 Im übrigen ist auch das Kriterium der Situationsgebundenheit eine Entwicklung der Rechtsprechung, die mangels praktikabler Abgrenzungskriterien als äußerst unbestimmt erscheint und daher kein sicheres dogmatisches Fundament für die tatsächliche Vorbelastung liefern kann?12 Die schutzmindernde Wirkung der tatsächlichen Vorbelastungen könnte sich aber mit dem Prioritätsgrundsatz erklären lassen?13 Der Grundsatz der Priorität räumt demjenigen, der "zuerst dagewesen ist", den Vorrang ein. Die vorhandenen Grundstücksnutzungen prägen die Situation, nach der sich die später hinzukommenden zu richten haben. Zwar ist einschränkend festzuhalten, daß im Immissi306 BVerwG, Urt. vom 21. 05. 1976 - BVerwGE 51, S. 15 (30) - NJW 1976, S. 1760 (1763); Giemullal Schmid, LuftVG, § 9, Rn. 5. 307 Kloepfer, Umweltrecht, § 10, Rn. 49. 308 Osterholzer, Rücksichtnahme, S. 98 ff.; Samighausen, NJW 1994, S. 1375 (1375). 309 BenderlSparwasserlEngel, Umweltrecht, S. 104; Brohm, Baurecht, S. 547; HofmannlGrabherr, LuftVG, § 9, Rn. 57. 3\0 Heller, Rücksichtnahme, S. 4 ff. 311 Hermann, Fluglärm, S. 185. 312 Osterholzer, Rücksichtnahme, S. 121 ff. m. w. N. 313 Herr, Sportanlagen, S. 72 ff. m. w. N.; Osterholzer, Rücksichtnahme, S. 126 ff.
B. Inhalte einer "Fluglärmschutzverordnung"
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onsschutzrecht niemand auf einen gänzlich unveränderten Bestand seiner Umgebung vertrauen kann, doch sei es recht und billig, denjenigen Grundstücksnutzungen, die zuerst hinreichend verfestigt geplant und realisiert worden sind, grundsätzlich ein Mehr an Schutzwürdigkeit zu gewähren. Dementsprechend können die später "herangeplanten" Grundstücksnutzungen grundsätzlich nur eine gemilderte Schutzwürdigkeit aufweisen. "Das Mehr an Schutzwürdigkeit auf der einen und das Weniger an Schutzwürdigkeit auf der anderen Seite führt dann zu einer entsprechenden Verschiebung der Erheblichkeitsgrenze".314 Allerdings erscheint die Anwendung des Grundsatzes der Priorität im Hinblick auf tatsächliche Vorbelastungen bereits deshalb zweifelhaft, weil auch ihm eine gesicherte dogmatische Grundlage und praktikable Anwendungskriterien fehlen. Weiterhin besteht das Problem, daß er im Rahmen eines Lebenssachverhaltes zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, auf welches Personenverhältnis er angewendet wird. So könnte der Prioritätsgrundsatz im Verhältnis zwischen dem Lärmbetroffenen und den bereits vorhandenen Lärmemittenten noch eine Schutzminderung zu Lasten des Lärmbetroffenen rechtfertigen, denn die Lärmvorbelastungen bestanden bereits vor dem Lärmbetroffenen. Im Hinblick auf das hier in Frage stehende Verhältnis zwischen Lärmbetroffenem und hinzukommender Flughafenplanung muß der Grundsatz der Priorität aber zur Folge haben, daß den bereits bestehenden tatsächlich vorbelasteten Grundstücksnutzungen eine erhöhte Schutzwürdigkeit vor einer weiteren Verschlechterung ihrer Lärmsituation durch eine Neuplanung zuzugestehen ist. Der Grundsatz der Priorität kann daher keine Erklärungsgrundlage für die schutzmindernde Berücksichtigung tatsächlicher Vorbelastungen gegenüber Neuvorhaben liefern. Grundlage der schutzmindernden Berücksichtigung von Vorbelastungen könnte jedoch das Verursacherprinzip sein, das in § 9 Abs. 2 LuftVG seine Ausprägung findet: Danach trägt der Verursacher von Umweltbelästigungen grundsätzlich die sachliche und finanzielle Verantwortung für den Umweltschutz, der er entweder durch partielle Vermeidung, Beseitigung oder finanziellen Ausgleich der Umweltbelastung nachzukommen hat. 315 In Bezug auf die Vorbelastungsfrage könnte das Verursacherprinzip dazu führen, daß nur die neu hinzutretenden Lärmbelastungen dem Flughafenbetreiber zuzurechnen sind und eventuelle Vorbelastungen daher den Lärmbetroffenen anzulasten sind. Zu berücksichtigen ist jedoch, daß das Verursacherprinzip im wesentlichen eine wertende Kausalitätsregelung zu Lasten des Konfliktauslösers darstellt. Warum diese zu Lasten der Schutzwürdigkeit der Lärmbetroffenen wirken soll, kann das Verursacherprinzip nicht begründen?16 Eher könnte der Gedanke heran314 Herr; Sportanlagen, S. 74. Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 4, Rn. 29. Michler; Verkehrsimmissionsschutz, S. 82, weist richtigerweise darauf hin, daß das Verursacherprinzip in § 9 Abs. 2 LuftVG nicht dem Schutz des Verursachers, sondern dem 315
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der Lärmbetroffenen dienen soll.
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4. Teil: Gestaltungsprobleme einer "Fluglärmschutzverordnung"
zuziehen sein, daß auch bestehende Lännvorbelastungen zum Lännaufkommen beitragen. Es läge daher nahe, die bereits vorhandenen Emittenten als Mitverursacher für die Lännvorbelastungen heranzuziehen. Die schutzmindernde Berücksichtigung von Vorbelastungen zu Lasten der Lännbetroffenen widerspricht daher dem reinen Verursacherprinzip.317
Im Ergebnis kann keiner der dargestellten Begründungsansätze eine Rechtfertigung für die schutzmindernde Wirkung tatsächlicher Vorbelastungen liefern. Es erscheint auch tatsächlich zweifelhaft, daß die Tatsache, daß jemand bereits unter Länn leidet, dazu führen soll, ihm noch mehr Länn zumuten zu können?18 Das Bestehen einer tatsächlichen Vorbelastung dürfte vielmehr den Schutz vor einer weiteren signifikanten Verschlechterung gerade nicht reduzieren. 319 Die tatsächliche Vorbelastung darf daher im Grundsatz nicht als Problem der Zumutbarkeit im Sinne von Schutzwürdigkeit angesehen werden, sondern als Problem der Kausalität. 32o Es geht dabei um die Frage, ob die neu hinzutretende Lännquelle eine Verschlechterung der Lännsituation verursacht (und hierdurch eventuell die Zumutbarkeitsschwelle überschritten wird) oder ob sie vielmehr in einem bereits vorhandenen Lännpegel aufgeht und sich daher gar nicht als Nachteil auswirkt. Auch geringfügige Erhöhungen des Lännpegels können dabei bis zu einer gewissen Schwelle irrelevant sein. 321 Da die Feststellung der Kausalität einen Vergleich der bisherigen Lännsituation mit der Situation, die mit dem Hinzutreten der neuen Lännbelastung bestehen würde, erfordert, setzt sie eine Zusammenrechnung vorhandener Lännbelastungen mit den hinzukommenden Geräuschimmissionen voraus. Sie stellt demnach im wesentlichen ein Problem der summativen Betrachtung von Lännbelastungen dar. 322 Für die "Fluglännschutzverordnung" muß daher entschieden werden, ob tatsächlich eine summative Betrachtungsweise der Lännimmissionslage vorzunehmen ist. Im Rahmen dieser summativen Betrachtungsweise könnten dann auch tatsächliche Vorbelastungen berücksichtigt werden. Eine Einschränkung der Schutzwürdigkeit durch tatsächliche Vorbelastungen ist hingegen grundsätzlich abzulehnen. Sie findet aber dennoch typisiert ihren Ausdruck in der Einteilung in gebietsspezifische Immissionsschutzniveaus, denn die erhöhte Schutzbedürftigkeit reiner Wohngebiete gegenüber allgemeinen Wohngebieten spiegelt gleichzeitig auch die typiOsterholzer, Rücksichtnahme, S. 124 ff. Kutscheidt, NVwZ 1989, S. 193 (199); Michler, Verkehrsimmissionsschutz, S. 77; wohl auch Samighausen, NJW 1994, S. 1375 (1377); Sieg, Schutzauflage, S. 109. 319 Kühling/Herrmann, Fachplanungsrecht, Rn. 433; Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 21 (1988), S. 236 (244 f.); Sieg, Schutzauflage, S. 109. 320 So bereits BayVGH, Urt. vom 27. 07. 1989 - DVBI. 1990, S. 114 (117); Bartunek, Drittschutz, S. 166; Kühling/Herrmann, Fachplanungsrecht, Rn. 433; Michler, Verkehrsimmissionsschutz, S. 77; a.A. Hermann, Fluglärm, S. 292. 321 Insoweit ist dann eine Wertung erforderlich, vgl. ausführlich Koch, in: FS für Feldhaus, S. 215 (221 ff.). 322 Daher soll dieses Problem auch im Rahmen der Summation behandelt werden. 317 318
B. Inhalte einer "Fluglännschutzverordnung"
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sierte Annahme einer geringeren Lärmvorbelastung in solchen Gebieten wider. 323 Weiterhin besteht die Möglichkeit des Verordnungsgebers, in Sonderfällen (beispielsweise im Außenbereich) eine Einzelfallprüfung vorzusehen, in der eventuell tatsächliche Vorbelastungen doch zu einer Minderung der Schutzwürdigkeit führen können. bb) Plangegebene Vorbelastung Der Gesichtspunkt der plangegebenen Vorbelastung beruht im Gegensatz zur tatsächlichen Vorbelastung ausschließlich auf einer rechtlichen Wertung. Ab einer bestimmten planerischen Verfestigung eines belastenden Vorhabens wird angenommen, daß der Betroffene mit bestimmten Nutzungen in seiner Umgebung aufgrund der planungsrechtlichen Situation rechnen muß und sich hierauf einstellt. Dadurch mindert sich dann die Schutzwürdigkeit des Grundstücks. Die Lage des betroffenen Grundstücks könnte demnach neben den tatsächlichen Vorbelastungen insbesondere auch durch erkennbar bevorstehende Veränderungen geprägt werden?24 Ob im Rahmen einer "fluglärmschutzverordnung" zusätzlich - wie durch die Rechtsprechung vorgegeben - eine plangegebene Vorbelastung zu berücksichtigen ist, erscheint zunächst zweifelhaft. Kritischer Ansatzpunkt ist bereits die Tatsache, daß fluglärm sich im Gegensatz zu Straßen- oder Schienenlärm nicht punktuell oder bandartig äußert, sondern vielmehr flächendeckend. Hieraus ergibt sich, daß jedenfalls in den unmittelbaren Nachbargemeinden eines flughafens kein "Ausweichraum" für die Entwicklung von Baugebieten zur Verfügung steht. Eine Erhöhung der Zumutbarkeitsgrenze durch Anrechnung einer plangegebenen Vorbelastung ist daher nur dann zulässig, wenn sich ein Baugebiet in Richtung flughafen entwickelt, obschon ausreichender Ausweichraum zur Verfügung steht. 325 Neben diesen praktischen Bedenken ist auch die dogmatischen Grundlage der planerischen Vorbelastung nicht eindeutig?26 Die Rückführung auf das Gebot der Rücksichtnahme oder die Situationsgebundenheit des Grundeigentums läßt sich auch für die plangegebene Vorbelastung aufgrund der Unbestimmtheit dieser Institute selbst ablehnen. Das Verursacherprinzip läßt sich ebenfalls mit dem Hinweis darauf ablehnen, daß es keine über die Festlegung der Kausalität hinausgehenden Wertung zu Lasten des Lärmbetroffenen enthält und somit eine schutzmindernde Berücksichtigung einer plangegebenen Vorbelastung nicht rechtfertigen kann. 327 Alexander, NVwZ 1991, S. 318 (320). Hojmann/Grabherr, LuftVG, § 9, Rn. 60. 325 Giemulla/Schmid, LuftVG, § 9, Rn. 5. 326 Ausführlich vgl. Osterholzer, Rücksichtnahme, S. 118 ff. 327 Im übrigen erscheint es bereits schwierig, bei der plangegebenen Vorbelastung von einer Kausalität zu sprechen, denn der Länn existiert bis dahin ja nur plangegeben. 323
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4. Teil: Gestaltungsprobleme einer "Fluglärmschutzverordnung"
Allerdings könnte im Rahmen der plangegebenen Vorbelastung der Prioritätsgrundsatz von Bedeutung sein, wonach später "herangeplante" Grundstücksnutzungen nur eine gemilderte Schutzwürdigkeit aufweisen. In diesem Fall könnte nämlich argumentiert werden, daß die plangegebene Planung vor der hinzukommenden Grundstücksnutzung bestanden hat, die daher für den Konflikt auslösenden Zustand verantwortlich ist. 328 Bestätigt werden könnte dies durch den Gedanken, daß derjenige keinen oder nur beschränkten Schutz gegen Fluglärm verdient, der sich ohne Not durch eigenes Verhalten Lärmimmissionen aussetzt. Dies ist Ausdruck des Verbotes des "venire contra factum proprium", das als allgemeiner Grundsatz der Rechtsordnung in § 242 BGB festgelegt ist: Wer aufgrund einer verfestigten Planung mit erhöhten Immissionen rechnen muß, kann nicht so stehen wie jemand, der hiermit nicht zu rechnen brauchte. 329 Die konsequente Anwendung der Wertung des Prioritätsgrundsatzes würde jedoch zu erheblichen SchutzeinbuBen im Umweltschutzrecht führen, da Schutzmaßnahmen in den meisten Fällen nachträglicher Art sind. Überdies unterliegt der Prioritätsgrundsatz gewissen Zweifeln bereits deshalb, weil er im Rahmen eines Lebenssachverhalts zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. 33o Er weist zudem weder eine gesicherte dogmatische Grundlage, noch praktikable Abgrenzungskriterien auf. Im Ergebnis läßt sich die schutzmindemde Berücksichtigung plangegebener Vorbelastungen daher ebensowenig rechtfertigen wie die tatsächlicher Vorbelastungen. Im Hinblick auf die "Fluglärmschutzverordnung" ist ohnehin festzuhalten, daß eine plangegebene Vorbelastung insoweit keine Rolle spielt, als daß im Bereich eines Bebauungsplans eine Flughafenplanung auf eine bereits verfestigte Planung trifft 33l und daher die für die jeweilige Gebietsart geltenden Grenzwerte anzuwenden sind. 332 Ob diese gebietsspezifischen Grenzwerte entsprechend auch für den Innenbereich nach § 34 Abs. 2 BauGB und den Außenbereich nach § 35 BauGB anzuwenden sind und inwieweit hier doch eine Einzelfallentscheidung zulässig sein kann, ist dem Verordnungs geber überlassen. 333 328 Osterholzer, Rücksichtnahme, S. 131; ablehnend Michler, Verkehrsimmissionsschutz, S.108. 329 Bartunek. Drittschutz. S. 168; Osterholzer, Rücksichtnahme, S. 150; ablehnend Michler, Verkehrsimmissionsschutz, S. 109. 330 Vgl. 4. Teil, B., 11., 3., d), aa). 331 Beispielsweise dann, wenn ein Bebauungsplan vorliegt. Ausführlich hierzu, vgl. Michler, Verkehrsimmissionsschutz, S. 117 f. 332 Michler, Verkehrsimmissionsschutz, S. 115; Schulze-Fielitz. UPR 1994, S. 1 (3). Eine Ausnahme stellt insoweit der Außen bereich dar. 333 Da es sich teilweise als sehr schwierig bzw. unmöglich darstellt, im Außenbereich entsprechende Gebietskategorien der BauNVO heranzuziehen, kann wohl in diesem Bereich auch auf die Art der jeweiligen Nutzung und auf die Umstände des Einzelfalls zurückzugreifen sein, vgl. Schulze-Fielitz. GK-BlmSchG, § 43, Rn. 78 f. (für die Verkehrslärmschutzverordnung).
B. Inhalte einer "Fluglärmschutzverordnung"
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e) Berücksichtigung der Summation mehrerer Lärmquellen
Im Rahmen des Lärmschutzes stellt sich das Problem, daß es in einem hochindustrialisiertem Land wie der Bundesrepublik stets eine Vielzahl von unterschiedlichen Geräuschquellen gibt, die gleichzeitig auf den Betroffenen einwirken. Ob allerdings diese Geräuscheinwirkungen auf den Einzelnen in der Gesamtmenge, also summativ berücksichtigt werden sollen, oder ob der Lärmschutz vielmehr segmentiert auf die einzelnen Geräuschquellen abzustellen hat, darüber herrscht keine Einigkeit. 334 Diese Frage spielt eine entscheidende Rolle für den Lärmschutz, denn es macht einen beachtlichen Unterschied für das Ausmaß der zulässigen Lärmbelastung, ob die Grenzwerte allein durch die neu hinzukommenen Lärmbelastungen überschritten werden oder bestehende Lärmvorbelastungen angerechnet werden. aa) Segmentierung der Lärmquellen im Lärmschutzrecht Zunächst soll ein Überblick gegeben werden, wie das Problem der Lärmsummation bisher im Luftverkehrsrecht und im Rahmen der Verkehrslärmschutzverordnung sowie der TA Lärm gehandhabt wird. Die Rechtsprechung zu § 9 Abs. 2 LuftVG vertritt hinsichtlich der Lärmvorbelastungen grundsätzlich eine subtraktive Betrachtungsweise, bei der nur die Differenz der Pegel von Belastung und (niedrigerer) Vorbelastung das Maß der schutzbedürftigen Verschlechterung der Lärmsituation bezeichnet. 335 Eine "Verantwortungsgemeinschaft der Emittenten" im Sinne einer summativen Berücksichtigung aller Lärmbelastungen an einem Immissionsort wird bisher von der Rechtssprechung abgelehnt. 336 Erste Schritte in Richtung einer summativen Betrachtungsweise können jedoch darin gesehen werden, daß in einem Beschluß zum Flughafen Halle-Leipzig ein lärmphysikalisches Gutachten erstellt wurde, in dem eine Prognose der Gesamtverkehrsbelastung erstellt worden ist. 337 334 Im Bereich der Verkehrsflughäfen stellt sich zusätzlich das Problem, daß im Rahmen des § 9 Abs. 2 LuftVG ausschließlich Fluglärm berücksichtigt wird, nicht jedoch Bodenlärm, der jedoch genauso wie Fluglärm von dem Flughafen ausgeht. Es wird daher gefordert, insbesondere für Flug- und Bodenlärm eine Gesamtlärmbetrachtung vorzunehmen, vgl. Mosdzianowski, ZfL 2002, S. 28 (28). 335 BVerwG, Vrt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (357) - ZLW 1991 , S. 428 (439); auch BVerwG, Vrt. vom 21. 05. 1976 - BVerwGE 51, S. 15 (32) - NJW 1976, 1760 (1763); BVerwG, Vrt. vom 14. 12. 1979 - BVerwGE 59, S. 253 (266). 336 BVerwG, Vrt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (358) - ZLW 1991, S. 428 (440); a.A. BayVGH, Vrt. vom 27. 07. 1989 - DVBl. 1990, S. 114 (117). In einem Beschluß zum Flughafen Halle-Leipzig ist nun ein lärmphysikalisches Gutachten erstellt worden, in dem eine Prognose der Gesamtverkehrsbelastung erstellt worden ist, vgl. BVerwG, Vrt. vom 17.06. 1998 - ZLW 1999, S. 244 (248). 337 BVerwG, Vrt. vom 17.06.1998 - ZLW 1999, S. 244 (247).
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4. Teil: Gestaltungsprobleme einer "Fluglärmschutzverordnung"
Auch das Recht der Verkehrslärmbekämpfung setzt isoliert bei den einzelnen Lärmarten und Lärmquellen und deren Emissionen an. 338 So betrachtet die Verkehrslärmschutzverordnung ausschließlich den von dem jeweiligen Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärm, nicht hingegen eventuell zusätzlich vorhandenen Flugoder Gewerbelärm. Im Rahmen der Verkehrslärmschutzverordnung wird sogar innerhalb ihres Anwendungsbereichs beim Neubau oder der wesentlichen baulichen Änderung von Verkehrswegen ausschließlich der neu verursachte Lärm berücksichtigt, ohne daß der Lärm bereits vorhandener Verkehrswege einbezogen wird. Die von Teilen der Literatur339 vorgeschlagene akzeptorbezogene Auslegung der Verkehrslärmschutzverordnung hat das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich mit der Begründung abgelehnt, daß § 41 BImSchG eine solche summative Betrachtungsweise zwar nicht ausschließe, aber auch nicht gebiete. 34o So spräche bereits der Wortlaut des § 41 Abs. 1 BImSchG gegen eine derartige Auslegung, denn die Norm legt fest, daß keine schädlichen Umwe1teinwirkungen "durch diese" (jeweiligen Vorhabenplanungen) hervorgerufen werden dürfen. Auch systematische Gründe stünden einer derartigen Auslegung insofern entgegen, als daß andere Geräuschquellen in den Berechnungsverfahren nach Anlage I der Verkehrslärmschutzverordnung nicht berücksichtigt werden müßten. Historisch gesehen fehle eine ausdrückliche Begründung des Verordnungsgebers zugunsten einer summativen Betrachtungsweise; dies spräche im Hinblick auf die weitreichenden Auswirkungen einer solchen Auslegung gegen eine Einbeziehung sämtlicher Lärmquellen. 341 Eine Ausnahme sei allerdings dann zu machen, wenn eine lärmbedingte Gesundheitsgefährdung drohe. In einem solchen Falle fordere Art. 2 Abs. 2 GG eine verfassungskonforme Auslegung im Sinne einer summativen Betrachtungsweise?42 Im Gegensatz dazu zeigt die neue TA Lärm 1998 summative Ansätze. Für die schutzwürdige Lärmbelastung ist grundsätzlich auf die Gesamtlärmbelastung am maßgeblichen Einwirkungsort abzustellen, Nr. 3.1. Allerdings beschränkt sich diese summative Bewertung auf die lärmverursachenden Anlagen, die ebenfalls 338 Im Gegensatz dazu weist die neue TA Lärm summative Ansätze auf. Allerdings gilt diese Summation (Gesamtbelastung) nur für solche Anlagen, die in den Anwendungsbereich der TA Lärm fallen, Nr. 2.4 TA Lärm 1998. Verkehrslärm und Sportanlagenlärm wird hingegen nicht berücksichtigt. Die Sonderfallprüfung nach Nr. 3.2.2 TA Lärm enthält keinen verbindlichen Beurteilungsmaßstab und wird - wie bisher - zu situationsbezogenen Gesamtbewertung führen, vgl. Schulze-Fielitz, DVBI. 1999, S. 65 (68 ff.). 339 Hansmann, NuR 1997, S. 53 (59); Koch, in: FS für Feldhaus, S. 215 (218); SchulzeFielitz, DÖV 2001, S. 181 (188). 340 BVerwG, Vrt. vom 21. 03. 1996 - BVerwGE 101, S. 1 (3 ff.). 341 BVerwG, Vrt. vom 21. 03. 1996 - BVerwGE 101, S. I (3 ff.). 342 BVerwG, Vrt. vom 21. 03. 1996 - BVerwGE 101, S. 1 (9 f.); kritisch hierzu Koch, in: FS für Feldhaus, S. 215 (226). Hieraus ergibt sich, daß vom vollzugspraktischen Standpunkt aus ohnehin eine summative Betrachtung der Lärmbelastungen erfolgen muß, da nur so die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung erkannt werden kann, vgl. Schulze-Fielitz, DÖV 2001, S. 181 (188).
B. Inhalte einer "Fluglärmschutzverordnung"
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der Beurteilung nach der TA Länn unterfallen. Da auf diese Weise auch im Rahmen der neuen TA Länn 1998 alle anderen - nicht dem Anwendungsbereich der TA Lärm unterfallenden - Lännquellen wie der Straßenverkehrslänn und auch der Fluglänn von der summativen Betrachtung ausgeschlossen sind, entsprechen auch die neuen Regelungen nur sehr eingeschränkt einer angemessenen summativen Betrachtungsweise. 343 Im Ergebnis ist festzuhalten, daß das dargestellte Lännschutzrecht weitgehend von einer Segmentierung der Schallquellen, nicht jedoch von einer summativen Betrachtungsweise geprägt wird. bb) Grundsatz der Berücksichtigung von Lännsummationen Es stellt sich die Frage, ob im Rahmen der Grenzwerte der "Fluglännschutzverordnung" eine summative Betrachtungsweise hinsichtlich der Lännbelastungen geboten ist. Für den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen in § 3 Abs. 1 BImSchG gilt, daß dieser nach wohl herrschender Ansicht nicht quellen-, sondern aktzeptorbezogen auszulegen ist. 344 Diese summative Betrachtungsweise läßt sich aus den Gesetzesmaterialien zu § 3 Abs. 1 BImSchG entnehmen, in denen ausdrücklich formuliert wird, daß für das Vorliegen schädlicher Umwelteinwirkungen "auch Umwelteinwirkungen zu berücksichtigen (sind), die nicht von der Anlage selbst hervorgerufen werden. ,,345 Für eine summative Betrachtungsweise spricht jedoch vor allem der Sinn und Zweck des Immissionsschutzrechts: Das deutsche Immissionsschutzrecht hat seinem Grundgedanken nach das Ziel, Schutz vor Immissionen als schädlichen Umwelteinwirkungen zu gewährleisten. 346 Dieser Schutzauftrag kann nur dann umfassend erfüllt werden, wenn die Gesamtbelastung, der die Schutzgüter ausgesetzt sind, erfaßt wird. Die Schädlichkeit von Länneinwirkungen hängt gerade von der Summe der einwirkenden Geräusche ab?47 Werden nur die Emissionen des jeweiligen Planungs vorhabens berücksichtigt, können daher weitreichende Schutzdefizite auftreten. Zugunsten eines umfassenden Lännimmissionsschutzes muß daher eine summative (akzeptorbezogene) Betrachtungsweise hinsichtlich der Beurteilung der Geräuschimmissionen vorgenommen werden.348 Der summative Ansatz muß aufgrund seiner "grundsätzliche(n) konzeptionelle(n) Bedeutung für das ganze Gesetz" auch im Rahmen des § 41 Abs. 1 BImSchG gelten. 349 Dolde, ZtL 2001, S. 100 (101). BVerwG, Urt. vom 2l.03. 1996 - BVerwGE 101, S. 1 (7); Dolde, ZtL 2001, S. 100 (100); Koch, in: FS für Feldhaus, 215 (218 f.) für § 3 Abs. 1 BImSehG. 345 BT-Drs. 7/1513, S. 3. 346 BayVGH, Urt. vom 27. 07. 1989 - DVBI. 1990, S. 114 (117). 347 Koch, NVwZ 2000, S. 490 (493); Koch, in: FS für Feldhaus, S. 215 (219). 348 Hansmann, NuR 1997, S. 53 (59); Koch, in: FS für Feldhaus, S. 215 (218). 349 Koch, in: FS für Feldhaus, S. 215 (226); Schulze-Fielitz, DÖV 2001, S. 181 (188). 343 344
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4. Teil: Gestaltungsprobleme einer "F1uglärrnschutzverordnung"
Aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung des § 9 Abs. 2 LuftVG mit § 3 Abs. 1 BImSchG können die obigen Ausführungen weitgehend übertragen werden. Sinn und Zweck des § 9 Abs. 2 LuftVG ist es, vor erheblichen Nachteilen (und Belästigungen) und Gefahren durch Lärmeinwirkungen zu schützen. Da die Schädlichkeit von Lärm stets von der Summe der einwirkenden Geräusche abhängt, muß auch im Rahmen des § 9 Abs. 2 LuftVG zugunsten eines umfassenden Lärmschutzes für die Schädlichkeit der Lärmeinwirkungen auf die Gesamtlärmbelastung abgestellt werden. 35o cc) Probleme der Lärmsummation im Rahmen der "Fluglärmschutzverordnung" Grundsätzlich erscheint eine summative Betrachtungsweise der Lärmbelastungen im Rahmen des § 9 Abs. 2 LuftVG zugunsten eines umfassenen Lärmschutzes geboten. Allerdings stellen sich erhebliche rechtliche und fachliche Probleme. Gegen eine summative Betrachtungsweise könnte eingewandt werden, daß § 9 Abs. 2 LuftVG Ausdruck des Verursacherprinzips ist, nach dem der Vorhabenträger nur zu Maßnahmen verpflichtet werden darf, die durch das planfestzustellende Vorhaben notwendig werden?51 Es erscheint daher unbillig, dem Vorhabenträger die gesamte bestehende Lärmbelastung aufzubürden, obwohl diese zu einem großen Teil aus bereits bestehenden Lärmvorbelastungen besteht. 352 Das Verursacherprinzip steht demnach insofern einer summativen Betrachtungsweise entgegen. Auf der anderen Seite ist gerade der hinzukommender Lärmbeitrag des Vorhabenträgers für das Überschreiten der Zumutbarkeitsgrenze kausal. Daher könnte es für § 9 Abs. 2 LuftVG ausreichen, wenn der hinzutretende Lärmbeitrag im Hinblick auf die Gesamtlärmbelastung zumindest mitursächlich ist. 353 Ein solches Verständnis des § 9 Abs. 2 LuftVG könnte insofern gerechtfertigt werden, als daß die Norm nicht dem Schutz des Verursachers, sondern dem Schutz der Nachbarn vor schädlichen Immissionen dienen soll?54 Auch könnte sich eine solche Wertung aus dem Prioritätsprinzip ergeben, nach dem der Konflikt im Zweifel zu Lasten desjenigen gehen soll, der für den in der zeitlichen Reihenfolge hinzutretenden, 350 BayVGH, Urt. vom 27. 07. 1989 - DVBI. 1990, S. 114 (117), weist richtig darauf hin, daß eine Ausnahme dann gemacht werden muß, wenn die Vorbelastung durch eine Lärrnquelle so stark überwiegt, daß ihre Hinzurechnung die anderen Lärrnquellen "ungebührlich und ohne Bezug auf die tatsächlichen Störungen benachteiligen würde." 351 BVerwG, Urt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (358) - ZLW 1991, S. 428
(440).
352 Bartunek, Drittschutz, S. 167 f.; HofmannlGrabherr, LuftVG, § 9 Rn. 58, der vom Grundsatz der subtraktiven Betrachtung ausgeht; a.A. aber wohl Michler, Verkehrsimmissionsschutz, S. 81 f. 353 Koch, in: FS für Feldhaus, S. 215 (220). 354 Michler, Verkehrsimmissionsschutz, S. 82.
B. Inhalte einer "Fluglärmschutzverordnung"
207
den Konflikt auslösenden Zustand verantwortlich ist. 355 Dabei könnte eine Einschränkung der strengen Kausalitätsregel zugunsten des Verursachers insofern getroffen werden, als daß sehr geringe Überschreitungen als im Rechtssinne nicht kausal für die schädlichen Umwelteinwirkungen angesehen werden könnten?56 Durch eine derartige Regelung entsteht allerdings die Gefahr einer schrittweisen Erhöhung der Gesamtimmissionsbelastung. 357 Aus den gegenüberstehenden Positionen wird deutlich, daß eine eindeutige gesetzliche Regelung getroffen werden muß, ob die Vorbelastung nur dem zuletzt hinzutretendem oder allen Emittenten anzulasten ist. Am gerechtesten erschiene es, die vorhandene Lännbelastung nach Lärmbeiträgen den jeweiligen Verursachern anzulasten. 358 Eine solche Behandlung steht allerdings vor weiteren rechtlichen Problemen, denn sie erfordert ein entsprechendes Instrumentarium zur (auch nachträglich anzuordnenden) Begrenzung der Schallimmissionen bereits bestehender Lännverursacher. Derartige Regelungen fehlen allerdings im Bereich des Straßen- und Schienenverkehrsimmissionsschutzrechts und auch im Bereich des Luftverkehrs. Sie stellen sich überdies im Hinblick auf den Bestandsschutz bereits bestehender Anlagen als problematisch dar?59 Um eine derartige Aufteilung des Lännschutzes nach Lännverursachung tatsächlich vornehmen zu können, müssen daher einheitliche Regelungen für das gesamte Immissionsschutzrecht getroffen werden. Neben diesen rechtlichen Problemen einer summativen Betrachtungsweise, bestehen weiterhin erhebliche fachliche Probleme im Hinblick auf die Summation verschiedener Lännquellen. Diese liegen zum einen darin begründet, daß die genaue Dosis-Wirkungs-Beziehung bei dem Zusammenkommen mehrerer Lännquellen noch nicht abschließend geklärt ist. 36o Zum anderen besteht ein wesentliches Problem darin, daß für die verschiedenen immissionsschutzrechtlichen Bereiche sehr unterschiedliche Meß- und Beurteilungsverfahren gelten, so daß die jeweiligen Immissions- oder Beurteilungswerte nicht ohne weiteres miteinander verglichen oder "aufaddiert" werden können?61 Bisher hat die Lännwirkungsforschung noch keine einheitlichen Maßstäbe entwickelt, die eine Summierung der verschiedenen Lärmarten handhabbar machen würden?62 Die Schwierigkeit bei 355 Osterholzer, Rücksichtnahme, S. 131, hier aber wohl in Bezug auf das Verhältnis von Betroffenen und Emittent. 356 Vgl. ausführlich Koch, in: FS für Feldhaus, S. 215 (221 ff.). 357 Schulze-Fielitz, DVBI. 1999, S. 65 (71). 358 Dolde, ZfL 2001, S. 100 (109). 359 Dolde, ZfL 2001, S. 100 (109 f.). 360 Dolde, ZfL 2001, S. 100 (106). 361 Zu den Unterschieden der Meß- und Beurteilungsverfahren ausführlich, vgl. Dolde, ZfL 2001, S. 100 (103 ff.) 362 Dolde, ZfL 2001, S. 100 (106); a.A. Müller, TA Lärm, S. 183 ff. Fraglich ist allerdings, ob die hier für die TA Lärm vorgeschlagene durchzuführende Sonderprüfung im Hinblick auf fachliche und verfahrensökonomische Probleme Abhilfe schafft. Insbesondere besteht die
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4. Teil: Gestaltungsprobleme einer "Fluglännschutzverordnung"
der Berücksichtigung ungleichartiger Lännquellen liegt vor allem darin, daß die physikalischen Eigenschaften der Geräusche und ihre soziale Bewertung sehr unterschiedlich sein können. 363 Dies stellt ein großes Hindernis für den summativen Lännschutz dar. 364 Im Ergebnis ist daher festzuhalten, daß eine summative Betrachtungsweise zugunsten der Gewährleistung eines umfassenden Schutzes der Betroffenen vor Länn wünschenswert ist und für die Zukunft angestrebt werden muß. Praktisch und rechtlich gesehen bestehen momentan allerdings noch erhebliche Defizite im Hinblick auf die Zusammenrechnung verschiedener Lännquellen. Hinzu kommen die erheblichen finanziellen Zusatzbelastungen, die sich durch eine Erhöhung des Lännschutzniveaus ergeben würden. Angesichts der dargestellten rechtlichen und fachlichen Probleme läßt sich daher im Rahmen der "Fluglännschutzverordnung" eine summative Betrachtungsweise (noch) nicht festschreiben. Als Kompromißlösung käme eine summative Betrachtungsweise hinsichtlich gleichartiger Lännquellen in Betracht. 365 Im Bereich des Fluglänns kommt dies nur bei einer Erweiterung eines bestehenden Flughafens in Betracht, da Flughäfen niemals so dicht aneinander liegen. In diesem Fall wäre dann die summative Berücksichtigung der bereits vorhandenen Fluglännbelastung geboten. Diese Lösung wäre - zumindest im Bereich des Luftverkehrs - auch unproblematisch mit dem Verursacherprinzip vereinbar, denn sämtliche Lännbelastungen gehen auf einen einzigen Verursacher zurück. Zusätzlich könnte die Möglichkeit einer Summations-Sonderfallprüfung im Einzelfall geschaffen werden, wenn hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen von schädlichen Umwelteinwirkungen im Einzelfall zu erkenen sind?66 Allerdings wirkt eine derartige Sonderfallprüfung der Rechts- und Investitionssicherheit entgegen. Weiterhin hat sie einen hohen Kosten- und Zeitaufwand zur Folge. 367 Insbesondere ist kritisch zu berücksichtigen, daß auch im Rahmen dieser SonderfallprüGefahr einer rechtlich nicht faßbaren Gesamtwürdigung, die im Hinblick auf die Rechtssicherheit eher kritisch zu beurteilen ist, vgl. Dolde, ZfL 2001, S. 100 (101). 363 So wird Straßenverkehr im Vergleich zum Luftverkehr als unvermeidlich und ubiquitär empfunden. Auch weist der Straßenverkehr geringere Lännpegel als der Luftverkehr auf und kann durch gewöhnlich Fenster bereits vollständig gedämpft werden, vgl. BayVGH, Vrt. vom 27.07. 1989 - DVBI. 1990, S. 114 (118). Gegen eine summative Betrachtungsweise aus diesem Grunde, vgl. Michler, Verkehrsimmissionsschutz, S. 78 ff. 364 Schulze-Fielitz, DVBI. 1999, S. 65 (69); so hat auch der BayVGH in einer Entscheidung zwischen gleichartigen und ungleichartigen Lännquellen unterschieden. Während gleichartige Lännquellen, die zu gleichen Reaktionen führen, grundsätzlich additiv zu betrachten sind (somit also auch Vorbelastungen zu berücksichtigen sind), werden ungleichartige Lännquellen nicht als Vorbelastungen eingerechnet, vgl. Bay VGH, Vrt. vom 27.07. 1989 - BayVBI. 1990, S. 82 (84). 365 BayVGH, Vrt. vom 27. 07. 1989 - DVBI. 1990, S. 114 (117). 366 Dolde, ZfL 2001, S. 100 (108 f.); Koch, in: FS für Feldhaus, S. 231 f.; Müller, TA Länn, S. 183 ff. 367 Empfehlungen der Ausschüsse vom 08.06.1998, BRt-Drs. 254/1/98, S. 11.
B. Inhalte einer "Fluglännschutzverordnung"
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fung die dargelegten fachlichen Probleme der Lännzusammenrechnung fortbestehen. Dies läßt eine rechtlich nicht faßbare abwägende Gesamtwürdigung der verschiedenen Lännbelastungen befürchten. 368
III. Festlegung des Berechnungsverfahrens Im Rahmen einer "Fluglärmschutzverordnung" muß insbesondere auch das Meß- und Berechnungsverfahren für die Ermittlung der Immissionsgrenzwerte festgelegt werden. Hierzu ist vorab festzuhalten, daß Regelungen des Berechnungsverfahrens von enormer Bedeutung für das Ausmaß des Lännschutzes sind?69 Der Jurist stößt allerdings in diesem technisch-wissenschaftlichen Bereich an seine Grenzen. Die Kürze der folgenden vereinfachenden Darstellung entspricht daher keineswegs der faktischen Wichtigkeit des Berechnungsverfahrens für den Lännschutz. Immissionsgrenzwerte erlangen grundsätzlich ihre Aussagekraft ausschließlich im Zusammenspiel mit dem Meß- und Berechnungsverfahren, in dem sie ermittelt worden sind?70 Aus jeder Änderung der Beurteilungsgrundlagen folgt auch eine Änderung der Länngrenzwerte. Hieraus wird deutlich, daß bereits die Festlegung eines Meßverfahrens eine weitgehende Wertung beinhaltet. 371 Fehlte den Länngrenzwerten also ihre Bezugsgrundlage, so wären sie aufgrund der vielfältigen Ergebnismöglichkeiten zu unbestimmt und könnten ein einheitliches Lännschutzniveau nicht gewährleisten?72 Voraussetzung für die Normierung eines Meßverfahrens ist grundsätzlich lediglich, daß die anzuwendende Methode wissenschaftlich vertretbar ist. 373 Bisher erfolgte die Ermittlung und Berechnung des Fluglänns zumeist auf der Grundlage der zum FluglSchG erlassenen "Anleitung zur Berechnung" des Fluglänns AzB 374 - oder auf Grundlage der DIN 45643 "Messung und Beurteilung von Flugzeuggeräuschen,,375. 368 So vorgeschlagen von Feldhaus, in: Koch, Aktuelle Probleme, S. 181 (185 f.); kritisch Schulze-Fielitz, in: Koch, Aktuelle Probleme, S. 191 (201). 369 So wird beispielsweise der sogenannte Schienenbonus ausschließlich durch das Berechnungsverfahren der Verkehrslännschutzverordnung gewährt, vgl. § 3 i.V.m. Anlage 2. 370 Hansrrumn, in: FS für Sendler, S. 285 (292). 371 Kutscheidt, in: Vor-Berichte, S. 43 (47). 372 "ysk, ZLW 1998, S. 456 (480); BVerwG, Urt. vom 21. 03. 1996 - BVerwGE 101, S. 1 (4); BVerwG, Urt. vom 20.10. 1989 - BVerwGE 84, S. 31 (32); Berkemann, in: Koch, Schutz vor Lärm, S. 73 (84). 373 BVerwG, Urt. vom 07.07. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (127) (in NJW 1979, S. 64 ff.) insoweit nicht abgedruckt; HofmannlGrabherr, LuftVG, § 6, Rn. 52. 374 VGH Baden-Wüntemberg, Urt. vom 19.06. 1989-DVBI. 1990, S. 108 (112). 375 VGH Baden-Wüntemberg, Urt. vom 19. 06. 1989 - DVBI. 1990, S. 108 (112); Quaas, NVwZ 1991, S. 16 (17).
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4. Teil: Gestaltungsprobleme einer ..Fluglärmschutzverordnung"
Die AzB ist auf Grundlage der Ennächtigung des § 3 FluglännG als Verwaltungsvorschrift durch den BMI erlassen worden, die für die Berechnung des für das FluglSchG relevanten Dauerschallpegels herangezogen werden kann. Der äquivalente Dauerschallpegel ergibt sich danach aus den Spitzenpegeln sowie der Dauer und Häufigkeit der Einzelschallpegel in den sechs verkehrsreichsten Monaten des Jahres. Dem Mittelungsverfahren liegt ein Halbierungsparameter von q = 4 zugrunde. Der Halbierungsparameter gibt die Pegelerhöhung in dB(A) an, die zu dem gleichen Mittelungspegel führt, wenn die Geräuschdauer halbiert wird. 376 Auch gegen die Anwendung der DIN 45643 "Messung und Beurteilung von Flugzeuggeräuschen" bestehen keine Bedenken?77 Die DIN 45643 stellt ein privates Regelwerk dar. In Teil 1 werden für Flugzeuggeräusche Einzelereignispegel, Dauerschallpegel sowie Beurteilungspegel nach DIN 45645 definiert. Teil 3 enthält Bewertungskriterien für die so ennittelte Fluggeräusche. Der sich insoweit ergebende Beurteilungspegel ist ein äquivalenter Dauerschallpegel auf der Basis eines Halbierungsparameters von q=3 378 . Die Halbierung der Einwirkungszeit führt demnach zu einer geringeren Pegelabnahme, was die Betroffenen begünstigt. Zusätzlich können Zuschläge für besondere Lännsituationen erteilt werden. So wird das erhöhte Lännschutzbedürfnis auch in der Zeit von 6 bis 7 Uhr morgens und 19 bis 22 Uhr abends bei der Berechnung des Tagesbeurteilungspegels durch einen Zuschlag von 6 dB (A) berücksichtigt. Für die Bewertung des Nachtlänns wird nicht die gesamte Beurteilungszeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr zugrunde gelegt, sondern die jeweils lauteste Stunde in diesem Zeitraum. Im Vergleich zu den nach der AzB ennittelten Fluglännpegeln liegen die Werte nach der DIN 45643 um rund 2 bis 3 dB(A) höher?79 Die Berechnung nach der DIN 45643 führt demnach durch ihre höheren Lännpegel zu einem weitgehenderen Lännschutz der Betroffenen. Welche Regelungen für das Berechnungsverfahren im Zusammenhang mit der "Fluglännschutzverordnung" zu treffen sind, soll hier nicht in aller Ausführlichkeit dargestellt werden. Von besonderer Bedeutung erscheint es jedoch, daß in dem Berechnungsverfahren eine Angleichung des Halbierungsparameters auf q=3 vorgenommen werden muß, um eine bessere Vergleichbarkeit mit Lännimmissionen aus anderen Geräuschquellen zu ennöglichen, die insbesondere im Rahmen einer eventuellen Vorbelastung oder Lännsummation von Bedeutung sein kann.38o
Neumann/Schreiber, ZfL 38 (1992), S. 145 (145). VGH Baden-Wüntemberg, Urt. vom 19.06. 1989 - DVBI. 1990, S. 108 (112); Quaas, NVwZ 1991, S. 16 (17). 378 Dieser wird üblicherweise im Immissionsschutzrecht verwendet. Bei einem Geräusch mit konstantem Pegel führt eine Halbierung der Geräuschdauer zu einer Abnahme des Mittelungspegels um 3 dB(A), vgl. Hermann, Fluglärm, S. 33. 379 Schmidt, Rechtsfragen, S. 177. 380 Umweltgutachten 1987, Tz. 1406; Michler, Verkehrsimmissionsschutzrecht, S. 65. 376
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B. Inhalte einer "Fluglärrnschutzverordnung"
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Weiterhin von Wichtigkeit ist die Frage nach der Einführung nach der sogenannten ,,100 zu 100 Regelung,,?81 Danach ist der Berechnung jeweils eine hunderprozentige Bahnauslastung je Betriebsrichtung zugrunde zu legen, nicht jedoch die statistische Verteilung der Anflüge aus der jeweiligen Start- und Landerichtung. Auf diese Weise können selten auftretende Situationen wie langanhaltende ungewöhnliche Witterungsbedingungen oder Sperrungen einer Start- oder Landebahn angemessen berücksichtigt werden. 382 Allerdings könnte der Fluglänn durch die 100%-Regelung im Vergleich zur tatsächlichen Situation in hohem Maße überbewertet werden, so daß eine derartige Regelung eher abzulehnen ist. 383 Als letzter wichtiger Punkt, soll die Frage der Einführung eines "Fluglännmalus" behandelt werden. Die Zumutbarkeit von Lännwirkungen hängt nämlich insbesondere auch von der Art der Lännquelle ab. So sollen beispielsweise Verkehrsgeräusche, Musikgeräusche oder Kinderspielplatzgeräusche als weniger störend empfunden werden und somit eher zumutbar sein als andere Geräusche. 384 Für den Schienenverkehrslänn hat die Lännwirkungsforschung herausgefunden, daß dieser in der Regel eine geringere Störwirkung aufweist als Straßenverkehrslänn. Dieser Differenzierung wird in der Verkehrslännschutzverordnung durch einen speziellen "Schienenbonus" in Höhe von 5 dB (A) Rechnung getragen?85 Fluglänn wird charakterisiert durch seine hohe Pegelhaltigkeit und Geräuschspitzen. Daher wird von der Lännwirkungsforschung in Bezug auf Fluglänn häufig angenommen, daß dieser als besonders belästigend zu gelten habe. 386 Man könnte daher bei der Berechnung und Bewertung des Fluglärms an einen Aufschlag im Sinne eines "Fluglärmmalus" denken.
IV. Zwischenergebnis Eine "Fluglännschutzverordnung" muß ihren Anwendungsbereich, die Länngrenzwerte selbst sowie das zugehörige Berechnungsverfahren enthalten. Im Mittelpunkt steht dabei die Bestimmung der Länngrenzwerte. Diese müssen so differenziert ausgestaltet werden, daß sie eine weitgehende Erfassung des Lännphänomens ermöglichen. Gleichzeitig sind gewisse Typisierungen und Generalisierungen allerdings unumgänglich, wenn eine allgemeingültige Anwendbarkeit gewährleistet werden soll. Die Festlegung der Länngrenzwerte stellt dabei in ihrem Kern eine naturwissenschaftliche Frage dar. Die Auswahl der Differenzierungskritien und ihre Ausgestal381 382 383 384 385 386
14*
BeckertlWendland, ZfL 2001, S. 132 (133). BeckertlWendland, ZfL 2001, S. 132 (133). So wohl auch Schmidt, Rechtsfragen, S. 179. Vgl. hierzu ausführlich Herr; Verkehrsimmissionsschutz, S. 83 ff. Vgl. § 3 i.Y.m. Anlage 2 Verkehrslärrnschutzverordnung. Vgl. Erster Teil, B., H., 2.
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4. Teil: Gestaltungsprobleme einer "Fluglärmschutzverordnung"
tung sowie insbesondere die Entscheidung über die Höhe der Grenzwerte machen jedoch eine Vielzahl von Wertungsentscheidungen notwendig. Im Ergebnis stellen Lärmgrenzwerte daher stets einen Kompromiß der widerstreitenden ökologischen, ökonomischen und politischen Interessen dar. Bei der Schaffung der Lärmgrenzwerte sind im Hinblick auf die zu schützenden Rechtsgüter die einfachrechtlichen Anforderungen des § 9 Abs. 2 LuftVG maßgeblich. Um ein angemessenes Wohnen und Arbeiten gewährleisten zu können, ist die Einbeziehung des Schutzes vor erheblichen Belästigungen in den Schutzbereich des § 9 Abs. 2 LuftVG erforderlich. Auswirkungen hat dies insbesondere auf den Nachtlärmschutz, der dann bereits bei einfachen Nachtschlafstörungen unterhalb der Aufweckschwelle einsetzt. Ausgangspunkt für die Lärmgrenzwerte ist die Orientierung an der Nutzbarkeit des betroffenen Grundstücks. Da als Maßstab für die Nutzbarkeit wiederum die Lärmwirkungen auf die Betroffenen heranzuziehen sind, wird der Gesundheitsschutz durch die Grundstücksbezogenheit nicht relativiert, sondern lediglich "mediatisiert". Ausgehend von der Nutzbarkeit des lärmbetroffenen Grundstücks sind im Rahmen der Grenzwertsetzung weitere Differenzierungskritierien anzulegen, wie die Unterscheidung zwischen Gebietsart, Tageszeit sowie Außen- und Innenwohnbereich. Neben den Dauerschallpegeln sind zusätzlich Maximalpegel heranzuziehen. Eventuelle Lärmvorbelastungen finden nur typisiert ihren Ausdruck in den unterschiedlichen Immissionsschutzniveaus der Gebietsarten. Im Hinblick auf die Frage einer summativen Lärmbetrachtung muß gelten, daß diese zwar grundsätzlich zugunsten eines effektiven Lärmschutzes geboten ist. Die Zusammenrechnung von Lärmbelastungen verursacht allerdings (noch) erhebliche fachliche und rechtliche Probleme. Im Rahmen der "Fluglärmschutzverordnung" ist daher die summative Lärmbetrachtung auf bereits vorhandenen (gleichartigen) Fluglärm zu beschränken. Neben diesen Gestaltungsvorschlägen bleibt die Entscheidung über die konkrete Höhe der Lärmgrenzwerte als politisch und wirtschaftlich stark umstrittene Frage dem Gesetzgeber überlassen.
c. Verhältnis von luftverkehrsrechtIicher Planung zum FluglSchG
Schlüsselpunkt in der Klärung des Verhältnisses zwischen der luftverkehrsrechtlichen Planung und dem FluglSchG ist die Tatsache, daß das LuftVG im Hinblick auf den Lärmschutz in der Planung des Verkehrsflughafens ansetzt, während das FluglSchG erst nachträglich eingreift und auf die bereits bestehende Planung abstellt. Je wirksamer also Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes in der Flughafenplanung geregelt und vollzogen werden, desto niedriger ist die Lärmbelastung in der Umgebung der Flughäfen und desto begrenztere Schutzzonen nach dem FluglSchG lassen sich festlegen.
C. Verhältnis von luftverkehrsrechtlicher Planung zum FluglSchG
213
Voraussetzung für die Festlegung der Lärmschutzzonen ist allerdings, daß überhaupt die nach dem FluglSchG notwendigen Außenlännpegel überschritten werden. Dies könnte in Frage gestellt werden, da bereits im Rahmen der Planfeststellung gewisse Länngrenzwerte nicht überschritten werden dürfen, so daß höhere Lännpegel bereits planungsbedingt nicht mehr auftreten dürfen. Der entscheidende Gesichtspunkt zur Auflösung dieses Widerspruchs ist die Tatsache, daß im Rahmen der Planung weitgehend Innenraumpegel maßgeblich sind. Ihre Einhaltung kann auch durch passiven Lännschutz gewährleistet werden, obwohl im Außenbereich noch höhere Lännpegel herrschen. Selbst wenn ausnahmsweise auch der Außenwohnbereich durch Lärmgrenzwerte geschützt wird, so werden hier oftmals Entschädigungen gewährt, da eine Einhaltung der Länngrenzwerte durch aktiven Lännschutz fast nicht möglich ist. Daher gilt, daß trotz der Einhaltung von Länngrenzwerten im Rahmen der Planung noch sehr hohe Außenlännpegel auftreten können. Diese dienen der Festlegung der Lännschutzbereiche nach dem FluglSchG. Das luftverkehrsrechtliche Planungsrecht und das FluglSchG finden dementsprechend nebeneinander bzw. hintereinander Anwendung. Anzumerken bleibt nur noch, daß der Name des Fluglännschutzgesetzes ironisch erscheint: Gerade in den Lännschutzbereichen liegt nämlich eine besonders hohe Lännbelastung vor, gegen die nicht geschützt, sondern die vielmehr nur entschädigt wird.
Fünfter Teil
Rechtsfolgen bei Überschreiten der Zumutbarkeitsschwelle Auch für den planerischen Schutz vor Fluglärm läßt sich - ähnlich wie für den straßenrechtlichen Lärmschutz - ein mehrstufiges Lärmschutzkonzept aufstellen. I Auf der ersten Stufe müssen (nach § 50 BImSchG) schädliche Umwelteinwirkungen soweit wie möglich vermieden werden. 2 Dies gilt auch für solche nachteiligen Immissionen, die unterhalb der auflagenrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle liegen. Können unzumutbare Lärmbelästigungen nicht vermieden werden, so können bzw. müssen 3 aktive oder passive Schallschutzmaßnahmen angeordnet werden, die sie beseitigen oder maßgeblich reduzieren. Ist ein derartiger aktiver oder passiver Schallschutz aus bestimmten Gründen nicht möglich, so kommt bei Eigentumsbeeinträchtigungen und gesundheitlichen Belästigungen eine Entschädigung in Betracht. Können aber die unzumutbaren Beeinträchtigungen durch Lärm nicht ausgeglichen werden, so ist die Planung vollständig zu versagen. 4
A. Stufen des Lärmschutzes Wird die Zumutbarkeitsschwelle des § 9 Abs. 2 LuftVG durch Fluglärm überschritten, so ist zunächst zu versuchen, den Belang des Lärmschutzes im Rahmen der Abwägung auf Grundlage des § 8 Abs. 1 LuftVG soweit als möglich zu bewältigen. Erst wenn dies nicht möglich ist, sind Schutzvorkehrungen aktiver oder passiver Art auf Grundlage des § 9 Abs. 2 LuftVG anzuordnen. Sind Schutzanlagen I Hermann, Fluglänn, S. 325. Das Konzept der Lännminderungsplanung gern. § 47a BImSchG hat in der Praxis keine große Bedeutung gewonnen. Allerdings existiert ein neuer Richtlinienvorschlag, der spezielle Aktionspläne zur Fluglärminderung in der Umgebung von Großflughäfen vorsieht (Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslänn, ABlEG C E/2oo0/337 / 251 (COM (2000) 468». 2 Dreier, Abwägung, S. 107; Kuschnerus, in: Koch, Schutz vor Länn, S. 93 (94). 3 Dies ist der Fall des § 9 Abs. 2 LuftVG - hier hat die Behörde keine planerische Gestaltungsfreiheit hinsichtlich des "ob" mehr, sondern lediglich hinsichtlich des "wie". 4 Koch, NVwZ 2000, S. 490 (495); Michler, VerwArchiv 90 (1999), S. 21 (21); Sieg, Schutzauflage, S. 145; Silagi, UPR 1997, S. 272 (272); Uechtritz, DVBI. 1999, S. 198 (199 f.).
A. Stufen des Lännschutzes
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untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar, so hat der Betroffene Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld, § 74 Abs. 2 S. 3 VwVfG. Dieser Entschädigungsanspruch tritt als Surrogat an die Stelle des Anspruchs auf Schutzvorkehrungen. 5 Allerdings darf er nur als "ultima ratio" gewährt werden, denn er gewährleistet die Realisierbarkeit des Vorhabens trotz der nachteiligen unzumutbaren Einwirkungen auf Rechte Dritter. Im Bereich des Fluglärms wird ein derartiger Entschädigungsanspruch oftmals für schwer zu verhindernde Beeinträchtigungen der Außenbereiche gewährt. 6 Wenn allerdings die mit dem Vorhaben einhergehenden nachteiligen Wirkungen weder durch Schutzauflagen unter die Zumutbarkeitsschwelle "gedrückt" werden können noch durch die Gewährung eines Geldersatzes auf der Grundlage des § 74 Abs. 2 S. 3 VwVfG ausgeglichen werden können, so ist das Vorhaben zu versagen.
I. Aktiver und passiver Lärmschutz Die Lärmbekämpfung kann durch aktiven oder passiven Lärmschutz erfolgen. Während der aktive Lärmschutz auf eine Lärrnreduktion an der Emissionsquelle zielt, setzen passive Lärmschutzmaßnahmen am Einwirkungsort an. Für den Bereich des Straßenverkehrslärms dürfte das Schwergewicht auf baulichen Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes wie Lärmschutzwälle oder Vertunnelungen/Tieflagen liegen. Derartige Maßnahmen scheiden aufgrund der Besonderheit, daß sich Fluglärm flächendeckend von oben ausbreitet, für den Bereich des Fluglärms hingegen weitgehend aus.? Aktiver Schallschutz gegenüber Fluglärm kommt vielmehr hauptsächlich in Form von flugbetrieblichen Beschränkungen in Betracht. 8 Da derartige Betriebsbeschränkungen tief in die Funktionstüchtigkeit und Wirtschaftlichkeit von Flughäfen eingreifen und insbesondere dem Widmungszweck eines internationalen Großflughafens widersprechen, dürfte der Schwerpunkt der Lärmschutzvorkehrungen gegen Fluglärm bisher im Bereich des passiven Lärmschutzes gelegen haben. Passiver Lärmschutz gegen Fluglärm wird in gleicher Weise gewährt wie gegen Straßenverkehrs- und Schienenlärm. Im wesentlichen zählen hierzu Schallschutzmaßnahmen am Grundstück des Betroffenen wie Lärmschutzfenster oder Dachisolierungen. Aufgrund der stark angestiegenen Belastungen durch Fluglärm, müßte jedoch auch im luftverkehrsrechtlichen Bereich vermehrt auf Maßnahmen des aktiven Schallschutzes zurückgegriffen werden. 5 BVerwG, Urt. vorn 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (377) - ZLW 1991, S. 428 (451). Diese Entschädigung ist nicht zu verwechseln mit dem Aufwendungsersatz für technisch-reale Vorkehrungen im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG, vgl. BVerwG, Urt. vorn 11. 11. 1988 NVwZ 1989, S. 255 (257). 6 BVerwG, Urt. vorn 29.01. 1991- BVerwGE 87, S. 332 (378,385 ff.). 7 Möglich ist ein derartiger aktiver Schallschutz nur für die am Boden bei Start oder Landung erzeugten Geräusche. 8 Michler, Verkehrsimmissionsschutz, S. 121; Schmidt, Rechtsfragen, S. 159 (168).
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5. Teil: Rechtsfolgen bei Überschreiten der Zumutbarkeitsschwelle
1. Relativer Vorrang des aktiven Lärmschutzes
vor dem passiven Lärmschutz
Im Gegensatz zum § 41 BImSchG, in dessen Anwendungsbereich das Verhältnis von aktivem und passivem Lärmschutz eine spezielle Ausgestaltung zugunsten eines Vorrangs aktiver Schallschutzmaßnahmen im Bereich des Straßen- und Schienenverkehrs gefunden hat9 , gilt für die Bekämpfung des Fluglärms nach Auffassung der Rechtsprechung kein Vorrang aktiver Schallschutzmaßnahmen. 10 Diese Rechtsprechung stößt in der Literatur teilweise auf Widerspruch. So wird auch für den Bereich des Fluglärms gefordert, daß an erster Stelle Lärmbelastungen durch den Verursacher vermieden oder vermindert werden müssen und erst dann auf passiven Lärmschutz zurückgegriffen werden darf. Begründet wird dieser Vorrang aktiven Schallschutzes mit dem Hinweis auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Gebot eines effektiven GrundrechtsschutzesY Im übrigen ergebe sich ein derartiger Vorrang bereits aus dem allgemein im Umweltrecht geltendem Vorsorgeprinzip.12 Zugunsten eines Vorrangs des aktiven Schallschutzes wird weiterhin das Schutzziel des § 9 Abs. 2 LuftVG angeführt, das nach der Rechtsprechung insbesondere auch die angemessene Nutzung der Außenwohnbereiche sowie das Wohnen bei teilweise geöffnetem Fenster umfaßt. \3 Dieses Schutzziel könne durch passiven Lärmschutz nicht erreicht werden, da dieser nicht davor schützen könne, bei teilweise geöffnetem Fenster und im Außenwohnbereich von unzumutbaren Fluglärm betroffen zu werden. Ein derartiger Schutz könne vielmehr nur durch aktive Lärmschutzmaßnahmen verwirklicht werden. 14 Erst 9 Allerdings ist es umstritten, ob der in § 41 Abs. 2 BImSchG normierte Vorrang des aktiven Lärmschutzes als strikt zu beachtende Vorgabe zu berücksichtigen ist oder vielmehr als Bestandteil der planerischen Abwägung, vgl. Schulze-Fielitz, DÖV 2001, S. 181 (189 f.); Vallendar; UPR 2001, S. 171 (171 f.). \0 BVerwG, Beschl. vorn 20. 02. 1998 - UPR 1998, S. 308 (309); BVerwG, Urt. vorn 29.01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (346 f.) - ZLW 1991, S. 428 (435); aVG Hamburg, Urt. vorn 03. 09. 2001-3 E 37/98, S. 63; von einern generellen Vorrang aktiver Schall schutzmaßnahmen geht aber der VGH München aus unter Bezugnahme auf die Regelung der §§ 41 ff. BImSchG, der gemeinsam mit § 29b LuftVG Anhaltspunkte geben könne, VGH München, Urt. vorn 25.02.1998 - NVwZ-RR 1998, S. 490 (493). 11 Soell, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 327 (338). 12 Luckow, DVBI. 1981, S. 1133 (1141). 13 BVerwG, Urt. vorn 21. 05. 1976 - BVerwGE 51, S. 15 (33) - NJW 1976, S. 1760 (1764); BVerwG, Urt. vorn 07.07. 1978 - NJW 1979, S. 64 (69) insoweit in BVerwGE 56, S. 110 (132) nicht abgedruckt. 14 Hemumn, Fluglärm, S. 325. Hieraus läßt sich jedoch keinesfalls zwangsläufig auf einen Vorrang aktiven Schallschutzes schließen. Das BVerwG hält in seiner Entscheidung vorn 29.01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (347) - ZLW 1991, S. 428 (435), dem entgegen, daß dies lediglich dazu führe, daß dieser Aspekt in die planerische Abwägung miteinzubeziehen und zu "bewältigen" sei. Im übrigen könne die Schutzbedürftigkeit der Außenwohnbereiche sehr unterschiedlich ausfallen, so daß sich ein genereller Vorrang aktiven Lärmschutzes zugunsten der Außenwohnbereich nicht begründen lasse.
A. Stufen des Lärmschutzes
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wenn aktiver Schallschutz nicht möglich sei, kämen daher passive Lärmschutzmaßnahmen zur Anwendung. 15 Gegen einen generellen Vorrang aktiven Schallschutzes vor passivem Schallschutz spricht jedoch, daß auch aktiver Schallschutz in Form von Betriebsbeschränkungen erhebliche Probleme auslöst. Er beeinträchtigt im Hinblick auf seine kapazitätsbeschränkende Wirkung möglicherweise den Widmungszweck des flughafens. Außerdem könnten derartige Betriebsbeschränkungen internationale Übereinkommen über die Zuteilung von Fluglinien berühren. Diese Belange sind ebenso abwägungungserheblich und von erheblichem Gewicht wie eine (eventuelle) Schutzwürdigkeit von Außenwohnbereichen. 16 Ein genereller Vorrang aktiver Schallschutzmaßnahmen könnte demnach die Funktionstüchtigkeit und Wirtschaftlichkeit von Verkehrsflughäfen wesentlich beeinträchtigen. Waren andererseits passive Lärmschutzmaßnahmen grundsätzlich vorrangig, so käme dies einem Leben "unter Einschluß" gleich. Hieraus wird deutlich, daß die Art der aufzuerlegenden Schutzmaßnahmen nicht generell festgelegt werden kann, sondern vielmehr im Einzelfall die jeweils bedeutsamen Aspekte in die planerische Abwägung einzubeziehen und dort rechtsfehlerfrei zu "bewältigen" sind. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, daß die Art und Weise der erforderlichen Schutzmaßnahmen dem Planungsermessen der Planfeststellungsbehörde unterliegt. Diese muß im Rahmen des Ermessens nach dem Gebot des geringst möglichen Eingriffs die den Träger des Vorhabens am wenigsten belastende wirksame Maßnahme anordnen, andererseits nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit auch die Interessen der übrigen Beteiligten hinreichend berücksichtigen. 17 Ist dementsprechend gleichermaßen aktiver und passiver Schallschutz möglich, so muß zugunsten eines verhältnismäßigen und schonenden Ausgleichs aller Interessen grundsätzlich aktiver Schall schutz den Vorrang erhalten. 18 Dies gilt jedoch nur so lange, als daß die gesetzlich anerkannte Funktion und Leistungsfähigkeit der Anlage gewahrt bleibt und der Aufwand dem Schutzzweck angemessen iSt. 19 Insoweit haben also Maßnahmen aktiven Schallschutzes einen relativen, aber keinen absoluten Vorrang vor Maßnahmen passiven Schallschutzes. 15 Hermann, Fluglärm, S. 324; Hermes, Schutz von Leben und Gesundheit, S. 51; Hartmann, Genehmigung und Planfeststellung, S. 105; Luckow, DVBI. 1981, S. 1133 (1134); Quaas, NVwZ 1991, S. 16 (20). 16 BVerwG, Urt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (347) - ZLW 1991, S. 428 (435); vgl. auch aVG Hamburg, Urt. vom 03 . 09. 2001-3 E 37/98, S. 62. 17 Dürr, in: Knack, VwVfG, § 75, Rn. 68. Vgl. hierzu aVG Hamburg, Urt. vom 03.09.2001-3 E 37/98, S. 62, das den Schwerpunkt des Lärmschutzes zugunsten der FunktionsHihigkeit des internationalen Großflughafens Hamburg auf den passiven Schallschutz setzt, soweit auch dieser Gefährdungen der Gesundheit vermeiden kann. 18 Sieg, ZUR 1993, S. 61 (62); Quaas, NVwZ 1991, S. 16 (20). 19 Badura, in: FS für Lukes, S. 3 (21).
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5. Teil: Rechtsfolgen bei Überschreiten der Zumutbarkeitsschwelle
2. Maßnahmen des aktiven und passiven Lärmschutzes Wie oben bereits dargestellt, setzen Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes an der Lärmquelle selbst an. Da im Rahmen der Genehmigung bzw. Planfeststellung lediglich solche Maßnahmen in Betracht kommen, die nicht der Zuständigkeit einer anderen Stelle vorbehalten sind, scheiden Festlegungen hinsichtlich des Flugbetriebes (beispielsweise die Festsetzungen "schonender" An- und Abflugwege und An- und Abflugverfahren wegen §§ 29 Abs. 1 S. 2, 29b LuftVG bzw. §§ 21a, 27a LuftVO) und hinsichtlich der Zulassung besonders lärmarmer flugzeuge (§§ 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 LuftVG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2b LuftVZO, § 2 Abs. 7 LuftVG) aus. An erster Stelle steht die Vermeidung von Lärm im Rahmen der planerischen Gestaltung. Insbesondere durch die Standortwahl und die Dimensionierung und Konfiguration der Flughafenanlage (insbesondere des Start- und Landebahnsystems) läßt sich Fluglärm von Anfang an vermeiden?O Diese Festlegungen konkretisieren das "wie" der genehmigten Anlage und bestimmen den Inhalt der Zulassung auf der Rechtsgrundlage der §§ 6 Abs. 1, 8 Abs. 1 LuftVG. Sie stellen keine Nebenbestimmungen dar?1 Fluglärm läßt sich weiterhin durch die Anordnung von Lärmschutzhallen bzw. Lärmschutzwällen vermindern. Diese Maßnahmen setzen an der Emissionsquelle an und stellen sich daher als aktiver Lärmschutz dar. Diese Regelungen ergehen typischerweise als Schutzanordnungen im Sinne von § 9 Abs. 2 LuftVG?2 Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes konzentrieren sich allerdings im wesentlichen auf Einschränkungen des Flughafenbetriebs wie Nachtflugbeschränkungen oder Start- und Landeverbote für bestimmte Flugzeugtypen. 23 Auf welcher Rechtsgrundlage derartige Betriebsbeschränkungen ergehen, ist nicht eindeutig geklärt und soll später dargestellt werden. Maßnahmen des passiven Lärmschutzes setzen beim Lärmakzeptor an. Hierunter fallen beispielsweise Lärmschutzwälle oder -bepflanzungen sowie Schallschutzfenster oder -dächer und andere lärmmindernde Anlagen. Die Anordnung derartiger passiver Lärmschutzanlagen ist der wesentliche Anwendungsbereich der Schutzanordnungsvorschrift des § 9 Abs. 2 LuftVG?4
20 Czybulka, UPR 1999, S. 126 (128); Hanmann, Genehmigung und Planfeststellung, S. 104 f.; Hermann, Fluglärm, S. 325; Hofmo.nnlGrabherr; LuftVG, § 6, Rn. 49. 21 Hofmo.nnlGrabherr; LuftVG, § 9, Rn. 29. 22 Die Schutzanordnungsvorschrift des § 9 Abs. 2 LuftVG entspricht vorn Schutzumfang der des im Wortlaut abweichenden Vorschrift des § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG, vgl. Bartunek, Drittschutz, S. 113 f.; Michler; VerwArchiv 90 (1999), S. 21 (23); KühlinglHerrmann, Fachplaungsrecht, Rn. 444; Dreier; Abwägung, S. 136. 23 Hanmann, Genehmigung und Planfeststellung, S. 104; Hermann, Fluglärm, S. 316; Schmidt, Rechtsfragen, S. 159 (168). 24 "ysk, ZLW 1998, S. 456 (464).
A. Stufen des Lärmschutzes
219
3. Sonderfall der Betriebsbeschränkungen Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes betreffen im wesentlichen Einschränkungen des Flughafenbetriebs?5 In Betracht kommen hier Nachtflugbeschränkungen, Start- und Landeverbote bzw. -beschränkungen zu bestimmten Zeiten (z. B. an Feiertagen oder in den Abendstunden) oder für bestimmte Verkehrs arten (z. B. Schulungsflüge mit Platzrunden) oder bestimmte Luftfahrzeuge. Beschränkungen des Flughafenbetriebs zu bestimmten Zeiten (so zum Beispiel Nachtflugbeschränkungen oder -verbote) können sich durch administrative Kapazitätsbeschränkungen verwirklichen lassen. Unter administrativen Kapazitätsbeschränkungen sind solche Beschränkungen des Flugbetriebs zu verstehen, die darauf abstellen, daß nur ein bestimmter Lärmpegel (Lärmkontingentierung) oder eine bestimmte Bewegungsanzahl (Bewegungskontingentierung) innerhalb eines bestimmten Zeitraums erreicht werden darf. 26 Derartige Flugbetriebsbeschränkungen lassen sich allerdings nur dann in der Genehmigung bzw. Planfeststellung regeln, wenn sie einen konkreten örtlichen Bezug zum Flughafen aufweisen. Ist dies nicht der Fall, so stellen sie sich als Beschränkungen des Flugbetriebs selbst dar, dessen Regelungen anderen Stellen obliegt. Lärmkontingentierungen weisen grundsätzlich einen konkreten Ortsbezug auf, da sie sich an der Lärmbelastbarkeit der Flughafenumgebung orientieren. Sie stellen sich somit als Regelungen des Flughafenbetriebs dar. Dagegen können Bewegungskontigentierungen mit ihren starren Bewegungszahlgrenzen schnell ihren Orts bezug verlieren und sind daher als Regelungen des Flugbetriebs anzusehen. Dies ergibt sich daraus, daß durch die Entwicklung lärmärmerer Flugzeuge die Lärmbelastung trotz gleicher Anzahl von Flugbewegungen niedriger werden kann. Auf diese Weise geht der Bezug zu der zulässigen Lärmbelastbarkeit der Flughafenumgebung verloren. Mangels Flughafenbezugs können derartige Bewegungskontingente daher nicht in der Genehmigung festgelegt werden?? Allerdings ist grundsätzlich zu berücksichtigen, daß trotzdem die Anzahl der Flugbewegungen für das Ausmaß der Lärmbelästigung nicht unwesentlich ist. 28 Insofern ist zu überlegen, ob nicht zusätzlich zu einer Lärmkontingentierung eine Beschränkung der Fluglärmereignisse, die einen gewissen Lärmpegel überschreiten, festgelegt werden müßte. Beschränkungen des Flughafenbetriebs auf bestimmte Luftfahrzeuge können durch den Verweis auf die "Bonusliste für startende und landende Luftfahrzeuge" erreicht werden, die Anfang 1994 vom Bundesministerium für Verkehr einge25 Hartmann, Genehmigung und Planfeststellung, S. 104; Hermann, Fluglärm, S. 316; Schmidt, Rechtsfragen, S. 159 (168). 26 Ausführlich hierzu, vgl. Bidinger; Planung und Nutzung, S. 18. 27 Vgl. ausführlich Bidinger; Planung und Nutzung, S. 89 ff.; kritisch Delbanco, Änderung, S. 84. 28 BVerwG, Urt. vom 27. 10. 1998 - BVerwGE 107, S. 313 (325).
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5. Teil: Rechtsfolgen bei Überschreiten der Zumutbarkeitsschwelle
führt worden ist. Der Zweck dieser Liste war ursprünglich darauf beschränkt, den Flughäfen eine Grundlage für die lärrnwertabhängige Differenzierung ihrer Landegebühren zur Verfügung zu stellen. Danach können besonders lärrnanne Flugzeuge einen Bonus bei den Landegebühren erhalten?9 Seit Anfang 1996 enthält die "Bonusliste" darüberhinaus den Hinweis, daß sie auch als Grundlage für Nachtflugbeschränkungen verwendet werden kann. Daher kann unter Rückgriff auf die "Bonusliste" bestimmten lärrnintensiven Flugzeugen ein vollständiges oder nur für bestimmte Tageszeiten (insbesondere während der Nacht) geltendes Start- und Landeverbot auferlegt werden?O Derartige "Bonuslisten"-Nachtflugbeschränkungen sind allerdings unter europarechtlichen Aspekten nicht unproblematisch. 3l Außerdem ist insbesondere die verfassungsrechtliche Vereinbarkeit von Nachtflugbeschränkungen auf Grundlage der "Bonusliste" heftig umstritten. 32 a) Rechtsgrundlage von Betriebsbeschränkungen Grundsätzlich sind Schutzanordnungen zur Planfeststellung nicht die primären Instrumente, um im Einzelfall den Grundsatz der Problembewältigung zu verwirk29 Koch, NVwZ 2000, S. 490 (498) bejaht die europarechtliche Vereinbarkeit einer Regelung der Landegebühren, da die europarechtliche Richtlinie nur eine Unterscheidung zwischen Kapitel 2- und Kapitel 3-Flugzeugen enthält und weitergehende - diesen Mindeststandard verschärfende - Regelungen grundSätzlich den Mitgliedsstaaten überlassen sind. Im übrigen haben die Landegebühren keinen diskriminierenden Charakter und sind aus Gründen des Umweltschutzes gerechtfertigt. Auch die Verwirklichung des Richtlinienvorschlages über Flughafengebühren (AblEG 1998, Nr. C 319, S. 4) stände einer Differenzierung unter Lärmschutzgründen nicht entgegen, denn gern. Art. 5 Abs. 1 des Richtlinienentwurfs können in die Flughafengebühren auch "externe Kosten des Flugverkehrs im Zusammenhang mit dem Umweltschutz" eingehen. 30 Vor Einführung dieser "Bonusliste" auch für Nachtflugbeschränkungen wurde für die Abgrenzung zwischen "lauten" und "leisen" Flugzeugen regelmäßig auf die nach internationalem Recht anerkannte Unterscheidung zwischen geräuschintensiven Flugzeugen mit einer Lärmzulassung nach Kapitel 2 des Anhangs 16 zum ICAO-Abkommen (Luftfahrtabkommen der internationalen Zivilluftfahrt-Organisation) und geräuscharmen Flugzeugen nach Kapitel 3 zurückgegriffen. Durch die zusätzliche Bonusliste ergibt sich, daß bestimmte Nichtbonusflugzeuge vom Nachtflugbetrieb an deutschen Flughäfen ausgeschlossen werden können, obwohl sie die strengsten internationalen Anforderungen - nämlich die nach ICAO Kapitel 3 - erfüllen, vgl. Geisler, ZLW 1997, S. 307 (308). Im übrigen wurde unter Anknüpfung an die Unterscheidung nach Kapitel 2- und Kapitel 3-Flugzeugen durch § llc LuftVO (unter Umsetzung der Richtlinie 92/14, AblEG 1992, Nr. L 76, S. 21 zuletzt geändert durch AblEG 1999, Nr. L, S. 53) geregelt, daß Kapitel 2-Flugzeuge bis zum 3l. 03. 2002 Landeverbot auf den Flughäfen der EG erhalten. 31 Ausführlich hierzu BVeIWG, Beschl. vom 12.06.1998 - DVBl. 1998, S. 1184 (1187 f.). 32 Ausführlich zu Bonus-Listen und ihrer verfassungsrechtlichen Vereinbarkeit, vgl. BVeIWG, Beschl. vom 12. 06. 1998 - DVBl. 1998, S. 1184 ff.; VGH München, Urt. vom 25.02.1998 - NVwZ-RR 1998, S. 490 (492); Geister, ZLW 1997, S. 307 ff.; Giemulla, ZLW 2000, S. 30 ff.; PierothlGörisch, ZLW 2000, S. 17 ff.
A. Stufen des Lärmschutzes
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lichen und dem Gebot der Rücksichtnahme zu entsprechen. Schutzauflagen nach § 9 Abs. 2 LuftVG sind vielmehr nur dann notwendig, wenn die Planfeststellungsbehörde ansonsten nicht abwägungsfehlerlrei in der Lage wäre, eine Problembewältigung schon "durch eigene planerische Gestaltung des Flughafens einschließlich seines Betriebes" zu leisten?3 Die zuständige Behörde muß daher zunächst "abwägend darüber befinden, ob sie nicht schon selbst im Rahmen ihrer Gestaltungsmöglichkeiten nach § 8 Abs. I LuftVG (etwa durch Anordnung der Landebahnen oder unmittelbar geltende Betriebsregelungen) die ihr aufgegebene Problembewältigung in vollem Umfang zu leisten vermag.,,34 Nur falls dies nicht möglich ist, muß sie ergänzend Schutzanordnungen auf Grundlage des § 9 Abs. 2 LuftVG verfügen?5 Im Hinblick auf Betriebsbeschränkungen stellt sich daher die Frage, ob diese nur im Rahmen der planerischen Abwägung auf Grundlage des § 8 Abs. 1 LuftVG angeordnet werden können oder ob sie als Schutzvorkehrungen im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG verfügt werden können. Nach wohl allgemeiner Auffassung können Betriebsbeschränkungen an flughäfen als Schutzvorkehrungen gern. §§ 6 Abs. 1 S. 4 LuftVG i.V.m. 36 VwVfG bzw. §§ 9 Abs. 2 LuftVG i.Y.m. 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG in der Genehmigung bzw. im Planfeststellungsbeschluß angeordnet werden. 36 So heißt es auch in § 42 LuftVZO, daß die Genehmigung mit Auflagen, insbesondere zur Einschränkung von Lärmauswirkungen auf die Umgebung des Flughafens, verbunden wird?7 Da jedoch gerade der Betrieb des Flughafens einer der Hauptregelungsgegenstände von Genehmigung und Planfeststellung ist, stellt sich die Frage, ob Betriebsregelungen nicht als Inhaltsbestimmungen in der planerischen Gestaltung auf Grundlage des § 8 Abs. 1 LuftVG festgelegt werden müssen. Daß diese Frage nicht nur theoretischer Natur ist, zeigt sich am Rechtsschutz?8 Eine Inhaltsbestimmung muß als Teil des Verwaltungsakts grundsätzlich mit die-
33 BVerwG, Vrt. vom 27. 10. 1998 - BVerwGE 107, S. 313 (323); BVerwG, Vrt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (342) - ZLW 1991, S. 428 (433); GiemullalSchmid, LuftVG, § 9, Rn. 2; Hermann, Auglärm, S. 278; ~sk, ZLW 1998, S. 456 (264). 34 BVerwG, Vrt. vom 29.01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (342 f.) - ZLW 1991, S. 428 (433); vgl. auch: BVerwG, Vrt. vom 27.10.1998 - BVerwGE 107, S. 313 (323). 35 HofmannlGrabherr, LuftVG, § 9, Rn. 25. 36 Czybulka, VPR 1999, S. 126 (128); Giemullal Schmid, LuftVG, § 9, Rn. 10; Hartmann, Genehmigung und Planfeststellung, S. 104; ob auch betriebliche Regelungen in der PIanfeststellung getroffen werden können, ist durch die gesetzliche Lage nunmehr geklärt, vgl. GiemullalSchmid, LuftVG, § 9, Rn. 10 und auch Hermann, Auglärm, S. 317, m. w. N. 37 Hartmann, Genehmigung und Planfeststellung, S. 104. 38 Ronellenfitsch, VerwArchiv 80 (1989), S. 92 (106); UlelLaubinger, VwVfG, § 41, Rn. 33: nach überwiegender Ansicht kann der Träger des Vorhabens Schutzauflagen mit der Anfechtungsklage angreifen. Allerdings erscheint dies zweifelhaft, wenn es sich nicht um eine Auflage, sondern um eine inhaltliche Einschränkung des Planfeststellungsbeschlußes handelt. Dann ist wohl eher eine Verpflichtungsklage auf einen Planfeststellungsbeschluß ohne diese Einschränkung zu erheben.
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5. Teil: Rechtsfolgen bei Überschreiten der Zumutbarkeitsschwelle
sem zusammen angefochten werden. 39 Wird also eine unzulängliche Einschränkung der Betriebsregelungen bemängelt, so ist - wenn die getroffenen betrieblichen Regelungen als Inhaltsbestimmungen anzusehen sind - eine (Teil-)Anfechtungsklage gegen den Planfeststellungsbeschluß zu erheben. Für den Fall, daß die Anfechtungsklage erfolgreich sein sollte, ist zusätzlich eine Verpflichtungsklage auf weitergehende Betriebseinschränkungen zu erheben. Diese kann sich jedoch nur darauf richten, daß das Gericht der Behörde aufgibt, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Eine Verpflichtungsklage auf bestimmte Betriebseinschränkungen würde hingegen unzulässig in die Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde auf Grundlage des § 8 Abs. 1, 4 LuftVG eingreifen.4o Für den Fall der fehlenden bzw. unzureichenden Schutzvorkehrungen gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hingegen, daß trotz rechtswidrigen Planfeststellungsbeschlusses41 ein betroffener Dritter lediglich einen Anspruch auf Planergänzung durch Verpflichtungsklage geltend machen kann. 42 Etwas anderes gilt nur dann, wenn die erforderliche Auflage nicht nachholbar ist, ohne daß die Gesamtkonzeption und die Interessen anderer betroffen werden, oder wenn die Ausgewogenheit der Gesamtplanung betroffen ist. In einem solchen Fall ist eine Anfechtungsklage gegen den Planfeststellungsbeschluß selbst zulässig. 43 Je nachdem ob eine Betriebsregelung als Inhaltsbestimmung oder als Schutzvorkehrung anzusehen ist, ist entweder eine Anfechtungsklage gegen den Planfeststellungsbeschluß selbst oder lediglich eine Verpflichtungsklage auf Planergänzung zu erheben. b) Inhaltsbestimmung oder SchutzauJlage
Es stellt sich also die Frage, ob Beschränkungen des Flughafenbetriebs als Inhaltsbestimmung oder vielmehr als Schutzauflagen im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG geregelt werden müssen. Für die Abgrenzung bieten sich das Kriterium der rechtlichen Durchsetzbarkeit einer Schutzvorkehrung durch den Flughafenbetreiber sowie allgemeine Grundsätze zum Verhältnis von Inhaltsbestimmungen und Schutzauflagen an. 39 BVerwG, Urt. vom 27. 10. 1998 - BVerwGE 107, S. 313 (323 f.); HofmannlGrabherr, LuftVG, § 9, Rn. 31, der auch als Folge der Qualifikation als Inhaltsbestimmung eine Änderung des Rechtsschutzes auf eine (Teil) Anfechtungsklage annimmt. 40 Zu dieser Konstellation, vg!. BVerwG, Urt. vom 27. 10. 1998 - BVerwG 107, S. 313 (223 f.). 41 Das Fehlen von notwendigen Schutzvorkehrungen führt nach der Rechtsprechung zur Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses. 42 BVerwG, Urt. vom 07. 07. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (135); BVerwG, Urt. vom 22. 03. 1985 - BVerwGE 71 , S. 160; BVerwG, Besch!. vom 12. 11. 1992 - NVwZ 1993, S. 266 (267). 43 BayVGH, Urt. vom 03. 10. 1989 - BayVB!. 1990, S. 148 (151); Stelkens, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 36. Rn. 101.
A. Stufen des Lärrnschutzes
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aa) Kriterium der rechtlichen Durchsetzbarkeit Grundsätzlich gilt, daß dem Flughafenunternehmer aufgrund des § 9 Abs. 2 LuftVG nur solche Regelungen auferlegt werden können, die er gegenüber den Flughafennutzern in rechtlich zulässiger Weise durchzusetzen vermag. 44 Dieses Erfordernis ergibt sich hauptsächlich daraus, daß sich die Anordnung von Schutzvorkehrungen ausschließlich an den Flughafenbetreiber richtet und diesen verpflichtet. 45 Der Flughafenbetreiber ist demnach allein für die Erfüllung der Schutzauflagen mit allen finanziellen Folgen verantwortlich. 46 Voraussetzung für die Erfüllung der Schutzauflage muß es dementsprechend sein, daß der Flughafenbetreiber sie auch rechtlich durchzusetzen vermag. Die Flughafengesellschaften haben grundsätzlich nur geringe Einwirkungsmöglichkeiten auf die Auslastung ihrer Verkehrsflughäfen: Der Abschluß der Nutzungsverträge wird weitgehend vom Flugplankoordinator vorgegeben; auch bei der Vergabe von Verkehrsrechten im internationalen Verkehr durch den Bund werden die Flughäfen nicht berücksichtigt. Die Auslastung der Verkehrsflughäfen wird demnach entscheidend von Organen des Bundes vorgegeben, nicht jedoch von den Flughafenbetreibern selbst. 47 Nur über entsprechende Regelungen in der Betriebsordnung können die Flughafenbetreiber selbst eventuelle Betriebsbeschränkungen an die Nutzer des Flughafens weitergeben (§§ 43, 53 Abs. I LuftVZO).48 In der Betriebsordnung kann beispielsweise festgelegt werden, daß bestimmte besonders lärmemittierende Flugzeuge zu bestimmten Zeiten nicht oder nur eingeschränkt auf dem Flughafen landen oder starten dürfen (z. B. unter Bezugnahme auf eine Bonusliste). Geregelt werden kann auch, daß zur Nachtzeit nur auf einer von mehreren Bahnen gestartet oder gelandet bzw. daß Schubumkehr nicht verwendet werden darf. Nicht festgelegt werden können aber Lärm- und Bewegungskontingente, denn der jeweilige Nutzer kann aus einer Gesamtbewegungszahl oder einem Gesamtlärmpegel nicht ersehen, ob er in das zulässige Kontingent fällt oder nicht. Daher ist dem Flughafenunternehmer eine erfolgreiche Umsetzung der Kontingentierung über die Benutzungsordnung verwehrt. 49 Die Durchsetzung derartiger Kapazitätsbeschränkungen im Wege von Schutzauflagen erscheint deswegen mangels rechtlicher Durchsetzungsmöglichkeit des Flughafenbetreibers nicht sinnvoll. 5o Zweck44
BVerwG, Urt. vom 29. 01. 1991-BVerwGE 87, S. 332 (343 f.)-ZLW 1991, S. 428 (434).
45
Dies stellt einen Ausfluß des Verursacherprinzips dar.
46
Bidinger; Planung und Nutzung, S. 105; Ronellenfitsch. VerwArchiv 80 (1989), S. 92
(113). 47
48
Bidinger; Planung und Nutzung, S. 113. Hojmo.nn/Grabherr; LuftVG, § 6, Rn. 123; § 9, Rn. 28.
49 Hierzu ausführlich Bidinger; Planung und Nutzung, S. 112; BVerwG. Urt. vom 29.01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (343 f.) - ZLW 1991, S. 428 (434). so Bidinger; Planung und Nutzung, S. 115; dies gilt unabhängig davon, daß - wie oben dargestellt - Betriebsbeschränkungen ohnhin als Inhaltsbestimmung anzusehen sind und daher nicht in Auflagenform ergehen dürfen.
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5. Teil: Rechtsfolgen bei Überschreiten der Zumutbarkeitsschwelle
mäßig ist es vielmehr, derartige Länn- und Bewegungskontingente im Planfeststellungsbeschluß festzulegen, denn auf diese Weise richten sie sich neben dem Vorhabenträger auch an sämtliche Planbetroffene. 51 Hierzu gehört insbesondere auch das Bundesministerium für Verkehr, so daß der Flugplankoordinator eventuelle Vorgaben über § 27 a Abs. 4 LuftVG umzusetzen hätte. 52 bb) Verhältnis von Inhaltsbestimmung und Schutzauflage Dieses Ergebnis wird bestätigt durch das grundsätzliche Verhältnis von Inhaltsbestimmungen zu Schutzauflagen. Inhaltsbestimmungen legen den Gegenstand eines Verwaltungsaktes fest. Sie füllen den gesetzlichen Tatbestand aus und bestimmen den Regelungsgehalt des Hauptverwaltungsakts. 53 Ob eine Inhaltsbestimmung vorliegt, ist durch Auslegung zu bestimmen. Für die Abgrenzung zur Schutzauflage ist dabei auf ähnliche Kriterien abzustellen wie für die Abgrenzung von Inhaltsbestimmung und echter Auflage im Sinne des § 36 VwVfG. 54 Entscheidendes Kriterium hierfür ist die Frage, 51 Im Verhältnis zu den Betroffenen hat der PIanfeststellungsbeschluß die Wirkungen einer Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 S. 2 VwVfG, die jeder gegen sich gelten lassen muß, vgl. Bonk, in: Steikens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 74, Rn. 20. 52 Bidinger; Planung und Nutzung, S. 115 ff. 53 Wolffl BachojlStober; Verwaltungsrecht I, § 48, Rn. 29. 54 Für die Bezeichnung der Schutzanordnungen hat sich die Bezeichnung als Schutzauflagen eingebürgert (Dürr; in: Knack, VwVfG, § 75, Rn. 42, m. w. N.). Die Bezeichnung einer Regelung ist jedoch nicht entscheidend für die rechtliche Qualifikation. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr ihr Inhalt (Bonk, in: Stelkens I Bonk I Sachs, VwVfG, § 74, Rn. 86; Ulel Laubinger; VwVfG, § 41, Rn. 31; Ronellenfitsch, VerwArchiv 80 (1989), S. 92 (106)). Die Rechtsnatur der Schutzanordnungen ist allerdings umstritten. Teilweise wird sogar angezweifelt, ob es überhaupt eine einheitliche rechtliche Qualifikation der Schutzanordnung gibt (Ronellenfitsch, VerwArchiv 80 (1989), S. 92 (106)). Grundsätzlich lassen sich in der Diskussion aber zwei grobe Richtungen ausmachen: Nach einer Meinung sind sie als einer eigenen rechtlichen Regelung zugängliche Auflagen im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG anzusehen (Dürr; in: Knack, VwVfG, § 74, Rn. 17, § 75, Rn. 42; HofmannlGrabherr; LuftVG, § 9, Rn. 28) Daß die Anordnung von Schutzauflagen nach § 9 Abs. 2 LuftVG aber keine echte Auflage im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG darstellen kann, zeigt sich daran, daß die Anordnung einer echten Auflage im Ermessen der Behörde steht, während auf die Schutzanordnung nach § 9 Abs. 2 LuftVG ein Rechtsanspruch besteht (Stelkens, in: Steikens/Bonkl Sachs, VwVfG, § 36, Rn. 63). Nach anderer Ansicht sind Schutzauflagen als integrierende Bestandteile des Planfeststellungsbeschlusses anzusehen (BVerwG, Urt. vorn 07. 07. 1978 BVerwGE 56, S. 110 (123); BVerwG, Urt. vorn 29.01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (342 f.)ZLW 1991, S. 428 (433)); Hemulnn, Fluglärm, S. 328; Bonk, in: Stelkens I Bonk I Sachs, VwVfG, § 74, Rn. 86; UlelLaubinger; VwVfG, § 41, Rn. 31). Zusätzlich zu den Schutzanordnungen können freilich weitere Auflagen gern. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG (Duldungs- und Unterlassungsgebote) erlassen werden (Bidinger; Planung und Nutzung, S. 105. Die Anordnung von Nebenbestimmungen gern. § 36 VwVfG steht grundSätzlich unter dem Vorbehalt spezieller Regelungen und ist daher subsidiär, vgl. Dürr; in: Knack, VwVfG, § 74, Rn. 17; KopplRamsauer; VwVfG, § 36, Rn. 4).
A. Stufen des Lärrnschutzes
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inwieweit die betroffene Regelung den Genehmigungsumfang konkretisiert. 55 Der Genehmigungsumfang wird davon bestimmt, was überhaupt der Genehmigungspflicht unterliegt. Hieraus folgt, daß Regelungen, die sich auf die normativen Festlegungen über den Genehmigungsgegenstand beziehen und diese für den Einzelfall konkretisieren, als Inhaltsbestimmungen anzusehen sind. 56 Betreffen die Regelungen hingegen andere Fragen, die nicht den sachlichen Umfang des genehmigten Verhaltens betreffen, und kann insbesondere von der Genehmigung auch ohne Rücksicht auf ihre Erfüllung Gebrauch gemacht werden, so handelt es sich um Auflagen. 57 Der Betrieb des Flughafens ist neben der Anlage des Flughafens Hauptregelungsgegenstand der Genehmigung bzw. der Planfeststellung, § 8 Abs. 4 LuftVG. 58 Auch die Arten der nutzungsberechtigten Luftfahrzeuge sind gern. § 42 Abs. 2 Nr. 7 LuftVZO in der Genehmigung zu bestimmen und fallen unter den Flugbetrieb. Zeitliche und sachliche Beschränkungen59 des Flugbetriebs, die die Kapazität des Flughafens einschränken, konkretisieren daher die gesetzlichen Voraussetzungen bzw. den Regelungsinhalt der Genehmigung / des Planfeststellungsbeschlusses. 60 Da Auflagen stets einen anderen Regelungsgegenstand als die Hauptregelung haben müssen 61 , sind derartige Kapazitätsbeschränkungen als Inhaltsbestimmungen des Verwaltungsakts anzusehen. Sie sind dementprechend nicht auf § 9 Abs. 2 LuftVG, sondern vielmehr auf § 8 Abs. 1, Abs. 4 LuftVG zu stützen. 62 Anderes gilt 55 Speziell zur Abgrenzung zur Auflage, vgl. Fluck, OVBI. 1992, S. 862 (862); Schmehl, UPR 1998, S. 334 (335), der ausführlich weitere Oifferenzierungskriterien nennt und verwirft. 56 Schmehl, UPR 1998, S. 334 (335); ähnlich auch ßYsk, ZLW 1998, S. 456 (264), der vertritt, daß zeitliche und sachliche Beschränkungen nicht als Schutzvorkehrungen auferlegt werden können. 5? Fluck, OVBI. 1992, S. 862 (862); Schmehl, UPR 98,334 (335); a.A. Kopp/Ramsauer; VwVfG, § 74, Rn. 106. 58 BVenvG, Urt. vom 27.10.1998 - BVerwGE 107, 313 (323). 59 Hiermit sind Beschränkungen hinsichtlich bestimmter Flugzeugtypen gemeint. Oie Betriebsgenehmigung verpflichtet die Flughafengesellschaft, den Flughafen in dem genehmigten Umfang auch tatsächlich im Sinne einer öffentlich-rechtlichen Betriebspflicht zu betreiben, vgl. Greiner, BayVBI. 1994, S. 449 ff. Insbesondere ist die Flughafengesellschaft dazu verpflichtet, im Rahmen der verfügbaren Kapazität alle in der Betriebsgenehmigung aufgeführten Flugzeugtypen starten und landen zu lassen. Werden nun allerdings bestimmte Flugzeugtypen vom nächtlichen Flugbetrieb ausgeschlossen, so stellt dies eine Kapazitätsbeschränkung dar. 60 Für Emissionshöchstwerte, Betriebszeiten und Produktionskapazitäten bei Anlagen, vgl. Fluck, OVBI. 1992, S. 862 (864); Schmehl, UPR 1998, S. 334 (335). 61 Ule/Laubinger, VwVfG, § 41, Rn. 31. 62 Bidinger; Planung und Nutzung, S. 115 ff.; Geisler; ZLW 1997, S. 307 (308); Hofmann/ Grabherr, LuftVG, § 9, Rn. 25 ff. (35); BVenvG, Vrt. vom 29. 01. 1991 - ZLW 1991, S. 428 (433 f.) läßt grundSätzlich Betriebsregelungen als Vorkehrungen im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG als mildere Regelung in der Planfeststellung zu; ausgenommen sind jedoch Lärrnkontingentierungen, da der Flughafenbetreiber zur Ourchsetzung rechtlich nicht in der Lage sei. Hierfür sei auf eine "allgemeingültige" Auflage auf der Rechtsgrundlage des § 8 Abs. 1
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5. Teil: Rechtsfolgen bei Überschreiten der Zumutbarkeitsschwelle
jedoch für betriebswirksame Schutzanordnungen, die ohne Eingriff in die Kapazität des Flugplatzes das "Wie" der Betriebsabwicklung regeln. So kann über § 9 Abs. 2 festgelegt werden, daß z. B. zur Nachtzeit nur auf einer von mehreren Bahnen gestartet oder gelandet bzw. daß Schubumkehr nicht verwendet werden darf. 63 c) Zwischenergebnis
Ihre Grenze finden betriebswirksame Schutzanordnungen demnach in dem Verhältnis von § 9 Abs. 2 LuftVG zu § 8 Abs. 1 LuftVG. Betriebliche Kapazitätseingriffe müssen auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 LuftVG erfolgen. Dies gilt für Lärm- und Bewegungskontingente bereits aus dem Gesichtspunkt heraus, daß derartige Regelungen durch den Flughafenbetreiber gegenüber den Nutzem rechtlich nicht durchgesetzt werden können. Andere betriebswirksame Regelungen, die ohne Eingriff in die Kapazität des Flugplatzes das "Wie" der Betriebsabwicklung bestimmen, können hingegen auf Grundlage des § 9 Abs. 2 LuftVG angeordnet werden. Aus der Qualifizierung betrieblicher Kapazitätseinschränkungen als Inhaltsbestimmung ergibt sich, daß es der planerischen Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde obliegt, ob sie in Abwägung mit anderen relevanten Belangen tatsächlich Lärmschutz durch gewisse Betriebsbeschränkungen gewährt. Entscheidet sie sich im Rahmen der Abwägung gegen oder nur für eingeschränkte Betriebsregelungen und besteht daher weiterhin eine unzumutbare Lärmbelästigung, so muß sie gern. § 9 Abs. 2 LuftVG Lärmschutzanordnungen (zumeist passiver Natur64 ) treffen.
11. Entschädigungsregelungen 1. Darstellung der Entschädigungsregelungen nach dem LuftVG
Sind Schutzanlagen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar, so hat der Betroffene Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld, § 74 Abs. 2 S. 3 VwVfG. 65 Untunlich sind Schutzanordnungen dann, wenn sie entweder objektiv S. 1 i.Y.m. § 6 Abs. 4 S. 1 LuftVG zurückzugreifen; befürwortend, vgl. Delbanco, Änderung, S. 112 f.; Michler; Verkehrsimmissionsschutz, S. 121; "ysk, ZLW 1998, S. 256 (464); zu Recht ablehnend, vgl. Bidinger; Planung und Nutzung, S. 105 ff. 63 Bidinger; Planung und Nutzung, S. 117, sieht derartige Betriebsbeschränkungen als Inhhaltsbestimmung in Form einer Teilgewährung an; HofmnnnlGrabherr; LuftVG, § 9, Rn.32. 64 "ysk, ZLW 1998, S. 428 (464). 65 Aus der Surrogatsfunktion des Entschädigungsanspruchs ergibt sich gleichzeitig, daß die Grenze der Zumutbarkeit für Ansprüche auf Schutzvorrichtungen und Entschädigungs-
A. Stufen des LäTInschutzes
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oder subjektiv unmöglich sind. Eine objektive Unmöglichkeit liegt vor, wenn Schutzanordnungen etwa technisch unmöglich oder ungeeignet sind. Subjektiv unmöglich sind solche Schutzanlagen, die für den Flughafenunternehmer eine unzumutbare Belastung darstellen würden. 66 Mit dem Vorhaben unvereinbar sind solche Schutzanordnungen, die den mit ihm verfolgten Zweck vereiteln. 67 Typischerweise erweisen sich Schutzanordnungen als untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar beim Schutz von Außenwohnbereichen, wie Hausgärten, Terrassen und Balkonen, die entweder gar nicht oder nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand vor Fluglärm geschützt werden können. 68 In solchen Fällen kommt die Gewährung einer Entschädigung als Ausgleich der Wertminderung des Grundstücks in Betracht. 69 Auch im Innenwohnbereich kann in durch Fluglärm hochbelasteten Gebieten eine zusätzliche Entschädigung dafür zu gewähren sein, daß der Innenwohnbereich trotz Schallschutzmaßnahmen noch beträchtlich entwertet ist. 70 Nicht durch Entschädigung ausgeglichen werden können jedoch Verletzungen des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit. Erreichen die Beeinträchtigungen demnach die Schwelle des Art. 2 Abs. 2 GG, so ist die Planung zu ändern oder zu versagen. 71 Für unzumutbare Lärmbelästigungen unterhalb der grundrechtlich relevanten Schwelle kann hingegen ein Ausgleich durch eine Entschädigung in Betracht kommen. 72 Zu klären ist weiterhin das Verhältnis des Ausgleichsanspruchs zu Entschädigungsansprüchen wegen enteignungsgleichen Eingriffs oder Enteignung.73 Für den Ausgleichsanspruch ist es nicht erforderlich, daß der Betroffene schwer und unerträglich in seinem Eigentum verletzt ist. 74 Er greift vielmehr schon unterhalb dieleistungen jeweils in gleicher Weise zu bestimmen ist, vgl. BVelWG, Vrt. vom 29. 01. 1991 ZLW 1991, S. 428 (429). Diese Entschädigung ist nicht zu verwechseln mit dem Aufwendungsersatz für technisch-reale Vorkehrungen im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG, vgl. BVelWG, Vrt. vom 11. 11. 1988 - NVwZ 1989, S. 255 (257). 66 Insbesondere wenn die Kosten der Schutzvorkehrung außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen, HojmannlGrabherr, LuftVG, § 9, Rn. 93. 67 GiemullalSchmid, LuftVG, § 9, Rn. lOa. 68 GiemullalSchmid, LuftVG, § 9, Rn. lOa; HojmannlGrabherr, LuftVG, § 9, Rn. 95. 69 BVelWG, Vrt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (379) - ZLW 1991, S. 428 (452). Hierbei ist jedoch grundsätzlich zu beachten, daß im Außenbereich eine höhere Zumutbarkeitsschwelle anzulegen ist, vgl. VGH Baden-Württemberg, Vrt. vom 19.06. 1989 - DVBI. 1990, S. 108 (113); BVelWG, Vrt. vom 29.01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (385 ff.) - ZLW 1991, S. 428 (452). 70 BVelWG, Vrt. vom 29.01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (388). 71 Bartunek, Drittschutz, S. 187; SteinberglBerglWickel, Fachplanung, § 4, Rn. 115. 72 SteinberglBerglWickel, Fachplanung, § 4, Rn. 115. 73 Davon zu unterscheiden ist wiederum die Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG, die einen finalen Entzug eines konkreten Eigentumobjekts erfordert. 74 BVelWG, Vrt. vom 22. 05. 1987 - BVerwGE 77, S. 295 (297 f.); NJW 1987, S. 2884 (2885).
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5. Teil: Rechtsfolgen bei Überschreiten der Zumutbarkeitsschwelle
ser Schwelle bei unzumutbaren Einwirkungen ein und gewährt einen Ausgleichsanspruch auf angemessene Entschädigung. § 74 Abs. 2 S. 3 VwVfG ist daher als entschädigungspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG anzusehen. 75 Allerdings kann die Unzumutbarkeitsgrenze für den Außenwohnbereich im Einzelfall bis an die "enteignungsrechtliche" Schwelle heranreichen. Ist dies der Fall, so besteht kein gesonderter Anspruch auf Entschädigung wegen enteignungsgleichen Eingriffs, da Grund für die Entschädigungszahlung in beiden Fällen der Ausgleich der Unverhältnismäßigkeit der Belastung durch Geld ist. 76 Der Anspruch auf angemessenen Ausgleich in Geld aus § 74 Abs. 2 S. 3 VwVfG ist im Wege der Verpflichtungsklage vor den Verwaltungsgerichten geltend zu machen. 77
2. Verhältnis zu den Entschädigungsregelungen nach dem FluglSchG
Es stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die Entschädigungsregelungen nach § 74 Abs. 2 S. 3 VwVfG zu den Entschädigungsregelungen des FluglSchG stehen. In § 8 Abs. 1 S. 1 FluglSchG wird bestimmt, daß der Eigentümer eines Grundstücks eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen kann, soweit durch ein Bauverbot nach § 5 Abs. 1 S. 1 oder Abs. 2 FluglSchG die bisher zulässige bauliche Nutzung aufgehoben wird und dadurch eine nicht nur unwesentliche Wertminderung des Grundstücks eintritt. Im Gegensatz zu den fachplanungsrechtlichen Entschädigungsregelungen nach § 74 Abs. 2 S. 3 VwVfG stellt § 8 FluglSchG eine Enteignungsentschädigungsvorschrift im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG dar. 78 Hier liegt der maßgebliche qualitative Unterschied zu den Entschädigungsvorschriften des luftverkehrsrechtlichen Fachplanungsrechts, die nicht als Enteignungsvorschriften, sondern vielmehr als ausgleichspflichtige Inhaltsbestimrnungen des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG anzusehen sind. Auch die Entschädigung des Vertrauens schadens nach § 8 Abs. 1 S. 2 FluglSchG steht nicht in Konkurrenz zu den fachplanungsrechtlichen Entschädigungsvorschriften, denn es handelt sich hierbei um eine Billigkeitsentschädigung für entäuschtes Vertrauen. 79 Beide Entschädigungsvorschriften des FluglSchG finden daher neben bzw. (zeit75 BVerwG, Urt. vom 29. 01. 1991 - BVerwGE 87, S. 332 (383) - ZLW 1991, S. 428 (453 f.); Bartunek, Drittschutz, S. 187; Michler; Verkehrsimmissionsschutz, S. 141 ff. 76 Kühling / Hernnann, Fachplanungsrecht, Rn. 464. 77 Kühling / Hernnann, Fachplanungsrecht, Rn. 654; Steinberg / Berg /Wickel, Fachplanung, § 4, Rn. 118. 78 Renziehausen, Lärmschutz, S. 123. 79 Renziehausen, Lärmschutz, S. 140.
A. Stufen des Lännschutzes
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lich) nach den Vorschriften des Fachplanungsrechts Anwendung. In der Praxis weisen sie allerdings aufgrund der Ausnahmetatbestände des § 5 Abs. 3 FluglSchG nur geringe Relevanz auf. 8o Die aufgrund des FluglSchG geleisteten Zahlungen beziehen sich im wesentlichen auf Aufwendungserstattungen nach § 9 FluglSchG. 81 § 9 Abs. I S. I FluglSchG gewährt einen Kostenerstattungsanspruch .für bauliche Schallschutzmaßnahmen nur für in Schutzzone I gelegene schutzbedürftige Einrichtungen und Wohnungen, die zum Zeitpunkt der Festsetzung des Lärmschutzbereichs bereits rechtmäßig errichtet waren oder für die eine Baugenehmigung erteilt worden ist. Die Kostenerstattung ist allerdings gern. § 9 Abs. 3 S. 2 FluglSchG auf einen gewissen Betrag begrenzt. Auch dieser Anspruch besteht erst nach der luftverkehrsrechtlichen Planung, wenn nämlich die Lärmschutzbereiche festgesetzt sind. Er dient dazu, die Grundstückseigentümer zur freiwilligen Durchführung von Lärmschutzmaßnahmen zu veranlassen, wenn diese wegen bereits eingetretenen Bestandsschutzes hierzu nicht verpflichtet werden sollten oder konnten. 82 Eine Konkurrenz mit eventuellen Ansprüchen auf Aufwendungsersatz im Rahmen der Flughafenplanung besteht nicht. 83
III. Versagung der Planung Abschließend ist jedoch eines festzuhalten: Lassen sich die mit einem Vorhaben einhergehenden nachteiligen Wirkungen weder durch Schutzauflagen unter die Zumutbarkeitsschwelle "drücken" noch durch die Gewährung eines Geldersatzes nach § 74 Abs. 2 S. 3 VwVfG ausgleichen, so ist die gesamte Planung als unausgewogen zu versagen. 84 In der Praxis erscheint der Fall der Versagung allerdings äußerst unwahrscheinlich.
IV. Zwischenergebnis Bei Überschreiten der lärrnrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle des § 9 Abs. 2 LuftVG wird ein mehrstufiges Maßnahmenkonzept angewendet. Auf einer ersten Stufe sind dabei Maßnahmen des aktiven und passiven Lärmschutzes anzuordnen. Dabei gilt im Bereich des Fluglärms, daß Maßnahmen des Steinebach, Grenzwerte, S. 75. Renziehausen, Lännschutz, S. 139 ff. 82 Renziehausen, Lännschutz, S. 155. 83 Im übrigen gilt, daß die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze weit unter dem Wert der Schutzzone 1, nämlich 75 dB (A) liegt und auch dem Umfang nach nicht beschränkt ist. 84 Steinberg/Berg/Wickel, Fachplanung, § 4, Rn. 1. 80
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5. Teil: Rechtsfolgen bei Überschreiten der Zumutbarkeitsschwelle
aktiven Lärmschutzes kein absoluter, sondern nur ein relativer Vorrang vor Maßnahmen des passiven Lärmschutzes zukommt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang grundsätzlich das Verhältnis zwischen Maßnahmen im Rahmen der Abwägung gern. § 8 Abs. 1 LuftVG und Maßnahmen auf Grundlage der Schutzvorkehrungsvorschrift des § 9 Abs. 2 LuftVG. Schutzvorkehrungen können erst dann angeordnet werden, wenn eine Problembewältigung im Rahmen der Abwägung selbst nicht möglich erscheint. Von Bedeutung ist dies insbesondere für betriebswirksame Schutzanordnungen: Während betriebliche Kapazitätseingriffe auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 LuftVG erfolgen müssen, können andere betriebswirksame Regelungen, die ohne Eingriff in die Kapazität des Flugplatzes das "Wie" der Betriebsabwicklung bestimmen, auf Grundlage des § 9 Abs. 2 LuftVG angeordnet werden können. Sind Maßnahmen des aktiven oder passiven Lärmschutzes jedoch nicht möglich, so muß den Betroffenen auf einer zweiten Stufe eine Entschädigung gewährt werden. Erst wenn auch diese Möglichkeit nicht gegeben ist, kommt eine Versagung der gesamten Planung in Betracht.
B. Nachträgliches Überschreiten der Zumutbarkeitsschwelle Planfeststellungsbedürftig sind gern. § 8 LuftVG grundsätzlich nur die Anlage, der Betrieb und die wesentliche Änderung der Anlage oder des Betriebs. Dementsprechend sind auch Lärmschutzvorkehrungen im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG nur für diese Vorhaben anzuordnen. Es stellt sich daher das folgende Problem: Sobald die Entscheidung über die Anlage und den Betrieb eines Verkehrsflughafens unanfechtbar geworden ist, kann die Lärmschutzregelung des § 9 Abs. 2 LuftVG nicht mehr eingreifen. Fraglich ist also, ob sich bei nachträglichem Anwachsen der tatsächlichen Fluglärmbelastungen auch nachträglich Lärmschutzmaßnahmen durchsetzen lassen.
I. Nachträgliche Schutzanordnungen 1. Wesentliche Änderung
Zunächst könnte die nachträgliche Erhöhung der Fluglärmbelastung ein Fall der wesentlichen Änderung des Flughafens sein, die gern. § 8 Abs. 1, 3 LuftVG planfeststellungsbedürftig ist. 85 Allerdings ist zu berücksichtigen, daß Änderungen des Flughafenbetriebs keine Planfeststellung erfordern, sondern lediglich gern. § 8 85
Ausführlich zum Kriterium der Wesentlichkeit, vgl. Delbanco, Änderung, S. 195 ff.
B. Nachträgliches Überschreiten der Zumutbarkeitsschwelle
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Abs. 4 i.Y.m. § 6 Abs. 4 S. 2 LuftVG genehmigungspflichtig sind. 86 Änderungen des Betriebs sind entsprechend § 6 Abs. 4 S. 2 LuftVG nur dann genehmigungspflichtig, wenn es sich um wesentliche Änderungen handelt. 87 Ob ein bestehender Flughafen geändert wird, ist anhand des vorliegenden Planfeststellungsbeschlusses bzw. anhand der vorliegenden Genehmigung zu überprüfen. Ändert sich dementsprechend nur die tatsächliche (Lärm) Situation und hält sich diese Änderung im Rahmen des bereits Planfestgestellten bzw. Genehmigten, so äußert die Änderung keine rechtliche Relevanz. 88 Wird demnach nur die technische (bereits planfestgestellte bzw. genehmigte) Kapazität eines Flughafens weiter ausgeschöpft, so liegt keine wesentliche Änderung vor. 89 2. Nachbesserungsklausel
Der Planfeststellungsbeschluß unterliegt allerdings trotz Unanfechtbarkeit gleichsam einem gesetzlichen Planergänzungsvorbehalt. 9o Lärmbetroffene können nämlich auch nach Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses einen Anspruch auf Schutzanordnungen, ersatzweise auf angemessene Entschädigung in Geld, haben, wenn nicht vorhersehbare Wirkungen des Vorhabens auftreten, § 75 Abs. 2 S. 2,4 VwVfG. Dieser Anspruch ist im Verfahren gern. § 75 Abs. 3 VwVfG gegen die Planfeststellungsbehörde geltend zu machen. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf nachträgliche Schutzanordnungen stimmen mit denen auf eine Schutzanordung in der Planfeststellung überein. 91 Der Anspruch ist jedoch ausgeschlossen, wenn die Wirkungen vorhersehbar waren oder vor Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses eingetreten sind. 92 Ob bei der Frage der Vorhersehbarkeit ein objektiver oder ein subjektiver Maßstab angelegt werden muß, ist umstritten. Nach der Rechtsprechung sind Wirkun86 GiemullalSchmid, LuftVG, § 8 Rn. 21, der gleichzeitig fordert, daß dann das Genehmigungsverfahren ähnlich wie das der Planfeststellungs ablaufen muß, denn die Änderung des Flughafenbetriebs kann sich empfindlich auf die nachbarlichen Rechte auswirken. 87 Ronellenfitsch, DVBI. 1994, S. 441 (447). Der Flughafenunternehmer muß gern. § 45 Abs. 2 LuftVZO betriebliche Erweiterungen der Genehmigungsbehörde rechtzeitig anzeigen. Er eröffnet so die Prüfung der Behörde, ob ein Änderungsgenehmigungsverfahren nach § 6 Abs. 4 S. 2 LuftVG durchgeführt werden muß. 88 Delbanco, Änderung, S. 195; SteinberglMüller; NJW 2001, S. 3293 (3293 f.); a.A. wohl Geulenl Klüiger; NJW 2001, S. 1038 (1038), die von einem Anspruch auf Neuabwägung ausgehen, wenn durch wesentliche Erhöhungen der Anzahl der Flugbewegungen die Grundlagen der Abwägung in Frage gestellt werden. 89 HojmannlGrabherr; LuftVG, § 6, Rn. 28; SteinberglMüller; NJW 2001, S. 3293 (3295). 90 GiemullalSchmid, LuftVG, § 9, Rn. 10 f. 91 Steinberg I Berg I Wickel, Fachplanung, § 4, Rn. 129. 92 Dann ist nur eine Änderung des Planfeststellungsbeschlusses über §§ 48, 49 VwVfG möglich, vgl. KopplRamsauer; VwVfG, § 75, Rn. 24.
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5. Teil: Rechtsfolgen bei Überschreiten der Zumutbarkeitsschwelle
gen dann vorhersehbar, wenn der Betroffene mit den nach Unanfechtbarkeit aufgetretenen Nachteilen verständigerweise rechnen mußte. 93 Dies entspricht einer eher objektiven Betrachtungsweise. 94 Die Literatur stellt hingegen überwiegend auf eine subjektive Betrachtungsweise ab. Maßgeblich muß danach die Perspektive des einzelnen Betroffenen sein, wobei aber auch von einer durchschnittlichen Erkenntnisfahigkeit (nicht jedoch von fachkundiger Beurteilung) auszugehen ist. 95 Insgesamt ist ein eher großzügiger Maßstab anzulegen. 96 Nicht vorhersehbar sind dementsprechend Immissionssteigerungen, die auf einer Zunahme des Verkehrsaufkommens beruhen, welche über die prognostischen (rechtlich nicht zu beanstandenen) Grundannahmen für den Planfeststellungsbeschluß deutlich hinausgehen. 97 Gleiches gilt, wenn die Schädlichkeit oder Gefährlichkeit von Auswirkungen nunmehr aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse anders zu beurteilen ist. 98 Damit wird den Ungewißheiten prognostischer Abschätzungen Rechnung getragen, die ohnehin nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegen. 99 Nicht voraussehbare Wirkungen liegen weiterhin vor, wenn Regelungen des Flugplatzverkehrs gern. § 2la LuftVO oder Flugverfahren gern. § 27a LuftVO geändert werden. 1Oo Eventuell gilt dies auch für die Änderungen der Flugrouten.
3. Teilwiderruf Grundsätzlich besteht die Möglichkeit einer nachträglichen Anordnung von Schutzmaßnahmen nach Maßgabe der Bestimmungen über die Rücknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten nach §§ 48, 49 VwVfG. Diese Vorschriften werden nicht durch § 72 Abs. 1 VwVfG ausgeschlossen. 101 Insbesondere stehen sie neben der Vorschrift des § 75 Abs. 2 VwVfG und bleiben von ihr unberührt. 102 93 BVerwG, Urt. vom 01. 07. 1988 - BVerwGE 80, 7 (13); BVerwG, Urt. vom 23. 04. 1997 - UPR 1997, S. 462 (462). 94 VGH München, Besch!. vom 12. 10. 1995 - NVwZ 1996, S. 1125 (1127). 95 Koppl Ramsauer; VwVfG, § 75, Rn. 25a m. w. N. 96 UlelLaubinger; VwVfG, § 42, Rn. 5. 97 SteinberglBerglWickel, Fachplanung, § 6, Rn. 130; KopplRamsauer; VwVfG, § 75, Rn. 25a. 98 BVerwG, Urt. vom 19. 12. 1985 - BVerwGE 72, S. 300 (312); KopplRamsauer; VwVfG, § 75, Rn. 25a. 99 Kuschnerus, in: Koch, Schutz vor Lärm, S. 93 (102). 100 HofmannlGrabherr; LuftVG, § 9, Rn. 83 101 KopplRamsauer; VwVfG, § 72, Rn. 22. 102 BVerwG, Urt. vom 21. 05. 1997 - NVwZ 1998, S. 281 (282 f.); KopplRamsauer; VwVfG, § 75, Rn. 21; Sieg, SchutzaufIage, S. 101; a.A. hingegen OVG BerUn, Urt. vom 02.05. 1996 - ZLW 1997, S. 378 (398 f.): die planfeststellungsrechtlichen Spezialvorschriften der § 9 Abs. 2 LuftVG i.Y.m. § 72 Abs. 1,75 Abs. 2 VwVfG stünden den allgemeinen
B. Nachträgliches Überschreiten der Zumutbarkeitsschwelle
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a) Rechtsgrundlage
Gehen von einem Flughafen nachträglich unzumutbare Lärmbelastungen aus, so kommt also die Möglichkeit eines Teilwiderrufs des Planfeststellungsbeschlusses gern. §§ 72 Abs. I i.V.m. § 49 Abs. 2 Nr. 3, 5 LVwVfG in Betracht. Allerdings sind die Rücknahmemöglichkeiten nur begrenzt. So erfordert ein Widerruf gern. § 49 Abs. 2 VwVfG aufgrund des schutzwürdigen Vertrauens auf die Bestandskraft des Verwaltungsakts ein öffentliches Interesse an dem Widerruf (Nr. 3) bzw. den Eintritt eines schweren Nachteils für das Gemeinwohl ohne den Widerruf (Nr. 5).103 Nachträgliche Lärmbeeinträchtigungen erfüllen diese Voraussetzungen aber erst, wenn sie die grundrechtliche Gefahrenschwelle überschreiten. 104 Daher wird auf diese Weise nicht die Einhaltung der fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle gewährleistet. Gleiches gilt, wenn man die Widerrufsgründe der speziellen Widerrufsvorschrift des § 6 Abs. 2 S. 3 LuftVG aufgrund des engen sachlichen Zusammenhangs zwischen Genehmigung und Planfeststellung auf die Planfeststellung übertragen würde. Auch gern. § 6 Abs. 2 S. 3 LuftVG ist ein Widerruf nur zulässig, wenn nachträglich Tatsachen eingetreten sind, die eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellen. Hieraus folgt, daß im Rahmen dieser Vorschrift ebenfalls der Schutz vor Fluglärm erst ab der grundrechtlichen Gefahrenschwelle einsetzt. b) Sonderfall der nachträglichen Betriebsbeschränkungen
Wie oben bereits dargestellt, sind Änderungen des Betriebes nicht planfeststellungsbedürftig, sondern erfordern lediglich eine Genehmigung entsprechend § 6 Abs. 4 S. 2 LuftVG, § 8 Abs. 4 LuftVG. Um demnach eine nachträgliche Betriebsbeschränkung durchzusetzen, muß auf die Genehmigungsregelung des § 6 LuftVG Widerrufsvorschriften entgegen. Begründet wird dies unter anderem damit, daß Planfeststellungsbeschlüssen eine erhöhte Bestandskraft zukomme, so daß nur die Möglichkeiten des § 75 Abs. 2-4 VwVfG in Betracht kämen. 103 In § 6 Abs. 2 S. 3 LuftVG wird bestimmt, daß die Genehmigung unter bestimmten Umständen widerrufen werden kann. Dafür muß sich nachträglich herausstellen, daß das in Aussicht genommene Gelände ungeeignet ist, oder es müssen sich nachträglich Tatsachen ergeben, die die Annahme rechtfertigen, daß die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet ist. Nach einer Ansicht ist dementsprechend ein Widerruf nur dann möglich, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind. Nach einer extensiven Meinung ist ein Widerruf bereits dann möglich, wenn eine der gesetzlichen Bedingungen für die Erteilung der Genehmigung (wie z. B. ausreichender Lärmschutz) nicht mehr vorliegt. Siehe hierzu m. w. N. Geisler, ZLW 1997, S. 307 (311 f.). 104 Für die Beeinträchtigung des Gemeinwohls gern. § 49 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG gilt, daß diese auch eintreten kann, wenn eine Gefährdung der Gesundheit Einzelner zu befürchten ist, da auch deren Schutz wegen Art. 2 GG eine vorrangige Aufgabe der Gemeinschaft ist, vgl. KopplRamsauer, VwVfG, § 49, Rn. 57. Bei § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG könnte die Lärmbeeinträchtigung eventuell die Volksgesundheit gefährden, vgl. KopplRamsauer, VwVfG, § 49, Rn. 48.
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5. Teil: Rechtsfolgen bei Überschreiten der Zumutbarkeitsschwelle
zurückgegriffen werden. Diese enthält allerdings keine Ermächtigung zum Erlaß nachträglicher Anordnungen oder Auflagen zur Genehmigung. Die Verringerung des Betriebs eines Verkehrsflughafens läßt sich jedoch als Teilwiderruf der ursprünglich erteilten Betriebsgenehmigung auffassen. Eine gesetzliche Grundlage für derartige Maßnahmen bietet § 6 Abs. 2 S. 3 LuftVG. \05 Problematisch ist allerdings die Frage, ob § 6 Abs. 2 S. 3 LuftVG nur auf den vorangegangenen Satz 2 (Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung) oder auch auf Satz 1 (angemessener Schutz vor Fluglärm) verweist. Wird die Auffassung vertreten, daß die Genehmigung nur dann widerrufen werden kann, wenn nachträglich Tatsachen eingetreten sind, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden, so wird nur vor Fluglärm oberhalb der grundrechtlichen Gefahrenschwelle des Art. 2 Abs. 2 GG geschützt. Ist hingegen ein Widerruf der Genehmigung bereits dann möglich, wenn der Schutz vor Fluglärm nicht angemessen berücksichtigt wird, so wird ein Schutz vor unzumutbaren Lärmeinwirkungen ermöglicht. Die Entscheidung in dieser Frage hat demnach für das Lärmschutzniveau durchaus Relevanz. 106 Im Hinblick auf einen effektiven umfassenden Lärmschutz wäre es wünschenswert, daß ein Widerruf der Genehmigung dann erfolgen kann, wenn eine der Genehmigungsvoraussetzungen, insbesondere der Schutz vor Fluglärm, nicht mehr vorliegt. \07 Allerdings erscheint es im Hinblick auf den Wortlaut der Vorschrift und im Hinblick auf das schutzwürdige Vertrauen des Flughafenbetreibers auf die Bestandskraft des Verwaltungsakts angemessener, einen Widerruf nur dann zuzulassen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden. Diese Lösung entspricht auch der allgemeinen Widerrufsvorschrift des § 49 VwVfG, die ebenfalls aus Vertrauensschutzgründen höhere Anforderungen an den Widerruf als an den Erlaß des Verwaltungsakts stellt. Im Ergebnis ist daher ein Teilwiderruf der Genehmigung gern. § 6 Abs. 2 S. 3 LuftVG nur dann möglich, wenn nachträglich Fluglärmbelastungen auftreten, die die grundrechtliche Gefahrenschwelle überschreiten.
4. Anspruch aus Grundrechten Es könnte ein unmittelbar verfassungsgebotener Anspruch aus Art. 14 Abs. 1 bzw. Art. 2 Abs. 2 GG auf Lärmsanierung bestehen, wenn das Ausmaß der Fluglärmbelastung bei bereits bestehenden Flughäfen "schwer und unerträglich" in die 105 BayVGH, NVwZ-RR 1998, S. 490 (492); Delbanco, Änderung, S. 178 ff.; "ysk, ZLW 1998, S. 18 (31). In der Praxis wird die Genehmigung oftmals mit einem Auflagenvorbehalt gern. § 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG erteilt, so daß auch auf dieser Grundlage nachträglich Lärmschutzauflagen erlassen werden können. 106 A.A. Geisler; ZLW 1997, S. 307 (311 f.); PierothlGörisch, ZLW 2000, S. 17 (23 f.). 107 BayVGH, BayVBl. 1984, S. 46 (48).
B. Nachträgliches Überschreiten der Zumutbarkeitsschwelle
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Eigentumsrechte des Nachbarn eingreift bzw. die Schwelle der Gesundheitsgefährdung erreicht. 108 Allerdings liegt die Belastungsschwelle für einen solchen Anspruch unmittelbar aus der Verfassung viel höher als die einfachgesetzliche Zumutbarkeitsschwelle gern. § 9 Abs. 2 LuftVG. 109 5. Erfordernis weiterer Sanierungsregelungen Wie dargestellt, bestehen mehrere Möglichkeiten des nachträglichen fluglärmschutzes bei späterem Ansteigen der Lärmbelastung. Die bestehenden Regelungen können daher unter gewissen Voraussetzungen Betriebssteigerungen auffangen. Allerdings fehlt eine eindeutige Regelung, die zu Lärmschutzanordnungen bei nachträglichem Überschreiten der Zumutbarkeitsschwelle ermächtigt. 110 Von Bedeutsamtkeit wäre eine derartige Ermächtigungsnorm jedenfalls für die Fälle, in denen die Lärmbelastungssituation durch Lärmvorbelastungen oder hinzutretende Lärmbelastungen anderer Emittenten in den Bereich des Unzumutbaren gerät. 111
11. "Mittelbare Lärmsanierung" Eine mittelbare Lärmsanierung erfolgt dann, wenn die planfeststellungsbedürftige wesentliche Änderung oder Erweiterung von Flughäfen "inzident" eine Verbesserung der bereits bestehenden Lärmsituation zur Folge hat. Auch in diesem Bereich besteht keine spezielle gesetzliche Regelung, so daß auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zurückgegriffen werden muß. Es sind drei Fallkonstellationen denkbar: In der ersten Konstellation läßt die Änderung oder Erweiterung die bestehende Situation hinsichtlich der Lärmimmissionen unverändert. In einem solchen Fall ist festzuhalten, daß der Planfeststellungsbehörde keine Pflicht zur Verbesserung der vorgefundenen Situation obliegt. 112 Bewirkt hingegen die Änderung oder Erweiterung des Flughafens erhöhte Lärmimmissionen, so besteht zu Schutzanordnungen nur dann Veranlassung, wenn durch den neu hinzutretenden Fluglärm der Pegel des Gesamtgeräusches in beachtlicher Weise erhöht wird und gerade in dieser Erhöhung eine zusätzliche unzumut108 aVG Bertin, Vrt. vom 02.05. 1996 - ZLW 1997, S. 378 (400); Hermann, Fluglärm, S. 148 f.; für den Straßen-und Schienenverkehrslärm, vg!. Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 41, Rn. 43. 109 Für den Straßenverkehrslärm, vg!. Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 41, Rn. 107. 110 Die genannten Normen stehen jeweils unter einem Vorbehalt (z. B. fehlerhafte Prognose). III Voraussetzung wäre hierfür natürlich, daß eine summative Betrachtungsweise zumindest gleichartiger Lärmquellen geboten ist. 112 BVerwG, Besch!. vom 23. 06.1989 - NVwZ 1990, S. 263 (263); VG Frankfurt, Besch!. vom 02.09. 1996 - ZLW 1997, S. 407 (417).
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5. Teil: Rechtsfolgen bei Überschreiten der Zumutbarkeitsschwelle
bare Belastung liegt. 113 Eine solche beachtliche Erhöhung des Gesamtgeräusches liegt wohl bei einer Differenz von 3 dB (A) vor."4 Haben hingegen die Lärmwirkungen des Flughafens schon vor dessen Änderung zu einer Verletzung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit oder zu einer "schweren und unerträglichen" Belastung des Grundeigentums geführt, so muß nicht wegen, sondern aus Anlaß der notwendigen Planfeststellung Lärmschutz angeordnet werden. 115 Im Ergebnis ist festzuhalten, daß die Frage der mittelbaren Sanierung tatsächlich eine Frage der Berücksichtigung von Vorbelastungen ist. Werden grundsätzlich alle bereits bestehenden Lärmbelastungen bei der Feststellung des Lärmpegels miteinbezogen, so wird die Zumutbarkeitsschwelle eher überschritten und es müssen Schutzvorkehrungen getroffen werden. Dies muß im übrigen auch dann gelten, wenn sich der Lärmpegel um weniger als 3 dB (A) erhöht, dennoch aber die Zumutbarkeitsschwelle überschritten wird. Auf diese Weise könnte eine mittelbare Lärmsanierung stattfinden.
111. Ergebnis Auch wenn die lärmrechtliche Zumutbarkeitsgrenze des § 9 Abs. 2 LuftVG nachträglich überschritten wird, bestehen mehrere Möglichkeiten der Anordnung von Lärmschutzmaßnahmen. Diese unterliegen jedoch jeweils der Einhaltung bestimmter einschränkender Voraussetzungen. Eine ausdrückliche, vorbehaltlose Rechtsgrundlage für nachträgliche Anordnungen beim Überschreiten der Schwelle des § 9 Abs. 2 LuftVG existiert nicht. Die planfeststellungsbedürftige wesentliche Änderung oder Erweiterung von Flughäfen kann aber "inzident" eine Verbesserung der bereits bestehenden Lärmsituation zur Folge haben. Dies ist einmal der Fall, wenn durch eine Änderung oder Erweiterung eines Flughafens die bestehende Lärmbelastung unzumutbar erhöht wird. Weiterhin kann eine solche Lärmsanierung dann erfolgen, wenn der bereits bestehende Flughafen Lärmbeeinträchtigungen verursacht, die die Grundrechte der Lärmbetroffenen aus Art. 2 Abs. 2 GG oder Art. 14 Abs. 1 GG beeinträchtigen. In einem solchen Fall findet eine Lärmsanierung aus Anlaß der neuen Planung statt.
113 Ständige Rspr. seit BVeIWG, Vrt. vom 21. 05. 1976 - BVerwGE 51, S. 15 (32) - NJW 1976, S. 1760 (1763) für § 17 Abs. 4 FStrG a.F., die auf § 9 Abs. 2 LuftVG übertragen wurde. 114 VG Frankfurt, Besch!. vom 02. 09.1996 - ZLW 1997, S. 407 (417); BVeIWG, Vrt. vom 22.05.1987 - BVerwGE 77, S. 285 (293). 115 BVeIWG, Vrt. vom 07. 07. 1978 - BVerwGE 56, S. 110 (132); BVeIWG, Vrt. vom 14. 12. 1979 - BVerwGE 59, S. 253 (265 f.).
Sechster Teil
Zusammenfassung Angesichts der Prognose weiterhin steigender Flugbewegungszahlen für die nächsten Jahre wird sich die bestehende - politisch stark umstrittene - Problematik des Fluglärms bei der Planung von Verkehrsflughäfen höchstwahrscheinlich verschärfen. Daher bedarf es einer kritischen Überprüfung des bestehenden Schutzes vor Fluglärm, die zum Vorschlag einer neuen "Fluglärmschutzverordnung" und deren Ausgestaltungsmöglichkeiten führt. Das Lärmphänomen stellt den Gesetzgeber vor einige grundlegende Probleme. Diese liegen zunächst darin begründet, daß sich die Materie des Lärms als äußerst komplex darstellt. Ob ein Geräusch zu Lärm wird, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, deren Beurteilung weitreichende physikalische und medizinische Kenntnisse voraussetzt. Deshalb ist ein Rückgriff auf den einschlägigen physikalisch-technischen Sachverstand und die Kenntnisse der medizinischen Lärmwirkungsforschung unumgänglich. Neben den komplexen Charakter des Lärmphänomens treten die Besonderheiten des Fluglärms. Hierzu gehört die enorme Zunahme der Luftverkehrs während der letzten Jahrzehnte; er wird den Prognosen nach in den nächsten Jahren weiterhin ansteigen. Überdies weist Fluglärm eine besondere Störqualität auf, die ihn beispielsweise gegenüber dem Straßenverkehrslärm als die belästigendere Lärmart kennzeichnet. Hinzu tritt die Tatsache, daß sich Fluglärm von einem fliegenden Objekt aus der Höhe ausbreitet, wogegen ein Schutz kaum möglich ist. Weitere nicht zu vernachlässigende Erschwernisse des Schutzes vor Fluglärm ergeben sich aus der politischen und wirtschaftlichen Komponente des Lärmschutzes an Verkehrsflughäfen. Da ein effektiver Lärmschutz betriebliche Einschränkungen sowie hohe Kosten erforderlich machen kann, stehen die Lärmschutzinteressen diametral den wirtschaftlichen Interessen an einer weitgehenden Ausnutzung der Flughafenkapazitäten gegenüber. Diese ist für die Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Verkehrsflughäfen von großer Bedeutung. Die widerstreitenden Interessen von Umweltschutz und Wirtschaft machen deutlich, daß es sich bei dem Schutz vor Fluglärm zu großen Teilen um eine politische Entscheidung handelt. Die starke Zunahme der Fluglärmimrnissionen in den letzten Jahrzehnten hat dazu geführt, daß der Belang des Lärmschutzes bei der Planung von Verkehrsflughäfen sehr an Bedeutung gewonnen hat. Diese Entwicklung wird verdeutlicht durch den Erlaß des FluglSchG 1971, das ausschließlich den Schutz vor Fluglärm
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6. Teil: Zusammenfassung
in der Umgebung von Flugplätzen zum Ziel hat. Gleichzeitig wurden auch in das luftverkehrsrechtliche Zulassungsrecht nach dem LuftVG ausdrückliche Lärmschutzregelungen eingefügt. Das luftverkehrsrechtliche Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren ist jedoch grundsätzlich nicht das einzige Verfahren, das im Rahmen der Planung eines Verkehrsflughafens Bedeutung erlangt. Aufgrund der weitreichenden raumbeeinflussenden und raumgestaltenden Auswirkungen eines Verkehrsflughafens ist eine frühzeitige Koordinierung der an und in dem fraglichen Raum vorhandenen Interessen durch das überörtliche und überfachliche Raumordnungsrecht notwendig, das dem luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfahren vorgeschaltet ist. Grundsätzliches Anliegen des Raumordnungsrechts muß es dabei sein, aktiven Lärmschutz durch Einhaltung eines gewissen Abstandes zwischen lärmemittierenden Verkehrsflughäfen und Wohnbevölkerung zu gewährleisten. Allerdings stößt das Raumordnungsrecht auf die praktischen Probleme der hohen Siedlungsdichte in der Bundesrepublik und der flächendeckenden Ausbreitung des Fluglärms, was die Einhaltung eines ausreichenden Lärmschutzabstandes in hohem Maße erschwert. Daher kann das Raumordnungsrecht im Ergebnis nur einen geringen Beitrag zur Bewältigung der Fluglärmproblematik leisten. Gleiches gilt für die im Rahmen des Raumordnungsverfahrens durchzuführende Umweltverträglichkeitsprüfung, die im wesentlichen dazu dient, der Verwaltung frühzeitig eine bessere umweltbezogene Informationsbasis an die Hand zu geben. Von Bedeutung im Rahmen der Planung eines Verkehrsflughafens ist weiterhin das FluglSchG, das die Festlegung zweier Lärmschutzzonen in der Umgebung von Flugplätzen vorsieht, in denen gewisse Baubeschränkungen und Entschädigungsleistungen bzw. Aufwendungsersatz zu berücksichtigen sind. Der grundsätzliche Ansatz, in der Umgebung von Flugplätzen Bauverbotszonen einzurichten, um einen ausreichenden Abstand des Flugplatzes zu der umliegenden Wohnbebauung einzuhalten, ist begrüßenswert. Allerdings hat sich das FluglSchG im wesentlichen in ein Aufwendungsersatz- und Entschädigungsgesetz gewandelt. Daher kann das FluglSchG keinen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung der Fluglärmproblematik leisten. Von entscheidender Bedeutung für den Schutz vor Fluglärm bei der Planung eines Verkehrsflughafens sind daher die luftverkehrsrechtlichen Zulassungsregelungen gern. §§ 6, 8 ff. LuftVG. Die Besonderheit des luftverkehrsrechtlichen Planungsrechts besteht zunächst darin, daß für die Zulassung von Verkehrsflughäfen eine Genehmigung gern. § 6 LuftVG und eine Planfeststellung gern. §§ 8 ff. LuftVG erforderlich ist. 1993 wurde durch den Erlaß des Planungsvereinfachungsgesetzes das umstrittene Verhältnis von Planfeststellung und Genehmigung geklärt, indem die Planfeststellung ausdrücklich in den Mittelpunkt der luftverkehrsrechtlichen Zulassungsentscheidung gestellt wurde. Das Nebeneinander von Genehmigung und Planfeststellung sollte daher durch ein einstufiges Verfahren ersetzt werden. Allerdings spielt die
6. Teil: Zusammenfassung
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Frage nach dem Verhältnis von Genehmigung zur Planfeststellung in der Praxis mittlerweile keine große praktische Rolle mehr. Im Rahmen der Genehmigungserteilung gern. § 6 LuftVG können Fluglärmeinwirkungen je nach Intensität einen Versagungsgrund oder lediglich einen Abwägungsbelang darstellen, denn die luftverkehrsrechtliche Genehmigung weist eine Doppelnatur auf, indem sie sowohl gefahrenabwehrrechtliche Elemente als auch planerische Elemente enthält. Wird im Rahmen der planerischen Abwägung des § 6 Abs. 2 S. 1 LuftVG - parallel zu § 9 Abs. 2 LuftVG - die Schwelle der unzumutbaren Lärmbelastungen überschritten, so muß die Genehmigung versagt werden. Lärmbelastungen unterhalb dieser Zumutbarkeitsschwelle finden in der Abwägung lediglich Berücksichtigung und können hinter anderen Belangen zurückgestellt werden. In der Praxis ist die luftverkehrsrechtliche Genehmigung - sofern sie nicht als isolierte Genehmigung auftritt - vor allem für den Fall der wesentlichen Betriebsänderung von Bedeutung, in dem eine zusätzliche Planfeststellung gern. § 8 Abs. 4 S. 2 LuftVG nicht erforderlich ist. Neuanlage und Betrieb eines Verkehrsflughafens sowie wesentliche Änderungen der Anlage bedürfen einer Planfeststellung gern. § 8 ff. LuftVG. Kennzeichnend für die Planfeststellung ist die planerische Gestaltungsfreiheit, die der zuständigen Behörde bei der Entscheidung zukommt. Allerdings ist auch diese Gestaltungsfreiheiheit gewissen rechtlichen Bindungen unterworfen, nämlich der Planrechtfertigung, den gesetzlichen Planungsleitsätzen und dem Abwägungsgebot. Die Planung eines Verkehrsflughafens ist dann als gerechtfertigt anzusehen, wenn sie vernünftigerweise geboten ist. Hierfür ist eine Betrachtung des vom Luftverkehrsgesetz verfolgten Ziels und des hierdurch ausgelösten Bedarfs notwendig. Allerdings stellt das Erfordernis der Planrechtfertigung nur ein erstes grobes Kriterium im Rahmen der Planfeststellung dar, da fast jedes Vorhaben als "vernünftigerweise geboten" angesehen werden kann. Die Planfeststellungsbehörde ist im Rahmen ihrer Entscheidung weiterhin an die zwingenden Normen des materiellen Rechts gebunden. Relevant ist hier vor allem § 9 Abs. 2 LuftVG, der der Abwägungsentscheidung eine strikte Grenze setzt, wenn unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen durch das Vorhaben verursacht werden. Erreichen die Lärmeinwirkungen demnach die Zumutbarkeitsschwelle des § 9 Abs. 2 LuftVG, so hat die Planfeststellungsbehörde keinen Entscheidungsspielraum mehr im Hinblick auf die Frage, ob Lärmschutzvorkehrungen getroffen werden müssen. Gleichzeitig ermöglicht die Schutzvorkehrungsvorschrift des § 9 Abs. 2 LuftVG durch die Auferlegung von Schutzvorkehrungen die Zulassung von Vorhaben, die ansonsten unzulässig wären, und dient demnach dem Ausgleich widerstreitender Interessen in der Abwägung. Da § 9 Abs. 2 LuftVG der Abwägung zugunsten von Lärmschutzbelangen eine zwingend einzuhaltende Grenze setzt, stellt sie sich als Zentralnorm des Lärmschutzes in der luftverkehrsrechtlichen Planung dar.
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6. Teil: Zusammenfassung
Der Kernbereich der Planfeststellung wird durch das Abwägungsgebot bestimmt. In Bezug auf Fluglärm gilt, daß als abwägungserheblicher Belang jede Lärmbelastung anzusehen ist, die nicht lediglich als geringfügig einzustufen ist. Abwägungserheblich sind somit die schwere und unerträgliche Lärmbetroffenheit im Sinne der früheren Rechtsprechung zur sogenannten Ereignisschwelle, weiterhin die unzumutbare Lärmbelastung, wie sie für Schutzauflagen an den Vorhabenträger nach § 9 Abs. 2 LuftVG Voraussetzung ist, und schließlich der unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle liegende, aber nicht geringfügige Fluglärm. Tatsächlich sind allerdings nur Fluglärmbelastungen unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle des § 9 Abs. 2 LuftVG als "echte" Abwägungsbelange anzusehen, da nur diese in der Abwägung hinter anderen Belangen zurücktreten können. Lärmbeeinträchtigungen oberhalb dieser Zumutbarkeitsschwelle sind einer Abwägung gerade nicht zugänglich und setzen so der Abwägung eine strikte Grenze. Dem Belang des Schutzes vor Fluglärm kommt in der Abwägung über die Optimierungsgebote des § 29b LuftVG, § 50 BImSchG und Art. 20a GG ein besonderes Gewicht zu. Allerdings bewirken sie keinen absoluten Vorrang von Lärmschutzbelangen, so daß diese in der Praxis dementsprechend häufig hinter anderen Belangen zurücktreten. Für den Rechtsschutz gegen einen Planfeststellungsbeschluß bei fehlenden Schutzvorkehrungen gilt die Besonderheit, daß lediglich ein Anspruch auf Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses geltend gemacht werden kann. Nur ausnahmsweise besteht ein Aufhebungsanspruch, wenn der Mangel von so großem Gewicht ist, daß dadurch nicht nur der einzelne Betroffene benachteiligt, sondern die Ausgewogenheit der gesamten Planung in Frage gestellt wird. Für den Kläger bedeutet dies, daß er im Normalfall eine Verpflichtungsklage auf Erlaß einer Lärmschutzvorkehrung erheben muß. Nur ausnahmsweise ist die Anfechtungsklage gegen den gesamten Planfeststellungsbeschluß zulässig. Für den Rechtsschutz bei Abwägungsfehlern der Behörde gilt, daß dem Betroffenen grundsätzlich ein Recht auf gerechte Abwägung seiner eigenen rechtlich geschützten Belange zusteht, das er klageweise geltend machen kann. In der Praxis wird er damit jedoch wenig Erfolg haben, da er kein Recht auf die tatsächliche Durchsetzung seiner Belange in der Abwägung hat. Die Schutzvorkehrungsvorschrift des § 9 Abs. 2 LuftVG ist für den Schutz vor Fluglärm im Rahmen der Zulassung eines Verkehrsflughafens von zentraler Bedeutung, da sie die Einhaltung einer bestimmten Lärmgrenze zwingend vorschreibt und demnach eine Zurückstellung von Lärmschutzbelangen ab dieser Schwelle nicht mehr zulässig ist. Wann diese Grenze allerdings erreicht ist, wird in § 9 Abs. 2 LuftVG nur sehr unbestimmt formuliert: Danach sind Schutzvorkehrungen dann anzuordnen, wenn Gefahren oder Nachteile für die benachbarten Grundstücke zu befürchten sind. Bei der Anwendung der Norm müssen diese allgemeinen Anforderungen durch konkrete Lärmwerte ausgefüllt werden. Typischerweise geschieht dies durch Lärmgrenzwerte. § 9 Abs. 2 LuftVG enthält derartige Lärmgrenzwerte allerdings
6. Teil: Zusammenfassung
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nicht. Auch die Grenzwerte des FluglSchG, der Landeplatzlärmschutzverordnung, der DIN 45643 und DIN 18005 sowie der Verkehrslärmschutzverordnung sind nicht unmittelbar auf die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze des § 9 Abs. 2 LuftVG zugeschnitten und können deshalb allenfalls als Anhaltspunkt dienen. Aus dem Fehlen von Grenzwerten zur Anwendung des § 9 Abs. 2 LuftVG ergibt sich, daß die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle im jeweiligen Einzelfall von den Verwaltungsbehörden bzw. den Gerichten konkretisiert werden muß. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts soll vor unzumutbaren nachteiligen Auswirkungen durch Fluglärm auf die benachbarten Grundstücke geschützt werden. Die Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Zumutbarkeit stellt dabei das zentrale Problem dar. Das Bundesverwaltungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung zur Konkretisierung der Zumutbarkeitsschwelle des § 9 Abs. 2 LuftVG bestimmte Kriterien entwikkelt. Dabei stellt es auf die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des betroffenen Grundstücks ab, die maßgeblich von Gebietsart und eventuellen Vorbelastungen bestimmt wird. Die Gebietsart richtet sich dabei nach der bebauungsrechtlichen Situation des Grundstücks. Weiterhin wird die Schutzwürdigkeit des Grundstücks von tatsächlichen und plangegebenen Vorbelastungen geprägt, deren Vorliegen sich schutzmindernd auswirkt. Neben der Anwendung dieser genannten Kriterien erfolgt für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze eine zusätzliche Abwägung, die die konkreten Gegebenheiten zum einen der emittierenden Nutzung, zum anderen der immissionsbetroffenen Nutzung in Betracht zieht. Hierbei kann beispielsweise der Gesichtspunkt der Bedeutung eines leistungsfähigen Luftverkehrssystems zur Geltung kommen. Schutzziel ist dabei, durch Einhaltung der Lärmgrenzwerte ein angemessenes Wohnen in den Wohngebieten zu gewährleisten. Aus der Vielzahl der zu berücksichtigenden Aspekte im Einzelfall ergibt sich, daß die Zumutbarkeitsschwelle von Flughafen zu Flughafen variiert. Die einzelfallbezogene Konkretisierung der Zumutbarkeitsschwelle birgt daher erhebliche Probleme im Hinblick auf Rechtssicherheit und Transparenz sowohl für die Betroffenen als auch für die Betreiber. Gleichzeitig führt sie mangels Aktzeptanz gerichtlicher Entscheidungen zur einer hohen Anzahl von Gerichtsverfahren. Gerade Grenzwertentscheidungen sind aufgrund ihrer Komplexität und Kostenträchtigkeit zu großen Teilen politische Entscheidungen mit weitreichenden Folgen, die Gerichte und Verwaltung regelmäßig überfordern und letztlich nur der parlamentarische Gesetzgeber verantworten kann. Derartige Entscheidungen dürfen nicht auf die Gerichte abgewälzt werden. Die Überforderung der Behörden zeigt sich in den langwierigen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren hinsichtlich der Grenzwertfindung. Diesen Nachteilen gerichtlicher Einzelfallentscheidungen stehen die überwiegenden Vorteile von Grenzwerten gegenüber, die aufgrund ihres generellen Geltungsanspruchs Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit für die Betroffenen und die Betreiber bewirken würden. Indem sie weiterhin schwierige wissenschaftliche Sachverhalte durch wenige Werte ersetzen, machen sie die gesetzlichen Umwelt15 Franke
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6. Teil: Zusammenfassung
anforderungen handhabbar und tragen auf diese Weise maßgeblich zur Vereinfachung und Beschleunigung der Zulassungsverfahren bei. Zwar wird insbesondere der ordnungsrechtliche Ansatz des Grenzwertsystems dahingehend kritisiert, daß er zu einer Unterschreitung der Grenzwerte nicht anreize. Doch führt sein Sanktionsmechanismus dazu, daß die bestehenden Werte mit höherer Wahrscheinlichkeit eingehalten werden. Eine Ergänzung des ordnungsrechtlichen Systems durch Instrumente der mittelbaren Verhaltenslenkung erscheint allerdings durchaus erwägenswert. Die Frage der Schaffung einer Grenzwertregelung ist aufgrund der überwiegenden Vorteile gegenüber Einzelfallentscheidungen zu bejahen. Allerdings schließt sich daran die Frage an, auf welche Weise eine derartige Regelung rechtlich zu verankern ist und wie sie konkret auszugestalten ist. Um wirksam zu sein, bedürfen Grenzwerte einer rechtlichen Verankerung. Da die Verbindlichkeit VOn Verwaltungs vorschriften insbesondere im Hinblick auf ihre europarechtliche Vereinbarkeit äußerst umstritten ist, kommt für die Fluglärmgrenzwerte der Erlaß einer Rechtsverordnung in Betracht. Der Erlaß einer Rechtsverordnung erfordert die Einhaltung der Voraussetzungen des Art. 80 GG, wonach Rechtsverordnungen grundsätzlich nur auf Grundlage einer ausreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage erlassen werden können. Der als Ermächtigungsgrundlage in Betracht kommende § 32 Abs. 1 Nr. 15 LuftVG ist allerdings als nicht ausreichend bestimmt anzusehen, so daß er mit den Anforderungen des Art. 80 GG nicht vereinbar ist. Da sich keine anderen Ermächtigungsgrundlagen aus dem LuftVG ergeben, ist die Schaffung einer neuen Ermächtigungsgrundlage notwendig. Diese muß den Anwendungsbereich und die wesentlichen Anforderungen des Lärmschutzes ausreichend bestimmt festlegen. Notwendig ist daher die Eingrenzung des Anwendungsbereichs auf die Planung VOn Verkehrsflughäfen gern. §§ 6, 8 ff. LuftVG und die Festlegung der Lärmschutzanforderungen auf den Schutz vor erheblichen Nachteilen, Belästigungen und Gefahren durch schädlichen Umwelteinwirkungen. Angesichts der unbestimmten Begrifflichkeiten muß dem Verordnungsgeber hinsichtlich der konkretisierenden Grenzwertsetzung ein weiter Gestaltungsspielraum zukommen. Die zu erlassende "Fluglärmschutzverordnung" muß ihrem Inhalt nach den Anwendungsbereich der Grenzwerte, die konkrete Festlegung der Grenzwerte und das zugehörige Berechnungsverfahren enthalten. Die maßgeblichen Probleme stellen sich dabei im Rahmen der Grenzwertfestlegung. Diese erfolgt in mehreren Schritten. Zunächst müssen dabei die durch die Lärmgrenzwerte rechtlich zu schützenden Güter festgelegt werden. Diese ergeben sich primär aus der einfachgesetzlichen Norm des § 9 Abs. 2 LuftVG. Nur in Ausnahmef,illen darf unmittelbar auf das Verfassungsrecht zurückgegriffen werden. Verfassungsrechtliche Relevanz entfaltet Fluglärm im Hinblick auf die Grundrechte der Lärmbetroffenen, die Grundrechte der Flughafenbetreiber und weitere öffentliche Interessen. In Bezug auf die lärmbetroffene Flughafennachbarschaft
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können dabei vor allem das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG und die Eigentumsgewährleistung aus Art. 14 Abs. 1 GG berührt sein. Diesen Grundrechten der Lärmbetroffenen stehen allerdings die Grundrechte der Flughafenbetreiber auf Eigentumsgewährleistung und Berufsfreiheit gegenüber, sofern diese als gemischtwirtschaftliche Unternehmen Grundrechtsfähigkeit aufweisen. Den Interessen der Betreiber entsprechen weitgehend die an den Verkehrsflughäfen bestehenden öffentlichen Interessen, die jedoch ebenfalls einer Stütze im Verfassungsrecht bedürfen. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang vor allem das Allgemeininteresse an einer Förderung des Luftverkehrs und die damit verbundenen verkehrlichen Mobilität, die sich auf das Sozialstaatsprinzip oder auf das in Art. 109 Abs. 2 GG verankerte Interesse an der Herstellung und Erhaltung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zurückführen lassen. Die verschiedenen gegenläufigen Interessen müssen durch den Gesetzgeber zu einem verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden. Die Grundrechte der Lärmbetroffenen kommen dabei sowohl in ihrer Schutz- als auch in ihrer Abwehrfunktion zur Geltung. Dies läßt sich darauf zurückführen, daß diese maßgeblich von der unterschiedlich zu beurteilenden Grundrechtsfähigkeit der Flughafenbetreiber abhängt. Bei dem Ausgleich der unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Interessen kommt dem einfachen Gesetzgeber ein weiter Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu. Als einfachrechtliches Ergebnis dieses verfassungsrechtlichen Ausgleichs ist die Norm des § 9 Abs. 2 LuftVG anzusehen, die den Lärmschutz im Rahmen der luftverkehrsrechtlichen Flughafenplanung gewährleisten soll. Die einfachgesetzlichen Anforderungen des § 9 Abs. 2 LuftVG sind maßgeblich für die Grenzwertsetzung. Geschützt werden soll danach vor Gefahren und Nachteilen für die benachbarten Grundstücke durch Fluglärmeinwirkungen. Im Gegensatz zum sonstigen Immissionsschutzrecht ist der Schutz vor erheblichen Belästigungen durch Fluglärm nicht normiert. Auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist insoweit uneinheitlich. Eine Anpassung des Schutzbereichs des § 9 Abs. 2 LuftVG im Sinne einer Einbeziehung erheblicher Belästigungen erscheint aber geboten. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des § 9 Abs. 2 LuftVG, der ein weitgehend ungestörtes Wohnen und Arbeiten sichern soll. Dafür sprechen auch systematische Erwägungen, da im gesamten Immissionsschutzrecht ein derartiger Schutz vor erheblichen Belästigungen gewährleistet wird. Eine Anpassung des Schutzbereichs müßte dann speziell im Hinblick auf die Nachtschutzziele insofern eine Änderung herbeiführen, als daß bereits vor Nachtschlafstörungen unterhalb der Aufweckschwelle geschützt werden muß. Für die einfachgesetzlichen Lärmschutzanforderungen des § 9 Abs. 2 LuftVG spielen weiterhin Zumutbarkeitserwägungen eine Rolle. Diese ergeben sich daraus, daß nicht vor jeglicher noch so geringer Lärmbelastung geschützt werden soll, sondern nur vor solchen Lärmeinwirkungen, die unzumutbar sind. Durch die Einschränkung auf unzumutbare Lärmeinwirkungen soll ein Ausgleich der durch eine Flughafenplanung in einem industrialisierten und dichtbesiedelten Land entstehenden Interessenkollision zwischen den Immissionsbetroffenen und den Flughafen15*
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6. Teil: Zusammenfassung
betreibern gefunden werden. Der Begriff der Zumutbarkeit stellt den Gesetzgeber aber aufgrund seiner Unbestimmtheit vor erhebliche Wertungsprobleme. Die Festlegung der Schädlichkeitsschwelle im Hinblick auf Fluglärmimmissionen ist keine rein naturwissenschaftliche Entscheidung. Bereits im naturwissenschaftlichen Bereich sind eine Vielzahl von Wertungen zu treffen, so daß es "eine" objektive Schädlichkeitsschwelle nicht gibt. Sie hängt vielmehr von der Auswahl des Berechnungsverfahrens und weiteren Differenzierungskriterien wie beispielsweise der Festsetzung besonders schützenswerter Zeiten ab. Allerdings läßt sich hierdurch noch nicht die Frage beantworten, wann eine Lärmbeeinträchtigung als unzumutbar anzusehen ist. Diese Entscheidung weist im wesentlichen einen politischen Charakter auf. Daher muß im Rahmen der Bestimmung der Zumutbarkeitsschwelle eine Güterabwägung stattfinden, in die alle betroffenen Interessen, auch die ökonomischer Art, einfließen. Eine solche Güterabwägung zieht zwar den Vorwurf der Relativierung des Lärmschutzes auf sich, doch läßt sich nur auf diese Weise der notwendige Kompromiß der widerstreitenden Interessen finden. Der Gesetzgeber muß bei der rechtlichen Fixierung der Grenzwerte im Rahmen einer "Fluglärmschutzverordnung" also eine Vielzahl von Wertungen treffen, die die weitgehende Erfassung des Lärmphänomens einerseits und die politische Kompromißfahigkeit andererseits ermöglichen. Im Rahmen der Grenzwertschaffung sind gewisse Typisierungen und Generalisierungen unumgänglich, wenn eine gleichmäßige Anwendung auf alle betroffenen Fälle gewährleistet werden soll. So ist es grundsätzlich zulässig, als Maßstab für die Lärmbeeinträchtigungen durch Fluglärm das Lärmempfinden des verständigen Durchschnittsmenschen heranzuziehen. Unmittelbarer Bezugspunkt für den Lärmschutz ist das Grundstück. Diese Grundstücksorientierung läßt sich zum einen damit rechtfertigen, daß Lärmeinwirkungen im wesentlichen aufgrund ihrer Dauer schädlich werden. Dauerhaften Lärmbelästigungen sind Personen jedoch nur an ihrem Wohn- und Arbeitsplatz ausgesetzt. Weiterhin ermöglicht erst die Verbindung mit einer bestimmten Raumsituation, daß die Maßstäbe des Art. 2 Abs. 2 GG für eine allgemeingültige Regelung ausreichend greifbar werden. Für den Lärmschutz wird auf diese Weise zwar unmittelbar auf die Nutzbarkeit des betroffenen Grundstück abgestellt, doch sind die Wirkungen des Lärms auf den Betroffenen als Maßstab für die Nutzbarkeit anzulegen. Durch die Bezugnahme auf das Grundstück wird der Gesundheitsschutz also nicht relativiert, sondern gleichsam "mediatisiert". Solange dabei die grundrechtliche Gefahrenschwelle der körperlichen Unversehrtheit nicht erreicht wird, ist die Grundstücksorientierung auch verfassungsrechtlich zulässig. Die Fluglärmgrenzwerte selbst müssen so differenziert wie nötig und so allgemeingültig wie möglich festgesetzt werden, um einerseits das Lärmphänomen angemessen zu erfassen und andererseits die allgemeine Anwendbarkeit zu gewährleisten.
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Ausgehend von der Orientierung an der Nutzbarkeit der betroffenen Grundstücke bietet es sich an, die Fluglärmgrenzwerte in Abhängigkeit von baunutzungsrechtlichen Gebietsarten zu bestimmen. Auf diese Weise kann beispielsweise das Lärmschutzniveau in Wohngebieten höher angesetzt werden als in Industriegebieten. Diese Differenzierung nach Gebietsarten findet sich im gesamten Immissionsschutzrecht wie auch in der Rechtsprechung wieder. Auch der Sinn und Zweck des § 9 Abs. 2 LuftVG, der einen Ausgleich zwischen Lärmemittenten und Lärmbetroffenen anstrebt, legt es nahe, in verschiedenen Gebietsarten verschiedene Immissionsschutzniveaus festzulegen. Dabei gilt eine Besonderheit für besonders schutzbedürftige Einrichtungen, die unabhängig von der bauplanungsrechtlichen Situation ihres Gebiets eines speziellen Schutzes bedürfen. Um die besondere Lärmempfindlichkeit während des Nachtschlafs zu erfassen, sind weiterhin unterschiedliche Tages- und Nachtgrenzwerte zu bestimmen. Eine weitere Differenzierung nach Außen- und Innenwohnbereichswerten erscheint im Hinblick darauf erforderlich, daß auch der Außenwohnbereich schützenswert ist, hier allerdings ein geringeres Lärmschutzniveau gewährleistet werden muß. Speziell für fluglärmimmissionen, die durch ihre hohen Einzelschallpege1 und ihr unregelmäßiges Auftreten gekennzeichnet sind, ist die Einführung von zusätzlichen Maximalpegeln erforderlich, die insbesondere den Nachtlärmschutz effektiver gestalten. Die Entscheidung über die konkrete Höhe der Grenzwerte bleibt allerdings als politisch und wirtschaftlich stark umstrittene Frage dem Gesetzgeber überlassen. Äußerst problematisch stellt sich die Frage nach der Behandlung von Lärmvorbelastungen im Rahmen einer "Fluglärmschutzverordnung" dar. Im Hinblick auf tatsächliche Vorbelastungen ist zwischen zwei Aspekten zu unterscheiden, dem Aspekt der Schutzwürdigkeit und dem Aspekt der Kausalität. Die Rechtsprechung zu § 9 Abs. 2 LuftVG stellt dabei maßgeblich auf den Aspekt der Schutzwürdigkeit ab und gelangt zu dem Ergebnis, daß tatsächliche Vorbelastungen schutzmindernd zu Lasten des Betroffenen wirken müssen. Gegen diese Auffassung spricht jedoch der Gedanke, daß gerade derjenige umso schutzwürdiger ist, der ohnehin einer bereits bestehenden Lärmbelastung ausgesetzt ist. Im übrigen läßt sich im Gesetz keine Grundlage finden, durch die sich die schutzmindernde Wirkung der Vorbelastungen rechtfertigen ließe. Im Ergebnis sind daher Vorbelastungen nicht unter dem Gesichtspunkt der Schutzwürdigkeit, sondern vielmehr ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Kausalität zu betrachten. Es geht dabei um die Frage, ob die neu hinzutretende Lärmquelle eine Verschlechterung der Lärmsituation verursacht oder ob sie vielmehr in einem bereits vorhandenen Lärmpegel aufgeht und sich daher gar nicht als Nachteil auswirkt. Auch für die plangegebene Vorbelastung gilt, daß sich im Gesetz keine Stütze für ihre schutzmindernde Berücksichtigung durch die Rechtsprechung finden läßt. Vorbelastungen finden daher im Rahmen einer "Fluglärmschutzverordnung" nur typisiert über die unterschiedlichen Immissionsschutzniveaus der verschiedenen Gebietsarten Berücksichtigung. Ansonsten sind sie im wesentlichen im Rahmen der Summationsproblematik von Bedeutung.
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Die Frage nach der summativen Betrachtung von Lärmeinwirkungen wirft im Rahmen einer "Fluglärmschutzverordnung" große Probleme auf. Obwohl § 3 Abs. 1 BImSchG als zentrale Norm des Immissionsschutzrechts eine Berücksichtigung aller Lärmeinwirkungen am Einwirkungsort zugunsten eines effektiven Lärmschutzes vorsieht, werden im bisherigen Lärmschutzrecht alle Lärmquellen segmentiert betrachtet. Eine Ausnahme macht insoweit die neue TA Lärm 1998, die zumindest eine summative Berücksichtigung der Lärmquellen vorsieht, auf die die TA Lärm Anwendung findet. Grundsätzlich erscheint eine summative Betrachtungsweise der Lärmbelastungen im Rahmen des § 9 Abs. 2 LuftVG zugunsten eines umfassenen Lärmschutzes geboten. Allerdings stellen sich bisher noch erhebliche rechtliche und fachliche Probleme. Diese liegen - fachlich betrachtet - im wesentlichen darin, daß bisher noch keine einheitlichen Berechnungs- und Bewertungsverfahren für die Lärmquellen existieren. Rechtlich gesehen liegt die Schwierigkeit der summativen Betrachtungsweise vor allem in den fehlenden Zurechnungsregeln hinsichtlich der Verursachungsbeiträge. In § 9 Abs. 2 LuftVG ist lediglich allgemein das Verursacherprinzip normiert. Ob - wie bisher von der Rechtsprechung praktiziert - nur dem Auslöser der Konflikt zugerechnet werden soll oder vielmehr eine Verantwortungsgemeinschaft der Emittenten bestehen soll, ist nicht eindeutig geregelt. Würde die Lärmbelastung entgegen der jetzigen Praxis allerdings auf die verschiedenenVerursacher zurückgeführt, so stellt sich das Problem, daß einheitliche Rechtsgrundlagen zum Erlaß nachträglicher Lärmschutzanordnungen fehlen. Eine summative Betrachtungsweise von Lärmwirkungen bedarf daher einheitlicher Regelungen im gesamten Immissionsschutzrecht. Im Rahmen einer "Fluglärmschutzverordnung" ist sie dementsprechend umfassend nicht realisierbar. Eingeführt werden sollte aber die summative Berücksichtigung bereits vorhandenen Fluglärms als gleichartiger Lärmquelle. Weiterhin können Einzelfallprüfungen für Sonderfälle festgelegt werden. Im Hinblick auf die Rechtsfolgen beim Überschreiten der lärmschutzrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle des § 9 Abs. 2 LuftVG steht ein mehrstufiges Maßnahmenkonzept bereit. Auf der ersten Stufe müssen Maßnahmen des aktiven oder passiven Lärmschutzes angeordnet werden. Dabei gilt kein absoluter, sondern nur ein relativer Vorrang des aktiven Lärmschutzes. Sind Maßnahmen des aktiven oder passiven Lärmschutzes nicht möglich, so muß eine Entschädigung angeordnet werden. Als letzte Möglichkeit bei Versagen der anderen Maßnahmen kommt die Versagung der gesamten Planung in Betracht. Wird die Zumutbarkeitsschwelle durch die nachträgliche Zunahme des Lärms überschritten, so kommen mehrer Rechtsgrundlagen in Betracht. Eine ausdrückliche Ermächtigung zum Erlaß nachträglicher Anordnungen bei Überschreiten der Zumutbarkeitsschwelle zugunsten einer Lärmsanierung fehlt allerdings. Im Ergebnis würde eine "Fluglärmschutzverordnung" mit dem in dieser Arbeit dargelegten Inhalt die aufgezeigten Defizite der bisherigen Situation erheblich
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reduzieren. Daß solche Regelungen im Spannungsfeld zwischen Lärmschutzforderungen und wirtschaftlich-politischen Interessen heftig umstritten sind, zeigen die langwierigen und bisher wenig erfolgreichen Novellierungsbestrebungen. Angesichts der starken und vermutlich noch zunehmenden Fluglärmimmissionen ist die Dringlichkeit von Verbesserungen der bestehenden Fluglärmschutzregelungen jedoch offenkundig. Die dargestellte "Fluglärmschutzverordnung" mit ihren - im Ausgleich der berechtigten Interessen festzulegenden - Lärmgrenzwerten würde hierzu einen großen Beitrag leisten, da sie die künftigen Planungen von Verkehrsflughäfen deutlich effektiver gestaltet.
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- Ausgewählte Probleme zum Rechtsschutz gegen Fluglärm, Teil III, ZLW 1998, S. 456489. - Geplante Neuordnung der luftrechtlichen Anlagenzulassung, ZLW 200 I, S. 173 - 186.
Stichwortverzeichnis Abwägung 64, 88 ff. Abwägungsfehler 89 f., 101 f. Abwägungsgebot 88 f. Abwägungsgrenzen 98 ff. Abwägungskontrolle 89 f. Abwehrrecht 162 A-Filter 24 Aktiver Lärmschutz 215 ff., 218 ff. Änderung 59 ff., 230 f. Anlage eines Flugplatzes 57 f., 80 Anstieg der Lärmbe1ästigung 19,33 Antizipiertes Sachverständigengutachten 139 Äquivalenter Dauerschallpegel 26, 193 f. Arbeitsplätze 37,161,179 Aufweckschwelle 29, 127 f., 172 Aufwendungsersatz 52, 229 Aurale Lärmwirkungen 27 ff. Ausbau 36, 41, 77 Außenbereich 188 ff. Außenwohnbereich 128 f., 192 f. Bauliche Nutzungsbeschränkungen 52 f. Baunutzungsverordnung 118, 187 Bauplanung 188 Bauverbot 52 Bedarf 83 f. Belästigungen 31, 34, 167 Berechnungsverfahren 54 f., 207, 209 ff. Besonders schutzbedürftige Einrichtungen 191 Bestimmtheitsgebot 145 Betreibergrundrechte 158 f. Betrieb eines Flughafens 58, 225 Betriebsbeschränkungen 58,80,219 ff. Beurteilungspegel 25 f. Beurteilungsspielraum 114 f. Bewegungskontingentierung 219 Bindungswirkung 44, 50, 68 ff., 139 Bodenlärm 32 Bonusliste 219 f.
Daseinsvorsorge 159 ff. Dezibel 23 Differenzierungskriterien 174 ff., 185 ff. DIN 18005 11 0 DIN 45643110,210 Doppelbe1ästigung 34 Doppe1natur 62 f. Drittschutz 51, 67, 103 f. Durchschnittsmensch 182 f. Dynamischer Grundrechtsschutz 141 Eigentumsgarantie 87 f., 99, 117, 122, 155 f., 227 f., 234 f. Einzelfallentscheidung 116, 130 Emissionsgrenzwerte 166 Enteignung 88, 99 f., 129,227 f. Entschädigung 52, 88, 226 f. Erheblichkeit 112 f., 167 ff., 172 ff. Erkenntnisdefizite 26 f., 175 f. Ermächtigungsgrundlage 144 ff. Erweiterung eines Flugplatzes 59 Extraaurale Lärmwirkungen 27, 30 ff. Flughafen 20 Fluglärm 32 ff. Fluglärmmalus 211 Fluglärmschutzgesetz 38, 52 ff., 108 f., 212 f., 228 Flugplatz 20 Frequenz 24 Gebietsart 118, 186 ff. Gebot der Rücksichtnahme 188, 198,201 Gefahr 167 Gefahrenabwehr 165 Gehörschädigung 27 f. Gemeinwohlinteressen 82, 160 f. Gemischtwirtschaftliches Unternehmen 159 Genehmigung 57 ff. Genehmigungspflicht 57 f.
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Stichwortverzeichnis
Generalisierung 133 f., 181 Gestaltungsspielraum 114 ff., 148 ff., 163 f. Gesundheitsbelästigung 28 f., 64, 87 f., 90 f., 153 f., 157, 168 ff. Gesundheitsgefährdung 27 f., 63 f., 90 f., 122, 153 f., 168 f., 234 f. Gesundheitsschutz 63 f., 87 f., 117, 153 f., 156 f., 185,234 Gleichheitsgebot 134, 181 Grenzwerte 106 ff. Grenzwertfestlegung 151 ff. Grundrechte 87 ff., 153 ff., 234 f. Grundrechtsfähigkeit 159 f. Grundstückorientierter Lärmschutz 117, 183 f. Güterabwägung 123,177 f. Halbierungsparameter 25 Hertz 24 Höhe der Grenzwerte 182 Immissionsgrenzwerte 166 Inhaltsbestimmung 221 ff. ,228 Innenbereich 188 Innenwohnbereich 125 ff., 192 f. Interessenausgleich 178 Kapazitätsbeschränkungen 58, 219 Kinder 29, 183 Kommunikationsstörungen 30 f., 125 f., 129,171 Komplexität 22 f. Konzentrationsstörungen 31, 172 Konzentrationswirkung 85 Kosten 37, 53, 179 f. Landeplatzlärmschutzverordnung 109 f. Lärm 22 ff. Lärmkomponenten 22 f., 25,113,175 Lärmkontingentierung 219 Lärmsanierung 122, 196,235 f. Lärmschutzmaßnahmen 218 Lärmschutzzonen 52, 212 f. Lärmsummation 195 ff., 203 ff. Lärmvorbelastungen 99 f., 118 ff., 194 Lärmwirkungen 26 ff., 174 ff. Lärmwirkungsforschung 26 ff.
Nachbarschaft 106, 164 Nachbesserungsklausel 231 Nachtfluglärm 29, 94,127 f ., 171, 191 Nachtflugverbot 94,219 Nachträgliche Betriebsbeschränkungen 233 Nachträgliche Schutzanordnungen 230 Nachtschutzziele 171 Nachtwerte 191 Nachtzeit 191 Natürliche Lebensgrundlagen 97, 157 Naturwissenschaft 22 f., 174 Norrnenverbände 138 Novellierungsbestrebungen 56 Nutzungsbeschränkungen 52 Ökonomische Anreize 136 Optimierungsgebot 92 f. Ortsüblichkeit 186 Passiver Lärmschutz 215 Physikalische Grundbegriffe 23 Planaufhebungsanspruch 100 f., 229 Planergänzung 100,222 Planerische Gestaltungsfreiheit 81 Planfeststellung 79 ff. Plangegebene Vorbelastung 120,201 ff. Plangenehmigung 78 f. Planrechtfertigung 82 f. Planungsleitsätze 84 ff. Politische Aspekte 36 ff., 131, 176 f., 182 Prioritätsgrundsatz 198 f., 202, 206 Privatisierung 160 Privatnützige Vorhaben 82 f. Prognoseentscheidung 115 f., 231 Raumordnungsklausel 43 Raumordnungsrecht 39 ff. Rechtsschutz 45 ff., 50 f., 77 f., 100 ff. Rechtssicherheit 132 f., 135, 141, 181 Rechtsverordnung 142 ff. Raumordnungsverfahren 42, 44 ff. Richtwerte 107 Schall 23 Schalldruck 23 f. Schienenbonus 211 Schienenverkehrslärm 34, 211 Schlafstörungen 29,127,172
Stichwortverzeichnis
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Schutzgebiet 123 Schutzpflicht 162 Schutzvorkehrungen 85 f., 98 f., 100, 106, 215 ff.
Umweltverträglichkeitspriifung 46 f., 65 f., 95 Unbestimmter Rechtsbegriff 113 ff., 146, 148 f.
Schutzzie1e 124, 171 Segmentierung 203 ff. Siedlungsbeschränkungen 53 Situationsgebundenheit 119, 156, 185, 198 Sonderfallpriifung 135,208 Sozialpflichtigkeit 155 f., 185 Staatszie1bestimrnung Umweltschutz 97 f., 157 f. Straßenverkehrslärm 28, 34 f., 111 Streßreaktion 28 Subtraktive Betrachtung 119, 195 ff.
Verfahrensregelungen 135 Verkehrsflughafen 20, 83 Verkehrslärmschutzverordnung 189, 204 Versagung 63, 98, 229 Verursacherprinzip 120, 199,206 Verwaltungsprivatrecht 158 f. Verwaltungsvorschrift 138 ff. Vorbehalt des Gesetzes 140 f. Vorhersehbarkeit 231 f. Vorsorge 154, 165,216
TA Lärm 197,204 f. Tagwerte 191 Tagzeit 191 Tatsächliche Lärmvorbelastung 119, 195 ff. Teilwiderruf 232 f. Trennungsgrundsatz 40, 54, 95 f., 187 Typisierungen 134, 181 f. Überörtlichkeit 40, 48 Umweltstandards 107
Wesentlichkeit 59 f., 80 Wesentlichkeitsgrundsatz 131, 140 Widmungszweck 20,83,179,217 Wirtschaftliche Interessen 36 ff., 177 ff., 217 Wohlbefinden 30 ff., 153, 167 Wohnen 124 f. Wohngebiete 124 f.
196,
161,
Zumutbarkeit 64,98 ff., 113 ff., 126 f., 168, 172 ff. Zunahme des Luftverkehrs 19,33,36